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Sonderausstellung: MANGAMANIA Mangamania - Große Augen garantiert, Bericht, Manga

Autor:  halfJack

Bis zum 28. 10. 2018 findet auf Schloss Augustusburg noch die Sonderausstellung MangaMania statt, die sich dem Thema Manga und Anime widmet, aber auch Cosplay, Vocaloid, Videospiele und alles behandelt, was den vermeintlichen "Otaku" an der japanischen Jugendkultur so fesselt.
Ich habe die Ausstellung im letzten Jahr besucht und ging davon aus, sie sei schon längst beendet. Allerdings wurde sie aufgrund guter Resonanz bis zum Ende dieses Monats verlängert. Im Folgenden werde ich einige Informationen bündeln und mich aus persönlicher Sicht dazu äußern. Vielleicht sind ein paar Leute, die bislang noch nicht davon gehört haben, an einem Besuch interessiert, bevor die Ausstellung ihre Pforten schließt.

Sonderausstellung MANGAMANIA
13. April 2017 bis 28. Oktober 2018

Schloss 1, 09573 Augustusburg (bei Chemnitz)

Öffnungszeiten
April bis Oktober:
täglich 9:30 Uhr - 18:00 Uhr

Eintrittspreise
Erwachsene: 8,00 €
Ermäßigt: 6,00 €
Familienticket: 21,00 €
 
MANGA-Mittwoch
Jeden Mittwoch erhalten alle Besucher ermäßigten Eintritt in die Sonderausstellung

FAN-TICKET: 13,00 €
Eintritt inkl. original japanischer Limonade und einer Überraschungs-Manga-Mystery-Figur

COSPLAY-TICKET: 5,00 €
Alle Cosplayer kommen zum Spezialpreis in die Sonderausstellung
 

Was wird geboten?
Positives und Negatives

Zuerst einmal bin ich immer positiv überrascht, wenn solch einem Thema wie der Mangaszene ein seriöser Rahmen gegeben wird. Eine derartige Ausstellung erwartet man vielleicht in Großstädten, wo viel junges Publikum vorhanden ist und ohnehin schon ein Bezug zur japanischen Kultur besteht, wie etwa in Düsseldorf. Man erwartet es wahrscheinlich weniger in den Gewölben eines Schlosses in relativ dünn besiedeltem Gebiet. Ich zolle daher den Initiatoren meinen Respekt, dass sie sich hierfür entschieden haben und das noch immer vorurteilsbelastete Thema auf vielschichtige Weise zu behandeln versuchten.

Gleich zu Beginn geben sie Cosplayern die Chance, vergünstigten Eintritt zu zahlen. Übrigens ist die Handhabe hier sehr kulant. Ich zum Beispiel bekam ebenfalls ein Cosplay-Ticket, obwohl ich gar kein Cosplay anhatte und bloß etwas ausgefallener gekleidet war.

Geordnet ist die Ausstellung in der ersten Hälfte relativ chronologisch. Man nähert sich dem Thema auf historische Weise. Erfunden haben Japaner den Comic natürlich nicht, aber ihre eigene Interpretation des Mediums wird in der Ausstellung bereits mit der Entwicklung des Farbholzschnitts während der Edo-Zeit (1603 - 1868) aufgegriffen. Auch Genre-Unterschiede und deren Vorreiter werden angeschnitten, wie etwa die Entstehung des Shojo-Mangas mit den klassischen großen Augen. Hier trifft man sogar auf BL-Magazine, wobei diese allerdings nicht näher erklärt werden. Dieser erste Teil ist eher informativ als interaktiv. Einige Texte, einige Bilder in recht leeren Räumen. Natürlich bliebe die Frage, wie man es anders hätte machen sollen, wenn es nun mal um Text und Bild geht.
Die chronologische Herangehensweise fand ich in den Grundzügen sehr gut und hätte ich genauso vorgenommen. Aber mir war das in den Räumen etwas zu wenig. Verschiedene Strömungen der gesamten Entwicklung wurden zu sehr vereinfacht oder komplett weggelassen. Die Gewichtung einzelner Punkte hätte ich teilweise anders vorgenommen und zudem ein paar bekanntere Künstler gewählt. Anstatt sich auf die historische Darstellung zu beschränken, stößt man immer wieder auf meines Erachtens unwichtige Künstler, von deren Serien die Handlung kurz zusammengefasst wird. Würde es sich um wirklich bedeutende Manga handeln, die das gesamte Medium prägten, hätte ich nichts dagegen. Beispielsweise hat man gut den Einfluss von Osamu Tezuka herausgearbeitet. Doch auf einige Mangaka und Serien hätte man schlichtweg verzichten sollen, weil sie keine Rolle spielen. Mir jedenfalls sagten die überhaupt nichts und ich möchte behaupten, dass ich mich auf dem Gebiet recht gut auskenne.

Ein bisschen ungünstig ist die Einbeziehung vom deutschen Manga, wie ich finde. Man hat sich hier fast ausschließlich auf eine einzelne Zeichnerin beschränkt. (Leider erinnere ich mich nicht mehr daran, welche deutsche Künstlerin genau das war, aber das ist vielleicht auch gut so, da ich hier nur eine allgemeine Kritik formulieren möchte.) Das fiel nach meinem Geschmack etwas aus der Ordnung, weil es nicht in die Chronologie passte. Außerdem hat diese besagte deutsche Künstlerin ihre Originalwerke für die Ausstellung zur Verfügung gestellt; sie waren dementsprechend überall, mal hier, mal dort, zu finden. Sicherlich steckte dahinter keine Absicht, aber es war inkonsistent platziert und wirkte auf mich wie Werbung. Das hätte ich anders eingebunden. Ein Raum zu Beginn war ohnehin fast ausschließlich dem deutschen Manga gewidmet, darum hätte ich diesen Raum ans Ende der Chronologie gesetzt und einen Blick über den Tellerrand gewährt.
Zum Beispiel: Eine kurze Darstellung zum Comic an sich mit den französischen Vorreitern, dann die Übernahme und Entwicklung in den USA. Hier hätte man kurz den Comics Code und die Zensur aufgreifen können, um zu erklären, warum amerikanische Comics eher an Kinder gerichtet sind und sich meist um Superhelden drehen. Ein knapper Schwenk auf Disney und auf die andere Seite zur Satire des MAD Magazin. Natürlich geht es um Manga, aber was den japanischen Comic ausmacht und ihn von den europäischen und amerikanischen Comics unterscheidet, kann man nur auf die Weise verstehen. Umgekehrt nimmt der Manga Einfluss auf die derzeitigen Comics in Ostasien, Europa etc. Neben dem deutschen "Manga" (also Comics, die dem japanischen Vorbild ähneln) hätte man hier noch kurz auf chinesische Manhuas und koreanische Manhwas eingehen sollen. Mit diesem einen Raum wäre es dann auch schon getan, anstatt überall ein paar Bilder einer deutschen Mangaka zu verteilen und den Rest fast komplett zu ignorieren.

Nun noch ein Wort zu den Definitionen. Die wichtigsten Begriffe werden zwar erklärt, sodass es auch ein Laie verstehen kann, aber das geschieht nicht an jeder Stelle. Ich selbst habe zwar keine Schwierigkeit damit, aber aus den Augen einer Person betrachtet, meinetwegen der Oma, die in die Ausstellung geht, um das Hobby ihrer Enkelin zu verstehen, da ist die Informationsfülle doch etwas zu dicht und die Bezeichnungen könnten überfordern. Ich würde mir daher so etwas wie einen Glossar-Flyer wünschen, der die wichtigsten Begriffe alphabetisch ordnet, damit man immer mal nachschauen kann, wenn man mit einem Wort nichts anzufangen weiß.

Nach der historischen Aufbereitung des Themas folgt dann eine weite Verzweigung. Man hat sich hier nicht bloß auf den Manga beschränkt, sondern zeigt, wie bereits erwähnt, genauso Anime, Cosplay, Vocaloid, Videospiele und sogar einen nicht jugendfreien Abschnitt in einer kleinen Ecke, der sich mit Hentai und den erotisch-grotesken Shunga ("Frühlingsbildern") befasst. Auch Doujinshi werden kurz aufgegriffen, jedoch hätte man hier den Markt besser erklären können. Der ist nämlich nicht vergleichbar mit den westlichen Fanzines. Viele Mangaka waren zuerst Doujinshika oder sind umgekehrt mittlerweile aktiver bei ihren Doujinshis und verdienen damit mehr Geld als vorher. Auch über die Professionalität der Zeichner sagt es nichts aus; die Doujinshi zu "Attack on Titan" etwa sehen meist besser aus als das Original (was vielleicht keine Kunst ist). Einige Zeichner entscheiden sich für den Doujinshi, weil sie damit weniger an die Vorgaben eines Verlags gebunden sind; die Organisation in Zirkeln ist weitaus freier. Hier hätte man so einen Doujinshi auch einfach mal zeigen können, da der sich vom Format doch meist deutlich vom Manga unterscheidet.
Sowieso hätte ich mir an einigen Stellen gewünscht, dass man all diese Bereiche für den Besucher besser vorstellbar macht, wie etwa mit Fotos von den Buchhandlungen, Szeneläden (Animate, Mandarake, Lashingbang etc.), speziellen Stadtvierteln (Akihabara und Ikebukuro), Merchandise, Themencafés usw. Wirklich vorstellbar wird eigentlich bloß das, was bei uns in Deutschland sowieso schon bekannt und beliebt ist, also Cosplay, Vocaloid, Videospiele, Conventions. In das komplexe Gefüge in Japan hingegen bekommt man kaum Einblick.

Ab diesem Punkt wird die Sonderausstellung jedenfalls sehr interaktiv. Die Kleinsten können malen oder Manga-Gesichter zusammenstellen, man kann sich Cosplaykostüme anschauen (wobei es sich um Leihgaben tatsächlicher Cosplayer handelt), Hatsune Miku tanzt bei einem Live-Auftritt über einen Bildschirm oder man schwelgt in Nostalgie bei Betrachtung der ersten japanischen Spielekonsolen und Handhelds. Diese Vielseitigkeit hat man gut erkannt und umgesetzt.
 

Persönliche Kritikpunkte

Das größte Manko der Ausstellung ist tatsächlich ihre genrebezogene Einseitigkeit. Das klingt erstmal widersprüchlich, da doch so viele Bereiche angeschnitten werden. Manga sei angeblich, weit mehr als ein einfach gezeichnetes Gesicht mit übergroßen Augen (Auszug aus dem Werbeflyer). Tatsächlich ist es nicht "weit mehr" als das, sondern generell nicht das. Nichts sei so vielseitig wie Manga, es gäbe sie zu jedem Thema, für jedes Alter, für jedes Interesse.
Das stimmt so weit, aber warum spürt man auf der Ausstellung davon wenig? Man sollte die verschiedenen Zeichner, Genre und Stile auch zeigen und nicht bloß behaupten, dass es sie eben gibt. Und "einfach gezeichnete Gesichter mit übergroßen Augen" trifft es absolut nicht.

Ich kann mich nicht erinnern, dass Shinichi Sakamoto oder Satoshi Kon schon mal "einfache Gesichter" gezeichnet hätten.

Shinichi Sakamoto
Shinichi Sakamoto


Satoshi Kon

 

Oder dass Hiroaki Samura oder Hiroki Endo auf "übergroße Augen" Wert legen.


Hiroaki Samura


Hiroki Endo


Und manch andere fallen komplett aus dem Rahmen.


Junji Ito


Nishioka Kyodai

 

Manga sind vielfältig, das stimmt, aber solche Zeichner, wie ich sie hier anbringe, wird man auf der Ausstellung vergeblich suchen. Und diese Beispiele sind nicht nur irgendwelche Randerscheinungen. Man hätte auch noch bekanntere Serien und Zeichner nehmen können. Naoki Urasawa etwa oder "Death Note" von Ohba und Obata, kritische und historische Manga wie "Barfuß durch Hiroshima".
Eine der seltenen Ausnahmen in dem Zusammenhang stellte "Chihiros Reise" dar, obwohl ich das noch nicht mal zu den erwachsenen Beispielen zählen würde. Ghibli ist jedoch ein enorm wichtiges, prägendes Studio, deshalb hätte es in dem Fall generell nicht bloß bei einer Randbemerkung bleiben sollen. Hier hat man meines Erachtens falsche Prioritäten bei der Auswahl gesetzt. Den gegebenen Platz hätte man besser nutzen können, anstatt in einem Raum Ausmalbilder hinzulegen und an der Wand Gesichter zusammenkleben zu lassen. Die Ausstellung wusste da manchmal offenbar nicht, an welches Publikum sie sich wenden soll. Oder zumindest lässt sie ein erwachsenes Publikum, das sich mit dem Thema bereits auskennt, ein wenig außen vor.
Wer also zu denjenigen gehört, die sich wirklich mit dem vielfältigen, auch erwachsenen Angebot an Manga beschäftigen und nicht nur mit dem Mainstream aus Naruto und Konsorten, der wird von der Ausstellung sicher enttäuscht sein.

Was mir persönlich gar nicht gefiel, war das große Fragebuch ganz zum Schluss im letzten Raum, mit dem man sich quasi testen konnte, wie viel man durch die Ausstellung gelernt hatte. Da gab es Fragen wie (Gedächtnisprotokoll):

  • Wie liest man einen Manga? - Anwort: Von hinten nach vorn.
    Es ist zwar Haarspalterei, aber man liest ihn ganz normal von vorn nach hinten, allerdings von rechts nach links. Was vorn und was hinten ist, stellt nur eine Zuschreibung dar.
     
  • Was ist das Motto von Mangafans? - Antwort: Hauptsache süß und cool!
    Ja richtig, solche Manga wie Tezukas "Adolf", Urasawas "Monster" oder politische Manga wie Kawaguchis "Eagle" liest man natürlich vor allem, weil sie süß und cool sind ...
     
  • Wie nennen sich Mangafans? - Antwort: Otaku.
    Mag sein, dass sich einige selbst so nennen, aber ursprünglich ist Otaku ein abwertender Begriff.
     
  • Was macht Manga grundsätzlich aus? - Antwort: Große Augen!
    Diese Zuschreibung geht mir langsam echt auf den Sack. Der Comicstil an sich verstärkt (international) einzelne Aspekte des Gesichts; vielleicht sind es in Japan eher die Augen und im Westen eher die Nasen, aber das ist kein Erkennungsmerkmal. Osamu Tezukas Stil ist noch sehr stark vom Westen beeinflusst und auch westliche Comics legen oft Gewicht auf die Augen. Wenn man schon von der Optik ausgeht, hätte man stattdessen den Unterschied eher darin sehen sollen, dass Manga meist schwarz-weiß sind und westliche Comics meist in Farbe. Denn ich würde behaupten, es gibt mehr Manga ohne große Augen als in Farbe.


Mein Fazit:

Die Sonderausstellung hat es sich zum Ziel gesetzt, viele verschiedene Leute anzusprechen, die sich mit dem Thema Manga auseinandersetzen wollen. Kinder können gestalten, malen oder zocken. Erwachsene erhalten Informationen und können vielleicht besser verstehen, womit sich ihr Nachwuchs so beschäftigt. Und diejenigen, die in der Szene drin sind, lernen womöglich etwas über die Entwicklung ihres Hobbys, erkennen sich in einigen Gebieten wieder und können ein bisschen nostalgisch werden und schwelgen.
Die "Mangamanie" wird auf der Augustusburg nicht nur einseitig betrachtet, sondern streift die vielen anderen Bereiche, die damit einhergehen. Es sind nicht alle Bereiche, das muss erwähnt werden. In Japan ist dieser ganze Apparat noch stärker vernetzt, es handelt sich nicht bloß um eine Randerscheinung. Darum hätte man den Markt noch ein bisschen besser darstellen können. Bücher, Light Novels, Filme, Dramaserien, Videospiele, Doujinshi usw. stellen das gesamte Feld der Medien dar; ähnlich wie Marvel und DC Comics in Amerika sich mittlerweile am besten über die Realfilme vermarkten. Man kann nicht alles zeigen, das ist mir bewusst, aber indem man etwa ein paar Beispielmanga, die sowieso niemand kennt, aus der Ausstellung streicht, hätte man diesen ganzen Verbund verständlicher gestalten können.
Letztlich hätte ich mir ein bisschen mehr Vielfalt für ein erwachsenes Publikum gewünscht. Dass Manga ein künstlerisches Medium ist, welches sehr ernst und kritisch Inhalte vermitteln kann, geht in der Ausrichtung auf den Mainstream etwas verloren.

Weiterführende Seiten:
Webseite der Augustusburg: Sonderausstellung Mangamania

LBM 2015: Interview mit Takeshi Obata Leipziger Buchmesse 2015, Death Note, Takeshi Obata, Bakuman, All you need is kill, Bericht, Death Note

Autor:  halfJack

Letzten Samstag, am 14. 03. 2015, kam Takeshi Obata, der Zeichner von Death Note, Hikaru no Go, Blue Dragon RalΩGrad, Bakuman und der Mangaadaption zu All you need is kill auf Einladung nach Deutschland, um auf der Leipziger Buchmesse ein Interview zu geben, live zu zeichnen und zu signieren.
Bislang konnte ich im Internet nicht mal eine Zusammenfassung dieses Interviews finden, wäre also sehr dankbar für Links oder Ergänzungen, weil ich selbst nicht alles gehört und natürlich einiges vergessen habe. Unterdessen werde ich versuchen, so viel wie möglich von dem Interview wiederzugeben. In Klammern schreibe ich meine eigenen Ergänzungen. Die Reihenfolge ist an ein paar Stellen vermutlich anders gewesen.

Während der Unterhaltung zeichnete Obata-sensei, wie sollte es auch anders sein, einen L für seine Fans, der überraschenderweise sogar eine Haribo-Tüte in der Hand hielt und sich gerade etwas davon in den Mund steckte. Für L habe sich Obata-sensei entschieden, weil das von all seinen Figuren sein persönlicher Favorit wäre. Es sei sicherlich nicht undenkbar, meinte er, nachdem gerade der Schriftzug auf der Verpackung erkennbar wurde, dass L auch Süßigkeiten von Haribo essen würde. (Die Marke gibt es in Japan durchaus, allerdings nicht in allen, sondern mitunter nur in speziellen Geschäften; allerdings sind die Tüten dort im Vergleich zu unseren oft nur halb so groß und doppelt so teuer.)

Es war das erste Mal, dass Obata-sensei überhaupt nach Deutschland reiste. Sein erster Eindruck, als er aus dem Flieger stieg, war "kalt". (Das Klima in Japan, zumindest auf der Hauptinsel Honshu, unterscheidet sich zwar nicht stark von unserem, doch besonders jetzt zur Kirschblütenschau ist es im Raum Tokyo/Yokohama oder Kyoto längst nicht mehr so kalt.) Die Interviewerin schlug ihm vor, er könne ja später mal im Sommer nach Deutschland kommen, und er antwortete, das würde er gern tun. Hoffen wir, dass es keine Höflichkeitsfloskel bleibt.
Vorher hatte Obata-sensei keine Vorstellung davon, wie gut seine Serien in Deutschland ankommen. (Das kann man wohl besonders auf Death Note beziehen angesichts der vielen Auflagen, unterschiedlichen Aufmachungen und Übersetzungen des Manga, der Ende des letzten Jahres erschienenen zwei Boxen des Anime und dem erstmals in Deutschland übersetzten und veröffentlichten Artbook Blanc et Noir. Aber auch der Go-Bereich, der ursprünglich durch Hikaru no Go ins Leben gerufen wurde, ist nach wie vor fester Bestandteil der LBM.)
Auf die Frage, ob Obata-sensei ein deutsches Lieblingsgericht habe oder ob es generell etwas gäbe, das er hier gern essen würde, antwortete er mit "Brot und Käse". (Wer Yakitate!! Japan kennt, weiß, dass Deutschland das Brotland Nummer 1 ist. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Brotsorten.) Obata-sensei erklärte, er äße daheim gern Körnerbrot und ähnliches, aber das Angebot an Käse sei in Japan kaum ausgeprägt (häufig bekommt man dort in den Supermärkten nur Analogkäse). Daher fragte er in die Runde, ob man ihm Empfehlungen aussprechen könnte, und erhielt prompt die Zurufe "Gouda" und "Emmentaler". Er bedankte sich, diese Sorten würde er sich merken.

Danach folgten die üblichen Verdächtigen unter den Interviewfragen, also Informationen, die den meisten vermutlich bekannt sind. Schon sehr früh in der Schule habe Obata-sensei Skizzen in sein Notizbuch gemalt, bis er seine Kurzgeschichte 500 Kōnen no Shinwa bei Shueisha einschickte und damit den jährlichen Tezuka-Preis gewann. Seine großen Erfolge kamen jedoch erst, als er mit diversen Gensaku-sha zusammenzuarbeiten begann, also Autoren wie Tsugumi Ohba, die das Szenario schrieben und selbst nicht zeichneten. (Es scheint, als wäre Obata-sensei tatsächlich besser zum Zeichnen als zum Konzipieren von Geschichten geeignet; in einem anderen Interview gestand er einst, dass er nicht sonderlich einfallsreich sei und keine Ideen habe.) Zudem meinte er, wenn es sich ergäbe, würde er sich über eine nochmalige Zusammenarbeit mit Tsugumi Ohba sehr freuen.
Zumindest der Anfang seiner eigenen Geschichte erinnert an Saiko bzw. Moritaka Mashiro, den Zeichner des Manga-Duos aus Bakuman, und in der Tat gab Obata-sensei zu, dass gewisse Parallelen zwischen ihm und Saiko existierten; beide hätten einen eher ruhigen, größtenteils gelassenen Charakter.
Das sind nicht die einzigen Ähnlichkeiten. Die Interviewerin erkundigte sich, wie viel von Bakuman der Wirklichkeit entspräche oder wie ernst man diese Serie in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt nehmen könnte. Hierauf erklärte Obata-sensei, dass besonders der enorme Zeitdruck und Stress aus seiner eigenen Erfahrung stammten. So ginge es vielen Managaka und die Interviewerin fügte hinzu, dass Obata-sensei sogar jetzt bei seinem Aufenthalt in Deutschland seine Zeichenutensilien bei sich habe, um im Hotel an seiner aktuellen Serie zu arbeiten. Hierbei handelt es sich um Gakkyū Hōtei (School Investigation Court), worin es, soweit ich das mitbekommen habe, um einen Schüler geht, der quasi als Anwalt für seine Mitschüler agiert. Ähnlichkeiten zu erdachten Serien, die in Bakuman auftauchen, seien wohl rein zufällig. (Ich vermute, die Interviewerin sprach damit auf Magical Detective TRAP an.) Insgesamt sei Bakuman jedoch absolut realistisch, nicht nur in Hinsicht auf die ganzen Abläufe beim Shonen-Jump, sondern auch, was die einzelnen Redakteure anbelangt. Keiner der Namen wurde geändert. Der ebenfalls anwesende Redakteur von Obata-sensei fügte nur scherzend hinzu, dass sie alle im Manga wesentlich hübscher gezeichnet wurden, als sie tatsächlich aussehen. Ob es bei einem derartigen Eindringen in die Privatsphäre der Redaktion keine Bedenken oder Unbehagen gegeben habe, wollte die Interviewerin daraufhin wissen und erhielt die etwas zynische Antwort, die habe es schon gegeben, aber letztlich ginge es in erster Linie darum, ob sich die Serie gut verkauft.

Des Weiteren berichtete Obata-sensei von seinem Tagesablauf. Morgens würde er von seinem Stuhl aufwachen, zeichnen, frühstücken, zeichnen, den Rest des Tages zeichnen und abends irgendwann auf seinem Stuhl einschlafen. Grob war es das. Aufstehen würde er im Prinzip nur, um ins Bad zu gehen. Essen würde er bloß am Morgen, deshalb wäre er auch so dünn. Wie ernst man diese Aufzählung nehmen kann, bleibt jedem selbst überlassen, aber wir wissen immerhin alle, wie hart das Leben eines Mangaka ist, also wird es im Wesentlichen wahrscheinlich wirklich so sein. Sobald Obata-sensei quasi Urlaub oder Freizeit hat, würde er erst einmal ordentlich essen und ansonsten verschiedene Sportarten betreiben, um wieder in Bewegung zu kommen.

Die Interviewerin wollte wissen, ob es nach seinen vielen Erfolgen denn noch Ziele gab, die er anstrebte. Obata-sensei erklärte, er wolle im Zeichnen besser werden, zum Beispiel seine Fähigkeiten mit digitalen Medien steigern. Bei seiner aktuellen Serie habe er traditionell angefangen und würde derzeit digital weiterarbeiten. Außerdem zeichne er gern hübsche Menschen und bemühe sich stets, ihre Mimik ausdrucksstark darzustellen. (In einem anderen Interview hat er bereits erklärt, dass es ihm leichter fallen würde, älteren Personen mit ihren unterschiedlichen Gesichtsformen und Falten einen starken Ausdruck zu verleihen. Junge Personen hingegen haben kein so variables Gesicht, gerade Frauen würden bei ihm häufig einfach nur hübsch aussehen.) Je mehr er zeichnete, desto einheitlicher und ausdrucksloser würde die Mimik seiner Figuren werden; daran wolle er arbeiten.

In der Zwischenzeit war das Bild von L fertig – hockend, mit nackten Füßen, zerzausten Haaren, Süßigkeiten essend, eben genau, wie wir ihn kennen und lieben – und ein neues Portrait von Ryuk wurde begonnen.

Ein kurzer Abstecher zu All you need is kill erfolgte ebenfalls, dem Manga, der auf der gleichnamigen Novelle von Hiroshi Sakurazaka basiert, welche wiederum als Vorlage für den Film Edge of Tomorrow mit Tom Cruise in der Hauptrolle diente. Auf Nachfrage der Interviewerin meinte Obata-sensei, er habe sich für diese Adaption nicht mit dem Autor abgesprochen (was auch daran liegen könnte, dass Ryosuke Takeuchi für das Szenario verantwortlich war und Yoshitoshi ABe bereits die Novelle illustrierte). Eine Übertragung in ein anderes Medium, zum Beispiel vom Roman zum Manga, würde ganz neue Möglichkeiten mit sich bringen, die in der Regel nur dem Experten des jeweiligen Gebietes richtig vertraut sind. Deshalb hat man als Mangaka in solchen Fällen meistens freie Hand. Nach Bakuman, das eher einen comicartigen Stil hatte, wollte Obata-sensei jedenfalls wieder etwas Realistischeres zeichnen.

Zum Schluss fällt mir nur noch eine Sache ein, die in dem Interview angesprochen wurde. Obata-sensei konnte keinen einzelnen Zeichner benennen, der ihn in seiner Kindheit und Jugend beeinflusste oder prägte. Er las viele Manga und hat sich quasi von allem inspirieren lassen, das ihm gefiel, vor allem Sci-Fi interessierte ihn sehr. Es gab nun eine Serie, die er besonders mochte. Ich habe den Titel davon nicht mitbekommen oder wieder vergessen und wäre sehr froh, wenn sich jemand daran erinnert und es mir mitteilt. Darin soll es nämlich einen Charakter geben, der Nummer 4 (oder 5?) heißt und offenbar aus Deutschland stammt. Als sich der anwesende Redakteur plötzlich einschaltete und meinte, Obata-sensei hätte ihm gegenüber erst kürzlich zugegeben, dass L auf einer deutschen Figur basiert, da rückte dieser mit der Antwort heraus, dass es sich eben um den besagten Charakter aus seiner damaligen Lieblingsserie handelt. Der relativ emotionslose Gesichtsausdruck, die fehlenden Augenbrauen, die insgesamt stoische Art seien alles an dieser Figur orientierte Züge von L gewesen. Das habe er, so Obata-sensei, vorher noch nie erzählt (und er hätte es vermutlich auch nicht erzählt, hätte sich sein Redakteur nicht auf einmal zu Wort gemeldet).
Falls mir jemand mehr dazu sagen kann, wäre ich sehr dankbar.

Ansonsten war das soweit alles, woran ich mich erinnere. (Abgesehen von der grausigen Aussprache der Interviewerin, zum Beispiel "Obaaata" oder "Mangaaaka" – man sollte den Leuten mal erklären, dass Japaner selten wie wir die vorletzte Silbe betonen und dass es total bescheuert klingt, es doch zu tun.)
Ergänzungen und Korrekturen sind gern gesehen. Gleicher Bericht im Zirkel Perfect World.

 

Edit 1:

Bei der Serie handelt es sich vermutlich um Cyborg 009 von Shotaro Ishinomori.

Darin geht es um neun Menschen unterschiedlicher Nationalität, die von der Organisation Black Ghost entführt und bei Experimenten in Cyborgs verwandelt werden. Gemeinsam schaffen sie es, zu fliehen und fortan für ihre Freiheit zu kämpfen.

Nummer 4 (also Cyborg 004) ist der Deutsche Albert Heinrich. Sein kompletter Körper kann zu Waffen umfunktioniert werden. Von Black Ghost aufgegriffen wurde er, als er sich zur Zeit des Kalten Krieges mit seiner Freundin Hilda auf der Flucht nach Westdeutschland befand. Bei diesem Ereignis wird Hilda getötet, er selbst schwer verletzt. So jedenfalls ist es im Manga, wohingegen Hilda im Anime (Serie und Film) seine Co-Pilotin ist. In der Serie von 2001 entwickelt 004 nach seinem Erwachen starke suizidale Tendenzen, als Nebeneffekt der Modifikation, die ihn physisch und psychisch belastet. Charakterlich soll er nicht nur ähnlich stoisch wie L sein, sondern auch relativ skrupellos in der Wahl seiner Mittel. Seine äußerliche Schroffheit allerdings verbirgt tatsächlich eine eher milde und pazifistische Persönlichkeit.

 

Edit 2:

Danke an IiraEllaos für diese Informationen! Das hat mein Gedächtnis wieder aufgefrischt.

Es gibt noch weitere kleine Hinweise in Death Note, die auf Deutschland verweisen. Die Waffe, die L im Hubschrauber, kurz vor der Festsetzung von Higuchi, Light reichen möchte, ist eine Walther (wahrscheinlich P99), ein deutsches Fabrikat. (Natürlich lehnt Light ab, weil Waffen in Japan für Zivilisten normalerweise verboten sind.) Außerdem fährt Watari ein deutsches Auto, vermutlich eine Limousine alten Typs von Mercedes Benz. (Ich dachte immer, er fährt einen Rolls Royce bzw. Bentley, weil er Brite ist, wobei das Unternehmen ja ohnehin mittlerweile an die Volkswagen AG ging und seinen Namen an BMW verkauft hat, von daher wäre das auch wieder deutsch.)

Obata-sensei selbst fährt offenbar einen Volkswagen. Er hat sich schon länger gewünscht, mal nach Deutschland zu kommen (sonst hätte er sich diesen Stress neben seiner laufenden Serie vermutlich nicht angetan). Auf die Frage, was er sich hier gern mal anschauen würde, nannte er den Kölner Dom; er würde Dome und Kirchen mögen.

Zu Gakkyū Hōtei wurden einige Bilder vom Smartphone via Leinwand gezeigt. Der Redakteur meinte, dass er sich freuen würde, wenn Tokyopop die neue Serie in Deutschland herausbrächte, und die Interviewerin versicherte ihm, sie würden ihr Bestes tun. (Sollten sie Wort halten, würde ich mir das garantiert nicht entgehen lassen.)

Ach so, auf der Haribo-Tüte stand übrigens noch "XL für L". :D

 

LBM 2015: Interview mit Takeshi Obata Leipziger Buchmesse 2015, Death Note, Takeshi Obata, Bakuman, All you need is kill, Bericht, Death Note

Autor:  halfJack

Letzten Samstag, am 14. 03. 2015, kam Takeshi Obata, der Zeichner von Death Note, Hikaru no Go, Blue Dragon RalΩGrad, Bakuman und der Mangaadaption zu All you need is kill auf Einladung nach Deutschland, um auf der Leipziger Buchmesse ein Interview zu geben, live zu zeichnen und zu signieren.
Bislang konnte ich im Internet nicht mal eine Zusammenfassung dieses Interviews finden, wäre also sehr dankbar für Links oder Ergänzungen, weil ich selbst nicht alles gehört und natürlich einiges vergessen habe. Unterdessen werde ich versuchen, so viel wie möglich von dem Interview wiederzugeben. In Klammern schreibe ich meine eigenen Ergänzungen. Die Reihenfolge ist an ein paar Stellen vermutlich anders gewesen.

Während der Unterhaltung zeichnete Obata-sensei, wie sollte es auch anders sein, einen L für seine Fans, der überraschenderweise sogar eine Haribo-Tüte in der Hand hielt und sich gerade etwas davon in den Mund steckte. Für L habe sich Obata-sensei entschieden, weil das von all seinen Figuren sein persönlicher Favorit wäre. Es sei sicherlich nicht undenkbar, meinte er, nachdem gerade der Schriftzug auf der Verpackung erkennbar wurde, dass L auch Süßigkeiten von Haribo essen würde. (Die Marke gibt es in Japan durchaus, allerdings nicht in allen, sondern mitunter nur in speziellen Geschäften; allerdings sind die Tüten dort im Vergleich zu unseren oft nur halb so groß und doppelt so teuer.)

Es war das erste Mal, dass Obata-sensei überhaupt nach Deutschland reiste. Sein erster Eindruck, als er aus dem Flieger stieg, war "kalt". (Das Klima in Japan, zumindest auf der Hauptinsel Honshu, unterscheidet sich zwar nicht stark von unserem, doch besonders jetzt zur Kirschblütenschau ist es im Raum Tokyo/Yokohama oder Kyoto längst nicht mehr so kalt.) Die Interviewerin schlug ihm vor, er könne ja später mal im Sommer nach Deutschland kommen, und er antwortete, das würde er gern tun. Hoffen wir, dass es keine Höflichkeitsfloskel bleibt.
Vorher hatte Obata-sensei keine Vorstellung davon, wie gut seine Serien in Deutschland ankommen. (Das kann man wohl besonders auf Death Note beziehen angesichts der vielen Auflagen, unterschiedlichen Aufmachungen und Übersetzungen des Manga, der Ende des letzten Jahres erschienenen zwei Boxen des Anime und dem erstmals in Deutschland übersetzten und veröffentlichten Artbook Blanc et Noir. Aber auch der Go-Bereich, der ursprünglich durch Hikaru no Go ins Leben gerufen wurde, ist nach wie vor fester Bestandteil der LBM.)
Auf die Frage, ob Obata-sensei ein deutsches Lieblingsgericht habe oder ob es generell etwas gäbe, das er hier gern essen würde, antwortete er mit "Brot und Käse". (Wer Yakitate!! Japan kennt, weiß, dass Deutschland das Brotland Nummer 1 ist. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Brotsorten.) Obata-sensei erklärte, er äße daheim gern Körnerbrot und ähnliches, aber das Angebot an Käse sei in Japan kaum ausgeprägt (häufig bekommt man dort in den Supermärkten nur Analogkäse). Daher fragte er in die Runde, ob man ihm Empfehlungen aussprechen könnte, und erhielt prompt die Zurufe "Gouda" und "Emmentaler". Er bedankte sich, diese Sorten würde er sich merken.

Danach folgten die üblichen Verdächtigen unter den Interviewfragen, also Informationen, die den meisten vermutlich bekannt sind. Schon sehr früh in der Schule habe Obata-sensei Skizzen in sein Notizbuch gemalt, bis er seine Kurzgeschichte 500 Kōnen no Shinwa bei Shueisha einschickte und damit den jährlichen Tezuka-Preis gewann. Seine großen Erfolge kamen jedoch erst, als er mit diversen Gensaku-sha zusammenzuarbeiten begann, also Autoren wie Tsugumi Ohba, die das Szenario schrieben und selbst nicht zeichneten. (Es scheint, als wäre Obata-sensei tatsächlich besser zum Zeichnen als zum Konzipieren von Geschichten geeignet; in einem anderen Interview gestand er einst, dass er nicht sonderlich einfallsreich sei und keine Ideen habe.) Zudem meinte er, wenn es sich ergäbe, würde er sich über eine nochmalige Zusammenarbeit mit Tsugumi Ohba sehr freuen.
Zumindest der Anfang seiner eigenen Geschichte erinnert an Saiko bzw. Moritaka Mashiro, den Zeichner des Manga-Duos aus Bakuman, und in der Tat gab Obata-sensei zu, dass gewisse Parallelen zwischen ihm und Saiko existierten; beide hätten einen eher ruhigen, größtenteils gelassenen Charakter.
Das sind nicht die einzigen Ähnlichkeiten. Die Interviewerin erkundigte sich, wie viel von Bakuman der Wirklichkeit entspräche oder wie ernst man diese Serie in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt nehmen könnte. Hierauf erklärte Obata-sensei, dass besonders der enorme Zeitdruck und Stress aus seiner eigenen Erfahrung stammten. So ginge es vielen Managaka und die Interviewerin fügte hinzu, dass Obata-sensei sogar jetzt bei seinem Aufenthalt in Deutschland seine Zeichenutensilien bei sich habe, um im Hotel an seiner aktuellen Serie zu arbeiten. Hierbei handelt es sich um Gakkyū Hōtei (School Investigation Court), worin es, soweit ich das mitbekommen habe, um einen Schüler geht, der quasi als Anwalt für seine Mitschüler agiert. Ähnlichkeiten zu erdachten Serien, die in Bakuman auftauchen, seien wohl rein zufällig. (Ich vermute, die Interviewerin sprach damit auf Magical Detective TRAP an.) Insgesamt sei Bakuman jedoch absolut realistisch, nicht nur in Hinsicht auf die ganzen Abläufe beim Shonen-Jump, sondern auch, was die einzelnen Redakteure anbelangt. Keiner der Namen wurde geändert. Der ebenfalls anwesende Redakteur von Obata-sensei fügte nur scherzend hinzu, dass sie alle im Manga wesentlich hübscher gezeichnet wurden, als sie tatsächlich aussehen. Ob es bei einem derartigen Eindringen in die Privatsphäre der Redaktion keine Bedenken oder Unbehagen gegeben habe, wollte die Interviewerin daraufhin wissen und erhielt die etwas zynische Antwort, die habe es schon gegeben, aber letztlich ginge es in erster Linie darum, ob sich die Serie gut verkauft.

Des Weiteren berichtete Obata-sensei von seinem Tagesablauf. Morgens würde er von seinem Stuhl aufwachen, zeichnen, frühstücken, zeichnen, den Rest des Tages zeichnen und abends irgendwann auf seinem Stuhl einschlafen. Grob war es das. Aufstehen würde er im Prinzip nur, um ins Bad zu gehen. Essen würde er bloß am Morgen, deshalb wäre er auch so dünn. Wie ernst man diese Aufzählung nehmen kann, bleibt jedem selbst überlassen, aber wir wissen immerhin alle, wie hart das Leben eines Mangaka ist, also wird es im Wesentlichen wahrscheinlich wirklich so sein. Sobald Obata-sensei quasi Urlaub oder Freizeit hat, würde er erst einmal ordentlich essen und ansonsten verschiedene Sportarten betreiben, um wieder in Bewegung zu kommen.

Die Interviewerin wollte wissen, ob es nach seinen vielen Erfolgen denn noch Ziele gab, die er anstrebte. Obata-sensei erklärte, er wolle im Zeichnen besser werden, zum Beispiel seine Fähigkeiten mit digitalen Medien steigern. Bei seiner aktuellen Serie habe er traditionell angefangen und würde derzeit digital weiterarbeiten. Außerdem zeichne er gern hübsche Menschen und bemühe sich stets, ihre Mimik ausdrucksstark darzustellen. (In einem anderen Interview hat er bereits erklärt, dass es ihm leichter fallen würde, älteren Personen mit ihren unterschiedlichen Gesichtsformen und Falten einen starken Ausdruck zu verleihen. Junge Personen hingegen haben kein so variables Gesicht, gerade Frauen würden bei ihm häufig einfach nur hübsch aussehen.) Je mehr er zeichnete, desto einheitlicher und ausdrucksloser würde die Mimik seiner Figuren werden; daran wolle er arbeiten.

In der Zwischenzeit war das Bild von L fertig – hockend, mit nackten Füßen, zerzausten Haaren, Süßigkeiten essend, eben genau, wie wir ihn kennen und lieben – und ein neues Portrait von Ryuk wurde begonnen.

Ein kurzer Abstecher zu All you need is kill erfolgte ebenfalls, dem Manga, der auf der gleichnamigen Novelle von Hiroshi Sakurazaka basiert, welche wiederum als Vorlage für den Film Edge of Tomorrow mit Tom Cruise in der Hauptrolle diente. Auf Nachfrage der Interviewerin meinte Obata-sensei, er habe sich für diese Adaption nicht mit dem Autor abgesprochen (was auch daran liegen könnte, dass Ryosuke Takeuchi für das Szenario verantwortlich war und Yoshitoshi ABe bereits die Novelle illustrierte). Eine Übertragung in ein anderes Medium, zum Beispiel vom Roman zum Manga, würde ganz neue Möglichkeiten mit sich bringen, die in der Regel nur dem Experten des jeweiligen Gebietes richtig vertraut sind. Deshalb hat man als Mangaka in solchen Fällen meistens freie Hand. Nach Bakuman, das eher einen comicartigen Stil hatte, wollte Obata-sensei jedenfalls wieder etwas Realistischeres zeichnen.

Zum Schluss fällt mir nur noch eine Sache ein, die in dem Interview angesprochen wurde. Obata-sensei konnte keinen einzelnen Zeichner benennen, der ihn in seiner Kindheit und Jugend beeinflusste oder prägte. Er las viele Manga und hat sich quasi von allem inspirieren lassen, das ihm gefiel, vor allem Sci-Fi interessierte ihn sehr. Es gab nun eine Serie, die er besonders mochte. Ich habe den Titel davon nicht mitbekommen oder wieder vergessen und wäre sehr froh, wenn sich jemand daran erinnert und es mir mitteilt. Darin soll es nämlich einen Charakter geben, der Nummer 4 (oder 5?) heißt und offenbar aus Deutschland stammt. Als sich der anwesende Redakteur plötzlich einschaltete und meinte, Obata-sensei hätte ihm gegenüber erst kürzlich zugegeben, dass L auf einer deutschen Figur basiert, da rückte dieser mit der Antwort heraus, dass es sich eben um den besagten Charakter aus seiner damaligen Lieblingsserie handelt. Der relativ emotionslose Gesichtsausdruck, die fehlenden Augenbrauen, die insgesamt stoische Art seien alles an dieser Figur orientierte Züge von L gewesen. Das habe er, so Obata-sensei, vorher noch nie erzählt (und er hätte es vermutlich auch nicht erzählt, hätte sich sein Redakteur nicht auf einmal zu Wort gemeldet).
Falls mir jemand mehr dazu sagen kann, wäre ich sehr dankbar.

Ansonsten war das soweit alles, woran ich mich erinnere. (Abgesehen von der grausigen Aussprache der Interviewerin, zum Beispiel "Obaaata" oder "Mangaaaka" – man sollte den Leuten mal erklären, dass Japaner selten wie wir die vorletzte Silbe betonen und dass es total bescheuert klingt, es doch zu tun.)
Ergänzungen und Korrekturen sind gern gesehen. Gleicher Bericht im Zirkel Perfect World.

 

Edit 1:

Bei der Serie handelt es sich vermutlich um Cyborg 009 von Shotaro Ishinomori.

Darin geht es um neun Menschen unterschiedlicher Nationalität, die von der Organisation Black Ghost entführt und bei Experimenten in Cyborgs verwandelt werden. Gemeinsam schaffen sie es, zu fliehen und fortan für ihre Freiheit zu kämpfen.

Nummer 4 (also Cyborg 004) ist der Deutsche Albert Heinrich. Sein kompletter Körper kann zu Waffen umfunktioniert werden. Von Black Ghost aufgegriffen wurde er, als er sich zur Zeit des Kalten Krieges mit seiner Freundin Hilda auf der Flucht nach Westdeutschland befand. Bei diesem Ereignis wird Hilda getötet, er selbst schwer verletzt. So jedenfalls ist es im Manga, wohingegen Hilda im Anime (Serie und Film) seine Co-Pilotin ist. In der Serie von 2001 entwickelt 004 nach seinem Erwachen starke suizidale Tendenzen, als Nebeneffekt der Modifikation, die ihn physisch und psychisch belastet. Charakterlich soll er nicht nur ähnlich stoisch wie L sein, sondern auch relativ skrupellos in der Wahl seiner Mittel. Seine äußerliche Schroffheit allerdings verbirgt tatsächlich eine eher milde und pazifistische Persönlichkeit.

 

Edit 2:

Danke an IiraEllaos für diese Informationen! Das hat mein Gedächtnis wieder aufgefrischt.

Es gibt noch weitere kleine Hinweise in Death Note, die auf Deutschland verweisen. Die Waffe, die L im Hubschrauber, kurz vor der Festsetzung von Higuchi, Light reichen möchte, ist eine Walther (wahrscheinlich P99), ein deutsches Fabrikat. (Natürlich lehnt Light ab, weil Waffen in Japan für Zivilisten normalerweise verboten sind.) Außerdem fährt Watari ein deutsches Auto, vermutlich eine Limousine alten Typs von Mercedes Benz. (Ich dachte immer, er fährt einen Rolls Royce bzw. Bentley, weil er Brite ist, wobei das Unternehmen ja ohnehin mittlerweile an die Volkswagen AG ging und seinen Namen an BMW verkauft hat, von daher wäre das auch wieder deutsch.)

Obata-sensei selbst fährt offenbar einen Volkswagen. Er hat sich schon länger gewünscht, mal nach Deutschland zu kommen (sonst hätte er sich diesen Stress neben seiner laufenden Serie vermutlich nicht angetan). Auf die Frage, was er sich hier gern mal anschauen würde, nannte er den Kölner Dom; er würde Dome und Kirchen mögen.

Zu Gakkyū Hōtei wurden einige Bilder vom Smartphone via Leinwand gezeigt. Der Redakteur meinte, dass er sich freuen würde, wenn Tokyopop die neue Serie in Deutschland herausbrächte, und die Interviewerin versicherte ihm, sie würden ihr Bestes tun. (Sollten sie Wort halten, würde ich mir das garantiert nicht entgehen lassen.)

Ach so, auf der Haribo-Tüte stand übrigens noch "XL für L". :D

 

LBM 2015: Interview mit Takeshi Obata Leipziger Buchmesse 2015, Death Note, Takeshi Obata, Bakuman, All you need is kill, Bericht, Death Note

Autor:  halfJack

Letzten Samstag, am 14. 03. 2015, kam Takeshi Obata, der Zeichner von Death Note, Hikaru no Go, Blue Dragon RalΩGrad, Bakuman und der Mangaadaption zu All you need is kill auf Einladung nach Deutschland, um auf der Leipziger Buchmesse ein Interview zu geben, live zu zeichnen und zu signieren.
Bislang konnte ich im Internet nicht mal eine Zusammenfassung dieses Interviews finden, wäre also sehr dankbar für Links oder Ergänzungen, weil ich selbst nicht alles gehört und natürlich einiges vergessen habe. Unterdessen werde ich versuchen, so viel wie möglich von dem Interview wiederzugeben. In Klammern schreibe ich meine eigenen Ergänzungen. Die Reihenfolge ist an ein paar Stellen vermutlich anders gewesen.

Während der Unterhaltung zeichnete Obata-sensei, wie sollte es auch anders sein, einen L für seine Fans, der überraschenderweise sogar eine Haribo-Tüte in der Hand hielt und sich gerade etwas davon in den Mund steckte. Für L habe sich Obata-sensei entschieden, weil das von all seinen Figuren sein persönlicher Favorit wäre. Es sei sicherlich nicht undenkbar, meinte er, nachdem gerade der Schriftzug auf der Verpackung erkennbar wurde, dass L auch Süßigkeiten von Haribo essen würde. (Die Marke gibt es in Japan durchaus, allerdings nicht in allen, sondern mitunter nur in speziellen Geschäften; allerdings sind die Tüten dort im Vergleich zu unseren oft nur halb so groß und doppelt so teuer.)

Es war das erste Mal, dass Obata-sensei überhaupt nach Deutschland reiste. Sein erster Eindruck, als er aus dem Flieger stieg, war "kalt". (Das Klima in Japan, zumindest auf der Hauptinsel Honshu, unterscheidet sich zwar nicht stark von unserem, doch besonders jetzt zur Kirschblütenschau ist es im Raum Tokyo/Yokohama oder Kyoto längst nicht mehr so kalt.) Die Interviewerin schlug ihm vor, er könne ja später mal im Sommer nach Deutschland kommen, und er antwortete, das würde er gern tun. Hoffen wir, dass es keine Höflichkeitsfloskel bleibt.
Vorher hatte Obata-sensei keine Vorstellung davon, wie gut seine Serien in Deutschland ankommen. (Das kann man wohl besonders auf Death Note beziehen angesichts der vielen Auflagen, unterschiedlichen Aufmachungen und Übersetzungen des Manga, der Ende des letzten Jahres erschienenen zwei Boxen des Anime und dem erstmals in Deutschland übersetzten und veröffentlichten Artbook Blanc et Noir. Aber auch der Go-Bereich, der ursprünglich durch Hikaru no Go ins Leben gerufen wurde, ist nach wie vor fester Bestandteil der LBM.)
Auf die Frage, ob Obata-sensei ein deutsches Lieblingsgericht habe oder ob es generell etwas gäbe, das er hier gern essen würde, antwortete er mit "Brot und Käse". (Wer Yakitate!! Japan kennt, weiß, dass Deutschland das Brotland Nummer 1 ist. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Brotsorten.) Obata-sensei erklärte, er äße daheim gern Körnerbrot und ähnliches, aber das Angebot an Käse sei in Japan kaum ausgeprägt (häufig bekommt man dort in den Supermärkten nur Analogkäse). Daher fragte er in die Runde, ob man ihm Empfehlungen aussprechen könnte, und erhielt prompt die Zurufe "Gouda" und "Emmentaler". Er bedankte sich, diese Sorten würde er sich merken.

Danach folgten die üblichen Verdächtigen unter den Interviewfragen, also Informationen, die den meisten vermutlich bekannt sind. Schon sehr früh in der Schule habe Obata-sensei Skizzen in sein Notizbuch gemalt, bis er seine Kurzgeschichte 500 Kōnen no Shinwa bei Shueisha einschickte und damit den jährlichen Tezuka-Preis gewann. Seine großen Erfolge kamen jedoch erst, als er mit diversen Gensaku-sha zusammenzuarbeiten begann, also Autoren wie Tsugumi Ohba, die das Szenario schrieben und selbst nicht zeichneten. (Es scheint, als wäre Obata-sensei tatsächlich besser zum Zeichnen als zum Konzipieren von Geschichten geeignet; in einem anderen Interview gestand er einst, dass er nicht sonderlich einfallsreich sei und keine Ideen habe.) Zudem meinte er, wenn es sich ergäbe, würde er sich über eine nochmalige Zusammenarbeit mit Tsugumi Ohba sehr freuen.
Zumindest der Anfang seiner eigenen Geschichte erinnert an Saiko bzw. Moritaka Mashiro, den Zeichner des Manga-Duos aus Bakuman, und in der Tat gab Obata-sensei zu, dass gewisse Parallelen zwischen ihm und Saiko existierten; beide hätten einen eher ruhigen, größtenteils gelassenen Charakter.
Das sind nicht die einzigen Ähnlichkeiten. Die Interviewerin erkundigte sich, wie viel von Bakuman der Wirklichkeit entspräche oder wie ernst man diese Serie in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt nehmen könnte. Hierauf erklärte Obata-sensei, dass besonders der enorme Zeitdruck und Stress aus seiner eigenen Erfahrung stammten. So ginge es vielen Managaka und die Interviewerin fügte hinzu, dass Obata-sensei sogar jetzt bei seinem Aufenthalt in Deutschland seine Zeichenutensilien bei sich habe, um im Hotel an seiner aktuellen Serie zu arbeiten. Hierbei handelt es sich um Gakkyū Hōtei (School Investigation Court), worin es, soweit ich das mitbekommen habe, um einen Schüler geht, der quasi als Anwalt für seine Mitschüler agiert. Ähnlichkeiten zu erdachten Serien, die in Bakuman auftauchen, seien wohl rein zufällig. (Ich vermute, die Interviewerin sprach damit auf Magical Detective TRAP an.) Insgesamt sei Bakuman jedoch absolut realistisch, nicht nur in Hinsicht auf die ganzen Abläufe beim Shonen-Jump, sondern auch, was die einzelnen Redakteure anbelangt. Keiner der Namen wurde geändert. Der ebenfalls anwesende Redakteur von Obata-sensei fügte nur scherzend hinzu, dass sie alle im Manga wesentlich hübscher gezeichnet wurden, als sie tatsächlich aussehen. Ob es bei einem derartigen Eindringen in die Privatsphäre der Redaktion keine Bedenken oder Unbehagen gegeben habe, wollte die Interviewerin daraufhin wissen und erhielt die etwas zynische Antwort, die habe es schon gegeben, aber letztlich ginge es in erster Linie darum, ob sich die Serie gut verkauft.

Des Weiteren berichtete Obata-sensei von seinem Tagesablauf. Morgens würde er von seinem Stuhl aufwachen, zeichnen, frühstücken, zeichnen, den Rest des Tages zeichnen und abends irgendwann auf seinem Stuhl einschlafen. Grob war es das. Aufstehen würde er im Prinzip nur, um ins Bad zu gehen. Essen würde er bloß am Morgen, deshalb wäre er auch so dünn. Wie ernst man diese Aufzählung nehmen kann, bleibt jedem selbst überlassen, aber wir wissen immerhin alle, wie hart das Leben eines Mangaka ist, also wird es im Wesentlichen wahrscheinlich wirklich so sein. Sobald Obata-sensei quasi Urlaub oder Freizeit hat, würde er erst einmal ordentlich essen und ansonsten verschiedene Sportarten betreiben, um wieder in Bewegung zu kommen.

Die Interviewerin wollte wissen, ob es nach seinen vielen Erfolgen denn noch Ziele gab, die er anstrebte. Obata-sensei erklärte, er wolle im Zeichnen besser werden, zum Beispiel seine Fähigkeiten mit digitalen Medien steigern. Bei seiner aktuellen Serie habe er traditionell angefangen und würde derzeit digital weiterarbeiten. Außerdem zeichne er gern hübsche Menschen und bemühe sich stets, ihre Mimik ausdrucksstark darzustellen. (In einem anderen Interview hat er bereits erklärt, dass es ihm leichter fallen würde, älteren Personen mit ihren unterschiedlichen Gesichtsformen und Falten einen starken Ausdruck zu verleihen. Junge Personen hingegen haben kein so variables Gesicht, gerade Frauen würden bei ihm häufig einfach nur hübsch aussehen.) Je mehr er zeichnete, desto einheitlicher und ausdrucksloser würde die Mimik seiner Figuren werden; daran wolle er arbeiten.

In der Zwischenzeit war das Bild von L fertig – hockend, mit nackten Füßen, zerzausten Haaren, Süßigkeiten essend, eben genau, wie wir ihn kennen und lieben – und ein neues Portrait von Ryuk wurde begonnen.

Ein kurzer Abstecher zu All you need is kill erfolgte ebenfalls, dem Manga, der auf der gleichnamigen Novelle von Hiroshi Sakurazaka basiert, welche wiederum als Vorlage für den Film Edge of Tomorrow mit Tom Cruise in der Hauptrolle diente. Auf Nachfrage der Interviewerin meinte Obata-sensei, er habe sich für diese Adaption nicht mit dem Autor abgesprochen (was auch daran liegen könnte, dass Ryosuke Takeuchi für das Szenario verantwortlich war und Yoshitoshi ABe bereits die Novelle illustrierte). Eine Übertragung in ein anderes Medium, zum Beispiel vom Roman zum Manga, würde ganz neue Möglichkeiten mit sich bringen, die in der Regel nur dem Experten des jeweiligen Gebietes richtig vertraut sind. Deshalb hat man als Mangaka in solchen Fällen meistens freie Hand. Nach Bakuman, das eher einen comicartigen Stil hatte, wollte Obata-sensei jedenfalls wieder etwas Realistischeres zeichnen.

Zum Schluss fällt mir nur noch eine Sache ein, die in dem Interview angesprochen wurde. Obata-sensei konnte keinen einzelnen Zeichner benennen, der ihn in seiner Kindheit und Jugend beeinflusste oder prägte. Er las viele Manga und hat sich quasi von allem inspirieren lassen, das ihm gefiel, vor allem Sci-Fi interessierte ihn sehr. Es gab nun eine Serie, die er besonders mochte. Ich habe den Titel davon nicht mitbekommen oder wieder vergessen und wäre sehr froh, wenn sich jemand daran erinnert und es mir mitteilt. Darin soll es nämlich einen Charakter geben, der Nummer 4 (oder 5?) heißt und offenbar aus Deutschland stammt. Als sich der anwesende Redakteur plötzlich einschaltete und meinte, Obata-sensei hätte ihm gegenüber erst kürzlich zugegeben, dass L auf einer deutschen Figur basiert, da rückte dieser mit der Antwort heraus, dass es sich eben um den besagten Charakter aus seiner damaligen Lieblingsserie handelt. Der relativ emotionslose Gesichtsausdruck, die fehlenden Augenbrauen, die insgesamt stoische Art seien alles an dieser Figur orientierte Züge von L gewesen. Das habe er, so Obata-sensei, vorher noch nie erzählt (und er hätte es vermutlich auch nicht erzählt, hätte sich sein Redakteur nicht auf einmal zu Wort gemeldet).
Falls mir jemand mehr dazu sagen kann, wäre ich sehr dankbar.

Ansonsten war das soweit alles, woran ich mich erinnere. (Abgesehen von der grausigen Aussprache der Interviewerin, zum Beispiel "Obaaata" oder "Mangaaaka" – man sollte den Leuten mal erklären, dass Japaner selten wie wir die vorletzte Silbe betonen und dass es total bescheuert klingt, es doch zu tun.)
Ergänzungen und Korrekturen sind gern gesehen. Gleicher Bericht im Zirkel Perfect World.

 

Edit 1:

Bei der Serie handelt es sich vermutlich um Cyborg 009 von Shotaro Ishinomori.

Darin geht es um neun Menschen unterschiedlicher Nationalität, die von der Organisation Black Ghost entführt und bei Experimenten in Cyborgs verwandelt werden. Gemeinsam schaffen sie es, zu fliehen und fortan für ihre Freiheit zu kämpfen.

Nummer 4 (also Cyborg 004) ist der Deutsche Albert Heinrich. Sein kompletter Körper kann zu Waffen umfunktioniert werden. Von Black Ghost aufgegriffen wurde er, als er sich zur Zeit des Kalten Krieges mit seiner Freundin Hilda auf der Flucht nach Westdeutschland befand. Bei diesem Ereignis wird Hilda getötet, er selbst schwer verletzt. So jedenfalls ist es im Manga, wohingegen Hilda im Anime (Serie und Film) seine Co-Pilotin ist. In der Serie von 2001 entwickelt 004 nach seinem Erwachen starke suizidale Tendenzen, als Nebeneffekt der Modifikation, die ihn physisch und psychisch belastet. Charakterlich soll er nicht nur ähnlich stoisch wie L sein, sondern auch relativ skrupellos in der Wahl seiner Mittel. Seine äußerliche Schroffheit allerdings verbirgt tatsächlich eine eher milde und pazifistische Persönlichkeit.

 

Edit 2:

Danke an IiraEllaos für diese Informationen! Das hat mein Gedächtnis wieder aufgefrischt.

Es gibt noch weitere kleine Hinweise in Death Note, die auf Deutschland verweisen. Die Waffe, die L im Hubschrauber, kurz vor der Festsetzung von Higuchi, Light reichen möchte, ist eine Walther (wahrscheinlich P99), ein deutsches Fabrikat. (Natürlich lehnt Light ab, weil Waffen in Japan für Zivilisten normalerweise verboten sind.) Außerdem fährt Watari ein deutsches Auto, vermutlich eine Limousine alten Typs von Mercedes Benz. (Ich dachte immer, er fährt einen Rolls Royce bzw. Bentley, weil er Brite ist, wobei das Unternehmen ja ohnehin mittlerweile an die Volkswagen AG ging und seinen Namen an BMW verkauft hat, von daher wäre das auch wieder deutsch.)

Obata-sensei selbst fährt offenbar einen Volkswagen. Er hat sich schon länger gewünscht, mal nach Deutschland zu kommen (sonst hätte er sich diesen Stress neben seiner laufenden Serie vermutlich nicht angetan). Auf die Frage, was er sich hier gern mal anschauen würde, nannte er den Kölner Dom; er würde Dome und Kirchen mögen.

Zu Gakkyū Hōtei wurden einige Bilder vom Smartphone via Leinwand gezeigt. Der Redakteur meinte, dass er sich freuen würde, wenn Tokyopop die neue Serie in Deutschland herausbrächte, und die Interviewerin versicherte ihm, sie würden ihr Bestes tun. (Sollten sie Wort halten, würde ich mir das garantiert nicht entgehen lassen.)

Ach so, auf der Haribo-Tüte stand übrigens noch "XL für L". :D

 

LBM 2015: Interview mit Takeshi Obata Leipziger Buchmesse 2015, Death Note, Takeshi Obata, Bakuman, All you need is kill, Bericht, Death Note

Autor:  halfJack

Letzten Samstag, am 14. 03. 2015, kam Takeshi Obata, der Zeichner von Death Note, Hikaru no Go, Blue Dragon RalΩGrad, Bakuman und der Mangaadaption zu All you need is kill auf Einladung nach Deutschland, um auf der Leipziger Buchmesse ein Interview zu geben, live zu zeichnen und zu signieren.
Bislang konnte ich im Internet nicht mal eine Zusammenfassung dieses Interviews finden, wäre also sehr dankbar für Links oder Ergänzungen, weil ich selbst nicht alles gehört und natürlich einiges vergessen habe. Unterdessen werde ich versuchen, so viel wie möglich von dem Interview wiederzugeben. In Klammern schreibe ich meine eigenen Ergänzungen. Die Reihenfolge ist an ein paar Stellen vermutlich anders gewesen.

Während der Unterhaltung zeichnete Obata-sensei, wie sollte es auch anders sein, einen L für seine Fans, der überraschenderweise sogar eine Haribo-Tüte in der Hand hielt und sich gerade etwas davon in den Mund steckte. Für L habe sich Obata-sensei entschieden, weil das von all seinen Figuren sein persönlicher Favorit wäre. Es sei sicherlich nicht undenkbar, meinte er, nachdem gerade der Schriftzug auf der Verpackung erkennbar wurde, dass L auch Süßigkeiten von Haribo essen würde. (Die Marke gibt es in Japan durchaus, allerdings nicht in allen, sondern mitunter nur in speziellen Geschäften; allerdings sind die Tüten dort im Vergleich zu unseren oft nur halb so groß und doppelt so teuer.)

Es war das erste Mal, dass Obata-sensei überhaupt nach Deutschland reiste. Sein erster Eindruck, als er aus dem Flieger stieg, war "kalt". (Das Klima in Japan, zumindest auf der Hauptinsel Honshu, unterscheidet sich zwar nicht stark von unserem, doch besonders jetzt zur Kirschblütenschau ist es im Raum Tokyo/Yokohama oder Kyoto längst nicht mehr so kalt.) Die Interviewerin schlug ihm vor, er könne ja später mal im Sommer nach Deutschland kommen, und er antwortete, das würde er gern tun. Hoffen wir, dass es keine Höflichkeitsfloskel bleibt.
Vorher hatte Obata-sensei keine Vorstellung davon, wie gut seine Serien in Deutschland ankommen. (Das kann man wohl besonders auf Death Note beziehen angesichts der vielen Auflagen, unterschiedlichen Aufmachungen und Übersetzungen des Manga, der Ende des letzten Jahres erschienenen zwei Boxen des Anime und dem erstmals in Deutschland übersetzten und veröffentlichten Artbook Blanc et Noir. Aber auch der Go-Bereich, der ursprünglich durch Hikaru no Go ins Leben gerufen wurde, ist nach wie vor fester Bestandteil der LBM.)
Auf die Frage, ob Obata-sensei ein deutsches Lieblingsgericht habe oder ob es generell etwas gäbe, das er hier gern essen würde, antwortete er mit "Brot und Käse". (Wer Yakitate!! Japan kennt, weiß, dass Deutschland das Brotland Nummer 1 ist. Nirgendwo sonst gibt es so viele verschiedene Brotsorten.) Obata-sensei erklärte, er äße daheim gern Körnerbrot und ähnliches, aber das Angebot an Käse sei in Japan kaum ausgeprägt (häufig bekommt man dort in den Supermärkten nur Analogkäse). Daher fragte er in die Runde, ob man ihm Empfehlungen aussprechen könnte, und erhielt prompt die Zurufe "Gouda" und "Emmentaler". Er bedankte sich, diese Sorten würde er sich merken.

Danach folgten die üblichen Verdächtigen unter den Interviewfragen, also Informationen, die den meisten vermutlich bekannt sind. Schon sehr früh in der Schule habe Obata-sensei Skizzen in sein Notizbuch gemalt, bis er seine Kurzgeschichte 500 Kōnen no Shinwa bei Shueisha einschickte und damit den jährlichen Tezuka-Preis gewann. Seine großen Erfolge kamen jedoch erst, als er mit diversen Gensaku-sha zusammenzuarbeiten begann, also Autoren wie Tsugumi Ohba, die das Szenario schrieben und selbst nicht zeichneten. (Es scheint, als wäre Obata-sensei tatsächlich besser zum Zeichnen als zum Konzipieren von Geschichten geeignet; in einem anderen Interview gestand er einst, dass er nicht sonderlich einfallsreich sei und keine Ideen habe.) Zudem meinte er, wenn es sich ergäbe, würde er sich über eine nochmalige Zusammenarbeit mit Tsugumi Ohba sehr freuen.
Zumindest der Anfang seiner eigenen Geschichte erinnert an Saiko bzw. Moritaka Mashiro, den Zeichner des Manga-Duos aus Bakuman, und in der Tat gab Obata-sensei zu, dass gewisse Parallelen zwischen ihm und Saiko existierten; beide hätten einen eher ruhigen, größtenteils gelassenen Charakter.
Das sind nicht die einzigen Ähnlichkeiten. Die Interviewerin erkundigte sich, wie viel von Bakuman der Wirklichkeit entspräche oder wie ernst man diese Serie in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt nehmen könnte. Hierauf erklärte Obata-sensei, dass besonders der enorme Zeitdruck und Stress aus seiner eigenen Erfahrung stammten. So ginge es vielen Managaka und die Interviewerin fügte hinzu, dass Obata-sensei sogar jetzt bei seinem Aufenthalt in Deutschland seine Zeichenutensilien bei sich habe, um im Hotel an seiner aktuellen Serie zu arbeiten. Hierbei handelt es sich um Gakkyū Hōtei (School Investigation Court), worin es, soweit ich das mitbekommen habe, um einen Schüler geht, der quasi als Anwalt für seine Mitschüler agiert. Ähnlichkeiten zu erdachten Serien, die in Bakuman auftauchen, seien wohl rein zufällig. (Ich vermute, die Interviewerin sprach damit auf Magical Detective TRAP an.) Insgesamt sei Bakuman jedoch absolut realistisch, nicht nur in Hinsicht auf die ganzen Abläufe beim Shonen-Jump, sondern auch, was die einzelnen Redakteure anbelangt. Keiner der Namen wurde geändert. Der ebenfalls anwesende Redakteur von Obata-sensei fügte nur scherzend hinzu, dass sie alle im Manga wesentlich hübscher gezeichnet wurden, als sie tatsächlich aussehen. Ob es bei einem derartigen Eindringen in die Privatsphäre der Redaktion keine Bedenken oder Unbehagen gegeben habe, wollte die Interviewerin daraufhin wissen und erhielt die etwas zynische Antwort, die habe es schon gegeben, aber letztlich ginge es in erster Linie darum, ob sich die Serie gut verkauft.

Des Weiteren berichtete Obata-sensei von seinem Tagesablauf. Morgens würde er von seinem Stuhl aufwachen, zeichnen, frühstücken, zeichnen, den Rest des Tages zeichnen und abends irgendwann auf seinem Stuhl einschlafen. Grob war es das. Aufstehen würde er im Prinzip nur, um ins Bad zu gehen. Essen würde er bloß am Morgen, deshalb wäre er auch so dünn. Wie ernst man diese Aufzählung nehmen kann, bleibt jedem selbst überlassen, aber wir wissen immerhin alle, wie hart das Leben eines Mangaka ist, also wird es im Wesentlichen wahrscheinlich wirklich so sein. Sobald Obata-sensei quasi Urlaub oder Freizeit hat, würde er erst einmal ordentlich essen und ansonsten verschiedene Sportarten betreiben, um wieder in Bewegung zu kommen.

Die Interviewerin wollte wissen, ob es nach seinen vielen Erfolgen denn noch Ziele gab, die er anstrebte. Obata-sensei erklärte, er wolle im Zeichnen besser werden, zum Beispiel seine Fähigkeiten mit digitalen Medien steigern. Bei seiner aktuellen Serie habe er traditionell angefangen und würde derzeit digital weiterarbeiten. Außerdem zeichne er gern hübsche Menschen und bemühe sich stets, ihre Mimik ausdrucksstark darzustellen. (In einem anderen Interview hat er bereits erklärt, dass es ihm leichter fallen würde, älteren Personen mit ihren unterschiedlichen Gesichtsformen und Falten einen starken Ausdruck zu verleihen. Junge Personen hingegen haben kein so variables Gesicht, gerade Frauen würden bei ihm häufig einfach nur hübsch aussehen.) Je mehr er zeichnete, desto einheitlicher und ausdrucksloser würde die Mimik seiner Figuren werden; daran wolle er arbeiten.

In der Zwischenzeit war das Bild von L fertig – hockend, mit nackten Füßen, zerzausten Haaren, Süßigkeiten essend, eben genau, wie wir ihn kennen und lieben – und ein neues Portrait von Ryuk wurde begonnen.

Ein kurzer Abstecher zu All you need is kill erfolgte ebenfalls, dem Manga, der auf der gleichnamigen Novelle von Hiroshi Sakurazaka basiert, welche wiederum als Vorlage für den Film Edge of Tomorrow mit Tom Cruise in der Hauptrolle diente. Auf Nachfrage der Interviewerin meinte Obata-sensei, er habe sich für diese Adaption nicht mit dem Autor abgesprochen (was auch daran liegen könnte, dass Ryosuke Takeuchi für das Szenario verantwortlich war und Yoshitoshi ABe bereits die Novelle illustrierte). Eine Übertragung in ein anderes Medium, zum Beispiel vom Roman zum Manga, würde ganz neue Möglichkeiten mit sich bringen, die in der Regel nur dem Experten des jeweiligen Gebietes richtig vertraut sind. Deshalb hat man als Mangaka in solchen Fällen meistens freie Hand. Nach Bakuman, das eher einen comicartigen Stil hatte, wollte Obata-sensei jedenfalls wieder etwas Realistischeres zeichnen.

Zum Schluss fällt mir nur noch eine Sache ein, die in dem Interview angesprochen wurde. Obata-sensei konnte keinen einzelnen Zeichner benennen, der ihn in seiner Kindheit und Jugend beeinflusste oder prägte. Er las viele Manga und hat sich quasi von allem inspirieren lassen, das ihm gefiel, vor allem Sci-Fi interessierte ihn sehr. Es gab nun eine Serie, die er besonders mochte. Ich habe den Titel davon nicht mitbekommen oder wieder vergessen und wäre sehr froh, wenn sich jemand daran erinnert und es mir mitteilt. Darin soll es nämlich einen Charakter geben, der Nummer 4 (oder 5?) heißt und offenbar aus Deutschland stammt. Als sich der anwesende Redakteur plötzlich einschaltete und meinte, Obata-sensei hätte ihm gegenüber erst kürzlich zugegeben, dass L auf einer deutschen Figur basiert, da rückte dieser mit der Antwort heraus, dass es sich eben um den besagten Charakter aus seiner damaligen Lieblingsserie handelt. Der relativ emotionslose Gesichtsausdruck, die fehlenden Augenbrauen, die insgesamt stoische Art seien alles an dieser Figur orientierte Züge von L gewesen. Das habe er, so Obata-sensei, vorher noch nie erzählt (und er hätte es vermutlich auch nicht erzählt, hätte sich sein Redakteur nicht auf einmal zu Wort gemeldet).
Falls mir jemand mehr dazu sagen kann, wäre ich sehr dankbar.

Ansonsten war das soweit alles, woran ich mich erinnere. (Abgesehen von der grausigen Aussprache der Interviewerin, zum Beispiel "Obaaata" oder "Mangaaaka" – man sollte den Leuten mal erklären, dass Japaner selten wie wir die vorletzte Silbe betonen und dass es total bescheuert klingt, es doch zu tun.)
Ergänzungen und Korrekturen sind gern gesehen. Gleicher Bericht im Zirkel Perfect World.

 

Edit 1:

Bei der Serie handelt es sich vermutlich um Cyborg 009 von Shotaro Ishinomori.

Darin geht es um neun Menschen unterschiedlicher Nationalität, die von der Organisation Black Ghost entführt und bei Experimenten in Cyborgs verwandelt werden. Gemeinsam schaffen sie es, zu fliehen und fortan für ihre Freiheit zu kämpfen.

Nummer 4 (also Cyborg 004) ist der Deutsche Albert Heinrich. Sein kompletter Körper kann zu Waffen umfunktioniert werden. Von Black Ghost aufgegriffen wurde er, als er sich zur Zeit des Kalten Krieges mit seiner Freundin Hilda auf der Flucht nach Westdeutschland befand. Bei diesem Ereignis wird Hilda getötet, er selbst schwer verletzt. So jedenfalls ist es im Manga, wohingegen Hilda im Anime (Serie und Film) seine Co-Pilotin ist. In der Serie von 2001 entwickelt 004 nach seinem Erwachen starke suizidale Tendenzen, als Nebeneffekt der Modifikation, die ihn physisch und psychisch belastet. Charakterlich soll er nicht nur ähnlich stoisch wie L sein, sondern auch relativ skrupellos in der Wahl seiner Mittel. Seine äußerliche Schroffheit allerdings verbirgt tatsächlich eine eher milde und pazifistische Persönlichkeit.

 

Edit 2:

Danke an IiraEllaos für diese Informationen! Das hat mein Gedächtnis wieder aufgefrischt.

Es gibt noch weitere kleine Hinweise in Death Note, die auf Deutschland verweisen. Die Waffe, die L im Hubschrauber, kurz vor der Festsetzung von Higuchi, Light reichen möchte, ist eine Walther (wahrscheinlich P99), ein deutsches Fabrikat. (Natürlich lehnt Light ab, weil Waffen in Japan für Zivilisten normalerweise verboten sind.) Außerdem fährt Watari ein deutsches Auto, vermutlich eine Limousine alten Typs von Mercedes Benz. (Ich dachte immer, er fährt einen Rolls Royce bzw. Bentley, weil er Brite ist, wobei das Unternehmen ja ohnehin mittlerweile an die Volkswagen AG ging und seinen Namen an BMW verkauft hat, von daher wäre das auch wieder deutsch.)

Obata-sensei selbst fährt offenbar einen Volkswagen. Er hat sich schon länger gewünscht, mal nach Deutschland zu kommen (sonst hätte er sich diesen Stress neben seiner laufenden Serie vermutlich nicht angetan). Auf die Frage, was er sich hier gern mal anschauen würde, nannte er den Kölner Dom; er würde Dome und Kirchen mögen.

Zu Gakkyū Hōtei wurden einige Bilder vom Smartphone via Leinwand gezeigt. Der Redakteur meinte, dass er sich freuen würde, wenn Tokyopop die neue Serie in Deutschland herausbrächte, und die Interviewerin versicherte ihm, sie würden ihr Bestes tun. (Sollten sie Wort halten, würde ich mir das garantiert nicht entgehen lassen.)

Ach so, auf der Haribo-Tüte stand übrigens noch "XL für L". :D

 

Leipziger Buchmesse 2013 Leipziger Buchmesse 2013, Bericht, Persönliches

Autor:  halfJack

Die Buchmesse in Leipzig ist vorbei. Ich war zusammen mit GotoAyumu am Freitagnachmittag und am Samstag dort. Es lief nicht ganz so, wie ich mir das erhofft hatte. Irgendwie blieb diesmal vieles auf der Strecke. Ich konnte mir kaum etwas anschauen und bei der Antiquariatsmeile habe ich gerade mal eine Handvoll Bücher gekauft. Am Freitag kam ich mit dem Auto, was relativ gut funktionierte. Dagegen fuhren wir am Samstag mit dem Zug. Ich hätte ein Photo vom Bahnsteig machen sollen. Kurz nach der Messe gab es dort nämlich einen solchen Andrang, dass es aussah, als stünden die Leute nicht vor Zuggleisen, sondern vor einer Konzertbühne. Da war kein Durchkommen mehr möglich.
Ich habe mich daraufhin gefragt, ob es nicht besser wäre, am Samstag grundsätzlich mit dem Auto zu fahren. Allerdings habe ich auch da Schlechtes gehört. Angeblich sollen die Eingänge auf der Parkplatzseite teilweise abgesperrt worden sein. Warum wurde das gemacht? Waren es zu viele Besucher oder ging es um den Waffencheck der Cosplayer?

Jedenfalls war es auf der Messe selbst dann eine Tortur in und aus der zweiten Halle herauszukommen. Ich frage mich, ob es wohl Überlegungen gibt, die Mangafans auf der Messe unter Kontrolle zu bringen. Die Veranstalter werden wahrscheinlich ihre liebe Mühe damit haben. Aber auf sie verzichten kann man auch nicht, weil die Cosplayer etc. mit Sicherheit einen großen Teil der Messeeinnahmen ausmachen. Hieß es nicht mal, Manga und Comics sollten eine eigene Halle bekommen? Bisher schien man ja nur zu versuchen, die Mangafans mit weiteren Absperrungen einzupferchen.
Ich stehe ja nicht allzu sehr auf Cosplays, aber ich habe im Teegarten einen Tai gesehen! Mit einem Koromon! *o* Außerdem gab es noch etliche Digimon. Ich glaube, ich habe Gabumon, Agumon, Tentomon und Palmon gesehen. Die waren spitze!

Desweiteren konnte ich mich über die 3DS-Leute mit eingeschaltetem Streetpass freuen. (Jetzt wissen nur Insider, was gemeint ist.) Macht das häufiger! Vielleicht kann ich sogar Menschen in Japan sammeln. Ich werde nämlich zusammen mit GotoAyumu Ende der Woche nach Japan fliegen. Wir sind für ungefähr zwei Wochen nicht da. Ab dem nächsten Wochenende kann man also nicht mehr darauf bauen, dass ich antworte. Mitunter wäre es hilfreich, wenn man mir hier einen Hinweis hinterlässt, damit ich darauf aufmerksam werde, wenn ich in drei Wochen wiederkomme und diverse Nachrichten übersehe. (Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich überhaupt welche erhalte.)

Hier noch ein Erinnerungsphoto vom Sonntag:


 

Passierschein A 38 (Autobahn von Bochum nach Dresden) Bericht

Autor:  halfJack

"Entschuldigung, aber Sie können sich nicht exmatrikulieren, wenn Sie noch Leistungsnachweise erhalten wollen. Sie sind dann nicht mehr in unserem System erfasst."
"Aber die Dozenten haben doch noch Monate Zeit, um die Nachweise herauszugeben. Ohne Exmatrikulation kann ich mich in der neuen Uni nicht immatrikulieren."
"Da müssen Sie mal bei denen nachfragen."
Als ob ich das nicht schon mehrmals getan hätte, dachte ich genervt, wobei mir voller Unmut der nächste Tag einfiel. Dann hätte ich die Chance, persönlich zu der neuen Universität in Dresden zu gehen. Gleichzeitig läge Bochum dann allerdings längst hinter mir. Immer mehr stellte sich mir die Frage, wie das funktionieren sollte. Wie hätte ich es auch innerhalb eines knappen Monats schaffen sollen, alle meine Hausarbeiten zu schreiben, obwohl ich zu dieser Zeit Stunden brauchte, um hinter meinen Modulbescheinigungen herzurennen, obwohl einige Dozenten spurlos das Land verlassen zu haben schienen, obwohl ich mit dem bevorstehenden Umzug genug zu tun hatte, später ohne Internetzugang sein würde und ohne die Möglichkeit, Bibliotheken zu besuchen? Ein knapper Monat unter diesen Umständen. Eigentlich hätte ich drei Monate Zeit gehabt. Doch jedes vorige Wochenende war dafür draufgegangen, unzählige Bücher, DVDs und CDs einzupacken, die von unseren Verwandten die lange Strecke vom Sauerland bis nach Merseburg gebracht wurden, 350 km weit.
Meine Freundin und ich hatten mit Sicherheit nicht die Idee, das alles ohne Umzugsunternehmen zu schaffen. Aber der Vater meiner Freundin schien zuversichtlich und meinte, er hätte Beziehungen, um an einen Transporter heranzukommen, der schon reichen würde, damit wir uns nicht für zwei Tage ein teures Unternehmen leisten mussten. Damit begann die Odyssee.
Auf den ersten Blick sah es in der Wohnung so aus, als seien die meisten Dinge schon zusammengeräumt. Wir waren davon ausgegangen, dass die Bücher den größten Stress bedeuten würden, belaufend ungefähr auf 3000 Stück. Es war Donnerstagmorgen. Meine Freundin musste noch zur Arbeit und ich bemühte mich, Kiste um Kiste mit unseren Habseligkeiten zu füllen. In weiser Voraussicht, die sich später als nutzlos herausstellen sollte, hatte ich bereits eine Tasche mit allen wichtigen Dingen gepackt, die ich in den kommenden Tagen der Heimatlosigkeit benötigen würde. Aus diesem Grund hatten wir eine ganze Ladung Wäsche gewaschen, die dummerweise noch immer nicht trocken war. Beim Einräumen war viel Müll angefallen, da wir in den letzten Wochen Zeitungen und Tüten gesammelt hatten, um die Bücher und den ganzen Rest sicher zu verstauen. Noch dazu war ich überrascht, wie viele Glasflaschen sich plötzlich angesammelt hatten. Leere Alkoholflaschen von den letzten Gelagen. Aber irritierenderweise auch ein kompletter Bierkasten (natürlich leer), den der Freund meiner Mutter, Wolfgang, im Keller "vergessen" hatte. Direkt neben einer Werkzeugtasche von ihm, die er jedes Mal aus Faulheit hatte stehen lassen, wenn er nach einem Besuch wieder abfuhr, bei der er uns jedoch stets vorhielt, dass sie sich noch immer in unserem Besitz befinden würde. Da meine Freundin jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit fuhr, musste ich das alles zu Fuß erledigen. Dazu muss gesagt werden, dass unser Haus auf einem Berg lag. Im Sauerland gibt es bekanntermaßen viele Berge. Dagegen war unsere Erhebung sicher nur ein Hügel. Ein solcher Hügel kann sich allerdings erstaunlich schnell in den Kilimandscharo verwandeln, wenn man ihn ein paar Mal runter und wieder hoch gelaufen ist, während man mit mehreren Glasflaschen, wahlweise einem Bierkasten beladen ist, um zum Glascontainer und zur Leergutannahme des Einkaufszentrums zu gelangen. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich diesen Weg gehen musste, bis alles weggeschafft war. Zur weiteren Information, wir wohnten im dritten Stock, selbstverständlich ohne Aufzug.
Danach machte ich mich so schnell wie möglich daran, die Bettkästen unserer Polsterliegen auszuräumen. Gegen Mittag sollte der Vater meiner Freundin mit dem Transporter kommen. Da wir sowieso neue Liegen kaufen wollten, mussten die alten erst einmal weggebracht werden. Ich hatte in den Tagen zuvor mit der Caritas telefoniert. Die wollten unsere Betten allerdings nicht haben, wie erwartet. Sie hätten angeblich keine Lagerkapazitäten für solcherlei Möbelstücke. Ich erinnerte mich daran, dass wir einem solchen Umstand zwei Jahre zuvor unsere Küche verdankten. Eine komplette Einbauküche von verstorbenen Verwandten meinerseits, die von der Caritas nicht angenommen wurde, da sie deren Zustand nicht den hilfsbedürftigen Armen zumuten könnten. Für meine Freundin und mich war sie komischerweise noch gut genug, obwohl wir uns nicht als "hilfsbedürftig" bezeichnen würden. Wenn man sein Geld vom Staat bekommt, hat man womöglich andere, das heißt höhere Ansprüche. Glücklicherweise hatte ich kurz vor dem Umzug von der Neuen Arbeit in Arnsberg gehört. Die hatten zwar keine Zeit, um die Liegen abzuholen, versicherten uns allerdings, dass sie diese auf jeden Fall annehmen würden. Ich bangte noch immer, während ich in aller Eile die Wäsche abnahm, gerade rechtzeitig, als der Vater meiner Freundin bereits klingelte. Mit der Küche war ich noch immer nicht fertig, was leider nicht meinen Erwartungen entsprochen hatte. Dagegen hatte ich allerdings erwartet, mehr Schwierigkeiten mit dem Heruntertragen der Betten zu haben. Desweiteren stellte sich meine Angst als unbegründet heraus, dass die Neue Arbeit die Polsterliegen vielleicht doch nicht haben wollen würde. Im Gegensatz zur Caritas waren die jedoch hellauf begeistert und nahmen unsere Betten mit Kusshand. Wir hätten keinerlei Zeit mehr gehabt, um für etwaige Entsorgungen einen Termin zu vereinbaren, auch die natürlich nur gegen ein entsprechendes Entgelt.
Gen Nachmittag waren schließlich auch meine Mutter und deren Freund anwesend, meine Freundin, sowie eine ihrer Arbeitskolleginnen und deren Freund. Ich hatte die Küche aufgegeben und räumte den Rest aus dem Arbeitszimmer zusammen, unsere gesamten Unterlagen. Im Treppenhaus hatte sich eine Kette gebildet. Selbst unser Nachbar half uns beim Tragen, wobei uns beispiels- und üblicherweise die Waschmaschine die größten Schwierigkeiten bereitete. Dabei fiel mir erst einmal auf, wie viel Elektronik wir besaßen: zwei Fernseher, zwei DVD-Player, sogar noch einen Videorekorder, zwei Musikanlagen - am meisten hatte ich mir um meinen Schallplattenspieler und um die Playstation 2 Sorgen gemacht. Eine Playstation 1 besaßen wir auch noch, die zweite Playstation 2 hatte ich schon zuvor einer Freundin auf "unbestimmte Zeit ausgeliehen".
Mir war bereits vorher aufgefallen, wie klein der Transporter ausfiel, in welchem der Vater meiner Freundin vorgefahren war. Doch noch hegte ich Hoffnung... bis die letzte Kleinigkeit im Wagen verstaut war und wir feststellen mussten, dass in der Wohnung dem Augenschein nach noch alles stand. Das bedeutete, dass der Transporter vorerst die 350 km nach Merseburg gefahren und entladen werden musste, um dann wieder 350 km zurück ins Sauerland für die nächste Beladung zu fahren. Der Vater meiner Freundin setzte sich mit einem Lächeln und ohne ein Wort in den Transporter und sollte erst am nächsten Tag wieder auftauchen.
Er hatte für die Nacht zwei Zimmer in einem Etaphotel gebucht. Bis 22 Uhr musste man eingecheckt haben, sonst bekam man keinen Code für die Türen und die Buchung verfiel trotz Bezahlung. Zwar war zu diesem Zeitpunkt noch genügend Spielraum zum Einchecken, doch meine Mutter hielt meine Freundin und mich dazu an, erst einmal das zu erledigen und dann zum weiteren Einräumen zurückzukommen. Eine bescheuerte und sprittverschwendende Idee, dachte ich anfangs. Bis sich herausstellte, dass das angeblich gebuchte Etaphotel im Osten von Dortmund gar nicht unseren Namen vermerkt hatte. Der Vater meiner Freundin hatte versehentlich einen Fehler gemacht und ein Hotel im Westen von Dortmund, kurz vor Bochum gebucht. Wir standen an der Rezeption, ich schaute verstört auf die Uhr. Und sagte kein Wort, während ich mich wieder ins Auto setzte und losfuhr. Das würden wir schon schaffen, es wäre nicht weit, versicherte ich meiner Freundin. Dabei wusste ich ganz genau, wo das Etaphotel liegen musste und dass die Strecke alles andere als zügig erreichbar sein würde. Zum Glück gehörte es noch nie zu meinen Stärken, mich an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten.
Fünf Minuten vor 22 Uhr kamen wir an. Und fuhren vom Zentrum des Ruhrgebiets sofort wieder zurück ins hochsauerländische Zentrum, wo wir meine aufgelöste Mutter antrafen. Sie hatte voller Grauen bemerkt, dass in der Küche noch fast alle Schränke voll waren, und sich so schnell wie möglich ans Ausräumen gemacht. Die gesamte Zeit, die wir für das Zurücklegen unseres Weges benötigt hatten, hatte sie mit dem Anhäufen von weiteren Kisten verbracht. In der Küche stand nur noch das Lebensnotwendigste: die Kaffeemaschine.
Komischerweise fanden wir an diesem Abend vor Erschöpfung jede Kleinigkeit sehr lustig. Weit nach Mitternacht kamen wir erst im Etaphotel an und wussten, dass wir am Morgen sehr früh aufstehen mussten. Die Wohnung hatten wir im Chaos hinterlassen. Am Nachmittag des nächsten Tages sollte die Wohnungsübergabe sein...

Kommerzialisierung - Neustart Bericht, Zitatsammlung

Autor:  halfJack

Ungefähr seit dem Jahr 2000 wird mit Emo auch ein jugendkulturelles Modephänomen bezeichnet, das mit dem gleichnamigen Musikstil nur mittelbar in Verbindung steht. Dieses bezieht sich auf bestimmte Haarschnitte und Kleidungsstücke, die ursprünglich von bestimmten, dem Genre assoziierten Bands getragen wurden. Mit diesem Stil werden heute allerdings zumeist Bands in Verbindung gebracht, die zumindest im engeren Sinne nicht dem gleichnamigen Musikgenre angehören.

"Nirvana bemerken einen Stillstand in der Undergroundszene und Ausverkaufstendenzen an die großen schweinischen Kapitalisten-Major Labels. Aber fühlen wir deshalb eine moralische Pflicht, dieses Krebsgeschwür zu bekämpfen? ÜBERHAUPT NICHT! Wir wollen genauso wie die Bonzen abkassieren."

Linkin Park vollzogen, beginnend mit der Veröffentlichung ihres Albums Hybrid Theory, einen steilen Aufstieg, der von Fans und Kritikern oft kritisch begleitet wurde. Galt das Debütalbum noch als „gelungener Drahtseilakt zwischen Kunst und Kommerz“, der die Band auch für den Mainstream interessant machte, so ließen wegen des „offensichtlichen Pop-Appeals und der damit einhergehenden Hysterie pubertierender weiblicher Fans“ bei umjubelten Auftritten bei Top of the Pops und ähnlichen Formaten Vorwürfe, die Band sei nur ein weiteres kommerzielles Produkt für den Massenmarkt, nicht lange auf sich warten. Eine starke Präsenz in Jugendmagazinen wie der Bravo führte dazu, dass der Musikgruppe schnell ein „Stigma der Boygroup des NuMetal“ anhaftete. Mit Meteora brachten Linkin Park ein Album auf den Markt, das sich musikalisch kaum vom Vorgänger abhob und als „Nummer-sicher-Kopie ... wie ein berechnetes Produkt“ anmutete und damit erneut „kommerziell wie nichts Gutes“ als auch „zu keiner Sekunde ... künstlerisch wertvoll“ war. laut.de kategorisierte das Album als „Fastfood-NuMetal“, das Kritikern, die der Band Ausverkauf vorwarfen, in die Hände spielen würde. Mit Minutes to Midnight soll die „Anbiederung an den Pop-Mainstream dramatisch“ ausgefallen sein. Die Songs seien „schön radio- und kinderzimmertauglich“ und die „bis ins kleinste Detail glattgebürsteten Tracks“ als reiner „Wegwerfartikel“ zu verstehen. Spiegel Online greift den vielfach zu vernehmenden Vorwurf „Dreck, weil zu kommerziell“ bezüglich des 2007er Albums Minutes to Midnight jedoch derart auf, als dass sie diesen Angriff auch schon für die beiden vorhergehenden Veröffentlichungen für begründet halten. Neider werden „ihr Feindbild in Linkin Park wieder bestätigt sehen, weil Massenkompatibilität und Authentizität für viele einen Gegensatz darstellen".

Namenlos

Konzert 2006 - Oomph! Bericht

Autor:  halfJack
Ein Pamphlet über zunehmende Kommerzialisierung?

Als Einstieg:

Beschissen, dass heutzutage nicht mehr das Können zählt, sondern nur noch der Kommerz, sodass Bands wie Thora nicht einmal ein Label finden, um ihre dritte Platte zu produzieren. Trotzdem stellt diese Band "Baby No. 666" online, damit ihre Fans sie kostenlos herunterladen können. Hier ist es legal. Wer die Musik wirklich mag, dem sollte sie auch so wichtig sein, sich das Album zu kaufen. Aber was die Plattenindustrie macht, ist den meisten Konsumenten des Mindcandy aus der Flimmerkiste sowieso egal; die neuesten Singles kann man bequem "downloaden". Sogenannte Künstler unserer dekadenten Musikbranche können kein einziges Instrument spielen, nicht texten, nicht einmal singen und halten nur ihr genormtes Gesicht in die Kamera. Musik aus der Dose, für die Massenseele.
Dabei ist "Baby No. 666" meines Erachtens eines der besten neuen Alben, die in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Auch Scream Silence können sich mit "Aphelia" hier einordnen und ASP, der das letzte und wahrscheinlich beste Kapitel des Schwarzen Schmetterlings ans Licht gebracht hat. Aber wer hört das schon? Steht ja nicht in den Charts und Individualität sollte eh verboten werden.

Als ich mich mit meiner Freundin zum WGT 2007 mit Sven Friedrich (Zeraphine, Dreadful Shadows, Solar Fake) unterhielt, bestätigte er viele dieser Gedanken, die mir kurz zuvor durch den Kopf gegangen waren. Große wie kleine Label bekommen die Möglichkeiten des World Wide Web am eigenen Leib zu spüren, da das Herunterladen von Musik einfacher, schneller und vor allen Dingen preiswerter ist, als sich die CDs im Laden zu kaufen oder auf anderen Wegen an die Lieder heranzukommen, zum Beispiel gegen Bezahlung die MP3-Dateien herunterzuladen auf den dementsprechenden (seriösen!) Seiten. Doch letztendlich sind es die Bands, die darunter leiden, vor allen Dingen die unbekannten.

Auf der anderen Seite ist es mittlerweile in vielen Clubs verboten, gebrannte CDs zu spielen. Die meisten CDs besitzen so oder so bereits einen Brennschutz, wobei man sich fragt, weshalb? Wenn jemand für ein Album kein Geld ausgeben möchte, dann wird er auch auf anderem Wege herankommen. Aber für den privaten Gebrauch sollte es auf jeden Fall gestattet sein, die eigenen CDs zu brennen. Wer bringt schon mit gutem Gewissen seine Originale in Clubs mit, um sie dort abzuspielen? Wer schleppt schon gern die Originale von daheim mit ins Auto oder zur Arbeit, um sie dort zu hören, und später wieder zurück? Die kleinen Silberlinge halten schließlich nicht ewig.
ASP unterstützt deshalb seine - ich will es mal so nennen - Kampagne: "Ich will brennen".
Aber zurück zum eigentlichen Thema und den negativen Seiten des Brennens.

Womit kann man die Fans noch locken, wie kann man sie dazu bringen, sich das Album zu kaufen? In erster Linie denkt man hier an die Aufmachung, das Booklet, welches man zu einer gebrannten CD nicht bekommt. Aber Sven meinte selbst, ein Booklet sei teuer. Sicher, in der Schwarzen Szene ist es einfacher, die Fans zum Kauf zu bewegen, weil hier die Mentalitäten (noch) anders geprägt sind. Aber dazu muss man kleine Bands überhaupt erst einmal kennen. Und die zunehmende Kommerzialisierung macht es eher den Aufnäher- und T-Shirt-Bands leichter, deren Logos einem überall entgegenblitzen: KoRn, Marilyn Manson, SlipKnot... da muss sich selbst unsere skandinavische Front fast geschlagen geben vor einer solchen Flut berechnetem Merchandising.

Und dann fiel mir eine deutsche Band ein, die auch ihren Durchbruch geschafft hatte, wie kaum eine andere Untergrundband aus den deutschen Reihen: Oomph!

Lange Rede, kurzer Sinn.
Ich wollte endlich den Weblogeintrag über das Konzert von Oomph! 2006 verfassen, den ich nun Ewigkeiten vor mir herschob. Dieses Konzert hat mir einiges bewusst gemacht und anderes wiederum anders gezeigt, als ich es bis dato erwartet hatte.


26.05.2006
Oomph! - Glaube Liebe Tod
Konzert im Haus Auensee, Leipzig

Das neue Album von Oomph!, "Glaube Liebe Tod", ging wieder in eine Schiene, die ich besser finde. Ich mochte die entstellende Aussage im Titel, die wieder deutlich auf die Blasphemie hindeutete, welche Oomph! schon immer verkörperten. Im christlichen Glauben beweihräuchert man immer die drei höchsten Güter des Menschen: Glaube, Liebe und Hoffnung. Diese Worte zu missbrauchen und die Hoffnung mit dem Tod gleichzusetzen gefiel mir erst einmal.
Mein Lieblingsalbum von Oomph! war schon immer "Ego" gewesen. Der Übergang vom Industrial zum Gothic-Rock war hier noch nicht ganz vollzogen, aber auf jeden Fall deutlich spürbar. Aber bei Oomph! ist das so eine Sache, mit dem Lieblingsalbum...
Das neue war für meine Ohren auf jeden Fall besser als "Wahrheit oder Pflicht", auch wenn letzteres sich am besten verkauft hat. Emu meinte dazu mal, "Wahrheit oder Pflicht" ginge schnell zum Ohr herein, aber auch genauso schnell wieder heraus. Obwohl die Lieder auf diesem Album nicht viel schlechter waren als sonst. "Wenn du weinst" mag ich zum Beispiel sehr. Komischerweise hört es damit schon fast auf.
Meine Ansicht damals zum neuesten Album:
Bei Oomph! gibt es auf jedem Album Lieder, die ich mag und welche die ich... scheiße finde. Und auf "Glaube Liebe Tod" sind manche Songs... echt scheiße. Ich meine, so wirklich scheiße.
"Die Schlinge"... Das ist eine Anlehnung an "Spiel mir das Lied vom Tod", mit einer Mundharmonikauntermalung, um den Wildwesterntouch rüberzubringen.
Oder "Mein Schatz"... Hiermit ist tatsächlich die Geschichte um den Ring von Herr der Ringe gemeint.
Und "Land in Sicht" ist genauso furchtbar. Darin sind die Strophen zwar nicht schlecht, aber der Refrain zerstört alles, da er wie ein Schlager klingt, sowohl instrumental als auch vom Text her. ("Du bist mein Leuchtturmlicht..." - ja, das singt er wirklich.)
Dann wiederum gibt es Lieder, die in der gesamten Laufbahn der Band kaum besser hätten sein können, "Zu viel Liebe kann dich töten" beispielsweise.

Mit all diesen Gedanken ging ich damals mit meiner Freundin zum Konzert von Oomph!, das kurz vor dem WGT 06 stattfand. Es war schließlich nicht unser erstes Konzert von ihnen gewesen, das meine Freundin und ich besuchten.
Ich stellte mir verschiedene Fragen. Würde es kommerzieller sein und nur so von Nachsteigerfans wimmeln? Das war an sich nichts Schlechtes, solange sie mehr kannten als nur die Singleauskopplungen und sich nicht benahmen wie postpupertäre Satanisten oder kreischende Groupies. Oder hatte sich die Welle trotz Popularität gelegt? Wie würden die Leute aussehen, eher bunt, eher schwarz? Ich dachte an Normalos, Möchtegerns und Mitschwimmer - hatte sich das bestätigt?
Teils, teils, aber eigentlich ging es erstaunlicherweise doch in eine ganz andere Richtung. Natürlich hat man gemerkt, dass es durchaus kommerzieller geworden ist, aber nur, was die Besucher anbelangt.
Meine Freundin und ich standen ziemlich weit vorn, zweite Reihe, manchmal sogar erste. Dero hat sich ein paar Mal über die Menge tragen lassen, ich hatte das Vergnügen, ihm versehentlich an sein Bestes zu greifen, meine Freundin hat er getreten. Wir wurden herumgeschubst, angepokt, beim Headbanging von einigen getreten und geschlagen. Insgesamt kann man sagen, dass es doch recht lustig war. Wie ein Metalkonzert eben.
Aber dennoch war es seltsam, dass Dero beispielsweise nicht weit gekommen ist, wenn er sich von der Menge tragen ließ. Ganz einfach deshalb, weil da viel mehr Mädchen waren, die ihn anfassen wollten, anstatt ihn weiterzureichen. Und das konnte ich nicht verstehen. Es war ein komischer Nachgeschmack dabei, den ich jetzt nicht mehr erklären kann.

Es war sonst alles wunderbar blasphemisch. Selbst "Gott ist ein Popstar" hatte eine viel härtere Note.
Sicher haben die Bodyguards gedacht, sie hätten eine riesige, kranke Sekte vor sich, als wir alle einstimmig das Vater unser schrien. Dann wurden Dinge wie "Gekreuzigt" gespielt, man konnte "Feiert das Kreuz" mitbrüllen, "Ich bin der neue Gott" oder solche Dinge wie "Ave Satani et Stupor et Christi" und "Gott ist tot".
Doch tatsächlich wurden die Stimmen bei diesen Liedern schwächer. Vielleicht weil sie nicht gerade vom letzten oder vorletzten Album waren?
Oomph! haben eigentlich schon immer recht kommerzielle Lieder geschrieben, was das anbelangt. Man kann nicht sagen, dass sich das geändert hat, nur weil sie bekannt geworden sind - es war schon vorher so, das Potenzial dazu bestand.
Dennoch... mir gefällt das Gefühl nicht, zu merken, dass Oomph! für manche scheinbar erst zwei Alben rausgebracht haben und dass Ego, Plastik, Unrein, Wunschkind, Sperm, Defekt und alles davor und dazwischen vergessen wird.
Am Ende der Zugabe haben meine Freundin und ich mit einigen wenigen angefangen "Wie schmeckt dir mein Herz" zu rufen. Es tat weh, dass viele "Fans" scheinbar gar nicht verstanden, was wir riefen. "Mein Herz" war das allererste Lied von Oomph!. Wir haben es bereits auf dem letzten Konzert, was nun schon lange her ist, gerufen und Dero hat es schließlich für uns ohne Begleitung der Band gesungen. Doch dieses Mal waren es nicht halb so viele, die mitriefen. Die Zugabe, die daraufhin gespielt wurde, war "Das letzte Streichholz", wenn ich mich recht erinnere. Auch dieser Zug von Dero hatte einen unangenehmen Nachgeschmack...

Dieser Punkt, den ich schon die ganze Zeit schlicht und vielleicht unberechtigterweise auf die Kommerzialisierung schiebe, ist ein Teil des Grundes, weshalb ich nicht noch einmal auf ein Konzert von Oomph! gehen möchte.
Der zweite, viel wichtigere Punkt allerdings hat im Großen und Ganzen nichts mit dem Publikum zu tun. Das letzte Konzert von Oomph! war vom Aufbau ähnlich wie dieses hier. Nach wie vor finde ich viele Lieder toll. Beispielsweise gehören "Du willst es doch auch" vom neuen Album oder "Going down" von dem davor oder auch "Niemand" auf jeden Fall zu den besten Liedern von Oomph!.
Doch diese aufputschende Wirkung, die es früher auf mich hatte, ist mittlerweile nicht mehr da. Es liegt nicht an Oomph!, dass ich das nicht mehr fühle, sondern allein an mir. Es gibt mir nicht mehr so viel, wie es das früher getan hat.
Darum kein weiteres Mal.

Projektwoche 2006 - Labyrinth Bericht, Projekt

Autor:  halfJack
Koyaanisqatsi

Die letzte Projektwoche für unseren dreizehnten Jahrgang.
Willkommen im Labyrinth, in dem "die Welt aus den Fugen gerät". Denn genau das bedeutet Koyaanisqatsi. Nachdem die Mitglieder des Roten Fadens noch am Morgen die Lesung mit dem Thema "Zwangsjacken sollten maßgeschneidert sein" in einem dafür umfunktionierten Klassenraum abgehalten hatten, mussten wir es bis zum Mittag schaffen, in jenem Raum das Gestell für unser Labyrinth aufzubauen. Niemals hätten wir trotz Hoffnung erwartet, dass das Holzgestell dafür halten würde, aber von unserer wackeligen Gesellschaft erwartet man schließlich auch, dass sie jeden Moment zusammenbricht.
Nun, meine Damen und Herren, treten sie ein.

Wer nicht stehen bleibt, wird erschossen verachtet!
Das steht auf einem alten Schild an der Tür. Daneben, an der Wand findet sich der Hinweis:
Folge dem Roten Faden.
Du betrachtest den dicken Strickfaden, der in das Innere des Raumes führt. Vorsichtig betrittst du die Schwelle und begräbst dabei ein großes Blatt Papier unter deinen Füßen.
Zitate sind das Grab des Gedankens.
Als nächstes berühren deine Schuhe Zeitungspapier, das über den gesamten Boden ausgebreitet ist. Vor dir stehen Stühle, die mit weißen Laken bedeckt sind. Rote Pfeile zeigen nach links. Auch der Rote Faden windet sich in dieser Richtung weiter. Du gehst ihm nach und trittst ein in ein mit Laken überspanntes Gestell. Du siehst nichts mehr, nur noch die wenigen Meter um dich herum. Du befindest dich im Labyrinth von Koyaanisqatsi.
Der rote Faden endet auf den ersten Stufen einer wackeligen Leiter, die mitten im Weg steht. Daneben ein weiteres Schild:
Es liegt in der Natur des Menschen Karriere zu machen.
gez.: die Erfolgreichen

Auf dem Boden liegen abgenutzte Kuscheltiere, noch immer mit Wäscheklammern an einer Leine befestigt. In die Bäuche und Köpfe der Plüschfiguren und Puppen sind Notizzettel mit Nadeln gestochen worden. Geschändet. Kinderlachen. Blut. Erwachsen. Die Worte auf diesen Zetteln vermischen sich mit den vielen Buchstaben, welche bereits durch das Zeitungspapier auf dem Boden deine Sinne vernebeln. Zeitungen aufgeklebt auf riesigen Pappen, die sich die Wände entlangziehen. Weitere Sprüche und Zitate bedecken auf Plakaten jeden freien Platz und versperren dir auf unzähligen Schildern den Weg.
Reklame, Propaganda, der Irrsinn unserer Zeit auf wehrloses Papier gepresst.
Du gehst durch ein paar bemalte Tücher hindurch, um eine Ecke. Schließlich zweigt sich der Weg. Vor dem einen Gang hängt ein Schild herunter, auf dem steht:
Kleine Fabel.
Bitte eintreten.

Du trittst ein und bleibst vor einer Sackgasse stehen, in der sich nur ein Kinderstuhl befindet. Als du dich umwendest, um zu gehen, fällt dir die Rückseite des Schilds über dem Eingang auf.
Du musst nur die Richtung ändern.
Darunter befindet sich ein großer Katzenkopf mit weit aufgerissenem Maul und spitzen Zähnen. Du kannst froh sein, dass deine eigene Endstation noch nicht an diesem Punkt ist. Aber vielleicht erinnerst du dich in genau diesem Moment daran, dass die letzte Ausfahrt auch an dir vorbeigehen wird.
Du gehst weiter und begegnest verschiedenen Gegenständen, zur grotesken Darstellung ihrer Selbst auf kleinen Podien aufgebaut. In einer weiteren Sackgasse befindet sich ein Holzkopf mit ausgebreiteten Armen, Reklame auf der Brust klebend. Eine Pistole liegt direkt daneben, aus deren Mündung sich eine Zeitung rollt. Bild dir deine Meinung - Wozu solltest du auch eigenständig denken, wenn andere das genauso gut für dich übernehmen können?
Unter deinen Füßen knirscht es, während du dich von herabhängenden Spinnweben befreist. Unzählige feste Glaskristalle sind über den Boden verteilt, als hätte jemand den Rahmen eines Bildes fallen lassen. Endlich kommst du aus der Dunkelheit in den hinteren Teil des unkenntlichen Klassenzimmers, der von einem zur Decke gerichteten Scheinwerfer erhellt wird. Wieder Schilder.
Straße des Erfolgs
Lebensweg
Vor dir wurden auf dem Boden Wackelbretter in einer Reihe aufgestellt, verstärkt durch hohe Sprungfedern. Auf dem ersten Brett direkt vor deinen Füßen steht in Leuchtbuchstaben Konjunktur, auf dem nächsten DDR. Das Holz ist schon ein wenig staubig von den Schuhen vieler Leute.
An einer Holzlatte hängt ein großes Plakat.
Erleben Sie das Gefühl sozialer Sicherheit.
Darunter ein kleinerer Hinweis, der mit einem Pfeil auf den schmalen Weg neben den Wackelbrettern zeigt.
Für die Ängstlichen:
Weg des geringsten Widerstands

Nach kurzem Zögern entscheidest du dich für den schweren Weg und stellst deinen Fuß auf das erste Brett. Du versuchst mit den Armen deinen Körper auszubalancieren. Beim zweiten Schritt verlierst du fast das Gleichgewicht, allerdings fängst du dich und meisterst das Hindernis. Auf der anderen Seite erwarten dich seltsame Gerätschaften, mit Bildern beklebte Pappscheiben, an denen du drehen kannst. Das Rad eines Fahrrads wurde auf einer Stange befestigt, daneben ein weiteres Schild.
Einmal am Rad drehen - 50 Cent
Du hörst seltsame Geräusche, die wie Musik aus einem alten Radio klingen, dann wieder wie priesterlicher Gesang und schließlich wie das Klopfen in einem Bergwerk. Die Musik berieselte dich schon die ganze Zeit, während du durch das Labyrinth gingst. Nun betrachtest du die alten Schränke und herunter gelassenen Rollläden, an denen weitere Werbezeitschriften befestigt wurden. Ihre bunte Farbe wirkt in dem schummrigen Licht irgendwie verwandelt und grotesk. Du liest ein Wort.
Konsumgesellschaft
Ein rohes Stück Fleisch neben einer Einbauküche und der dazu passenden Stehlampe im Wohnzimmer. Unterwäsche mit Spitze über dem SyncMaster 171N und einem neuen Roman von Rosamunde Pilcher. Weitere Plakate schleudern dir ihre Weisheiten, Phrasen und Sprichwörter ins Gesicht, sodass du kaum mehr aufnehmen kannst, was du liest.
Die Musik hämmert in deinem Kopf und du gehst weiter.
Eine seltsame steinerne Fratze blickt dich von der Tiefe eines Stuhles aus an. Vor dir ist ein Altar aufgebaut, beleuchtet durch eine Schwarzlichtlampe. Auf dem großen Triptychon darüber ist die Gestalt eines in rote Farbe getränkten Menschen abgebildet, der wie an ein Kreuz genagelt erscheint.
Du lässt den letzten Durchgang des Labyrinths hinter dir, an dem Tücher mit den Symbolen des Kommunismus herunterhängen und mit bunten Motiven bemalte Kinderdecken.
Nun ist der Boden von weißen Laken bedeckt. Unregelmäßig ist alles, auch die Tische und Stühle mit weißen Laken bedeckt, ein Mülleimer steht einsam darin.
In der Ecke steht ein Fernseher und zeigt Bilder von unserer Gesellschaft. Menschen gehen durch die Straßen, arbeiten, stehen in Untergrundbahnen und sitzen in Autos. Die Bilder verschnellern sich, Tag wechselt zur Nacht, Nacht zum Tag. Arbeitsabläufe kehren immer und immer wieder. Menschen strömen aus ihren Häusern, weichen einander aus, stoßen zusammen. Rolltreppen funktionieren verlassen, auch ohne dass sie betreten werden, dann füllen sie sich und tragen die Last der großen Anonymität. Immer schneller zieht das Leben vorbei. Dennoch verändert sich nichts.
Du wendest den Blick vom Fernsehbildschirm ab und schaust zur Tür.
Nur einen kurzen Moment hältst du inne, dann trittst du heraus aus dem Labyrinth Koyaanisqatsi.
Und nichts hat sich geändert.

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