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Carlsen, muss das sein? atomkraft, Carlsen Manga, Fukushima, Manga-Preview

Autor:  Jitsch

Gestern trudelte bei mir mal wieder die Daisuki ein. Und wie das alles halbe Jahr so ist diesmal auch die neue Manga-Preview von Carlsen mit dem Programm von August bis November. So weit so gut, viele neue Serien, manche vielleicht interessant, aber dann sticht mir etwas ganz anderes ins Auge.

Eine Doppelseite mit der Überschrift Atomkraft-Teufelszeug, zwischen einer Doppelseite Werbung für "How to draw Manga" und der Liste anstehender Conventions.
Aus Faulheit geht mein Blick erst auf die drei Karikaturen auf der Seite.

Karikatur 1: Godzilla, ein Anti-Atomkraft-Schild in der Hand, sagt zu einem kleinen Jungen: "Ja, gaz recht, ich bin Atomstromgegner. Schau, was Strahlung aus mir gemacht hat... Ich muss all meine T-Shirts in Übergrößen kaufen - das ist voll uncool!"

Karikatur 2: Ein Mensch (oder das Maskottchen der Manga Preview) im Strahlenschutzanzug lehnt an einer Tonne Atommüll und sagt zur Sonne: "Ach, von wegen Atommüll und verstrahltes Material... Das schießen wir einfach in die Sonne und gut ist!". Sonne: "Was?!"

Karikatur 3: Undefinierbares Hasenwesen müht sich ab, den Stecker einer Lampe mit dem Atomsymbol drauf aus der Dose zu ziehen.

Reaktion: Hm, lol, so nimmt das Thema doch keiner ernst.

Der Text dagegen klingt, als hätten ihn die Grünen oder noch militantere Atomgegner verfasst und ist zu 100% ernst gemeint, weshalb ich schonmal die Comics dazu ganz unpassend finde.

Der Artikel schildert als erstes die Vorgänge in Fukushima, verweist auf Tschernobyl und auf Unfälle in Atomkraftwerken auf der ganzen Welt, um zu schließen: "Wenn heute jemand behauptet, Atomkraft sei sicher, dann lügt er."
Eine Aussage, über die man sich streiten kann und die jeder, der Atomkraft befürwortet, zumindest irgendwie relativieren würde, aber gut.

Anschließend wird die Endlagerfrage erwähnt, Verweis auf die Zustände in der Asse.
Der Autor stellt danach die Frage, warum Menschen überhaupt Atomkraft nutzen und verweist darauf, dass es unrealistisch sei, anzunehmen, dass man Atommüll über 10.000 Jahre sicher lagern könnte.

Das alles ist ja noch inhaltlich richtig, wenn auch einseitig. Es geht aber noch weiter. Die Autoren stellen nämlich die Frage: "Warum wurde / wird auf Atomkraft gesetzt?"
Dort gegebene Antwort: Weil Leute daran Geld verdienen. Es folgt der Verweis darauf, dass alle Schäden, der Rückbau etc. am Steuerzahler hängenbleiben. Schluss. Aus.
Und kein Ahnungsloser versteht, warum die Menschen dann überhaupt mal angefangen Atomkraft zu nutzen. Während die Nicht-Ahnungslosen den Artikel gähnend zur Seite legen, weil sie das eh alles schon wussten.

Nicht, dass ich Atomkraftbefürworter wäre, aber ich fände es durchaus richtig und nötig, zu erwähnen, dass Atomkraft in erster Linie deshalb groß geworden ist, weil sie eine Alternative zu fossilen Brennstoffen darstellte, die wie wir alle wissen nicht nur bei ihrer Verbrennung CO² freisetzen, sondern auch irgendwann zu ende gehen werden. Vor allem aber sagen die Autoren kein Wort dazu, dass Japans Energiewirtschaft nur deshalb so stark auf Atomkraft setzt, weil dieses Land arm an anderen Energieressourcen ist.
Also: NEIN, Geld ist nicht der einzige Grund für Atomkraft. Da geht es um Soveränität (Unabhängigkeit von Öllieferanten), um Fortschrittsdenken (immerhin sind Atomkraftwerke technologisch hochanspruchsvoll), um Prestige. Und es gibt ganz sicher auch Menschen, die an Atomkraft keinen Cent verdienen und sie trotzdem befürworten.*
Im Gegenteil: Der Artikel tut so, als hätte Atomkraft überhaupt keine Vorteile. Was einfach nicht stimmt, auch wenn die Nachteile im Ernstfall viel größer sind.

Der Artikel erwähnt übrigens noch, dass man am besten seinen Stromanbieter wechseln sollte (ein Hinweis, der leicht deplatziert wirkt, da der Artikel eher für junge Leute geschrieben zu sein scheint - ich gehe jedenfalls davon aus, dass jeder, der alt genug ist, einen eigenen Haushalt zu führen, das eh alles weiß) und natürlich das Licht nicht brennen lassen, den Stand-By-Modus verteufeln und energieffiziente Geräte kaufen sollte. Solche Hinweise kennt man ja.
Immerhin wird überhaupt noch erwähnt, dass Deutschland mittlerweile den Ausstieg beschlossen hat, aber auch mit dem Hinweis "wobei es deutlich schneller gehen müsste, als bisher geplant".

Wie man dieser Einschätzung wohl deutlich entnehmen kann, finde ich den Artikel nicht gerade besonders gelungen.
Vor allem nicht objektiv. Wie gesagt: Der könnte auch von den Grünen sein.
Und vor allemallem: Was hat sowas in einer kommerziellen Werbebroschüre für die Manga des nächsten halben Jahres verloren?
Wie man meiner Zusammenfassung vielleicht entnehmen kann ist der Bezug zu Japan nur der Aufhänger, es geht eher um Atomkraft im Allgemeinen.

Ja, okay, Carlsen spielt gerne den Moralapostel. Ich erinnere mich an eine Manga Preview, in der ein Artikel mit der Grundaussage "Warum alle Scanlation-Leser böse sind" enthalten war und evtl. gab es auch einen zum Thema "Der Tod von Anime durch illegale Downloads", aber das waren zumindest noch Themen, die Carlsen als Herausgeber von Manga irgendwie noch berührten.


Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.
Will Carlsen Aufklärungsarbeit für politikverdrossene Mangaleser machen, die sich nicht mehr für die reale Welt interessieren? Lesen solche Menschen den Artikel überhaupt?
Wollen sie damit irgendeinen Imagegewinn erreichen à la: "Die sind gegen Atomkraft, find ich gut, jetzt kauf ich all deren Manga"?

Ich versteh's nicht, ich find's unpassend.

Wäre ja mal interessant zu hören: Was denkt ihr darüber? Passt das, lohnt sich das, findet ihr das gut?


* Laut einem Artikel in der Berliner Zeitung vom 25. Juli 2011 stehen 57% der Franzosen der Atomkraft "eher positiv als negativ" gegenüber, aber die restlichen 43& werden ja wohl kaum alle aus der Atomlobby kommen.