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Ausgemustert Berlin, berufliches, Bundeswehr, Vorstellungsgespräch

Autor:  SmilingMana
Hier also mein kleiner, an manchen Stellen vielleicht etwas umfangreicher Bericht für Silvyna und alle anderen Bundeswehrinteressierten, die hier vielleicht zufällig reinschauen. Letztgenannte Personengruppe möge sich beim Lesen dieses Berichts an den fett und/oder unterstrichen markierten Stellen orientieren, da sich am Anfang und zwischendurch vielleicht auch etwas persönliches Reise-Blabla meinerseits finden lässt, was nicht jeder wissen will.

Hinweis: Meine Musterung fand im Zentrum für Nachwuchsgewinnung (ZNwG) OST in Berlin Grünau statt. Ich kann nicht beurteilen, ob es Unterschiede zu anderen ZNwGs gibt, habe aber bereits von kleineren Abweichungen (z. B. beim Ergometer-Test) gelesen.

Meine Voraussetzungen:
Persönlich: weiblich, 21 Jahre, Bürokauffrau in Ausbildung 3. Lehrjahr (bisher durchweg sehr gute Noten), Schulabbruch nach 11. Klasse mit Hauptschulabschluss (2,0), Brillenschlange.
Beworben für: Feldwebellaufbahn, im Zweifelsfall auch mit Unteroffizier einverstanden.
Teilstreitkraft: Am liebsten Luftwaffe, einverstanden mit Heer, auf keinen Fall Marine.
Wunschverwendung: Fluglotse; mit jeder Verwendung im Bereich Verwaltung/Lager/Logistik einverstanden.



Tag 1 – Anreise und Einweisung



Wir schreiben Tag X, es ist 11 Uhr und ich sitze mitsamt meinem wahrscheinlich größtenteils überflüssigen Gepäck im ICE auf dem Weg nach Berlin. Auf meinem Schoß liegt die neueste Ausgabe des „Spiegels“, den ich mir nur gekauft habe, weil mein Wehrdienstberater mir das empfohlen hat – wer zum Bund geht, sollte auch über aktuelle Politik Bescheid wissen, also frische ich mein Wissen darum ein wenig auf. Schaden kann’s nicht.
Draußen tobt ein Schneesturm, wie ich ihn heute niemals erwartet hätte. Ich bin um 8 bei fast zehn Grad von meinem Heimatdorf losgelaufen, und nun beobachte ich, wie die Straßen erst nass aussehen und sich dann langsam weiß färben. Die altbekannte Angst des Zu-Spät-Kommens meldet sich zurück – ich bin erst wenige Stunden zuvor die Hälfte des drei Kilometer umfassenden Fußweges zur Bushaltestelle gerannt, weil ich Angst hatte, den Zug zu verpassen.

Ich komme planmäßig am Südkreuz an und finde ohne Umschweife die S-Bahn, die genauso pünktlich kommt wie sämtliche Züge meines bisherigen Lebens – ich kann mich bisher über die Arbeit der Deutschen Bahn in keinster Weise beschweren. Während meiner Fahrt in der S46 Richtung Königs-Wusterhausen (oder so) höre ich eine Durchsage, dass die S47 wohl aufgrund des starken Schneevorkommens ausfällt – da habe ich wirklich noch Glück gehabt; ich hätte nicht gewusst, wie ich ohne meine S-Bahn nach Grünau kommen soll.
Die Stimmung in dieser S-Bahn ist für mich nicht nur fremd- sondern auch ziemlich eigenartig. Vielleicht liegt es daran, dass meine Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln begrenzt sind. Die Busse in der Stadt, wo ich arbeite, sind manchmal fast menschenleer, aber dort wird reichlich geschnattert. In den Zügen saßen Freunde und Familien zusammen und unterhielten sich. Hier ist es anders: Die S-Bahn ist voller Menschen, aber keiner sagt ein Wort. Als ich die alte Frau mir gegenüber vor dem Hinsetzen grüße, kriegt die fast einen Herzinfarkt. So viele Menschen und so eine Stille – für mich gespenstischer als ein zerfallenes Spukhaus. Immerhin weiß ich jetzt, wie es sich anfühlt, „anonym“ zu sein.

Berlins Größe ist am leichtesten zu messen, wenn man sich vor Augen führt, dass ich mit dem Fahrrad zur Arbeit 12 Kilometer über ein paar kleine Dörfer strample und hier mit der S-Bahn fast 18 Kilometer nach Grünau fahre, ohne die Stadt auch nur annähernd zu verlassen. Berlin selbst erscheint mir aber gar nicht eindrucksvoll. Die Häuser sind hier genauso zerfallen und hässlich wie in der Kleinstadt meiner Arbeitsstätte, nur mit dem Unterschied, dass sie niemals aufhören, wenn man an ihnen vorüberzieht. Berlin ist endlos.

Ankunft in der Dahme-Spree-Kaserne:

Der kurze Fußweg (ca. 2 km) vom S-Bahnhof Grünau bis zur Kaserne ist übersichtlich und leicht zu erlaufen. Wäre da nur nicht der Schnee, der hier massenhaft herumliegt. Es wurde noch NICHTS geräumt. Wenn da nicht viele, viele andere Menschen vor mir über die Wege gelaufen wären, müsste ich durch knöchelhohen, angetauten Schnee waten. Aber auf Straßenbahn habe ich wirklich keine Lust und so bahne ich mir meinen Weg unter hunderten Bäumen hindurch, von denen es dicke Tropfen auf meinen Körper regnet.

Auf dem Weg zur Kaserne schließt sich mir ein 17-jähriger Bursche an, der mir entgegenkam und sich scheinbar verlaufen hatte. Unmittelbar vor dem Einlass tauchen noch zwei Anwärter wie aus dem Nichts auf und natürlich schicken die drei Jungs mich zum Klingeln vor. Der Wachposten nimmt uns aus seinem Häuschen heraus in Empfang, möchte von jedem das Einladungsschreiben oder den Personalausweis sehen, hakt unsere Namen auf einer Liste ab und schickt uns weiter zu Haus 26, dem Hauptgebäude. Dort direkt neben dem Eingang ist die Anmeldung für Bewerber, wo ein freundlicher Feldwebel uns eine Stube zuweist – die Jungs in Haus 6, die Mädchen in Haus 7 – und uns neben Schloss und Schlüssel für unseren persönlichen Spind (die Stuben selbst werden nicht abgeschlossen) noch einen Laufzettel austeilt. Dieser Laufzettel ist der wichtigste Gegenstand überhaupt während unseres Aufenthaltes in der Kaserne – er ersetzt den Personalausweis und ist immer(!) am Mann zu tragen. Außerdem stehen dort unsere Stationen drauf, die wir im Laufe unserer Musterung zu absolvieren haben. Den Termin für unsere erste Station schreibt er gleich selbst auf – 17:30 Uhr ist Einweisung, bis dahin haben wir Freizeit.
Laut Einladung sollten wir alle 15:00 Uhr erscheinen, aber aufgrund so mancher Bahnverbindung und dem guten Vorsatz, auf keinen Fall zu spät kommen zu wollen, sind wir schon 13:30 in der Kaserne angekommen. Später erfahre ich, dass ein paar wenige schon gegen 11 hier waren. Und nun passiert bis 17:30 Uhr überhaupt nichts. Toll!

In Haus 7 steht eine junge Frau herum – nennen wir sie der Einfachheit halber Christa – die, wie sich herausstellt, die gleiche Stube bekommen hat wie ich und bisher das einzige andere Mädchen zu sein scheint, das heute hier ankam. Sie führt mich auf unsere Stube. Deren Einrichtung lässt sofort ein Klassenfahrt-Feeling bei mir aufkommen – ein Minitisch, vier Stühle, zwei Doppelstockbetten und vier Spinde.
Christa und ich wollen beide möglichst unten liegen, also schnappe ich mir das rechte und sie sich das linke Bett. Nun steht Betten beziehen auf dem Programm. Auf den hochwertigen Schaumstoffmatratzen liegen bereits die schicken, knopflosen, weißen Bezüge für Kissen und Decke drauf, sowie ein Tischtuch. So jedenfalls kommt mir das Bettlaken vor, weil ich verwöhnterweise nur Bezüge mit eingebautem Gummi kenne. Nach getaner Arbeit bin ich recht froh, noch kein Soldat zu sein, da jeder Vorgesetzte mich für einen derart schlampigen Bettenbau maßregeln würde. Zu recht.

Ich lese mir die Regeln für das Verhalten in dem Objekt durch, die teilweise hinten auf dem Laufzettel, teilweise auf einem Papier an unserer Zimmertür hängen. Erwähnenswert wäre, dass im Zeitraum zwischen 7 und 16 Uhr auf dem gesamten Gelände totales Handyverbot herrscht, sowie das Abendessen(!) zwischen 16:15 und 17:30 Uhr angesetzt ist. Missachtung irgendeines Verbotes kann sofortigen Ausschluss aus dem Bewerberverfahren zur Folge haben. (Aber unter uns: Obwohl sich außer mir (meistens ;D) keiner an das Handyverbot gehalten hat, habe ich von keinem gehört, der deshalb ernsthaft Ärger bekommen hätte. Die Bewerber klebten genauso an ihren Handys wie die meisten „normalen Menschen“ heutzutage auch.)
Während Christa draußen raucht, fummele ich mein Schloss auf, was gar nicht so einfach ist. Mein Tipp für alle, die die gleichen Schlösser erwischen: Wenn sich der Schlüssel im Schloss nicht drehen lässt, dann zieht ihn ein kleines Stückchen raus – so müsste es gehen.
Da bis zur Einweisung noch massig Zeit bleibt, beschließen Christa und ich, ein wenig spazieren zu gehen. Auf dem Stubentisch liegt ein Werbezettel des bundeswehreigenen Restaurants aus, das sich irgendwo hinter der Kaserne im Wohngebiet befindet – das klingt doch interessant, und der Typ an der Wache hat sogar eine Karte mit eingezeichneter Route parat. Doch obwohl wir das halbe Wohngebiet durchkämmen, können wir das Restaurant nirgends finden.
Für Essen ist dank der kostenlosen Verpflegung der Kaserne ja gesorgt, aber was zu Trinken muss her. Ganz in Kasernennähe befindet sich Aldi, weiter weg gibt es auch ein Netto. Christa und ich decken uns im Aldi ein und kehren dann zurück.
Der Wachposten hält uns auf, als wir einfach vorbeimarschieren wollen, und weist uns erneut darauf hin, dass wir insbesondere beim Verlassen des Kasernengeländes unseren Laufzettel mitzunehmen haben, da wir sonst unter Umständen nicht mehr eingelassen werden. Unbefugte dürfen natürlich nicht einfach so das Objekt betreten.
In unserem Haus 7 stellen wir fest, dass sich noch mindestens zwei weitere Vertreter des weiblichen Geschlechts hierher verirrt haben, auch wenn beide (jeweils einzeln) in anderen Stuben untergebracht sind. Eine der beiden, nennen wir sie Anna, geht aus Kommunikationsgründen mit in unsere Stube.

Nach einer Zeit dezenten Abgammelns gehen wir um 16:15 Uhr zum „Abendbrot“ ins Haus 26, wo sich der Speisesaal befindet. Mir fällt auf, dass hier ein ziemliches Gewusel herrscht – wo man auch hinkommt, überall laufen Menschen beiderlei Geschlechts, jeden Alters und jeder Statur rum, einige mit, die meisten ohne Uniform. Es ist etwas schade, dass es keinen Rundgang durch die Kaserne zu geben scheint; ich hätte gerne mehr über diesen Ort und die Bestimmung all dieser Menschen erfahren.
Die Kantine sieht ziemlich genau so aus, wie man sich das vorstellt, lediglich die bunten Papierschlangen auf den Tischen sorgen bei mir für Irritation. Sind wir hier beim Bund oder beim Kindergeburtstag?! Erst Christa klärt mich auf, dass ich wohl mal wieder irgendein Fest verpasst habe. Rosenmontag oder sowas. Egal.
Jeder darf sich nehmen, was er will und was noch da ist. In meinem Fall eine feine Kiwi, merkwürdiger Fruchtsaft und Brot mit Wurstscheiben, was zumindest… essbar ist, im Gegensatz zu dem Salat, den keiner von uns hinter bekommt. Aber was will ich mich beschweren, immerhin werden wir hier kostenlos versorgt.
Wir wollen uns mit unseren Tabletts niederlassen, allerdings im hinteren Bereich, weil weiter vorne schon einige sitzen. Hier hinten ist alles leer, aber auf jedem Tisch steht ein Hinweisschildchen mit der Aufschrift „Reserviert“. Da aber von den richtigen Soldaten kaum einer anwesend ist und alle Tische leer sind, setzen wir uns trotzdem an einen der reservierten Tische. Erschießen wird man uns deshalb bestimmt nicht.

Nach dem Abendessen wird noch ein paar Minuten gegammelt, dann folgt endlich die…

Einweisung

Wir setzen uns auf die Stühle in dem an ein Klassenzimmer erinnernden Raum, ich als Einziger in die erste Reihe, und Punkt 17:30 Uhr legt der Herr Hauptmann mit seiner Präsentation los. Er stellt sich und seinen Werdegang bei der Bundeswehr kurz vor und erzählt dann allgemein etwas zum Soldatenleben und den damit verbundenen Gefahren. Seine ruhige Art ist mir sofort sympathisch, und Fragen dürfen jederzeit gestellt werden – ein Umstand, der mitunter auch für dumme Bemerkungen genutzt wird.
Nach dem Allgemeinen geht er zu dem für uns besonders interessanten Teil über: Er erklärt uns den Ablauf unserer Testverfahren. Leider erzählt er uns dabei (wie schon letztes Jahr mein 1. Wehrdienstberater), dass unser Sporttest der BFT sein wird und NICHT der PFT, auf den ich mich intensiv vorbereitet habe, nachdem meine Recherchen ergaben, dass der BFT nun doch nicht wie einst geplant bei Musterungen eingeführt wurde. Aber dazu im Abschnitt „Sporttest“ mehr.
Während seiner Erläuterungen platzen noch zwei Zuspätkommer rein: Der eine ist das nunmehr fünfte Mädchen, die behauptet, man habe ihr erzählt, die Einweisung wäre 18 Uhr. Der andere ist genau der Typ Mann, von dem ich mir wunderbar vorstellen kann, dass er mal ein guter Soldat sein wird: Schräge Punkerfrisur, zerfetzte Jeans und die Stecker seines MP3-Players noch im Ohr. Ich hatte zu tun, nicht laut loszulachen, und bewunderte abermals die unermüdliche Ruhe des Hauptmanns.

Zu guter Letzt teilt er jedem von uns einen Fragebogen aus, den wir innerhalb von 30 Minuten beantworten sollen. Er betrifft unser persönliches Leben und soll natürlich ehrlich beantwortet werden.
Die ersten paar Fragen sind zum Ankreuzen. Es geht damit los, als wie informiert wir uns selbst einschätzen, was Bundeswehr und Auslandseinsätze angeht, sowie durch was wir uns informiert haben (Bücher, Wehrdienstberater, Truppenbesichtigung, TV, Zeitungen…). Anschließend ein paar Fragen, wo man „trifft zu“, „trifft nicht zu“ oder „?“ ankreuzen kann. Hier geht es vor allem um das Verhältnis zur eigenen Familie und darum, ob unsere Familie unseren Berufswunsch Soldat unterstützt oder eben nicht.
Anschließend gibt es noch sechs Fragen, die handschriftlich und lesbar(!) in kurzen Sätzen beantwortet werden sollen. Hier die Fragen (natürlich sinngemäß, den genauen Wortlaut habe ich nicht mehr im Kopf):
1. Teilen Sie uns mit, auf welche Art sie die Schulzeit geprägt hat (und bis heute beeinflusst).
2. Welche wichtigen Erkenntnisse nehmen Sie aus Ihrer Berufsausbildung/Praktika/Beruf mit?
3. Wie hat Ihre Erziehung Sie beeinflusst?
4. Was erwarten Sie sich von Ihrer Arbeit bei der Bundeswehr/von der Bundeswehr als Arbeitgeber?
5. Wie gestalten/gestalteten Sie Ihre Freizeit? Beschreiben Sie, was Ihnen das (Ihr Hobby) bedeutet.
6. Welche Pläne haben Sie für den Fall, dass Sie nicht eingestellt werden können?
Kaum sind alle fertig, werden die Zettel wieder eingesammelt und Herr Hauptmann erklärt uns, wie es morgen weitergeht – wir werden in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen eine erst den CAT (= PC-Test) absolvieren und die andere zuerst zum Arzt gehen soll. Anna ist das einzige Mädchen in der Arzt-Gruppe; ich gehöre zu denen, die sich zuerst an dem PC beweisen dürfen.
Danach können die Jungs (sind ungefähr 25) schon gehen, während wir fünf Mädels noch bleiben sollen. Für uns hat Herr Hauptmann noch einen weiteren Fragebogen, den wir auf unseren Stuben ausfüllen und zur ärztlichen Untersuchung mitnehmen sollen. Er enthält spannende Fragen rund um unsere Menstruation (welcher Zyklus, wie stark, wie lange ist die letzte her und wann war noch mal die erste Regel??), wie oft wir schon spontan und/oder operativ geboren oder abgetrieben haben, ob wir die Pille oder andere gynäkologischen Medikamente nehmen und ob diese einen der aufgeführten Stoffe enthalten, was es in der Vergangenheit für gynäkologische Befunde gab, wann der letzte Besuch beim Frauenarzt war… und alles andere, woran sich weibliche Soldaten primär von männlichen unterscheiden. ;)

Die gesamte Einweisung dauert ziemlich genau 90 Minuten einschließlich des Fragebogens. Wir (Anna, Christa, ich und noch ein Mädchen namens Berta) ziehen uns danach auf die Stube von Christa und mir zurück, füllen unsere fraulichen Fragen aus und quatschen ein wenig. Es verwundert mich, dass Christa und ich auf ein Zimmer gelegt wurden, während die anderen drei Mädchen jeweils eine Stube für sich allein haben – besonders, wo es noch jede Menge freie Stuben gibt. Doch das, gleich mal vorweggenommen, soll nicht das einzige Mal sein, dass ich mich frage, nach welchem Prinzip die Bundeswehr eigentlich vorgeht.
Ein bisschen Lesen, ein bisschen Gammeln, die Gemeinschaftsduschen inspizieren (und getrennt duschen gehen, schließlich können wir als Minderheit uns das leisten) und dann gegen 21:40 Uhr putzmunter ins Bett, weil ab 22 Uhr jeder im Bett zu liegen hat („…und zwar jeder in SEINEM Bett, nicht in EINEM Bett! Ich werde das kontrollieren!“; O-Ton Hauptmann bei der Einweisung). Ich höre noch ein bisschen Musik, in der Hoffnung, davon müde zu werden. Klappt nicht, aber schlafen kann ich irgendwann trotzdem.



Tag 2 – CAT, ärztliche Untersuchung, Sporttest und das ganz große Warten



Nachdem das Handy meiner Zimmergenossin nun zum zweiten Mal geklingelt hat, stehe ich um 5:20 Uhr genauso hellwach auf, wie ich gestern ins Bett gegangen bin. Christa entpuppt sich als ein unglaublicher Morgenmuffel – ein Glück, dass ich auch nicht sehr gesprächig bin – und verbringt bis zum Frühstück um 6:00 Uhr den Großteil der Zeit mit Schminken. Ich stelle zutiefst erfreut fest, dass der Schnee von gestern über Nacht fahnenflüchtig geworden ist. Es ist nichts mehr von ihm zu sehen.
Wir essen gemeinsam mit den anderen Mädchen und schnattern aufgeregt über die Prüfungen, die uns bevorstehen. Vor Sport scheine nur ich Angst zu haben, dafür gelte ich schon jetzt als Streber, weil ich „alles weiß“ und den Dienstgrad vorbeilaufender Soldaten erkennen kann. Es treiben sich hier hauptsächlich Feldwebel rum – das sind diejenigen, die den normalen Betrieb im Haus am Laufen halten und vom Zettelkram bis zur Betreuung der Rekruten alles übernehmen – und Hauptmänner, welche unsere Prüfer darstellen, insbesondere fürs Psychologische Gespräch. Es laufen auch Gefreite aller Teilstreitkräfte (Heer, Luftwaffe, Marine) herum, aber was die hier machen, ist mir ein Rätsel.
Wir verabschieden uns von Anna, die um 6:30 Uhr zum Arzt muss, und erneut fragen wir uns, warum sie als einziges Mädchen von uns anderen getrennt wurde. Wir haben etwas mehr Zeit, weil der PC-Test erst um 7 beginnt.

CAT – Computergestütztes Adaptives Testverfahren

Der CAT findet bei uns im Mädchenhaus statt, also gehen wir fünf Minuten vor 7 Uhr in den 1. Stock. Wir müssen unsere Laufzettel vorlegen und vorläufig auch abgeben. „Setzen Sie sich schon mal in den Warteraum“, sagt die Rezeptionistin und wir tun so, als würden wir dem Folge leisten können – dumm nur, dass alle Sitzplätze längst belegt sind.
Lange müssen wir nicht zwischen Tür und Angel herumstehen, denn Punkt 7 kommt eine andere Dame und bringt uns nach nebenan in einen Raum mit etwa 20 PCs. Sie erklärt uns vor dem Eintreten den groben Ablauf des Tests, der für jeden unterschiedlich ist (manche haben Teile des Tests schon im Kreiswehrersatzamt absolviert und angeblich gibt es Unterschiede je nach gewünschter Verwendung…) sowie die Bedienung der PC-Tastatur, die ein bisschen anders aussieht als eine normale. Wir erfahren die Nummer unseres PCs und begeben uns anschließend still an unseren Platz.
Auf dem Bildschirm steht der Name des jeweiligen Prüflings. Es liegen Kopfhörer rum, die man auch bei den Aufgaben ohne Ton aufgesetzt lassen sollte, weil sie Umgebungsgeräusche wenigstens ein bisschen abdämmen. Im Raum herrscht zwar theoretisch Ruhe, dennoch kann jeder sich jederzeit melden und Fragen stellen – die Aufsichtsperson geht dann zu dem Fragesteller und hilft ihm. Da die Absolventen der ärztlichen Untersuchung umgehend beim CAT eintrudeln und jeder von uns nach seinem CAT selbstständig zum Arzt marschiert, geht auch ständig die Tür auf und zu. Man kann davon ausgehen, dass immer dann die größte Unruhe im Raum herrscht, wenn man selbst sich gerade aufgrund einer schwereren Aufgabe besonders gut konzentrieren muss. ;)

Wichtig!
ALLE Abschnitte des Tests haben ein Zeitlimit, welches vorher angegeben wird. Die Zeit läuft ab dem Moment, wo man auf „Test starten“ drückt – es empfiehlt sich, in genau dieser Sekunde mal auf die Uhr zu sehen, da man auf dem Bildschirm nicht sehen kann, wie viel Zeit noch bleibt. Manchmal ist es so, dass jede einzelne Aufgabe ein Limit hat (30 Sekunden bis 2 Minuten), manchmal gilt das Limit für den kompletten Testabschnitt. Ist es abgelaufen, wird der Testabschnitt abgebrochen bzw. die Frage übersprungen, womit alle unbeantworteten Fragen als falsch gelten.
Der PC erklärt einen jeden Test sowie die jeweils gültige Tastenbelegung mehr als ausführlich. Die Beispielaufgaben vor jedem Test sind derart einfach, dass man gar keine Angst mehr vor dem eigentlichen Test hat. Das täuscht ein wenig über die Schwierigkeit hinweg, von der man sich nicht verunsichern lassen sollte. Bei manchen Tests können Aufgaben übersprungen und hinten dran gehangen werden, bei manchen nicht. Das wird vorher immer angegeben (genau lesen ist hier echt angebracht). Eine einmal beantwortete Aufgabe kann nach dem Drücken der Bestätigung nicht wieder berichtigt werden.

Hier der Test, so wie ich ihn absolviert habe (Unterschiede zu anderen Tests sowie eine leicht verdrehte Reihenfolge kann ich nicht ausschließen):

Wortbeziehungen
…frei nach dem Motto, Baumstamm verhält sich zu Baumkrone wie Haus zu…?
a) Fenster
b) Dach
c) Keller
d) Dorfbewohner
e) Hackfleisch mit Petersilie
Na, gewusst? So ungefähr sehen die Beispielaufgaben aus, von denen im Vorfeld gefühlte zehn Stück bearbeitet werden können.
Die Wortbeziehungen bei dem „richtigen“ Test sind allerdings teilweise so absurd, dass ich stellenweise nur raten konnte. Oftmals klingen auch zwei Antworten logisch.
Das Zeitlimit empfand ich als mehr als ausreichend zur Beantwortung aller Fragen bei diesem Abschnitt. Hier gibt es ein Limit für jede einzelne Aufgabe, ein Überspringen von Aufgaben ist unmöglich.

Rechtschreibung
Der war einfach und das Zeitlimit mit (glaube ich) 20 Minuten für 40 Aufgaben viel zu hoch angesetzt. Es werden einzelne Wörter oder auch kurze Sätze in vier oder fünf verschiedenen Schreibweisen angegeben und du musst entscheiden, welche korrekt ist.
Bei den Satzschnipseln geht es besonders um Groß- und Kleinschreibung von substantivierten Verben/Adjektiven, sowie Kommasetzung für Zweitklässler. Bei den Einzelwörtern muss man sich insbesondere damit auskennen, wann Wörter mit i oder mit ie geschrieben werden und man sollte ein Gespür dafür haben, wann Konsonanten mitten im Wort doppelt oder einfach vorkommen. Auch den Unterschied zwischen d/t und b/p sollte man als solchen wahrnehmen können. An dem Wort „Apparat“ scheint der Test einen besonderen Narren gefressen zu haben, das kam nämlich mehr als einmal vor. Wer den Unterschied zwischen „wieder“ und „wider“ nicht kennt, möge sich das vorher auch mal ansehen.
Ansonsten, wie schon gesagt: Irrsinnig einfach.

Matrizen
Hier werden einem die für IQ-Tests üblichen Figuren gezeigt, die sich nach einem bestimmten Prinzip verändern. Beispiel:
Reihe 1: Ein Würfel mit 5 Augen, einer mit 4, einer mit 3.
Reihe 2: Ein Würfel mit 4 Augen, einer mit 3, einer mit 2.
Reihe 3: Ein Würfel mit 3 Augen, einer mit 2, und einer mit…?
Dass hier ein Würfel mit einem Auge hingehört, sollte klar sein. Aber wie schon bei den Wortbeziehungen ist auch hier das Niveau der (wiedermal) umfangreichen Beispielaufgaben um etliche Ebenen tiefer als das der Testaufgaben.
Viele der Figuren (es waren Vier-, Drei- und Vielecke, Kreise, Strichfiguren, Dominosteine, verschiedene Farben und Musterungen u. Ä. dabei) waren leicht zu durchschauen, aber bei der ein oder anderen Aufgabe konnte ich das Prinzip hinter den modernen Kunstwerken beim besten Willen nicht erkennen und habe geraten. Man sollte als Vorbereitung ähnliche Tests im Internet absolvieren und ansonsten auf sein Gefühl vertrauen – entweder, man hat einen Blick für solches Zeug, oder man hat ihn eben nicht.
Das Prinzip der Figurenänderung kann sowohl auf waagerechter als auch auf senkrechter Linie sichtbar sein, manchmal auch beides. Das Zeitlimit war trotz meiner Unsicherheit mehr als ausreichend.

Mathetest
Dieser Test hat ein Zeitlimit pro Aufgabe von, wenn ich mich nicht täusche, 2 Minuten. Bis auf eine Aufgabe habe ich damit alle geschafft.
Das Aufgabenniveau geht nicht über Dreisatz, einfache Prozentrechnung und Umrechnung zwischen Brüchen, Kommazahlen und Maßeinheiten hinaus. Viele Aufgaben lassen sich schon durch Schätzen und Ausschlussverfahren lösen (man hat die Antworten vorgegeben und muss die richtige auswählen). Als Hilfsmittel stehen einem Schmierpapier nebst Bleistift bereit, Taschenrechner ist NICHT erlaubt (er wäre eh überflüssig). An sich ein recht leichter Test, wenn man nicht den Fehler macht, wegen des Zeitlimits in Panik zu geraten und/oder viel zu kompliziert zu denken.

Technisches Verständnis
Ab hier ertönt im Kopfhörer eine männliche Stimme mit einem lustigen Dialekt, die einem den Test erklärt. Zum Glück liest sie nur die Erklärungen vor dem Test vor, nicht die Aufgaben selbst. ;)
Dieser Test war der einzige, wo ich schon bei den Beispielaufgaben einen Fehler machte und das Zeitlimit nicht ausreichte, um alles zu beantworten. Ich glaube, mir fehlten mehr als vier Fragen (von 20?).
Die Aufgaben selbst befassen sich mit Zahnrädern, dem Ausgleich von Gewichten an verschieden langen Armen einer Waage und solchen Thematiken wie „Welches Gefäß (mit Wasser gefühlt) ist am schnellsten leer?“, „Mit welcher Rolle lässt sich das Gewicht am leichtesten hochziehen?“, „Welcher Hebel ist optimal?“, „Welcher Gegenstand steht am stabilsten/kann die meiste Last tragen?“ oder „Welches Objekt kippt am ehesten um?“.
Es bringt durchaus etwas, eventuell eingerostete Schulkenntnisse wieder aufzufrischen. Ein Teil (Zahnräder) ist durch logisches Denken lösbar, für den Rest braucht man Gespür. Mein Hauptfehler hier war schlicht meine Langsamkeit, da ich die Aufgaben an sich zwar lösen konnte, mein Gehirn jedoch seine Zeit zur Verdauung der Aufgabe brauchte. -.-

Reaktionstest
Ein Test, bei dem man Ruhe bewahren muss und alle Gedanken einfach mal abschalten sollte, sonst geht er nämlich genauso daneben wie bei meinen Beispielaufgaben.
Hier kommt endlich mal der Rest der „Tastatur“ ins Spiel. Die Tastatur ist aufgebaut wie eine Excel-Tabelle, nur dass sie links und oben von kleinen „Bildschirmen“ begrenzt wird, wo bei dieser Aufgabe in Rot Zeichen dargestellt werden. Oben sind die Spalten durch die Zeichen Kreis, Dreieck, Viereck, Kreuz, H und T „beschriftet“, links ist jeweils eine von den drei Zeilen mit einer willkürlichen Buchstabenfolge benannt, die einem eigentlich nur anzeigt, in welcher Zeile man jetzt drücken muss. Es geht darum, die auf dem Bildschirm für jeweils ca. eine Sekunde in irgendeiner Ecke sichtbaren/nach einander auftauchenden Symbole in der gerade aktuellen Zeile zu drücken sowie das H, wenn man einen hohen Ton hört, und das T für einen tiefen Ton. Das war es übrigens auch, was ich bei der Beispielaufgabe verdreht habe – H und T.
Die Reihenfolge, in der man was drückt, spielt keine Rolle. Man muss nur aufpassen, dass man es in der richtigen Zeile drückt. Manchmal wird eine Zeile am Bildschirm zwar angezeigt, aber es erscheint kein akustisches oder optisches Signal dazu – ganz normal.
Es klingt komplizierter, als es in der Ausführung ist. Selbige Ausführung wiederum dauert bestimmt 10 Minuten, in denen ohne Pause die Zeichen am Bildschirm und die hohen/tiefen Töne auf einen einprasseln, deren Entsprechung auf der Tastatur gedrückt werden will. An sich eher eine Konzentrations- als Reaktionsfrage, bei der es wichtig ist, nicht zu lange auf die Tastatur zu starren.
Allerdings habe ich das Gefühl, trotz vermasseltem Beispiel beim eigentlichen Test nicht einen einzigen Fehler gemacht zu haben. Es machte sogar irgendwie Spaß.

Englisch für Sechstklässler
…hab ich so genannt, weil das Niveau ungefähr meiner 6. Klasse entspricht. Hier werden einem Sätze vorgegeben, in denen jeweils ein Wort fehlt. Die Aufgabe besteht einfach darin, aus den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten das richtige Wort für die Lücke rauszufischen.
Das meiste bezog sich auf die korrekte Verbbildung (ohne s wie „do“ oder mit s „does“; „is“ oder „are“?), das korrekte Bilden von Verneinungen und einfache(!) grammatikalische Hürden wie das Einsetzen eines Verbs in der ing- oder Vergangenheitsform. Kein Problem für jeden, der in der Schule keine großen Probleme während seiner ersten zwei, drei Jahre Englisch hatte.

Konzentrationstest
Den fand ich lustig. Wirklich. :)
Man rechnet bei einer Bewerbung beim Bund ja mit allem, aber nicht damit, mit Schriftzeichen seiner Lieblingssprache konfrontiert zu werden.
Zur Aufgabe: Am oberen Bildschirmrand befindet sich von links nach rechts zweimal die Zahlenreihe von 0 bis 9. Diese Zahlen wird man in diesem Test nirgendwo sonst sehen, denn sie wurden ersetzt. Größtenteils durch japanische Katakana.
Man sieht nun auf dem Bildschirm jede Menge dieser Symbole. Sie wurden in langen Reihen angeordnet, bei denen man jeweils von unten damit beginnt, die letzten beiden zu addieren. Das letzte Zeichen wird von einem roten Rahmen ummantelt. Sobald man die richtige Zahl als Antwort hingetippt und bestätigt hat, springt der Rahmen zum nächsthöheren Symbol, das dann wiederum mit dem Zeichen darüber addiert wird. Und so weiter.
Die Schwierigkeiten bei diesem Test liegen zum einen darin, dass man sich für jede der zehn Zahlen zwei verschiedene Zeichen, also insgesamt zwanzig fremdartig aussehende Symbole einprägen muss, da man mit ständigem Nachgesehe nicht unbedingt weit kommt – man ist zu langsam. Denn, und das ist die wirkliche Gemeinheit an diesem Test, man hat nicht ewig Zeit. Nach grob geschätzt einer Minute verschwindet die aktuelle Reihe einfach und man muss sofort an einer neuen von unten anfangen. Ein Zeitlimit wird weder angezeigt noch vorher in der Aufgabenbeschreibung erwähnt, es ertönt auch kein akustisches Signal. Man muss nun versuchen, trotz dieses Zeitdrucks die Ruhe zu bewahren und vor allem nicht das Ergebnis aus der alten Reihe in die neue reinzuschreiben. Das Ganze dauert eine Weile, mindestens eine Viertelstunde, und man hat keine Möglichkeit, den Test anzuhalten. Ich habe von so manchem gehört, dass diese Aufgabe sie fast wahnsinnig gemacht hätte.
Dieser Test war der spaßigste von allen, auch wenn es meiner Meinung nach völlig unmöglich ist, eine Reihe komplett zu schaffen. Bei meinem besten Lauf kam ich auch nur bis zum drittletzten Zahlenpaar.
Bringt es Vorteile, die Zeichen lesen zu können...? Ich finde, definitiv ja. Es ist einfach leichter, wenn man nicht nach „dem Zeichen, dass wie ein krummes T mit so ’nem Strich aussieht“ sucht, sondern nach der Silbe „te“ (テ). So merkt man es sich auch viel schneller. Dass ネ für die Zahl 4 steht, werde ich wohl für den Rest meines Lebens nicht vergessen. :)

Psychologische Fragebögen
Ich hatte davon zwei Stück ganz am Ende. Bei beiden bekommt man verschiedene Aussagen vorgeworfen, wo man lediglich „trifft zu“ oder „trifft nicht zu“ antworten kann – eine unglaublich doofe Sache, wie ich finde, da ich bei vielen Aussagen ein „trifft teilweise zu“ passender gefunden hätte, als sich so massiv festlegen zu müssen. Oftmals wird auch ein und derselbe Sachverhalt mehrmals in verschiedenen Aussagesätzen abgefragt. Merkwürdigerweise haben auch diese Tests ein Zeitlimit.
Hier ein paar Aussagen, an die ich mich erinnern kann:
- Waffen sammeln ist ein interessantes Hobby.
- Ich arbeite lieber alleine.
- Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt.
- Ich habe schon einmal eine Schlägerei angefangen.
- Ich trinke täglich Alkohol.
- Mein Schlaf ist unruhig.
- Ausländer sind eine Bereicherung für Deutschland.
- Wir können es uns leisten, Ausländer aufzunehmen.
- Meine besten Arbeitsleistungen erreiche ich nur im Team.
- Ich habe keine Freunde.
- Ich habe manchmal grundlos Angst.
- Wenn mich jemand beleidigt, kann es passieren, dass mir die Hand ausrutscht.
- Ich strahle Autorität aus.
- Ich habe manchmal ein Gefühl innerer Leere und Teilnahmslosigkeit.
- Ich bin sehr ehrgeizig.
- Ich bin ein Perfektionist.
- Ich habe immer meine Hausaufgaben gemacht.
- Ich habe oft die Schule geschwänzt.

Die Psychotests sind meine letzten Teilbereiche am PC, die ich ziemlich genau 9:15 Uhr beende. Ich bekomme meinen Laufzettel zurück und werde zum Arzt weitergeschickt, wo ich auch unverzüglich hingehe.

Ärztliche Untersuchung

Mein Laufzettel verschwindet erneut in den Händen der Rezeptionistin, die mich ins Wartezimmer zitiert. Ich kralle mir eine der Bundeswehr-Zeitschriften, komme aber kaum zum Lesen. Die Wartezeit ist nicht mal ansatzweise so lang wie befürchtet.
Eine nette Dame fragt mich, ob ich gerade meine Regel habe und schickt mich dann mit einem Plastikbecherchen in die Toilette nebenan. Ein kräftiger Strahl, bitte!
Sobald das erledigt ist, werde ich an die Wand und auf die Waage gestellt, damit auch Körpergröße und Gewicht amtlich sind. Dann heißt es wieder Wartezimmer für fünf Minuten.
Nun werden Augen und Ohren auf Funktionsfähigkeit überprüft. Beim Hörtest sitzt man in einem dunklen Kasten, hat Kopfhörer auf und darf auf einen Knopf drücken, sobald man die tinitus-ähnlichen Geräusche oder ein dunkles Grollen hört. Ich halte ständig die Luft an, weil mir mein eigenes Atmen unglaublich laut vorkommt, und mein Daumen drückt den Schalter hektisch mehr als einmal, noch bevor ich was hören kann. Vielleicht ist die Ärztin ja deshalb so zufrieden mit meinen Ohren?!
Beim Sehtest soll ich die Brille abnehmen und in dieses mikroskopartige Teil reingucken.
Ärztin: „Sagen Sie mir, wo sich die Öffnung der Kreise befindet.“
Ich: „Welche Kreise?“
Ohne Brille sehe ich nur eine gelbe Fläche mit ein paar schmutzig-dunklen Flecken, also mache ich den Test nun mit Brille. Und siehe da, die Schmutzflecke verwandeln sich in kleine Kreise und ich erkenne auch, wo sie geöffnet sind. Der Farbtest mit den allseits bekannten Bildern, wo man aus verschiedenfarbigen Kugeln die Zahl herauslesen muss, ist ebenso wenig eine Hürde wie der letzte Teil des Sehtest, wo mir über die Brille eine 3D-Brille(?) gelegt wird und ich von mehreren Kreisen diejenigen finden darf, die mir in 3D „ins Gesicht springen wollen“.

Hauptuntersuchung
Nach einer erneut kurzen Wartezeit geht es nun eine Etage höher in den Untersuchungsraum, wo zwei Ärztinnen gemeinsam herausfinden wollen, ob ich nun tauglich bin oder nicht. Die eine befasst sich mit mir, die andere protokolliert das Ganze am PC.
Sie fängt ganz locker mit den Grunddaten von mir an und will wissen, für welche Art von Verwendung ich mich bewerben will. Danach werde ich mit einem ungeheuren Schwall an Fragen überschüttet, die sintflutartig im Sekundentakt von mir beantwortet werden. Man merkt wirklich, dass speziell diese Ärztin schon sehr oft gemustert haben muss – die kennt den ganzen Fragenkatalog auswendig.

„Rauchen Sie? Trinken Sie? Wie oft trinken Sie? Wie viel? Treiben Sie Sport? Welchen Sport, wie regelmäßig? Hatten Sie Unfälle? Waren Sie da bewusstlos? Sind Ihnen in Ihrer Familie Erbkrankheiten bekannt? Gibt es in Ihrer Familie Fälle von [diversen schweren Erbkrankheiten, die mir teilweise nichts sagen]? Hatten Sie Kinderkrankheiten? Müssen Sie regelmäßig Medikamente nehmen? Was für Medikamente, wie lange, wie oft, seit wann? Was nehmen Sie sonst so gelegentlich für Medikamente? Haben Sie schon Drogen genommen? Was für Drogen, wann, wie oft, wie hat sich das bei Ihnen ausgewirkt, war es eine einmalige Sache? Haben Sie Allergien? Lagen Sie schon im Krankenhaus? Wann, wie lange und warum? Hatten Sie schon einmal Probleme mit einem der folgenden Organe und Gliedmaßen…“

Nun folgt in Rekordgeschwindigkeit eine Aufzählung sämtlicher Bestandteile meines Körpers, die ich unterbrechen soll, wenn ich mal was mit dem betreffenden Körperteil hatte. Geduldig berichte ich von jeder noch so kleinen Krankheit, die mir einfällt, insbesondere das exotische Zeug meiner Kindheit, sowie die Auswirkungen fast aller meiner Verkehrsunfälle – und bei zwei Mopedunfällen mit Autobeteiligung und über 20 Stürzen gibt es da einiges zu erzählen.
Als letztes Problem-„Organ“ nennt sie die Psyche. Ich konnte im Vorfeld keine Antwort auf die Frage finden, ob Asperger Autismus nun ein Ausmusterungsgrund ist oder nicht, besonders, wo er bei mir doch nur „schwach“ ausgeprägt sein soll und man sich allgemein gar nicht so sicher ist, ob das wirklich eine „richtige“ Behinderung oder nicht doch eher eine simple Andersartigkeit ist – bei Asperger Autismus ist die Intelligenz schließlich nicht beeinträchtigt. Ich beschließe, das Risiko einer Ausmusterung nur wegen so einer Sache nicht eingehen zu wollen, und schweige.

Nachdem wir uns gegenseitig die Ohren abgekaut haben, darf ich mich hinter der Trennwand bis aufs Höschen ausziehen. Ich nehme wieder Platz und sie schaut nach, ob bei mir in Hals und Ohren alles dort ist, wo es hingehört. Mein Zahnbestand wird überprüft („Plombe in C7, P18 fehlt“), dann darf ich mich hinstellen. Mein Hohlkreuz wird sofort bemerkt und für „nicht schlimm, ist halt so bei Frauen“ befunden. Ich soll mich nach vorn beugen und meine Zehenspitzen berühren, wobei meine Beweglichkeit sowie meine Wirbelsäulenhaltung als normal angesehen werden und ihr meine Rückenmuskulatur positiv ins Auge fällt. Interessant, ich wusste gar nicht, dass ich überhaupt Rückenmuskeln habe. Sie überprüft, ob mein Becken halbwegs gerade ist, und als ihre Augen tiefer wandern, sieht sie – leider – sofort meine Plattfüße, die ich so gern verheimlicht hätte. Aber selbst die sind kein Hindernis.
„Müssen Sie Einlagen tragen?“, fragt sie.
„Nein“, sage ich, weil ich es nicht besser weiß – ich war ja nie beim Arzt wegen meinen Füßen. ;) Und damit ist dieses Problem für sie gegessen.
Mein Rücken wird abgeklopft, meine Lunge abgehorcht, dann darf ich mich auf den Rücken legen und ihr die Kontrolle über meine Beine überlassen, die sie probeweise in jede Richtung dreht. Dann möchte sie Blutdruck und Puls überprüfen, kommt aber schnell zum Schluss, dass mein Herz nicht mehr schlägt.
„Ich höre hier überhaupt nichts. Sie haben keinen Puls.“
Nach etlichen Versuchen auf beiden Armen gelte ich dann doch als „noch lebendig“, habe aber massiv zu niedrigen Blutdruck und den Puls eines im Koma Liegenden. Das war bei mir meines Wissens nach schon immer so und meine früher sehr starken Schwindelanfälle bei körperlicher Anstrengung werden immer weniger, je sportlicher ich werde, behindern mich inzwischen eigentlich gar nicht mehr. Sie lässt mich 20 Kniebeugen machen und misst noch mal. Ich bin „normal erregt“ und sie zufrieden mit meinem Puls.
Zum Schluss folgt sie mir hinter die Trennwand. Meine letzte Hülle fällt, bücken, Backen auseinander ziehen und das schönste hintere Lächeln zeigen – und schon bin ich tauglich, ziehe mich an und darf gehen.

An der Rezeption bekomme ich meinen Laufzettel zurück sowie einen Zettel mit meinem vorläufigen Tauglichkeitsgrad – den „richtigen“ gibt es jetzt noch nicht, da ich den mit der Einladung mitgeschickten Gynäkologischen Befund mangels Frauenarzttermin nicht habe ausfüllen können. Macht nichts. Auf diesem Wisch sind vorne alle möglichen Verwendungen für einen Soldaten als Buchstaben-Zahlen-Abkürzung aufgelistet. Wenn vor einer Abkürzung ein Kreuz gesetzt wurde, so ist man für diese Verwendung untauglich – die Bedeutung der Abkürzungen kann man auf der Rückseite nachlesen.
T1 ist voll tauglich, T2 tauglich mit Einschränkungen, alles Niedrigere darf entweder gar nicht oder zumindest jetzt im Moment nicht eingestellt werden. Mir hat man T2 attestiert und ich habe etwas mehr als zehn Kreuze. Pilot, Pionier, Wachbataillon, Gebirgsjäger, Rettungssanitäter, Zahnarzt, Feuerwehr, ABC-Abwehr – ich darf all das nicht machen, was ich sowieso niemals werden wollte.

Das große Warten, Teil 1

Wie angeordnet gehe ich sofort – es ist 10:45 Uhr – weiter zur Koordinierungsstelle in Haus 26, wo mir mein Tauglichkeitsgrad entrissen und meiner Akte hinzugefügt wird. Im Wartezimmer nehme ich Platz und sehe einige bekannte und recht verwunderte Gesichter wieder – Berta eröffnet mir, es würde das Gerücht umgehen, dass ich beim Arzt gescheitert und weinend nach Hause gefahren sei. Mir ist das neu, wie kommen die darauf?
Während wir auf unser psychologisches Vorstellungsgespräch warten (manche warten schon seit über zwei Stunden!), zeigt einer der Jungs seinen Tauglichkeitsgrad herum. Er hat über 50 Kreuze und ist sichtlich stolz darauf, noch als T2 zu gelten, obwohl er fast nichts machen darf.
Nach verblüffend kurzer Zeit ruft ein weiblicher Feldwebel meinen Namen und führt mich in ein Nebenzimmer. Aber sie geht nur meine Akte mit mir noch mal durch, falls sich was geändert hat. Danach sitze ich wieder bei den anderen und warte mindestens eine halbe Stunde.
Doch das Gespräch steht für manche von uns noch nicht an. Frau Feldwebel kehrt zurück, dieses Mal mit sechs Namen im Gepäck, die sie vor die Tür zitiert. Darunter auch mein Name sowie der von Dora, dem fünften Mädchen im Bunde.
Uns wird eröffnet, dass wir um 13 Uhr gemeinsam Sporttest haben und deshalb nicht so viel zu Mittag essen sollen. Daraufhin geht bis 11:50 Uhr (Beginn der Mittagszeit) jeder seine Wege.

Beim Essen sehe ich die anderen Mädels wieder, bis auf Anna. Ich erfahre nun, dass sie diejenige war, die nach dem Arzt – ihrer 1. Station! – gleich nach Hause fahren musste. Untauglich für das ganze Leben wegen irgendeiner Bauch-OP in grauer Vergangenheit. Das muss hart sein, wenn man Soldat werden will und gleich an der ersten Etappe scheitert, noch bevor man sich woanders beweisen konnte. Und damit ist sie nicht allein – es sind so einige beim Arzt geflogen und manch andere bekamen Probleme. Berta und Dora zum Beispiel wären aufgrund ihres Untergewichts fast T5 gemustert worden, während einer der Herren aufgrund seiner im Fitnessstudio aufgepumpten Muskeln als „zu fett“ gilt.
Nun, wie sieht typisch soldatisches Mittagessen aus? Es gibt, wie in allen anderen Kantinen auch, die Wahl zwischen mehreren Gerichten. Gericht 1 hat einen mir zu exotischen Namen, Gericht 2 sieht mir zu exotisch aus, also nehme ich Gericht 3. Pommes und Hamburger. Übrigens der erste Hamburger meines Lebens. Essbar und sattmachend.
Danach aufs Zimmer kugeln und hoffen, dass mich die Masse an ungesunder Nahrung nicht bei der nächsten Prüfung behindern wird. Sportsachen anziehen, Sportschuhe in die Hand nehmen, schnell noch was trinken und einen Traubenzucker einwerfen, und weiter geht’s zum…

Sporttest

Die Turnhalle liegt etwas hinter den Wohngebäuden des Objekts. In der Umkleidekabine ziehen wir die Sportschuhe an und werden von einem Soldaten in Schlumpftarn Sportkleidung entgegengenommen. Er lässt uns fünf Minuten zur freien Aufwärmung, wo wir im Kreis rennen und alles mal kurz durchdehnen, dann geht der Test los.
Unser Prüfer erklärt uns jeden der vier Testabschnitte vorher ausführlich, nennt uns die Werte für die Mindest- und Höchstpunktzahl und gibt Tipps, führt aber selbst nichts vor. Ich erfahre jetzt, dass wir doch den PFT durchführen und nicht, wie gestern bei der Einweisung und von meinem Wehrdienstberater angekündigt, den BFT. Wieso zum Geier sagt einem da jeder was anderes?!

1. Station: Pendellauf 4 x 9 Meter
Zwei Versuche für jeden, gelaufen wird zu zweit.
Es geht darum, zwischen zwei Linien (Distanz: 9 Meter) so schnell wie möglich hin und her zu laufen, wobei das Wenden an den Ziellinien mit Sicherheit der kritischste Moment ist. Man muss auch darauf achten, an welcher Linie man wendet – die eine Linie ist weiß, die andere gelb, und das sind nicht die einzigen Linien am Boden. Irgendeiner wendet IMMER mindestens einmal an der falschen Linie. In unserem Fall war diese Person ich. :)

2. Station: Sit-Ups
Ein Versuch, jeweils drei Leute gleichzeitig, während die anderen drei die Füße festhalten und zählen.
So viele Sit-Ups wie möglich in 40 Sekunden, gezählt wird erst, wenn die Schultern den Boden berühren. Beachten kann man dabei eigentlich nur, dass man nicht zu überhastet anfängt, weil man sonst vor Ablauf der Zeit schneller lahm wird.

3. Station: Standweitsprung
Drei Versuche hintereinander, jeder einzeln.
Durchgeführt wird das Ganze auf Matten, was die Absprungkraft vermindert. Gemessen wird ab dem hintersten Teil unseres Körpers, was auch immer das sein mag – der Sprung zählt auch, wenn man sich dabei auf die Fresse legt, weshalb wir darauf achten sollen, im Zweifelsfall unbedingt nach vorne oder zur Seite umzufallen. Wer Schwung mit den Armen holt und tief in die Hocke geht, ist klar im Vorteil. Der Sprung ist keine Kraft-, sondern eine reine Technikfrage, die jede Niete im Sport meistern kann.

4. Station: Liegestütz
Ein Versuch, drei gleichzeitig, die anderen drei zählen.
So viele wie möglich in 40 Sekunden. Bundeswehr-Liegestütze sehen merkwürdig aus und haben von der Schwierigkeit her mit echten Liegestützen nichts zu tun (Hohlkreuz), trotzdem wird man natürlich nach 30 Sekunden langsam lahm. Aber durchhalten sollte bei jedem drin sein, ebenso wie die Liegestütztechnik an sich. Ich konnte BW-Liegestütze schon lange, bevor ich „normale“ Liegestütz beherrschte.

Cardio-Test: Ergometer
Ein Versuch, alle gleichzeitig.
Punkte gibt es auf den Spaß nicht und früher aufhören wird der Test auch nicht, es lohnt sich also in keinster Weise, besonders schnell zu strampeln.
Jeder muss fahren, bis er die nötige Wattzahl erreicht hat. Die Frauen fahren 14 Minuten bis 165 Watt (2,4 W/kg, es sind 63 kg voreingestellt), die Männer 13 Minuten bis 195 Watt (2,6 W/kg, man ging hier von 73 oder 76 kg aus). Die eingestellten Gewichte sind vorgegeben und werden NICHT geändert, egal, wie viel die Testperson wirklich wiegt („…das sind nämlich Durchschnittswerte, das wird nicht geändert!“). Vorteil für den, der mehr wiegt, Nachteil für dünnere.
Alles in Allem aber für jeden zu schaffen, der irgendwann mal auf einem Fahrrad saß und über ausreichend Willenskraft verfügt. Ich habe mich darauf vorbereitet, indem ich auf dem alten Hometrainer meiner Mutter jeden Tag eine Viertelstunde draufsaß und aller paar Minuten einen Gang höher schaltete. Wohl das beste, was ich hätte tun können, denn dieser Test läuft genauso ab. Die Wattzahl, gegen die man anstrampelt, erhöht sich aller paar Sekunden geringfügig.
Empfohlen werden zwischen 60 und 90 Umdrehungen (woran man sich halten sollte), durchgefallen ist man ab unter 30 Umdrehungen pro Minute. So langsam muss man erstmal sein. In meiner Gruppe hat jeder diesen Test bestanden, auch wenn wir hinterher alle Beine wie Gummi hatten.

Nach Durchführung des Tests erfahren wir alle, ob und wie wir bestanden haben. Er nennt uns unsere Punktzahl, sowie, was das als „Bundeswehr-Note“ wäre. Diese BW-Noten gehen von 1 bis 7, wobei 7 „durchgefallen“ und 1 „sehr guter Sportler“ bedeutet. Zum Bestehen braucht man mindestens 6 Punkte, wobei keine Disziplin weniger als einen Punkt haben darf.

Mein Ergebnis:
Pendellauf 11,2 s = 1 Punkt (war ja klar -.-)
26 Sit-Ups = 3 Punkte
Weitsprung ca. 1,80 m = 3 Punkte
18 Liegestütz = 3 Punkte.

Insgesamt also 10 Punkte, das entspricht der BW-Note 5. Besser als 4 mit 15 Punkten war in meiner Gruppe keiner.

Das große Warten, Teil 2

Unser Sporttestprüfer erzählt uns, dass wir in einer halben Stunde (es ist nun 14 Uhr) beim Gespräch zu erscheinen haben, also gehen wir duschen und ziehen uns um. Auf dem Weg zum Wartezimmer kommt uns ein junger Mann entgegen, der im Vorübergehen erwähnt, dass man ihn weggeschickt habe, da hier in der Kaserne um 16 Uhr Schluss ist und wir heute nicht mehr drankommen können – nachdem wir zehn Minuten im Wartezimmer gesessen haben, gehen wir völlig verunsichert doch lieber zur Frau Feldwebel im Koordinierungszimmer und fragen mal nach.
Sie wünscht uns allen einen schönen Nachmittag und wir stehen da und sehen uns entgeistert an. Es ist erst 14:45 Uhr und unser psychologisches Vorstellungsgespräch – die letzte Etappe auf unserem Laufzettel – ist morgen!
Bis etwa 17:50 Uhr bin ich mit Dora und drei der vier Jungs, mit denen wir unseren Sporttest hatten, unterwegs. Wir suchen Zerstreuung, finden aber nichts außer einen Dönerladen, wo ich zum zweiten Mal am heutigen Tag Pommes esse. Ein kurzer Einkauf in der „Passage“ nahe des S-Bahnhofs später kehren wir um, fest davon überzeugt, dass Grünau weniger zu bieten hat als die meisten Kleinstädte.
Der Rest des Tages wird mit Lesen auf der Stube ausklingen gelassen, ehe ich mich pünktlich zum Zapfenstreich mit meinem MP3-Player ins Bett lege.
Berta und Christa sind übrigens beide bereits weg. Als ich auf mein Zimmer zurückkehre, ist es bis auf meine Sachen leer.

Tag 3 – Psychologisches Gespräch und Heimfahrt


Das Frühstück ist eine recht trostlose Angelegenheit, bei der ich nur wenig bekannte Gesichter sehe. Von den 30 Leuten des ersten Tages sind heute nur noch wenige übrig.
Nach dem Essen bleibt nicht mehr viel Zeit, um im Wartezimmer anzutanzen. Während dieser kurzen Zeitspanne sitzt Dora auf meiner Stube und geht mit mir noch mal alles durch, was man zum Thema Bundeswehr wissen sollte.
Im Wartezimmer scheinen noch immer dieselben Personen zu sitzen wie gestern Nachmittag. Ein Wiedereinsteller erzählt, er habe bei seiner ersten Musterung über fünf Stunden lang warten müssen. Das sind ja tolle Aussichten.
Nach und nach werden die Mitwartenden abgeholt, während wir uns immer noch nicht darüber im Klaren sind, was nun besser ist: Ein Gespräch nur mit einem Hauptmann oder nur mit einem Psychologen? Oder doch mit beidem gleichzeitig? Man hat uns gesagt, dass jede dieser Konstellationen möglich ist. Mir wäre ein reines Hauptmann-Gespräch am liebsten.
Dora ist davon überzeugt, dass wir in der Reihenfolge aufgerufen werden, wie wir gestern auch im Sporttest aufgerufen wurden. Auf die vier Jungs trifft das zu, auf uns beide jedoch nicht – sie kommt vor mir dran und erneut frage ich mich, nach welchem Prinzip die Bundeswehr solche Reihenfolgen festlegt.

Psychologisches Gespräch
Pech gehabt, ich habe Psychologin und Hauptmann erwischt.
Wie schon vor dem Sporttest werde ich erst gefragt, ob ich mich überhaupt dazu in der Lage fühle, dieses Gespräch durchzuführen. Klar bin ich das, auch wenn es schon interessant wäre, zu erfahren, was bei einem „Nein“ passieren würde.
Zunächst werden erneut meine persönlichen Daten überprüft. Der Hauptmann fragt mich, wo mein Heimatdorf liegt – das ist das erste und einzige Mal überhaupt, dass er spricht. Ansonsten führt die Psychologin allein das Gespräch.
Sie fragt nach meiner Schullaufbahn, erkundigt sich oberflächlich nach meinem Schulabbruch, geht weiter zu meiner Ausbildung. Die Stimmung im Raum ist eisig und unbehaglich, und ich frage mich, was zum Geier die beiden eigentlich die ganze Zeit so eifrig aufschreiben, während ich zum nunmehr dritten Mal seit Beginn meiner Musterung Fragen zum Thema Alkohol und Drogen beantworte.
Sie wendet sich nun den Dingen zu, die ich bei der Einweisung auf dem Fragebogen angegeben habe. Auf die schriftlich zu beantwortenden Fragen geht sie nicht ein – vermutlich hat sie meine Schrift doch nicht lesen können ;) – aber die anzukreuzenden Fragen findet sie sehr interessant. Warum habe ich ein Fragezeichen bei der Frage nach der Unterstützung meiner Eltern angekreuzt? Warum das Fragezeichen bei der Informiertheit über Auslandseinsätze? Wofür ist die Bundeswehr eigentlich da? Ich soll die Gefahren eines Auslandseinsatzes aufzählen, sowie wo die Bundeswehr gerade überall im Ausland stationiert ist. Bin ich WIRKLICH sicher, dass ich das Risiko eines Auslandseinsatzes auf mich nehmen könnte? Was steht diesem Risiko gegenüber, was bedeutet es für mich, Soldat sein zu können? Was bringt mir dieser Beruf, wo er doch so gefährlich ist?
Nun leitet sie zur NATO-Geschichte über, indem sie fragt, warum wir überhaupt im Ausland sind, immerhin „gehen diese Kriege uns direkt gar nichts an“. Erneut will sie wissen, ob ich mir das zutrauen würde.
Sie erkundigt sich nun zunehmend nach Dingen aus den beiden psychologischen Fragebögen vom CAT-Test. Jede Kleinigkeit, die ich wahrheitsgemäß und mangels der Möglichkeit eines „trifft teilweise zu“ mit „trifft zu“ beantwortet habe, nimmt sie auseinander. Gelegentliche Angstzustände, das Gefühl innerer Leere? Was meinen Sie damit, Ihr Schlaf sei unruhig? Wäre es nicht schlecht für Sie, wenn Sie in einer Kaserne Ihren Schlaf nicht selbst einteilen können? Sie frisst sich regelrecht in die Problematik meines „unruhigen Schlafs“ hinein, und ich bereue, in dem Test die Wahrheit angekreuzt zu haben – und nicht, wie fast alle anderen, einfach das zu antworten, „was die hören wollen“. Soll mein Traum wirklich wegen meinem Schlafrhythmus scheitern, der mich in meinem ganzen Leben noch NIE behindert hat und mir sogar Vorteile einbringt, weil ich weder viel, noch regelmäßigen Schlaf brauche?!
Zum Schluss fragt sie nach meinem Verwendungswunsch. Wo sollte meine Kaserne stehen? Was macht ein Feldwebel (Führungsaufgaben)? Habe ich schon einmal Führungsaufgaben übernommen (wo denn, wann denn?!)? Warum sollte die Bundeswehr ausgerechnet mich nehmen? Was ist meine Alternative?

Nach einem dem Gefühl nach 30-minütigen Gespräch (allein 15 davon nur über meinen Schlaf) werde ich vor die Tür auf den Stuhl geschickt, da Herr Hauptmann und Frau Psychologin sich noch beraten wollen. Ich habe ein mieses Gefühl, obwohl ich alle fachlichen Fragen zur Bundeswehr gewusst habe.
Es dauert keine fünf Minuten, dann ruft mich die Psychologin wieder rein.
„Frau Mana, ich habe Ihnen zu Beginn gesagt, dass dieses Gespräch dazu dient, sicherzustellen, dass Sie uneingeschränkt als Feldwebel der Bundeswehr tauglich sind. Bei Ihnen sind wir uns leider nicht ganz sicher.“
…und wenn sie sich nicht sicher sind, nehmen sie einen nicht.
Mehr begründet sie ihre Entscheidung nicht, und meine Kehle ist zu trocken, um nachfragen zu können. Stattdessen schiebt sie mir sofort den Wisch hin, wo ich meine Untauglichkeitserklärung unterschreiben muss, und wünscht mir alles Gute auf dem Weg zur Fremdsprachenkorrespondentin, was ich als Alternative angegeben habe. „Das kann ich mir bei Ihnen richtig gut vorstellen“, sagt sie. Na, wenigstens einer von uns beiden.
Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben wirklich enttäuscht.
Immerhin erfahre ich noch, dass mein PC-Test „super“ gewesen sein soll, ehe ich von ihr zum Koordinierungszimmer geleitet werde, alle meine Unterlagen wiederbekomme und gehen darf.

Die Sachen werden gepackt, die Betten abgezogen, das Bettzeug zusammen mit Schloss, Schlüssel und Laufzettel in Haus 26 abgegeben. Ich schlendere mehr, als das ich laufe, zum S-Bahnhof. Die Fahrt zum Berliner Hauptbahnhof läuft glatt; meine Ablenkung verhindert, dass mich die Größe dieses Bahnhofs erschlägt. Bis mein Zug fährt, muss ich noch 40 Minuten totschlagen.
Nachdem ich die wichtigsten SMSen verschickt habe, lese ich mir mein Todesurteil meine Untauglichkeitserklärung etwas genauer durch. Darauf steht, dass ich eine Sperre für weitere Bewerbungen bei der Bundeswehr habe – aber nur für ein Jahr.
…Da weiß ich ja, was ich nächstes Jahr um diese Zeit machen werde.
Sie hören von mir. ;D

Fazit:
Genommen bin ich nicht und was nach meiner Ausbildung nun werden soll, weiß ich auch nicht. Aber die Erfahrung des kostenlosen Berlin-Trips und der Musterung selbst ist trotzdem wertvoll. Wenn ich mich nächstes Jahr erneut bewerbe, kann ich die ganze Sache viel entspannter angehen, immerhin weiß ich nun, wie alles abläuft – und ich weiß auch, dass ich mir um die Tests keine Sorgen machen muss. Bis auf das Gespräch hat ja alles geklappt…
Zu guter Letzt ist es ein gutes Gefühl, nach einer Rundumuntersuchung bescheinigt zu bekommen, dass man größtenteils gesund ist. Manch einer fiel beim Arzt aus allen Wolken, weil dort teilweise Fehlstellungen entdeckt wurden, von denen die Rekruten selbst nichts wussten. Ich bin gesund, und das ist das Wichtigste.

SmilingMana



PS:
Der Titel „Ausgemustert“ ist irreführend, weil ich streng genommen als „tauglich mit Einschränkungen“ (T2) und somit erfolgreich gemustert worden bin. Lediglich über eine Eignung als Feldwebel verfüge ich (noch) nicht, weshalb ich nicht eingestellt wurde.

Ja, genauuuuu~ Alltag, berufliches, Fahrrad, Random

Autor:  SmilingMana
Da entschließe ich mich nun heute früh dazu, zum zweiten Mal in meinem Leben die 12 km zur Arbeit mit dem Fahrrad zu fahren. Dieses Mal mit einer neuen Strecke, die ich (fälschlicherweise) für kürzer hielt als die erste. Folge: 15 Minuten Verspätung. Naja, kann passieren.

Allerdings hat mir meine Ausbilderin freudestrahlend mitgeteilt, dass ich heute ein Vorstellungsgespräch bei einem möglichen Praktika-Betrieb habe. Und zwar nicht in der Stadt, wo ich arbeite, sondern in meiner Ex-Heimatstadt. 18 km entfernt. Sie war entsetzt, als ich ihr anvertraute, dass ich heute mit dem Fahrrad bin. Aber dafür gibt sie mir mehr als genug Zeit: Der Termin ist um 14 Uhr, ich darf schon vor um 12 abhauen, da kann ich so langsam fahren, wie ich will und nach dem Vorstellungsgespräch gleich nach Hause, dass ist doch auch mal was. Wenn ich durchgeschwitzt zuhause ankomme, haben meine Kollegen gerade erst Feierabend - das ist wirklich ein schönes Gefühl.

Ich muss es nur noch schaffen, hinterher von meiner Ex-Heimatstadt in mein jetziges Heimat-Dorf zu fahren - das sind nochmal 12 km, darunter 3 echt hässliche Berge, die schon mein Moped kaum gebacken kriegt. Ei, das wird ein Spaß! \^_^/
Vielleicht sollte ich es zukünftig am Tag davor ankündigen, wenn ich gedenke, mit dem Rad zu fahren. Nicht, dass man mich wieder für mobiler hält, als ich bin.

Dafür aber werde ich heute insgesamt über 40 km mit dem Rad gefahren sein - das bricht meinen bisherigen Rekord (wo auch immer der lag; vielleicht die Hälfte) bei weitem.
Die Strecke Heimatdorf - Leipzig ist zwischen 55 und 65 km lang. Vielleicht fahre ich am 7. August ja mit dem Fahrrad zum Gackt-Konzert. Soll ja kerzengerade sein (von den Bergen her) - also, wenn ich 40 km mit üblen Bergen schaffe, dürfte das kein Problem mehr für mich sein. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet so ein Sportmuffel wie ich mal so fit wird?!

Hab ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Fahrradfahren immer noch hasse, obwohl ich es fast jeden Tag mache...? Ich werde mich nie daran gewöhnen können.

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