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Music and Love?

It may be magic
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, dies ist der Prolog der Story :)
Ich weiß, dass es für einen Prolog sehr lang ist, aber ich schreibe alles aus spontanen Eingebungen heraus und wenn sie kommen gehts schnell, wenn sie nicht kommen, könnte es auch ein wenig zäher werden^^
Jedenfalls ist er wegen seiner Länge jetzt auch als 1. Kapi eingestuft ;)

Ich werde mit meinen Textkommentaren in den nächsten Kapis sparen, weil ich persönlich nicht so ein Fan davon bin XD
Trotzdem würde ich mich natürlich über Rückmeldungen von euch freuen^^

Liebste Grüße,
eure Renpika~ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe beim Schreiben selber sehr gelacht und hoffe, es kommt auch so rüber ;P Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Heya~ doch nochmal ein kleines Vorwort:
Ab jetzt werden die Kapis ein wenig kürzer werden ;)
Damit ich nebenbei noch mit dem Schreiben hinterher komme :)

Viel Spaß bei Lesen,
eure Ren~ ^-^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Aloha~
Ich bins nochmal^^

Da das vorige Kapitel ein Adult-Kapi ist und die Uploadrate gerade sehr gering war, habe ich beschlossen, heute gleich noch das nächste Kapi hochzuladen! So haben auch die, die das Adult-Kapi nicht lesen können, schonmal was zu tun ;)
Keine Angst, das letzte Kapi hat keinen großen Einfluss auf die Story!
... nagut, doch irgendwie... aber alles was ihr wissen müsst, ist wahrscheinlich in diesem hier enthalten ;)

Was ich beim letzten Kapi vergessen hatte zu erwähnen:
Ich habs kurz vorm hochladen noch in ein Songkapi umgewandelt! Das Lied ist von Framing Hanley und heißt 'don't leave me alone in this bed'

In diesem Kapi kommt das Lied 'what do you want from me' von Adam Lambert vor ;)

So, nu hab ich aber für euch schon wieder länger gemacht, als ich wollte O.o
Deshalb gehe ich jetzt in die Heia ;)

Cucu~
Ren Komplett anzeigen

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Internat Salieri

„Papa hätte uns niemals einfach so abgeschoben. Diese alte Schnepfe!“

„Nun beruhig dich erstmal wieder. Vielleicht wird es ja ganz lustig.“

„Sie schickt uns auf eine Stre-ber-Schule. Und das nur, damit sie uns nicht mehr sehen muss. Was soll da denn bitte lustig werden?“
 

Das Klappern der Koffer, die die beiden fast identisch aussehenden Mädchen gerade die Stufen zum Musikinternat Salièri durchbrach die Stille des fast schon herbstlichen Nachmittags. Die beiden waren offensichtlich Zwillinge. Der Wind brachte ihre unnatürlich grünen Haare durcheinander und er Regen durchnässte ihre Kleidung. Das einzige, was die beiden voneinander unterschied, waren ihre verschieden langen Haare und ihr unterschiedlicher Kleidungsstil.

Die mit den kürzeren Haaren schimpfte in einer Tour über ihre Umstände, während die andere versuchte alles positiv zu sehen.
 

Bald schon hatten sie die Stufen erklommen und betraten die gemütlich warme Eingangshalle des Schulgebäudes. Sie war prachtvoll eingerichtet, in Weiß und Gold gehalten, mit hölzernen Schränken und altmodischen Sofas ausgestattet und Gemälde von bekannten Musikern der früheren Zeit zierten die Wände. Eines sprang einem direkt ins Auge. Es war größer als die anderen und besetzte als einziges die Wand über der Rezeption. Auf ihm war der Namensgeber dieses Internats abgebildet: Mozarts Gegenspieler, Violinist und Komponist, Antonio Salieri.
 

Die Zwillinge blieben einen Moment ehrfürchtig im Raum stehen und betrachteten das Bild.

Nagut, ehrfürchtig traf vielleicht nicht ganz auf beide zu. Die eine warf ihm einen so bösen Blick zu, dass er wahrscheinlich tot umgefallen wäre, würde er noch leben.

Während sie so da standen, bildete sich unter ihnen langsam eine kleine Pfütze und die Dame am Empfang begann ungeduldig mit den Fingernägeln auf die Fläche vor sich zu klacken. Überhaupt sah sie nicht gerade gutmütig aus. Die braunen Haare hatte sie zu einem strengen Dutt hochgebunden und eine strenge Brille saß auf ihrer Nase.

Der langhaarige Zwilling stupste seine Schwester an und ging auf den Empfang zu.
 

„Willkommen im Internat Salieri. Was kann ich für euch tun?“ Man hörte deutlich einen abfälligen Unterton heraus, was die eh schon aufgebrachte Zwillingsschwester dazu anregte, eine flapsige Antwort zu geben. Doch ihr Vorhaben wurde von ihrer Schwester zunichte gemacht.

„Miran und Taride Cavalieri. Wir sind neu hier.“

Taride, die ältere der beiden, schob ihre Anmeldebestätigung über den Tresen. Ihre Schwester hatte missbilligend die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete die Empfangsdame argwöhnisch. Das ganze hier ging ihr gehörig gegen den Strich.
 

Vor einigen Monaten waren ihre Eltern bei einem schweren Autounfall gestorben und seitdem wohnten die Schwestern bei ihrer Tante Marie. Doch diese hatte anderes im Kopf, als sich um die Mädchen zu kümmern und schickte sie deshalb auf ein Internat, um sie nichtmehr sehen zu müssen. Beide waren jetzt 17 Jahre alt und sollten nun hier ihren akademischen Abschluss in Musik machen. Ihre Mutter hatte dafür gesorgt, dass sie seit ihrer frühen Kindheit ein Instrument lernten. Taride hatte sich für die Violine und Miran für das Klavier entschieden. Es hatte sich schon früh herausgestellt, dass sie begabt darin waren, doch zum Beruf wollten sie es beide nicht machen.
 

„Zimmer 2.28. Dafür gehen sie hier links den Gang entlang, die Treppen hoch in den zweiten Stock und dann wieder links.“ Die Frau am Empfang, auf deren Namensschild Mrs. Wood stand, hatte mit dem Geklacker auf der Computertastatur aufgehört und reichte den Ankömmlingen jetzt jeder einen Schlüssel mit der eben genannten Zimmernummer.

„Hier ist euer Stundenplan. Der Unterricht beginnt morgen früh um 8 Uhr. Frühstück gibt es ab 6 Uhr 30 im Essenssaal.“ Neben den Stundenplänen schob sie noch einen Gebäudeplan über den Tresen.

„Ich wünsche ihnen eine gute Nacht.“
 

Miran schnaufte und raffte ihr Gepäck zusammen, ehe sie und ihre Schwester ebenfalls ein „Gute Nacht und vielen Dank.“ murmelten.

Es war gar nicht so einfach, die schweren Koffer die Treppen hinauf zu schleppen, denn das Gebäude besaß keinen Fahrstuhl. Beziehungsweise war dieser gerade wegen Wartungsarbeiten gesperrt.

Am sperrlichsten war es neben den Koffern auch noch die Instrumente in ihren Koffern unbeschadet mit hoch zu schleppen. Taride hielt ihre wertvolle Geige, eine Stradivari, ein wenig höher und hatte, als sie endlich das zweite Stockwerk erreichten, einen Krampf im Arm. Miran, die ja nun natürlich kein Klavier mit sich herumtrug, schleppte einen Gitarrenkoffer mit sich herum. Sie benutzte die Gitarre zum Spielen, wenn sie unterwegs waren und kein Klavier in greifbarer Nähe. Auch Taride konnte gut Gitarre spielen und musste so nicht immer ihre wertvolle Geige mitnehmen. Wäre wahrscheinlich auch viel zu riskant gewesen.

Miran stellte den Gitarrenkoffer ab und schloss, ihre Zimmertür auf und ließ ihrer Schwester den Vortritt. Ihr Zimmer hatte eine beachtliche Größe. Es war ähnlich edel wie die Eingangshalle gehalten. Zwei Einzelbetten waren für sie gemacht. Außerdem standen dort zwei Schreibtische aus altem Holz und ein Fernseher auf einer kleinen Kommode, den Betten gegenüber. An der Wand daneben stand ein großer Kleiderschrank, in den wohl beide ihre Kleidung unterbringen mussten. Neben dem Schrank befand sich eine Tür, durch die hindurch man in das Badezimmer gucken konnte. Eine Dusche, eine Toilette, ein Waschbecken und ein großer Spiegel. Alles in Weiß.

„Na Kohle scheinen die hier ja zu haben.“ Die jüngere der Zwillinge sicherte sich das Bett am Fenster. Sie wusste, dass ihre Schwester nichts dagegen haben würde, denn das andere Bett war dichter am Fernseher und sie war bereits dabei, ihre Spielekonsole aus dem Koffer zu kramen, um sie an diesen anzuschließen. Das war typisch Terry. Sie war verrückt nach Computerspielen und ähnlichem. Eigentlich würde sie lieber in die Entwicklung solcher Spiele gehen und damit später ihr Geld verdienen, doch das Schicksal wollte es wohl nicht so.

Miran sah während der Werkarbeiten ihrer Schwester aus dem Fenster, von dem aus man einen perfekten Blick auf ein riesiges Fußballstadion hatte. Neben der Musikhochschule, befand sich ein Sportinternat. Naja, es war kein richtiges Internat. In dem Gebäude nebenan, wurden die Fußballspieler der repräsentativen Mannschaft dieses Planeten ausgebildet.

Wenn ihr gerade über das Wort ‚Planeten‘ gestolpert seid, habt ihr durchaus richtig gelesen. Zu der Zeit, in der wir uns befinden, sind die einzelnen Planeten miteinander verknüpft und es gibt nichtmehr nur eine Weltmeisterschaft, sondern bereits eine Galaxiemeisterschaft. Seit ein paar Jahren ist es alltäglich mit einem Spaceshuttle auf andere Planeten zu fliegen. Dennoch ist es noch nicht so ausgereift, dass sich die einzelnen Spezien vermischen. Jeder lebt noch für sich auf seinem Planeten und nur selten sieht man einen Wamba auf Akillian oder einen Menschen auf dem Planeten der Wambas.

Akillian kennt ihr alle. Es bezeichnet den Planeten, den ihr unter dem Begriff ‚Erde‘ kennt. Aber die Erde ist tot. Nur noch ein kleiner Teil von ihr ist bewohnbar und die Menschheit zusammengeschrumpft. Ein Teil von ihr ist in das Cillo Archipel umgezogen und streift als Piraten durch die Galaxie.
 

Zurück zu den beiden Mädchen. Taride hatte es inzwischen geschafft, die Spielekonsole an den Fernseher anzuschließen und installierte jetzt ihren Laptop auf ihrem Schreibtisch, während Miran ihre Klamotten in ihre Hälfte des Schrankes räumte. Nicht wenige davon waren Sportklamotten unterschiedlicher Art. Ein paar Trainingsanzüge, ein paar Turnanzüge und Ballettkleider. Sie hatte sich für fast jede Art von Sport eingetragen, den diese Schule anbot. Leider schloss dies lediglich rhythmische Gymnastik, Ballett und Standarttanz ein. Aber immerhin etwas. Der jüngere Zwilling mochte eigentlich ein wenig mehr Action lieber und konnte sich schon vorstellen, dass die Stunden hier mit Argusausgen bewacht würden, doch sie brauchte diesen Ausgleich.

Neben den Sportklamotten fanden einige alternative Anziehsachen ihren Platz in ihrem Schrank. Das Mädchen liebte Oshare und Visual Key, auch wenn sie diese Kleidungsrichtung während des Unterrichts hier wohl eher nicht tragen durfte. Dafür hatte sie noch einige wenige elegante Kleider, Röcke und Blusen eingepackt.

Als sie mit ihrer Kleidung fertig war, sortierte sie die ihrer Schwester. Sie war eher gemütlich und mädchenhafter, wenn auch nicht tussigleich. Taride war währenddessen beschäftigt, ihre Badezimmersachen in diesem einzusortieren.

Als sie aus dem Bad herauskam, ließ sie sich auf ihr Bett fallen und schnappte sich einen Controler. Den zweiten warf sie ihrer Schwester zu, welche ihn mit einem Seufzen auffing und es sich dann neben ihrer Schwester bequem machte. Miran war absolut unbegabt, was solche Spiele anging und hätte gegen ihre Schwester wohl mehr als haushoch verloren, würden sie nicht zusammen spielen. So musste die Ältere sie nur des Öfteren vor dem Tod bewahren.

Dem Sportfreak war ja nichtmal der Name des Spieles bekannt, welches sie spielten. Sie lief dort als ziemlich freizügig gekleidete Priesterin einfach ihrer Kriegerschwester hinterher und versuchte ihr bestes, dieser nicht im Weg zu stehen und ihren Schaden zu heilen, so gut sie konnte.

Meistens spielten sie, oder hauptsächlich Taride, mit Headset, um sich mit ihren Gildenmitgliedern unterhalten zu können. Mit denen verstand sich auch Miran ganz gut und war immer wieder erleichtert, dass sie nicht die einzige mit zwei linken Daumen für dieses Spiel war.

„Miri, pass auf! Der Oger!“

Erschrocken sprang die genannte im Spiel zur Seite und versuchte mit ihrem Hammer nach dem grünen Vieh, was sie von hinten überrascht hatte, zu schlagen, verfehlte es jedoch immer wieder.

„Verdammt! Ich kann hier gerade nicht weg, es sind zu viele. Den musst du einmal alleine fertig machen, Miri!“

„Ich versuchs ja, Terry, aber du weißt doch, wie schlecht ich bin.“

Im nächsten Moment zerschnitt eine Klinge das grüne Vieh und es löste sich kurz darauf in seine Pixel auf. Taride griff sofort aufgeregt nach ihrem Headset.

„Blacky! Wo kommst du denn her? Du hast uns grad echt aus der Patsche geholfen.“

Blacky war ihr Gildenmeister und verkörperte ebenfalls einen Krieger im Spiel.

„Hey, Angel. Freu mich auch, euch zu sehen. War grad auf dem Weg ins Verließ und hab gesehen, das Sam mal wieder in der Patsche steckt.“

Im Spiel nannten sie sich immer bei ihren Spielernamen. Tarides Name war DarkAngel, während Miran sich nach dem Gott der Unterwelt Samael genannt hatte.

„Du kamst wie immer genau zum rechten Zeitpunkt.“ Die Ältere lachte vergnügt und gesellte sich zu ihrer Schwester und dem Gildenanführer.

„Ich freue mich schon riesig auf die Gamescom nächstes Wochenende. Sam und ich müssen unsere Kostüme noch fertig kriegen.“

Miran verdrehte genervt die Augen. Diese Gamescom war ein Treffen von allen Spielern dieses Spiels, die Zeit hatten. Sozusagen ein reallife mmrpg ohne das ‚o‘ für ‚online‘ halt. Und ihre Schwester hatte sie natürlich dazu überredet, dort hinzugehen. Eigentlich war das soetwas wie eine Zwillingsabmachung. Miran ging zu den Spieltreffen von Taride mit und diese begleitete sie zu ihren Wettkämpfen und Auftritten.

Die Jüngere schrieb ein Abschiedswort an Blacky und loggte ihren Charakter aus.

„Ich geh schlafen, Terry. Mach nicht mehr zu lange, ja? Morgen müssen wir schließlich in den Unterricht.“

„Okay, gute Nacht, Schwesterherz.“ Die Langhaarige warf ihrer kleinen Schwester einen Kussmund zu und wandte sich wieder an Blacky. Die beiden zogen noch eine Zeit lang durch den Düsterwald und töteten ein paar Oger. Als die Müdigkeit endlich zu übermächtig wurde und Taride endlich vom Spiel abließ, war es bereits halb drei Uhr nachts.

„Gute Nacht, Blacky. Wir sehen und hoffentlich nachher. Sam hat heute Training, aber ich grüße sie natürlich von dir. Oh ich freu mich so aufs Wochenende! C u!“

runde Dinge und der Balkon

Die Töne der 7. Symphonie ertönten durch das Internat. Miran und Taride waren am Morgen beinahe zu spät in den Unterricht gekommen und hatten sich gleich eine Predigt von wegen ‚zu früh ist man pünktlich, pünktlich ist man zu spät und Pünktlichkeit ist das halbe Leben‘ anhören dürfen.

Nun war es bereits später Nachmittag und die Schüler waren schon ziemlich fertig. Die Schwestern konnten schon vorher diese Symphonie fast auswendig und hatten nun die Befürchtung, das Lied nie wieder loszuwerden.

Was sie allerdings am meisten nervte war, dass die Lehrerin doch tatsächlich auch noch überzog. Schließlich hatten beide noch Pläne für den restlichen Tag. Die Ältere war mit ihrem Spiel verabredet und die Jüngere hatte rhytmisches Gymnastik Training.

So war es nicht verwunderlich, dass beide sobald die Lehrerin den Unterricht für beendet erklärte, den Raum mit fliegenden Federn verließen und auf ihr Zimmer eilten.

„Dieses Lied geht mir jetzt schon sowasvon auf den Keks, ey.“

„Willkommen im Club. Hab schon überlegt, ob ich es im Internet suche und dann den gesamten Düsterwald damit auslösche.“ Taride grinste und zog sich das grüne Kleid über den Kopf, um sich eine gemütliche Hose und ein T-Shirt anziehen zu können. Auch ihre kleine Schwester wechselte ihre Klamotten, schmiss ein paar Trainingssachen in ihre Tasche und warf sie sich über die Schulter.

„Man sieht sich, Schwesterherz. Grüß Blacky und die anderen von mir.“

Kaum hatte Miran das Zimmer verlassen, schaltete Terry das Spiel ein und setzte ich Headset auf. Natürlich war Blacky online und bot sofort an, sie ein wenig zu begleiten.

Angel und Blacky führten ein wenig soetwas wie eine Ingame-Beziehung, was auch mit ein Grund dafür war, dass das Mädchen sich so riesig auf das Wochenende freute, an dem sie ihn endlich in seiner wahren Gestalt sehen würde.

Heute aber lehnte sie es ab, Mobs töten zu gehen und setzte sich stattdessen auf eine ruhige Wiese. Nebenbei hatte sie einen Block und ein paar Stifte zu sich gezogen und skizzierte ihr Kostüm und das ihrer Schwester. Am nächsten Tag würde sie mit den Näharbeiten beginnen. Wurde ja auch höchste Zeit. Stoff hatte sie bereits mitgebracht, aber ihre Ideen waren noch nicht so ausgereift gewesen. Doch nun hatte sie einen Geistesblitz, wie alles auch wirklich halten würde.

„Hey, Angel. Sag mal… Was würdest du davon halten, wenn wir am Wochenende heiraten?“

Taride wäre beinahe vom Bett gefallen, so überrascht war sie von dieser merkwürdigen Frage. Ihr war die Möglichkeit, in dem Spiel einen anderen Spieler heiraten zu können, durchaus bekannt. Dies bot einem die Möglichkeit, besser miteinander leveln zu können, weil verheiratete sich zu ihren Ehepartnern teleportieren konnten. Das ersparte eine Menge Laufzeit.

Würden sie und Blacky nun am Wochenende ‚heiraten‘, wäre das natürlich das Highlight des Tages.

„Also ich meine natürlich nicht richtig, sondern fürs Spiel.“

Anscheinend war er unsicher geworden, weil das Mädchen bisher noch kein Wort dazu von sich gegeben hatte.

„Ähm… Doch, ja! Das ist eine hervorragende Idee!“ Man hörte an ihrer Stimme, dass sie das wirklich freute. In dem Moment dachte sie gar nicht darüber nach, dass er auch voll der Looser sein könnte. Es zählte ja nur die Sympathie im Spiel.

Während den Tätigkeiten ihrer Schwester, war Miran bereits beim Training. Sie war sich noch nicht ganz sicher, ob sie das Outfit gut fand. Im Prinzip war es ein langärmlicher, dunkelblauer Body mit einem weiß umrandeten, roten Zickzackmuster um den Bauch und am einen Ärmel. Die Trainerin meinte, es würde sich nicht ziemen, darunter Unterwäsche zu tragen, da ein hervorblitzender Schlüpfer beim Wettkampf Punktabzug gab. Dementsprechend fühlte sie sich ein wenig nackt. Es war noch ein anderes Gefühl, als würde man einen Badeanzug tragen.

Aber an und für sich, machte ihr der Sport doch Spaß. Er erforderte eine große Beweglichkeit und Geschick im Umgang mit Bällen und Bändern. Auch wenn dies ihre erste Stunde in dieser Sportart war, lernte sie schnell, wie man sich mit dem langen Band nicht einwickelte und wie man den Ball so balancierte, dass er nicht reißaus nahm.

Die Musik dazu rundete das Ganze noch ab. Es war fast so, wie tanzen.

Als die Stunde zuende war, erklärte sich der Zwilling bereit, die Bälle nach draußen in den Geräteraum zu bringen. Dieser befand sich nur ein paar Schritte von der Sporthalle entfernt und beherbergte die Sachen für rythmische Gymnastik, sowie leicht zu transportierende Turngeräte.

Was das Mädchen aber am meisten dazu veranlasste, die Sachen nach draußen zu bringen, war die Tatsache, dass sich die Sporthalle direkt neben dem Fußballstadion befand.

Am liebsten würde sie sich rüberschleichen und einen Blick auf das Training erhaschen. Doch das war ihr leider nicht möglich.

Als sie so verträumt den Weg entlang ging, die Bälle auf den Armen balancierend, übersah sie eine Bodenwelle und stolperte. Und wie die Physik so wollte, flogen und kullerten die runden Gegenstände durch die Gegend und das Mädchen sah den Boden auf sich zukommen. Sie schaffte es gerade noch so, sich abzurollen und lag dann schwer atmend auf dem Rücken, der Schock noch in ihren Gliedern. Es war nichts neues für die sonst so begabte Turnerin, dass sie in einem unaufmerksamen Moment über ihre eigenen Füße stolperte, doch auf so hartem Asphalt hätte das schmerzhaft enden können.

Das Mädchen atmete nocheinmal tief ein und aus und wollte sich gerade hochrappeln, als drei Gesichter über ihr auftauchten.

„Alles okay bei dir?“

Sie blinzelte einmal, bildete sich das allerdings nicht ein. Drei dunkelhaarige Jungen standen über sie gebeugt da. Einer von ihnen hielt einen pinken Gymnastikball in den Händen, ein anderer hielt ihr eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen.

„Ähm… Ja. Alles okay. Ich bin nur gestolpert.“ Dankend nahm sie die Hand an und ließ sich hochhelfen.

„Also für den Sturz hätte ich dir 10 von 10 Punkten gegeben.“ Der mit dem Ball lachte amüsiert. Erst jetzt fiel der Grünhaarigen auf, das der der ihr aufgeholfen hatte, dem mit dem Ball ziemlich ähnlich sah. Die beiden schienen ebenfalls Zwillinge zu sein. Auch sie unterschied nur die Haarlänge. Der, der ihr aufgeholfen hatte, deutete auf den dritten im Bunde.

„Micro-Ice hier, hätte den beinahe einen der Bälle an den Kopf bekommen, hätte mein Bruder ihn nicht gehalten.“ Auch er lachte.

„Ja, ey. Ich hab mich fast zu Tode erschreckt. Nun sollten wir aber auch die anderen Bälle einsammeln.“ Der Schwarzhaarige bückte sich und hob einen grünen Ball auf. Die anderen nickten und suchten ebenfalls die Bälle zusammen und brachten sie dann zu dem Schuppen.

„Vielen Dank euch. Es hätte echt ewig gedauert, bis ich die alle wiedergefunden hätte.“ Tatsächlich waren die Bälle über den ganzen Hof verteilt gewesen.

„Kein Problem. Wir müssen jetzt aber auch wieder los.“ Meinte der Kleinste von ihnen.

„Pass nur das nächste Mal besser auf. Nicht dass du dir noch wehtust.“ Der strubbelhaarige Zwilling zwinkerte ihr zu und gähnte dann. Sie winkten ihr und verschwanden Richtung Stadion.

Zurück in ihrem Zimmer, warf Miran ihre Sporttasche in die Ecke und verschwand im Badezimmer. Taride warf ihr einen kurzen Blick zu, war aber zu tief in ihr Vorhaben versunken, um etwas zu sagen. Das Verhalten war von ihrer jüngeren Schwester aber auch nicht ungewöhnlich. Sobald sie aus der Dusche kommen würde, könnten sie miteinander reden.

Terry hatte inzwischen ihre Zeichnungen fast beendet und hatte die ihr zur Verfügung stehenden Stoffe auf ihrem und Mirans Bett verteilt. Je nachdem, welcher Stoff für welches Kostüm war.
 

„Oh man, Terry. Muss das sein?“ Es war Mittwochabend und Miran wurde von ihrer Schwester genötigt, Model für die Stoffe zu stehen. Die Ältere der Schwestern war eifrig dabei ihre Maße zu nehmen und sie auf die Stoffe aufzumalen. Immerhin hatte Miran die gleichen Maße, wie sie selbst. Das ersparte eine Menge Arbeit.

„Ich bin gleich fertig, Miri. Es wäre schön, wenn du etwas kooperativer wärst. Am Wochenende müssen die Kostüme fertig sein.“

Miran verdrehte genervt die Augen. Sie verkleidete sich zwar gerne, aber dieses ganze Ausmess- und Schnippelthearter war echt anstrengend.

Dennoch machte sie artig mit, schließlich erfreute es ihre Schwester.

Taride war tatsächlich voll in Wochenendstimmung. Sie hatte sogar das nachmittagliche Üben geschwänzt. Nicht dass sie es nötig hätte, zu üben, aber es gab halt immernoch Pluspunkte.

„Könntest du das hier Morgen nach dem Unterricht besorgen?“ Die Langhaarige drückte ihrer Schwester einen Zettel mit allen möglichen Lebensmitteln in die Hand. „Wir wollen ja schließlich nicht verhungern. Und die Shuttletickets müssen wir auch noch besorgen.“

„Ich mach das, kein Problem.“ Taride umarmte ihre Schwester stürmisch nach deren Vorschlag. „Du bist die Beste!“ – „Ich weiß.“ Miran lächelte gequält. Eigentlich hatte sie morgen Ballettraining. Dann musste sie halt im Tütü durch die Läden huschen, um das Umziehen zu sparen. Sonst kam sie entweder zum Training oder zum Laden zu spät. Und beides würde nicht gut für sie enden.

„So, das wars erstmal. Ich fang dann schonmal mit dem Schneidern an.“ Das Mädchen kramte in ihrer Tasche herum und zog nach kurzem Rumpeln eine kleine Nähmaschine daraus hervor. Der Kurzhaarige verschlug es für kurze Zeit die Sprache.

„W-wo hast du die denn her?“, entgeistert stellte sie sich zu ihrer Schwester, die dabei war, ihren Laptop wegzuräumen und die Nähmaschine auf ihrem Schreibtisch aufzubauen.

„Ich war vorhin in der Pause kurz im Secondhand-Shop. Hab den Hausmeister mit einem Schokoriegel bestochen, damit er mich rauslässt.“

Miran schüttelte ungläubig den Kopf. Deshalb hatte sie ihre Schwester in der Mittagspause nicht gefunden. Zuvor hatten sie unterschiedliche Kurse gehabt.

Immernoch geschockt ließ sich die Jüngere auf ihr Bett fallen und schmiss dabei die große Stoffschere runter, die mit einem lauten Klacken auf dem Parkettboden aufschlug. Doch sie kümmerte sie nicht darum. Stattdessen griff sie nach ihrem Buch und begann zu lesen, während ein leises, rhytmisches Geräusch ihr signalisierte, dass ihre Schwester eifrig am Nähen war.

Miran fragte gar nicht erst, woher sie das konnte. Ihre Schwester hatte einfach Talent dafür.
 

Sie wusste nicht mehr, wann ihre Schwester ins Bett gegangen war. Irgendwann war Miran einfach auf ihrem Buch eingenickt. Erst das Zwitschern der Vögel riss sie aus ihrem Schlaf. Sie blinzelte zweimal und blickte aus dem offenen Fenster. Sie mussten am Vorabend vergessen haben, die Gardinen zuzuziehen.

Ein hellblau-roter Schleier lag über dem Vorhof und einige Spatzen saßen auf ihrem Balkon. Der war ihr im Übrigen noch gar nicht aufgefallen.

Langsam stand die Grünhaarige auf und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Sie öffnete die Balkontür und machte einen Schritt nach draußen. Der Morgen war angenehm frisch und die Luft angenehm und sauber. Miran streckte sich einmal ausgiebig. Etwas in ihrem Rücken knackte. Dann stützte sie sich am Geländer ab und sah auf das Stadion. Oben auf dem Dach konnte man schemenhaft einige Gestalten erkennen, die dort anscheinend ihre Runden drehten. So sehr die Grünhaarige Sport auch liebte, Laufen mochte sie gar nicht. Deshalb beneidete sie die Wesen auch kein bisschen. Sie seufzte einmal tief. Ein paar der Läufer waren auf der Seite des Daches stehengeblieben, die zu ihr zeigte. Sie schienen irgendwo in ihre Richtung zu starren. Der eine stupste einen anderen an und machte eine Bewegung zu ihr hin.

Interessiert untersuchte das Mädchen ihre Umgebung, was denn da so interessant sein könnte.

„Möchtest du nicht lieber reinkommen?“

Erschrocken zuckte Miran zusammen und drehte sich zu der Stimme um, die sie angesprochen hatte. Taride stand hinter ihr in der Tür und zupfte sich grade einen Stofffetzen aus dem Haar. So wie ihr Gesicht aussah, war sie gar nicht ins Bett gekommen, sondern hatte auf der Nähmaschine geschlafen.

„Dir auch einen guten Morgen. Hier draußen ist es herrlich!“ Sie breitete die Arme aus und grinste. Auch auf Terrys Zügen bildete sich ein verschlafenes Lächeln.

„Dann solltest du dir wenigstens was anziehen. Du hast schon einige Fans.“

Die Ältere nickte Richtung Stadiondach. Verwirrt drehte Miran sich um und sah dann an sich herunter. Sie trug tatsächlich nur ihre Unterwäsche.

Nachdem sie sich von dem Schock erholt hatte, sprang sie an ihrer Schwester vorbei ins Zimmer und schloss ruckartig die Balkontür und die Gardinen.

Schwer atmend und mit hochrotem Kopf, ließ sie sich auf ihr Bett fallen, während ihre Schwester sich beinahe kringelig lachte.

„Haha~ Das schaffst auch nur du, Miri! Super! Du hast mir den Start in den Tag versüßt~!“

„Sehr witzig.“ Murrte die Jüngere und warf ein Kissen nach ihrer Schwester, welches sie prompt im Gesicht traf, ihre Laune aber nicht ansatzweise verschlechterte.

„Komm schon. Nun aber hopp aus den Federn. Es ist schon-..“ Taride warf einen Blick auf die Weckeruhr. „..- viertel vor acht.“

„Verdammt!“ Wie von der Tarantel gestochen, flitzten die Schwestern zum Kleiderschrank und wühlten sich schnellstmöglich etwas Passendes zum Anziehen raus. Im Endeffekt landeten sie beide bei dem gleichen, schwarten Kleid, aber das störte sie recht wenig. Die einzigen, die ein Problem damit haben könnten, waren schließlich die anderen, die sie jetzt schwerer auseinanderhalten können würden.

Am späten Nachmittag saß Taride wieder eifrig an ihren Näharbeiten, während Miran in ihrem Ballettdress durch das nahegelegene Einkaufscenter huschte. Ihr Balletttraining war gerade beendet, doch wie sie sich schon dachte, hatte sie keine Zeit, sich noch umzuziehen. Sonst hätte sie es niemals geschafft, alles zu besorgen.

Während sie gerade in der Kinderabteilung stand und sich fragte, wozu ihre Schwester einen aufblasbaren Gummireifen brauchte, ertönte der Gong mit der Ansage, dass die letzten Besucher des Einkaufscentrums sich doch bitte demnächst bei der Kasse einfinden möchten.

Schnell griff sie sich einen blauen Ring mit rosanen und gelben Blümchen und eilte Richtung Gemüse- und Obstabteilung, um auch das restliche Proviant noch besorgen zu können.

„Thran, das zieh ich bestimmt nicht an!“

„Komm schon, Brüderchen. Es steht dir hervorragend!“

„Es ist lila und ROSA…“

„Aber die anderen Farben waren ausverkauft und um noch etwas anderes zu suchen, haben wir nicht die Zeit.“

„Wir können doch morgen nochmal gehen.“

„Meinst du wirklich, dass Aarch uns morgen Ausgang gibt?“

Miran musste bei der Streiterei schmunzeln. Die Stimmen kamen ihr irgendwoher bekannt vor, doch sie konnte sie nicht zuordnen. War ja auch egal. Sie schnappte sich ein paar Äpfel und Mandarinen und eilte zurück zu ihrem Einkaufswagen.

Als sie ihn fast erreicht hatten, bogen zwei Gestalten mit Kapuze aus einem Gang um die Ecke und rannten genau in sie rein. Miran taumelte verwirrt und spürte nur, wie zwei Hände sie daran hinderten, umzufallen.

„Sorry.“

Sie wurde losgelassen und sah dem Unbekannten verwirrt hinterher. Dieser blieb auf halber Strecke stehen und drehte sich nochmal um.

„Ahito, kommst du endlich?“

Erneut verwirrt suchte das Mädchen nach jemandem, der damit gemeint sein könnte und realisierte die andere Kapuzengestalt. Diese kam auf sie zu und drückte ihr ein paar Äpfel und Mandarinen in die Hand.

„Tut mir Leid.“

Dann verschwand er hinter seinem Begleiter.

Immernoch perplex blieb die Grünhaarige stehen, wo sie war und starrte auf das Obst in ihren Armen, bis die erneute Durchsage erklang, dass das Kaufhaus gleich schließen würde.

Auf nach Genesis

„Das kann doch unmöglich dein Ernst sein!“

„Es passt perfekt~!“

Taride hüpfte vergnügt in ihrem Kostüm um ihre frisch eingekleidete Schwester herum. Sie fand ihre Kostüme perfekt gelungen und wenn man es genau betrachtete, konnte man ihr da durchaus zustimmen. Ihr eigenes bestand aus einem rot-goldenen Schutzrock, unter dem sie eine kurze Hose trug und dazu ein blau-schwarz kariertes Shirt und eine rot-goldene Weste. Natürlich durften die Handschuhe zum Schutz vor der scharfen Waffe nicht fehlen. Sie hatte diese für bessere Griffigkeit vorne offen gelassen, sodass ihre Finger normal einsatzfähig waren.

Ihre Schwester lief dagegen etwas freizügiger rum. Ihr Kostüm bestand lediglich aus einem hellblauen, bauchfreien Oberteil mit weiß-goldenem Schulterschutz und einem weiß-goldenem Schutzrock, unter dem sie gnädigerweise eine hellblaue Strumpfhose tragen durfte. Natürlich durften auch bei ihr die Handschuhe nicht fehlen, aber dieses zusätzliche Kleidungsstück hielt die Jüngere nicht davon ab, sich lautstark zu beschweren.

Miran hatte bereits Argumente wie, 'das wäre nicht jugendfrei', 'viel zu kalt und jeder könnte ihren Speck sehen' gebracht, doch Taride ließ sich nicht erweichen.

Das schlimmste daran war, dass sie auch noch beschlossen hatte, die Kostüme gleich anzulassen und mit ihnen im Shuttle zum Treffpunkt zu fahren.

„Hör auf zu maulen und komm endlich!“ Man hörte Terry an, dass sie vor Vorfreude beinahe platzte. Das konnte Miran sich durchaus vorstellen. Aber trotzdem. Sie hätten sich ihrer Meinung nach auch da umziehen können.

„Hier, vergiss die nicht.“ Im nächsten Augenblich drückte die Langhaarige ihrer Schwester zwei Pappdinger oder so in die Hand. Bei näherem Betrachten erkannte Miran einen großen Schild, der sie bestimmt halb verdeckte und einen Streitkolben der aussah, als wäre er aus vier kleinen Särgen gemacht worden, genau wie ihre Waffe im Spiel. Ihre Schwester selbst, hatte sich ein schwarz-rotes Zweihandschwert auf den Rücken geschnallt und schlüpfte gerade in ihre Kriegerstiefel. Unglaublich, dass sie auch noch passendes Schuhwerk gefunden hatte.

Resignierend schnallte sich die Jüngere nun auch ihren Schild auf den Rücken und schlüpfte in ihre weiß-goldenen Stiefel. Dann schnappte sie sich noch ihre Provianttasche.

Taride führte sie an, Richtung Shuttlestation. Das Treffen würde auf Genesis stattfinden. Einem riesigen, erbauten Planeten in Form eines Sterns, der sowohl das größte Fußballfeld der Galaxie, als auch ein riesiges Einkaufsparadies, Hotels und sogar einen Vergnügungspark beinhaltete.
 

Schüchtern versuchte Miran sich so in ihren Sitz im Shuttle zu setzen, dass möglichst wenig ihrer freien Haut zu sehen war. Normalerweise machte es ihr nichts aus, freizügig rumzulaufen, aber in diesem Aufzug hielten sie sicher alle für einen Freak und sie wollte nun nicht unbedingt von einem Kerl angebaggert werden, der auf freizügige Freakinnen abfuhr.

Taride hingegen saß relaxed in ihrem Sitz und strahlte immernoch vor Freude. Ab und zu wippte die Sitzbank, was daran lag, dass sie aufgeregt auf und ab hibbelte. Gleich würde sie alle ihre Gildenkameraden privat kennenlernen, ihren Gildenboss heiraten und vielleicht sogar einen Krieg gegen eine verfeindete Gilde führen. Und das live und in Farbe! Das würde ganz sicher super werden.

Ab und zu wanderte ihr Blick erst stolz an ihrem Kostüm und dann an dem ihrer Schwester herunter, ob sie auch alles so wie im Spiel hinbekommen hatte. Dann nickte die Ältere zufrieden und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Die merkwürdigen Blicke der anderen Passagiere störten sie nicht. Sie nahm sie nichtmal wirklich wahr.
 

Nach einiger Zeit, hatte auch Miran sich an die schiefen Blicke der Leute gewöhnt und entspannte sich ein wenig. Sie sagte sich immer wieder, sie solle sich vorstellen, sie wäre in einem Theaterstück. Da guckte einen auch jeder an und man trug eventuell noch albernere Klamotten.

Die Fahrt dauerte drei Stunden, dann wurde endlich das Genesis-Stadion als Haltestelle angesagt und die Zwillinge schnappten sich ihre Taschen. Erst beim Aussteigen hatte die Jüngere wieder einen Kloß im Hals. Dort draußen waren sicherlich viele Leute, unter denen sie auffallen würden. Fast schon hielt sie den Atem an, als sie den Fuß hinter ihrer freudig hüpfenden Schwester hinausstellte und den Planeten betrat.

Beide waren sie noch nie auf Genesis gewesen. Der erste Eindruck war gigantisch! Der sternenförmige Planet war in etliche Etagen unterteilt, überall wuselten Leute rum und schwebende Taxen fuhren auf Luftautobahnen durch die Gegend.

Und die beiden fielen kein Stück auf. Hier liefen Menschen in allen möglichen Klamottenkombinationen rum. Und nicht nur Menschen, sondern auch Wambas, Lightnings, Shadows, Rikers, Psyclops und was es noch so alles gab.

An einem anderen Shuttleeingang hatte sich gerade eine große Menschenmenge verteilt und wartete anscheinend auf die Snowkids, die heute auf dem Planeten ankommen würden. Jedenfalls verriet dies die große Leuchttafel, die am Himmel oder was das war, ihre Kreise zog.

Die Zwillinge nahmen dies zur Kenntnis, beachteten den Umstand allerdings nicht weiter. Nur Miran machte sich ein gedankliches Memo, dass der Galactik Footballcup bald richtig los ging und sie ihn dann wieder gucken würde, während Taride sie hinter sich herzog.

Miran hatte keinen Plan, woher ihre Schwester wusste, wo sie hin mussten. Sie hätte sich mit ihrem miserablen Orientierungssinn hier niemals zurecht gefunden und wäre wahrscheinlich irgendwann heulend auf dem Boden zusammengesunken, weil sie sich heillos verlaufen hatte. Aber die Ältere fand die Wege, als hätte sie sie schon etliche Male beschritten. Wobei die Kurzhaarige ihr auch zutrauen würde, dass sie die Konstruktionspläne von Genesis auswendig gelernt hatte.

Irgendwann, nach einem fast unendlichen Fußmarsch, standen sie vor einem hübschen Hotel am Rande des Genesiswaldes, in dem das Treffen stattfinden sollte. Eigentlich stand dort groß und breit und in allen möglichen Sprachen, dass das Betreten des Waldes verboten war, aber Taride hatte Miran erklärt, dass sie mithilfe eines Holo-Rooms direkt in die Spielwelt übertragen werden würden. Der Startpunkt wäre halt nur der Genesiswald oder eine Gegend, die so aussah.

Dann mussten sie sich halt wie im Spiel die Ports suchen, mit denen sie zu ihrem Treffpunkt gelangen würden. Das wäre halt derselbe weg, im virtuellen Spiel auch. Miran nickte nur und nahm sich vor, ihre Schwester nicht aus den Augen zu verlieren, weil dann wäre sie verloren.

Der Herr am Empfang war ziemlich nett und wies ihnen auch gleich ihr Zimmer zu. Natürlich bezogen sie ein Doppelzimmer, denn zwei getrennte konnten sie sich nicht leisten und sie waren es ja eh gewohnt, zusammen in einem Zimmer zu schlafen.

Diesmal räumten sie ihre Taschen nicht aus, denn sie würden für das Wochenende aus dem Koffer leben. Für die paar Tage lohnte es sich nicht, die Sachen extra in den Schrank zu räumen. Überhaupt würden sie ja wahrscheinlich die meiste Zeit im Holo-Room verbringen und waren deshalb wenig auch ihre Klamotten angewiesen.

Ungeduldig schaute Taride auf die Uhr, während sie darauf wartete, dass ihre Schwester endlich ihren Klogang erledigte. Es war schon kurz vor 20 Uhr und um 20 Uhr wollten sie sich treffen. Sie hatten nochnichteinmal die Pflichtunterweisung für den Holo-Room hinter sich gebracht und würden nun sicherlich zu spät kommen.

„Man, beeil dich mal, Miri! Wir sind so schon spät dran!“

Ein genervtes Seufzen ertönte und kurz darauf hörte man die Klospülung und das Waschbecken.

„So, ich bin fertig. Auf in die Schlacht.“ Miran versuchte so viel Begeisterung wie möglich aufzubringen und es hörte sich tatsächlich einigermaßen überzeugend an. Sie eilte ihrer in flinkem Schritt vorausgehenden Schwester hinterher.

Als sie den Raum betraten, in dem der Holo-Room stand, war dieser fast leer. Wahrscheinlich befanden sich die meisten schon im Spiel. Nervös musterte Miran den großen, weißen Kasten in der Mitte des Raums, während Taride schnurstracks drauf zuging, sodass ein Wachmann sie festhalten musste.

„Sind sie bereits eingewiesen?“ Taride nickte eilig. Sie hatte sich bereits alle Informationen zu dieser Gerätschaft durchgelesen. Und auch wenn sie dies nicht getan hätte, bestand kein Zweifel daran, dass sie die Tricks und Regeln innerhalb von wenigen Minuten draufgehabt hätte.

Doch Miran schüttelte schnell den Kopf und so verwehrte der Wachtmann den beiden den Eintritt, verfrachtete sie auf eine Sitzbank und drückte ihnen ein Infoheft in die Hand.

Taride überflog das Heft und wartete dann ungeduldig darauf, dass ihre Schwester fertig wurde. Man konnte ihr ansehen, dass sie am liebsten schon vorgegangen wäre, aber die Schwestern hielten zusammen.

Miran versuchte auch echt sich zu beeilen, das meiste war allerdings unverständliches Zeug für sie. Wichtig war, dass sie sich innerhalb der Welt mithilfe von Ports in andere Gegenden teleportieren konnte und jederzeit einen Knopf drücken konnte und wenn sie raus wollte wieder ins Anfangsgebiet kommen musste. Über den Köpfen wurden wohl die Spielernamen, deren Lebenspunkte und Manapunkte angezeigt werden. Wenn sie jemanden heilen wollte, musste sie Blickkontakt zu ihm halten, seinen Namen und die Heilungsart sagen. Wenn jemand keine Lebenspunkte mehr hatte und nicht von einem Priester wiederbelebt werden konnte, wurde er nach zwei Minuten an einen Sammelpunkt geportet. Solange konnte er sich weder bewegen, noch eine Aktion ausführen, außer ‚porten‘ zu sagen und die Wartezeit zum Porten so zu überbrücken.

Man bekam ein Headset mit mehreren Frequenzen, sodass man auf einer mit seiner Gilde, auf einer mit seiner Gruppe verbunden war. Man konnte so auch jederzeit einen Gamemaster herbeirufen oder um Hilfe bitten. Gamemaster konnten sich auch ohne Ports an jede beliebige Stelle des Spiels teleportieren.

„Okay, wir können los.“ Miran atmete tief ein. Eine Sekunde später wurde sie hochgerissen und von ihrer Schwester quer durch den Raum geschleift.

„Wir sind fertig, können wir jetzt los?“

Der Wachtmann sah sie amüsiert an und kramte in einer Box nach ziemlich modern aussehenden Headsets.

„Wie ist ihr Username? Und ihre Gilde?“

„DarkAngel aus der Gilde Asmodin.“ Ungeduldig wippte Taride mit einem Fuß auf und ab. Der Herr drehte ein wenig an dem Headset herum und reichte es dann der Kriegerin.

„Ihr Gildenchat finden sie, wenn sie die 2 drücken, der GM ist auf der 3, auf 1 kannst du einen Gruppenchat installieren.“ Das Mädchen nickte und setzte das Headset auf, während der Kerl sich Miran zuwandte.

„Username? Gilde?“

„Ähm… Samael und ich bin ebenfalls aus Asmodin.“ Der Wachtmann schmunzelte, stellte auch für sie ein Headset ein und öffnete dann mit einem Code die Tür zu dem Holo-Room.

„Ich wünsche euch eine erfolgreiche Reise. Sie werden bereits erwartet.“

Als die beiden in das gleißende Weiß eintauchten, versuchten sie bloß nicht zu blinzeln, damit sie kein bisschen verpassten. Die weiße Tür schloss sich hinter ihnen und für einen kurzen Moment schienen sie im Nichts zu stehen. Dann kamen langsam Strukturen und Farben ins Spiel und sie fanden sich in einer urwaldähnlichen Gegend wieder.

Nicht weit von ihnen entfernt schwebte ein Steinkreis senkrecht in der Luft. In ihm drin war eine grünliche Sphäre zu erkennen. Die war das Portal, welches sie in die ursprüngliche Startstadt des Spiels bringen soll.

Asmodin

Zielstrebig ging Taride auf den Port zu, während Miran ihr zögerlich folgte. Die Welt um sie herum sah wirklich echt aus. Das einzig Ungewöhnliche waren die Namen und Balken über ihren Köpfen.

Taride berührte das Tor mit der linken Hand und bedeutete ihrer Schwester es ihr gleichzutun.

„Porten.“

Wieder verschwanden die Farben und Formen um sie herum und sie schienen in ein merkwürdiges Nichts zu stürzen. Doch der harte Aufprall, den Miran meinte erwarten zu müssen, blieb aus. Stattdessen spürten sie bald wieder festen Boden unter den Füßen und die Kulisse einer Stadt bildete sich um sie herum. Im nächsten Moment vernahmen sie ein freudiges Stimmengewirr, wie auf einem Marktplatz.

Überall liefen Wesen in ihren Kostümen herum. Jäger, Krieger, Priester und Magier unterschiedlichster Level.

„Asmodin trifft sich bei dem Haus am Lager.“ Der ältere Zwilling deutete in eine Richtung und spazierte dann schnurstracks drauf los.

„Meinst du, das ist eine gute Idee? Wir kennen sie doch gar nicht.“

„Was soll hier schon passieren, Miri? Das ist eine virtuelle Welt.“ Taride zuckte mit den Schultern. Aus einiger Entfernung winkte jemand in ihre Richtung und sie winkte aufgeregt zurück.

„Das ist Blacky!“ Und schon lief sie los und ließ ihre Schwester hinter sich zurück. Diese seufzte ergeben und trottete weiter auf die Gruppe zu.

„Hey ihr!“ Taride strahlte in die Gruppe und begrüßte alle wie selbstverständlich mit einer Umarmung.

„Angel, ich habe dich schon sehnsüchtig erwartet, mein Stern.“ Der Junge namens Blacky drückte Taride etwas länger und hob sie kurz hoch. Dabei flüsterte er ihr zu, dass schon alles für ihre Hochzeit arrangiert wäre. Die Kriegerin wurde daraufhin leicht rot.

„Ich heiße im Übrigen eigentlich Julien.“ Miran fand, dass es irgendwie schwul klang, wie er seinen Namen aussprach, so Französisch. Dennoch nahm sie lächelnd die ihr dargebotene Hand entgegen. Im Gegensatz zu ihrer Schwester verzichtete sie darauf, jeden zu umarmen und winkte stattdessen einmal in die Runde.

„Hey, ich bin Samael. Aber ihr könnt mich Sam nennen.“ Von allen Seiten kam eine Begrüßung und wissendes Nicken. Sie zwei waren die einzigen Zwillinge in der Gilde und so hätten die anderen selbst ohne die Namen über ihren Köpfen gewusst, wer sie sind.

„Ich heiße übrigens Taride und das ist meine Schwester Miran.“ Die Langhaarige grinste breit und strich sich eine grüne Haarsträhne aus dem Auge.

„Ein zauberhafter Name.“ Fast schon schnurrend umarmte Blacky Terry von hinten und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Die jüngere Schwester verdrehte nur die Augen. Sie wusste jetzt schon, dass sie wahrscheinlich zukünftig auf sich gestellt sein würde, wenn sie sich nicht die ganze Zeit die Turteleien der beiden antun wollte.

Taride hingegen schwebte immernoch auf Wolke 7. Julien sah nicht gerade schlecht aus in seiner Kriegerrüstung. Seinen Oberkörper bedeckte lediglich eine blau-rote, offene Weste und somit hatte man freie Sicht auf seinen durchtrainierten Bauch. Und er war genauso wunderbar, wie sie ihn sich vorgestellt hatte.

„Hey, Sam.“ Ein blonder Junge trat auf Miran zu. Auf seinen Lippen lag ein schelmisches Grinsen. Er trug ein gelbes Jägerdress und ließ seine Armbrust lässig über seine Schulter hängen.

„Ich bins, Nightmare. Also eigentlich heiße ich Martin, aber wir haben beschlossen, uns hier nur mit unseren Spielernamen zu nennen.“

Miran hob fast erschrocken eine Augenbraue. Nightmare hatte sich jedesmal, wenn sie kurz on gewesen war, an sie herangeschmissen und sie schon bald dazu überredet, eine IG-Beziehung anzufangen. Sie musste zugeben, dass man mit ihm echt gut reden konnte. Er war witzig und verständnisvoll zugleich und außerdem keiner dieser extremen Hardcorezocker. Sie hatte schon öfter gedacht, dass sie gut eine Beziehung führen konnten. Sie hatten ja auch bereits Fotos ausgetauscht und sozusagen eine Fernbeziehung angefangen. Dennoch fühlte sich das Mädchen unbehaglich, jetzt wo er ihr wahrhaftig gegenüber stand.

Sie musste zugeben, dass er echt schöne, braune Augen hatte, aus denen eine angenehme Wärme strahlte. Aber irgendwie blieb das Glücksgefühl aus, welches man ursprünglich empfinden sollte, wenn man seinem Liebsten gegenüberstand.

So lächelte sie etwas unsicher und ließ die kurz darauf folgende Umarmung über sich ergehen.

„Ich finds super, dass deine Schwester und unser Gildenmeister heiraten. Sie passen wirklich gut zusammen. Ich hab mir schon gedacht, dass wir das auch machen sollten.“

Miran schluckte unauffällig. Es war nur eine InGame Hochzeit, aber dennoch fand sie die Idee nicht so prickelnd. Ihr war klar, dass sie eigentlich meinte, dass sie ihn liebte und schob ihren Unmut auf die ungewohnte Umgebung.

„Ich denke, wir sollten erstmal Blacky und Angel den Vortritt lassen.“

Als er ihr zustimmte und wie selbstverständlich ihre Hand griff, musste sie das Bedürfnis unterdrücken, die ihre zurückzuziehen. Aber sie schaffte es ziemlich gut.

„Die Hochzeit wird im Nebelwald auf der Sonnenuntergangslichtung stattfinden. In einer Stunde. So können mein Engel und ich noch alles Nötige besprechen. Bitte seid pünktlich.“

Blacky grinste erfreut in die Runde. Auch Taride lächelte glücklich. Sie hatte sich an seine Brust gelehnt. Aber eigentlich sah man in ihren Augen, dass sie jetzt viel lieber diese Welt erkunden würde und irgendwelche Mobs schlachten. Miran musste bei dem Anblick schmunzeln.

Die Gilde löste sich murmelnd in alle Richtungen auf. Jeweils die von ähnlichen Leveln verschwanden in Richtung ihrer Questgebiete.

Blacky nahm Angel an der Hand und küsste sie kurz auf die Wange.

„Wir müssen uns bei Priesterin Uriel anmelden, mein Liebling.“ Taride nickte. Sie konnte die Augen nicht von ihm wenden und ließ sich so von ihm mitführen.

Nun waren nur Nightmare und Sam übrig geblieben. Nervös stupste Miran ihre Zeigefinger aneinander und wagte es nicht, aufzusehen. Als sie es doch tat, lächelte der Blonde sie lieb an.

„Du hast wahrscheinlich wenig Lust, jetzt irgendwelche Monster zu töten, oder? Deine Schwester hat dich doch sicher hierher geschleppt.“ Er grinste. „Nun, ich bin auch nur hier, weil ich dich sehen wollte.“ Er ging voraus zu einem der Portale. Seine Hände hatte er hinter seinem Kopf verschränkt. Seinem schlendernden Schritt nach zu urteilen, war er sich sicher, dass sie ihm folgte.

Irgendwie war er ihr plötzlich sehr sympathisch. Miran atmete einmal tief ein und folgte ihm dann.

Die Stunde bis zu Hochzeit verging viel schneller, als Taride es sich vorgestellt hatte. Blacky bot ihr an, dass sie noch ein Hochzeitskleid kaufen gehen konnten, doch sie lehnte es ab. Sie wollte schließlich nicht umsonst nächtelang ihre ganze Handfertigkeit in ihr Kostüm gesteckt haben. Die beiden hatten Glück. Bei Priesterin Uriel war tatsächlich zu der gewünschten Zeit noch ein Termin frei. Solange setzte sich das Pärchen auf den Rasen und kuschelte.

„Ich hab so lange darauf gewartet, die Spielerin hinter meiner tollkühnen Kriegerbraut kennenzulernen und ich muss sagen, du übertriffst all meine Erwartungen.“

Blacky strich dem Zwilling das lange, grüne Haar zur Seite und hauchte ihr einen Kuss in den Nacken. Eine Gänsehaut lief dem Mädchen über den Rücken.

Lächelnd drehte sie sich in seinem Schoß so, dass sie ihm in die Augen sehen konnte. Sie legte ihm ihre Arme um den Hals und stupste mit ihrer Nase gegen seine.

„Das kann ich nur zurückgeben.“ Sie zog ihn etwas dichter zu sich heran, meinte ihr Herz aufgeregt gegen ihre Brust schlagen zu hören. Gleich würde sie ihn küssen.

Nightmare und Samael standen vor dem Portal zur Sonnenuntergangslichtung. Der Junge ergriff wieder die Hand seiner Freundin und lächelte sie an. Miran errötete ein wenig.

„Bist du schon aufgeregt? Immerhin heiratet deine Schwester gleich.“

„Ein wenig schon, ja. Ich weiß nicht, ob sie das Richtige tut.“ Der jüngere Zwilling betrachtete nervös ihre Füße. Sie hatte ja schon immer gedacht, dass ihre Schwester zu weit mit ihrer Spielsucht ging, aber eigentlich war gegen so eine virtuelle Hochzeit ja nichts einzuwenden. Nur sie kannte diesen Kerl ja eigentlich gar nicht.

Völlig in ihre Gedanken versunken, bemerkte sie nicht, wie Nightmare ihr immer näher kam. Erst als er eine Hand unter ihr Kinn gelegt hatte und es anhob, blickte sie verwundert in seine haselnussbraunen Augen.

„Ich liebe dich, Sam. Du bedeutest mir sehr viel.“

Er wollte seine Lippen auf ihre legen, sie küssen, aber im letzten Moment fand das Mädchen die Kontrolle über ihren vor Schock erstarrten Körper wieder und befreite sich aus seinem Griff.

Im nächsten Moment bereute sie es fast, als sie den verletzten Ausdruck in seinen Augen sah.

„Es t-tut mir Leid.“

„Ist schon gut. Du empfindest halt nicht so für mich.“ Er wandte sich ab und bemühte sich, sie nicht anzusehen. „Ich hab das schon gewusst, als ich dich vorhin begrüßte.“

Er lächelte schief und deutete dann auf das Portal.

„Lass uns gehen, ja?“

Schuldbewusst nickte Miran und berührte das Portal. Sie suchte nach den richtigen Worten, aber was er sagte stimmte, sie konnte es nicht abstreiten. Der Strudel erfasste sie wieder und zog sie auf die verabredete Lichtung.

„Hey, Blacky, Taride. Das solltet ihr euch für die Zeremonie aufsparen. Jetzt kommt endlich! Sonst verpasst ihr eure eigene Hochzeit.“

Erschrocken sahen die beiden auf. Vor ihnen stand Aria. Sie gehörte mit zu den alteingesessenen der Gilde und war eine hervorragende Magierin. Und sie stand auf Blacky, wie Taride wusste. Desto böser war ihr Blick, mit dem sie nun versuchte, das Mädchen zu vertreiben.

Statt des eben noch ersehnten Kusses, beugte sich der Gildenmeister nun vor und gab seiner Verlobten einen Kuss auf die Wange.

„Wir sehen uns am Altar, meine Schöne.“ Leichtfüßig rappelte er sich auf und verschwand zwischen den Baumreihen. Aria grinste der Kriegerin selbstsicher zu und folgte dem Bräutigam. Neben dem Portal bildeten sich einige neue Gestalten, unter anderem auch Tarides Zwillingsschwester, auf die sie nun erfreut zulief und in eine enge Umarmung zog.

„Miri, ich bin so aufgeregt.“

Die übrigen Gildenmitglieder schmunzelten und gingen schonmal vor, während Miran die Umarmung ihrer Schwester herzlich erwiderte.

„Das wird bestimmt super. Kopf hoch.“ Sie lächelte und strich der Älteren eine Strähne aus dem Gesicht. „Du siehst fantastisch aus.“

„Sag mir, dass es das richtige ist, was ich tue.“

Mirans Mund verzog sich zu einem schiefen, unsicheren Lächeln. Ihre Schwester wusste eigentlich, wie sie über diese Hochzeitssache dachte. Doch die ertönende Musik von der Lichtung rettete sie vor einer Antwort.

„Mach dich bereit, Braut. Ich husche schonmal rein.“ Die Priesterin drückte ihre andere Hälfte nocheinmal und eilte dann zwischen den Baumgruppen zurück in den Saal.

Unsicher drehte auch Taride sich um und fixierte das warme, orange-gelbe Licht, welches durch die Baumgruppen durchschimmerte. Die Musik hörte sich an, wie der bekannte Hochzeitsmarsch gemischt mit einigen Sequenzen der Spielmusik.

Sie atmete einmal tief ein und aus. Als sie die Augen schloss, spürte sie das Verlangen, endlich den Nervenkitzel des Spiels voll ausleben zu können. Also musste sie das hier möglichst schnell hinter sich bringen. Nein warte, eigentlich wollte sie diese Hochzeit doch! Sie sollte sie genießen.

Mühsam versuchte sie die Vorfreude auf das eigentliche Spiel beiseite zu schieben und sich voll und ganz auf Blacky, ihren gleich-Ehemann zu konzentrieren. Nocheinmal atmete sie tief durch und ging dann in gebührendem Schritt, oder was sie dafür hielt, auf das Licht zu.

Lupinus

Als die Baumgruppen sich lichteten, traute sie ihren Augen nicht. Die Lichtung war tatsächlich so harmonisch, wie sie gedacht hatte. Zu ihrer Rechten und Linken standen ihre Gildenkollegen, sie selbst schritt auf einem sanft-rotem Teppich auf einen Blumenbogen zu, der mit rosanen, weißen und roten Rosen bestückt war und unter dem bereits Priesterin Uriel und Blacky Platz gefunden hatten.

Der Blick des Zwillings wanderte zu ihrer Schwester. Diese bemühte sich, fröhlich zu lächeln. Taride lächelte zurück. Sie wusste, was ihre kleine Schwester von der Aktion hier hielt, es machte ihr aber nichts aus. Sie war schon froh, dass sie überhaupt mitgekommen war. Anscheinend wusste nun auch Nightmare von den Ansichten ihrer Schwester, denn auch sein Gesichtsausdruck wirkte ein wenig gequält, als er ihr zulächelte.

Selbstsicher hob Taride den Kopf und blieb an der Seite ihres Partners stehen. Ihr fiel das schöne, dunkelblaue Haarband auf, welches die Priesterin nonnenartig um ihren Kopf gewickelt hatte. Sie wirkte alt und jung zugleich. Sie war einer der Lieblings-NCPs des Mädchens.

Dem Text, den die Priesterin sprach, hörte sie gar nicht richtig zu. In Gedanken war sie bereits wieder zu den bevorstehenden Schlachten abgeschweift. Erst als es hieß, „Zur Besiegelung dieses besonderen Bundes, möchte ich euch bitten, euren Liebsten jetzt zu küssen. Wer Einwände hat, möge sie jetzt erwähnen oder für immer schweigen.“, erwachte Taride aus ihren Gedanken und wandte sich lächelnd ihrem Ehemann zu.

„Endlich.“ Sie strahlte. Innerlich schwor sie sich, dass diese Aussage auf den Kuss bezogen war, wusste aber insgeheim, dass es auf den Abschluss der Zeremonie zurückzuführen war.

Blacky legte liebevolle eine Hand an ihre Wange und beugte sich zu ihr herunter. Erwartungsvoll schloss das Mädchen die Augen. Doch statt der Lippen ihres fast Angetrauten, spürte sie einen scharfen Luftzug und kurz darauf brach empörtes Geschrei los und man hörte Metall auf Metall schlagen, sowie das Einschlagen abgefeuerte Zauber.

„Die Lupinus!“

Freudig riss die Kriegerin die Augen auf und blickte direkt in die von Blacky. In dem Moment war ihr die geplatzte Hochzeit egal, doch in seinen Augen sah sie deutlich die Wut über die Störung.

Aus dem Augenwinkel sah sie einen weiteren Pfeil auf sie zurasen. Mit einem Ruck schob sie den Gildenmeister beiseite, zog ihr schweres Zweihandschwert und wehrte das Geschoss ab. Der dumpfe Aufprall des Pfeils war noch deutlich in den Armen zu spüren. Der Schütze musste mindestens mit ihr auf einem Level sein. Suchend schweifte ihr Blick über die Lichtung. Jedes Gildenmitglied war bereits in einen Kampf verwickelt. Wo war ihre Schwester?

Da entdeckte sie sie hinter einem großen Stein.

Miran hielt ihren Streitkolben umklammert und versuchte sich hinter ihrem Schild und dem Stein zu verstecken. Das hätte sie nicht für möglich gehalten. Gleich am ersten Abend ein Gildenkrieg. Und das auch noch gegen ihre Erzfeinde. Die Lupinus und die Asmodin konnten sich noch nie leiden. Fourtune, der Anführer der Lupinus, und Blacky waren zu Anfang des Spiels schonmal gegeneinander gerasselt und seitdem gab es ständig Streitereien. Und die Lupinus war mindestens genauso stark, wie Asmodin.

Sie sah ihre Schwester auf sich zueilen. Hoffentlich würde sie sie schützen können. Miran war wegen ihrer Unfähigkeit eine der Kleinsten in der Gilde und hatte wahrscheinlich gegen die wenigsten ihrer Gegner eine Chance.

„Sam! Du musst versuchen, den Angriffen auszuweichen und uns zu heilen! Ohne dich schaffen wir das nicht.“

Strahlend blieb Taride vor ihrer Schwester stehen. Diese lächelte unsicher.

„Du weißt, wie schlecht ich bin.“

„Ich glaub an dich, Schwesterherz. Geh einfach nicht drauf, ja?“

Das hatte Miran sicher nicht vor. Das wär ja der totale Irrsinn, wenn sie hier draufgehen würde. Wäre das nicht Mord, weil sie wirklich hier waren und nicht durch Pixel vertreten wurden? Dennoch nickte sie. Etwas hinter Taride fiel ihr ins Auge, was sich ihnen rasend schnell näherte.

„T-terry-..“ Sie konnte nur noch drauf deuten, da schnellte ihre Schwester schon herum und wehrte den Pfeil ab. Ein Kratzer bildete sich auf ihrem Arm, wo er sie noch gestreift hatte.

„Das tut gar nicht weh, Schwesterherz. Kribbelt nur ein wenig.“ Sie lächelte. „Würdest du mich bitte eben heilen, damit ich mir diesen Mistkerl schnappen kann?“

Taride hatte den Schützen erfasst und es war ganz sicher der gleiche, der auch ihren Kuss verhindert hatte. Seiner Rüstung nach zu urteilen, war er vllt 3 Level über ihr, das sollte sie schaffen. Das einzige Problem war, und das minderte die Erfolgschancen stark, der Schütze war der Gildenmeister der Lupinus persönlich. Und Taride wusste, dass er gut war. Sehr gut sogar. Als Fernkämpfer hatte er so einige Vorteile, sollte sie nicht schnell dicht genug an ihn herankommen.

Während die Ältere schon einen Schlachtplan austüftelte, überlegte die Jüngere, wie sie denn nochmal heilen konnte. Irgendwann fiel es ihr wieder ein. Sie sah ihre Schwester genau an, erwähnte ihren Spielernamen und fügte ein ‚heilen‘ hinzu. Über dem Kopf der Kriegerin erschien eine grüne Zahl und der Balken mit ihrer Lebensenergie füllte sich wieder auf.

Auch der Kratzer an ihrem Arm verschwand. Miran lächelte stolz.

„Dann wollen wir mal.“

Taride lief flink und im Zick-Zack-Kurs auf den Bogenschützen zu, sprang stark vom Boden ab, bevor sie ihn erreichte und hob ihr Schwert über den Kopf. Sie hatte darauf geachtet, dass sie die Sonne in ihrem Rücken hatte, so konnte Fourtune sie nicht sofort erkennen.

Er schaffte es dennoch, seinen Bogen hochzureißen und den Angriff der Kriegerin abzuwehren.

„Du wagst es, hier einfach so reinzuplatzen und meine Hochzeit zu zerstören?“ Taride löste ihr Schwert von seinem Bogen und holte erneut aus. Dabei schaffte er es, ein wenig Abstand zwischen ihnen zu schaffen und einen Pfeil abzuschießen.

„Wer würde dich schon heiraten wollen.“

Er grinste. Das spaßige, herausfordernde Funkeln in den tiefblauen Augen ihres Angreifers, freute das Mädchen. Endlich jemand, der das Spiel genauso sah, wie sie selbst. Der Gildenmeister und sie waren sich im Spiel noch nie direkt begegnet und sie wollte ihn immer schonmal kennenlernen, da er aus Blackys Erzählungen sehr interessant herüberkam. Und nun hatte sie tatsächlich das Vergnügen, gleich gegen ihn zu kämpfen.

Und die Gerüchte stimmten. Er war wirklich gut. Parierte fast alle ihre Angriffe und schaffte es trotzdem noch zu kontern.

Miran versuchte sich währenddessen so unauffällig wie möglich über das Schlachtfeld zu bewegen. Da sie Angst hatte, zu nah ans Geschehen heran zu kommen, schlich sie am Rand der Lichtung herum und achtete nur darauf, gerade noch so in der Reichweite ihres Heilungszaubers zu sein. Hin und wieder heilte sie einen ihrer Kameraden.

Doch am spannendsten fand sie den Kampf von ihrer Schwester mit Fourtune. Dabei achtete sie nicht mehr darauf, wo sie hintrat, bis sie gegen einen dicken Baum lief.

*Autsch* Vorsichtig rieb sie sich die schmerzende Stirn. Das würde sicherlich eine ordentliche Beule werden.

Sie wollte gerade weitergehen, als sie etwas lilanes im Gras entdeckte. Neugierig lief sie ein Stück um den Baum herum und entdeckte einen Menschen.

Da lag doch tatsächlich jemand und schlief! Um genau zu sein, ein Junge in Magierkleidung. Taride hätte sicher sein genaues Level sagen können, aber Mirans Wissensstand nach, konnte er nicht viel höher vom Level her sein, als sie selbst.

Ihr Blick wanderte zu dem Namen über seinem Kopf. Silverpoint. Sie runzelte die Stirn und hielt dann erschrocken die Luft an, als sie seinen Gildennamen las. Er war ebenfalls von der Lupinus.

Schnell ging sie einige Schritte zurück und wollte schon weglaufen.

Dann blieb sie zögernd stehen. Was war, wenn er aus dem Hinterhalt angreifen sollte? Das konnte sie nicht zulassen. Sie umklammerte fester ihren Hammer.

Der Junge hatte sich immernoch nicht gerührt. Vielleicht könnte sie ihn einfach Schaden, ohne dass er es merkte. Es sollte laut ihrer Schwester ja gar nicht wehtun.

Zögerlich hob Miran ihren Hammer und kniff die Augen zusammen. Sie konnte ihn doch nicht einfach hauen, oder? Mit erhobenem Hammer hielt sie inne. Gerade überlegte sie, doch einfach wegzugehen, als der Schlachtlärm wieder zu ihr durchdrang. Die da draußen kämpften auch. Also sollte sie sich nicht so anstellen. Augen zu und durch.

Der Zwilling kniff die Augen zusammen und ließ den Hammer auf den Jungen niedersausen.

Niederlage

Kurz bevor der Hammer sein Ziel treffen konnte, begann Miran an ihrer Entscheidung zu zweifeln.

Doch es war zu spät. Sie konnte den Schwung ihrer Waffe unmöglich noch aufhalten. Mit zusammengekniffenen Augen wartete sie auf das Gefühl des Aufschlags, welches sie an dem abrupten Stoppen des Hammers und dem leichten Vibrieren in seinem Griff spüren würde. Aber es blieb aus. Stattdessen wurde das Mädchen von den Füßen gerissen und schien dem eigenen Schwung unterlegen. Erschrocken riss der Zwilling die Augen auf, schloss sie jedoch sogleich wieder, als sie registrierte, dass ihr der Erdboden immer näher kam.
 

Eine Kraft an ihrem rechten Handgelenkt, zog sie an diesem Richtung Himmel, sodass sie sich im Sturz halb drehte. Dennoch kam der Aufprall unsanft und sie musste die Zähne zusammenbeißen.

Ihre Atmung war vom Schock erhöht und sie spürte, wie ihr Herz schnell in ihrem Brustkorb schlug. Im Geiste prüfte sie jeden Muskel und jede Faser ihres Körpers, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Erleichtert seufzte sie auf, als sie keine weiteren Schmerzen fand. Nur ein merkwürdiges Gewicht um ihr Handgelenk und über ihrem rechten Oberschenkel verunsicherte sie und brachte die Grünhaarige dazu, langsam die Augen zu öffnen.
 

Was sie sah, erstaunte sie nur noch mehr, obwohl sie schon beinahe damit gerechnet hatte. Über ihr hockte der eben noch im Gras liegende Magier. Er gähnte einmal ausgiebig und sah dann zu ihr herunter. Ein triumphierendes Grinsen umspielte seine Mundwinkel und der Schalk blitzte aus seinen Augen.

„Netter Versuch.“
 

Miran blinzelte. Mit leichtem Druck an ihrem Handgelenk, brachte er sie dazu, ihren Hammer fallen zu lassen. Sie registrierte dies nur am Rande, sah sich verwirrt in der Gegend um. In geringer Entfernung konnte sie das Schlachtfeld sehen und wie ihre Schwester immernoch voller Elan mit dem Anführer der Lupinus kämpfte. Ein kleines Leuchten aus dem Augenwinkel wies sie darauf hin, dass der Magiestab ihres eigenen Gegners locker an dem Baum gelehnt war, an dem der Junge gerade noch geschlafen hatte.

Als sie ihm wieder ins Gesicht sah, merkte sie, dass er sie nachdenklich musterte. Dann kehrte sein Grinsen zurück.

„Du bist doch die, die gerne mit runden Gegenständen nach unschuldigen Passanten wirft.“ Ein fröhliches Lachen entsprang seiner Kehle. Erneut legte sich ein verwirrter Gesichtsausdruck auf die Züge des Mädchens. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

Das Gewand des Magiers war pink und lila. Der Junge aus dem Supermarkt hatte sich doch darüber beschwert. Und nun erkannte sie ihn auch. Sein Bruder und sein Kumpel hatten ihr beim Aufsammeln der Gymnastikbälle geholfen.

Eine verlegene Röte legte sich auf ihre Wangen.

„Sieht ganz so aus.“

Sein Lachen versiegte langsam und er grinste sie wieder an.

„Ich hätte nicht erwartet, dass wir uns irgendwann mal als schlimmste Feinde gegenüber stehen, Samael.“ Sein Blick war auf ihren Usernamen und die Gildenbezeichnung über ihrem Kopf gefallen. Ihr fielen seine tiefblauen Augen auf und sie merkte erst, dass sie ihn anstarrte, als er amüsiert zurückschaute.

„Ich auch nicht.“ Sagte sie schnell und überlegte, ob sie ihm erklären sollte, dass sie ein absoluter Noob in diesem Spiel war. Vielleicht würde er sie dann verschonen.
 

Der Magier gähnte einmal ausgiebig und ließ dabei ihr Handgelenk los, um sich zu strecken.

„Nun, um ehrlich zu sein, hab ich keine Ahnung von dem Spiel und bin nur wegen meinem Bruder hier.“ Er stützte die Arme neben ihrem Gesicht ab und schmunzelte. „Allerdings kann ich dich auch nicht laufen lassen, da er sich sonst sicher nachher darüber beschweren und mich so um meinen Schlaf bringen würde. Also entschuldige bitte, aber du wurdest gerade zu meinem Gefangenen und Kopfkissen degradiert.“

Mit einigen weniger geschickten Bewegungen, kuschelte er sich so auf das Mädchen, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Sein Kopf lag an ihrer Halsbeuge und sie spürte seinen rhythmischen Atem über die Haut an ihrem Hals streichen. Allem Anschein nach, war er sofort eingeschlafen.

Schlagartig wurde sie noch roter und verspannte sich am ganzen Körper. Wie konnte er es wagen? Na anscheinend ging es ganz leicht. Und was sollte sie jetzt tun?

Verzweifelt blickte sie zum Schlachtfeld herüber. Ihre Schwester würde ihr nicht helfen können. Sie steckte immernoch mitten in einem Kampf.
 

Mühsam reckte sich der jüngere Zwilling nach ihrem Hammer, aber er lag so ungünstig, dass sie ihn nicht erreichen konnte. Währenddessen drückte das Schild um ihren anderen Arm unangenehm in ihr Fleisch. Resignierend seufzte sie auf. Warum musste dieser Kerl auch so schwer sein?

Bei dem Gedanken bewegte sich dieses Gewicht leicht und schlang einen Arm um ihre Hüfte. Erschrocken wurde der Priesterin ihre knappe Kleidung gewahr. An den Stellen, an denen seine behandschuhte Hand ihre nackte Haut streifte, breitete sich unwillkürlich eine Gänsehaut aus. Miran versuchte dieses Gefühl der Erregung zu unterdrücken. Immerhin kannte sie den Typen gar nicht. Er sah nicht schlecht aus, das gab sie zu, aber sie befanden sich dennoch in diesem verdammten Computerspiel. Erneut schoss ihr die Röte ins Gesicht, als sie darüber nachdachte, ob es auch als Cyber-Sex zählen würde, wenn sie jetzt… Schnell wischte sie den Gedanken beiseite.
 

„Das liegt alles an den Hormonen, die in deinem Körper ausgeschüttet wurden, weil ein männliches Wesen auf die liegt.“ Flüsterte sie sich zu und versuchte ihn anzusehen. „Ein gutaussehendes, männliches Wesen.“ Sie kräuselte die Stirn. Eigentlich hatte es sie noch nie interessiert, wenn ein männliches Wesen ihr nähergekommen war. Sie hatte sie immer abblitzen lassen. Für eine Beziehung meinte sie keine Zeit zu haben und das würde sich so bald auch nicht ändern. Man hatte es ja gerade erst wieder bei Nightmare gesehen. Kaum standen sie sich persönlich gegenüber, war es aus mit ihrer ‚Beziehung‘.
 

„Miri, wo zum Teufel bist du?“
 

Die Stimme ihrer Schwester ließ Miran aus ihren Gedanken aufschrecken. Hoffnungsvoll sah sie sich um.
 

„Terry?“
 

„Nein, die Waldfee. Natürlich ich. Wo bist du?“
 

Erst jetzt fiel dem jüngeren Zwilling das Headset wieder ein. Kein Wunder, dass sie ihre Schwester nicht sah.
 

„Ich liege am Waldrand.“
 

Eine kurze Stille folgte.
 

„Alle kämpfen tapfer und DU LEGST DICH HIN?“
 

Man hörte den Ärger und den Unglauben des älteren Zwillings sogar durch die Verzerrung des Headsets.
 

„So ist es nicht…“
 

Miran vernahm näherkommendes Fußgetrappel und hörte Metall auf Metall schlagen. Dann befand sich ein näherkommender Pfeil in ihr Sichtfeld und kurz darauf wurde dieser von den Beinen ihrer Schwester verdeckt. Ein weiteres Klirren und dann drehte sich ihre Schwester zu ihr um.

Unglauben lag in ihrem Gesicht.
 

„WAS machst du da?“
 

Sie hob skeptisch eine Augenbraue, checkte den Namen und die Gilde des pinken Magiers. Dann legte sich ein fast stolzer, aber auch belustigter Ausdruck in ihre Augen.

„Sag bloß, du hast ihn K.O. geschlagen und er ist auf dich gefallen und nun kannst du dich nicht befreien.“
 

Miran grinste zerknirscht. „Er schläft.“
 

Ein dumpfer Aufprall kündigte einen weiteren Ankömmling an. Kampfbereit wirbelte Taride herum, ehe sie auf die Aussage ihrer Schwester reagieren konnte. Es war der Bogenschütze. Doch anstatt sie anzugreifen, hatte er seinen Bogen über den Rücken geschnallt und hielt sich vor Lachen den Bauch.

Das Fragezeichen, welches sich in Tarides Kopf bildete, konnte man fast in der Luft schweben sehen.
 

Fourtune trat dichter an die auf dem Boden liegenden heran und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.

„Das sieht ihm ähnlich.“ Er kniete sich nieder und rüttelte an der Schulter des Schlafenden. „Silverpoint, wach auf. Wir haben gewonnen.“

Der überraschte und verärgerte Ausdruck auf Tarides Gesicht sprach Bände.

„Habt ihr nicht!“

Sie zückte ihr Schwert, doch der Bogenschütze winkte ab. „Ich hätte dich gerade leicht töten können, als du dich von den beiden hast ablenken lassen. Da es inzwischen Gleichstand steht, hätten wir damit gewonnen. Der Gildenkrieg ist damit für heute beendet.“

Der Magier hatte sich inzwischen aufgerappelt und gähnte erneut. Doch die Miene der Langhaarigen versteinerte sich. Wütend funkelte sie den Bogenschützen an, sah aber ein, dass es sich nicht lohnen würde weiterzukämpfen. Sie band ihr Schwert um den Rücken und stolzierte mit vor der Brust verschränkten Armen an den beiden Jungs vorbei.

„Hast du aber nicht.“ Zischte sie, als sie an ihrem Gegner vorbei ging. Das war eine eindeutige Ansage für eine Revanche.
 

„Sam, komm! Wir gehen.“ Sie drehte sich nicht zu ihrer Schwester um, wusste aber, dass diese ihr folgte.

Tatsächlich rappelte Miran sich schnell auf und schnappte sich ihren Hammer. Mit einer Hand, versuchte sie ihre zerzausten Haare ein wenig zu richten. Als sie an den beiden Jungs vorbeiging, die sich genauso glichen, wie sie ihrer Schwester, wurde sie ein wenig rot, wandte sich schnell ab und holte mit eiligen Schritten zu ihr auf.

Dream?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Marmelade

Ein schrilles Geräusch riss die Zwillinge aus dem Schlaf, gefolgt von der Melodie eines klassischen Duetts, welches die beiden derzeit übten.

Kurz darauf flog ein Kissen quer durch den Raum und traf die bereits aufgestandene Taride am Hinterkopf.
 

„Verdammt, Terry! Es ist Wo-chen-en-de! Warum zum Teufel stellst du den Wecker?!“

Miran fühlte sich, als hätte sie seit einer Ewigkeit nicht geschlafen und ihr Rücken tat ihr weh. Sie musste sich irgendwie verlegen haben. Wütend funkelte sie ihre Schwester an, die quasi das blühende Leben repräsentierte. Sie hatte das Kissen aufgehoben und kam jetzt mit einem unheilvollen Grinsen auf ihre Schwester zu. Als sie nur noch einen Schritt vom Bett entfernt stand, warf sie das Kissen nach ihrer Schwester, sprang zu ihr aufs Bett und kitzelte sie von oben bis unten durch.
 

Die Kurzhaarige hatte dies absolut nicht kommen sehen und war durch das schützende Armheben, um das Kissen abzuwehren, nun schutzlos ausgeliefert.

„Es ist ein wunderschöner Tag, Miri! Warum sollte man da nicht früh aufstehen?“, Taride grinste schelmisch, während ihre Schwester sich unter ihr wand und versuchte, ihren Griffen zu entkommen.

„H-hör auf, Terry!“ Ein erneuter Lachanfall schüttelte das Mädchen und sie schnappte nach Luft. „Ist ja gut, ich steh ja schon auf.“

Als ihre Schwester sie endlich frei gab, grinste die Jüngere.

„Das bekommst du irgendwann zurück.“

„Ich weiß.“

Auch Taride grinste, stand dann auf und verschwand im Bad. Kurz darauf hörte man das Prasseln der Dusche.
 

Miran warf sich zurück in ihre Lacken und breitete die Arme weit aus.

Sie hatte etwas Merkwürdiges geträumt. Eine Wiese tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Was war es nochmal gewesen? Sie grübelte. Es war sehr intensiv gewesen, das wusste sie noch.

Dann, ganz plötzlich, machte es klick und es war, als würde sich der Schleier, der Geträumtes von der Realität trennte, weggerissen.

Schlagartig wurde das Mädchen scharlachrot. Ihre Ohren brannten vor Hitze.

Wie von einer unsichtbaren Macht angestoßen, rappelte sie sich auf und stapfte zu ihrem Schrank. Sie musste unbedingt etwas zur Ablenkung tun.
 

Neben dem Schrank stand der Gitarrenkoffer, den sie und ihre Schwester überallhin mitnahmen. Doch sie brauchte frische Luft. Schnell suchte sie sich ein paar Klamotten aus dem Koffer. Als erstes fiel ihr ein schwarzer, dünner Pullover, mit weiten, geschnürten Ärmeln, sowie ein rot-schwarzer, weiter Rock in die Hände. Nach einem Blick aus dem Fenster, entschied sie, dass sie keine Strümpfe brauchte und zog ein paar schwarzer Stoffballerinas an.

„Ich bin eben draußen!“

Taride drehte kurz die Dusche ab und sah erstaunt zur Badezimmertür, hinter welcher sich ihre Schwester befinden musste. Ab und zu hatte ihre Schwester solch merkwürdige Phasen. Meistens, wenn sie etwas bedrückte. Sie würde sie vielleicht später drauf ansprechen.

„Okay, aber sei pünktlich zum Frühstück zurück!“

Dann drehte sie das Wasser wieder auf, um sich den restlichen Schaum abzuwaschen.
 

Der Mann am Empfang grüßte Miran freundlich und sie erklärte, dass sie ein wenig raus gehen würde. Er nickte gütig und meinte, um 10 würde das Frühstücksbuffet eröffnet.

Dankend verließ Miran das Hotel. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es genau war. Sie wusste nur, dass sie um 9 aufgestanden waren. Aber sie würde schon pünktlich zurück sein.

Der Zwilling hütete sich strickt, sich weit vom Hotel zu entfernen. Ihr mieserabler Orientierungssinn würde dafür sorgen, dass sie sich heillos verlief.

Also ging sie einmal um das Hotel rum, unter dem Schild ‚Betreten verboten‘ hindurch und schlenderte ein wenig durch den Genesis Wald.

So dicht am Hotel würde ihr schon nichts passieren.

Tatsächlich fand die Grünhaarige einen Baumstumpf, auf den sie sich bequem setzen konnte.

Vorsichtig öffnete sie den Gitarrenkoffer. Es war nicht so, dass sie übervorsichtig mit dem Instrument umging, aber dennoch passte sie auf, dass dem guten Stück nichts passierte. Den Koffer ließ sie neben sich liegen und zupfte nun jede Seite einmal an, um zu überprüfen, ob sie auch richtig gestimmt war.

Dann schlug sie einige Seiten zusammen an und spielte ein paar Takte, ehe sie komplett von den Tönen in ihren Bann gezogen wurde. Aus Akkorden entwickelten sich Melodien und dann begann sie einen Liedtext mit zu summen.
 

Taride verließ in ein Handtuch gewickelt das Bad und tapste auf den Kleiderschrank zu. Eine sanfte Brise wehte vom halb geöffneten Fenster zu ihr herüber. Die Luft war spätsommerlich kühl, aber angenehm. Man musste keine Jacke tragen. Das Mädchen griff gerade zu ihrer Kriegerrüstung, es machte ihr nichts aus, damit im normalen Leben gesehen zu werden, da drang eine Gitarrenmelodie an ihr Ohr und sie musste schmunzeln. Da also war ihre Schwester.

Schnell schnappte sie sich ein luftiges T-Shirt und eine weiße ¾-Hose und schlüpfte hinein. In wenigen Schritten war sie am Fenster.

Miran saß direkt unter ihr. Wahrscheinlich hatte sie das gar nicht bemerkt.

Die Melodien, die sie spielte, waren nachdenklich. Irgendwas bedrückte ihre Schwester, das wusste Taride. Sie hatte schon bevor sie das Bad verlassen hatte, im Unterbewusstsein beschlossen, sie zu suchen und ihr Gesellschaft zu leisten.
 

Miran tauchte kurz aus den Tiefen ihrer Gedanken auf und erkannte das Lied, welches ihre Finger wie automatisch angestimmt hatten. Sie mochte es gerne, wusste aber nicht, warum sie es gerade jetzt spielte. Es war schon eine lange Zeit her, seit sie es das letzte Mal gespielt hatte. Sie hob den Blick in den Himmel und wieder schossen einige Bilder ihres Traums ihr in den Sinn.

Warum ließ sie der Traum einfach nicht los? Es war doch klar, dass er nichts zu bedeuten hatte. Dem Jungen war sie erst ein paarmal begegnet. Sie hatte keinerlei Bezug zu ihm. Außerdem hatte sie keine Zeit und keine Lust auf Gefühle und solcherlei Gedanken. *Göttin.* Sie stieß innerlich einen Seufzer aus. Sie setzte nun mehr Ausdruck, fast schon einen ungeduldigen, frustrierten Anschlag an. Die vorher weichen, sanften Töne klangen nun fordernd, bestimmend und auch fragend. Es überkam sie die Lust, einfach ein wenig mitzusingen, auch wenn das eher die Stärke ihrer Schwester war. Diese hatte eine engelsgleiche Stimme, während Miran sich eher als akzeptabel einstufen würde.

Trotzdem setzte sie beim nächsten Refrain an und schloss dabei die Augen.

Just don’t give up, I’m workin‘ it out. Please don’t give in, I won’t let you down. It messed me up, need a second to breathe. Just keep coming around. Hey, what do you want from me? What do you want from me? What do you want from me~?
 

Yeah, it’s plain to see, that baby you’re beautiful. And there’s nothing wrong with you-..

Überrascht öffnete Miran die Augen. Ihre Schwester hatte sich neben sie gesetzt und lächelte sie nun kurz an, als ihre Blicke sich trafen. Sofort war die Jüngere froh, dass Taride hier bei ihr war. Die Stimme ihrer älteren Schwester passte sich perfekt ihrem Rhythmus an und die so schon gefühlvolle Umgebung bekam eine noch persönlichere Note.

It’s me. I’m a freak. But thanks for lovin‘ me, ‚cause you’re doing it perfectly..

Nun grinste auch Miran. Den Rest des Liedes sang Taride, während Miran die Melodie spielte. Als sie endete, schwiegen sie kurz. Miran wusste schon, dass Taride etwas mitbekommen haben musste, deshalb wagte sie es nicht aufzusehen. Zwar war sie sonst immer sehr extrovertiert, aber sie war sich sicher, dass ihr inzwischen schon wieder die Röte ins Gesicht geschossen war.
 

„Alles in Ordnung?“, Taride musterte ihre kleine Schwester von der Seite. Sie könnte wetten, einen rosanen Schimmer auf ihrer Wange wahrzunehmen. Dieses Lied hatte sie lange nicht gespielt.

Die Kurzhaarige seufzte kurz und setzte dann eine weitere, leise Melodie an. Nach einigen Sekunden begann sie dann doch zu erzählen. Sie erzählte von ihrem merkwürdigen Traum, ließ aber wissentlich aus, wer der Junge gewesen war, der darin vorkam. Sie wusste, dass Taride ausflippen würde, weil er ihren Erzfeinden angehörte, auch wenn das nur ein Spiel war.

Die Geschichte trieb der Älteren unwillkürlich ein breites Grinsen ins Gesicht. Ihr fiel natürlich auf, dass ihre Schwester bewusst ausließ, um wen es sich in ihrem Traum drehte, dennoch war sie sich sicher, dass es sich um Nightmare handelte.

„Tja, Miri. Ich würde sagen…“ Sie setzte eine Kunstpause ein und versuchte ihr Ebenbild ernst anzusehen. „..du bist gehörig untervögelt.“
 

Der gewünschte Effekt blieb nicht aus. Mirans Augen weiteten sich geschockt und ähnelten beinahe Untertassen.

„Terry!!“ Und schon hatte sie eine Faust in der Seite. Nun konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und begann herzhaft zu lachen.

Wenige Augenblicke später setzte auch Miran mit ein. Es war echt schwer sich wieder zu fangen, während die andere genauso herzhaft lachte.

Als sie es schließlich doch geschafft hatten sich zu beruhigen, sah Miran Taride gespielt beleidigt an und meinte: „Das ist nicht lustig, Terry.“, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen.

Taride stand unterdessen auf und nickte ebenso grinsend.

„Lass uns frühstücken gehen.“

Schnell war die Gitarre wieder eingepackt und geschultert und die Zwillinge verließen den verbotenen Wald.
 

Der Frühstückssaal war schon gut gefüllt. Taride und Miran schnappten sich ein Tablett und füllten es mit Croissants, Marmelade, Rührei und Frühstücksspeck. Jede nahm sich noch ein Glas Multi-Saft und dann sahen sie sich nach einem freien Platz um.

„Ganz schön voll hier.“ Taride drehte sich zu ihrer Schwester um, doch diese starrte krampfhaft auf ihren Teller. Belustigt hob die Langhaarige eine Augenbraue. „Versuchst du jetzt schon mit der Marmelade zu wahrsagen?“

Verwirrt sah Miran auf, dann grinste sie halb und schüttelte den Kopf.

„Nicht ganz, ich…“

„Guten Morgen!“

Innerlich wünschte die Jüngere sich, dass ein riesiges Loch im Boden sie hier wegbringen würde. Doch sie versuchte sich zusammen zu reißen und lächelte das andere Zwillingspaar, welches gerade auf sie zugekommen war, nett an.

„Wir sind übrigens Thran und Ahito. Und ihr?“

Der, den Taride als Bogenschützen in Erinnerung hatte, streckte ihnen freundschaftlich die Hand entgegen, doch das Mädchen funkelte ihn nur an.

„Wir werden dich nachher fertig machen.“

Sie drehte sich von ihm weg und steuerte auf einen entfernteren, gerade frei werdenden Tisch zu.

Thran zog die Hand weg und sah ihr schulterzuckend nach.

„Schön wärs, aber wir haben heute leider kaum Zeit zum Zocken.“

„Seid ihr nachher auch auf der großen Party von GM Gismo?“, Ahito streckte sich scheinbar beiläufig und sah Miran an. Diese hatte echt Mühe, nicht rot anzulaufen. Sie atmete tief durch und sagte sich, dass es doch Schwachsinn war, so nervös in seiner Gegenwart zu werden, nur weil sie einen intimen Traum mit ihm gehabt hatte. Aber gerade dieser Gedanke machte es nur noch schlimmer.

„Ähm… ich weiß nicht.“ Mit den Worten verschwand sie schnell in der Menschenmenge und ließ zwei verwirrte Jungs zurück.

Gismos Party

„Natürlich gehen wir zu Gismos Party.“

Taride guckte ihre Schwester an, als ob sie sie grad gefragt hatte, ob der Mond gelb war. Diese seufzte resigniert, warf sich rücklings aufs Bett und verdrehte die Augen. Natürlich hatte ihre spielsüchtige Schwester von der Feier gewusst. Das hätte sie sich ja denken können. Aber sie hätte ihr wenigstens davon erzählen können.

Es war inzwischen wieder dunkel draußen. Der ältere Zwilling hatte ihre jüngere Schwester den ganzen Tag durch die Spielwelt geschleppt und diese war jetzt dementsprechend fertig.

„Nicht zu fassen, dass er nicht aufgetaucht ist.“ Und da ging es wieder los. Denn die Langhaarige hatte es sich zu ihrem neuen Hauptgesprächsthema gemacht, sich darüber aufzuregen, dass Fourtune nicht im Spiel aufzufinden war. Auch als sie versucht hatte, ihn privat anzuflüstern, war er nicht auffindbar.

„Ich hab dir doch schon gesagt, dass er meinte, er und Silverpoint hätten heute gar keine Zeit. Wenn du vorhin beim Frühstück nicht so schnell abgehauen wärst, hättest du es noch mitbekommen.“

Miran rappelte sich auf und zog ihre Priestersachen wieder über. Sie hatte ihre Schwester dazu überreden können, vor der Feier noch eine kurze Pause zu machen und sich dann eine Dusche gegönnt.

„Du verstehst das nicht, Miri. Wir müssen morgen schon wieder abreisen und er drückt sich vor einer Revanche, dieser Feigling.“ Taride warf frustriert die Arme in die Luft und ließ sich neben ihrer Schwester aufs Bett plumpsen.

„Du wirst deine Revanche sicher noch bekommen. Vielleicht ist er ja heute Abend da.“

Miran stand jetzt auf und fuhr sich mit der Hand durch ihr kurzes Haar, ehe sie sie ihrer Schwester anbot, um ihr aufzuhelfen.

„Wir können.“

Die ‚Waffen‘ hatten die Zwillinge im Zimmer gelassen, schließlich war das eine Feier und da wäre es unhöflich bis an die Zähne bewaffnet aufzutauchen. Außerdem waren sie in der großen Masse echt unhandlich. Es war wirklich erstaunlich voll und keine der beiden hatte erwartet, dass es sogar etwas zu essen geben würde. Immerhin war das hier eigentlich in einer virtuellen Welt.

Taride schob sich eine Weintraube in den Mund und kaute gespannt drauf rum, während ihre Schwester sie skeptisch musterte.

„Schmeckt super.“ Sie schluckte und hob grinsend den Daumen. Auch die Jüngere musste grinsen.

„Ich hole uns mal etwas zu trinken.“

„Okay, ich warte kurz.“ Taride beobachtete, wie ihre Schwester in der Menge verschwand und sah sich dann einen Glasschrank voller interessanter Medaillen an, die man im Spiel wohl gewinnen konnte.

Miran kämpfte sich derweil zu dem Buffetteil mit den Getränken vor. Es gab natürlich Bowle, Säfte, Sekt, Cola, Fanta und so weiter. Unsicher nahm sie sich zwei Pappbecher, da stieß sie wer von der Seite an.

„Oh, Entschuldige Sam.“

Blacky stand vor ihr und hielt zwei Gläser mit Bowle in der Hand.

„Schon okay.“

Sie sah, wie er sich schnell ein kleines Päckchen in die Tasche schob und mit dem Finger etwas Weißes vom Rand des einen Glases strich.

„Ich wird dann mal.“

Sie nickte, wandte sich ab und entschied sich für Cola. Sorgfältig achtete sie darauf, die Pappbecher nicht zu voll zu füllen, nicht dass sie auf dem Rückweg noch kleckerte.

Dann wollte sie zurück zu ihrer Schwester.

Wie gesagt, wollte.

„Sam! Du bist auch hier!“ Sie hielt inne und sah sich nach der Stimme um, die ihren Ingame-Namen genannt hatte.

„Nightmare.“ Der hatte ihr ja gerade noch gefehlt. Eigentlich mochte sie ihn ja gerne, aber nachdem sie ihm eine Abfuhr erteilt hatte, würde sie einem direkten Gespräch eigentlich lieber aus dem Weg gehen.

„Na das war ja eine großartige Hochzeit vorhin. Warum musste die Lupinus auch da reinplatzen? Das war wieder so ein unfairer Zug von denen, der nur wieder zeigt, dass sie in einem geplanten Krieg keine Chance gegen uns hätte.“

Miran versuchte ein schiefes Lächeln, sie verstand nicht viel von diesem Gildenzeug und wusste eigentlich auch nicht wirklich, warum sie sich bekriegen musste.

Sie ging schonmal zwei Schritte zurück und wollte gerade ansetzen, dass sie zu ihrer Schwester müsse, da spürte sie etwas Warmes im Rücken, dass sie am Weitergehen hinderte.

„Wir können doch nicht zulassen, dass euer verblödeter Gildenchef diese ahnungslose Kriegerin heiratet, ehe sie weiß, was für ein Arsch er wirklich ist.“

Das war ja wie im Film. Miran drehte den Kopf und ihre Vermutung bestätigte sich. Schräg neben ihr stand Fourtune und der lilane Stofffetzen in ihrem Augenwinkel verriet ihr, dass hinter ihr Silverpoint stehen musste.

Der Bogenschütze grinste sie begrüßend an, sah kurz zu seinem Bruder und dann zu dem Mädchen zurück.

„Das Schicksal hats auf euch abgesehen, oder?“

Leicht errötend trat Miran wieder einen Schritt vor, stellte sich neben Nightmare und harkte sich bei ihm unter, wie um zu beweisen, dass es reiner Zufall war, dass sie ständig irgendwelche filmreife Aufeinandertreffen mit dem Dunkelblauhaarigen hatte.

Dennoch schaffte sie es nicht, ihn nicht anzusehen. Ihr Blick klebte förmlich an ihm und sie erwischte sich dabei, wie sie sich fragte, ob er tatsächlich so einen Körper wie in ihrem Traum hatte. Diese Bauchmuskeln und… Okay, Miran, reiß dich zusammen.

Irgendwie schaffte sie es, den Blick loszureißen.

„Unser Meister ist wunderbar. Vor allem ist er kein Angsthase.“

Thran hob eine Augenbraue und sah den Blonden abschätzend an.

„Euer Meister hat sich bei unserem Aufeinandertreffen mit Gegnern befasst, die weit unter seinem Level waren. Die einzige, die wirklich Mumm hatte und mir die Stirn geboten hat, war euer DarkAngel.“

Mirans Blick suchte die Menge nach ihrer Schwester ab. Sie wollte wirklich nicht hier sein, wenn die Kerle jetzt diskutieren mussten. Irgendwann fand sie sie. Blacky war bei ihr. Und sie schienen ausgiebig zu flirten. Natoll. Dann musste sie sich das hier anscheinend noch ein Weilchen antun.

„Angel wartet noch auf eine Revanche mit dir. Sie war echt enttäuscht, dass du den Tag über nicht online warst.“

Irgendwie musste sie sich ja am Gespräch beteiligen. Eigentlich war sie ja nicht schüchtern. Der Angesprochene sah sie verwundert an. Dann grinste er erfreut.

„Die kann sie gerne haben. Mit ihr zu zocken ist echt spaßig.“

Na dann war das ja geklärt. Von wegen, er hatte nur Angst vor ihr.

„Wenn ihr mögt, können wir auch ein Doppeltmatch machen. Du und deine Schwester gegen mein Bruderherz und mich.“

Er zeigte auf den Magier im lilanen Dress, der es sich auf einem Barhocker bequem gemacht hatte und zu schlafen schien. Das war doch echt nicht zu glauben. Wie konnte der bei diesem Lärm schlafen? Naja.

„Wollen wir vielleicht ein wenig draußen spazieren gehen?“

Was sollte denn die Frage jetzt? Verwundert sah die Grünhaarige zu dem Blonden, der Silverpoint böse anfunkelte. Was ging denn bei dem ab?

„Weißt du, eigentlich wollte ich zu meiner Schwester.“

Sie sah sich wieder um, doch Taride und Blacky waren nicht mehr da, wo sie sie eben noch gesehen hatte.

Ihr Blick huschte durch den Raum. Nebenbei registrierte sie eine zuklappende Tür. Von ihrer Schwester und ihrem Begleiter keine Spur.

Auch der dunkelhaarige Bogenschütze sah sich um und als sie ihn mit ihrem Blick streifte, wirkte er nervös. Dann ging er eiligen Schrittes los, drängte sich durch die Menge auf die Tür zu.

„Was hat er denn?“

Kam es ihr nur so vor, oder machte er sich Sorgen um ihre Schwester? Sein Gesichtsausdruck hätte darauf schließen lassen können. Verwirrt sah sie zwischen den beiden verbliebenen Männern hin und her.

„Vielleicht muss er aufs Klo.“ Nightmare zuckte mit den Schultern. Doch eine Hand schloss sich um ihre und zog sie eilig hinter sich her. Es war Silverpoint. Oh man, das Schicksal mochte sie wirklich nicht, oder?

Auch sie verließen den Raum durch die Tür, durch die auch Ahitos Bruder verschwunden war.

Hinterhalt

Draußen war niemand. Nach dem Lärm in dem überfüllten Raum, war die plötzliche Stille fast genauso erdrückend.

„Von wem hatte deine Schwester das Getränk?“

Ahito sah Miran eindringlich an, doch sie checkte vorerst gar nichts.

„Von Blacky, nehm ich an.“

„Verdammt.“

Der Magier ließ sie los und versuchte übers Headset Verbindung zu seinem Bruder aufzubauen.

„Er ist nicht mehr im Holo-Room. Wahrscheinlich holt er seinen Bogen.“

Seinen Bogen? Warum das denn?

Der Junge schien ihre unausgesprochene Frage gehört zu haben.

„Dieser Julien ist dafür bekannt, Mädchen mit einem Betäubungsmittel abzufüllen und sie dann irgendwo zu…“ Er brach ab, aber mehr musste Miran auch nicht hören.

Es brauchte zwar einige Sekunden, bis die schreckliche Erkenntnis zu ihr durchdrang, dann lief sie los.

Sie wusste nicht genau wohin, folgte einfach ihrem Instinkt.

Wie konnte dieses Arschloch es wagen? Warum ihre Schwester? Warum war ihr das nicht früher aufgefallen? Sie hätte doch merken müssen, dass an Blacky etwas faul war.

Ihre Sinne hatten sie nicht getrübt.

Als Miran über eine dunkle Hügelkuppe brach, sah sie die zwei. Taride lag auf einem Gedenktisch und Julien machte sich gerade daran, sie der Kleider zu entledigen. Nebenbei liebkoste er ihren Hals, ihr Schlüssebein, ihren Busen.

Das Mädchen aber bewegte sich nicht.

Wut loderte in Miran auf. Wie konnte er es wagen.

In wenigen Sprüngen war sie bei ihm, riss ihn an der Schulter herum und schlug ihn mit voller Wucht ins Gesicht.

„Du Dreckssack. Finger weg von meiner Schwester!“

Der vorerst überraschte Blick des Geschlagenen wandelte sich in einen amüsierten.

„Und wie willst du mich daran hindern? Ist ja echt süß, dass du hier auftauchst, wo du doch nichtmal halb so begabt bist, wie Angel und nichteinmal sie mir im Spiel wirklich das Wasser reichen konnte.“

Er griff neben einen Grabstein und hob sein großes Zweihandschwert auf. Die dunkle Klinge spiegelte den Mond kaum wieder.

Schon klischeehaft, dass sich das ganze Schauspiel tatsächlich auf einem Friedhof abspielte. Oder soetwas ähnlichem, der Ort hieß Grab im Rebstock.

Das Mädchen ballte die Hände zu Fäusten. Nun hätte sie schon gerne ihren Hammer, aber dass soetwas passieren würde, hatte ja keiner ahnen können.

War es nicht sogar Blacky gewesen, der gemeint hatte, dass es nicht höflich war, mit Waffen auf die Party zu gehen? Dieses Wiesel!

Der Krieger erhob das Schwert und ging siegessicher auf das Mädchen zu.

Doch sie wich dem Schwertstreich geschickt aus und verpasste ihm einen Drehkick.

Die unerwartete Reaktion brachte Blacky aus dem Konzept und er stolperte einige Schritte nach vorne. Das gab Miran die Chance, ihm einen weiteren Tritt zu verpassen.

Er hatte sich eindeutig mit den falschen Schwestern angelegt. Und er hatte Miran haushoch unterschätzt. In ihrer Sportbegeisterung hatte die Jüngere auch einige Kampfsportkurse besucht und wusste sich durchaus zur Wehr zu setzen.

Von der Überraschung erholt, stand der Krieger wieder auf und stürmte auf das Mädchen zu. Es war schon nicht leicht, der riesigen Schwertklinge auszuweichen und einige Male spürte Miran, wie sie sie streifte und sah, wie der rote Balken über ihr abnahm. Wenn er leer war, würde sie bewegungsunfähig an den Boden geheftet werden. Aber er auch. Das Problem war nur, dass er aufgrund seiner Waffe und seines Levels nicht nur mehr Schaden austeilte, sondern auch mehr einstecken konnte. Doch sie schlug sich tapfer, trat und schlug ihn und heilte sich selbst. Sie musste einfach gewinnen. Sie musste ihrer Schwester helfen. Hier würde sie bestimmt niemand finden.

In dem Moment stolperte sie rücklings über einen Stein. Schmerzhaft fiel sie der Länge nach auf den Boden und natürlich war Blacky sofort mit erhobener Waffe über ihr.

Schützen hob sie die Arme über sich und wünschte sich nichts sehnlicher, als ihr Schild herbei. Doch es ruhte neben ihrem Hammer sicher in ihrem Zimmer.

Trotzdem traf die Waffe sie nicht. Als das Mädchen die Augen wieder öffnete, sah sie, dass das Schwert von einem riesigen, durchsichtig blauen Schild abgefangen wurde. War sie das?

Tatsächlich schien es ein reines Energiefeld zu sein. Und die Energie schien direkt aus ihrem Inneren zu kommen.

Im nächsten Moment sah sie hinter dem erneut verwirrten Blacky etwas blau Glühendes auf ihn zuschnellen. Beim Näherkommen wurde langsam die Form eines Pfeils sichtbar. Gleich würde er den Krieger treffen. Wenn er tatsächlich von Fourtune kam, wie sie dachte, dann müsste er genug Schaden verursachen, um dieses Arschloch zu killen.

„Du bist eine miese, hinterhältige Kakerlake, Julien.“

Ihre Worte drückten puren Hass aus.

„Danke für das Kompliment, Süße.“

Da traf mit einem starken Knistern der Pfeil sein Ziel. Erschrocken richtete Blacky sich auf, seine Lebensanzeige war fast leer. Miran stieß ihn mit beiden Füßen von sich und ein über sie hinwegzischendes Magiegeschoss gab ihm den Rest.

Reglos kippte er nach hinten weg und wurde an die Erde getackert. Zwei starke Arme halfen der Priesterin auf die Füße, doch sie hatte keine Augen für ihren Helfer. Schnell rannte sie auf ihre Schwester zu.

„Terry! Terry! Hörst du mich? Sag doch was, mach irgendein Zeichen!“

Die Angesprochene reagierte nicht. Tränen begannen Miran über die Wangen zu laufen. Das war alles ihre Schuld.

Fest umklammerte sie den Körper ihrer Schwester und flehte sie immer wieder an, sich zu bewegen, etwas zu sagen oder ein anderes Lebenszeichen verlauten zu lassen.

Bis sie behutsam von ihr getrennt wurde.

Fourtune nahm ihr ihre Schwester behutsam aus den Armen, hob sie auf seine und spazierte zum Portal.

„Was machst du?“

Empört lief die Grünhaarige hinter ihm her und wollte ihn packen.

„Ich bringe sie in euer Zimmer. Sie schläft. Sehr tief. Es wird einige Stunden dauern, bis sie aufwacht und wahrscheinlich wird sie sich an nicht viel erinnern, aber es wird ihr wieder gut gehen, glaub mir.“

Das Mädchen überlegte eine Weile, wusste aber selbst keine andere Lösung, also nickte sie leicht und lief ihm dann schweigend hinterher.

Nach kurzer Zeit holte Silverpoint zu ihnen auf.

„Ich habe Gismo Bescheid gegeben. Er kümmert sich um Blacky.“

„Danke Ahito.“

Wie selbstverständlich übernahm Miran die Führung nachdem sie den Holo-Room verlassen hatten und führte die Jungs zu ihrem Zimmer.

Thran ließ Taride sanft auf ihr Bett gleiten und deckte sie vorsichtig zu.

Erst jetzt bemerkte die Jüngere, wie sehr sie zitterte. Wacklig ließ sie sich auf ihr Bett sinken. Ahito setzte sich neben sie und legte einen Arm um sie.

„Es wird alles wieder gut. Versprochen.“

Sie sah ihn prüfend an und beschloss, ihm zu glauben. Der Junge gähnte und sank dann auf ihre Schulter. Tatsächlich war er sofort eingeschlafen.

„Unser Zimmer ist nicht weit weg. Nur den Gang runter und die letzte Tür links. Wenn etwas ist, klopf bei uns.“

Thran beugte sich zu seinem Bruder und wollte ihn wecken, da schnellte Mirans Hand reflexartig nach vorne und hielt ihn davon ab. In ihren Augen lag eine Bitte und auch Angst. Sie wollte jetzt nicht allein hier sein. Die Situation überforderte sie maßlos.

„Bitte bleibt noch.“

Der noch als Bogenschütze verkleidete Junge sah sie eine Weile an, zuckte dann mit den Schultern und legte seinen Bogen ab.

„Wenn du meinst.“

Er ging auf einen Sessel zu und machte es sich in ihm bequem.

Das Mädchen war ihm dafür unendlich dankbar.

Das regelmäßige Heben und Senken des Brustkorbs von dem an ihr Lehnenden beruhigten sie zusätzlich und bald wurde sie schläfrig.

Wahrheit

Ihr Kopf war schwammig und drückte. Als sie die Augen aufschlug drehte sich alles. Schnell machte Taride sie wieder zu, damit die Übelkeit nachließ.

Was in drei Teufels Namen war denn gestern Abend bitte passiert?

Dass sie zu viel getrunken hatte, war ausgeschlossen. Sie hatte, soweit sie sich erinnerte nur ein Glas gehabt. Genau. Ein Glas Bowle von Blacky.

Dann war ihr so komisch geworden und er meinte, sie bräuchte nur ein bisschen frische Luft. Sie waren durch die Gegend gegangen. Zum Grab im Rebstock und sie musste sich setzen. Dann hatte er sie geküsst und dann-..? Was war dann gewesen?

Verdammt, sie wusste es nicht.

Mühsam stand das Mädchen auf und tapste ins Bad. Ihr fiel auf, dass sie immernoch ihr Cosplay trug. Heute mussten sie leider wieder nach Hause.

Völlig fertig fuhr sie mit der Hand durch ihr völlig zerzaustes Haar und betrachtete sich im Spiegel.

Sie sah schrecklich aus. In ihrem Gesicht klebte Dreck. Überhaupt war sie ziemlich verdreckt.

Mit einigen Händen Wasser, wusch sie das Gröbste ab. An ihrem Hals hielt sie inne. Was war das?

Sie rieb noch ein wenig Dreck ab, sodass ein rot, blauer Fleck sichtbar wurde.

Ein Knutschfleck?! War der von Blacky?!

Sofort wurde sie rot.

„Miri?! Was ist gestern Abend passiert?!“

Aufgeregt riss Taride die Badezimmertür auf und hielt wieder inne.

„Was machen die denn hier?!“, wütend funkelte das Mädchen die beiden Jungen an. Der eine schreckte gerade aus dem Sessel hoch, in dem er offensichtlich genächtigt hatte, während Miri offensichtlich verwirrt zu dem auf ihr Liegenden blickte. Der hatte sich anscheinend im Schlaf an sie gekuschelt, jedenfalls befanden sie sich gerade in einer Löffelchenhaltung.

Errötend setzte ihre jüngere Schwester sich auf, doch der Junge bemerkte es anscheinend gar nicht, denn er schnappte sich stattdessen das Kissen zum Kuscheln und schlief weiter.

„Terry, du bist wach!“

Völlig erleichtert, stürzte Miran sich auf ihre Schwester und schloss sie in eine feste Umarmung.

„Miran, was ist hier los.“ Taride bemerkte das Zögern vor der Antwort ihrer Schwester genau.

Diese überlegte nämlich ausgiebig, was sie ihrer Schwester sagen sollte, entschied sich schließlich aber gegen die ganze Wahrheit.

„Sie haben uns nach dem Fest hierher begleitet und wir müssen so müde gewesen sein, dass wir sofort eingeschlafen sind.“

Skeptisch hob die Langhaarige eine Augenbraue. „Das ist nicht möglich, Miri und das weißt du. Ich würde niemals was mit der Lupinus machen und sie mich schon gar nicht in mein Zimmer begleiten lassen.“

Taride ging auf die Tür zu.

„Und warum nicht? Sie sind doch super nett! Warum behandelst du sie wie Knasties, obwohl du noch nicht ein vernünftiges Wort mit ihnen gewechselt hast?“

Die Ältere öffnete die Tür:

„Du kennst meine Einstellung, Miran. Ich möchte euch nicht hier haben. Geht jetzt bitte.“

Immernoch wütend funkelte sie die Jungs an.

„Nein, ihr müsst nicht gehen.“

Wenn Blicke töten könnten, hätte Taride gerade Schwesternmord begangen. Wie konnte Miran ihr derart in den Rücken fallen?

„Ist schon okay, Sam. Komm Ahito. Man sieht sich.“

Thran schleppte den noch halb schlafenden Ahito aus dem Zimmer und winkte der Jüngeren mit einem schiefen Lächeln zu. Hinter ihnen knallte Taride die Tür zu und wandte sich mit in die Hüfte gestemmten Armen an ihre Schwester.

„Du verbündest dich mit dem Feind, Miran.“ Ihre Stimme war ernst und für einen kurzen Moment fühlte die Kurzhaarige sich stark an ihre Mutter erinnert. Trotzdem der Zorn über die Engstirnigkeit ihrer Schwester überwog der Trauer um den Tod ihrer Mutter.

„Nein. DU verbündest dich mit dem Feind! Thran hat dir das Leben gerettet!“

„Das ist ein SPIEL. Man stirbt da nicht wirklich.“

Taride ging fest davon aus, dass ihre Schwester davon sprach, dass sie ein Monster angegriffen hatte und der Bogenschütze sie gerettet hatte.

„Eben. Es ist ein Spiel. Warum behandelst du die beiden dann so abwertend? Hier befinden wir uns in der Realität.“

Die Zwillinge hatten sich lange nicht gestritten. Überhaupt war es ein Phänomen, wenn das tatsächlich mal vorkam.

Die Augen der Älteren verengten sich.

„Die Mitglieder der Lupinus sind alle Idioten. Man kann ihnen nicht trauen und das überträgt sich auch auf die Realität.“

Nun riss auch bei Miran der Geduldsfaden. Und das dauerte bei ihrer Schwester nun schon eine gewissen Weile.

„Und wer bitte hat dir diesen Unfug in den Kopf gesetzt?“

„Blacky.“

Die Langhaarige verschränkte die Arme vor der Brust und ging an ihrer Schwester vorbei, als wenn das Gespräch damit für beendet erklärt worden wäre.

Wie vor den Kopf gestoßen sah Miran ihr nach.

„Blacky hat gestern versucht dich zu vergewaltigen.“

Nun war es raus. Für einen kurzen Moment bereute Miran, dass sie es ausgesprochen hatte, aber die Sichtweise ihrer Schwester musste dringend wachgerüttelt werden.

Ihre Worte schienen ihre Wirkung zu zeigen. Taride hielt in der Bewegung inne und schien wie erstarrt.

Einige Bilder blitzten vor ihrem inneren Auge auf, die die Aussage ihrer Schwester unterstrichen. Doch das konnte unmöglich sein.

„Du lügst.“

Ihre Stimme war fast nur ein Flüstern.

„Nein.“

Mit einem kühlen Blick und einem Hass in der Stimme, der sich allein gegen den Krieger erhob, ging die Jüngere an ihrer Schwester vorbei und hob den Bogen von Thran auf.

„Blacky hatte dir was ins Getränk gemischt und dann von uns weggelockt. Fourtune hat ihn besiegt und Silverpoint hat GM Gismo Bericht erstattet. Wenn die beiden nicht gewesen wären, stündest du jetzt sicher nicht so unversehrt hier.“

Sie ging zur Tür und wollte den Raum verlassen.

„Ich bringe Thran seine Waffe vorbei. Du solltest dich umziehen, wir müssen demnächst los. Du hast ziemlich lange geschlafen.“ Mit den Worten ging sie.

Geschafft ließ Taride sich in den Sessel sinken. Das musste sie erstmal verdauen. Die Uhr sagte ihr, dass es tatsächlich schon vier Uhr nachmittags war. Und warum sollte ihre Schwester ihr eine derartige Lüge auftischen?

Nach einigen Minuten stand sie tatsächlich wieder auf und zog sich um. Das Cosplay stopfte sie in ihren Koffer, zusammen mit ihrem gebastelten Zweihandschwert.
 

Miran stand währenddessen vor der Tür der anderen Zwillinge und zögerte. Dann hob sie entschlossen die Hand und klopfte an. Hinter der Tür hörte sie Schritte und dann ging diese auf. Das erste was sie sah, war ein unbekleideter Oberkörper. Ein ziemlich gut durchtrainierter, unbekleideter Oberkörper.

Sie zwang sich den Blick zu lösen und sah dem Jungen dann in die Augen.

„Du hast deinen Bogen vergessen.“

„Oh, danke.“ Thran lächelte verlegen und nahm seine Waffe entgegen.

„Thran, wer ist da?“ Hinter dem Bogenschützen tauchte das Gesicht von Ahito auf. Auch er trug kein Oberteil. Miran wurde schlagartig rot, als sie bemerkte, dass auch er recht durchtrainiert war und ihr Traum sie keinesfalls getäuscht hatte. Ihr inneres Ich sabberte schon fast.

„Samael, hey.“

Er grinste und strich sich mit einer Hand durch die Haare. Nun holte Mirans inneres Ich tief Luft, erlitt eine Schnappatmung und fiel theatralisch in Ohnmacht.

„Ähm… Miran. Ich heiße Miran. Ich wollte mich noch für Taride entschuldigen. Sie meint es nicht so.“

Ahito grinste und Thran winkte ab.

„Schon okay. Bis vor Kurzem dachten wir auch, alle von Asmodin wären Schweine.“

„Ich weiß nicht mal, wie es dazu kam.“

Der Kurzhaarige zuckte mit den Schultern. „Es war irgendwie schon immer so.“

„Hm… Naja, ich muss dann mal wieder. Wir müssen zurück nach Akillian.“

Sie winkte den beiden, wurde aber durch eine Hand davon abgehalten, zu gehen.

„Ihr kommt von Akillian? Dann müsst ihr unbedingt zu einem unserer Spiele kommen. Wenn du mir eure Adresse gibst, schicken wir euch Karten zu.“

Verwirrt sah das Mädchen den Jungen an.

„Spiele?“

„Na vom Galactik Football Cup.“

Die Augen der Grünäugigen wurden sofort tellergroß. Warum war ihr das nicht schon früher aufgefallen? Durch die ganzen Umstände in letzter Zeit, war sie gar nicht mehr auf dem neusten Stand in der Sportwelt.

„Ihr spielt in der neuen Mannschaft von Akillian?“

Natürlich hatte sie davon gehört, aber mehr auch nicht. Das war echt schon armseelig für ihre Verhältnisse.

Thran grinste.

„Ja. Ahito hier ist der Torwart und ich spiele in der Abwehr.“

Das war doch ein Traum. Wenn ihr inneres Ich gerade noch in Ohnmacht gefallen war, befand es sich jetzt eindeutig im Koma.

„Wow… Okay, ähm, es wäre echt super lieb, wenn ihr uns Karten schicken würdet.“

Sie versuchte möglichst gefasst zu wirken und gab dem Snowkid ihre Adresse.

„Ich muss nun aber wirklich zurück und nach meiner Schwester sehen.“

Miran winkte und verschwand schnell den Gang herunter. Hinter ihr schlossen die Zwillinge grinsend die Tür.

Glück

Den Rückweg waren die Zwillinge schweigend angetreten, denn keiner war bereit, sich bei dem anderen zu entschuldigen. Miran, weil sie durchaus im Recht war und nicht einsehen wollte, dass ihre Schwester die Jungs so fies behandelte, nur weil sie im virtuellen Leben angeblich Feinde waren. Und Taride, weil sie zum einen von der ganzen Aktion nichts mitbekommen hatte und zum anderen einfach nicht gerne im Unrecht war. Und dann auch noch so stark.

Auch die Woche verlief ziemlich kühl zwischen den beiden. Sie sprachen zwar normal miteinander, aber nicht so herzlich, wie sonst.

„Du Miran, ich komme nicht mit zu deiner Probe auf Genesis.“

Miran hatte das Wochenende eine große Generalprobe für eine Tanzaufführung auf Genesis. Taride hatte eigentlich versprochen, mit ihr dahin zu fahren, weil ihre Schwester schlichtweg nicht allein hinwollte und das Theater wahrscheinlich nichtmal finden würde. Außerdem war Taride ihr quasi etwas schuldig, weil Miran sie zu diesem Spielwochenende begleitet hatte.

Verständlicherweise musterte die Jüngere ihre Schwester nun mit hochgezogener Augenbraue.

„Morgan wollte mit mir etwas unternehmen.“

Morgan war eine Mitschülerin von ihnen. Die Zwillinge verstanden sich zwar mit ihren Mitschülern einigermaßen, aber eigentlich waren sie schon eine Spezies für sich. Miran erinnerte sich nicht, dass Taride mit der Mitschülerin gesprochen hätte, aber sie hingen wie gesagt nicht die ganze Woche zusammen rum.

Eine Grimasse ziehend nickte die Kurzhaarige und stopfte ihren schwarzen Tüllrock in ihren Koffer.

„Okay.“ Sie schwieg kurz und rollte ihre Stulpen zusammen. „Aber zur Vorführung kommst du, oder?“

Taride nickte stumm. Sie hatte gerade wieder ihren PC eingeschaltet und setzte sich jetzt das Headset auf.

Miran war seit dem Vorfall auf Genesis nicht in dem Spiel drin gewesen. Sie hoffte inständig, dass die Computerverrückte keinen Kontakt mehr zu Blacky hatte, aber für so blöd hielt sie ihre Schwester nun wirklich nicht.

Mit einer bestimmten Bewegung schloss sie ihren Koffer und stellte ihn auf den Boden.

„Ich werde dann mal.“

Die Ältere nickte nur, reagierte aber sonst nicht weiter. Mit gerunzelter Stirn verließ Miran das Zimmer.

Kaum war ihre Schwester weg, setzte Taride ihr Headset ab und lief zum Fenster. Sie wartete, bis sie Miran aus dem Gebäude treten und in einen Shuttle steigen sah.

„Tut mir Leid, Miri.“ Dann wandte sie sich schnell um und warf einen Blick auf die Uhr.

Erfreut quiekte sie auf und lief zum Schrank, um sich ein schönes Kleid rauszusuchen. Sie wählte ein hellgrünes, was gut zu ihrer Haarfarbe und ihren Augen passte.

Schnell verschwand sie im Bad, um sich hübsch zu machen und schlüpfte in das Kleid.

Miran hatte sich echt Zeit gelassen und das, obwohl sie ihr erst auf dem letzten Drücker gesagt hatte, dass sie nicht mitkommen würde.

Irgendwie hatte sie schon ein schlechtes Gewissen, aber so wie es zur Zeit zwischen ihr und ihrer Schwester lief, hätte sie ihr die Wahrheit nicht sagen können.

Miran wäre ausgeflippt und hätte ihr nicht richtig zugehört. Aber Taride würde ihr schon noch zeigen, wie sehr sie doch im Unrecht gewesen war.

Freudig hüpfte die Ältere durchs Zimmer und sang ein fröhliches Lied mit. Sie schnappte sich ihre Schuhe und eine flauschige Jacke und machte sich fertig, um nach draußen zu gehen.

Der Park von Akillian war nicht weit von der Salieri entfernt. Aufgeregt wartete Taride am Eingang. Ihre Wangen waren vor Aufregung und Kälte gerötet. Der Herbst erreichte langsam seinen Höhepunkt und es war inzwischen dementsprechend kühl draußen. Die Blätter schillerten schon in ihrem bunten Abschiedskleid und der Himmel war überwiegend grau.

Nach wenigen Minuten des Wartens hielt ein blonder Junge auf seinem Magnetboard vor dem Mädchen und grüßte sie mit einem verschmitzten Lächeln, ehe er ihr einen bestimmenden Kuss gab.

Taride grinste und nahm seine Hand. Gemeinsam betraten sie den Park.

„Und deine Schwester ist wirklich nicht da?“

Taride schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist auf Genesis.“ Sie lehnte den Kopf an die Schulter ihres Begleiters und kuschelte sich an ihn.

„Sie ist irgendwie nicht gut auf mich zu sprechen.“

Das Mädchen schwieg eine Weile. Sie hatte Blacky von Mirans Anschuldigungen erzählt, der hatte sie jedoch abgestritten und behauptet, Fourtune und Silverpoint hätten sie betäubt und ihn niedergeschlagen, als er ihr helfen wollte. Als Miran kam, hatten die beiden wohl so getan, als wenn er der Bösewicht wäre, um die Zwillinge später noch auszunutzen und zu bedrängen.

Dank Tarides antrainierter Abneigung Anhängern der Lupinus gegenüber, hatte sie ihm das recht schnell geglaubt und sich nun mit ihm im realen Leben zu einem Date verabredet.
 

Miran stieg aus dem Shuttle aus. Vor ihr erstreckte sich die riesige Halle von Genesis. Wie als wenn sie das erste Mal hier wäre, sah sie sich um und staunte. Das Mädchen hatte ein flaues Gefühl im Magen und wünschte sich ihre Schwester herbei. Doch kaum dachte sie an ihr menschliches Spiegelbild, wurde das Gefühl in ihrem Bauch noch schlimmer.

Vielleicht sollte sie sich erstmal etwas zu Trinken holen. Also steuerte Miran den nächsten Laden an, der aussah, als wenn sie dort was bekommen würde.

„Eine Icesplit bitte.“ Sie kramte in ihrer Tasche nach ihrem Portemonnaie, fand es aber nicht. Ungeduldig nahm sie die Umhängetasche ab und wühlte darin herum. Nichts. Das konnte doch nicht wahr sein! Mit schon zittrigen Händen öffnete sie ihre vordere Koffertasche und tastete darin herum. Auch nichts. Der Verkäufer sah sie ungeduldig an und hinter ihr bildete sich langsam eine Schlange. Verdammt! In ihrem Portemonnaie war nicht nur das Geld, sondern auch ihr Tänzerausweis und ihr Perso! Ohne dies würde sie nicht zur Generalprobe zugelassen werden.

„Tut mir Leid, ich-…“ Verlegen stand sie auf und kratzte sich am Hinterkopf.

„Hier.“ Eine Hand reichte an ihr vorbei und drückte dem Verkäufer einen Geldschein in die Hand. Verwirrt sah Miran sich um. Ihre Augen waren immernoch feucht. Vor ihr standen die Zwillinge Thran und Ahito.

„Na? Was machst du denn hier?“

Ahito grinste fröhlich, was Miran auch ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Ich… hey… danke… Ich muss eigentlich zu einer Generalprobe… Aber ich hab meinen Ausweis vergessen.“
 

Taride und Julien ließen sich auf einer Parkbank nieder. Das Mädchen kuschelte sich an ihn und ließ ihren Blick über den Park schweifen. Er war außer ihnen leer. Nur ein paar Enten watschelten am Teich entlang und unterhielten sich quakend.

Ein schöner, idyllischer Herbsttag.

Julien legte einen Arm um sie und zog sie dichter zu sich heran.

„Du riechst so wundervoll.“

Sofort schoss Taride die Röte ins Gesicht. Unsicher sah sie zu ihm auf.

„Ähm… Danke.“ Sie lächelte unsicher.

Im nächsten Moment trafen seine Lippen hart auf ihre. Erschrocken riss sie die Augen auf und versuchte ihn von sich zu drücken. Was sollte das, er tat ihr weh.

Doch der junge Mann griff nach ihren Handgelenken und drückte sie so stark, dass das Mädchen vor Schmerz aufstöhnte.

Entschlossen seinem Griff zu entkommen, biss sie ihm auf die Unterlippe. Mit einem verärgerten Schmerzensschrei ließ Julien von ihr ab.

„Was sollte das?“, wütend funkelte er sie an.

Die Grünhaarige meinte sogar soetwas wie Wahnsinn in seinen Augen funkeln zu sehen.

„Das Gleiche könnte ich dich fragen.“ Ebenso wütend funkelte sie zurück.

„Komm schon. Dir hat es doch gefallen! Ich weiß, dass du mich willst. Sonst hättest du dich nicht gegen den Willen und Rat deiner Schwester mit mir getroffen.“

Wie ein Schlag ins Gesicht wurde Taride die Wahrheit in den Warnungen ihrer Schwester bewusst. Wie hatte sie nur so engstirnig sein können, nicht auf ihre Schwester zu hören?!

Sie rutschte ein Stück von ihrem Begleiter weg und stand auf.

„Da irrst du dich. Ich dachte, es wäre nett, dich zu treffen. Aber nun habe ich mich umentschieden. Auf Wiedersehen, Blacky.“

Entschieden drehte sie ihm den Rücken zu und wollte gehen, doch mit eisernem Griff umklammerte er ihr Handgelenk, zog sie mit einem Ruck zurück und im nächsten Moment spürte sie die Bank in ihrem Rücken. Das feuchte, harte Holz drückte in ihrem Rücken.

„Lass mich los.“ Fauchte sie ihn an, doch er dachte gar nicht daran.

„Meinst du ernsthaft, ich hätte mir die ganze Mühe gemacht, nur um dich jetzt gehen zu lassen? Es war schon erniedrigend genug, dass dieser Bastard von Lupinus mich das letzte Mal aufgehalten hat, sonst hätte ich auch noch deine Schwester haben können!“

Tarides Stimme blieb ihr im Hals stecken. Eine böse Aura überschwappte sie und ließ sie wie gelähmt da liegen.

„So ists brav. Keinen Mucks, sonst werde ich dir sehr sehr weh tun müssen, meine Süße.“

Mit begierigem Blick, öffnete Julien ihre Jacke.

„Was für ein schönes Kleid.“ Mit einer Hand strich er fast andächtig über ihre Brust und über ihren Bauch. Taride entfuhr ein angstvolles Wimmern. Ihre Hände hielt er immernoch mit seiner rechten Hand fest und ihre Beine presste er mit den seinen gegen die Bankkante. Sie war zur Bewegungsunfähigkeit verdammt.

Seine Hand wanderte weiter hinunter zu dem Knie der Grünhaarigen und dann den Oberschenkel wieder hinauf.
 

„Nimm deine dreckigen Pfoten von ihr!“

Etwas hartes, graues traf Julien stark am Hinterkopf. Im nächsten Moment wurde er von ihr runtergerissen. Taride erkannte nur ein kurzes Gewirr an Farben. Immernoch saß der Schock so tief, dass sie nicht die Kraft hatte, sich aufzurichten. Dennoch erkannte sie in einiger Entfernung die Umrisse ihrer Schwester. Sie musste es sein. Außer ihnen hatte kein menschliches Wesen eine solche Haarfarbe.

„Terry!“, sie wurde in eine weiche, warme und doch verzweifelte Umarmung gezogen. Etwas Nasses an ihrer Wange und auf ihrer Schulter verriet ihr, dass ihre Schwester weinte.

Gerade hatte die Ältere die Kraft gefunden, die Umarmung ihrer Schwester zu erwidern, da stieß diese sie von sich.

„Wie konntest du nur so blöd sein?! Warum hast du nicht auf mich gehört?!“

„Ich-..“ Tarides Mund fühlte sich ganz trocken an und ihr Hals war wie zugeschnürt. Doch ihre Schwester wusste, was sie dachte.

„Mit so einer Sache würde ich niemals scherzen, Taride.“ Die Kurzhaarige sprach mit Grabesstimme. Sie bedachte ihre Gegenüber mit einem ernsten, enttäuschten, verletzen Blick.

„Die Polizei ist da.“

Eine zweite Person tauchte neben Miran auf. Taride erkannte darunter den Magier Silverpoint nur ohne sein Kostüm. Tatsächlich hörte sie in diesem Moment die Sirene und das flackernde Blaulicht mischte sich mit den herbstlichen Farben der Blätter.

Der jüngere Zwilling wandte sich von ihrer Schwester ab und ging auf einen der Beamten zu, der aussah, als würde er das Komando haben. Zwar war sie froh, dass ihrer Schwester nichts Schlimmeres zugestoßen war, aber dennoch hatte sie sie sehr verletzt.

Als Taride so den Blick schweifen ließ, sah sie, dass zwei Beamte Julien dem Zwillingsbruder von dem vor ihr Stehenden übernahmen und abführten. Thran hieß er, soweit sie sich erinnerte. Dieser hatte den Perversling allem Anschein nach von ihr runtergezogen und dafür gesorgt, dass er nicht abhauen konnte. Nun stand der Blauhaarige auf, fuhr sich erschöpft durchs Haar und funkelte dem Jungen voller Hass hinterher, ehe er auf sie selbst zukam.

„Alles in Ordnung?“, seine Stimme war warm und voller Sorge.

Die Grünhaarige nickte. Als ihr auffiel, dass sie ihn anstarrte, riss sie den Blick los und starrte auf ihre Hände.

„Du hast ein riesen Glück gehabt.“

Der Kurzhaarige steckte die Hände in die Jackentaschen. Ein leichter Tadel klang in seiner Stimme mit.

„Ich werde eben Miran helfen.“ Der Bruder, dessen Namen Taride vergessen hatte, schlenderte mit einem Gähnen zu dem Beamten und ihrer Schwester.
 

Nach einigen Minuten des Schweigens, erhob Taride schließlich die Stimme.

„Woher wusstet ihr-...?“

„Wir wussten es nicht.“ Thran setzte sich neben ihr auf die Bank.

„Ahito und ich haben deine Schwester zufällig auf Genesis getroffen. Sie hatte ihr Portemonnaie mit ihrem Tanzausweis oder so vergessen. Da wir eh auf dem Weg nach Akillian waren, haben wir ihr angeboten, sie mit zurückzunehmen, um ihn zu holen. Als wir hier waren, wurde sie unruhig und ist hierher gerannt.“

Erschrocken starrte die Grünhaarige den Jungen an. Was wäre passiert, wenn Miran ihr Portemonnaie nicht vergessen hätte? Wenn die Jungs sie nicht getroffen hätten? Selbst wenn Miran aus irgendeinem Grund hier gewesen wäre, hätte sie den starken Jungen bestimmt nicht alleine überweltigen können.

„D-danke.“

Auf dem Gesicht des Blauhaarigen entstand ein Lächeln.

„Keine Ursache.“

Er stand auf und hob Taride geschickt auf seine Arme. „Ihr könnt mit zu uns kommen und euch aufwärmen. Ist vielleicht besser nach dem Schock.“

Das Mädchen nickte. Sie wehrte sich nicht gegen seinen Griff und war auch mit seinem Angebot einverstanden. In das Internat kämen die Jungen nicht rein und jetzt alleine mit ihrer Schwester zu sein, war keine glückliche Aussicht für die Langhaarige. Sie fühlte sich schuldbewusst.

Der Officer nickte Ahito und Miran gerade dankend zu und tippte sich an die Mütze, als Thran mit Taride auf dem Arm zu ihnen stieß.

„Geht es ihnen gut, Mademoiselle?“

Die Angesprochene nickte. „Ja, danke. Ich habe großes Glück gehabt…“

Sie traute sich nicht, ihrer Schwester in die Augen zu sehen.

„Nun, sie sind jetzt in Sicherheit. Erholen sie sich von dem Schock. Einen schönen Tag noch.“ Wieder tippte sich der Officer an die Mütze und stieg dann in seinen Streifenwagen.

Das Vierergespann entschloss sich nun auch endlich den Heimweg anzutreten.



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  Teddybaer255
2014-01-08T14:07:42+00:00 08.01.2014 15:07
AAhhhhhh..... *kreisch*
Sry :D
Warum ist Taride einfach so ...... dumm und naiv *ihr am liebsten eine Klatschen will* :D
Das Kapi war so schön spannend *_*
und "reiner Zufall" ist ja auch wieder aufgetaucht :D
Ein Glück hat Miran ihr Portemonaie vergessen.... (ich finde diese geistige Verbindung zwischen Zwillingen einfach nur genail)
Aiiii... jetzt gehts zu den Jungs :D ich bin schon tierisch gespannt, was da nun passiert ;)
Ich hoffe du lässt mich diesmal nicht so lange mit einem neuen kapi warten :D
Hab dich lieb~
deine Teddy
Von:  Teddybaer255
2013-12-08T13:43:10+00:00 08.12.2013 14:43
OMG *_*
Das kapi war wieder richtig toll!!! ^^
Wie konnte Terry nur so blind sein >.< (*unschuldig durch die Gegend pfeif* :D)
Hehe.... Tickets für den GFC?? Na, da bin ich aber mal gespannt, was dann da so noch alles passiert ;) und ich hoffe Taride kapiert auch endlich, dass die beiden Jungs eig ganz lieb sind :D (*_*)
Ah.... kanns mal wieder kaum erwarten, das nächste kapi endlich lesen zu können ;)
HDL Teddy ;)
Von:  Teddybaer255
2013-11-27T11:18:33+00:00 27.11.2013 12:18
So... endlich komme ich dazu das kapi zu kommentieren ;)
*nochmal durchles*
O.o Es sollte WAS mit Terry passieren?? O.o
NEIN!!!! *dazwischenspring* *ihn aufhalt*
Blacky, dieses...... (darf man in einem kommi schimpfwörter benutzen?? :D)
Gott sei Dank kamen ja Miri, Thran und Ahito zu Hilfe ;)
Omg *ohnmächtig werd, als ich gelesen hab, wie Thran Terry ins Zimmer trägt und ins Bett legt* *sabber* *_* höhö :D
wie süß, dass sie beiden Jungs bei Miri bleiben ;)
Kanns kaum erwarte nweis weitergeht *_* *muhaha* :p
LG
deine Teddy ("Terry") :D ;*
Von:  Teddybaer255
2013-11-17T13:56:56+00:00 17.11.2013 14:56
Yuhu *_*
Endlich ein neues Kapi :D
Wenn ich ehrlich bin, ich hätte es mit vielleicht ein klizel-kleines bisschen spannender vorgestellt, aber als ich die letzten Sätze gelesen habe, hab ich nur gedacht "Ok........ JETZT wirds interessant!" :D :D :D (das kapi war aber trotzdem richtig toll, versteh mich jetzt also nicht wie falsch O.o)
OMG, ich kann es schon wieder gar nicht erwarten, bis es weitergeht... bite lad das nächste kapi schneller hoch als das hier, ja?? *dich nur flehend anseh*
GLG und HDL
deine Teddy ;)
Von:  Teddybaer255
2013-11-06T20:04:25+00:00 06.11.2013 21:04
So... jetzt endlich kann ich das kapi auch kommentieren ;p
*durchles* O.o *Augen wie Untertassen bekomm* *kurze Kunstpause einleg*
*weiterles* O.o *erneut kurze Kunstpause einleg*
OMG *quitsch*
Ähhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh......... :D
*einfach nur sprachlos binz*
Ähhhhh.... muss ich noch mehr sage?? :DD
(das sollte heißen.... krasses, geniales Kapi.... so toll geschrieben *_* WoW :D)
GLG
deine Teddy
Von:  Teddybaer255
2013-11-01T09:17:09+00:00 01.11.2013 10:17
So... Sry, dass ich das kapi zuerst kommentiere (gab iwelche probs bezüglich volljährigkeit angeben hier bei mexx usw... Naja.. Ich erzähle dir ja nix neues :D)
jetzt zu dem kapi:
MEGA GEIL! *_*
oh, der Moment zwischen den beiden schwestern ist so toll *_* *hihi*
... "untervögelt?" O.o wtf! Geil... Ich hab mich weggeschmissen vor lachen :D (und meine augen waren auch so groß wie untertassen bei dem satz :D) das würde ich doch nie so sagen O.o (oder etwa doch? :D omg, ich weiß es selber nicht :p)
auch genial, dass die beiden die jungs beim frühstück im hotel wiedersehen ^^
oh, ich bin schon so gespannt wies weitergeht (auch wenn ich mir ja noch den traum mir durchlesen will ;p)
Freu mich schon riesig auf das nächste kapi ^^ (party bei gm gismo??? O.o :D)
glg, deine Teddy ;)
Von:  Teddybaer255
2013-10-27T09:18:31+00:00 27.10.2013 10:18
OMG!! :D Wie geil!!
Besonders der Satz "Nein, die Waldfee. Natürlich ich." MEGA :D hab mich gar nicht mehr eingekriegt vor Lachen...
Auch der Part "Alle kämpfen tapfer und du legst dich hin?" LOL :D
Ich find das Kapi -wie die anderen auch- so genial...
Du hast alles so toll beschrieben *_* (besonders den Part, wo 'Silverpoint' so auf ihr lag ;p und ihre Gedanken und alles ;) )
*hehe* Revanche!! *ein böses Leuchten in den Augen hab* ;p
Kann es kaum erwarten bis es weiter geht!!!
Ich hoffe die Woche geht schnell vorbei :D
GLG
deine Teddy ;)
Von:  Teddybaer255
2013-10-19T17:51:47+00:00 19.10.2013 19:51
*nur noch den Aufprall von Mirans Hammer auf den Jungen hör* O.o
Also, wenn ihn das mal nicht geweckt hat :D
Ich will mitmachen *_* Auf in die Schlacht *_* :D*ebenfalls mein Schwert zück und mich in die Schlacht misch* :D
Ich glaube, ich ahne wer "Silverpoint" ist :D :D (und auch wer "Fourtune" ist *_*)
OMG :D
Das Kapi ist so toll *_* (I love it *_* :D)
*vor dir auf die knie fall und dich anfleh* Bitte.... du musst das nächste kapi ganz schnell hochladen O.o
Ich MUSS einfach wissen wies ausgeht :D
Bitte :D
Ganz liebe Grüße,
deine Teddy ;)
Antwort von:  Renpika
19.10.2013 20:03
Hahahaha :D :D :D Wenn du wüsstest XDD
Kann ich mir gut vorstellen, dass du da gleich mitmischen würdest ^-^
Hm... ich kann leider nicht mehr so schnell hochladen, sonst komme ich demnächst mit hochgeladenen und noch nicht geschriebenen Kapis in Konflikt ^^'
Aber ich verspreche, das nächste kommt so schnell wie möglich~
Von:  Teddybaer255
2013-10-14T12:10:49+00:00 14.10.2013 14:10
OMG!!! O.o
NEEEEEEEIN... Tu das nicht Terry... er ist nicht der Richtige!!!! *in die Hochzeit reinplatz* :D
Du hast alles so schön beschrieben *_* Einfach nur toll!!
I love it!! :D
*Aria einen bösen Blick zuwerf und schon mein Schwert zücken will* :D
Oh mann... lade das nächste kapi bloß schnell hoch O.o
Ich will wissen wies weitergeht *ungeduldig rumhüpf* (ja ok ... ich weiß es ja schon so halb, wahrscheinlich kommt im nächste kapi dann die hochzeit, aber.... da passiert bestimmt ietwas... ich hab so im urin :D :D :D)
HDL
deine Teddy ;)
Von:  Teddybaer255
2013-10-05T16:50:59+00:00 05.10.2013 18:50
Hey! ^^
endlich ist das nächste kapi on! *_*
hast du echt super hingekriegt mit der spielumsetzung ins "reale" leben *_*
*höhö* terry läuft amok *muhaha* oder? O.o :D ;) ach nee... Ich vergaß, sie wollte ja "heiraten".... Bin schon voll gespannt was da beim nächsten kapi passiert O.o
glg
deine teddy
P.S.: ist nicht schlimm, wenn die kapis nicht so lang sind ;) du weißt ja... Je mehr kapis, desto besser *_*


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