Egal ob Bergtour, Wandern, Trailrunning, Hiken - rauf auf den Berg wollen viele. Und runter im besten Fall auch wieder. Wie ihr das ohne Muskelkater und Überlastungserscheinungen schafft, hat uns der Personal Trainer und Outdoor-Experte Hansi Kienle erklärt. Außerdem erfahrt ihr, was in eurem Wanderrucksack auf keinen Fall fehlen darf.

 

 

Vor dem Bergtag

 

Warm up

So gerne wir es vernachlässigen, das Aufwärmen ist wichtig und beugt Verletzungen und Muskelschmerzen vor. Fangt am Morgen oder auf dem Parkplatz mit ein paar Kraftübungen an. Statisches Stretching ist dabei nicht das Richtige, da es den Tonus aus dem Muskel-Sehnen-System nimmt, den wir für die Kraftleistung einer Wandererung brauchen. Richtig ist ein weiter Bewegungsumfang für alle großen Muskelgruppen: Ein paar Ausfallschritte für die Beine und Rumpfheben sowie Rotationen für den Oberkörper. Auch Übungen aus dem Yoga Asana eignen sich für das Aufwärmen vor einer Bergtour.

 

Trinken

"Man ist, was man isst und leistet so viel, wie man trinkt". An diesem Spruch ist viel Wahres dran. Gebt euren Zellen vor dem ersten Höhenmeter circa einen Liter Flüssigkeit, der zwischen dem Aufstehen, eurem Frühstück und dem Warm Up getrunken werden sollte. Damit entfaltet ihr die Spannkraft eurer Muskulatur und kurbelt den Stoffwechsel an. Außerdem beugt ihr einer Dehydration durch Schwitzen vor.

 

Essen

Am Tag vor der Wanderung ist es wichtig, die Kohlenhydratspeicher aufzufüllen, um am Folgetag genug Power zu haben. Hier sollten also Produkte wie Nudeln, Reis oder Kartoffeln auf dem Speiseplan stehen. Das Frühstück ist für viele ein heikles Thema, jedoch solltet ihr den Energieverbrauch bei einer Bergtour nicht unterschätzen und auf keinen Fall hungrig starten. Ein warmes Getreidefrühstück ist oft die beste Wahl. Haferbrei mit (Trocken-)Obst und Nüssen hat die Komplexität, euch durch den Tag zu bringen. Tierische Produkte sind aufgrund ihres hohen Fettgehalts schwer verdaulich und wirken teilweise sogar leistungsminimierend. Hebt euch das für den Gipfel auf und setzt vorher lieber auf kohlenhydrat- und eiweißreiche Kost.

 

 

Während der Tour

 

Nordic Walking Stöcke

Durch den Stockeinsatz könnt ihr den Bewegungsapparat entlasten und zusätztlich euren Oberkörper trainieren. Nordic Walking Stöcke im Allrad-System lohnen sich hier, da sie ein besseres Griffschlaufensystem haben als klassische Wanderstöcke und so den Vortrieb im Aufstieg und die Bremswirkung im Abstieg erleichtern. Zum Transport im Rucksack für Terrain, auf dem ihr sie nicht braucht, gibt es diese auch mit Gelenk.

 

Aller Anfang ...

Führt euch stets vor Augen, dass die erste Stunde eurer Wanderung keine Bedeutung hat. Lauft für eure Verhältnisse langsam los. Also wirklich langsam. Und macht dabei oft Pause, dass das Laufen leicht bleibt. Das ist manchmal gar nicht so einfach, wie man denkt, aber ihr werdet es auch später danken. Beobachtet euch selbst dabei und unterhaltet euch gerne mit anderen Teilnehmer:innen der Wanderung. Ein roter Kopf und eine Höchstzahl an Herzschlägen pro Minute sind Anzeichen, die im Hauptteil und oberen Drittel des Anstiegs kommen dürfen, im Angesicht der noch anstehenenden Strecke anfangs aber noch nicht auftreten sollen.

 

 

Feierabend

 

Kaltes Wasser

War die Wanderung easy-peasy, darf euer Feierabend genauso chillig werden. Sollte die Wanderung euch aber gefordert haben und einen Muskelkater fürchten lassen, hilft eins, um diesen zu minimieren: kaltes Wasser. Ganz viel und sehr lange! Zwei bis drei Mal für eine Minute sollten die Beine und so viel wie möglich vom Körper Wasser abbekommen, das weniger als 15 Grad warm ist. Neben der heimischen Dusche oder Badewanne eignen sich hierfür in vielen Berggebieten auch Bäche, Seen oder Gumpen entlang und bestenfalls am Ende der Tour. Der thermische Reiz nimmt Schwellungen und Entzündungen den Druck un die Blutgefäße ziehen sich zusammen. Das wirkt schmerzlindernd auf die Nervenenden und steigert die Durchblutung sowie den Abtransport von Schmerzbotenstoffen aus dem Gewebe über die Lymphwege. Der Kältereiz sollte allerdings so bald wie möglich wirken.

 

Dehnen und Stretchen

Bergab erleben wir eine "exzentrische" Arbeitsweise in der Muskulatur und eben mit dieser haben Muskelgruppen normalerweise keine Erfahrungen und verletzen sich leichter. Die dadurch entstandenen Mikrorisse sind dann als Muskelkater spürbar. Neben kaltem Wasser wirken auch mobilisierende und passive Dehnübungen positiv auf eure Regeneration aus und beugen Muskelkater vor. Passt hier nur auf, dass ihr keine zusätzlichen Mikroverletzungen durch extremes Ausdehnen im Muskel provoziert.

 

 

Ich packe meinen Rucksack und nehme mit ...

 

Sommertouren

Für leichte Sommertouren reichen zwölf bis maximal 18 Liter Rucksackvolumen aus. Gerne vergisst man dabei, dass es auf dem Berg kühler ist als unten: Pro 100 Höhenmeter wird es ein Grad kälter. Daher ist es ratsam, die Kleidungsschichten im Zwiebelprinzip anzuordnen. Dabei kann die oberste Schicht - zum Beispiel eine dünne Jacke und ein Stirnband - im Rucksack verstaut werden. Neben dem Proviant, bei dem Energiequellen wie Müsliriegel, Traubenzucker oder Energiegel nicht fehlen dürfen, müsst ihr natürlich ausreichend Wasser einpacken. Eine Flasche sollte unterwegs auffüllbar sein.

 

Herbst- und Frühjahrstouren

Im Spätherbst und Frühjahr dürfen es gerne mal 25-Liter-Rucksäcke sein - hier kommen zu allem oben Genannten nämlich Tee, Mütze sowie eine Daunenjacke mit dazu. Für Gipfel über weit 2.000 Meter Höhe solltet ihr an eine wärmende und isolierende Schicht denken. An kalten Tagen auch für die Beine. Perfekt ist hier Merinowolle auf der Haut und eine wind- und wasserabweisende Membran für darüber. Daune nach Bedarf und Temperatur.

 

Verbandssachen

Hier reicht ein kleines Päckchen mit dem Wichtigsten: Pflaster, Binden, Wunddesinfektionsmittel und Dreieckstuch. Zudem können einem Blasenpflaster oftmals die Tour retten. Und Sonnencreme darf auch im Winter nicht fehlen.

 

Orientierung

Selbst bei bekannten Strecken kann es schnell passieren: Man biegt einmal falsch ab und schon hat man sich verlaufen. Das Mobiltelefon kann da mit praktischen Apps wie "komoot" zwar helfen, jedoch sollte man sich nicht zu sehr darauf verlassen. Wanderkarte, Kompass und GPS-Gerät sind für Notfälle gut geeignet.

 

Good to have

Man sollte sich die Wandertour mit unnötigem Gewicht nicht zu schwer machen, doch ein paar praktische Extras schaden nicht. So schützen einen Sonnenbrille und Schirmmütze zum Beispiel zusätzlich vor Sonne und Hitze. Wer sich nervige Tierchen vom Hals halten will, ist mit Insektenspray gut beraten. Geht man später am Tag los oder ändert seinen Plan unterwegs, kann es beim Runtergehen doch schnell mal dunkel werden. Da Wandern im Dunkeln zu schweren Verletzungen führen kann, darf eine Stirnlampe im Wanderrucksack nicht fehlen. Komfort-Fans freuen sich bei der Brotzeit am Gipfel über ein Sitzkissen und was man wirklich immer gebrauchen kann, ist ein Taschenmesser.

 

 

 

 

Quelle:

0831 - Das Kemptener Stadtmagazin - Ausgabe #55 - September/Oktober 2022