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Mein neuer Freund, der Zahnarzt Alltag, Zahnarzt

Autor:  Ladeniel
Ihr Lieben,

Neulich sitze ich in der Küche und hab richtig gute Laune. Da denke ich mir, jetzt kaufst du dir was Geiles zu Essen und renne in den nächsten Laden. Vollkornbrot mit Lachs, Gurken und Meerrettich.

Zuhause angekommen stopfe ich mich natürlich voll und aus IR-GEND-EI-NEM Grund klemmen sich wieder alle Körnchen in meine Zähne und Zahnzwischenräume.

Zahnseide hilft nicht, Pinzette hilft nicht, eine Nadel hilft nicht (da bin ich schon verzweifelt) und dieses Dreckskorn nervt mich unglaublich.

Weil ich aber bei der besten Zahnarztpraxis der Welt bin, rufe ich die den Morgen danach traurig an und bekomme tatsächlich einen Termin am selben Tag! Gott sei Dank, dann holen sie dieses Korn mit ihren Zahnarztinstrumenten heraus und ich bekomme ein schönes Wochenende.

Im Wartezimmer verbringe ich eine Stunde, dann darf ich rein. Mein Zahnarzt ist aber gar nicht mein alter Zahnarzt, sondern jemand, den ich noch nie gesehen habe: Er heißt Milan und hat einen sehr süßen Akzent. Milan lässt mich den Mund aufsperren und werkelt sich durch meine Zähne, alle sind ohne Befund. Dann werkelt er das Korn aus meinem Zahn. Ich kann's aber irgendwie immer noch fühlen. Milan werkelt ein zweites Mal. Dann guckt er nochmal. Und dann sagt er das Wort, das selbst mit seinem obersüßen Akzent nicht mehr süß klingt: "WURZELKANALBEHANDLUNG!"

Offenbar ist das Korn steckengeblieben in einem sehr kleinen, aber dafür wahnsinnig tiefen Loch.

Niemand mag Zahnärzte und ich hatte noch nie eine Wurzelbehandlung. Um ehrlich zu sein, wusste ich auch gar nicht, was da genau passiert, aber ich mochte Milan schon.

Milan prüft erstmal, ob der Zahn noch am Leben ist. Ist er leider. Milan zückt den Bohrer und ab da kriege ich Angst. Die Arzthelferin holt eine riesige futuristisch aussehende Spritze und ich fange an, etwas panisch zu wimmern und - I kid you not! - kriege Tränen in die Augen. Milan: "Ganz ruhig. Ganz ruhig. Alles gut. Alles gut."
Tatsächlich spüre ich von der Spritze kaum was, das war bei meiner letzten Betäubung vor roundabout 10 Jahren anders, das hat gezwiebelt.

Bevor es losgeht, muss ich geröntgt werden. Anhand des Bildes erklärt Milan mir, was er machen wird. Ich will das eigentlich gar nicht so genau wissen.

Dann legt er los: Bohren, Schleifen und dann rückt er meinem Zahn mit Nadeln zu Leibe. Statt Präzisionsarbeit wirkt es eher so, als würde er versuchen, eine verstopfte Toilette wieder freizukriegen. Während Milan verbissen in meinem Zahn herumstochert, um die sogenannte Pulpa (ugs. für den Zahnnerv) da rauszuzerren, denke ich ein wenig über mein Leben und meine eingerissenen Mundwinkel nach.

Nach 40 Minuten hat Milan meinen Zahn komplett ausgehöhlt und Desinfektion reingemacht. "Die Füllung machen wir am Montag", teilt er mir fröhlich mit. "Wie, und das Loch? Kommt da nichts drauf?"
Milan erklärt, dass ich alles genauso machen kann, wie bisher, Rauchen, Essen, Trinken, Schwimmen, Fahrrad fahren, hahaha. Sollte Essen in den Zahn geraten, muss ich das nur mit einem Zahnstocher wieder rausholen. Ja klar, Milan, nachdem du da gefühlte zehn Meter tiefe Löcher in meinem Zahn gegraben hast, traust du mir zu, dass ich da irgendwas wieder rausholen könnte, was reinfällt?!
Er verschreibt mir noch Schmerztabletten.

Das Wochenende verbringe ich mit einem hohlen Zahn. Immerhin, das Korn ist jetzt weg. Genau wie alles andere. Weh tut es eigentlich nicht sehr, aber ich kann nur auf der rechten Seite kauen und sehe damit dauerhaft dumm aus.

Am Montag komme ich wieder. Milan begrüßt mich fröhlich und fragt, wie es mir geht. Gut. Das will er offenbar ändern, denn als nächstes rammt er mir eine seiner Nadeln in den Zahn, was arschwehtut. Ich wimmere wütend und Milan sagt: "Ganz ruhig, ganz ruhig! Alles gut!" Offenbar ist der Zahn doch noch vital. Ich kriege wieder eine Betäubung und Milan gräbt wieder nach Gold in meinem Zahn. Dann lässt er wieder Desinfektion rein und stopft ganz am Ende Füllmaterial in den Zahn. "Fühlt sich die Füllung so gut an? Oder steht was über?" Ich fahre mit meiner Zunge über den Zahn, merke aber nichts, weil alles sowieso taub ist. Milan merkt das auch: "Ach so, naja, Betäubung." Er schleift noch was ab. "In zwei Wochen machen wir die richtige Füllung", sagt er.

Zwei Wochen?! Ich sag's mal so, ich nehme ihm nichts übel, weil ich wahrscheinlich schon in ihn verliebt bin, aber zwei Wochen in diesen Zeiten? Milan ist sehr optimistisch. Wenigstens muss ich mir Dank der provisorischen Füllung keine Sorge mehr machen, dass ich meinen Zahn versehentlich mit Speiseresten selbst fülle. Ach, was sage ich, ich liebe Milan!

Drei Stunden später als die Betäubung nachgelassen hat: Ich hasse Milan!! Wieso tut das so weh?? Es fühlt sich an, als hätte Milan meinen Zahn einen Zentimeter tiefer in mein Zahnfleisch gepresst als er sein möchte. Übler Druckschmerz, der tatsächlich gefühlt die ganze linke Seite einnimmt.
Ich nehme Schmerztabletten und verwünsche Milan. Dann google ich Wurzelkanalbehandlung.

Offenbar ist mein Zahnnerv unrettbar entzündet. Milan ermordet jetzt alles Lebendige in meinem Zahn, um seine kalte, töte Hülle am Ende zu bewahren, damit ich keinen Zahnersatz brauche. Nett von ihm (und der Krankenkasse, die das zählt). Dafür entfernt er alles an Pulpa aus dem Zahn (deswegen muss er ihn auch überall aufbohren), desinfiziert dann alles gründlich und füllt dann schön alles wieder auf. Der Zahn ist dann zwar tot, das sieht man aber nicht sofort und er macht keinen Ärger mehr.

Milan ist quasi eine Art Auftragskiller mit sehr gründlicher und effizienter Arbeitsweise, aber für die Guten.

Und dieser Akzent hat mich ja eh ergriffen! Ich hab was übrig, wenn Leute, deren Muttersprache eine slavische ist, Deutsch reden. Außerdem hab ich eine Historie mit Ärzt*innen aus Osteuropa. Als ich ein Triefauge hatte, musste ich in die Notfallsprechstunde mit Miklos, meinem georgischen Augenarzt, der mir sehr goldig und für Laien erklärt hat, wie eine Bindehautentzündung abläuft, bei meinen tauben Zehen schickte mich die resolute Olga aus der Ukraine mit einem "Sie sind jung und stark!" weiter an die Neurologin Katya aus Russland, die obschon sie nur ca. 1,60 war, auf mir herumdrückte, wie ein MMA-Fighter - und die besten Erinnerung ist definitiv seit jetzt Milan.

Es mag nicht Jedermanns Fall sein, aber da ich noch nie etwas Ernstes hatte und dementsprechend nur das allgemeine Unwohlsein beim Arzt habe, mag ich dieses resolute "Ach, da passiert nichts, ist gleich vorbei!" sehr gerne.

Jetzt hoffen wir mal, dass weder Milan noch ich in den nächsten vierzehn Tagen in Quarantäne müssen, denn dieser Klumpen Provisorium muss aus meinem Zahn raus, sonst drehe ich noch durch.

Grüße,

Ladeniel