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Mein Glaubensbekenntnis Christentum, Kirche, Persönliches, Religion

Autor:  Jitsch

Ich bin Christin und das ist auch gut so.

Mit diesem Titel und erstem Satz habe ich wahrscheinlich schon mal dutzende Leute vergrault, aber falls ihr mir zuhören wollt, seid ihr eingeladen, euch anzuhören was mich mit dem Christentum verbindet. Ich bin nicht die Zeugen Jehovas, ich will keinen bekehren. Nur etwas erzählen.


Wie Freunde von mir wissen dürften, bin ich derzeit für ein Jahr in Südkorea. Etwas, was dieses Land maßgeblich von anderen asiatischen Ländern, z.B. auch Japan, unterscheidet, ist das Christentum. Dieses hat in Korea nämlich einen Platz im Alltag, es gibt viele Kirchen und laut Wikipedia sind 31% der Koreaner Christen (größtenteils presbyterianisch, also protestantisch mit schottischen Ursprüngen).

Ich nehme derzeit kostenlose Koreanisch-Tutorien im sogenannten KI-House. Dessen Leiterin ist Christin und ihr Mann ist evangelischer Pastor. Wenn man sich für ein Tutorium anmelden will, soll man neben organisatorisch nötigen Angaben auch sagen, welche Religion man hat. Ich wurde dann, da ich „Christlich“ geschrieben hatte, einmal gefragt, ob ich nicht mal in einen Gottesdienst kommen will. Nachdem ich gesagt habe, dass ich keine wirklich aktive Christin bin, ist das Thema nie wieder aufgekommen. Später habe ich mit einem anderen Deutschen über das KI-House gesprochen. Er meinte, dass er dort jetzt doch kein Tutorium machen würde, weil er „keinen Bock auf dieses aufdringliche Kirchengehabe“ habe, oder sowas in der Art.

Das hat mir ehrlich gesagt einen Stich versetzt. Dieser Deutsche hatte offenbar eine diffuse Angst davor, „missioniert“ zu werden, sobald er hörte, dass das Ganze mit Kirche zu tun hat. Meine eigene Erfahrung sagt: Das ist Quatsch. Der Unterricht ist nicht christlich geprägt, man kann auch als Nichtchrist Stunden nehmen, eine der besten Freundinnen der Leiterin ist Muslimin und auch auf den Hauspartys, die die Leiterin etwa zweimal die Woche veranstaltet, muss man nicht beten bevor man anfängt zu essen oder Ähnliches. Aber um das zu begreifen, hätte dieser Mensch erst einmal hin gehen müssen.

Und dann traf ich auf dem Weg zum Flieger nach Thailand Anfang Januar einen ausländischen Studenten von meiner Uni, der auf dem Weg zur Kirche war. Ergo sprachen wir kurz über Religion. Ich sagte, dass ich zwar Christin bin, aber nie in die Kirche gehe. Und was ist die Antwort? „I understand. So god is in your heart“. Das hat mich sehr gerührt. Und außerdem stimmte es, auch wenn ich selbst Probleme hätte, das so deutlich zu sagen.  

Und da habe ich mich auch gefragt: Wer ist jetzt eigentlich toleranter?


Kirchenkritik ist nicht nur auf Animexx irgendwie in Mode – aber ich habe noch nie persönlich einen Christen getroffen, der über Atheisten geschimpft hat. Ja, wirklich nicht. 

Stattdessen höre ich sowas wie den weiter oben wiedergegebenen Kommentar, Stammtischgemecker über die Sinnlosigkeit von Kirche (à la „die wollen doch nur unser Geld über die Kirchensteuer“) und – kein Witz – von einem Bekannten: „Ich mag Kirche nicht, wegen der Kreuzzüge.“ Und habe jedenfalls oft das Gefühl, ich düfte gar nicht mehr laut sagen, dass ich Christin bin.

Kurz: Neben Atheisten, die sich aus (auch für mich!) nachvollziehbaren Gründen bewusst gegen das Christentum oder den Glauben an sich entschieden haben (wie Alaiya, die dazu gerade erst einen Weblog geschrieben hat) gibt es auch einen Haufen Leute, die, hart ausgedrückt, eigentlich keine Ahnung haben. Die wissen, dass der Staat Kirchensteuer einzieht und haben natürlich auch von den ganzen Skandalen gehört, die in den letzten Jahren in den Medien kamen. Und ja, das waren wirklich viele – wobei, wenn man gut aufgepasst hat, sollte man wissen, dass 90% davon sich auf die katholische Kirche bezogen. Ich bin übrigens evangelisch.


Gerade diesen Leuten möchte ich sagen: Kirche ist kein Verein von Kinderschändern und Ewiggestrigen. Die meisten Leute, die in der Kirche sind, sind ganz normale Leute.

„Kirche“ meint für mich nicht irgendein uraltes Backsteingebäude, in dem man sich jeden Sonntag trifft um das Vaterunser aufzusagen. Damit meine ich das, was entsteht, wenn viele Leute gemeinsam an etwas glauben – eine Gemeinschaft.

Meine Eltern sind Pastoren. Ich bin also quasi in den christlichen Glauben hinein geboren worden. Ich hatte eine Kinderbibel und ging mit in den Gottesdienst. Ich wurde getauft, als ich noch ein Baby war. Ich ging in eine Krabbelgruppe, die im Gemeindehaus stattfand. Ich ging zu Kinderkirchentagen und Bibelwochen für Kinder. Für mich war das ein Teil meines Alltags.

Aber meine Eltern sind äußerst liberal. Wir mussten nicht vor jeder Mahlzeit beten (außer in der Fastenzeit). Ich wurde nie gezwungen, in die Kirche zu gehen und habe es auch nie regelmäßig getan. Die Bibel habe ich nie komplett gelesen. Ich bin mir sehr sicher, dass sie es akzeptiert hätten, hätte ich nicht konfirmiert werden wollen.

Aber ich wollte. Ich wurde konfirmiert und war in einer Teamer-Gruppe für jüngere Konfirmanden. Wir haben eine Konfirmandenfreizeit begleitet, wir waren zusammen auf einem ganz weltlichen Konzert und auf einem Kirchentag und haben Ausflüge im Regen gemacht. Das waren Leute, die mit meinen Hobbies nichts anfangen konnten und völlig andere Interessen und Erfahrungen hatten. Aber wir waren ein Team.

Später habe ich Religion in der Oberstufe gewählt. Mein Religionskurs war menschlich der tollste Kurs, den ich an der Schule jemals hatte. Als wir über Theodizee (die Frage, wieso Gott Leid in der Welt zulässt) gesprochen haben, hat eine Klassenkameradin längst vergangene Erinnerungen an den Tod ihrer Mutter mit uns allen noch einmal erlebt. Es war der Kurs mit der engsten Gemeinschaft und den meisten Kurstreffen, und der einzige, der sich nach dem Abi noch mehrmals getroffen hat.


Ich finde, abgesehen davon, dass der christliche Glauben in seiner „Reinform“, also wenn man die ganzen Rituale und das Klimbim weglässt, sehr schöne Nachrichten vermittelt. Ich mag die Geschichte vom barmherzigen Samariter, der einem Angehörigen eines eigentlich verfeindeten Volksstamms einfach so hilft, und Aussagen wie dass man seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst und dass man, wenn man geschlagen wird, auch noch die andere Wange hinhalten soll statt blindwütig zurückzuschlagen.

Ich gehe immer mal wieder gern in die Kirche, weil ich das Gemeinschaftsgefühl mag, das man dort erlebt. Man singt zusammen, spricht zusammen Gebete und ist sich einig. Ich war auf Kirchentagen, wo tausende Menschen kamen, um zusammen ihren Glauben zu zelebrieren. Völlig fremde Menschen, die von nur einem vereint werden, nämlich ihrem Glauben an einen Gott. Das ist ein bisschen wie eine Anime-Con, nur dass es unter Christen einen kleinsten gemeinsamen Nenner namens Gott gibt, während sich anderswo schon Pretty Cure Fans untereinander zerfleischen, weil die einen Heartcatch mögen und die anderen Fresh Precure.

Denn in seinem Grundsatz, von dem her, was Jesus gelehrt und gelebt hat, und wie ich es lebe, ist Christentum, mir fällt einfach kein besseres Wort ein, freundlich. Jesus hat, so steht es zumindest in der Bibel, eine Ehebrecherin vor der Steinigung bewahrt und, ohne Gegenleistung zu verlangen, tausenden Menschen Essen gegeben. Das muss nicht so passiert sein, aber es ist eine schöne Geschichte. Und das ist für mich das, was das Christentum ausmacht. Nicht die zehn Gebote oder der Glaube daran, dass die Erde in sieben Tagen geschaffen wurde. Letzteres halte ich übrigens auch für Quatsch, sonst würde ich wohl kaum ein naturwissenschaftliches Studium absolvieren.

Was für mich den Kern ausmacht, ist die Lehre davon, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat, wenn er einen Fehler gemacht hat. Dass man Gewalt nicht mit Gewalt beantworten darf. Dass man sich um seine Mitmenschen kümmern soll, egal wer oder was sie sind.

Die meisten Christen, die ich kenne, sind wahnsinnig gute Menschen. Ich habe so viele getroffen, die Menschen helfen, und nein, sie fragen nicht erst, ob man auch an Gott glaubt.

Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass man nicht auch ein guter, hilfsbereiter, toleranter Mensch sein kann ohne an Gott zu glauben. Ich glaube auch nicht, dass Christen automatisch die besseren Menschen sind. Aber ich denke, Jesus Christus ist ein gutes Vorbild, ganz unabhängig davon ob es ihn wirklich genau so gab wie es in der Bibel steht und ob man daran glaubt, dass er ein Sohn Gottes war und auferstanden ist.

Deshalb, bitte, ihr Nicht-Christen da draußen: Glaubt nicht an Gott, aber lasst uns unseren Glauben und rennt nicht schreiend weg, sobald jemand „Gott“ sagt. Christentum ist keine ansteckende Krankheit, sondern ein Feuer, an dem man seine eigene Kerze entzünden kann – aber nur, wenn man will. Und man kann sie jederzeit wieder auspusten.


PS: Der Blog fügt sich gut in die derzeit irgendwie häufigen Blogs ein, die sich irgendwie um Religion drehen, aber eigentlich wollte ich was in der Art schon länger schreiben.