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Welche Disney Figur wären die Balance Defenders Charaktere? Aladdin, Arielle die Meerjungfrau, Balance Defenders, Charakter, Der Glöckner von Notre Dame, Der König der Löwen, Die Eiskönigin - Völlig unverfroren, Die Schöne und das Biest, Disney, Ralph reicht's

Autor:  Regina_Regenbogen

Nach einer langen Pause, melde ich mich mit einem kurzen, leichtherzigen Thema zurück. 

Vielleicht kennt ihr diese Tests, bei denen man herausfinden soll, welchem Disney Charakter man entspricht. Davon inspiriert, habe ich mir einfach mal überlegt, welchen Disney Figuren die Charaktere aus Balance Defenders ähnlich sind. Es hat eine ganze Weile gedauert, aber hier ist das Ergebnis: 

 

 

Serena/Destiny - Biest

(Die Schöne und das Biest)

Brutale Schale, kitschiger Kern 

 

 

Serena ist alles andere als gut darin, ihr Temperament im Zaum zu halten, und ist grundsätzlich erst mal garstig, bevor ihr jemand zu nahe kommt. Wie das Biest ist sie ungeschickt darin, Beziehungen aufzubauen, zweifelt daran, dass sie jemand mögen könnte, neigt zu Melancholie und reagiert schnell über. Um ihr gutes Herz zu erreichen, muss man erst mal ihre biestige Seite ertragen, damit sie Vertrauen schöpfen kann. 

 

 

Vitali/Change - Simba

(Der König der Löwen)

Große Ambitionen

 

 

Vitali ist frech und vorwitzig. Wie Simba ist er manchmal etwas zu sehr darum bemüht, mutig zu sein und sich zu beweisen. Er wünscht sich, ernst genommen zu werden und nicht ständig das tun zu müssen, was andere ihm sagen. Ihm ist bewusst, dass er nicht dem Bild entspricht, mit dem er verglichen wird, und das nagt an ihm. 

 

 

Vivien/Unite - Dschinni

(Aladdin)

Die Wünsche anderer erfüllen? Nur ein kleiner Freundschaftsdienst von ihr.

 

 

Vivien ist clever, witzig und hat die verrücktesten Ideen. Wie Dschinni ist sie meist damit beschäftigt, andere zu unterstützen, dafür nutzt sie ihre besonderen Talente und sorgt stets für gute Laune. Auch wenn ihre eigenen Umstände nicht immer rosig sind, schafft sie es, die Situation für andere zum Besseren zu wenden und zieht daraus ihre Kraft.  

 

 

Justin/Trust - Hercules

(Hercules)

Ein wahrer Held wird nicht an der Größe seiner Kraft gemessen,

sondern an der Kraft seines Herzens

 

 

Justin ist lieb und schüchtern. Wie Hercules kommt er sich oft fehl am Platz vor und gibt sich große Mühe, alles richtig zu machen. Wenn es aber darum geht, andere zu schützen, legt er alle Zweifel ab und zeigt, was wirklich in ihm steckt. 

 

 

Ariane/Desire - Esmeralda

(Der Glöckner von Notre Dame)

Entschlossen und ungestüm

 

 

Ariane ist mutig, dickköpfig und willensstark. Wie Esmeralda setzt sie sich für Gerechtigkeit ein und kann nicht akzeptieren, wenn Schwächere gequält werden. Sie lässt sich von Äußerlichkeiten nicht beeindrucken und kämpft für das, woran sie glaubt, auch wenn andere sie kleinmachen oder sie auf ihre weiblichen Reize reduzieren wollen.  

 

 

Erik/Secret - Elsa

(Die Eiskönigin)

Zeig ihnen nicht dein wahres Ich

 

 

Erik ist alles andere als offen, wenn es um seine Gefühle geht. Wie Elsa schließt er andere aus und versucht, mit allem alleine klarzukommen. Er ist bemüht, der Rolle zu entsprechen, die von ihm verlangt wird, doch schlussendlich muss er die Ketten sprengen, die ihn bisher gefangen halten. 

 

 

Ewigkeit - Arielle

(Arielle die Meerjungfrau)

Wie kann eine solche Welt schlecht sein?

 

 

Ewigkeit ist neugierig, fröhlich und leicht zu begeistern. Wie Arielle findet sie die Menschenwelt faszinierend und benimmt sich oft etwas wunderlich. Dabei ist sie stets bemüht, die Zuneigung anderer zu gewinnen, als hinge ihr Leben davon ab. Ihre Unbedarftheit sorgt dafür, dass sie häufig für naiv gehalten und nicht sonderlich ernst genommen wird. 

 

 

Grauen-Eminenz - Sergeant Calhoun

(Ralph reicht's)

Schluss mit der Gefühlsduselei 

 

 

Grauen-Eminenz ist widrige Umstände gewöhnt und sieht die Welt eher dystopisch als freundlich. Wie Sergeant Calhoun wirkt er nach außen knallhart und hat mit seiner Vergangenheit zu kämpfen.  

 

 

Solltet ihr Balance Defenders noch nicht kennen, hier der Link zur Geschichte: ​http://www.animexx.de/fanfiction/392462/ 

 

Was sind eure Lieblings-Disney-Figuren?

Ich liebe so viele Disney Filme, dass ich mich gar nicht entscheiden kann. XD

Serena x Vitali Band 1 Szenen-Zusammenstellung Eigene Serie, Balance Defenders, Compilation, Pairing, Shipping, Szenen, Zusammenstellung

Autor:  Regina_Regenbogen

Ihr Lieben, da die letzten beiden Szenenzusammenstellungen mit ihrer Länge den Rahmen absolut gesprengt haben und Serena und Vitali von allen Pärchen im ersten Band gefühlt die meisten Szenen haben, habe ich entschieden den Beitrag nach Bänden aufzuteilen.  

 

Bei dieser Zusammenstellung ist mir aufgefallen, dass Serena und Vitali besonders am Anfang aufgeschmissen wären, wenn Vivien sich nicht einmischen würde. Die beiden sind einfach so ungeschickt darin, miteinander umzugehen! 

 

Außerdem sind sie gefühlt das Paar, das am seltensten miteinander alleine ist, außer wenn sie gerade einen riesigen Streit beilegen müssen. :'D Zumindest sind sie sich immer sehr bewusst, dass andere Menschen um sie herum sind, während Vivien und Justin ja manchmal solche Momente herstellen, in denen sie so ein bisschen in ihrer eigenen Welt sind. ;D

 

Lustigerweise ist Serenas und Vitalis gesamte Umgebung davon überzeugt, dass sie ineinander verliebt sind und zieht die beiden ständig damit auf. Dadurch dass die zwei - besonders Serena - immer sehr heftig darauf reagieren, reißt das natürlich auch nicht ab. 

Gut es gibt Ausnahmen. Justin macht sich darüber gar keine Gedanken, ihm ist nur wichtig, dass die zwei sich vertragen, zumal er sich bei solchen Themen niemals einmischen würde, und Ariane schließt es kategorisch aus, dass die beiden bei ihrem feindseligen Verhalten einander gegenüber irgendwelche romantischen Gefühle füreinander hegen könnten. Meistens zeigen sie diese ja auch leider nur in Eifersucht. ^^;

 

Serena und Vitali müssen sich halt überhaupt erst mal anfreunden, schließlich hat Serena allein damit schon riesige Probleme. Daher finde ich, dass man bei diesem Pärchen eigentlich eher von einer beginnenden Freundschaft sprechen kann. Für mehr sind sie einfach noch zu unreif - vor allem im ersten Band.

 

Und nun viel Spaß!

 

 

Band 1

Kapitel 2 Glockenspiel

Vor der Haustür verharrte sie und atmete schwer. Wahrscheinlich war ihr Gesicht jetzt noch blasser als sonst. Nur nicht an den Schulanfang denken. Luft! Luft! Sie brauchte -

Ihr Gedankenstrang riss. Eine unaussprechliche Empfindung durchschoss von einer Sekunde auf die andere ihr ganzes Wesen […]

Hektisch suchte sie die Gegend ab, den gepflasterten Weg von ihrem Haus bis zu dem weißgestrichenen Zaun. Doch sie fand nichts. Nichts, das auch nur annähernd den Eindruck machte, eine solche Sinnestäuschung auslösen zu können. Auf der anderen Straßenseite war nur ein schlaksiger, hellbrünetter Junge in ihrem Alter, der samt einigen Einkaufstüten gerade in eine andere Straße einbog.

 

Kapitel 3 Der Angriff

Das Mädchen stolperte mehr als es lief. Sein Wimmern war selbst aus der Entfernung zu hören. Schließlich verlor es endgültig das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.

Vitali fackelte nicht lang. Er rannte der Fremden entgegen.

[…]

„Schnell!“

Vitali griff ohne große Reden nach ihrem Arm. Bevor sie reagieren konnte, hatte er ihren Arm um seine Schultern gelegt und rannte mit ihr los.

 

Kapitel 5 Unendliche Ebenen

Vivien wandte sich an Serena und Vitali.  „Ihr seid doch ein gutes Team. Deshalb solltet ihr zusammen laufen.“

Serena und Vitali zogen ungläubige Grimassen.

[…]

Serena und Vitali schauten einander finster an. Dann wandten sie sich gleichzeitig ab und stöhnten entnervt. Ohne weitere Diskussion nahmen sie sich schließlich bei der Hand.

Vivien kicherte.

 

Kapitel 7 Geheime Bekanntschaft

Vitali wirbelte zu ihr herum. „Halt die Luft an!“

Zorn schlug ihm aus ihrem Gesicht entgegen.

Plötzlich hielt Vitali ihr mit einem geradezu trotzigen Gesichtsausdruck die Hand hin. „Wir sind alle hier drin gefangen. Wir kommen alle hier raus!“

Serena starrte ihn an. Und reagierte nicht.

Vitali stand weiter da, ihr die Hand entgegenstreckend. Er spürte die erwartungsvollen Blicke der anderen. Doch langsam wurde es peinlich. Serena machte nicht die geringsten Anstalten, nach seiner Hand zu greifen oder irgendetwas zu entgegnen. Diese …!

Auf einmal gesellte sich eine Hand zu seiner, allerdings nicht die von Serena.

Strahlend war Vivien aufgesprungen und hatte ihre Hand auf die seine gelegt.

„Alle für einen!“, rief sie euphorisch und lud mit ihren Blicken die anderen dazu ein, es ihr gleichzutun.

Ariane und Justin folgten ihrem Beispiel. Aus einem ihm unerfindlichen Grund ließ sogar Secret sich darauf ein.

Nur noch Serenas Hand fehlte.

Sie stieß die Luft aus, als würde sie eine schwere Last loslassen, stand schließlich ebenfalls auf und legte ihre Hand auf die der anderen.

„Und einer für alle.“, beendete sie den berühmten Spruch.

 

Kapitel 8 Minenspiel

„Vermutlich ist es ihr lieber auf Secrets Muskeln zu fallen als bei dir auf Haut und Knochen.“, sagte Serena bissig und kam wieder auf die Beine.

Dass Vitali anscheinend mit Ariane flirtete, ging ihr gewaltig auf die Nerven!

„Alter, was –“  Vitali brodelte.

Vivien kicherte. „Serena will wohl von dir aufgefangen werden.“

„Was!“, schrie Serena.

Vivien zuckte nur mit den Schultern und betrat die gelben Kacheln, dabei die Arme wie ein Seiltänzer von sich gestreckt.

„Das ist nicht wahr!“, kreischte Serena.

Ariane lächelte Serena beschwichtigend an und folgte Vivien nach.

„Das ist nicht wahr.“, grummelte Serena.

 

Kapitel 9 Über Fallen

Serena getraute sich nicht, nach oben zu sehen.

Plötzlich wurde sie unsanft am Arm gepackt. Sie schrie auf. Die Angst, nach hinten zu kippen, war übermächtig.

„Ich falle!“, kreischte sie hysterisch. Ihre Gelenke waren nun vollkommen steif geworden. „Ich kann nicht mehr!“, jammerte sie den Tränen nahe.

„Du musst aber!“, brüllte Vitali aufgebracht und zerrte an ihr.

Sie hatte keine Ahnung, wo er auf einmal herkam.

„Halt dich an mir fest und versuch mit den Füßen Halt zu bekommen, klar?!“

Sie sah ihn ängstlich an. Ihr ganzer Körper war verkrampft.

„Mach schon!“

Sie konnte sich nicht rühren.

„Verdammt!“ Er stieg eine weitere Stange zu ihr hinunter. „Halt dich an mir fest!“, forderte er sie nochmals auf.

Dieses Mal griff sie nach seinem Arm und suchte mit ihren Füßen Halt, um näher zu ihm zu kommen. Schließlich schlang sie ihre entkräfteten Arme um seine Taille.

„Gut!“, rief Vitali und begann zu klettern.

 

Serena schluchzte erneut. „Es wäre doch besser, wenn ihr mich zurücklassen würdet.“

Vitali brüllte: „Hast du sie noch alle!“

„Ich bin doch bloß ein Klotz am Bein.“, winselte Serena.

Vitali packte Serena an der Schulter. „Alter, wenn du das noch mal sagst, hau ich dir eine rein!“

 

Kapitel 10 Im Mittelpunkt des Labyrinths

Serena verdrehte nur noch die Augen. Sie trat an Vitalis Seite und ging neben ihm in die Hocke. Sie wollte etwas möglichst wenig Unfreundliches sagen, war sich aber unsicher, ob das eine gute Idee war.

„Hey…“, machte sie halblaut und zögerte nochmals. „Reiß dich zusammen.

„Liebenswürdig wie eh und je.“, kommentierte Vitali und setzte sich auf oder versuchte es zumindest.

Serena fing ihn gerade noch auf, bevor er zur Seite kippte.  

„Hey!“, schimpfte sie.

Sein Kopf war auf ihrer Schulter gelandet. Sie hörte seinen schwachen Atem und spürte sein Gewicht auf ihr lasten, dass sich mit einem mal noch zu verstärken schien.

„Was ist mit ihm?“, fragte Ariane besorgt.

Serena schüttelte ihn, doch er rührte sich nicht. Jähe Angst stieg in ihr auf. „Vitali. Was ist? Vitali!“

„Du hast dir meinen Namen gemerkt.“, kam es stockend aber amüsiert aus seinem Mund. „Aber deine Schulter… ist echt unbequem.“ Wieder schloss er die Augen.

„Du Vollidiot!“, kreischte Serena aufgebracht und wollte ihn grob von sich stoßen.

„Lass ihn.“, sagte Secret. „Es ist ein Wunder, dass er den Schlag des Schilds so gut weg gesteckt hat.“

Serena warf Secret einen unzufriedenen Blick zu und unterdrückte den Impuls, Vitali auf den Boden zu schleudern.

Vivien grinste. „Auf jeden Fall gefällt es ihm in deinen Armen besser als in Secrets!“

Hätte Serena nur etwas gehabt, um nach ihr zu werfen!

 

Kapitel 11 Seelenscherben

Ein schriller gepeinigter Mädchenschrei hallte durch das Areal und packte ihr Herz mit eisigen Krallen.

„SERENA!!!“ Vitali stürmte los, doch eine Hand riss ihn sogleich zurück.

„Warte!“, befahl Secret und hielt Vitalis Schulter mit eisernem Griff fest.

„Lass mich los!“, brüllte Vitali wutentbrannt. „Sie bringen sie um!!!“ Er machte sich los, doch kam er nicht weit.

 

Kapitel 12 Verluste

Gleichzeitig zerbrach Vitalis Schrei die Totenstille.

Panisch humpelte Vitali auf den leblosen Mädchenkörper zu. Auch die anderen vier bahnten sich einen Weg zu der am Boden Liegenden.

[…]

Vitali drehte Serena auf den Rücken und schreckte nach der Berührung mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück, als habe er sich verbrannt.

In Wahrheit gewährte Serenas mit Verzweiflung und Zorn erfüllte Aura nicht das Eindringen einer fremden Gefühlsebene. Das Höllenfeuer, das sie heraufbeschworen hatte, war noch nicht erloschen.

[…]

Vitali und Vivien schrien mit zunehmend gebrochener Stimme auf Serena ein, ohne dass sich jegliche Reaktion zeigte. Vitalis Schreie wurden immer heftiger und hysterischer. Nochmals versuchte er, Serena wachzurütteln und nochmals verbrannte er sich dabei die Hände.

Dann fühlte er eine Hand auf seiner Schulter und blickte daraufhin mit feuchten Augen in Secrets ausdrucksloses Gesicht.

[…]

„Sie war nicht... stark genug.“, ertönte Secrets Stimme.

„NEIN!!!“, brüllte Vitali aufmüpfig in das gleichgültige Schweigen des Todes und schlug Secrets Hand weg, als könne er damit die Wahrheit verdrängen.

„Neeeeeiiiin!!!!!“

 

Kapitel 13 Letzte Chance – Vorbei

Vitali blieb mit Serena zurück.

Er hätte sowieso nicht gewusst, nach was er hätte suchen sollen.

Er seufzte und schaute auf Serena, die in dem gespenstischen Schein der Spiegelsplitter noch blasser aussah.

„Du könntest mal wieder aufwachen.“

Er sah sich nach den anderen um, die in den Bereich gelaufen waren, der durch ein paar größere Spiegelreste noch besser beleuchtet war.

Plötzlich hörte er jammernde Geräusche von Serena kommen. Er lehnte sich näher zu ihr.

„Hey. Passt dir vielleicht nicht, aber du musst mit mir vorlieb nehmen.“

Er bemerkte, dass sie zuckte, als habe sie einen Albtraum.

„He.“, machte er nochmals und griff nach ihrem Handgelenk. Zumindest hatte ihre Haut aufgehört, ihn zu verbrennen.

Ein Knacken ließ ihn aufhorchen. Er hatte das seltsame Gefühl, das Licht in dem Bereich rechts von ihm wäre weniger geworden. Lag wohl an der Nachtsicht.

Serena winselte noch stärker.

Dieses Mal beugte er sich über sie und erkannte, dass sie wieder zu Bewusstsein gekommen war.

„Hey!“ Seine Wortgewandtheit ließ vielleicht zu wünschen übrig, aber er war einfach froh, dass sie zu sich gekommen war. „Willkommen zurück!“

In ihren Augen stand Angst und er begriff, dass sie versuchte, ihren Arm nach ihm auszustrecken. Es war ihm zwar peinlich, aber er griff nach ihrer anderen Hand.

„Ich bin ja da.“, presste er knarzig hervor und vermied ihren Blick. Er hatte keine Ahnung, wie er sie beruhigen sollte.

Wieso hatten die anderen ausgerechnet ihm diese blöde Aufgabe übertragen müssen! Serena war bestimmt nicht froh, ihn als erstes zu sehen. Da fiel ihm ein, dass Serena sich vielleicht wunderte, wo die anderen waren.

„Die anderen suchen einen Ausgang. Die sind bald wieder da.“, erklärte er und sah sie wieder an.

Serena hatte etwas Drängendes in ihrem Blick, als wolle sie ihm etwas Wichtiges mitteilen.

In diesem Moment hörte er erneut dieses Knacken.

 

Kapitel 16 Wahnvorstellung

„Fehlen nur noch die Schatthen.“, scherzte Vitali. Im nächsten Moment hatte er Serenas Hand auf dem Mund.

„Halt die Klappe!“, rief sie, als könne allein die Erwähnung der Kreaturen  deren plötzliches Erscheinen bewirken.

Vitali schaute sie grimmig an.

Serena begriff, dass sie ihn anfasste und zuckte abrupt zurück.

 

„Es ist euch peinlich und jetzt überlegt ihr angestrengt, wie ihr euch bei einander entschuldigen könnt.“, unterstellte Vivien.

„Gar nicht!“, riefen Serena und Vitali gleichzeitig.

Vivien grinste. „Streitet es ruhig ab. Aber es sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass ihr einander mögt!“

Die beiden zogen komische Gesichter.

„Blödsinn!“, schrie Serena. „Von wegen!“, schrie Vitali.

Selbstgefällig verschränkte Vivien die Arme vor der Brust. „Ach, tut doch nicht so. Wer hat sich denn so schreckliche Sorgen gemacht, als Vitali ohnmächtig war? Und wer hat Secret verprügeln wollen, als er gesagt hat, dass wir Serena zurücklassen sollen? Häh? Häh?“ Breit grinsend starrte Vivien die beiden an.

Vitali und Serena zögerten kurz. Viviens Worte waren ihnen peinlich. Um sich zu verteidigen, schrien sie noch lauter als zuvor.

„Das war was vollkommen anderes!“

Daraufhin prustete Vivien los.

„Was?“, fragte Vitali verärgert.

Vivien deutete mit den Zeigefingern auf die Gesichter von Vitali und Serena.. „Ihr seid ja ganz rot!“

Im gleichen Augenblick schnellten Serenas und Vitalis Blicke zueinander. Allerdings mussten sie feststellen, dass sich im jeweils anderen Gesicht keinerlei Rötung gezeigt hatte.

„Stimmt doch gar nicht!“, riefen sie wie aus einem Munde.

Vivien machte eine lässige Armbewegung. „Nein. Aber jetzt habt ihr einander wieder angeschaut.“ Keck streckte sie den beiden Sprachlosen die Zunge heraus.

 

Kapitel 17 Keine leichte Mission

Derweil war Vitali nur noch mit Leila beschäftigt. Voller Freude hüpfte die Hündin ihm verspielt auf den Schoß.

„Leila!“, schrien Serena und ihre Schwester gleichzeitig.

„Kein Problem!“, sagte Vitali etwas kleinlaut. Er war von dem Geschrei der Schwestern um einiges mehr zusammengezuckt als Leila.

„Sie scheint ja einen echten Narren an dir gefressen zu haben.“, bemerkte Anita. „Also so wie sie sich benimmt…“ Sie drehte sich zu ihrer jüngeren Schwester. „Serena, stehst du auf ihn?“

Serenas Faust schlug mit gewaltiger Wucht auf den Tisch.

„Du hast sie wohl nicht alle!!!“, brüllte sie tobsüchtig.

 

Anita dagegen blieb ruhig: „Heutzutage ist es ganz normal sich über das Internet kennenzulernen. So hat sich schon manches Ehepaar gefunden.“

Frau Funkes Mund wurde zu einem dünnen Strich. „Na, ich hoffe doch wohl nicht, dass sie einen davon heiraten will.“

Anita sah Serena mit einem ernsten Gesichtsausdruck an: „Soll ich Vitali die traurige Nachricht mitteilen?“

Serenas Gesicht wandelte sich zu einer Dämonenfratze. „Anita! Dir ist wohl nicht klar, dass ich hier Messer habe!“

 

Kapitel 18 Gemütliches Beisammensein

„Brutale Schale, kitschiger Kern.“, lachte Vitali.

Serena streckte ihm die Zunge raus, was Vitali sogleich erwiderte.

„Zunge rausstrecken darf man nicht, denn das heißt: Ich liebe dich.“, sang Vivien heiter, womit sie tatsächlich bewirkte, dass die beiden kurze Zeit Ruhe gaben. 

 

Vivien grinste. „Du solltest mit Vitali den Platz tauschen.“

Ariane war bisher neben Serena gesessen.

„Was?“, schrie Serena aufgebracht.

„Du und Vitali geht in ein Team.“, erklärte Vivien, als wäre das beschlossene Sache.

Serena schien widersprechen zu wollen, unterließ es dann aber und wandte ihr Gesicht ab.

Vitali zuckte nur mit den Schultern und erhob sich von seinem Platz, um den von Ariane einzunehmen.

„Komm mir ja nicht zu nahe.“, zischte Serena, als er sich neben sie setzte.

„Wer war in der Kugel auf mich gepresst und hat sich beim Hochklettern an mich geklammert?“, gab Vitali zurück.

„Du hast gesagt, ich soll mich festhalten!“, schrie Serena.

Vitali starrte auf den Bildschirm. „Drückst du jetzt Start oder nicht?“

Serena schnaubte und startete das Spiel.

Zur Überraschung von Justin und Ariane stellten sich Serena und Vitali nach anfänglichem Gezeter tatsächlich als gutes Team heraus.

 

Kapitel 20 Guten Morgen

Vitali schlug im Schlaf mit dem Arm nach ihr. „Lass mich in Ruhe, Vicki!“

Noch etwas benommen fragte Ariane: „Ist das seine Freundin?“

Der Schock dieser Behauptung traf Serena unvorbereitet.

Die Eröffnung, dass Vitali nicht nur eine feste Freundin hatte, sondern offenbar auch noch das Bett mit ihr teilte, war zu viel für sie.

Eine so übermächtige Scham verheerte ihr Selbst, dass sie die unerträgliche Schmach nur ertragen konnte, indem sie sich stattdessen ihrer Entrüstung ergab.

Ungehalten sprang sie auf und trat Vitali gehörig gegen das Schienbein.

Vitali schrie auf.

„Klappe!“, fuhr Serena ihn an. „Verschwinde!“

Wutentbrannt spie Vitali aus: „Hast du sie noch alle!“

„Hör endlich auf zu schreien!“ Serena konnte ihre Stimme selbst nicht mehr unter Kontrolle halten.

Du schreist doch!“

Ariane, die hinter Serena getreten war, hielt ihr eilig den Mund zu, Gleiches tat Justin bei Vitali. Anders konnte man die beiden nicht zum Verstummen bringen.

 

Plötzlich spürte sie, wie ihre Rechte ergriffen wurde. Vivien war neben sie getreten und hatte mit der anderen Vitalis Hand ergriffen, um die Hände der beiden zusammenzuführen, wie man es bei kleinen Kindern tat, wenn sie sich vertragen sollen.

Entsetzt entriss sie Vivien ihre Hand.

„Serena!“, tadelte Ariane. „Wieso kannst du dich nicht einfach bei ihm entschuldigen?“

Serena spürte Tränen in sich aufsteigen. Sie wollte sich ja entschuldigen, aber …

Sie konnte einfach nicht. Sie brachte kein Wort heraus.

Ariane sprach weiter. „Das hat Vitali nicht verdient.“

Doch Serena reagierte nicht.

„Serena, was ist denn mit dir?“, fragte Justin nun besorgt.

Vorsichtig berührte Vivien sie am Oberarm. „Serena?“

Serena zuckte zusammen. Sie machte sich so klein wie möglich, wollte sich vor den anderen verstecken.

Grob wurde sie an den Schultern gepackt.

„Hey!“, rief Vitali.

Verängstigt starrte sie ihm ins Gesicht.

„Krieg dich wieder ein, ok?“

Nachdem sie immer noch nicht reagierte, fügte er eindringlich hinzu: „Alles halb so schlimm.“

Serena wusste nicht, was sie sagen sollte, sie kämpfte mit den Tränen.

Vitali stöhnte entnervt und ließ schließlich von ihr ab.

Sie sah ängstlich zu ihm.

„Ich hab Hunger.“, sagte Vitali. „Wir sollten was essen.“

„Das ist eine super Idee!“, rief Vivien. Sie lächelte Serena aufmunternd an.

Serena machte allerdings nicht den Eindruck, als würde der jähe Themenwechsel sie beruhigen.

Vitali wandte sich nochmals an sie. „Ich bin nicht mehr sauer, ok? Nur heul nicht.“

Auf diese Worte hin konnte Serena die Tränen nicht mehr zurückhalten und krümmte sich.

„Du machst immer das Gegenteil von dem, was ich sage, oder?“, kommentierte Vitali.

 

Vivien wandte sich an Serena und Vitali. „Kümmert ihr euch um alles weitere. Wir anderen bringen den Rest.“ Sie packte Justin und Ariane und zog sie mit sich, ehe diese sich wehren konnten.

Überrumpelt wollte Serena noch die Hand nach ihnen ausstrecken, um sie davon abzuhalten, sie mit Vitali alleine zu lassen. Doch dazu war es zu spät.

Vitali begriff nicht. „Hä? Was will sie denn jetzt? Ist doch schon alles gerichtet.“

Serena zog ein banges Gesicht. Sie wusste, was Vivien bezweckte.

Zaghaft linste sie zu Vitali und senkte wieder den Blick.

Sie brauchte einen weiteren Moment, ehe sie die Worte über die Lippen brachte. „Tut mir leid.“

„Kannst du doch nix für.“

Es hätte ihr wohl klar sein müssen, dass er ihre Worte nicht mehr mit dem Vorfall von zuvor in Verbindung bringen würde. Sie brachte es aber nicht über sich, konkreter zu werden. Sie setzte sich auf einen der Klappstühle und hielt den Blick auf den Teller vor sich gerichtet.

Vitali war die Stille unangenehm und Serena sah schon wieder niedergeschlagen aus. Er schaute in eine andere Richtung, dann wandte er sich doch wieder an sie.

„Was war’n das vorhin? Ich mein… Du brauchst doch nicht gleich durchdrehen. Ich schrei dich halt an, weil du mich nervst. Kein Grund zu heulen.“

Serena starrte ihn ungläubig an. Hatte er das gerade ernsthaft in einem Ton gesagt, als hätte er etwas Nettes von sich gegeben?

„Was?“, fragte Vitali.

„Entschuldige, dass ich dich nerve.“, gab sie zurück.

„Ey, du hast mich getreten und beleidigt. Ist doch klar, dass du mich nervst.“

„Du nervst mich auch!“, rief sie in purer Notwehr.

„Alter, ich hab gepennt!“

Serena verzog das Gesicht.

Vitali setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber. „Die anderen kriegen nen Anfall, wenn wir noch mal streiten.“

Serena starrte auf die Tischplatte. Sie wollte sich ja gar nicht streiten. Sie wusste nur wirklich nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte.

Wieder dieses Schweigen.

„Wo bleiben die anderen?“, nörgelte Vitali.

Serena seufzte und nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Danke.“ Zu mehr als einem Flüstern hatte es nicht gereicht.

„Hä?“

„Dass du…“ Sie brach ab. „Im Schatthenreich. Und davor.“ Sie rang nach Worten. „Danke, dass du mir immer geholfen hast.“

Sie wartete darauf, dass Vitali etwas entgegnete, aber er blieb still. Daraufhin fühlte sie sich gezwungen, doch noch den Blick zu heben, um ihn in Augenschein zu nehmen.

Sein Gesichtsausdruck war absolut nichtssagend.

„Jo.“

War das alles?

Ihrer Mimik war die Frage wohl anzusehen, denn Vitali fühlte sich zu weiteren Worten genötigt.

„Alter, was willst du denn von mir hören?“

Serena wandte sich ab. „Nichts.“

Er stieß geräuschvoll die Luft aus.

Verstimmt verzog sich ihr Mund. „Du wolltest doch, dass ich Danke sage.“ Ihre Worte nahmen Bezug auf die Situation im Schatthenreich, als er gefordert hatte, sie solle sich für seine Hilfe bedanken statt zu weinen.

„Das ist ewig her.“

Eigentlich waren es nicht mal zwei Tage.

Serenas Stimme bekam wieder diesen schnippischen Ton. „Also soll ich mich nicht bei dir bedanken.“

„Das hab ich doch gar nicht gesagt!“, verteidigte sich Vitali. „Warum machst du immer alles so verdammt kompliziert!“

Serena ließ den Kopf hängen.

„Mann! Selbst wenn du dich bedankst, kann man‘s dir nicht recht machen. Was willst du denn?“

Das wusste Serena selbst nicht so genau. Es hatte sie so viel Überwindung gekostet, dass sie sich irgendwie darüber gefreut hätte, wenn ihre Worte nicht völlig belanglos für ihn gewesen wären.

Sie hörte die anderen durch ihr Zimmer zurück auf den Balkon kommen. Sie  hatten sich eindeutig mehr Zeit gelassen, als nötig gewesen wäre.

„Einen Kuss.“, antwortete Vivien, während sie und die anderen Teller voller Brotscheiben und Belag auf dem Tisch verteilten.

„Hä?“, machte Vitali.

Vivien grinste ihn an. „Na, was sie von dir will.“

Serena kreischte verstört: „Halt die Klappe, Vivien!“

Vivien setzte sich ungerührt neben sie und nahm sich eine Brotscheibe. „Ich hab heute Morgen schon gedacht, du hättest ihn wachküssen sollen statt ihn zu treten. Das wäre viel effektiver gewesen.“

[…]

„Du hast sie wohl nicht alle!“, schrie [Serena] sie an.

Anstatt auf Serena zu reagieren, wandte sich Vivien übers ganze Gesicht grinsend an Vitali. „Das hätte dir doch auch besser gefallen.“ 

Vitali machte wieder dieses komische Gesicht wie eben nach Serenas Danksagung. Weder wirkte er von der Vorstellung besonders angetan noch angewidert.

Serena wurde davon noch beschämter. „Vivien!“, kreischte sie.

Vivien lachte ausgelassen.

 

Kapitel 22 Schule und andere Katastrophen

„Ist das Serena?“, fragte Ariane, die Vitalis Blick gefolgt war.

Serena hatte sich jemandem neben sich zugewandt, jemandem, der seinen Arm um sie gelegt hatte.

„Wer ist der Typ?“, brummte Vitali.

 

Kapitel 23 In einer Klasse

Serena schien sofort begriffen zu haben, was er meinte. Sie wirkte fast ängstlich und antwortete nicht sofort, sondern zog den Kopf ein.

„Hey!“, rief plötzlich Vitali von der anderen Seite in ihre Richtung.

Davon aufgeschreckt, wandte Serena sich ihm zu.

Doch sobald er ihre Aufmerksamkeit hatte, schien Vitali nicht mehr zu wissen, was er jetzt tun sollte.

Er schlug Justin neben sich gegen den Oberarm. „Sag was.“

Verdutzt schaute Justin ihn an.

Vitali deutete unverhohlen in Serenas Richtung.

Daraufhin sah nicht nur Justin zu ihr.

Erik fragte sich, was das jetzt für eine Aktion war.

[…]

„Ihr kennt sie ja sehr gut.“, spottete Erik.

Hastig berührte Serena Erik am Unterarm und gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er aufhören sollte.

Er begriff das nicht.

Die Berührung löste noch mehr Wut in Vitali aus. „Wenn du sie so gut verstehst, dann kümmer du dich doch um sie!“, schrie er.

„Gute Idee.“, sagte Erik, griff nach Serenas Arm und erhob sich. Gezwungenermaßen stand auch sie dadurch auf. 

[…]

„Alter, waaaaas?“, brüllte Vitali und sprang auf die Beine. Noch bevor ihn jemand aufhalten konnte, rannte er den beiden nach.

[…]

Wütend schaute Vitali Serena an. „Sag mir gefälligst auch, was los ist!“ Er machte einen geradezu beleidigten Eindruck.

Serena wusste wirklich nicht, wie sie darauf reagieren sollte.

„Wenn sie es dir sagen wollte, hätte sie es wohl schon getan.“, sagte Erik kalt.

Auf die Worte hin sah Vitali so entrüstet und gleichzeitig ohnmächtig aus, dass Serena sich gewünscht hätte, ihn trösten zu können. Dann wurde sie von seinem vorwurfsvollen Blick getroffen.

Erik zog die linke Augenbraue skeptisch in die Höhe und fixierte Vitali. „Was bist du für sie?“

Vitali starrte ihn planlos an.

Serena wusste sich nicht länger zu helfen. „Amanda!“, rief sie. „Sie heißt Amanda. Wir waren in einer Klasse.“

[…]

Die Schulglocke läutete.

Erik wandte sich an Serena. „Kannst du reingehen?“

Serena nickte betreten.

„Natürlich kann sie reingehen!“, schimpfte Vitali und packte Serena am Oberarm.

Serena sah ihn vorwurfsvoll an.

Vitali begegnete ihr mit nicht minder vorwurfsvollem Blick.

Mit einer Bewegung ihrer Augen wies sie ihn darauf hin, dass er sie gerade berührte. Als begreife er das erst in diesem Moment, schreckte Vitali regelrecht von ihr weg und verzog den Mund.

Erik beobachtete die Szene und begriff nun auch, was Vitali für Serena war. Er schnaubte belustigt.

 

Kapitel 24 Anhaltspunkte

„Vitali, es ist für dich! Ein Mädchen aus deiner Klasse.“ Aufgrund der Lautstärke musste Serena für einen Moment den Hörer von sich weg halten.

„Hä? Wer?“, rief Vitali zurück, immer noch auf das Spiel fixiert. Die letzten paar Kurven lagen vor ihm.

Seine Mutter brummte und sagte dann in den Hörer: „Wie ist denn dein Name?“ Eine Sekunde später schrie sie zurück zu Vitali: „Es ist Serena!“

„Serena?!“ Vitali war für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt und rutschte aus der letzten Kurve.

[…]

„Hallo...?“

„Hi.“, hörte er Serenas ungewöhnlich zaghafte Stimme.

Vitali war sichtlich verwirrt, allerdings konnte man das durch ein Telefon ja nicht sehen. „Was gibt’s?“

„Vielleicht will sie mit dir gehen!“, kam die Stimme seines kleinen Bruders aus dem Wohnzimmer.

„Noch so’n Kommentar und du bist ‘nen Kopf kürzer!“, schimpfte Vitali.

„Was hat er gesagt?“, wollte Serena wissen, die nichts verstanden hatte.

„Ah, nichts.“, entgegnete Vitali eilig.

 

Kapitel 26 Puzzleteile und Planung

Serena wollte ihnen die Geschichte erzählen, wurde aber zwischendrin immer wieder von Vitali unterbrochen.

„Dann erzähl du es doch.“, fuhr Serena den Jungen neben sich an.

„Ich hab doch nur ergänzt.“, rechtfertigte sich Vitali.

„Du bist mir ins Wort gefahren!“

„Sei doch nicht so empfindlich.“

[…]

Da Serena aufgrund Justins seltsamen Verhaltens nicht sofort reagierte, nahm Vitali ihr einfach das Heft aus den Händen. „Hey!“

Vitali ignorierte ihren Aufruf.

[…]

„Serena?“, hakte Vivien nach.

Für einen Moment hätte Serena zu gerne einfach Nein gesagt, doch etwas hinderte sie daran, das Wort auszusprechen. Und ehe sie sich zu irgendeiner Antwort durchgerungen hatte, hatte schon Vitali das Wort ergriffen.

„Ist doch egal, was Serena sagt!“, verkündete er. „Das ist Demokratie! Vier von fünf sind dafür. Also ist die Sache entschieden.“

Serena rechts neben ihm funkelte ihn empört an. „Das heißt noch lange nicht, dass ich mitgehe!“

Vitali grinste höhnisch. „Wie? Hast du gedacht, das interessiert uns?“

Die unterdrückte Kränkung war Serenas verkniffenem Mund deutlich anzusehen. „Mir ist es ganz recht, wenn ihr alleine geht.“, zischte sie so abweisend es nur ging. Wie hatte sie bloß so bescheuert sein können, zu glauben, dass es diesen Vieren auch nur das Geringste ausmachen würde, wenn sie nicht dabei war?

„Mann, Mann, Mann.“, machte Vitali und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Du hast hier gar nicht zu entscheiden, ob du mitgehst oder nicht. Wir zwingen dich einfach!“ Er grinste das Mädchen neben sich breit an und löste damit offenkundige Verwirrung in Serena aus. Es dauerte eine Sekunde – in der sich Vitali sichtlich über ihre Sprachlosigkeit amüsierte – bis Serena zu einem Konter fähig war.

Kämpferisch funkelte sie Vitali an. „Achja?“

Vitali machte es sich noch ein wenig bequemer in seinem Stuhl, hob die Arme und faltete die Hände hinter seinem Kopf „Ja.“, sagte er lässig.

Herausfordernd schlug Serena mit ihrem Handteller auf den Tisch. „Versuch’s doch.“

Vitali richtete sich in seinem Stuhl wieder auf und beugte sich grinsend zu ihr. „Ich bin größer als du.“

Serena tat es ihm gleich. „Und ich bin stärker als du.“

Auf Vivien wirkte es, als würden die zwei dabei eine Menge Spaß haben.

 

Vitali drehte sich zu Erik. „Ich schlage vor, dass Serena den psychopathischen Killer spielt oder das Monster.“ Er blickte grinsend zu Serena. „Braucht sie gar nicht zu schauspielern.“

„Wenn ich dich dann aufschlitzen darf!“, fauchte Serena.

„Ja, das ist die richtige Einstellung!“, lachte Vitali.

Kapitel 27 Zur Ausgrabungsstätte

Vor Schreck wollte sich Serena an der Person festhalten, die am nächsten bei ihr stand, obgleich es sich dabei um Vitali handelte, der wie sie und die anderen geschockt auf das Bild vor sich starrte.

 

Kapitel 28 Gejagt

Vitali rang hilflos nach Luft, die Pranke eines Schatthens hatte sich um seine Kehle gelegt. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, alles schien sich langsam von ihm zu entfernen.

Serenas Versuche, Vitalis Hals zu befreien, scheiterten kläglich. Der Griff schien sich dadurch eher noch zu festigen! Hilflos musste sie mitansehen, wie Vitalis Bewusstsein zusehends schwand. Schluchzend wandte sie all ihre Kraft auf, aber umsonst.

Sie sah zu den anderen. Ariane war damit beschäftigt, Justin zu befreien, Vivien schien verschwunden zu sein. Keiner konnte ihr helfen.

Von Verzweiflung getrieben blieb ihr nur noch eines:

So fest sie konnte biss Serena in die Pranke des Schatthens.

Ein wütendes Ächzen von sich gebend riss der Schatthen seinen Arm zurück und gab Vitali damit frei. Vitali keuchte, hustete und schnappte nach Luft.

[…]

Serena verhinderte, dass Vitali zusammenklappte.

 

Kapitel 30 Ortswechsel

Serena war wie immer etwas abgeschlagen. Sie hatte natürlich auch noch den Fehler begangen, eine Jacke ohne Kapuze zu tragen, und versuchte sich nun mit den Armen vor dem Regen zu schützen. Ariane, die ebenso keine Kapuze hatte, trug wenigstens eine wetterfeste Ballonmütze.

Serenas Ohren fühlten sich eisig an und das Tempo konnte sie auf keinen Fall noch länger durchhalten. Vor sich sah sie, dass die anderen ihr Tempo verringerten. Vivien kam zurück zu ihr. Zunächst dachte Serena, sie wolle ihr etwas sagen, aber Vivien blieb nicht vor ihr stehen, sondern lief an ihr vorbei. Im nächsten Moment spürte Serena, wie sie von hinten angeschoben wurde.

„Vivien, lass das!“, rief sie nach hinten.

Im gleichen Augenblick wurde ihr eine abgetrennte Kapuze aufgesetzt. Vitali, der ohnehin einen Kapuzenpulli trug und daher auf die Kapuze seiner Jacke verzichten konnte, hatte sie ihr verpasst.

„Ich… brauche das nicht!“, wehrte Serena ab.

„Hör auf zu meckern und mach das Ding vorne zu, sonst fliegt es noch weg.“, erwiderte Vitali mit grimmigem Ton.

„Das ist wirklich nicht nötig!“, rief Serena peinlich berührt.

„Mann, kannst du nicht einfach mal Danke sagen, anstatt immer zu meckern!“, beschwerte sich Vitali.

Widerwillig presste Serena die Druckknöpfe der Kapuze zusammen. Sie wollte gar nicht wissen, wie das jetzt aussah.

Vivien kam wieder an ihre Seite und nickte Vitali zu. Daraufhin packten die beiden jeweils einen von Serenas Armen und zogen Serena unter ihrem Gezeter mit sich.

 

Kapitel 31 Endlosdiskussionen

Vitali lehnte sich grinsend gegen den Schrank hinter sich. „Ich finde Serenas Idee hat was.“

„Ihr meint, wir sind bei Verstehen Sie Spaß?!“, rief Vivien aufgeregt.

„Ihr seid so bescheuert!“, rief Serena, die sich von den beiden verspottet fühlte.

„Ich finde das wirklich interessant!“, erwiderte Vivien.

Vitali nickte heftig. „Ich auch.“

„Halt’s Maul!“, zickte Serena ihn an.

„Wieso gehst du immer nur auf mich los?“, beanstandete Vitali.

Vivien antwortete an Serenas Stelle: „Von dir erwartet sie mehr. Der potentielle Partner muss bestimmte Kriterien erfüllen.“

Vitali stand auf dem Schlauch. „Hä?“

„Du bist so duuuumm!!!!“, kreischte Serena Vivien an.

Vitali sah sie an und deutete mit seinem Finger fragend auf sich.

Vivien hatte sofort eine Antwort parat. „Ja, weil du nicht merkst, dass sie –“

„Klappeeee!!!!!!“, brüllte Serena. „Du bist dumm, Vivien. Du bist duuuuumm!!!“

Vitali starrte die von ihrem Wutanfall heftig nach Luft schnappende Serena neben sich mit großen Augen an.

„Was ist?!“, stieß Serena aus.

Noch immer schaute Vitali sie an, wie ein Kind, das zum ersten Mal einen Flughafen sah und sich über die riesigen Flugzeuge wunderte. „Ich bin es nicht gewöhnt, dass du jemanden dumm nennst, und nicht mich meinst.“

Serenas Mund nahm eine mimiktechnisch künstlerisch wertvolle Form der Unzufriedenheit an. „Du bist auch dumm! Geht’s dir jetzt besser?“, ächzte sie.

Vitali nickte mit erleichtertem Gesichtsausdruck. „Ja. Viel.“

Dieses Mal ersparte sich Serena einen Kommentar, aber ihr Gesicht sprach Bände.

 

Serena biss sich wütend auf die Unterlippe, dann ging sie hinüber zu dem noch freien Sitzkissen rechts neben Vitali und nahm entnervt Platz. Ein seltener Anblick. Aber augenscheinlich war Vitali momentan der Einzige, der ihre Einstellung teilte: Diese Ewigkeit war verrückt!

„Toll, echt toll.“, grummelte sie leise. „Die Bösen setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um uns zu entführen, und die Guten schicken uns das da.“

Vitali grinste sie an. „Tja, willst du nicht doch lieber die Königin der Schatthen werden? Deine Fähigkeiten dazu hast du ja schon unter Beweis gestellt.“ Er stupste sie mit seinem Ellenbogen spielerisch an.

Serena schupste ihn von sich, so dass er auf die Seite kippte.

„Waaah! Serena greift mich an! Sie ist zu den Schatthen übergelaufen!“, rief Vitali gekünstelt aus und konnte sich anschließend ein Lachen nicht verkneifen.

 

Kapitel 33 Training

„Sollen wir jetzt etwa in pinken Tütüs durch die Gegend rennen und den Schatthen ein Tänzchen vorführen!?“, rief Change angeekelt.

„Krieg dich mal wieder ein.“, schimpfte Destiny. „Wie wär’s einfach mit Wind der Veränderung? Schlicht und einprägsam.“

Change sah sie einen Moment skeptisch an, dann zuckte er mit den Schultern. „Wenn du dir schon die Mühe gemacht hast, dir extra was für mich auszudenken, kann ich wohl schlecht ablehnen.“

„Es war keine Mühe!“, zischte Destiny.

Change grinste sie an und beugte sich zu ihr vor. „Gib doch zu, dass du mich insgeheim magst.“ Er richtete sich wieder auf und machte seltsame Bewegungen mit seinem Oberkörper, während er in einen noch seltsameren Sprechgesang verfiel:

„Duuu maagst mich, gib’s dooch zuuu! Du kannst mich leiden! Ja ja ja!“ Es war offensichtlich, dass er sie damit bloß provozieren wollte und das gelang ihm auch verdammt gut. In Destinys Gesicht zogen immer schwärzere Gewitterwolken auf.

„Halt die Klappe!“ Sie stieß Change grob von sich.

Da der Angriff für ihn unerwartet kam, schwankte er zunächst nach hinten, um schließlich ganz das Gleichgewicht zu verlieren. Unsanft landete er auf seinem Hosenboden. Doch sein Mundwerk funktionierte noch immer einwandfrei. „Das war ein schwerer Schicksalsschlag!“

Destiny starrte ihn an. „Schicksalsschlag…“

„Ja, wortwörtlich!“, beschwerte sich Change und begab sich auf dem Boden in einen halben Schneidersitz und wartete auf eine Entschuldigung von Destiny. Allerdings konnte er darauf lange warten.

 

Mit lustlosen Bewegungen folgten die beiden Ewigkeits Rat. Resigniert sanken sie an einer der Wände zu Boden.

„Das klappt nie.“, murmelte Destiny verstimmt.

„Das kannst du laut sagen.“, stimmte ihr Change zu.

Wieder seufzten die beiden.

Change lehnte sich gegen die Wand hinter ihnen, während Destiny, die Beine an sich gezogen, ihr Gesicht in ihren Armen versinken ließ.

„Ich komm mir vor wie im Sportunterricht.“

Change sah sie fragend an. „Hä?“

Destiny hob den Kopf leicht. „Da hab ich auch nie was auf die Reihe gekriegt.“

„Ist doch egal.“, meinte Change. Destiny schaute ihn mit großen Augen an, als habe er sie gerade zur Weltrevolution aufgerufen. „Was ist?“

Sie drehte den Kopf wieder weg. „Naja, bisher haben sich immer alle darüber lustig gemacht.“

„Hä? Über was?“ Change stand auf dem Schlauch.

„Dass ich so schlecht in Sport bin.“

Changes Gesicht verzog sich in übertriebenem Schrecken. „Du bist…“ Er hielt seine Hände ans Gesicht und kreischte das nächste Wort in gespieltem Entsetzen. „un-sport-liiiich???“

Ganz offensichtlich fand Destiny den Scherz nicht komisch. Change lachte trotzdem und stupste sie freundschaftlich an. „Hey, sei doch nicht so.“ Er hob die Schultern. „Dass du dir über so was Gedanken machst!“

„Sich wie der letzte Idiot vorzukommen, ist nun mal nicht grad schön.“ Destinys Gemurmel hörte sich an wie das unzufriedene Murren einer Katze. Sie sah Change nicht an.

Changes Augenbrauen gingen in die Höhe. „Man ist doch kein Idiot, nur weil man in Sport schlecht ist…“ Seinem Tonfall war anzumerken, dass er Destinys Sichtweise überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Destiny sah ihn mit einem Blick an, den Change nicht die Bohne deuten konnte, daher sprach er einfach weiter. „Außerdem ist das hier doch was ganz anderes.“

Etwas Gruseliges ging in Destinys Gesicht vor. Fast wäre Change vor Schreck aufgesprungen. Destiny… lächelte!!!

Zwar nur ganz schwach. Aber doch waren ihre Mundwinkel nach oben gezogen! Das konnte nicht normal sein! Sie hatte doch absolut keinen Grund dazu. Überhaupt: Destiny lächelte nicht! Nie!! Und schon gar nicht in seiner Nähe! Ein Schauder lief über Changes Rücken. Was hatte das bloß zu bedeuten?

Destiny stand mit einem Mal auf und nahm einen tiefen Luftzug. Weiterhin lag ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen, ohne dass ihr das bewusst gewesen wäre. Die Beschützerin schloss die Augen.

Es war egal, ob es funktionierte oder nicht.

Das Lächeln auf ihren Lippen wurde bei dem Gedanken automatisch etwas breiter.

Keiner würde sie verurteilen oder über sie lachen.

Das Bild der anderen vier schoss ihr durch den Kopf. Destiny spürte, wie sich in ihren Augen Tränen bilden wollten, und holte noch einmal tief Luft. Dann öffnete sie wieder ihre Augen. Es war nicht mehr als ein Flüstern als ihre Lippen ‚Schicksalsschlag formten. Ein Flüstern mit gewaltiger Wirkung!

Eine Welle an goldenem Schimmer erfüllte die Atmosphäre. Change sprang schockiert auf. Auch die anderen hatten das Schauspiel nicht übersehen. Freudenrufe drangen zu ihnen.

„Wie hast du das gemacht?!“, schrie Change.

Destiny, die im ersten Moment selbst vollkommen baff war, strahlte nun über das ganze Gesicht. So hatte Change sie wirklich noch nie gesehen! Es war ein extremer Kontrast zu ihrer ständigen Sieben-Tage-Regenwetter-Miene.

Destiny wusste zunächst nicht, was sie auf Changes Frage antworten sollte. Sie konnte ihm ja schlecht sagen, dass es an seinen Worten lag, dass sie es jetzt endlich geschafft hatte.

Destinys Mund schien etwas sagen zu wollen, tat es dann aber doch nicht, holte anschließend jedoch zu einem weiteren Versuch aus. „Du musst dich einfach freuen.“

Change musste darauf nicht antworten, sein Gesichtsausdruck allein reichte schon aus, um zu verdeutlichen, dass er nur Bahnhof verstand.

„Du musst an etwas Schönes denken und dann ist es, als würdest du deine Freude durch deinen Körper nach außen fliegen lassen.“, erklärte Destiny, dabei lächelte sie weiterhin. Change fragte sich, ob sie davon später nicht Muskelkater in ihren Mundwinkeln bekommen würde, immerhin waren diese nicht an eine solche Beanspruchung gewöhnt!

„Freuen also.“, wiederholte Change nachdenklich.

[…]

„Ich hab’s geschafft!!! Ich bin der Größte! Ich bin toll! Woohoooo!!“

Sonst hätte Destiny ihn für diesen Ausbruch wohl böse angefunkelt, aber dieses Mal konnte sie nur selbst strahlen und sich über Changes Freudentaumel mitfreuen.

Change wiederum ergriff kurzerhand Destinys Hände und sang auf und ab hüpfend. „Wir hams geschaaafft!! Wir hams geschaaaafft!!“ Erst im nächsten Moment begriff er, dass er mit Destiny Händchen hielt und ließ sofort wieder los. Sein Grinsen verschwand für einen Moment, in dem er zunächst nicht wusste, was er mit seinen Händen machen sollte, ehe er sie behelfsweise in die Seiten stemmte und ein seltsames Lächeln aufsetzte.

 

Kapitel 34 Was zum Donner!

Vitali musste lachen und legte seinen Arm um Justin. „Hey Mann, hat dich Tiny etwa mit ihrer Hysterie angesteckt?“

Serena starrte ihn argwöhnisch an. „Tiny?“

Vitali grinste. „Na Tiny von Destiny. Sonst bist du doch immer so kirre und glaubst an irgendeinen Hinterhalt.“

Serenas Blick verfinsterte sich. „Erstens: Nenn mich nie wieder Tiny! Und zweitens, bringt uns deine Unbesonnenheit viel mehr in Schwierigkeiten als mein Misstrauen.“

[…]

Serena durchbohrte Vitali mit ihren Blicken: „Kannst du einfach mal die Klappe halten?“

„Kommt ganz drauf an.“ Vitali grinste. „Was krieg ich dafür?“

 

Vitali drehte sich zu ihm um. „Hast du ne Schwester?“, fragte er mit großen Augen.

Erik verstand offensichtlich nicht, wie Vitali jetzt auf diese Frage kam. „Nein. Ich bin Einzelkind.“

Vitali sah ihn bedeutungsvoll an und grinste breit. „Dann muss ich wohl dich heiraten.“

Erik schnaubte belustigt. „Das sagst dann aber du meinem Vater.“

Vitali ließ sich nicht beirren. „Glaubst du etwa, er würde mich nicht mögen?“

Eriks Antwort klang ernster als Ariane es erwartet hätte. „Er würde mich nur enterben.“

Vitali maß dem offenbar weniger Bedeutung bei. „Ha dann brauche ich dich auch nicht mehr heiraten!“, alberte er.

[…]

Vitali musste lachen. „Du bist genau wie Serena!“ Sein Lachen schwoll weiter an. „Geschwister!“

Als er daraufhin sowohl von Serena als auch von Erik böse angefunkelt wurde, hätte man wirklich meinen können, die beiden seien verwandt.

Vivien klatschte begeistert in die Hände. „Dann kannst du ja doch Eriks Schwester heiraten.“

„Hä?“, machte Vitali.

„Halt die Fresse, Vivien!“, kreischte Serena.

Vivien lachte. Auch Erik schien davon amüsiert.

 

„Bei Scherzen ändert man die Stimmlage!“, ermahnte Vitali ihn, als wäre es dringend notwendig, Erik über wichtige soziale Konventionen aufzuklären.

Ariane konnte sich angesichts dessen ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Du klingst immer gleich bescheuert.“, stichelte daraufhin Serena.

Vitali sah Erik an. „Hast du gehört?“

„Ich hab dich gemeint!“, kreischte Serena.

Vitali ignorierte es, was Ariane ein Lächeln entlockte.

 

Kapitel 35 Ein Rätsel

Vitali setzte einen beleidigten Blick auf. „Serena darf sich immer über alles und jeden aufregen, aber sobald ich den Mund aufmache, heißt es gleich: Vitali sei still!

„Wir haben dich doch alle lieb!“, versuchte Vivien ihn in zuckersüßem Tonfall wieder gnädig zu stimmen.

„Halt mich da raus!“, beschwerte sich Serena, die nicht zu ‚Wir‘ gerechnet werden wollte.

„Siehst du, was ich meine!“, klagte Vitali und sah Hilfe suchend zu Vivien.

„Och.“, Vivien strich ihm beruhigend über den Rücken, wie man es bei kleinen Kindern tut. „Sie versucht doch nur, ihre wahren Gefühle für dich zu verstecken.“

„Welche wahren Gefühle!?“, schrie Serena erbost. „Meine Mordgedanken?!“

Vivien sah sie mit ungerührter Miene an. „Wir wissen doch alle, was du im tiefsten Innern für Vitali empfindest.“

„Was soll denn das jetzt wieder heißen!“ Serena war mal wieder einem Tobsuchtsanfall nahe.

 

Kapitel 36 Hilfe

„Ma!“ Vitalis höher werdende Stimme erschallte durch das ganze Haus

„Ja!“, gab seine Mutter mit kräftigem Stimmvolumen zurück. „Ich kann dich gut hören! Ich bin ja nicht taub! Auch wenn ich von deinem ständigen Geschreie mittlerweile taub sein müsste! Weißt du eigentlich, wie peinlich das für mich ist, wenn du dich vor anderen Leuten so aufführst? Denkst du eigentlich mal darüber nach, wie du da rüberkommst?“ Sie deutete auf die Gruppe Jugendlicher. „Die Serena zum Beispiel, die dich angerufen hat – das ist die Brünette, nicht wahr? – Was soll die von dir denken? Da versaust du dir doch jede Chance bei ihr, wenn du dich von Anfang an nicht beherrschen kannst! So erobert man nicht das Herz einer Frau! Auch wenn man schon von Weitem sieht, dass sie auf dich steht. Wenn du dich nicht zusammenreißt, rennt sie dir noch fort!“

Justin, Vivien und Ariane hätten in diesem Moment nicht sagen können, wer von den beiden, Vitali oder Serena, das fassungslosere Gesicht machte. Bei Vitali glaubten sie, noch einen Schuss mehr Entsetzen zu erkennen – was aber auch auf Vitalis Wunsch hindeuten konnte, dass das alles nur ein böser Traum war – während sie bei Serena befürchteten, dass sie sogleich explodieren und sowohl Vitali als auch seine Mutter in Grund und Boden brüllen würde, dass es selbst noch die Anwohner der Nachbarorte hörten.

 

Derweil hatte eines der Fotos auf dem Tisch Serenas Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es zeigte ein etwa vierjähriges Kind mit einem blonden Wuschelkopf. Das Kind trug eine jeansfarbene Latzhose und saß in einem Garten auf der Wiese. Seine Augen strahlten vor Freude und man konnte schon vom Gesichtsausdruck und dem Grinsen her sagen, dass es sich um ein sehr lebhaftes, keckes Exemplar handelte. Serena nahm das Bild in die Hand.

Ariane, die neben ihr saß, begutachtete es ebenfalls. „Die Kleine ist ja süß.“

Serena stimmte ihr zu, dann hielt sie Vitali das Foto entgegen. „Wer ist sie?“

Beim Anblick des Bildes entgleisten Vitalis Gesichtszüge für einen Augenblick.

„Meine Kusine.“, antwortete er, nachdem er seinen Gesichtsausdruck wieder in Ordnung gebracht hatte.

Schon kam Frau Luft mit einem ganzen Karton Fotos zurück. Als sie das Foto in Serenas Hand sah, machte sie einen Freudenseufzer. „Ach, der kleine Vitali! Ist er nicht zu süß? Wie lieb und unschuldig er da aussieht! Die meisten Leute haben ihn immer für ein Mädchen gehalten, weil er so hübsch aussah. Dabei hatte er es da schon faustdick hinter den Ohren!“

Vitali versteckte seine Augen hinter seiner Hand und bemühte sich, sein Gehirn auf Durchzug zu schalten.

„Aber dass du ihn gleich wiedererkannt hast!“ Frau Luft nickte Serena anerkennend zu. „Das muss wirklich Liebe sein!“, flötete sie in einem zuckersüßen Ton. „Wenn du es haben willst, gehört es natürlich dir.“

Ariane und Justin fragten sich, ob das wirklich Frau Lufts Ernst war. So falsch konnte man die Mimik eines Menschen doch gar nicht deuten! Also aus Serenas momentanem Gesichtsausdruck war ja so einiges herauszulesen – Schock, Entrüstung, Widerstreben – aber sicher keine Freude über dieses Angebot!

Vitali indes bat bloß noch stumm um das Ende dieses Albtraums.

 

Kapitel 37 Interpretationsfehler

Während sie von Vitalis Haus wegschlenderten, begann Vivien die Melodie von Diese Welt ist kleinvor sich hin zu pfeifen und zog etwas aus ihrer Tasche, das sie zuvor eingesteckt hatte, als die anderen bereits auf den Weg in Vitalis Zimmer gewesen waren. Sie betrachtete den Gegenstand grinsend, ehe dieser Serena ins Auge fiel.

„Vivieeeen!!!“ Serenas Stimme brach fast. Mit einer hektischen Bewegung wollte sie Vivien das Objekt aus der Hand reißen. Aber Vivien war schneller.

„Du dumme Kuh!!!! Warum hast du es mitgenommen?!!!“, schrie Serena. „Gib es sofort her! Aaarh! Vitalis Mutter wird denken, dass ich es genommen hab!!!

„War doch viel zu schade, als dass man es liegen lässt, wenn sie es einem schon anbietet.“, meinte Vivien leichthin.

Serena konnte sich vor Wut kaum noch halten. „Gib es her!!“

Ohne Widerworte reichte Vivien ihr Vitalis Kinderfoto. Ein diabolisches Grinsen erschien auf ihren Zügen. „Und was willst du jetzt machen? Zurückgehen und ihr sagen: Hallo Frau Luft, hier ist das Foto. Ich hab es nicht genommen, Vivien war’s! Da würd ich zu gern ihr Gesicht sehen!“, Vivien brach in schallendes Gelächter aus.

„Du bist so eine dumme Kuh!!!“, kreischte Serena und hätte Vivien am liebsten geohrfeigt. Jetzt glaubte Vitalis Mutter erst recht, dass sie in ihn verknallt war!! Das war der pure Horror!!

Plötzlich fiel es Serena wie Schuppen von den Augen:

Vitali wusste auch nicht, dass Vivien das Bild eingesteckt hatte, also würde er, sobald seine Mutter ihm vom Verschwinden des Fotos erzählte, ebenso davon ausgehen, dass sie es eingesteckt hatte!

Neeeeiiiiiinn!!!!!!!!!

Serena wirkte wie ins Delirium gefallen, denn wie angewurzelt war sie stehen geblieben und starrte entsetzt auf den Boden.

Das war einfach zu peinlich!

Mit einem Mal erwachte Serena wieder und packte Vivien am Kragen. „Du wirst jetzt sofort Vitali anrufen und ihm sagen, dass du das Foto genommen hast und nicht ich!“

Vivien schien auch von Serenas Körpereinsatz nicht beeindruckt. „Wenn du meinst, dass er mir das glaubt.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Also mir würde es eher wie eine billige Ausrede vorkommen.“

Serenas Augen funkelten sie beängstigend an. „Es ist die Wahrheit!!!

„Ach, das hat nicht viel zu heißen. Wenn man jemanden etwas ganz direkt sagt, auch wenn es die Wahrheit ist, dann wird einem meistens nicht geglaubt.“, erklärte Vivien.

[…]

Vivien zog ihr Handy hervor und suchte Vitalis Nummer heraus. Sie musste nur kurz warten, offenbar hatte Vitalis Mutter mittlerweile fertig telefoniert. „Hallo, ist Vitali da?“

„Was tust du da?!“, zischte Serena ihr zu.

„Es dir beweisen.“, antwortete Vivien locker. „Ah! Hi Vitali! Serena hat dein Foto mitgenommen, unglaublich nicht wahr?“

„Haha!“, kam es genervt vom anderen Ende der Verbindung. „Wenn du mir das Foto nicht morgen wieder gibst, bring ich dich um!!!

Viviens Grinsen war auch in ihrem Tonfall erkennbar. „Du meinst also, ich soll es in die Schule mitbringen?“

Im nächsten Moment musste Vivien das Handy kurz von sich weghalten, um nicht taub zu werden.

„NEIN!!!“

„Also das besprechen wir dann morgen. Ich wollt jetzt eigentlich nur Serena beweisen, dass du es nicht glauben würdest, wenn ich es dir erzähle.“

„Was?! Was soll denn das jetzt heißen?!!“, rief Vitalis Stimme.

„Bis morgen!“

„Vivieee-“

Und schon hatte Vivien aufgelegt. Sie grinste Serena überlegen an. „Na, was hab ich gesagt?“

„Du.. du..“, Serena bekam einen irren Blick. „Jetzt denkt er wirklich, dass ich es genommen habe!!!“, schrie sie Vivien an.

Vivien lachte.

Serena spießte sie mit ihren Blicken auf.

Doch Vivien ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Du bist viel zu leicht zu durchschauen.“

„Wie bitte?!“, schnaubte Serena.

„Na, wie bei Vitalis Mutter. Wenn du dich nicht gleich so aufgeregt hättest, hättest du gemerkt, dass sie zuerst gar nicht gedacht hat, dass du in ihn verknallt bist. Damit wollte sie nur Vitali ärgern. Aber als sie dann deine Reaktion gesehen hat, ist sie extra drauf rumgeritten.“, klärte Vivien sie auf.

„Das ist doch sadistisch.“, gab Ariane entsetzt von sich.

Vivien zuckte mit den Schultern. „Wenn du nicht willst, dass man es merkt, darfst du dich nicht so aufregen. Sonst denkt gleich jeder, dass du an ihm interessiert bist.“

„Es stimmt aber nicht!!!“, kreischte Serena.

Vivien prustete los.

„Was soll denn das jetzt!“, schimpfte Serena.

Vivien fing sich wieder und grinste Serena vielsagend an. „Na, du regst dich schon wieder auf!“ Sie zwinkerte ihr mit ausgestreckter Zunge zu und rannte dann Justin hinterher, der an der nächsten Ecke stehen geblieben war und immer noch nichts von seiner Umgebung wahrzunehmen schien.

„Was soll das heißen?!“, schrie Serena ihr nach und rannte ihr mitsamt Ariane hinterher.

 

Kapitel 38 Gruppenzugehörigkeit

Erik erklärte nüchtern: „Damit Amanda sie in Ruhe lässt, hab ich gesagt, Serena würde zu mir gehören. Wenn ich das aufrechterhalte, bleibe ich vielleicht von den Modezeitschrift-Anhängerinnen verschont.“

Vitalis Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er von der Idee nicht begeistert.

Ein neckisches Lächeln erschien auf Eriks Lippen. „Das würde dich nicht rein zufällig stören?“

„Nicht die Bohne.“, zischte Vitali. Mit gespielter Gleichgültigkeit stand er auf und stapfte hinüber zu Vivien und Ariane in die erste Gruppe.

 

Der ungläubige Ausdruck in Serenas Gesicht steigerte sich nochmals und bekam etwas bitter Bissiges. „So ein Quatsch. Niemand würde jemals glauben, dass du mit mir zusammen bist.“ Sie schüttelte den Kopf, als wäre das das Dümmste, das sie jemals gehört hatte.

Nun war es Erik, der sie verständnislos anblickte. „Wieso denn nicht?“

[…]

Serena stieß belustigt die Luft zwischen den Zähnen hindurch aus und lächelte spöttisch. „Du solltest aufpassen, sonst bild ich mir noch was drauf ein.“

Erik grinste zurück. „Ach, mir würde das weniger ausmachen, als jemand anderem.“ Seine Augen glitten kurz hinüber zu der Gruppe an der Fensterseite.

Serena konnte nicht umhin, es ihm gleichzutun, […].

Allerdings übersah Serena dabei etwas, das nun Ariane befremdet feststellen musste: Vitali hatte mit einem gruseligen Gesichtsausdruck begonnen, seinen Block in hektischen Bewegungen vollzukritzeln, dass der Abdruck sicher auf sämtlichen verbleibenden Blättern sichtbar sein musste, wobei er wie ein Irrer auf die Gruppe auf der anderen Zimmerseite fixiert war. Oder besser gesagt, zwei ganz bestimmte Personen dieser Gruppe.

Vivien konnte sich daraufhin ein belustigtes Kichern nicht verkneifen.

 

Sie wollte sich gar nicht mehr beruhigen und Vitali musste hilflos zusehen, wie ihr ganzes Gesicht von Tränen benetzt wurde und die Pein ihren gesamten Körper zum Beben brachte.

„Serena.“

Sie reagierte nicht.

Was sollte Vitali jetzt bloß tun?! Er war ja schon als Kind damit überfordert gewesen, wenn sein kleiner Bruder geweint hatte!

Nervös blickte er sich um. Verdammt! Warum kamen denn die anderen nicht, um nach ihnen zu suchen? Wieso ließen sie ihn hiermit alleine? Das ging doch nicht!

Einen weiteren Moment wusste Vitali nicht, wie er reagieren sollte, starrte hilflos auf das Häufchen Elend vor ihm. Sein Gesicht verzog sich widerwillig, als ihm bewusst wurde, was das einzige Mittel war, das ihm einfiel. Das, was er als Kind schon bei Vicki eingesetzt hatte, wenn sämtliche sonstigen Versuche gescheitert waren, den Kleinen zu beruhigen. Das, was er Vicki verboten hatte zu erzählen, weil es ihm zu peinlich gewesen war.

Noch einen letzten Atemzug brauchte Vitali, ehe er dazu bereit war.

Er umarmte Serena.

„Es.. Es tut mir leid. Ich wollte nicht…“ Vitali stockte und schluckte schwer.

Unsicher drückte er Serena ein wenig fester an sich und fragte sich gleichzeitig, ob das auch wirklich eine gute Idee war. Er spürte Serenas Zittern, hörte ihr unkontrolliertes Schluchzen und verharrte in der Umarmung.

Erst Augenblicke später wagte er, wieder das Wort zu ergreifen.

„Ich bin bei dir… Ich bleib bei dir.“, flüsterte er ihr zu, wie er es schon bei Vicki getan hatte, als der Kleine wegen einem Albtraum zu ihm ins Bett geflüchtet war.

Seine Stimme bekam einen belustigten Unterton. „Da kannst du noch so sehr wollen, dass ich verschwinde!“

Plötzlich spürte er, wie Serena seine Umarmung erwiderte.

Davon zunächst etwas verdutzt, sprach er erst nach einem weiteren Moment weiter.

„Tja, das hast du nun davon. Uns kriegt man nicht mehr so schnell los. Nicht mal mit deinem ständigen Rumgezicke.“ Langsam gewöhnte er sich an den Umstand, Serena in Armen zu halten. „Das haben echte Freunde nun mal so an sich. Und Vivien hat sowieso schon die Adoptionspapiere für dich beantragt.“

Das Geräusch, das Serena von sich gab, war nicht ganz klar als Lachen oder Schluchzen zu definieren, Vitali ging davon aus, dass es sich um eine Mischung aus beidem handelte.

Nach und nach legte sich nun Serenas Zittern und Schluchzen.

Als Stille eingetreten war, wusste Vitali nicht, was als nächstes zu tun war. Unfähig zu reagieren, verblieb er weitere Momente in dieser Stellung. Dann, ganz langsam und zögerlich lösten er und sie sich wieder voneinander.

Mit einem Schlag war die ganze Situation noch viel peinlicher als sie es eben noch gewesen war, als sie sich mittendrin befunden hatten.

Total verlegen vermieden die beiden es, den anderen anzublicken.

Schweigend standen sie einander gegenüber und getrauten sich nicht, etwas zu sagen.

Schließlich streckte Vitali Serena eine Packung Taschentücher hin. Ohne Kommentar nahm sie das Angebot an und putzte sich mehrmals lautstark die Nase. Weiterhin sahen sie einander nicht an. Das Schnupfkonzert endete und Serena füllte die mittlerweile leere Taschentuchpackung mit den benutzten Taschentüchern und stopfte sie in ihre Jackentasche.

„Danke.“, flüsterte sie so leise, dass man es nicht verstand.

Vitali machte ein paar Versuche, einen Ton herauszubekommen, brach dann aber jedes Mal kurz vorher ab. Immerhin gelang es ihm, Serena für einen Moment anzusehen, ehe er sich wieder abwendete. Er schnappte nach Luft.

„Die anderen machen sich sicher schon Sorgen.“, fing er endlich an und versuchte besonders unbekümmert zu klingen. „Wer weiß, was sich Vivien in der Zwischenzeit mal wieder für Geschichten ausgedacht hat!“, lachte er, auch wenn es furchtbar aufgesetzt klang.

Serena nickte. Stockend brachte sie erste Worte hervor. „Ich werd’s versuchen.“

Vitali sah sie verständnislos an.

„…zu vertrauen.“ Mit diesen Worten machte sie sich auf den Weg zurück in das Hauptquartier der Gleichgewichtsbeschützer.

„Serena?“

Sie stoppte.

„Wirst du es mir irgendwann erzählen? Was zwischen euch passiert ist?“

Für einen kurzen Moment drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an, dann wandte sie sich wieder ab. „Wer weiß.“

Daraufhin kam Vitali zu ihr gejoggt und hielt ihr seine Faust hin, wie er es sonst bei Erik und Justin tat. „Freunde?“

Unsicher betrachtete Serena die Geste, blickte ungläubig in Vitalis Gesicht und zurück auf die ihr entgegengestreckte Faust. Langsam erhob sie ihre Rechte und ballte sie ebenfalls. Noch einen Moment zögerte sie, ehe sie ganz sachte ihre Faust gegen die seine schlug.

„...Freunde.“

Vitali strahlte sie nun über das ganze Gesicht an:

„Willkommen im Team!“

 

Kapitel 40 Symbolik

„Meine Fresse! Hier ist so viel Kultur. Ich fürchte fast, mein IQ ist grade gestiegen!“, rief Vitali aus, als sie den Kursaal betreten hatten.

Im ganzen Raum standen zahlreiche Skulpturen und Kunstgegenstände. An den Wänden hingen Gemälde unterschiedlicher Größe und zahlreiche Glasvitrinen präsentierten den Besuchern stolz ihr Inneres.

„Keine Angst, das wird nicht passieren.“, stichelte Serena.

Vitali ließ sich davon nicht beirren. „Stimmt, noch schlauer kann ich ja gar nicht werden!“ Keck grinste er sie an.

Serena antwortete mit einem höhnischen Lächeln. „Du sprichst mir aus der Seele.“

Vivien kicherte. „Es ist so süß, wenn ihr miteinander flirtet!“

„Wir flirten nicht!“, schimpfte Serena und musste mit einiger Bestürzung feststellen, dass Vitali ihr nicht lautstark beipflichtete, sondern sich bereits wieder der Umgebung widmete. Irgendwie war das peinlich.

 

Justin x Vivien Szenen-Zusammenstellung Balance Defenders, Compilation, Pairing, Shipping, Szenen, Zusammenstellung

Autor:  Regina_Regenbogen

Beim Raussuchen der Szenen ist mir aufgefallen, dass bei Vivien und Justin gerade am Anfang eigentlich oft ganz kleine Gesten zeigen, wie gut sie harmonieren. Häufig verstehen sie direkt, was der andere vorhat und unterstützen einander.

Solche Ein-Satz-Situationen habe ich nicht alle hier eingefügt, weil sie ohne Kontext etwas seltsam gewirkt hätten. 

 

Beim Zusammenstellen fand ich es interessant zu sehen, wie die Beziehung der beiden - die von allen Pärchen als einzige nicht von unnötigen Streitigkeiten überschattet ist - sich entwickelt und wie ihr Vertrauen zueinander, das von Anfang an vorhanden ist, tiefer wird.

 

Auch dass gerade die schwierigen Situationen, in denen sie sich einander nicht von der besten Seite zeigen, ihre Beziehung stärken, fand ich sehr schön mitzuverfolgen.  

Während bei den anderen Pärchen meistens die Offenbarung der Verletzlichkeit des anderen zu einer Vertiefung der Beziehung führt, geben Vivien und Justin einander von Anfang an Halt und Vertrauen. 

Doch Justins Scheu vor körperlicher Nähe und Viviens Unsicherheit, wie sie ihm sonst deutlich machen soll, dass sie auf romantische Weise an ihm interessiert ist, erschweren es ihnen, die Beziehung auf die nächste Stufe zu bekommen. 

 

Lustigerweise haben die beiden bisher die wenigsten Szenen, in denen wir sie nur zu zweit interagieren sehen. Immerzu sind sie von anderen umgeben, und sei es nur von Ewigkeit. 

 

Man könnte jetzt fragen: Warum zeige ich die beiden nicht, wenn sie nur zu zweit sind?

Die einfache Antwort ist: Vivien Annäherungsversuche beschränken sich großteils auf die Momente, in denen sie nicht alleine sind. Entsprechend sind die Szenen, in denen sie wirklich alleine sind, meist ziemlich unspektakulär.

Vielleicht sollte ich aber für die Fans irgendwann mal ein paar ihrer Schulwegsgespräche schreiben. :D Zum Voranschreiten des Geschehens tragen die zwar nicht bei, aber man würde mehr von Vivien und Justin erfahren. ;D

 

So, und nun die Szenenzusammenstellung der beiden bis zum gestern veröffentlichen Kapitel.

Viel Spaß!

 

Band 1

Kapitel 2 Glockenspiel

„Justiiin!“, rief eine überschwängliche Mädchenstimme von der gegenüberliegenden Straßenseite.

Er stoppte und blickte zu dem Haus direkt gegenüber dem seinen. Dort stand die Nachbarstochter. Sie hatte wohl nur kurz den Müll hinausgetragen, denn sie trug weite bequeme Hauskleidung. Obwohl sie kaum ein Jahr jünger war, war sie einen ganzen Kopf kleiner als er. Leuchtend orangefarbenes, knapp schulterlanges Haar umrahmte ihr rundes, sommersprossiges Gesicht. Große, indigofarbene Augen strahlten ihn fröhlich an.

Justin verschlug es die Sprache. Ihm wurde flau im Magen. Wie angewurzelt stand er da und konnte nichts anderes tun, als sie stumm anzustarren.

Das Mädchen lächelte noch breiter und deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst. „Vivien!“

Wahrscheinlich meinte sie, er habe ihren Namen vergessen und sei deshalb so verunsichert.

„Ich weiß!“, stieß Justin mit viel zu hektischer Stimme aus. Er zog seinen Kopf ein und schlug beschämt die Augen nieder.

Nur zaghaft wagte er es, wieder aufzublicken, und musste irritiert feststellen, dass Vivien zur Salzsäule erstarrt war. Geistesabwesend stierte sie Löcher in die Luft.

„Alles okay …?“, fragte Justin vorsichtig.

Beim Klang seiner Stimme schien sie aus einer Trance hochzuschrecken und blinzelte ihn kurz an. „Ich hatte ein seltsames Gefühl …“

Justins Augen wurden groß.

Plötzlich kicherte sie hell. Ein warmer, heiterer Klang, der sich in Justins Ohren schöner anhörte als jede noch so virtuose Musikkomposition.

„Das liegt sicher an deiner Ausstrahlung! Da werd ich ganz schwach!“

Justins Gesichtsausdruck entgleiste. Hitze stieg in ihm auf, brachte sein ganzes Gesicht zum Glühen. Und er konnte nichts dagegen tun!

Während er hilflos dastand, lächelte Vivien ihn einfach nur schweigend an. Dann ergriff sie wieder das Wort. „Ich muss dann wieder rein. Meine Geschwister warten.“ Sie deutete mit dem Daumen hinter sich, rührte sich aber nicht, als warte sie auf etwas. Allerdings wusste Justin nicht auf was.

Vielleicht hätte er jetzt irgendetwas sagen sollen. War das nicht eine gute Gelegenheit? Aber was sollte er sagen? Sicher würde er sich dann nur wieder blamieren.

Ihre lebhafte Stimme ertönte erneut. „Du musst unbedingt mal zu uns rüberkommen und mir dabei helfen, die beiden in Schach zu halten!“, forderte sie eifrig. „Mit etwas Glück könnten wir sogar beide überleben!“ Wieder ihr warmes, heiteres Lachen. „Abgemacht?“ Ihre Augen strahlten.

Justin nickte hektisch und kam sich dabei wie ein hirnloser Wackeldackel vor. 

Noch einmal lächelte Vivien ihm zu. „Ich freu mich drauf!“ Anschließend verschwand sie im Hauseingang.

 

Kapitel 9 Über Fallen

Augenblicklich brachen die Platten unter ihm weg.

Justin versuchte, noch rechtzeitig hochzufahren, doch auf halbem Weg nach oben musste er einsehen, dass die Gewichtskraft und der durch den Sturz hervorgerufene Schwindel stärker waren als seine Bemühungen. Er kippte zurück nach hinten. Gerade als er glaubte, in das Schwarz zu fallen, umklammerte ihn jemand.

Vivien hatte sich zu ihm geworfen und seinen Brustkorb umschlungen. Mit ihrem gesamten Gewicht stemmte sie sich nach hinten und landete auf dem Rücken, Justin genau über ihr. Er stützte sich auf seine Unterarme und sah Vivien an.

„Keine Zeit!“, rief Vivien.

Mit hochrotem Kopf rappelte Justin sich schnellstmöglich auf.

 

Kapitel 11 Seelenscherben

Sobald Justin ihren Zustand erkannte, stürzte er vor und warf sich regelrecht auf den Boden zu ihr.

„Vivien!“ Besorgt beugte er sich über sie. „Wie geht es dir?“

„Wenn man von meinem bisherigen Leben absieht, ging es mir nie besser.“ Sie grinste. Seine Fürsorge freute sie.

 

Kapitel 18 Gemütliches Beisammensein

Aufgrund der auf vier beschränkten Spieleranzahl erklärte sich Justin freiwillig bereit, nicht mitzuspielen.

„Du kannst dich mit mir abwechseln.“, sagte Vivien und rückte deutlich näher an Justin heran, als es nötig gewesen wäre. Sie gab ihm den Controller in die Hand und erklärte ihm die Funktionen, nicht ohne die Gelegenheit zu nutzen, um ihre Hände auf seine zu legen, als wäre das für ihre Erläuterungen notwendig.

Infolge der Körpernähe zu ihr, war Justin nicht wirklich in der Lage, ihren Ausführungen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Er fürchtete, dass sein Gesicht bereits knallrot war und hoffte inständig, dass Vivien es nicht bemerken würde.

 

Kapitel 20 Guten Morgen

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er zurück in den Wachzustand geholt wurde. Vor sich erkannte er Vivien. Er fuhr auf. „Ist was passiert?“

Sie gab ihm zu verstehen, dass er leise sein sollte, allerdings legte sie dazu den Zeigefinger nicht auf ihre, sondern auf seine Lippen, was zwangsläufig dazu führte, dass Justin eine pochende Hitze in sich aufsteigen fühlte, die ihn einen Moment lang jedes klaren Gedankens beraubte.

Vivien konnte angesichts seiner Reaktion ein Grinsen nicht unterdrücken. Vielleicht hätte sie sich ihm zuliebe etwas zurückhaltender geben sollen, aber dazu genoss sie den Effekt ihres Verhaltens viel zu sehr.

 

Vivien setzte sich ungerührt neben sie und nahm sich eine Brotscheibe. „Ich hab heute Morgen schon gedacht, du hättest ihn wachküssen sollen statt ihn zu treten. Das wäre viel effektiver gewesen.“

Äußerst verlegen sah Justin daraufhin in ihre Richtung. Das hatte Vivien doch nicht bei ihm gemacht, oder?

Vivien zwinkerte ihm zu.

Mit hochrotem Kopf versuchte er sich auf das angerichtete Frühstück zu konzentrieren. Sie machte doch nur Scherze. Wieso hätte sie ihn auch küssen sollen? Sie war ja nicht mal an ihm interessiert.

Seine Aufregung wandelte sich jäh in Frustration. Er seufzte.

Vivien konnte den Wandel in seinem Gesicht nicht nachvollziehen, vor allem da Serena ihren Gedankengang unterbrach.

 

Kapitel 22 Schule und andere Katastrophen

Sie stürzte auf das Nachbarhaus zu, klingelte und wartete schnaufend einen Moment.

Hoffentlich war sie nicht zu spät!

Nach einigen Augenblicken öffnete Justin die Tür.

„Morgen!“, rief sie quietschfidel und fixierte ihn dann mit freudigem Lächeln und großen erwartungsvollen Augen. „Willst du mit mir gehen?“

Justin wäre fast die Kinnlade runtergeklappt.

Vivien musste sich ein Kichern verkneifen, ein breites Grinsen nahm ihre Züge ein.

Röte stieg in Justins Gesicht. Er sah so hilflos und von der Situation überfordert aus, dass Vivien schließlich einlenkte.

„Oh, ich dachte, du würdest auch noch zur Schule gehen und wir könnten gemeinsam laufen.“ Sie machte eine gespielte Verlegenheitsgestik. „Ich hab gar nicht überlegt, dass du auch eine Ausbildung angefangen haben könntest.“ Sie lachte kurz auf und streckte dann achselzuckend und mit einem Zwinkern kurz die Zunge heraus.

Justin löste sich aus seiner Erstarrung.

Es war ihm sichtlich peinlich, dass er ihre Frage, ob er mit ihr gehen wolle, anders verstanden hatte. Der Arme konnte ja nicht wissen, dass sie ihre Wortwahl mit voller Absicht getroffen hatte.

„Äh nein. Doch. Also ja.“, stotterte er. „Ich gehe auch noch zur Schule.“

Als wäre das die absolut wundervollste Nachricht überhaupt, strahlte Vivien übers ganze Gesicht und packte ihn am Arm, wie um ihn mit sich zu ziehen.

„Wa-warte!“, rief er. „Mein Rucksack.“

Vivien kicherte und ließ ihn los.

Justin eilte nochmals hinein und kam sogleich mit seinem Rucksack und einem Umschlag in der Hand zurück.

Bei dem Anblick des Umschlags schnellte Viviens Laune noch weiter in die Höhe. „Du gehst auch auf die Handelslehranstalt?!“, jauchzte sie.

Verlegen nickte Justin. Ihm fiel jetzt erst auf, dass sie am Wochenende gar nicht darüber gesprochen hatten, welche Schulen sie besuchten.

Serena hatte so verängstigt geschaut, als Ariane das Thema Schule angeschnitten hatte, dass Vivien schnell das Thema gewechselt hatte.

„Welche Schulart? Welche Klasse?“, fragte Vivien überschwänglich.

„Wirtschaftsgymnasium. E6.“

„Dann sitzen wir zusammen!“

Ehe Justin noch ein Wort sagen konnte, zog sie ihn mit sich.

 

„Willst du wirklich, dass ich neben dir sitze?“, fragte Justin zaghaft. Jetzt, wo er nicht mehr der einzige Klassenkamerad war, den Vivien kannte, war er sich unsicher über ihr Angebot.

Vivien schaute ihn mit einem Schmollmund an: „Du hast es mir versprochen!“

Justin spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Damit Vivien das nicht bemerkte, setzte er sich schnurstracks auf den ihm zugedachten Platz.

Auf Viviens Zügen erschien ein zärtliches Lächeln. Für wie ahnungslos er sie doch hielt! Zu süß.

 

Kapitel 26 Puzzleteile und Planung

Sie beugte sich zu Justin hinüber, um in seinen Sichtbereich zu gelangen, und lächelte ihn freudig an. „Das ist doch toll!“

Justin schaute verunsichert. Ihm war elend. Er empfand die Situation als unheimlich und fühlte sich mit einem Mal fremd in seinem Körper. Wie konnten diese fremden Eindrücke einfach so in ihn eindringen und ihn in seinem Schlaf heimsuchen? Er wollte das nicht.

Vivien – nun bäuchlings auf dem Tisch liegend, um von Justin, der die Augen niedergeschlagen hatte, überhaupt bemerkt zu werden – versuchte nochmals, ihm Mut zuzusprechen. „Das heißt, dass unsere Kräfte auch jetzt noch funktionieren. Das kann doch nur von Vorteil sein! Nicht wahr?“

Unglücklich blickte Justin auf. Vivien hatte Recht. Angenehm war die Erkenntnis aber dennoch nicht.

 

Kapitel 30 Ortswechsel

Um den Gang nicht zu blockieren, nahm Justin in dem gegenüberliegenden Vierer Platz. Vivien folgte ihm nach und setze sich mit der Begründung, sie wolle nicht, dass ihm kalt werde, neben ihn. Seinem Gesichtsausdruck war anzusehen, dass er dieses Problem in ihrer Nähe tatsächlich nicht haben würde. Als sie sich an seinen Arm schmiegen wollte, versicherte er ihr eilig, dass das nicht nötig sei.

„Aber mir ist kalt.“, klagte sie mit Schmollmund.

„Du kannst dich auch zu uns setzen.“, bot Ariane an.

Vivien ließ ihr einen vielsagenden Blick zukommen, den Ariane allerdings nicht zu deuten wusste.

Serena ächzte: „Sie will sich doch nur an ihn kuscheln.“

Vivien lächelte begeistert. „Justin ist schön warm.“

Justin wirkte davon überfordert.

 

Kapitel 32 Ein Hauptquartier

„Vivien!“ Ariane zog die Vermisste in eine Umarmung.

„Ähm, hab ich irgendwas verpasst?“, fragte Vivien in einer Mischung aus Verwirrung und Erheiterung.

„Hey, wo warst du?!“, schalt Vitali sie.

„Ich bin doch nur reingegangen.“, rechtfertigte sich Vivien.

„Aber Justin konnte dir nicht folgen!“, klärte Ariane sie auf. „Keiner von uns.“

Verwirrt blickte Vivien nun hinüber zu Justin.

Er starrte sie entgeistert an, wandte sich eilig ab, als er ihren Blick wahrnahm und bedeckte das Gesicht mit seiner Linken. Er atmete schwer und brachte keinen Ton heraus.

Vivien eilte zu ihm.

„Justin?“ Sie versuchte, einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, was ihr aber nicht gelang.

Sie hörte ihn tief Luft holen, dann sah er sie schließlich mit einem gezwungenen Lächeln an, das Vivien ein schlechtes Gewissen machte. Ohne lange zu zögern, schlang sie ihre Arme um seinen Brustkorb und drückte sich an ihn. Selbst wenn ihm das unangenehm war, wusste sie sich in diesem Moment nicht anders zu helfen.

Unverhofft erwiderte Justin die Umarmung kurz, ehe er wieder hastig von ihr abließ.

Vivien löste sich wieder von ihm und blickte mit einem aufmunternden Lächeln zu ihm auf.

Er wich ihrem Blick aus und wandte sich stattdessen Eternity zu. „Es tut mir leid.“

Nachsichtig lächelnd nickte Eternity.

Vivien reimte sich zusammen, was in ihrer Abwesenheit geschehen war. Sie wollte nach Justins Hand greifen, aber er zuckte vor ihrer Berührung zurück.

„Wir sollten uns bei der Hand nehmen. Damit wir alle zusammen reinkommen.“, rechtfertigte Vivien ihre Geste.

Justin nickte und wirkte nun wieder verlegen. Zaghaft reichte er ihr seine Linke.

 

Kapitel 33 Training

Gedankenversunken schürzte Unite die Lippen und betrachtet die anderen. Ihr Blick blieb an Trust haften und ein verstohlenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie trat hinüber zu Justins verwandelter Form und ergriff seine Hand.

„Vereinte Kräfte!“

Was eben so kläglich fehlgeschlagen war, war nun umso effektvoller.

[…]

Desire sah Unite entgeistert an. „Wie hast du das gemacht?“

„Bei Vereinen hab ich an ‚mit vereinten Kräften gedacht. Aber dann ist mir eingefallen, dass man ja zum Vereinen etwas Zweites braucht.“ Noch immer hielt sie Trusts Hand.

Trust wagte es nicht, ihr seine Hand zu entziehen und hoffte verzweifelt, dass niemand seinen Herzschlag hören konnte.

„Und dann hat’s geklappt!“, freute Unite sich. Sie schien nicht vorzuhaben, ihn wieder loszulassen.

 

Kapitel 34 Was zum Donner

Justin lächelte unwillkürlich. Sein Blick ruhte auf Vivien. Es war unglaublich, dass sie es mit einer solchen Leichtigkeit geschafft hatte, Erik von seinen Verdächtigungen abzubringen. Sie musste das von Anfang an geplant haben. Aber wieso hatte sie ihn und die anderen nicht vorgewarnt? Schließlich hätte ein falscher Zug der anderen sie verraten können.

Viviens Blick begegnete dem seinen. Sie lächelte ihn wissend an. Und als habe er ihre Gedanken gelesen, wusste er, warum sie es so und nicht anders gemacht hatte: Die Reaktionen durften nicht einstudiert wirken!

[…]

Es war perfekt! Vivien war –

Plötzlich fiel Justin auf, dass er sie immer noch anstarrte! Und Vivien antwortete mit einem koketten Augenaufschlag, den er nicht richtig deuten konnte und für ein kritisches Begutachten seiner Person hielt.

Beschämt sprang er auf

 

Kapitel 37 Interpretationsfehler

„Wenn man jemanden etwas ganz direkt sagt, auch wenn es die Wahrheit ist, dann wird einem meistens nicht geglaubt.“, erklärte Vivien.

Allerdings traf ihre These bei Serena nicht auf Gegenliebe. „So ein Schwachsinn!“

„Es stimmt aber.“, beharrte Vivien. Mittlerweile hatte Serena sie wieder losgelassen. „Ich beweis es dir!“

Vivien drehte sich zu den beiden anderen. Ariane und Justin waren weiter vorne stehen geblieben, um auf sie zu warten, und hatten das Gespräch bis hierher verfolgt. „Justin!“

Justin schaute fragend und kam mit Ariane zu ihr gelaufen. Vivien strahlte ihn so freudig an, dass allein davon schon Hitze in seine Wangen stieg.

Dann, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, rief sie euphorisch aus: „Ich liebe dich!“

Die Worte trafen Justin wie der Amboss eine Zeichentrickfigur. Fassungslos stand er da, starrte Vivien an. Noch immer lächelte sie glückselig. Reflexartig flüchteten Justins Augen vor ihrem bestrickend lieblichen Anblick, suchten irgendwo nach einem Rat, was er jetzt tun sollte. Hatte sie das wirklich gesagt? Halluzinierte er? Das… das war doch unmöglich! Im nächsten Moment stand er plötzlich stramm wie ein Zinnsoldat und brachte in einem roboterähnlichen Ton heraus: „Wir- soll-ten weiter-ge-hen…“ Prompt machte er eine Kehrtwende und marschierte mit ungelenken Bewegungen davon.

Sie hatte ganz sicher einen Scherz gemacht! Jawohl. Einen Scherz! Ja! Ganz sicher!

Mit leicht verdutztem Gesicht sah Vivien ihm nach. So einfach war es also wirklich nicht…

 

Kapitel 42 Kraftzuwachs

Justin musste im ersten Moment die Augen schließen, als die automatische Beleuchtung von Viviens Haus ohne Vorwarnung anging. Erst danach sah er Vivien. Sie trug einen fliederfarbenen Blouson und hatte einen Rucksack aufgezogen. Hastig kam sie ihm entgegengerannt, blieb aber nicht vor ihm stehen. Übermütig sprang sie an seine Brust und schlang ihre Arme um ihn.

„Mir ist kalt!“

Justin versuchte einen Ton herauszubekommen, scheiterte aber kläglich.

Ihm war alles andere als kalt!

„Eh, … du.. du kannst dir auch noch eine wärmere Jacke holen.“, gab er schließlich stockend von sich.

Noch immer die Arme um seine Taille geschlungen, meinte Vivien in heiterem Tonfall: „So ist es schon gut.“, und schmiegte sich noch ein wenig enger an Justin, dem für einen Moment die Luft wegblieb.

Mit ihren großen indigofarbenen Augen, die aufgrund der Lichtverhältnisse dunkel wirkten, strahlte sie ihn erwartungsvoll an.

„Du kannst mich doch wärmen!“

Justin fühlte, dass sein Gesicht so intensiv rot glühen musste, dass er jeder Straßenlaterne damit Konkurrenz machen konnte. Und sein Herzschlag musste nicht nur kilometerweit zu hören sein, sondern sicher demnächst ein Erdbeben hervorrufen!

„Eh.. uh …“, mehr brachte er nicht heraus. „Wir..“, Justin schluckte. „Wir müssen die anderen holen gehen!“, rief er dann mit einem Mal und drehte sich zum Gehen, woraufhin Vivien zwangsläufig von ihm ablassen musste.

Annäherungsversuch Nr. Soundsoviel gescheitert, protokollierte Vivien. Sie hätte es sich ja denken können… Dennoch hatte sie nicht vor, deshalb ihre gute Laune zu verlieren!

„Na dann los!“, stimmte sie fröhlich zu und ergriff kurzerhand Justins linken Arm.

 

Vivien freute sich, dass Justin ihren Gedanken wohl sofort durchschaut hatte, ansonsten hätte er niemals zu solch einer ausschweifenden Erklärung ausgeholt, sondern sie vermutlich mit einem kurzen ‚Nur noch ein Stück‘. abgespeist.

Komisch, dass er bei so etwas immer sofort wusste, worauf sie hinauswollte.

„Also ich bin immer noch der Überzeugung, dass die Seelenquelle was mit der Seele zu tun hat.“, setzte sie die Unterhaltung fort.

Justin lächelte bei Viviens Worten, ohne dass es jemand gesehen hätte. Als Kind hatte er fest daran geglaubt, dass die Quelle seine Seele aufladen konnte, weil er sich immer viel besser gefühlt hatte, wenn er dort gewesen war.

„Wer weiß.“, sagte er.

 

Gerade wollte sie die ersten beiden Stufen nehmen, um den anderen die Angst zu nehmen, als eine Hand auf ihrer Schulter sie zurückhielt.

„Warte.“, Justin sah sie ernst an. „Ich gehe zuerst.“

Er konnte nicht zulassen, dass Vivien noch einmal vor seinen Augen verschwand wie damals in dem Holzhäuschen.

 

2. Band

Kapitel 45 Verseucht

„Wir haben sie getötet…“, kam es bald stockend aus Viviens Mund. Sie kauerte auf dem Boden, stützte sich auf ihre Unterarme.

„Wir haben sie getötet.“

Langsam richtete sie sich wieder halb auf und drehte sich zu den anderen. 

„Wir haben sie getötet!!!“, schrie sie. „Warum!?“

Im nächsten Moment schlang Justin seine Arme um sie und drückte sie so fest er nur konnte an sich, hielt sie ganz fest, spürte selbst die Tränen kommen, wusste nicht, ob er Vivien um ihretwillen oder um seinetwillen umklammerte.

„Nein! Nein!“, schluchzte Vivien in seinen Armen und krallte sich dann Hilfe suchend an ihn. Ihr tränenersticktes Schluchzen schnürte einem die Kehle zu.

 

Kapitel 46 Gefühlschaos

Er wollte nicht hier drin gefangen bleiben! Er wollte zu den anderen!

Auch wenn ihm wieder wehgetan wurde… – immer mehr Tränen bildeten sich in seinen Augen – …es war besser, als sich hier drin vor dem Leben zu verstecken.

Er wollte nicht mehr alleine sein!!!

„Vivien!“

Sein Schrei zerfetzte das Trugbild und im gleichen Moment sah er in indigofarbene Augen.

Justin zuckte zurück, als er realisierte, wie nah Viviens Gesicht ihm war, schlug aber mit dem Hinterkopf gegen eine Wand.

„Ganz ruhig.“ Ihre Stimme klang sacht. „Du bist aufgewacht.“

Noch immer versuchte er, so weit wie möglich von ihrem Gesicht entfernt zu bleiben. Sie sah ihn äußerst besorgt an und machte den Ansatz, ihm noch näher zu kommen. Dann schien ihr beim Blick in seine Augen die Erkenntnis zu kommen. Vorsichtig zog sie ihren Oberkörper zurück und nahm etwas Abstand zu ihm ein. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen.

Erst jetzt wagte er, sich umzublicken.

Sie befanden sich in einem kleinen schneeweißen Raum. Hinter Vivien konnte er Ariane und Vitali erkennen. Diese knieten zu Serena, die gegen die gegenüberliegende Wand gelehnt noch zu schlafen schien.

Vivien strahlte ihn an. „Du redest im Schlaf.“

Justin spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Daraufhin näherte Vivien sich ihm plötzlich wieder. Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern.

„Das ist sehr süß.“

Er brachte keinen Ton mehr heraus.

Dass Vitali mit einem lauten Schrei alle Aufmerksamkeit auf sich lenkte, kam Justin gerade recht. 

 

Kapitel 49 Sturm auf die Burg

Derweil begaben sich Unite und Trust in Stellung. Das Brüllen der Schatthen fuhr ihnen durch Mark und Bein.

Unite ergriff Trusts Hand. Obwohl sie ihre Attacke mittlerweile auch ohne die Hilfe eines anderen Beschützers einsetzen konnte, hatte sie in diesem Moment das innige Verlangen, seine Hand zu halten.

Noch einmal warf ihr Trust einen entschlossenen Blick zu, der ihr ins Wanken geratenes Herz wieder stabilisierte, dann riefen beide mit fester Stimme ihre Attacken herbei.

 

„Zuversichtlich bleiben!“, schrie Unite gegen die eigene Verzweiflung an. „Konzentriert euch! Es hat noch einen Sinn. Vertraut mir! Hört ihr! Vertraut mir!“

Ihre Stimme erstickte fast und nur schwerlich konnte sie ihre eigene Unsicherheit unterdrücken. Dann fühlte sie an ihrer Linken den fester werdenden Druck einer Hand und sah daraufhin in Trusts braune Augen, die etwas Sanftes, Liebevolles in sich hatten und ihr Kraft spendeten.

Unite schnappte nach Luft und schenkte ihm das beste Lächeln, das sie in diesem Zustand zustande brachte.

Eternitys Worte ertönten in ihrem Kopf. ‚Vereinen, bitte bleib deinem Namen treu.‘

Ja! Sie hatte die Kraft, die fünf miteinander zu vereinen und ihnen ihre Gefühle zu übertragen. Aber dazu musste sie selbst stark sein. Ihre Gefühle mussten stark genug sein, um den anderen Hoffnung zu spenden.

Und das würden sie auch! 

 

Kapitel 50 Talentsucher

Stumm standen sie da und sahen sich um nach jeglichem Zeichen des kleinen Schmetterlingsmädchens.

Sie wussten, wie lächerlich es war, und gaben bald die Hoffnung auf. Einzig Vivien wollte es nicht wahrhaben und keiner der anderen wollte sie aus ihrer Illusion reißen.

Doch als auch nach drei Minuten – drei endlos langen Minuten! – keine Reaktion kam, hörten sie leises Schluchzen aus Viviens Richtung.

„Vivien…“ Justin streckte seine Hand nach ihr aus, getraute sich jedoch nicht, sie zu berühren.

„Sie ist nicht gekommen.“, flüsterte Vivien.

Im nächsten Moment war sie, ehe Justin es recht erfasst hatte, auch schon in seine Arme gesprungen. Verzweifelt klammerte sie sich an ihn und drückte sich gegen seine Brust.

„Ich war mir so sicher.“, schluchzte sie.

Während die anderen nur hilflos zusehen konnten, schloss Justin, zuerst noch zaghaft, schließlich seine Arme sachte um sie.

Viviens herzzerreißendes Schluchzen tat ihm in der Seele weh.

Zaudernd und unbeholfen strich er ihr über das orangefarbene Haar, um sie zu beruhigen. Ihre Tränen tränkten sein Sweatshirt.

„Vivien.“ Er suchte verzweifelt nach Worten. „Du…“

Er schnappte nach Luft. „Du hast doch gehört, was sie gesagt hat. Sie ist bei uns. Sie wird immer bei uns sein. Sie ist uns nicht böse wegen dem, was geschehen ist.“ Er machte eine kurze Pause und spürte Viviens heftiges Zittern.

Seine Worte brachten überhaupt nichts! Wieso konnte er ihr nicht helfen?

Er drückte sie fester an sich und hielt inne. Als er anschließend weitersprach, klang seine Stimme genauso ruhig, entschlossen und vertrauensvoll wie es sein Blick gewesen war, als Vivien auf dem Bergfried schon fast selbst aufgegeben hatte.

„Auch wenn wir sie jetzt nicht mehr sehen können, können wir sie immer noch in unseren Herzen spüren. Nicht wahr?“

Vivien schniefte und er spürte ein schwaches Kopfnicken an seiner Brust. Dann ließ sie jeglichen Widerstand gehen und sank ermattet vollends in seine Arme.

Erst als weitere Momente verstrichen waren, in denen Vivien die Geborgenheit in Justins Nähe genossen hatte, löste sie sich langsam und ganz vorsichtig von ihm, wischte sich die Tränen aus den Augen.

Ein aufrichtiges, scheues Lächeln huschte kurz über ihre Lippen, als sie mit unsicherem Blick aus ihren tief dunkelblauen Augen zu Justin aufsah.

„Tut mir leid, ich hab dein Oberteil total durchnässt.“, hauchte sie schüchtern.

Justin dachte für einen Moment, bei ihrem Anblick müsse er vor Glück sterben. Er schluckte heftig und musste seinen Blick von ihr abwenden. Er spürte jetzt schon die Hitze in seinem Gesicht und konnte nicht auch noch riskieren, dass Vivien seine Gefühle in seinen Augen ablesen konnte, zumal er Gefahr lief, einem Schwindelanfall zu erliegen.

Eben hatte er sich noch unter Kontrolle halten können, um ihr beizustehen, aber jetzt genügte allein ihr Anblick, um ihn vollkommen aus der Bahn zu werfen.

„Das .. das macht doch nichts.“, sagte er stockend und lächelte verlegen.

 

Kapitel 57 Schutzengelfest

Verstohlen linste Vivien auf ihre Armbanduhr und drehte den Kopf leicht zur Seite, wandte sich wieder vollständig den anderen zu und lächelte unbeschwert. „Gehen wir rein!“

Serena waren ihre flüchtigen Gesten nicht entgangen. Vivien hatte wohl doch gehofft, dass Justin ihr zuliebe pünktlich sein würde. Auch wenn Vivien es nicht zeigte, ging Serena davon aus, dass sie sehr viel unsicherer bezüglich Justins Gefühlen war, als sie vorgab zu sein.

So oft wie Justin ihr bei ihren Annäherungsversuchen eine Abfuhr erteilte, war das wohl auch nicht weiter verwunderlich.

 

Die Tür hinter ihnen wurde aufgerissen.

„Vivien!!!“ Justin kam in den Raum gestürmt.

Er hetzte auf die anderen zu. „Ist alles in Ordnung?“ Seine Stimme war ohne Kraft, sein Gesicht gezeichnet von Panik und Entschlossenheit.

Ehe die anderen nach der Ursache seines Zustands fragen konnten, erklang erneut das Glockenspiel.

Justin starrte zum Trainingsbereich.

Vivien wandte sich strahlend zu ihm. „Ewigkeit! Ewigkeit ist wieder da!“ Sie lachte, ließ die Hände der anderen los und lief.

Justins Hand auf ihrer Schulter brachte sie nur Schritte später grob zum Stehen. „Nicht!“, befahl er. Sein Blick und sein Griff waren so bestimmt, dass Vivien ihn nur verunsichert anstarren konnte.

[…]

Justin vereitelte einen erneuten Versuch Viviens, sich nach vorne zu bewegen. Mit dem ausgestreckten Arm verdeutlichte er auch den anderen zurückzubleiben. „Wir wissen nicht, ob das wirklich Ewigkeit ist.“

Vivien begehrte auf. „Justin!“ Mit Leid in den Augen sah sie ihn an. Ihr flehender Anblick schmerzte.

Justin wandte sich ab. „Wartet hier.“ Er zog die Hand von Viviens Schulter zurück.

 

Kapitel 58 Spielwiese

„Ich bin dagegen.“

Völlig überrumpelt drehten die vier sich zu Justin, von dem sie diesen Kommentar am wenigsten erwartet hätten. Der Ernst in seinen Zügen wirkte besorgniserregend. „Im Hauptquartier sind wir am sichersten.“

Vivien begegnete ihm mit Überraschung, dann gewann sie ihr unbeschwertes Lächeln zurück. „Ewigkeit wird sich schon was dabei gedacht haben!“

Augenblicklich wirkte Justin verunsichert. „Das war Ewigkeits Idee…?“

Viviens Lippen formten einen Schmollmund. Mühelos verlieh sie ihrer Stimme einen zutiefst verletzten Ton. „Soll das heißen, …“ Ihre großen runden Kulleraugen wurden feucht. „dass du mir weniger vertraust?“

Ihre Mimik war so echt, dass selbst die anderen drei für einen Moment verwirrt waren, Justin brachte sie völlig aus dem Konzept.

„Nein!“, rief er hastig. „Nein, nein, nein!“ Aufgeregt gestikulierten seine Arme, ohne dass er darauf Einfluss nehmen konnte. „Ich vertraue dir! Ich vertraue dir voll und ganz! Absolut! Es gibt niemanden, dem ich mehr -“

Zu spät registrierte er seine Worte. Hitze schoss ihm im gleichen Atemzug in den Kopf, und Viviens Reaktion sorgte nicht gerade für eine Abkühlung.

In völliger – wenn auch gespielter – Überraschung strahlte sie ihn überglücklich an und trat näher an ihn heran. „Wirklich?“

Justin wurde flau im Magen.

Ebenso Serena und Vitali – ihnen kam fast das Mittagessen hoch!

Zu Justins Glück tauchte in diesem Moment aus dem Nirgendwo Ewigkeit auf und unterbrach Viviens oscarreife Darbietung. 

 

Unite nahm den Apfel aus dem Gras zur Hand. „Ihr nehmt den Apfel so.“

Sie legte sich die Frucht an ihre Kehle. Zwischen Kinn und Schlüsselbein hielt sie den Apfel fest. „Und versucht ihn an den nächsten weiterzugeben.“, Sie ließ den Apfel in ihre Hand plumpsen. 

„Trust.“ Sie streckte dem Jungen links von ihr die Frucht hin.

Im gleichen Moment wurde Destiny und Change klar, warum Unite, anstatt auf die andere Seite neben Trust zu sitzen, sich zwischen Desire und ihn gedrängt hatte.

Mit unsicher gesenktem Blick nahm Trust den Apfel entgegen und setzte Unites Anweisung in die Tat um. Er bewegte sich zaghaft zu ihr, mit dem Apfel unterm Kinn, neigte dann den Kopf, um es ihr zu erleichtern, ihn entgegenzunehmen. Und zuckte mit puterrotem Kopf zurück, als Unite ihm dazu näher kam als jemals zuvor.

Der Apfel fiel zu Boden

„Entschuldigung!“, stieß Trust viel zu laut und hektisch aus.

Unite kicherte. „Wenn es zu schwierig ist: Wir könnten auch ein Blatt nehmen und es durch Saugen und Blasen von Mund zu Mund weitergeben!“, scherzte sie.

Trust Gesicht wurde starr.

„Ganz bestimmt nicht!“, schrie Destiny lautstark.

[…]

Ohne weiteren Kommentar drückte Unite Trust erneut den Apfel in die Hand, und sie setzten die Übung fort. Es brauchte noch mehrere Versuche bis Trust sich traute, ihr so nahe zu kommen, dass er den Apfel an sie weitergeben konnte. Nicht nur weil der Hautkontakt, der bei manchen der Versuche stattfand, ihn aus seiner Komfortzone zwang, sondern auch weil Unite die Situation schamlos ausnutzte. Bei der ersten geglückten Übergabe ließ sie den Apfel fallen und erzwang damit eine erneute Wiederholung.

Hätte Destiny nicht lauthals geschimpft, dass sie den Apfel nicht absichtlich fallen lassen sollte, hätte sie das wohl mehr als einmal gemacht.

 

Kapitel 59 Fangen

Endlich war Unite an der Reihe und betete, dass Ewigkeit den Moment nicht durch einen Zwischenruf ruinierte. Trust näherte sich ihr.

Unite wechselte von der Sitzposition in eine kniende und griff nach Trusts Kopf, der augenblicklich den Apfel fallen ließ.

Sie ließ von ihm ab und gab ihrer Stimme einen möglichst unschuldigen Klang. „Tut mir leid. Desire hat das vorhin bei Destiny gemacht. Ich dachte, das würde helfen.“

Trust schaute beschämt und hob den Apfel auf. In der Sekunde, in der er nicht in ihre Richtung sah, grinste Unite.

Trust klemmte erneut den Apfel unter sein Kinn.

„Mir würde es helfen, wenn ich mich an dir festhalten kann.“, behauptete Unite in mädchenhaftem Ton.

Von Destiny kam ein Stöhnen. Trust antwortete nicht, wirkte aber so angespannt, dass Unite davon ausging, dass er sich darauf gefasst machte.

Sie rückte näher an ihn heran und legte ihm ihre Rechte in den Nacken. Er blieb reglos sitzen, offenbar darauf bedacht, den Apfel nicht nochmals fallen zu lassen. Sie berührte mit ihrer Wange die seine und gab sich nicht die Mühe zu vertuschen, dass das kein Zufall war, schließlich wusste sie nicht, ob sie noch einmal die Gelegenheit bekam, ihm so nahe zu kommen.

Sie legte ihren linken Arm um seine breite Schulter und drückte sich einen Moment an ihn. Dann tat sie ihm den Gefallen und nahm ihm den Apfel ab. Doch anstatt sich wieder von ihm zu entfernen, wich sie nur minimal von ihm zurück, nahm die Hand von seinem Nacken und ließ den Apfel in diese fallen. Sie lachte ihn freudig an.

Trust schien nicht zu wissen, wie er darauf reagieren sollte.

In einem Anflug von Übermut ließ Unite den Apfel ins Gras fallen, beugte sich zu Trust und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Dann sprang sie auf die Beine, zu aufgeregt, um sitzen zu bleiben, und hielt im nächsten Moment Trust die Hände hin, wie um ihm aufzuhelfen.

Puterrot im Gesicht war er unfähig, irgendetwas anderes zu tun, als sie verstört anzustarren.

„Du solltest aufstehen, bevor sie vollends über dich herfällt.“, warnte ihn Destiny.

Unite kicherte aufgedreht.

 

Kapitel 62 Viel Rummel um -

Vivien bestand derweil darauf, dass sie und Justin einen Wagen teilten. Dass in dem Auto nicht gerade viel Platz war und sie jedes Mal aufeinandergepresst wurden, wenn sie mit einem anderen Auto kollidierten, trieb Justin die Schamesröte ins Gesicht, zumal er fürchtete, ihr mit seinem Körpergewicht wehzutun. Doch aus einem ihm unerfindlichen Grund fuhr Vivien dennoch immer in das größte Getümmel.

[…]

Vivien klammerte sich an Justins Arm, bevor die Fahrt überhaupt los ging.

„Beschützt du mich?“, fragte sie mit ihren großen amethystfarbenen Kulleraugen.

Justin wollte weglaufen und hatte weniger Angst vor dem, was in der Geisterbahn auf sie wartete, als vor dem, was Vivien in ihm auslöste.

„Wir können noch aussteigen!“, stieß er aus.

Vivien ließ von ihm ab und zog den Kopf ein.

Justin schämte sich, sie traurig gestimmt zu haben, wusste aber nicht, wie er das rückgängig machen sollte.

„Es… es passiert doch nichts.“, versuchte er, sie zu beruhigen. Aber das half nichts. Schließlich presste er halblaut hervor „Ich beschütze dich.“

Vivien sah zu ihm auf.

Die Fahrt begann.

„Kannst… du den Arm um mich legen?“, bat sie ihn vorsichtig und zog den Kopf dabei ein, als wäre ihr die Frage peinlich.

Justin war unfähig, ein Wort herauszukriegen, sein Gesicht musste bereits puterrot sein, nahezu zitternd hob er seinen Arm und ließ Vivien sich an ihn kuscheln.

„Danke.“, presste sie hervor.

Er wusste nicht, wie lange sein Herz das aushielt. Aufs Äußerste angespannt, hoffte er, dass die Fahrt schnell vorbeiging.

Während Vivien hoffte, dass die Fahrt nie endete.

[…]

Als sie die Geisterbahn wieder verließen, war Vivien noch aufgedrehter als zuvor, während Justin äußerst verlegen wirkte,

Vivien zog ihn am Arm auf einen Süßigkeitenstand zu und kaufte ein kleines Lebkuchenherz mit der Aufschrift ‚Mein Schatz‘.

Sobald sie es in Händen hielt, verlangte sie von Justin, es sich umzuhängen – aufgrund ihrer Größe konnte sie es ihm nicht einfach überziehen. Justin wagte nicht, nach der Bedeutung zu fragen, und ging schlicht davon aus, dass er das Herz für sie tragen solle, bis sie wieder nach Hause kamen.

 

Kapitel 63 Ablenkungsmanöver

Justin sah Ariane lächelnd hinterher, dann hörte er Vivien neben sich.

„Woher wusstest du, was du sagen musst?“

Justin streifte sie mit den Augen. Ein melancholisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Als ich zehn war, wurde meine Mutter schwer krank. Was ich zu Ariane gesagt habe, hat mein Vater damals zu mir gesagt.“

Er sah zu Boden, als das Gefühl der Erinnerung in ihm erwachte, hilflos zu sein und schuldig, weil er nichts tun konnte.

Im gleichen Moment spürte er, wie Vivien seine Hand ergriff. Überrascht starrte er sie an. Daraufhin legte sie auch noch ihre zweite Hand auf die eine, die sie bereits umschlossen hielt, und schenkte ihm einen mitfühlenden Blick.

„Das ist schon lange her.“, sagte er hastig, um sie zu beruhigen, und wich verlegen ihrem Blick aus.

„Du bist wundervoll.“, sagte sie in ungewohnt ruhigem, ja liebevollem Ton.

Die Worte und ihre Stimmlage ließen wieder Blut in seinen Kopf schießen.

Für Momente herrschte Schweigen.

Justin wagte es nicht, in ihre Richtung zu sehen, noch immer hielt sie seine Hand.

Dann erkannte er, dass Ariane zurückkam und wollte Vivien seine Hand entziehen, doch sie ließ ihn nicht los.

Hilflos starrte er sie an, woraufhin Vivien geradezu enttäuscht von ihm abließ, als hätte sie lieber weiter mit ihm Händchen gehalten.

Er durfte darüber nicht nachdenken, seinem unruhigen Herzschlag nicht mehr Aufmerksamkeit widmen, stattdessen konzentrierte er sich auf Ariane, die sie gerade erreichte.

 

Kapitel 66 Schicksalsrad

„Trust, hier drin sind wir sicher. Sie können hier nicht hinein.“, informierte ihn Desire.

Trust reagierte nicht. Fortdauernd beschoss er die Feinde, schien weggetreten.

Change blickte derweil in Richtung Riesenrad. Die Schatthen mussten Erik und Tiny längst erreicht haben.

„Hör auf, die ganze Zeit die Gondel anzugaffen!“, donnerte Trust.

Change zuckte zusammen. Wie konnte Trust überhaupt wissen, was hinter seinem Rücken vorging?

„Wenn du noch mal so einen Mist machst, rettet dich niemand!“, brüllte Trust.

So hatte Change ihn noch nie erlebt. Offensichtlich war Trust stinksauer wegen dem Vorfall mit Desire.

Change konnte nicht wissen, welche Höllenqualen sein Freund ausgestanden hatte, als er die Stellung hatte halten müssen, mit dem Wissen, dass er damit Desire und Change tatenlos einem unbestimmten Schicksal überließ.

Trusts Muskulatur war verkrampft, Schweiß lief ihm über die Stirn, alles an ihm wirkte, als würde es schreien.

Desire wagte es nicht, das Wort erneut an ihn zu richten. Alsdann trat Unite an ihr vorbei zu ihm.

Im nächsten Moment stand Trust still. Wie plötzlich ausgeschaltet, regte er sich nicht mehr.

Zerbrechlich und zart klang Unites Flüstern in seinem Rücken. „Hör auf.“

Trusts Arme fielen herab wie etwas, dessen Antrieb mit einem Mal ausgeschaltet worden war. Sein Atem ging schwer.

Mit sanfter Gewalt schlang sie die Arme noch enger um seinen Bauch, weiterhin an seinen Rücken geschmiegt, riss ihn damit aus seiner Selbstbeherrschung. Trust ging in die Knie, stützte sich auf den Boden vor sich, sodass sie von ihm ablassen musste.

Schweißperlen tropften von seinem Gesicht. Er rang nach Atem.

Dann war Unite an seiner Seite. Ihre Arme legten sich wie Schwingen um seinen Kopf und zogen ihn näher zu sich bis er ermattet in ihren Armen lag und sich nicht dagegen wehren konnte.

Er wusste nicht, wie sie es machte, dass er in ihren Armen alles zu vergessen schien.

 

Kapitel 69 Geschlagen

Vivien umschlang seinen Arm und bettete ihren Kopf gegen seine Schulter. „Es ist doch alles gut gegangen.“

Justin schwieg. Vivien spürte einen kurzen Anflug von Verstimmung, da er ihrer Berührung offenbar keinerlei Beachtung schenkte. Sie zog einen Schmollmund.

„Justiiiin.“, sagte sie im nörglerischen Ton eines beleidigten Kindes.

Endlich wandte er sich zu ihr und versuchte sich an einem Lächeln. „Entschuldige, ich…“ Er stockte und seine Augen wurden groß. „Geht’s dir nicht gut?“

War das etwa seine Erklärung dafür, dass sie sich an ihm festhielt?!

Vivien ließ ihn los. Von seiner Begriffsstutzigkeit getroffen war sie für einen Moment niedergeschlagen.

Vielleicht hätte sie sich freuen sollen, dass er zur Abwechslung mal nicht verstört zurückschreckte, wenn sie ihn berührte. Aber dass er es jetzt als eine Belanglosigkeit abtat, war einfach … frustrierend.

Dann drehte sie sich wieder zu ihm, setzte ein peinlich berührtes Gesicht auf, die Hände in einer mädchenhaft bescheidenen Geste vor der Brust. Als wäre sie schüchtern, zog sie den Kopf ein und sprach mit leiser Stimme.

„Wie soll es mir gut gehen, wenn es dir nicht gut geht?“

Sie wandte sich ab, den Kopf eingezogen, die Arme nun wie zum Schutz um sich gelegt. „Ich mache mir doch Sorgen um dich.“

Ihr Manöver erfüllte seinen Zweck. Justin drehte sich eilig zu ihr. „Nein, nein, mir geht es gut! Alles fantastisch!“

Vivien fuhr mit ihrem Finger über den Bereich unter ihrem Augen, als würde sie sich eine Träne wegwischen müssen, und schniefte. „Wirklich?“

„Ja! Schau doch, alles bestens.“, versicherte Justin mit einem künstlichen Lächeln, während seine Augenbrauen noch immer seine Besorgnis zur Schau stellten.

„Ach Justin.“, seufzte Vivien und warf sich in seine Arme, sodass er augenblicklich erstarrte.

 

Kapitel 71 Entartete Künste

Vivien wandte sich an ihn. „Du hast gesagt, dass du an etwas gezogen hast, wenn du das nicht tust, löschst du bestimmt nichts.“ Sie lächelte ihn tröstend an. „Außerdem ist es doch ganz praktisch, Erinnerungen löschen zu können, falls jemand unsere Fähigkeiten sehen sollte!“, meinte sie.

Euphorisch rief Vitali. „Du bist wie das Ding von den Men in Black!“

Justin verstand Viviens Überlegung, fühlte sich aber dennoch nicht wohl bei dem Gedanken, in jemandes Erinnerungen herumzupfuschen.

Wieder machte Vivien den Ansatz, ihn zu berühren.

Wieder zog er seinen Arm zurück. „Ich will nicht versehentlich deine Erinnerungen löschen.“, sagte er bekümmert.

Vivien lächelte ihn heiter an. „Hauptsache, ich vergesse dich nicht!“ Sie kicherte. „Alles andere ist nicht so wichtig.“

Justin konnte diese Aussage nicht nachvollziehen.

[…]

„Trust.“, sagte Vivien mit flehentlicher Stimme. Er drehte sich zu ihr.

„Verbietest du mir jetzt, dich zu berühren?“ Sie zog ein so unglückliches Gesicht, als würde man ihr untersagen, jemals wieder ihre Lieblingssüßigkeit zu essen.

Justin errötete und wusste nicht, was er darauf entgegnen sollte.

„Unite, lass ihn in Ruhe.“, sagte Serena genervt.

„Aber…“ Mit großen Kulleraugen sah Vivien nun sie an.

Serena fasst sich an die Stirn. „Trust, sag ihr, dass sie dich wieder berühren darf, sonst gibt sie keine Ruhe.“

Vivien nickte bestätigend.

Justins Gesicht wurde noch röter. Er brachte es nicht über sich, etwas Derartiges laut auszusprechen oder auch nur zu bejahen.

Vivien sah ihn einen Moment lang an, in dem Justin sich am liebsten versteckt hätte, dann drehte sie sich zu den anderen.

„Wir müssen noch unsere Strategien überarbeiten!“, rief sie übertrieben laut.

Von dem abrupten Themenwechsel überrumpelt, starrten die anderen sie an.

Vivien ließ sich davon nicht beirren.

[…]

Vivien kicherte und linste möglichst unbemerkt in Justins Richtung. Sie sah, dass er lächelte. Erleichtert atmete sie auf.

 

Kapitel 74 Hölle – Serenas Pein

Sie wollte etwas zu ihr sagen, wollte sie in den Arm nehmen, wollte sie halten und ihr zu verstehen geben, dass sie sie niemals alleine lassen würde. Das Verlangen danach war übermächtig.

Allein die Befürchtung, Serena damit noch mehr Leid zuzufügen, hielt sie zurück. Nichts lag ihr ferner, als sie noch mehr in die Enge zu treiben.

Fieberhaft suchte sie nach einer Lösung und verpasste dadurch einen Teil des Französischunterrichts. Serenas eingefallene Körperhaltung erinnerte sie stets aufs Neue an die Sorgen, die auf ihrer Seele lasteten.

Dann spürte Vivien die Wärme und den sanften Druck einer Hand und sah auf.

Justin schenkte ihr ein tröstendes Lächeln.

Viviens Mundwinkel hoben sich leicht.

Obwohl er sonst bei jeder ihrer Berührungen zurückschreckte, hielt er sie immer dann fest, wenn sie es am nötigsten hatte.

Egal was kam, ihr Vertrauen würde sie nicht verlassen.

 

3. Band

Kapitel 83 Tanz mit dem Phantom

Vivien hatte die Gelegenheit ergriffen, um Justin um diesen Tanz zu bitten. Dieser lehnte aber verlegen ab, woraufhin Vivien ihren Schmollmund einsetzte, bis Justin sich endlich überreden ließ.

 

Kapitel 84 Freigelassen

Viviens Albtraum:

Zögernd lugte Justin zu ihr, dann zog er schüchtern den Kopf ein.

„Ich…“

Vivien konnte das euphorische Auf und Ab ihres Inneren spüren.

Ihre Mimik war in Bereitschaft für den größten Freudenausbruch ihres Lebens!

Sie hörte ihr Herz klopfen und das Glück in jeder ihrer Zellen pochen. Am liebsten hätte sie verliebt losgekichert.

Verängstigt sah Justin sie an. Sein Gesicht war bleich, seine Augen weich und verletzlich.

Vivien konnte nicht ausdrücken, wie sehr ihr Herz zu ihm drängte, wie sehr sie ihn berühren wollte. Ihm endlich ihr Glück in allen Facetten offenlegen! Ihr ganzes Selbst für ihn schlagen zu lassen!

Was für ein unsagbarer Freudentaumel!

Sie wusste nicht, ob sie den Moment lieber in die Länge gezogen oder verkürzt hätte.

Sie wartete.

„Du weißt, was…“, druckste Justin herum. Er schien noch einmal Mut zu holen. „Ich mag dich.“, presste er halblaut hervor.

Wie von einem unsichtbaren Schmerz gepeinigt, wich er nochmals ihrem Blick aus. Er sah aus, als wäre er den Tränen nahe.

Sie wusste nicht, ob sie ihm jetzt schon um den Hals fallen durfte oder ob er noch mehr sagen wollte.

„Vivien, ich…“

Sie konnte es kaum noch ertragen, ihn so zu sehen.

Sie wollte ihm versichern, dass sie viel mehr in ihn verliebt war als es zu fassen war! Dass ihr ganzer Kopf schwirrte, wenn sie an ihn dachte, wenn sie ihn vor sich sah, wenn sie –

„Ich fühle nicht dasselbe.“

Die Worte wirkten so deplatziert, dass Vivien verwirrt war.

Ehe die Aussage in ihrem Herzen ankam, sprach Justin in geduckter Haltung leise weiter. Seine Hände hielten den Tisch umfasst.

„Es tut mir leid.“ Aus seiner Stimme klangen unterdrückte Tränen.

Vivien konnte sich selbst von außen beobachten, wie sie vor Justin saß, der ihr Worte sagte, die ein Teil von ihr begriff und die für einen anderen Teil nicht in die Realität gehörten.

Justin würde das niemals sagen. Nicht ihr Justin. Nicht der Justin, den sie kannte. Sicher würde er ihr gleich gestehen, dass er sie liebte. Sicher hatte er gemeint, dass er sie nicht als bloße Freundin ansah und ihm das leid tat. Schließlich war es Justin!

Sie musste nur warten.

Er sagte nichts weiter.

Die Atmosphäre, die Realität wurden immer drückender. Vivien konnte sich nicht länger davor verschließen.

„Was –“ Mehr brachte sie nicht heraus.

„Wenn ich mich in dich verlieben könnte, dann würde ich es tun, glaub mir.“, sagte Justin in einem so herzzerreißenden Ton, dass sie wirklich fühlte wie ihr Innerstes zerriss.

Wenn ich mich in dich verlieben könnte…

Sie hatte nie etwas Grausameres gehörte. Sie hörte sich selbst schluchzen, ohne es beeinflusst zu haben.

Getroffen drehte sich Justin zu ihr. „Vivien…“

Sie ertrug es nicht.

Von selbst stand sie auf. Fühlte sich weit entfernt. Sie hörte ihren Stuhl quietschen, als sie sich erhob, sah Justin wie aus ewig weiter Entfernung sie anstarren.

Sie hätte erwartet, nach einem solchen Moment würde die Welt untergehen. Aber die Welt hatte nicht vor, sich ihren Gefühlen anzupassen. Alles war so grotesk normal.

Andere Schüler betraten das Klassenzimmer. Der Raum drehte sich nicht, Justins Gestalt zerfloss nicht und sie wurde nicht ohnmächtig. Es war alles so entsetzlich gleichgültig gegenüber ihrem Schmerz.

Sie schluchzte abermals und wollte, dass er sie umarmte wie er es immer tat, wenn es ihr schlecht ging. Dass er sie umarmte und ihr sagte, dass das alles nicht wahr war.

Bei dem Gedanken fühlte sich ihr Kopf so dumm an. Sie wich ein paar Schritte zurück und lief langsam aus dem Raum, ignorierte Justins Ruf, wollte, dass er weiter nach ihr rief, dass er niemals mehr aufhörte, nach ihr zu rufen.

Auf dem Gang wurde ihr heiß und kalt, die ganze Welle an Gefühlen übermannte sie und sie brach kreischend in sich zusammen.

Ob andere sie so sahen, war ihr völlig egal.

Sie glaubte ersticken zu müssen an ihrem Schmerz.

Etwas schüttelte sie. Ihr Schluchzen, ihr Leid, übertönte alles.

Sie wollte nie wieder daraus emporsteigen.

Nie wieder.

„Vivien!“

„Vivien!“

Ihr eigener Klagelaut schrillte von fern zu ihr.

Heftig atmend riss sie die Augen auf.

Sie konnte für eine Sekunde die Dunkelheit nicht verstehen.

Ellen stand vor ihr, die kleinen Hände auf Viviens Körper. Erst jetzt begriff Vivien, dass ihre kleine Schwester sie offenbar wachgerüttelt haben musste, dass es ein Traum gewesen war.

Sie schloss die Augen wieder. Sie war so –

Tränen bildeten sich in ihren Augen. Sie schluchzte.

„Vivien, ich hab schlecht geträumt.“

Wieder hob Vivien ihren Blick und setzte sich auf. Wie automatisch machte sie in ihrem Bett Platz für Ellen und sah hinüber zu dem Bett ihres Bruders, ehe sie sich daran erinnerte, dass er heute bei einem Freund übernachtete.

Ellen krabbelte neben sie und schmiegte ihren warmen kleinen Körper an den ihren. Vivien sank zurück in die Kissen.

Normalerweise hätte sie Ellen eine Geschichte erzählt, um sie zu beruhigen, aber die Bilder ihres eigenen Traums umwaberten ihre Gedanken wie dichter Nebel. Es war anstrengend genug, nicht zu schluchzen.

Sie schloss ihre Arme um Ellen und dachte an Justin.

 

Als Justin am nächsten Morgen das Haus verließ, hielt die Erinnerung an seinen Albtraum ihn immer noch im Bann. Seine Stimmung war gedrückt und seine Mundwinkel wollten sich nicht heben.

Er sah nicht auf, ging nicht hinüber zu Viviens Haus, um zu klingeln, sondern stand nur stumm da, bis Vivien schließlich aus ihrer Haustür trat.

Er bemerkte nicht, dass sie auf ungewohnte Weise das Haus verließ, zögerlich, als wage sie es nicht, einen Schritt hinaus in die Wirklichkeit zu machen.

Er sah nicht, dass sie bei seinem Anblick zusammenzuckte und in der Tür stehen blieb, wie es so gar nicht ihre Art war.

„Hallo.“, sagte er schließlich, nachdem er sich endlich dazu durchgerungen hatte, den Blick zu heben.

Im gleichen Moment riss Viviens besorgniserregender Anblick ihn aus seiner melancholischen Stimmung.

„Was ist?“

Ehe Vivien antworten konnte, tauchte Ewigkeit urplötzlich zwischen ihnen auf und begann zu kreischen. „Allpträume!!!

Sie klatschte wie eine Fliege an Viviens Wange. „Sie greifen an!!!

„Es sind keine Schatthen.“, sagte Justin abgestumpft. Er hatte schon den ganzen Morgen lang versucht, Ewigkeit klar zu machen, was Albträume waren, aber sie hatte nicht hören wollen.

Vivien zog auf einmal ein seltsames Gesicht, das Justin nicht zu deuten wusste. Sie zögerte. „Hattest du –“ Sie unterbrach sich und zupfte Ewigkeit von ihrer Wange. „Was sind Albträume?“, fragte sie, als wäre ihr der Begriff völlig neu.

Monster!“, rief Ewigkeit.

Justin seufzte. „Ich hatte heute Nacht einen Albtraum, deshalb denkt sie, dass Albträume Monster sind.“

Wieder warf ihm Vivien diesen seltsamen Blick zu. „Was hast du geträumt?“

Justin wich ihrem Blick aus.

Es herrschte kurzes Schweigen.

Viviens Stimme klang schwach. „Glaubst du, dass es wahr wird?“

Abrupt starrte er sie an. Woher wusste sie…?

„Du hast schon einmal Dinge im Traum gesehen.“, setzte Vivien fort.  „Dass man mit deinen Kräften auch in die Zukunft sehen kann, ist nicht so abwegig.“

Er schwieg.

Vivien senkte den Blick. „Ich weiß nicht, wie lange ich eure Kräfte anwenden kann.“

Justin verstand nicht und wartete darauf, dass sie weitersprach, aber sie tat es nicht. „Was meinst du?“

„Wir sollten gehen.“ Vivien wandte sich um, um zum Training zu gehen.

Über den jähen Wandel war Justin überrascht. Er hatte noch nie erlebt, dass Vivien einer Frage auswich.

Aber die Allpträume!“, rief Ewigkeit. Keiner der beiden Beschützer schenkte ihr Gehör.

In einer gespenstischen Langsamkeit und in profundes Schweigen gehüllt liefen sie aus der Blumenallee.

Empört schrie Ewigkeit auf. „Allpträume sind Lichtlose! Geschöpfe wie die Schatthen, die in Träume eindringen können, um sich dort von der Angst der Träumenden zu ernähren! Sie können jedes Bild wachrufen, das sie wollen! Und sie wissen genau wovor man Angst hat!

Zeitgleich drehten sich Justin und Vivien zu ihr und sahen sie sprachlos an.

„Was?“, gab Justin von sich.

Allpträume sind Lichtlose. Geschöpfe wie die Schatthen, die in Träume –“, begann Ewigkeit ihre Worte zu wiederholen, wurde aber von Vivien unterbrochen.

„Du denkst, dass so ein Allptraum heute Nacht bei uns war?“

Ja!

Justin mischte sich ein. „Woher weißt du das?“

Die Stimme hat es mir erzählt.“, antwortete Ewigkeit.

„Was für eine Stimme?“, wollte Justin wissen.

Sie hat mir gesagt, dass der Schatthenmeister die Allpträume einsetzen wird. Wir müssen uns beeilen!

Für einen Moment wirkten Ewigkeits Worte einfach nur grotesk.

Justin konnte sich nicht vorstellen, dass sein Albtraum von einer Kreatur hervorgerufen worden war, die sich des Nachts in seinem Kopf eingenistet haben sollte.

Noch immer drangen die Bilder und die Machtlosigkeit auf ihn ein.

Vivien wandte sich an ihn. „Ellen hatte auch einen Albtraum. Vielleicht haben wir doch nicht die Zukunft gesehen.“

Justin zog verständnislos die Augenbrauen zusammen, ehe er begriff. „Du dachtest –“

„Ich zapfe deine Kräfte ständig ab.“, erinnerte Vivien.

„Ja, aber…“ Er sah sie an. „Du hattest Angst, dass es wahr wird?“

Vivien nickte und senkte den Blick.

„Tut mir leid.“

Vivien reagierte nicht.

Auch sein Blick glitt zu Boden. Er rang sich zu Worten durch. „Ich habe geträumt, mein Vater hätte Krebs und –“ Er konnte nicht weitersprechen.

Viviens Hand legte sich auf seinen Arm. „Das passiert nicht.“

Justin nickte und lächelte sie dann traurig an.

„Es passiert nicht.“, wiederholte sie, als müsse sie sich selbst davon überzeugen. Ihr Griff um seinen Arm wurde fester. Sie wirkte selbst mitgenommne.

Er sah sie stumm an, versuchte daraus schlau zu werden.

Vorsichtig stellte er die Frage: „Was hast du …“

Vivien ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Sie ließ ihn los.

„Wir müssen den anderen Bescheid sagen.“, verkündete sie.

Offenbar wollte sie nicht darüber reden.

Er akzeptierte das, schließlich konnte er nicht behaupten, dass ihm das leicht gefallen war. Dennoch war es ihm ein Bedürfnis, irgendwie auszudrücken, dass er für sie da sein wollte.

Mit Herzklopfen berührte er mit der Linken ihre Hand.

Geradezu verängstigt sah sie ihn an.

Beschämt wollte er ihr zu verstehen geben, dass er ihre Hand halten wollte. Er getraute sich nicht, sie einfach zu ergreifen.

Deutlich zaghafter, als er es von ihr gewöhnt war, legte sie ihre kleine Hand in die seine. Irgendwie ließ das die Weichheit ihrer Haut noch mehr in seinen Fokus rücken. Sein Herzschlag beschleunigte sich.

Ewigkeits Stimme ertönte: „Wir müssen sie aufhalten!

Justin schreckte auf und nickte Ewigkeit zu.

Sicher war er wieder puterrot im Gesicht.

Vivien drückte seine Hand.

Bei einem weiteren Blick in ihre Richtung bemerkte er, dass sein Griff sie etwas zu beruhigen schien. Daher bemühte er sich, seine Scham unter Kontrolle zu halten, und ließ nicht los.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu ihrem Hauptquartier.

 

Kapitel 87 In Trusts Seelenwelt

Als die Szene geendet hatte, sahen die anderen geschockt zu Trust.

Der Beschützer verzog keine Miene.

Erst als sich Unite ebenfalls zu ihm drehte, bemerkten die anderen, dass sie ihn als einzige nicht angestarrt hatte. „Hast du den Allptraum irgendwo gesehen?“, fragte sie ihn in verstörend normaler Tonlage, als hätte sie überhaupt nicht mitbekommen, was sich gerade vor ihrer aller Augen abgespielt hatte.

Trust schüttelte den Kopf.

„Vielleicht müssen wir irgendwo anders suchen.“ Ihre Stimme klang übermäßig fidel.

Die anderen konnten nicht fassen, wie Unite so einfach über die Szene hinweg gehen konnte. Sie selbst getrauten sich nicht, auch nur das Wort an Trust zu richten.

Unite wandte sich an Destiny. „Könntest du die Szene zurückspulen? Vielleicht haben wir was übersehen.“

Destiny starrte sie entsetzt an.

„Glaubst du, das ist eine gute Idee?“, fragte Desire.

„Wieso nicht?“, entgegnete Unite.

„Na weil…“ Desire warf Trust einen kurzen Seitenblick zu.

Unite verkündete: „Wir sollten uns das Ganze genauer ansehen! Zum Beispiel der Arzt. Kennst du ihn?“ Die letzte Frage war an Trust gerichtet. Er verneinte. „Das ist schon mal verdächtig.“

Destiny hatte Einwände. „In Träumen kommen oft Sachen vor, die man vorher nicht gesehen hat.“

„Vielleicht nicht bewusst gesehen.“, entgegnete Unite. „Vielleicht sitzt der Allptraum auch irgendwo in den dunklen Ecken.“

Sie ergriff Trusts Hand und zog ihn mit sich, vorbei an der zusammengebrochenen Gestalt, die ihn selbst darstellte, in die hintere Ecke seines imaginären Zimmers. Sie kniete sich hin und sah unter seinem Bett nach, dadurch dass sie ihn weiterhin festhielt, musste Trust es ihr gleich tun.

„Siehst du was?“

„Nein.“, sagte Trust.

Die anderen gafften ihnen irritiert hinterher.

Unite stand wieder auf und lief nun direkt auf den am Boden kauernden Justin zu.

Dieses Mal ließ sie Trusts Hand los, kniete sich hin und beäugte seinen Doppelgänger. „Hier ist auch nichts.“ Sie stupste den Traum-Justin an.

„Das fühlt sich voll echt an!“, rief sie. „Probier mal.“

Trust machte einen wenig geneigten Eindruck. Um Unite jedoch nicht zu enttäuschen, trat er dennoch einen Schritt vor und berührte seinen Doppelgänger.

Im gleichen Moment löste sich die Gestalt in eine feine Staubwolke auf. Diese wurde augenblicklich in Trusts Körper gesogen und verschmolz mit ihm. 

„Was war das?“, fragte Desire.

Das alles ist Vertrauen, deshalb verschmilzt es wieder mit ihm.“, erklärte Ewigkeit, als wäre das völlig offensichtlich. „Die Allpträume können nur benutzen, was schon da ist.

Ernst sah Trust in ihre Richtung und senkte dann den Blick.

„Dann brauchen wir keine Angst haben! Alles, was der Allptraum uns zeigen kann, gehört zu Trust.“, meinte Unite lächelnd.

„Äh – Tinys Seelenwelt?!“, erinnerte Change. „Da war genug, wovor man Angst haben konnte, auch ohne Allptraum!“

Unite ging auf seinen Einwand nicht ein und wandte sich an Destiny. „Kannst du noch mal zu der Szene mit Trusts Vater spulen?“

Etwas unwillig folgte Destiny der Aufforderung, woraufhin die Umgebung in schnellem Lauf zurück zu gewünschter Szene lief und anhielt, als Trusts Vater im Bett saß und mit Justin sprach.

Unite legte ihre Hand auf Trusts Rücken. „Berühr ihn.“

Trust sah sie unsicher an. Zögerlich wandte er sich wieder nach vorn und ging langsam auf die Gestalt seines Vaters zu.

Jeder Schritt schien schwerer zu werden als der vorige. Noch einmal hielt er inne, ehe er die Linke schließlich ausstreckte.

Als er seinen Vater mit den Fingerspitzen berührte, zeigte sich das gleiche Phänomen wie zuvor.

Die Gestalt seines Vaters löste sich in Staub auf und fand ihren Weg zurück in sein Inneres.

Trust stand still da und berührte unwillkürlich seine Brust. Erst im nächsten Moment bemerkte er, dass Unite neben ihn getreten war.

„Siehst du, deinem Vater kann nichts passieren.“ Sie legte ihm eine Hand auf die Mitte seiner Brust. „Hier drin ist er sicher.“ Sie sah ihm ermutigend in die Augen und lächelte.

Trust sah sie nur stumm an, ohne wie sonst vor ihr zurückzuschrecken.

Noch einen Moment ließ Unite ihre Hand auf seinem Herzen ruhen, dann zog sie sie sachte zurück und lächelte ihn nochmals aufmunternd an.

 

„Trust…“, erklang ein Japsen aus Unites Richtung.

Von ihrer Stimme aufgeschreckt, ließ er von Destiny ab und drehte sich in ihre Richtung.

Keine Sekunde zu früh, denn im nächsten Moment sprang Unite an seine Brust. Verzweifelt krallte sie sich an ihn.

Überrumpelt und nun endgültig von dem Nachwirken der finsteren Eindrücke befreit, fuhr er ihr mit der Linken über den Hinterkopf. Unite drückte sich an ihn, als wäre er der einzige Halt in einer Welt voller Gefahr.

„Ist ja gut.“, sagte er in beruhigendem Ton und kraulte ihren Hinterkopf. Er wusste selbst nicht, woher er den Mut dazu nahm. „Alles ist gut.“

Er spürte Unite an seiner Brust nicken, ihr Griff entkrampfte sich, aber sie drückte sich umso mehr an ihn. Daraufhin drehte sich Trust endgültig von Destiny weg und widmete sich zunächst Unite.

Eins nach dem anderen.

Er legte seine Arme um sie und hielt sie einen Moment ganz fest. Normalerweise hätte er befürchtet, ihr durch den sanften Druck wehzutun, aber irgendwie wirkte das jetzt nicht wichtig.

Weitere Augenblicke verharrte sie in der Umarmung, dann löste sie sich langsam von ihm.

„Tut mir leid.“, sagte sie. „Destiny...“

Eilig wandte sie sich ihrer Freundin zu.

 

Kapitel 90 Schlafzauber

Trust saß wie auf glühenden Kohlen. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.

Auch wenn er Unite und Destiny per Telepathie hören konnte, so wusste er doch nicht genau, was vor sich ging. Andere Geräusche als das, was die beiden mit ihm sprachen, konnte er nicht wahrnehmen. Ein Bild war ihm völlig verwehrt.

Er musste sich schwer zusammenreißen, um nicht alle paar Sekunden nachzufragen, ob alles okay war.

Sein wichtigstes Anliegen war, dass ihnen nichts zustieß, aber von seiner Position aus, war er völlig machtlos. Er konnte nur warten und den beiden vertrauen.

♪ Trust!

Unites Kreischen ließ ihn zusammenfahren.

„Was ist?“, fragte er panisch. In seinem aufgeregten Zustand fiel es ihm leichter, seine Gedanken zu übertragen, wenn er sie aussprach.

♪ Rede mit mir!, schrie Unite. Sie klang gehetzt, als wäre sie auf der Flucht.

Es folgte ein Schreckenslaut.

„Unite!“

♪ Deine Stimme, Trust! Deine Stimme!

Er wusste beim besten Willen nicht, worauf sie hinauswollte, und sein Unwissen über ihre Situation machte ihn wahnsinnig.

„Was ist los?“

♪ Bitte!, hörte er Unite flehen.

„Unite, ich weiß nicht was los ist. Was geht bei euch vor? Bitte, ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann. Sag mir, wie ich dir helfen soll.“

Für Momente kam keine Antwort.

„Unite!“, rief er viel zu laut.

♪ Sprich weiter!, forderte Unite.

„Was soll ich denn sagen? Ich weiß wirklich nicht… Ich-“

Sie hatte gewollt, dass er spricht. Egal was.

Er besann sich darauf, ihrem Wunsch nachzukommen.

„Hörst du mich? Ich bin hier. Ihr seid nicht allein. Wenn etwas ist, sagt es. Ich lasse nicht zu, dass euch etwas passiert. Hört ihr? Ich werde nicht zulassen, dass euch etwas zustößt!“

Seine eigenen Worte kamen ihm lächerlich vor.

Was hätte er denn tun sollen, wenn ihnen etwas Schlimmes widerfuhr?

Von hier aus konnte er überhaupt nichts ausrichten.

Er versuchte seiner Stimme wieder Festigkeit zu verleihen. „Habt keine Angst. Ich bin die ganze Zeit hier und passe auf. Wenn ihr in Schwierigkeiten steckt, rufe ich Desire und Change.“

# Ich kann mich nicht konzentrieren!, schrie Destiny aufgebracht.

Trust war verwirrt. Sollte er nun sprechen oder still sein?

Er durfte Destiny nicht von der Ausübung ihrer Kräfte ablenken, daher versuchte er, seine nächste Nachricht dieses Mal nur Unite zukommen zu lassen.

Seine Stimme war sanft. „Unite, ist alles okay? Willst du immer noch, dass ich rede? Ich verstehe nicht, was los ist. Kann ich irgendwas tun?“

Schweigen.

„Unite, ich mache mir Sorgen. Sprich mit mir.“

Er hörte schnelles Atmen.

„Bist du nicht bei Destiny? Unite, was geht da vor sich?“ Seine Stimme wurde laut. „Ich brauche dich!“ Er wusste nicht, wieso er diesen bescheuerten Satz ausgesprochen hatte. So was Dummes.

Wollte sie, dass er sie da rausholte?

Nein.

Unite würde die Mission nicht abbrechen bis Destiny die Ebene unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Und wenn sie ihr Leben dafür riskieren musste.

So war sie. Das wusste er.

„Du schaffst das! Ich glaube an dich. Du bist stark, viel stärker als du glaubst.“ Was redete er da eigentlich? Unite war die letzte, der man so etwas sagen musste. Sie hatte genug Selbstvertrauen.

♪ Vereinte Kräfte!, hörte er Unite ihren Attackennamen rufen.

Er wusste, dass sie längst dazu fähig war, ihre Fähigkeiten auch ohne Worte zu benutzen. Die Beschwörung bestätigte bloß, was für ihn bereits eine unausgesprochene Wahrheit war:

Unite kämpfte gegen die Allpträume.

 

Kapitel 91 Die Nacht der Allpträume

„Ich kann es löschen.“, sagte er beruhigend zu ihr. „Zeig mir nur, wo es ist.“

Unite gab winselnde Atemgeräusche von sich, die sich steigerten.

Dann drehte sie ihren Kopf ihm zu und schien ihn erstmals wieder richtig zu sehen.

Im gleichen Moment schluchzte sie auf, drehte ihren Oberkörper ihm zu und klammerte sich an ihn. Sie drückte ihr Gesicht gegen seine Schulter und weinte unkontrolliert.

Ihr Schluchzen klang hysterisch. Es wuchs zu einem Schreien heran, das in den Ohren schmerzte. Aber Trust drückte sie nur fester an sich.

 

Kapitel 93 Nichtangriffspakt

Unite trat nach vorne, um den Schutzschild zu verlassen, wurde aber von Trust aufgehalten, der sie verstört ansah.

„Eine Abmachung besiegelt man mit einem Handschlag.“, erklärte sie.

Trust ließ sie nicht los.

„Vertrauen!“

Trust zuckte zusammen, als sie ihn bei seinem eigentlichen Beschützernamen nannte. Widerwillig ließ er von ihr ab.

Mit Todesblick wandte er sich dem Schatthenmeister zu: „Eine falsche Bewegung und wir schießen.“

Kapitel 102 Bedroher

Trust dachte an sein eigenes Erlebnis mit dem Allptraum in Unites Gestalt. Auf andere hätte es wohl auch nicht gerade wie Folter gewirkt, von dem Mädchen geküsst zu werden, das man liebte. Doch für Trust war es das Grausamste gewesen, das man seiner Person hatte antun können. Die abartige Verdrehung von etwas, das er sich von ganzem Herzen wünschte, in etwas völlig Verkehrtes und Krankes ließ noch immer seinen Magen sich verkrampfen.

„Alles okay?“, erkundigte sich Unite besorgt und war direkt neben ihn getreten. Offenbar hatte sein Gesicht seine Gefühle verraten.

Trust nickte nur, versuchte sich an einem kurzen gequälten Lächeln und entzog sich dem Augenkontakt zu Unite.

Es tat weh, sie vor sich zu haben, solange diese Erinnerung in seinem Kopf herumspukte. Es fühlte sich an, als habe er sie betrogen, auf eine Art und Weise, die schlimmer war, als wenn der Allptraum für seine Tat eine andere Gestalt gewählt hätte.

In dem Fall hätte er es als eine Gewalttat abhaken können, gegen die er sich nicht hatte wehren können. Stattdessen quälten ihn Ekel und Abscheu, weil er – wenn auch nur für eine Millisekunde – das Gefühl, Unites Lippen zu spüren, als beglückend empfunden hatte. Obwohl er doch gewusst hatte, dass es nicht die echte Unite war! Diese Reaktion seines Körpers widerte ihn an.

Es war ihm klar, wie unsinnig dieser Gedanke war, dennoch fühlte er sich von sich selbst abgestoßen.

„Wir wissen nicht, was diese Worte im Schatthenmeister ausgelöst haben und auf was sie sich bezogen.“, sagte er.

Unite griff nach seiner Rechten. Automatisch zog er seine Hand zurück. Er wollte auf keinen Fall, dass sie seine Gefühle versehentlich oder willentlich anzapfte!

Nur kurz sah Unite ihn an und ließ die Sache dann auf sich bewenden. Glücklicherweise schien sie ihm sein Verhalten nicht übelzunehmen, dennoch musste Trust ein frustriertes Seufzen unterdrücken.

Er setzte sich wieder in Bewegung.

Kapitel 105 Verletzter Stolz – Secret verstehen

„Bis morgen.“, sagte Trust sachte.

Doch anstatt seine Hand loszulassen und wie gewöhnlich ihn und Change mit einem Lächeln zu verabschieden, blieb Unite stehen, ohne ihn anzusehen. Gerade wollte er sie danach fragen, als er sich eines Besseren besann.

„Change, ich gehe von hier aus zu mir. Dann kannst du deine Kräfte schonen.“

[…]

Für weitere Momente blieb Unite neben Trust stehen.

„Danke.“, flüsterte sie.

„Was ist los?“, erkundigte er sich vorsichtig und schämte sich im gleichen Moment für die dumme Frage.

Nach allem, was geschehen war, wäre nichts unangebrachter gewesen.

Er spürte, wie sie seine Hand drückte, und wusste nicht, was er sagen sollte.

Ihre Offenbarung kam überstürzt und ohne Vorwarnung.

„Ich war bei Erik. Heute Mittag. Bevor wir uns getroffen haben.“

Trust stockte und fühlte, wie sein Magen zu einem harten Klumpen wurde. Er hatte das Gefühl, etwas gehört zu haben, das er nicht wissen sollte.

Schuldgefühle zurrten seine Brust zusammen.

„Was hast du …“

Unite riss ihren Kopf in seine Richtung.

Im Schein Ewigkeits sah er das Entsetzen auf ihren Zügen. Schmerz zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und sie ließ seine Hand abrupt los, als hätte er sie betrogen.

Trust begriff, was er gerade gesagt und gedacht hatte. Er hatte geglaubt, sie habe etwas mit Eriks Verwandlung zu tun gehabt.

Von der Erkenntnis getroffen, wusste er nicht, was er sagen sollte. In Unites Augen glitzerten Tränen. Aber das schlechte Gewissen über seine grausame Unterstellung ließ es nicht zu, dass er sich ihr näherte oder noch einen Ton herausbrachte.

Was ist passiert?“, fragte stattdessen Ewigkeit.

Er hörte Unite hart schlucken und hätte sich gewünscht, seine unbedachten Worte rückgängig machen zu können.

„Du bist nicht schuld daran.“, versuchte er hastig, sie zu beruhigen.

„Ich weiß!“, stieß sie heftig aus. Es klang fast, als wolle sie ihm einen Vorwurf machen. Vielleicht fühlte es sich für ihn auch nur so an.

[…]

Noch nie hatte er so einen harten Gesichtsausdruck an ihr gesehen. Er musste sie aufs Tiefste verletzt haben und wusste nicht, wie er das wieder gutmachen konnte.

Wie ein geschlagener Hund tat er die Schritte, die ihn von ihr trennten, und hielt den Kopf gesenkt. Er trat aus dem Kellerraum.

„Du solltest dich zurückverwandeln.“, sagte Vivien in grobem Tonfall, während sie die Tür hinter ihm schloss, ohne ihn anzusehen.

Er schluckte und nahm seine alltägliche Gestalt an.

Erst in diesem Moment fiel ihm ein, dass er sich in seinem Zimmer verwandelt hatte, wo er einfache Hauskleidung und keine Straßenschuhe getragen hatte. Das hatte er nicht bedacht, als er sich entschieden hatte, noch einen Moment bei Vivien zu bleiben.

Vivien warf Justin hinter seinem Rücken einen flüchtigen Blick zu. Sie bemerkte sofort, dass er keine Schuhe trug. Eine Millisekunde tat es ihr leid, ihn dazu genötigt zu haben, bei ihr zu bleiben. Dann spürte sie wieder die Wut und Kränkung darüber, dass er geglaubt hatte, sie wolle ihm gegenüber ein Schuldgeständnis ablegen, wo sie ihm doch nur hatte anvertrauen wollen, was am Mittag geschehen war!

Sie hatte es den anderen nicht verheimlichen wollen! Sie hatte nur nicht die Gelegenheit gehabt, es ihnen zu sagen. Der Zeitpunkt wäre mehr als unpassend gewesen. Und der einzige Grund, aus dem sie jetzt noch mit Justin darüber hatte reden wollen, war, dass ihr die ganze Sache viel näher ging als sie es den anderen gegenüber hatte zeigen wollen.

[…]

Dennoch hatte sie Gefühle. Gefühle, die sie nicht lange unterdrücken konnte oder wollte, weil sie wusste, dass Verdrängung falsch war.

Diese Gefühle hatte sie ihm zeigen wollen. Nur ihm. Deshalb tat es auch so weh.

Dass er geglaubt hatte, sie habe etwas mit Eriks Verwandlung zu tun, hätte sie noch akzeptieren können. Es wäre kein Grund gewesen, ihm böse zu sein.

Aber seine Annahme, sie hätte es den anderen verschwiegen, um sich feige vor der Verantwortung zu drücken, – dass er ihr das zutraute! – schmerzte. 

[…]

Das Glöckchenklingeln Ewigkeits ertönte neben ihrem Ohr, sie hörte wie Justin die letzten Stufen nahm und neben ihr stehen blieb.

„Vivien…?“, fragte er voller Sorge in der Stimme.

[…]

Wieder kam der Groll, als sie Justins verständnisloses Gesicht sah, und sie musste sich schwer zusammenreißen, um ihn nicht einfach vor die Tür zu setzen, denn eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust, ihm ihre Erkenntnis mitzuteilen! Das hatte er überhaupt nicht verdient!

Aber wem hätte sie es stattdessen sagen wollen?

Ihr wurde klar, dass sie, solange sie so wütend auf Justin war, mit gar niemandem reden wollte.

Stattdessen würde sie über ihren Zorn auf Justin nachdenken und darüber, was sie am liebsten gesagt hätte, um ihn zu treffen.

[…]

Bei dem Vorsatz, nett zu ihm zu sein, zog sich ihre Brust zusammen an der Stelle, wo ihr Stolz und ihr Ego saßen. Ihr Stolz gebot ihr, ihm keinesfalls ihre Verwundbarkeit zu zeigen, sondern ihm gegenüber die gleiche Grausamkeit an den Tag zu legen, die er ihr erwiesen hatte.

Wie hätte sie ihm das einfach nachsehen können, ohne sich dabei selbst zu verraten?

Darum bemüht, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, rief sie sich Serena und Erik ins Gedächtnis und wie viel Leid ihnen ihr Stolz einbrachte. Wie sehr sie sich damit selbst verletzten. Eriks Blick.  

Einen weiteren Moment rang sie mit sich und dem Anspruch, Recht zu behalten, indem sie an ihrem Groll und ihrem Urteil über Justins Verhalten festhielt.

Aber wollte sie Recht haben oder wollte sie glücklich sein?

Mit aller Kraft warf sie sich in Justins Arme.

Davon völlig überrumpelt, stand er kurz einfach nur regungslos da, während Vivien ihre Arme um seinen Brustkorb schlang.

„Es tut mir leid.“, sagte Justin und kam sich auch dabei blöd vor.

Er verstand die Situation nicht und hatte keine Ahnung, was die richtige Handlungsweise war.

Im Kampf hatte er immer schnell einen Plan parat, wusste, was er tun musste: Er musste die anderen beschützen.

Aber er war ein Versager, wenn es um den Umgang mit Menschen ging.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er sich einfach von Menschen fernhielt.

Er konnte nicht wissen, dass seine Worte für Vivien wie eine Belohnung dafür waren, dass sie gerade ihren ganzen Stolz über Bord geworfen hatte.

Die Hände immer noch halb um seinen Oberkörper geschlungen, machte sie einen halben Schritt zurück. Das war notwendig, um ein vernünftiges Gespräch führen zu können, denn in seinen Armen fühlte sie sich sicher und geborgen, und wenn man sich sicher und geborgen fühlte, dachte man nicht.

Sie sah zu ihm auf und fühlte ihre Wangen unwillkürlich vor Freude glühen, als sie seinen hochroten Kopf bemerkte.

[…]

Sie hob ihren Kopf, um Justin wieder in die Augen zu sehen. „Tut mir leid.“

Er schien gar nichts mehr zu begreifen.

Vivien lehnte ihren Kopf gegen sein Brustbein. „Ich war gemein zu dir.“

Justin konnte dieser Unterhaltung beim besten Willen nicht mehr folgen. Nicht zuletzt, da die Körpernähe zu Vivien seinen Kopf zwar mit reichlich Blut versorgte, gleichzeitig jedoch die Sauerstoffzufuhr seines Körpers kurzzeitig unterbrach und ein schwummriges Gefühl in seiner Stirn verursachte.

„Justin, wenn… wenn ich dich verletzen würde, würdest du mir dann wehtun wollen?“, fragte sie und sah erneut zu ihm auf.

Justin schüttelte entschieden den Kopf.

Das stimmte wohl. Er würde ihr nie wehtun, egal was sie ihm antäte.

Ein leicht trauriger Ausdruck erschien auf Viviens Zügen. Er war ein so viel besserer Mensch als sie es war. Auch dafür liebte sie ihn.

„Ich würde dir wehtun.“, gestand sie. „Sehr.“ Kummer und Sorge zeichneten sich auf ihrem Gesicht ab. „Könntest du mir das verzeihen?“

Justin nickte verwirrt.

Wieder lehnte sie sich gegen ihn.

In diesem Moment wurde eine der Türen geöffnet und Viviens Mutter trat in die Diele.

„Huch!“

Vivien drehte sich halb zu ihr, während Justin zur Salzsäule erstarrt war.

„Wer –“

Justin war hochrot und brachte keinen Ton heraus. Endlich ließ Vivien seinen Brustkorb los und wandte sich vollständig zu ihrer Mutter um.

„Das ist Justin.“

„Ach ja! Ich habe ihn erst gar nicht erkannt.“

Ein freundliches Lächeln trat auf Frau Baums Gesicht. Sie hatte den Nachbarsjungen zwar kurz nach dem Einzug der Familie Boden getroffen, aber seither keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt, außer über die Beschreibungen ihrer Tochter.

„Ich habe schon sehr viel von dir gehört.“ Kurz hielt sie inne. „In der Tat sehr, sehr viel.“

Vivien kicherte.

„Entschuldigt. Ich wollte nicht stören. Ihr seid wohl vor den Kleinen geflüchtet. Die lassen euch sicher keine Minute allein. Aber im Keller ist es um diese Jahreszeit etwas kalt.“, sagte ihre Mutter, wohl mit Bezug auf die noch brennende Beleuchtung im Keller.

„Was rede ich da, euch wird sicher nicht kalt werden.“, lachte sie dann. „Lasst euch nicht stören.“ Mit diesen Worten verschwand sie wieder durch die Tür, aus der sie gekommen war.

Vivien kicherte nochmals. Wenn ihre Mutter Justin richtig gekannt hätte, wäre sie sicher nicht auf die Idee gekommen, dass sie beide in den Keller gehen wollten, um ungestört zu knutschen. Allein die Andeutung hätte Justin vermutlich in Ohnmacht fallen lassen.

Apropos.

Vivien drehte sich wieder zu ihm um. Wie erwartet hatte Justin die Augen weit aufgerissen und war noch immer ganz rot im Gesicht.

„Du hast keine Schuhe.“, sagte sie und riss ihn damit aus dem Delirium.

„Ja.“, bestätigte er kleinlaut.

„Warte, ich gebe dir welche von meinem Papa und gehe schnell mit dir rüber zu dir.“ Sie suchte im Schuhschrank nach einem passenden Paar. „Ich hoffe, du passt hinein.“

Sie reichte Justin ein Paar Joggingschuhe und erkannte, dass er ein Gesicht zog, als wäre ihm etwas schrecklich peinlich. „Das ist kein Problem, Justin. Wir gehen kurz zu dir und ich nehme die Schuhe dann wieder mit.“

„Ich habe keinen Schlüssel.“, presste er hervor.

In einer Mischung aus Mitleid und Rührung lächelte Vivien. Obwohl er weder Schuhe noch einen Haustürschlüssel dabei hatte, war er bei ihr geblieben, anstatt sich von Vitali nach Hause teleportieren zu lassen.

„Kein Problem. Ich gehe mit dir rüber und erkläre das Ganze.“

Justin schaute skeptisch.

Vivien bedeutete ihm, sich auf die Treppe, die ins Obergeschoss führte, zu setzen. Er folgte der Aufforderung und schlüpfte in die Schuhe.

Sie waren ein ganzes Stück zu klein, aber die kurze Strecke würde er es überleben. Besser als in Socken vor seiner Haustür zu stehen.

„Justin?“

Er sah zu Vivien auf, die vor ihm stehen geblieben war.  

„Danke, dass du bei mir geblieben bist.“ Sie beugte sich zu ihm, ihre warme Hand berührte sein Gesicht, dann spürte er wie ihre weichen Lippen auf seine Wange gepresst wurden.

Wen interessierten zu kleine Schuhe oder die Peinlichkeit, jetzt bei sich zu Hause klingeln und erklären zu müssen, was geschehen war?!!

Justin schwebte auf Wolke Sieben.

Vielleicht… ja vielleicht würde sie ihn irgendwann tatsächlich mögen. Vielleicht.

Dass Justin über den Kuss so erfreut war, machte Vivien glücklich, und so begleitete sie ihn grinsend zu seinem Haus hinüber.

Vor seiner Tür angekommen, nahm sie ihn nochmals bei der Hand. Sie sah im Augenwinkel, dass er sich verwundert zu ihr drehte, tat ihm aber nicht den Gefallen, ihm ihr Verhalten zu erklären.

„Du solltest klingeln.“

Beschämt nickte er und betätigte die Klingel.

Für Momente geschah nichts.

Vivien beugte sich an ihm vorbei und klingelte kurzerhand Sturm. Etwas, das Justin selbst nie im Leben gewagt hätte.

Endlich ging ein Licht jenseits der Tür an. Es dauerte weitere Momente, ehe eine genervte Jungenstimme fragte: „Wer ist da?“

„Ich bin’s.“, rang sich Justin durch zu sagen. „Justin.“

Der Schlüssel wurde gedreht und die Tür aufgezogen.

„Kannst du keinen Schlüssel mitnehmen?“, schimpfte Gary, ehe er mit einiger Verwirrung Viviens Anwesenheit bemerkte. Dann blieb sein Blick daran hängen, dass Vivien und Justin Händchen hielten.

Vivien lehnte sich absichtlich noch etwas näher zu Justin und legte ihm die noch freie Hand auf den Arm. „Entschuldige. Ich habe ihm vorhin nicht die Zeit gelassen, noch einen Schlüssel mitzunehmen. Ich bin manchmal etwas zu stürmisch.“ Kichernd warf sie einen lasziven Blick auf Justin, weil sie wusste, dass das ihren Worten in den Augen eines hormongesteuerten Jugendlichen eine ganz andere Bedeutung geben würde.

Dicker konnte sie leider nicht auftragen, weil sie wusste, dass Justin ihr Verhalten sonst wieder als Hohn fehlgedeutet hätte. Das hatte sie mittlerweile gelernt. Daher blieb sie absichtlich bei so subtilen Andeutungen, dass Justin sie nicht einmal als solche wahrnahm.

Gary indes hatte das Gesicht verzogen, als würde er die Szene nicht fassen können, was genau dem entsprach, was Vivien beabsichtigt hatte.

Aus ihren Gesprächen mit Justin auf dem Schulweg hatte sie herausgehört, dass Justins Bruder ihn öfters aufzog und nicht gerade dazu beitrug, dass Justin ein gesundes Selbstvertrauen entwickelte.

Als habe sie nur Augen für Justin, drehte sie sich wieder zu ihm. „Wir sehen uns morgen.“ Sie ließ Justins Linke los und griff mit beiden Händen nach seinem Kopf, um ihm einen weiteren Kuss zu geben, dieses Mal auf die Backe, weil sie aufgrund ihrer Größe auch auf Zehenspitzen und trotz ihres Versuchs, seinen Kopf mit den Händen etwas in ihre Richtung zu neigen, nicht ganz bis zu seiner Wange reichte.

Gerne hätte sie ihm auch noch etwas ins Ohr geflüstert, aber aus den gleichen Gründen konnte sie das leider nicht.

Sie drehte sich um und lief wieder zu ihrem Haus hinüber, ohne sich noch einmal umzuwenden.

 

Erik x Ariane Szenen Zusammenstellung Balance Defenders, Pairing, Shipping, Szenen, Zusammenstellung

Autor:  Regina_Regenbogen

Ich persönlich liebe ja YouTube Videos, in denen die bedeutsamsten Szenen zusammengeschnitten sind.

Da ich aber nur Geschriebenes habe, kann ich nur mit einer geschriebenen Zusammenstellung aufwarten. Ich hoffe, dass ihr dennoch Freude daran habt. 

 

Bei manchen Kapiteln ist fast das ganze Kapitel hier zitiert, wenn ich dies für sinnvoll erachtet habe. 

 

Ich werde diesen Beitrag versuchen, immer wieder auf den neuesten Stand der Geschichte zu bringen. 

 

Okay, ich habe es übertrieben. Alleine diese Szenen sind ja schon ein kleines Buch. :'D Da ich nun keine Zeit mehr habe, das zu kürzen, bekommt ihr es so. XD 

 

Kapitel 7 Geheime Bekanntschaft

Plötzlich wurde Secret schwarz vor Augen. Fast wäre er in sich zusammengeklappt. Schwer atmend ging er auf die Knie und schloss die Augen.

Was hatte das zu bedeuten?

Instinktiv fasste er sich an die Verletzung an seinem Oberarm.

Aber so viel Blut hatte er doch gar nicht verloren.

Arianes Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„Tut es sehr weh?“, fragte sie. Sie war neben ihm auf die Knie gegangen. Als sie sachte seinen Oberarm berührte, um die Wunde zu betrachten, zuckte Secret wie unter Hieben zusammen und riss seinen Arm schnell weg.

„Es ist nichts!“, rief er und fügte in ruhigerer Stimmlage hinzu „Lasst uns gehen.“ Dann stand er wieder auf und lief weiter.

Ariane stockte kurz. Sie baute sich wieder zu voller Größe auf und ging Secret hinterher. „Warte!“

Genervt blieb Secret stehen und drehte sich zu ihr um. „Was ist?“, fragte er abweisend. Statt eine Antwort zu geben, riss sie ihm kurzerhand die notdürftige Binde vom Arm.

„Hast du sie noch alle?!!“

Ariane reagierte nicht auf seinen tobsüchtigen Schrei, zu sehr war sie auf Secrets Wunde fixiert. Auch den übrigen blieb die Sicht darauf nicht erspart.

Die Verletzung an sich bestand nur aus zwei roten Kratzern, die nicht sehr tief waren. Jedoch sah der Bereich rundum so aus, als würde das Fleisch langsam faulen, was ihm eine fahle aschgraue Farbe verlieh. Unzählige pechschwarze Adern, die ihren Anfang ebenfalls bei den beiden Schnitten nahmen und die beängstigenderweise pulsierten, überwucherten seinen Oberarm und vervollständigten den erschreckenden Anblick.

„Was ist das!“, rief Vitali angeekelt.

„Es breitet sich immer weiter aus.“, äußerte Justin seine Befürchtung.

„Das ist nur eine Wunde.“, sagte Secret und entriss sich Arianes Griff.

Ariane ließ sich allerdings nicht so schnell abschütteln. „Nur eine Wunde?“

„Das geht euch nichts an.“

„Tut es sehr wohl!“, widersprach Ariane.

„Was willst du tun?“, fragte Secret herausfordernd.

Ariane atmete aus. Es gab hier keinen Arzt. Sie hatten kein Verbandszeug. Was also konnten sie tun?

Sie schüttelte den Kopf. „Wenn wir hier raus sind, wirst du verarztet.“

Ob mit Wunde oder ohne, wenn sie sich jetzt nicht voll auf die ihnen bevorstehende Aufgabe konzentrierten, waren sie dem Untergang geweiht.

 

Kapitel 8 Minenspiel

Abermals kippte das Labyrinth nach vorne. Ariane prallte gegen Secret, der ihr den Rücken zugewandt und damit nicht gerechnet hatte. Dieses Mal konnte er das Gleichgewicht nicht halten und stürzte nach vorn – genau auf eine der Kacheln.

Im gleichen Moment kam das Labyrinth wieder in eine waagrechte Lage.

Ariane, die durch die Pufferung von Secret auf den Beinen stehen geblieben war, blickte entsetzt und reuevoll auf ihn hinab.

Secret biss die Zähne zusammen und starrte wie alle anderen auf die Platte, auf der seine rechte Hand gelandet war.

[…]

Währenddessen wollte Ariane Secret wieder aufhelfen. „Es tut mir wirklich leid.“, beteuerte sie zum wiederholten Male.

Secret ignorierte ihr Hilfsangebot und kam alleine wieder auf die Beine. Er bedachte sie mit einem kalten Blick. „Sich entschuldigen, ist ein Zeichen von Schwäche.“

Ariane stockte.

 

Kapitel 9 Über Fallen

Laut knallend zersprangen die ersten Platten, die den Wänden im Weg gewesen waren.

„Ich kann übernehmen.“, bot Ariane Vitali an, der noch immer Secret stützte.

„Der ist zu schwer für dich.“, sagte Vitali.

„Ich kann alleine laufen.“, verkündete Secret, aber er sah dabei sehr blass aus.

„Wenn er alleine laufen kann, wird er ja nicht so schwer sein.“, behauptete Ariane.

Vitali stieß ein entnervtes Geräusch aus und ließ von Secret ab. „Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

Ariane nickte, während Vitali nun an Geschwindigkeit zulegte.

Sie legte Secrets rechten Arm um ihre Schulter. Im gleichen Moment erschauderte sie. Das ekelhafte Gefühl, das die Ranken in ihr ausgelöst hatten, überkam sie.

Secret entzog ihr seinen Arm. „Lauf.“ Ihm war nicht entgangen, wie sie auf den Körperkontakt mit ihm reagiert hatte.

Ariane holte Luft. „Du läufst vor. Und zwar schnell.“

Er nickte und joggte los.

 

Kapitel 12 Verluste

„Ihr wollt es nicht verstehen.“, sagte Secret. „Sie ist von Rachegefühlen getrieben und zerreißt ihre Seele. Es ist auszuschließen, dass sie noch einmal von sich aus zurückfindet.“

Eine weitere Energiewoge rauschte über ihre Köpfe hinweg und ließ winzige Spiegelsplitter auf sie nieder regnen.

Serena kreischte qualvoll.

„Dann müssen wir ihr eben dabei helfen!“, schrie Vivien, sprang auf und rannte Serena blindlings entgegen.

Ohne zu zögern folgte ihr Vitali.

Auch Justin erhob sich und sah Secret in die Augen. 

In Secrets Blick war deutlich zu lesen, für wie töricht er das Verhalten von Vivien und Vitali hielt.

Justin schüttelte den Kopf, so voller Willenskraft, als sei er von dem puren Wunsch beseelt, Secret das Gegenteil zu beweisen. Schließlich eilte er den anderen beiden nach.

Secret stieß abfällig die Luft aus. Sie hatten keine Chance.

Ihm fiel auf, dass Ariane vor ihm saß, den Blick gesenkt. Er erwartete bereits, dass sie sich im nächsten Moment dem Selbstmordkommando anschließen würde, doch sie rührte sich nicht.

Ein Gefühl der Skepsis wurde in ihm wach, als könne er nicht glauben, dass sie tatsächlich ihr eigenes Leben über das der anderen stellte.

„Wollten wir nicht gehen?“ Fast erschrak er über ihre ungerührte Stimme.

Er schlug die Augen nieder. Noch einen Moment verharrte er. .

„Menschen betrügen.“, hörte er sie sanft sagen, als wiederhole sie ein Mantra.

Sollte das eine Rechtfertigung ihres Verhaltens sein? Ihres Betrugs?

Er ballte die Hände zu Fäusten. Wenn sie schon ihre Freunde im Stich ließ, sollte sie sich nicht so einfach herausreden. Das war feige. Das war -

„Am liebsten sich selbst…“

Ihre Worte trafen ihn unvorbereitet. Fassungslos starrte er sie an.

Für einen Atemzug hätte er sich gewünscht, in ihrem Gesicht Abscheu oder Wut zu lesen, doch stattdessen schlug ihm die furchtbare Erkenntnis entgegen, dass sie in sein Innerstes gesehen hatte, als sei er aus Glas.

Geschlagen atmete Secret aus. „Warum sitzen wir dann noch hier?“

Ariane lächelte ihn an.

Was auch immer dieses Handeln mit sich bringen würde, es fühlte sich richtig an. Einfach nur richtig.

 

Kapitel 13 Letzte Chance – Vorbei

Hintereinander verschwanden die drei in dem Spiegelportal.

Vivien drehte sich zu Ariane.

„Ich warte auf Secret.“, sagte Ariane entschieden.

Vivien nickte. Sie durfte nicht riskieren, dass Justin und Vitali aus Sorge nochmals zurückkamen.

Sie lief durch das Portal.

Alles wirkte für Ariane wie in Zeitlupe, Secret schien noch so schrecklich weit entfernt.

Sie verfolgte, wie er erneut seine Armbewegungen ausführte, dieses Mal zur Seite. Sie konnte allerdings nicht sehen, welchen Effekt dies hatte.

Nur noch ein paar Meter.

Plötzlich trat Entsetzen in Secrets Gesicht.

Sie sah noch den Ansatz einer Armbewegung, dann wurde sie mit einem enormen Druck durch das Portal geschleudert.

Nur Sekundenbruchteile später zertrümmerte der Schatthen, der jenseits von Arianes Blickfeld hinter dem Spiegelportal aufgetaucht war, die letzte Chance auf ein Entkommen für Secret.

 

Kapitel 14 Zurück

Ariane sprang panisch zurück auf die Beine. Das Leuchten des Portals war erloschen.

„Was ist passiert?“, rief Justin.

Ariane griff verzweifelt in die Leere, als hoffe sie, der Durchgang ins Schatthenreich wäre einfach nur unsichtbar geworden.

„Ariane!“, forderte Justin sie nochmals zu einer Antwort auf.

Ariane drehte sich zu ihm um und brach im gleichen Moment in Tränen aus.

Vitali sprang auf und packte Ariane an den Schultern. „Was ist mit Secret passiert?“ Er klang verstört.

„Ich weiß es nicht.“, presste Ariane hervor. „Er hat – Ich glaube, er hat mich durch das Portal geschleudert.“

Vitali ließ von ihr ab. „Da ist kein Portal mehr!“

Vivien versuchte, die Gemüter zu beruhigen. „Er hat den Durchgang geöffnet. Er kann das auch bei einem anderen Spiegel.“ Ihre Stimme überschlug sich fast. „Und er kann die Schatthen abwehren.“

Justin starrte zu Boden. Wenn der Spiegel zerstört worden war, wie sollte Secret so schnell einen anderen finden und aktivieren, während die Schatthen ihn angriffen?

Vivien wollte die Hoffnung nicht aufgeben. „Vielleicht können wir von dieser Seite ein Portal öffnen!“

„Wir müssen zurück.“, stieß Ariane aus. „Wir müssen irgendwie zurück.“

Justins Stimme wurde streng. „Das ist sicher nicht das, was Secret will.“

„Er will sicher nicht, dass wir ihn zurücklassen!“, begehrte Ariane auf.

 

Kapitel 22 Schule und andere Katastrophen

In die Suche vertieft, bemerkte sie nicht, wie jemand neben sie trat.

Gerade glaubte sie, den richtigen Zettel gefunden zu haben, als derjenige sie höflich ansprach: „Dürfte ich kurz?“

Ariane fuhr beim Klang der Stimme zusammen.

Einen Moment lang war sie unfähig, sich umzudrehen. Auch wenn es albern war, wollte sie sich zumindest kurz der Hoffnung hingeben, bevor sie sich der Wahrheit stellte.

Schließlich wandte sie sich um. Und erstarrte.

Die grünblauen Augen… das ihr vertraute Gesicht.

Secret sah sie an, als warte er darauf, dass sie endlich eine Reaktion zeigte.

Ehe sie auch nur darüber nachdenken konnte, hatten ihre Beine den Abstand zwischen ihnen überwunden und sie umarmte ihn, wie sie es schon bei Vitali getan hatte, nachdem sie auf der Baustelle wieder zusammengetroffen waren.

Es war ihr egal, ob Secret sie deshalb für schwach halten oder sich im nächsten Augenblick darüber beschweren würde.

Wie oft hatte die Frage, ob er überhaupt noch lebte, ihr Inneres beherrscht? Und jetzt stand er direkt vor ihr!

Ihre Finger gruben sich für einen Augenblick in sein T-Shirt.

Dann schnappte sie nach Atem und fand schließlich die Kraft sich wieder von ihm zu lösen.

Secrets Blick war hart.

Das hätte sie sich wohl denken können. Sie ignorierte es. Hauptsache, er lebte.

Er trat einen Schritt zurück und betrachtete sie regelrecht angewidert.

„Nur weil du ein hübsches Gesicht hast, kannst du dir nicht alles erlauben.“

Sie war zu perplex, um seine Worte einzuordnen. 

„Das war die dreisteste Anmache, die ich je erlebt habe. Das heißt nicht, dass sie gut war.“, spie er aus.

Sie versuchte zu begreifen, was er da von sich gab. Ihr Gesicht verzog sich in völligem Unglauben. Sie wollte etwas erwidern, stockte, starrte ihn sprachlos an.

Kein Zweifel, das war Secret!

„Du erinnerst dich nicht?“

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und Hohn trat in seine Stimme. „Jetzt willst du auch noch behaupten, dass wir uns kennen?“

Sein überhebliches Verhalten brüskierte sie. Stolz hob sie ihr Haupt. Sie würde sich nicht von ihm beschämen lassen!

Daraufhin schnaubte er verächtlich und sah sie herausfordernd an. „Meinen Namen kennst du dann ja wohl auch.“ Er lächelte herablassend.

Sie wollte ihm gerade antworten, als sie erkannte, dass keiner von ihnen Secrets richtigen Name erfahren hatte.

Von ihrem Schweigen in seiner Unterstellung bestätigt, verschränkte er die Arme vor der Brust und blickte demütigend auf sie herab.

Seine offensichtliche Verachtung war ihr unerträglich. „Für wen hältst du dich eigentlich?“, stieß sie aus.

„Es geht hier doch darum, für wen du mich hältst.“

Ariane biss sich auf die Unterlippe. Es musste doch etwas geben, das auf die Erlebnisse im Schatthenreich hindeutete!

Ihr Blick schnellte zu seinem linken Oberarm.

In einem verzweifelten Versuch, sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien, riss sie den Ärmel seines T-Shirts nach oben.

„Hast du sie noch alle?!“

Es war der gleiche tobsüchtige Schrei wie damals vor dem Labyrinth, die gleiche Reaktion, der gleiche Satz, den er damals schon gesagt hatte. Aber diesmal war es anders.

Nichts!

Nicht das kleinste Anzeichen eines Kratzers.

Aber das konnte nicht sein!

Unwillkürlich schüttelte Ariane den Kopf. Als sie in Secrets Gesicht sah – und sie war sich sicher, dass es Secret war! – erkannte sie eine Mischung aus Unglaube und Abscheu.

Ariane war verzweifelt. Was sollte sie jetzt tun?

Die Frage erübrigte sich.

Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, ließ er sie mit einem Gedankensturm in ihrem Kopf zurück.

 

[…]

 

Warum bloß?! Warum konnte sie nicht im Erdboden versinken?! Ariane hatte ihn schon zuvor erkannt, was Vitali erst jetzt tat.

Vitali war baff. „Das gibt’s ja gar nicht! Alter!“

Der Schwarzhaarige war sichtlich verwirrt von dieser Reaktion.

Vitali gab ihm einen kumpelhaften Klopfer auf den Rücken. „Hey Muskelmann, ich dachte schon wir wären dich endgültig los!“

Ziemlich ratlos sah der Schönling ihn an.

„Wie bist du denn da wieder rausgekommen? Bei all den Schat-“ Ariane brachte Vitali mit einem Klaps auf seinen Rücken zum Verstummen.

„Was geht!“, beschwerte sich Vitali. „Mann Serena, ist deine Brutalität etwa ansteckend?“

Serenas Lippen schürzten sich verstimmt.

Der Blick des Schwarzhaarigen blieb an Ariane haften, es war ein kalter Blick. Sie kannte diesen distanzierten Ausdruck in seinen Augen, überlegen und unnahbar. So hatte Secret geschaut, wenn er über die Fallen gesprochen hatte und die Schwierigkeiten, die vor ihnen lagen. Aber dass er sie so ansah! So wie er ein Problem ansah!

[…]

Ariane ging dazwischen, ehe sich Vivien in die Arme des Jungen werfen konnte. Sie ergriff Viviens Arm, um sie von vorschnellen Aktionen abzuhalten und forderte nun noch einmal mit mehr Nachdruck: „Wir sollten uns setzen!“

Wie sollte sie den anderen klar machen, dass das nicht Secret war?

Naja, eigentlich war sie sich sicher, dass er es war. Aber er war es eben doch nicht. Zumindest nicht derselbe. Ach, das war einfach viel zu kompliziert!

„Dann setz dich doch.“, sagte dieser Angeber kalt.

Fiel denn keinem der anderen seine Distanziertheit auf? Na gut, Secret war eigentlich schon immer eher gefühlskalt als herzlich gewesen.

[…]

Derweil wollte sich der Schwarzhaarige, der sich nicht mit Secret angesprochen gefühlt hatte, auf den Weg zu den hinteren Bänken begeben.

Vitali hielt ihn auf. „Hey Muskelprotz, du glaubst doch wohl nicht, dass du dich so einfach nach hinten verziehen kannst. Du wirst mit mir zusammen hier in der ersten Reihe leiden, klar?!“

Ariane platzte heraus: „Ich glaube kaum, dass er sich zu dir setzen will!“

Die anderen sahen sie verwirrt an.

Wenn der Schwarzhaarige zuvor noch reichlich unentschlossen gewirkt hatte, jetzt hatte er sich für seinen Sitzplatz entschieden.

„Ich finde es hier eigentlich ganz nett.“, sagte er in geradezu gönnerhaftem Tonfall und setzte sich auf den der Fensterseite näheren Platz in der ersten Reihe der Mitte.

[…]

Der Schwarzhaarige mischte sich ein. Seine Augen fixierten Ariane. „Du solltest akzeptieren, dass es Dinge gibt, die du auch mit deinem Aussehen nicht bekommen kannst, anstatt gleich deine ganze Clique gegen mich aufhetzen zu wollen.“

Ratloses Schweigen bei den vier übrigen. Sie verstanden nur Bahnhof.

Und Ariane stand wortlos da, brachte keinen Ton mehr heraus. Sie wusste nicht, welcher Wunsch in ihr größer war, diesem Großmaul Kontra zu geben oder zu heulen, weil er ja alles falsch verstehen musste, wenn er sich nicht mehr erinnerte!

Sie versuchte Mut zu schöpfen. Vielleicht klappte es ja auf diese Weise. Akribisch kratzte sie sämtliche ihr innewohnende Würde zusammen, um sich nicht sofort im nächsten Mauseloch zu verkriechen. Dann richtete sie das Wort an den Angeber. „Vielleicht sollten wir uns erst einmal vorstellen.“

Vitali musste natürlich sofort reinquatschen: „Hä? Wieso wollt ihr euch denn ständig vorstellen?!“

Der Secret-Verschnitt stützte sich mit seinem Ellenbogen auf den Tisch und ließ sein Kinn auf seiner Faust ruhen. „Ja, wieso vorstellen? Ich dachte, du kennst mich.“

Ariane sog Luft in ihre Lungen. Sie richtete ihre Wirbelsäule auf und versuchte, eine so königliche Haltung einzunehmen wie nur möglich. Ihr Blick wurde kalt. „Da du dich nicht mehr erinnerst, dachte ich, wir sollten uns neu vorstellen.“, sagte sie distanziert. „Außerdem hattest du wohl Recht, ich muss dich verwechselt haben. Die Person, die ich meinte, war ganz anders als du.“

Diesen Wink mussten die anderen verstanden haben!

„Man sollte eben nicht allein auf das Äußere gehen.“, entgegnete er mit diesem arroganten Lächeln.

Nicht minder überzeugt hielt Ariane dagegen. „Das wäre das Letzte, was ich täte.“ Mit diesen Worten setzte sie sich wieder.

 

Kapitel 23 In einer Klasse

Was sollten diese komischen Andeutungen von Vitali? Und was hatte sich diese Blondine gedacht? Sexuelle Belästigung wäre ok, solange sie von einer Frau ausging? Auf körperliche Nähe konnte er wirklich verzichten!

„Diese –“. Er unterbrach sich. „Ariane. War die mit euch in einer Klasse?“

Justin und Vitali schüttelten die Köpfe.

„Woher kennst du sie?“, fragte Justin und hoffte, dass Erik dem Gerede von Vitali nicht allzu viel Bedeutung beimaß.

Vitali zog eine Grimasse. Diese Frage erschien ihm einfach allzu dämlich.

„Ich bin ihr auf dem Gang begegnet.“, berichtete Erik in einem Tonfall, der deutlich machte, dass er das lieber vermieden hätte.

„Ist etwas vorgefallen?“, hakte Justin vorsichtig nach. „Ihr schient ein gespanntes Verhältnis zu haben.“

Erik schaute finster. „Sie hat mich -“ Er zögerte kurz. „…belästigt.“

„Hä?“ Vitali schaute unverständig.

Grimmig verzog sich Eriks Mund. „Sie hat offenbar Probleme mit persönlichen Grenzen.“

Justin und Vitali warfen einander verwirrte Blicke zu.

„Bist du sicher, dass du von Ariane sprichst?“, wandte Justin ein.

Erik bedachte ihn mit einem stechenden Blick. „Vielleicht findet ihr es ja normal, dass sie sich Wildfremden ohne zu fragen an den Hals wirft.“

„Von wegen wildfremd.“, murmelte Vitali.

 

[…]

Auf dem Weg zurück ins Klassenzimmer sah Justin besorgt zu Ariane. Ihm war nicht entgangen, dass Erik noch abweisender zu ihr war als zu ihm und den anderen. Ausgerechnet Ariane, die besonders darunter gelitten hatte, Secret im Schatthenreich verloren zu haben.

Er berührte sie flüchtig an der Schulter, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Das wird schon wieder.“, sagte er sacht.

Ariane versuchte sich an einem Lächeln, aber ihre Augen verrieten, wie sehr ihr die Situation mit Erik zu schaffen machte.

„Er ist nicht Secret.“, flüsterte sie und wandte sich wieder nach vorn. 

 

Kapitel 25 Finster und Geheim

Frustriert ließ sie ihren Blick über die Leute in ihrer Umgebung schweifen. Und erstarrte.

Wie ein Tier auf der Flucht suchte sie schnellstens Deckung hinter der Glasvitrine mit den Steintafeln. 

O hoffentlich hatte er sie nicht gesehen!

Zwei Sekunden verstrichen. Drei. Nichts geschah.

Vorsichtig lugte Ariane daraufhin in halb geduckter Haltung noch einmal um die Ecke – wie eine Kriminelle, die von der Polizei verfolgt wurde.

Im nächsten Moment wäre sie mit ihrer Nase fast auf einen Menschenkörper gestoßen. Ariane schreckte zurück. Er hatte sie entdeckt!

Warum hatte sie auch ein rotes Kleid anziehen müssen?

„Spielst du Verstecken?“ Der großspurige Klang seiner Stimme war unverkennbar. In einem schwarzen Anzug stand Erik vor ihr.

Wo hatte dieser Typ bloß eine lila Krawatte her und wieso sah das an ihm auch noch gut aus?

„Ich dachte, es wäre dir lieber, mich nicht zu sehen.“, entgegnete Ariane.

Erik lächelte selbstgefällig. „Wie zuvorkommend.“

Ariane bedauerte es zutiefst, Herrn Finsters Stimme mit seiner verglichen zu haben. Das hatte dieser Mann, ob Feind oder nicht, nun wirklich nicht verdient. Aber sie hatte ja auch an Secret gedacht, nicht an Erik.

Secret hatte sich zwar ziemlich abweisend und unnahbar gegeben, aber gehässig war er nicht gewesen.

„Was führt dich hierher?“, fragte Erik. Für einen Augenblick glaubte Ariane sogar, dass die Häme aus seiner Stimme gewichen war. Wahrscheinlich war es einfach nur zu anstrengend, diesen herablassenden Tonfall ständig beizubehalten.

„Das Gleiche könnte ich dich fragen.“, gab sie zurück.

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und sie hatte den Eindruck, leichte Gereiztheit aus seiner Stimme herauszuhören. „Ich versuche gerade freundlich zu sein.“

Ariane reagierte in gespielter Überraschung. „Ach wirklich? Das solltest du deinem Gesicht sagen. Ich fürchte, es weiß nichts davon.“

Hatte sich sein Mundwinkel gerade kurz gehoben?

Erik schnaubte geradezu belustigt. „Und was genau soll ich ihm sagen?“

„Ich bin sicher, da kommst du auch ganz alleine drauf.“, antwortete Ariane nun ihrerseits gönnerhaft.

„Natürlich.“, stimmte Erik zu. „Ich dachte bloß, da du mich so gut kennst, könntest du mir dabei behilflich sein.“ Er hob vielsagend eine Augenbraue.

Ariane versuchte, sich von seiner Andeutung auf ihr Verhalten am Morgen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „So wie ich dich kenne, würdest du dir von mir ganz sicher nichts sagen lassen.“

„Da muss ich dir wohl Recht geben.“, sagte Erik.

„Das fällt dir sicher schwer.“, erwiderte Ariane.

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. „Du weißt gar nicht wie.“

„In dem Fall gibt es bestimmt genug andere Personen, die du um Rat fragen kannst und gegen die du keine so große Abneigung hast.“, entgegnete Ariane.

Eriks Mundwinkel senkten sich. Für Augenblicke starrte er sie an, stumm und durchdringend.

Sie ließ sich davon nicht beeindrucken.

Geräuschvoll stieß er die Luft aus, als würde er die Situation als furchtbar störend empfinden.

Ariane war davon pikiert. Er hätte sie schließlich auch einfach in Ruhe lassen können.

Wieder sah er sie an, doch dieses Mal, als studiere er ihre Gesichtszüge, um darin die Antwort für etwas zu finden, das ihm nicht einleuchtete.

Der Blick war ihr unangenehm und sie wandte sich ab. „Also was willst du?“

„Herausfinden, mit wem ich es zu tun habe.“, sagte Erik ohne zu zögern.

Ariane horchte auf. Sie war überzeugt gewesen, dass er an dem vorgefassten Bild, das er von ihr hatte, nichts mehr ändern würde, Sein ganzes Verhalten in der Schule hatte darauf hingedeutet.

„Und ich dachte, das hättest du längst entschieden.“, antwortete sie spitz.

„Ich bin bereit dazuzulernen.“, sagte er mit düsterem Blick.

Sie sah ihn stumm an. Wenn er wirklich dafür offen war, sein vorschnelles Urteil zu revidieren, war vielleicht ihre eigene Einschätzung übereilt gewesen.

Allerdings wollte sie keinesfalls riskieren, dass er noch mal auf die Idee kam, sie wolle ihn mit ihrem weiblichen Charme bezirzen und seine Gunst gewinnen. Sie wandte sich der Vitrine zu.

„Was hältst du von diesen Steintafeln?“, fragte sie, um ein unverfängliches Gesprächsthema zu haben.

Erst jetzt schien Erik die beiden Steinplatten überhaupt wahrzunehmen. Er begutachtete sie ausgiebig und las die Informationstafel. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er beäugte die Tafeln zweiflerisch, als gäbe es etwas Dubioses an ihnen.

„Was ist?“, fragte sie.

„Nichts.“, sagte er.

„Nichts, was du mir sagen würdest.“, korrigierte sie.

Wieder bedachte er sie mit diesem durchdringenden Blick, als wolle er sie entlarven.

„Liege ich falsch?“, fragte sie herausfordernd.

Erik schien es nicht für nötig zu erachten, ihr zu antworten.

Daher setzte sie zu einem neuen Versuch an, ihn zu einer Reaktion zu bewegen. „Dein Vater ist also der Anwalt der Finster GmbH.“

Leise Skepsis trat in Eriks Züge. Dadurch fühlte sie sich zu weiteren Spekulationen ermuntert.

„Es gab Probleme bei dem Kauf der Ausgrabungsstätte. Tatsächlich ist er noch gar nicht zustande gekommen und deshalb darf Finster die Steintafeln überhaupt nicht ausstellen.“ Sie lächelte amüsiert über die Geschichte, die sie gerade zusammengesponnen hatte.

„Denkst du dir immer solche abstrusen Geschichten aus?“, höhnte Erik.

„Zumindest ist mir bewusst, dass es nur Geschichten sind, im Gegensatz zu Personen, die ihre Schlussfolgerung für die Wahrheit halten.“, gab sie mit eindeutigem Blick zurück.

Seine Augen verengten sich.

Ariane sprach weiter. „Du willst auch nicht, dass man dich wegen deinem Vater in eine Schublade steckt, sonst hättest du in der Schule nicht so auf Herrn Mayers Frage reagiert.“

Erik schwieg.

Sie blickte ihm entschlossen in die Augen. „Wir sind uns ähnlicher als du denkst.“

Ein langsamer Augenaufschlag Eriks folgte. „Das heißt wohl, dass ich dir vertrauen soll.

„Das erwarte ich nicht.“, erwiderte Ariane mit fester Stimme.

Erik verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann erzähl mir deine Version.“

Ariane stockte. Sie begriff, dass sie sich gerade selbst in eine ziemlich missliche Lage gebracht hatte. Schließlich konnte sie ihm nicht die Wahrheit darüber erzählen, warum sie ihn umarmt hatte. Sie wich seinem Blick aus.

„Das geht nicht.“

„Warum nicht?“, forderte er zu erfahren.

Resigniert senkte sie das Haupt.

Daraufhin stieß er erneut geräuschvoll die Luft aus.

Ariane wagte nicht aufzublicken. Sie hatte nichts, womit sie Erik davon überzeugen konnte, nicht die zu sein, für die er sie hielt. 

„Du hattest Recht. Mein Vater ist der Anwalt der Finster GmbH.“

Verdutzt blickte sie auf. Wieso redete er noch mit ihr?

Mit allem anderen lagst du daneben.“

Ariane bemühte sich, sich wieder zu sammeln und ihm normal zu antworten.

„Und warum hast du dann ein Problem mit diesen Tafeln?“

Erik starrte sie an.

„Du hast sie so angeschaut.“, erklärte sie.

„Gute Beobachtungsgabe.“

Seine Worte überrumpelten sie.

[…]

„Noch immer von den Tafeln gefesselt?“ Die beiden drehten sich zu Nathan Finster um.

Als sein Blick auf Erik fiel, erschien ein erkennendes Lächeln auf seinen Lippen.

„Vertrittst du deinen vielbeschäftigten Vater?“ Er hielt Erik die Hand hin, doch Erik blieb unbewegt stehen und schwieg.

Nicht gerade das Verhalten, das man dem Klienten seines Vaters gegenüber an den Tag legen sollte, ging es Ariane durch den Kopf.

Finster störte sich an Eriks Unhöflichkeit jedoch nicht.

„Ich sehe, dass du dich in intellektuell ebenbürtige Gesellschaft begeben hast.“ Seine Augen wanderten zu Ariane.

Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Mund zu einem Lächeln verführt wurde. Erst dann bemerkte sie Eriks Gesichtsausdruck. Das Lächeln erstarb auf ihren Lippen.

Der Junge, der jetzt neben ihr stand und dessen distanzierter Blick auf Herrn Finster gerichtet war, war von der Ausstrahlung, vom Gesichtsausdruck, von Sprechrhythmus und Wortklang, in allem: Secret.

„Mit dummen Leuten gebe ich mich nicht ab.“

Finster lächelte amüsiert.

Angesichts Eriks plötzlicher Verwandlung zunächst noch perplex, musste Ariane erst wieder zu sich finden. Sie musste sich auf etwas anderes konzentrieren.

[…]

„Komischer Kauz.“, bemerkte Erik abfällig.

„Viel eher ein sagenumwobener Phönix.“, berichtigte Ariane und drehte sich einmal mehr zu den Steintafeln um.

Flüchtig sah sie dann zu Erik neben ihr. „Findest du nicht auch, dass diese Tafeln irgendetwas Sonderbares ausstrahlen?“

„Dafür bin ich wohl nicht feinfühlig genug.“, dementierte er.

Nicht feinfühlig genug… Und das sollte der Junge sein, der drei Nächte zuvor noch hellseherische Fähigkeiten besessen hatte?

Andererseits war es ihr ganz recht, wenn Erik sich so wenig wie möglich wie Secret verhielt. Seine plötzliche Verwandlung eben war schon schlimm genug gewesen.

Es war leichter, Secret und Erik als zwei getrennte Personen anzusehen.

Was Ariane allerdings nicht wusste, war, dass Erik sehr wohl dieses Sonderbare empfand, nur dass es nicht von den Tafeln ausging, sondern von ihr.

Nach einer Erklärung für ihr groteskes Verhalten am Morgen suchte er zwar vergeblich, aber etwas stimmte auch nicht mit dem Bild der ausgefuchsten Femme fatale oder der durchgeknallten Spinnerin. Besonders die nicht minder seltsame Reaktion ihrer Freunde auf ihn hatte Erik nachdenklich gestimmt.

Erst im Nachhinein waren ihm die eindeutigen Parallelen zu Arianes Handlungen aufgefallen. Zum Beispiel Vitalis Bemerkung über eine Wunde an seinem linken Oberarm. Sie stand zweifellos im Zusammenhang mit Arianes Aktion, seinen linken Ärmel nach oben zu ziehen.

Was das alles zu bedeuten hatte? Erik hatte keine Ahnung.

Aber im Geheimen war der Wunsch in ihm erwacht, dieses Rätsel zu lösen.

 

Kapitel 34 Was zum Donner!

„Ich lade nicht so gerne Leute zu mir ein.“, sagte [Erik],

„An Platzmangel wird’s wohl nicht liegen.“, meinte Vitali spaßig.

Erik wandte seinen Blick ab.

„Sollen wir wieder gehen?“, fragte Justin. Er klang, als würde er das wirklich in Erwägung ziehen. 

Erik ließ Justin einen vielsagenden Blick zukommen. Die Frage war ja wohl zu bescheuert.

Außerdem war er Erik Donner. Es durfte nichts geben, das ihn aus der Fassung brachte.

„Nehmt Platz.“, sagte er strenger als beabsichtigt und verwies die anderen auf die Couch, den Sessel und den Stuhl, den er bereitgestellt hatte.

Doch anstatt sich zu setzen, sah Ariane ihn auf ekelhaft besorgte Weise an. „Hat es einen bestimmten Grund, dass du keine Leute einlädst?“

Er bedachte sie mit einem finsteren Blick, um sie davon abzubringen, ihn auf so bemitleidende Weise anzusehen.

Betreten entzogen sich ihre Augen seinem Anblick.

Zu spät fiel ihm ein, dass sie das wohl wieder auf sein vermeintlich negatives Bild von ihr zurückführen würde. Er seufzte.

Es war nicht seine Absicht, sie erneut zu dieser falschen Annahme zu verleiten. In Anbetracht ihres bisherigen Verhaltens war es kein Meisterstück darauf zu schließen, dass sie unschöne Erfahrungen damit gemacht hatte, falsch eingeschätzt zu werden. Es lag ihm fern, diesem Thema noch mehr Nahrung zu geben.

„Äußere Umstände machen nicht den Charakter aus.“, sagte er und konnte nicht fassen, dass er das für sie so formuliert hatte.

Irgendwie verärgerte ihn das.

Warum waren Menschen bloß so anstrengend?

„Wie meinst du das?“, hakte Justin nach.

„Ich kann es nicht leiden, wenn Leute vorschnelle Schlüsse ziehen und dann irgendwelche Geschichten rumerzählen.“, antwortete er abweisend.

Vivien sagte ihm unbekümmert auf den Kopf zu: „Wie dass du ein reicher Angeber bist?“ Sie hatte als einzige bereits Platz genommen und lächelte ihn an.

War das Spott? Erik konnte es nicht sagen.

Vivien kicherte. „Wir mögen dich so oder so.“ Sie strahlte ihn so freudig an, dass er nur den Schluss ziehen konnte, dass sie eindeutig zu naiv für ihr Alter war. Er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, ohne sie ihrer kindlichen Vorstellungen zu berauben. Seine Augenbrauen hatten sich automatisch zu einem kritischen Gesichtsausdruck gesenkt.

„Es würde dir mehr Freunde bringen, wenn du offener damit wärst.“, meinte Ariane.

Eriks verächtlicher Blick durchbohrte Ariane auf brutale Art und Weise.

„Und du meinst, ich würde mich über solche Freunde freuen?“  Seine Stimme war zu einem Grollen geworden.

„So hab ich das nicht gemeint!“, rief sie lauter und hilfloser als beabsichtigt. Sie hatte doch damit ausdrücken wollen, dass Freundschaften nur entstanden, wenn man sich einander öffnete und Vertrauen schenkte. „Du brauchst auch nicht immer alles gleich falsch verstehen!“

Vitali musste lachen. „Du bist genau wie Serena!“ Sein Lachen schwoll weiter an. „Geschwister!“

Als er daraufhin sowohl von Serena als auch von Erik böse angefunkelt wurde, hätte man wirklich meinen können, die beiden seien verwandt.

Vivien klatschte begeistert in die Hände. „Dann kannst du ja doch Eriks Schwester heiraten.“

„Hä?“, machte Vitali.

„Halt die Fresse, Vivien!“, kreischte Serena.

Vivien lachte. Auch Erik schien davon amüsiert.

Erleichtert über die Ablenkung atmete Ariane auf. In Eriks Nähe fühlte sie sich ohnehin schon wie auf glühenden Kohlen. Dass sie auch noch ständig mit ihm aneinandergeriet, machte das nicht besser. Sie ließ sich auf den Stuhl direkt neben ihr sinken, auch weil er am weitesten von dem Schemel entfernt stand, auf dem Erik soeben Platz nahm,

„Ich wollte was mit euch bereden.“, sagte Erik wieder todernst.

Ariane bekam ein ungutes Gefühl, während die anderen sich nun auch setzen.

„Es geht um die Sache am ersten Schultag.“

Ariane schnellte von ihrem Platz auf. „Äh, meine Mutter, wenn sie mich anruft, ist es ein Notfall!“

Sie hatte noch nie eine Ausrede für irgendetwas finden müssen, daher merkte sie zu spät, dass sie irgendwie die Hälfte der Erklärung weg gelassen hatte.

Sie drehte sich gerade zur Tür, als ihr Eriks Stimme in einem bedrohlichen Tonfall in den Rücken fuhr.

„Du setzt dich.“

Und ehe sie sich versah, saß sie auch schon wieder. Das war so ungerecht!

 

 

----------2. Band -------------

 

Kapitel 48 Burg Rabenfels

Während die Gruppe bereits loslief, sog Ariane den Moment in sich auf.

Der Himmel war saphirblau, Vogelgezwitscher drang an ihr Ohr und die goldene Herbstsonne beschien den für ein Auto zu schmalen Weg, der zu einem großen Torbogen führte. Dahinter ragte die imposante steinerne Fassade der Burg auf.

Ihre Lippen formten ein überfreudiges Lächeln.

Sie war schon lange nicht mehr auf einer Burg gewesen.

[…]

Erik, der neben ihr den Weg hinauf ging, riss sie aus ihren Gedanken.

„Worüber freust du dich so?“, fragte er kritisch.

Ariane zuckte kurz mit den Schultern und lächelte. „Ich mag eben Burgen.“

Unglaube zeichnete sich auf Eriks Gesicht ab. „Aha.“

Sein Verhalten pikierte sie. „Hast du etwa Probleme damit?“

„Ich find es nur ungewöhnlich.“, meinte Erik, ohne sie anzusehen.

Beleidigt schürzte sie die Lippen. „Du hast immer noch nicht aufgehört, mich in eine Schublade zu stecken.

Erik zögerte einen Moment, dann stieß er geräuschvoll die Luft aus. Sein Ton wurde kalt. „Red dir das nur ein.“

Dass er so tat, als wäre sie ein unreifes Kind, das sich etwas einbildete, machte sie rasend. „Ich rede mir nichts ein. Dein Verhalten spricht eine eindeutige Sprache!“

Erik ließ ihr einen Seitenblick zukommen, der so wirkte, als wolle er ihr erneut die Schuld zuschieben. „Ich kenne dich einfach nicht genug.“

„Eben!“, schimpfte sie.

Viviens quietschfidele Stimme mischte sich ein: „Das heißt, ihr müsst euch besser kennen lernen!“, rief sie euphorisch. „Deshalb verbingt ihr einfach die ganze Führung zusammen!“, beschloss sie grinsend.

Allerdings nahmen weder Ariane noch Erik den Vorschlag wirklich ernst. Um genauer zu sein, ignorierten sie ihn schlichtweg.

 

[…]

Die Klasse lief auf die nach oben führende Treppe zu, während Ariane unzufrieden stehen blieb.

Neben sich konnte sie im Zwielicht Nischen erkennen. Sie wollte hier noch so gerne alles erkunden, ehe sie weiterging!

Die anderen standen mit ihren Klassenkameraden bereits um die Treppe herum, wo das einzige Licht war. Da fiel Ariane auf, dass die Treppe gerade mal breit genug für einen war, es also etwas dauern würde bis alle nach oben gelaufen waren. Genug Zeit, um sich hier noch ein wenig umzublicken!

„Hat einer von euch eine Taschenlampe?“, rief sie ihren Freunden zu, auch wenn sie wenig Hoffnung hatte.

„Hä?“, machte Vitali. Die anderen schüttelten nur die Köpfe.

Nur Erik schien ihre Frage zu ignorieren, da er derweil sein Handy hervorholte. Nachdem er ein, zwei Bewegungen auf dem Display vollführt hatte, ging hinten an seinem Mobiltelefon eine kleine Leuchte an.

„Reicht das?“

Freudig flitzte Ariane auf ihn zu. „Du bist der Beste!“

„Ich weiß.“, meinte Erik, als wäre das eine Selbstverständlichkeit, und handelte sich dadurch einen skeptischen Blick von Ariane ein.

Als sie ihm das Handy aus der Hand nehmen wollte, zog er es nochmals zurück.

„Was willst du überhaupt damit?“

„Mich hier umsehen.“, entgegnete Ariane, als wäre das doch ganz offensichtlich. Blöderweise hatte sie ihr Handy bei ihren Sachen im Bus gelassen und bereute das jetzt.

Erneut hielt Erik ihr das Handy hin.

Bevor er auf die Idee kam, es wieder zurückzuziehen, um sie zu ärgern, entwendete Ariane es ihm mit einer flinken Bewegung.

Erik schnaubte amüsiert.

Flugs war sie auch schon auf dem Weg zur ersten Nische.

Geschickt huschte sie in die Räumlichkeit und leuchtete mit dem spärlichen Licht um sich.

Von außen hörte sie Eriks Stimme: „Du willst also nicht der Gruppe folgen, damt du auch sicher nichts von den überaus spannenden Erklärungen von Frau Lange verpasst?“

„Ich nutze nur die Zeit, in der alle anderen bloß rumstehen.“, antwortete sie. 

Sie trat wieder nach draußen, wo Erik auf sie wartete. „Außerdem zwingt dich keiner hier zu stehen. Oder hast du Angst, dass mir hier im Dunkeln etwas zustößt?“

Im gleichen Moment glitt sie gebückt in den nächsten, einem großen steinernen Ofen ähnelnden, Steinblock.

„Ich mach mir nur Sorgen um mein Handy.“, sagte Erik trocken.

„Ja natürlich.“, erwiderte Ariane höhnisch aus dem Inneren des Klotzes. „Dann hättest du es mir erst gar nicht gegeben.“

Wieder trat sie leichtfüßig aus der Dunkelheit hervor und sah sich jäh Auge in Auge mit Erik.

„Du hast es dir genommen.“, berichtigte er mit dunkler Stimme.

Ariane zuckte – von der plötzlichen Nähe zu ihm überrascht – einen Schritt zurück und wich ihm aus.

„Was suchst du da drin überhaupt?“, wollte Erik wissen.

Schon wieder war Ariane auf Entdeckungsreise in einem der Klotzbauten. „Muss ich unbedingt etwas suchen?“

„Wozu gehst du sonst da rein?“

Ariane gab ein belustigtes Geräusch von sich. „Um nicht neben dir im Dunkeln zu stehen.“

Erik konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Es ist bloß Neugierde. Es könnte sich ja ein Abenteuer hier drin verstecken.“, antwortete sie heiter.

„Ein Abenteuer?“ Unglaube schwang in Eriks Stimme.

„Wieso nicht?“

Auch hier drin zeigte sich Ariane in dem blassen Schein der kleinen Leuchte nur Sand und Luft.

„Du bist wirklich seltsam.“, hörte Ariane Eriks gedämpfte Stimme von draußen sagen.

„Das sagt der Richtige.“, erwiderte sie und gab anschließend einen Schreckenslaut von sich.

„Was ist?“ Erik schwang sich sogleich zu ihr in die steinerne Lagerräumlichkeit und knallte im gleichen Moment gegen sie.

„Au!“, stieß Ariane aus. In der Schwärze hier drin konnte man nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen. „Nur weil du dich für umwerfend hältst, musst du mir das nicht direkt demonstrieren.“

„Ich habe mir bloß an dir ein Beispiel genommen.“

Ariane stockte und war froh, dass die Dunkelheit ihr Antlitz verhüllte.

Seine Worte klangen wie eine Bezugnahme darauf, dass sie im Schatthenreich gegen ihn geprallt war und damit seinen Sturz ins Labyrinth verschuldet hatte.

Eriks Stimme unterbrach die plötzlich aufgetretene Stille. „Willst du das Licht nicht wieder anmachen?“

„Ich hab es nicht ausgemacht!“, begehrte Ariane auf.

„Gib es mal her.“, forderte er.

„Ich sehe nichts. Du musst erst rausgehen.“

Erik spottete: „Weil du nicht im Dunkeln neben mir stehen willst?“

„Weil die Leute sonst noch glauben könnten, dass du Serena hier drinnen mit mir betrügst.“, konterte sie.

Erik schnaubte belustigt. „War das der Plan?“

„In deinen Träumen!“.

„Etwa dasselbe geträumt?“

„Ich bin schreiend aufgewacht.“

„Schreiend vor Freude?“

„Freude, dass es nur ein Traum war.“

Ariane sah nicht, dass Erik ein breites Grinsen auf die Lippen getreten war.

„Es geht weiter!“, hallte von außen Viviens Stimme.

Daraufhin verließ Erik rückwärts den Bau.

Ariane folgte und drückte ihm sein Handy gegen die Brust. „Danke!“

Er konnte noch sehen, dass sie lächelte, dann spurtete sie auch schon zu der Treppe.

Erik musste schmunzeln und wollte ihr hinterher, als ihn ein stechender Schmerz durchzuckte.

Automatisch griff er nach seinem linken Oberarm und erstarrte im selben Augenblick.

 

An der Treppe angelangt, schaute Ariane nochmals zurück. Die anderen waren schon vorgegangen.

„Es wird schon nicht kaputt sein!“, rief sie Erik zu. Sie ging davon aus, dass er sie nicht eingeholt hatte, weil er sein Mobiltelefon erst inspizieren musste. Doch es kam keine Antwort.

„Erik?“ Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren ängstlich. Ohne noch einen Gedanken zu verlieren, hetzte sie zurück und wäre dabei fast ein zweites Mal mit ihm zusammengestoßen.

„Vorsicht.“ Seine Stimme klang normal.

„Wieso antwortest du nicht?!“, schrie Ariane ihn heftig an. Das Gefühl, ihn  ein zweites Mal in der Finsternis zu verlieren, krampfte ihr Herz zusammen. Dann erkannte sie im Halbdunkel, dass er seinen linken Oberarm festhielt.

Doch sobald er ihren Blick bemerkte, ließ er schleunigst von seinem Arm ab.

Erik suchte nach Worten. Doch nichts schien ausdrücken zu können, welche Verwirrung in ihm vorging. Schließlich entschied er sich, nicht auszusprechen, was er gerade empfand.

„Hältst du es keine Minute mehr ohne mich aus?“, fragte er provokativ.

Damit erreichte er exakt das, was er bezweckt hatte: Ariane stellte keine weiteren Fragen, sondern drehte sich schnurstracks um und lief wieder auf die Treppe zu. Besser gesagt: sie rannte, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her – während Erik noch einen Augenblick da stand und sich entsetzt fragte, ob er sich das nicht alles bloß einbildete.

 

[…]

Sie hatten nicht viel Zeit gehabt, über die Situation zu reden. Justin hatte nur gefordert, dass jemand auf alle Fälle in Eriks Nähe blieb.

„Ariane!“, hatte Vivien freudig vorgeschlagen.

„Wieso denn ich? Einer der Jungs wäre viel unauffälliger. Oder Serena.“

Ehe sie hatten weiterreden können, hatte Vitali ein Zischgeräusch von sich gegeben, das ihnen verdeutlichte, dass Erik sie jetzt hören konnte. Und so war die Aufgabe doch an ihr hängen geblieben.

Die Situation gefiel Ariane nicht, gefiel ihr ganz und gar nicht!

Die Gefahr, dass Erik erneut auf die Idee kam, sie wolle sich an ihn ranmachen, war ihr zu groß. Allein bei dem Gedanken schürzte sie empört die Lippen. 

Außerdem konnte sie sich des Gedankens nicht erwehren, dass Vivien ihr diese Aufgabe nur zugeschoben hatte, um dadurch den zuvor geäußerten Plan, Erik und sie sollten den Ausflug miteinander verbriingen, doch noch in die Tat umgesetzt zu sehen.

Aber das Schlimmste war, dass sie dadurch in ihrem Entdeckerdrang eingeschränkt war.

Resigniert ließ Ariane die Schultern hängen.

[…]

„Ihr könnt euch jetzt einfach mal umschauen.“, verkündete Frau Lange.

Ariane horchte auf und begann automatisch zu strahlen.

„Gehen wir nach oben!“, rief Vivien freudig aus.

Begeisterung trat auf Arianes Züge und schwand so schnell wie sie gekommen war. Unglücklich lugte sie zu Erik, schließlich musste sie in seiner Nähe bleiben. Und was, wenn er nicht nach oben wollte?

Erik bemerkte ihren Blick. „Was ist?“

Sein Argwohn sprang Ariane an wie eine Raubkatze. Sie musste sich schnell überlegen, wie sie das Ganze kaschierte.

„Dein Handy!“, stieß sie heftig aus, heftiger als sie es gewollt hatte.

„Ist es kaputt?“, setzte sie dann kleinlaut hinzu.

Nun wirkte Erik wieder etwas entspannter. Sie hatte also richtig reagiert!

„Wenn es so wäre, hättest du das schon zu spüren bekommen.“, sagte er mit vielsagendem Seitenblick.

Entsetzt starrte sie ihn an, was Erik wiederum zu einem amüsierten Schnauben bewegte.

Die anderen waren mittlerweile zur nächsthöheren Ebene gestiegen, Ariane sah ihnen sehnsüchtig hinterher.

„Warum gehst du nicht auch hoch?“, fragte er.

„Ich .. ich warte auf dich.“

Eriks linke Augenbraue hob sich misstrauisch. „Ich will aber nicht hoch.“

Ariane ärgerte sich einen Moment. Warum musste er auf einmal den Außenseiter geben?

Sie versuchte, möglichst natürlich zu klingen, was allerdings umso aufgesetzter wirkte: „Komm schon, sei kein Spielverderber!“

Herablassend beugte sich Erik zu ihr. „Ist es dir denn so wichtig, dass ich in deiner Nähe bin?“

Mühsam beherrscht schluckte sie den Kommentar hinunter, der ihr auf der Zunge lag. Normalerweise hätte sie ihn für diese Unterstellung einfach stehen gelassen. Aber das durfte sie jetzt nicht.

Dann wurde ihr angesichts Eriks herausfordernden Blickes klar, dass er sie absichtlich reizte. Er spielte mit ihr!

Allerdings hatte er sich da mit der Falschen eingelassen. Arianes Siegeswille ließ selbst ihren Stolz erblassen.

Selbstsicher reckte sie ihr Kinn. „Und wenn es so wäre?“, antwortete sie mit einem Augenaufschlag, der eindeutig nicht kokett war, sondern auf einen Schlagabtausch abzielte.

Sie machte sich auf seinen nächsten Angriff gefasst.

Mit einem geradezu amüsierten und zugleich kämpferischen Lächeln nahm Erik offenbar die Herausforderung an. Gemächlich lief er zu der Brüstung links von ihnen, wo bereits ein paar Mädchen aus ihrer Klasse die Aussicht bewunderten.

Erik lehnte sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Fanclub locker gegen die steinerne Brüstung und warf ihr ein diabolisches Grinsen zu.

Das war ein hinterhältiger Schwertstreich!

Dieser Kerl legte es doch tatsächlich darauf an, dass sie ihm wie ein Dackel folgte! Vor den Augen der Mädchen, die jeglichen Satz, den er ihr entlockte, aufschnappen und in aufgebauschter Weise weiterverbreiten würden bis schließlich die schlimmsten Gerüchte kursierten! Und dieses Monster wusste das ganz genau!

Oh nein! Kampflos würde sie nicht aufgeben! Sie würde diesen Angriff abschmettern.

Noch einen Moment stand sie reglos da, dann ging sie langsamen Schrittes auf Erik zu, der sie die ganze Zeit aus den Augenwinkeln beobachtet hatte. In lautem Ton, dass es jeder hören konnte, sagte sie:

„Also ich weiß auch nicht genau, was du Serena zum Geburtstag schenken könntest.“

Die Mädchen um sie herum horchten auf und Erik war positiv überrascht wie einfach Ariane die für sie peinliche Situation zu ihren Gunsten entschieden hatte.

Sie war nicht nur dem Eindruck entkommen, dass sie ihm hinterherlief, besser noch, sie hatte vorgegaukelt, dass er sie darum gebeten hatte, zu ihm zu kommen und hatte gleichzeitig plausibel gemacht, warum sie beide hier alleine standen und nicht bei ihrer üblichen Clique.

Und was gab es Alltäglicheres als eine Freundin der festen Freundin nach einer Idee für deren Geburtstagsgeschenk zu fragen?

Gut, aber nicht gut genug, dachte Erik, und führte den nächsten Hieb aus.

Wehmütig seufzte er auf. „Ich hatte nie solche Probleme, ein Geschenk zu finden, als wir beide noch zusammen waren.“

Die Ohren der Umherstehenden vergrößerten sich um das Drei- bis Vierfache, während ein unbändiges Verlangen, Erik den Todesstoß zu versetzen, durch Arianes Körper schoss.

„Liegt wahrscheinlich daran, dass wir nie zusammen waren.“, entgegnete sie mühsam beherrscht.

Auf subtile Weise abgewehrt.

Doch schon holte Erik zum nächsten Schlag aus.

Geschmeidig glitt er von der Brüstung weg und machte einen ganz entschiedenen Schritt zu weit auf Ariane zu. Sein Gesicht war von ihrem nur noch einen Atemzug entfernt.

„Aber das könnte sich ändern.“, hauchte er verführerisch, woraufhin die Mädchen um ihn herum sich nicht mehr zurückhalten konnten und nun ungeniert auf das Paar gafften.

Ariane spürte die neugierigen Blicke der Mädchen und hätte Erik nur zu gerne einen entschiedenen Tritt in die Leistengegend verpasst.

Angesichts des nahenden Zornesausbruchs, den Erik deutlich in ihren Augen lesen konnte, musste er grinsen, was sie noch mehr in Rage versetzte.

Das Spiel war noch nicht vorbei!

Sie parierte.

Ein hohes gekünsteltes Gekichere ausstoßend, krümmte sie ihren Körper wie vor Lachen, so dass Erik gezwungen war, einen Schritt zurückzuweichen, um nicht ihren blonden Schopf in den Magen gerammt zu bekommen.

„Jetzt verstehe ich, was Serena mit deinem Humor meinte!“, lachte Ariane und schüttelte heiter ihren Kopf.

Entwaffnet!

Damit hatte sie Erik die Möglichkeit genommen, sie durch weitere Annäherungsversuche in prekäre Situationen zu bringen. Mit einer erneuten Zudringlichkeit würde er sich vor allen anderen nur lächerlich machen. Es würde so aussehen, als liefe er ihr hinterher.

Erik stimmte in das künstliche Gelächter ein und neigte kurz den Kopf wie zu einer Verbeugung vor seinem Kontrahenten. Er beendete das Gefecht: „Gehen wir hoch.“

 

Endlich lief Ariane hinter Erik die Treppe mit den schmalen Stufen hinauf.

„Ich habe gewonnen.“, verkündete sie zufrieden.

Doch Erik vermieste ihr den Triumph. „Du hast es nötig, darauf herumzureiten? Ich könnte auch wieder umdrehen.“

„So haben wir aber nicht gewettet.“, beanstandete Ariane.

„Haben wir denn gewettet?“

„Haben wir nicht?“, entgegnete Ariane heiter.

Erik war auf dem Treppenpodest angekommen, von dem links und rechts Treppen in zwei Aussichtstürme führten. Geradeaus war ein breiter Platz, in dessen Mitte, ein weiterer großer viereckiger Turm, der so genannte Bergfried, stand.

Eriks Blick wurde ernst, drehte sich zu ihr um. „Was war es für eine Wunde?“

Ariane blieb das Wort im Halse stecken.

„Ich weiß nicht...“, antwortete sie wahrheitsgetreu. Dann fügte sie schleunigst hinzu: „…wovon du sprichst!“

„Na, die aus deinem Lieblingsbuch. Woher hatte der Schwarzhaarige die Wunde?“, entgegnete Erik jetzt wieder locker und lief geradeaus weiter, wo sich auch einige ihrer Klassenkameraden befanden.

Ariane folgte.

Wieso hatten die anderen sie auch mit ihm allein gelassen? Das war nicht fair!

„Hallo!“, rief eine Stimme von oben. Vivien und Vitali winkten ihnen von dem Bergfried aus zu.

Gott sei Dank! Ablenkung!

[…]

Erst im nächsten Moment wandte [Serena] sich Ariane und Erik zu.

„Ihr habt euch ja ziemlich Zeit gelassen!“

Erik antwortete nonchalant: „Ich wollte ein bisschen mit Ariane alleine sein. Nur für den Fall, dass du mit Vitali zusammenkommst, und ich einen Ersatz brauche.“

„Wie bitte?!“, stieß Ariane empört aus.

Serena schimpfte: „Nie im Leben komme ich mit diesem Obertrottel zusammen!“

Erik grinste amüsiert, als hielte er Serenas Aussage für Selbstbetrug. „Da bin ich ja beruhigt.“

Serena verschränkte die Arme vor der Brust. „Du bist doof.“, maunzte sie.

Er lächelte sie an. „Aber verdammt gutaussehend.“

Ariane zischte: „Aussehen ist nicht alles.“

Erik antwortete mit einer aufreizenden Bewegung seiner Augenbrauen. „Deshalb hast du ja auch noch Intelligenz und Schlagfertigkeit, nicht wahr?“

Von dieser Bemerkung irritiert, schwieg sie.

 

Kapitel 49 Sturm auf die Burg

Noch immer gab Erik erstickte und unterdrückte Klagelaute von sich.

Ariane, die das nicht tatenlos mit anhören konnte, rutschte näher an ihn heran und fuhr ihm beruhigend über die linke Wange.

„Erik, Erik, komm zu dir. Es ist alles gut. Alles ist gut.“

Wieder und wieder strich sie ihm über das Gesicht. Seine Augenlider flatterten.

[…]

„Erik. Erik.“

Erik konnte die Stimme in der Ferne hören, auch wenn er nicht wusste, von wem sie stammte. Er wollte aufwachen, war aber gleichzeitig noch gefangen in seiner Traumwelt, spürte schon halbwegs wieder seinen Körper und eine fremde Berührung und riss in einem verzweifelten Befreiungsversuch die Augen auf.

 

Ariane erschrak durch seine ruckartige Reaktion, aber vor allem durch die Angst, die in seinen Augen stand.

Er starrte sie an, ohne sie wirklich zu erkennen und schloss dann wieder die Augen. Sein Atem wurde ruhiger.

[…]

Erst im nächsten Augenblick registrierte Erik, was hier überhaupt vorging und im selben Moment nahm er auch wahr, dass die Hand, die er gespürt hatte, nicht seiner Einbildungskraft entsprungen war, sondern zu Ariane gehörte.

Der Blick, den Erik daraufhin auf sie richtete, war anders als alles, was sie bisher an ihm gesehen hatte und ließ eine unbekannte Hitze in ihr aufsteigen.

Es war kein richtiger Unglaube und auch keine bloße Überraschung. Dazu war der Blick zu zärtlich.

Ariane schluckte bei dem Gedanken und zog hastig ihre Hand weg, von der sie erst jetzt wieder gemerkt hatte, wo sie sich befand.

In einer ungeschickten Bewegung sprang sie auf.

[…]

Sein Blick wanderte zu Ariane, doch sie schenkte ihm keine Beachtung. Fast als wäre er für sie unbedeutend.

Das Gefühl seines Albtraums kam erneut in ihm hoch.

„Ich hoffe, du hast die Situation nicht ausgenutzt.“

Ariane riss den Kopf zu ihm herum. Vor Empörung war ihr die Kinnlade runtergeklappt.

Doch ehe sie etwas entgegnen konnte, hatte schon Vitali das Wort ergriffen:

„Ich hab sie gerade noch davon abgehalten, dich wachzuküssen!“

„Was?!“, entfuhr es Ariane, wobei ihre Stimme einen schrillen Klang bekam. „Das ist überhaupt nicht wahr! Glaub ihm kein Wort!“, kreischte sie.

Im gleichen Moment stockte sie.

Vitali lächelte vielsagend. Und Ariane begriff, dass sie sich diese Situation selbst eingebrockt hatte.

Kaum zu glauben, dass es ihm gelungen war, es ihr mit den gleichen Worten heimzuzahlen, die sie zwei Tage zuvor im Scherz zu Destiny gesagt hatte. Und sie hatte auch noch mit den gleichen Worten darauf reagiert wie er!

Okay, vielleicht hatte sie es verdient, aber diese Erkenntnis, machte die Situation nicht weniger unangenehm.

Sie wandte sich wieder Erik zu.

„Ich würde dich nicht mal küssen, wenn du wach bist!“

Erik grinste belustigt. „Wann dann?“

„Nie!“, schrie sie energisch.

Erik nutzte seine linke Hand als Stütze für sein Kinn.

„Ganz sicher?“ Bei seinen Worten ließ er wie beiläufig seinen Daumen über seine linke Wange streichen, wobei ein gefährliches Glitzern in seinen Augen erschien.

Angesichts der Anspielung auf ihre Berührung war Ariane unfähig darauf zu reagieren.

Ungeniert beugte sich Erik zu ihr vor und flüsterte ihr ins Ohr. „Eins zu eins.“

Lächelnd ließ er sie stehen und lief auf die Treppe zu. „Gehen wir.“

Die anderen vier hielten noch einen Moment inne und betrachteten Ariane, die mit aufgerissenen Augen dastand, ohne sie wahrzunehmen.

Dann blinzelte sie und drehte ihren Kopf in gespenstischer Langsamkeit zu Erik, woraufhin ein noch viel gespenstischeres Lächeln ihre Lippen umspielte – grimmig und zugleich begierig, es dem Angreifer heimzuzahlen.

Aber für den Bruchteil einer Sekunde meinten die vier, auch etwas Weiteres darin aufflackern zu sehen. Etwas wie abenteuerlustige Vorfreude.

Ha! Das Spiel hatte gerade erst begonnen!

 

Kapitel 54 Lernen

Währenddessen wollte Ariane Erik das Tablett aus der Hand nehmen, was dieser allerdings nicht zuließ.

Dass er ihre Hilfe nicht annehmen wollte, ärgerte sie. „Du bräuchtest dir wirklich nicht so viel Mühe geben. Wir hätten auch in der Schule lernen können. Und dort wären wir auch nicht bewirtet worden.“

„Und aus diesem Grund seid ihr ja hier und nicht in der Schule, nicht wahr?“, entgegnete er mit überheblicher Miene.

Empörung kam in Ariane auf. „Wenn du meinst, dass wir dich nur ausnutzen wollen, dann gehen wir besser gleich wieder.“

Erik blieb gelassen. Im nächsten Augenblick hatte er einen Schritt zur Seite gemacht, um an ihr vorbei zu gelangen, hielt dann aber nochmals in der Bewegung inne.

Unversehens beugte er sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr in düsterem Tonfall etwas ins Ohr.

„Vielleicht bin ich es ja, der die Situation ausnutzen will.“

Perplex drehte Ariane sich zu ihm und erkannte das gefährliche Glitzern in seinen Augen, begleitet von einem Lächeln, das sie nicht einzuordnen vermochte.

Dann war Erik auch schon an ihr vorbeigeschritten, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.

Ein Gedankensturm tobte in ihrem Kopf.

Was hatte er vor?!

[…]

Nach einer halben Stunde kam selbst Ariane bei einer Frage nach der Auswirkung auf das Eigenkapital-Konto ins Wanken. Sie wandte sich an Serena, doch diese war noch nicht bei der Aufgabenstellung angelangt.

„Wo ist das Problem?“, erkundigte sich Erik leise.

Ariane erschrak für einen Moment. Sie hatte doch nur kurz zu Serena hinübergesehen, ihren Kopf nicht einmal merklich in ihre Richtung gedreht.

Wie konnte Erik das bemerkt haben? Beobachtete er sie?

Oder war das wieder sein sechster Sinn? Und wenn ja, was konnte er damit noch ungefragt über sie erfahren?

Ohne auf seine Frage zu antworten, wandte sie sich schnellstens ab.

Eine Falte bildete sich zwischen Eriks Augenbrauen.

Was sollte das? Wieso behandelte diese Person ihn wie einen Aussätzigen? Schon die ganze Zeit schaute sie ihn nicht an und sprach kein Wort mit ihm.

Es reichte!

Erik erhob sich. „Wir holen noch Getränke. Ariane?“

Ariane starrte ihn fassungslos an.

Sein Blick war unmissverständlich.

„Das schaffst du doch alleine.“, sagte sie ausweichend.

Einer von Eriks stechendsten Blicken durchbohrte sie, sodass sie innerlich zusammenzuckte. Einige Sekunden lang waren Eriks Augen auf sie gerichtet, als wolle er sie allein durch Willenskraft dazu zwingen, seiner Aufforderung Folge zu leisten.

Dennoch oder vielmehr deswegen rührte Ariane sich nicht von der Stelle.

Schließlich lief Erik wortlos um sie herum, an den anderen vorbei. Ohne sich nochmals umzublicken, verließ er den Raum.

Einen Moment rang Ariane mit sich.

Was war schlimmer? Ihn so zu verärgern oder mit ihm alleine zu sein?

Beides war gleich schlimm!

Im gleichen Atemzug sprang sie von ihrem Platz auf und lief Erik hinterher. Sie öffnete die Tür und hatte eine leere Treppe vor sich.

Wo war er?

Irritiert schloss sie die Tür in ihrem Rücken, ohne den Blick von der Treppe zu nehmen.

„Du hast dir Zeit gelassen.“

Kurz schrak Ariane zusammen.

Hinter der Zimmertür war Erik sichtbar geworden, der dort an der Wand lehnte.

Augenblicklich glitt er weg von seinem Platz und schritt auf die Treppe zu, drehte sich dann aber nochmals zu ihr um.

„Kommst du?“

Wortlos folgte sie ihm in nötigem Sicherheitsabstand.

Als sie am Ende der Treppe angelangt waren und weitere Schritte in eine Richtung gemacht hatten, die sie nicht zuordnen konnte, sah Erik sie ernst an.

„Was soll das?“

Ariane antwortete nicht, schon allein weil sie keine Ahnung hatte, wovon er sprach.

„Wenn das eine neue Taktik von dir ist, dann hab ich’s jetzt verstanden.“

Sie wusste immer noch nicht, was er wollte.

Gereizt stieß Erik die Luft aus. „Wenn es dich glücklich macht: Du hast gewonnen! Zwei zu eins. Bist du jetzt zufrieden?“

Arianes Unverständnis nahm kein Ende, und mit ihr auch nicht Eriks Erregung.

„Ich finde es jetzt nicht mehr witzig, okay? Könntest du endlich aufhören, mich anzuschweigen! Das macht mich wahnsinnig!“

Wortlos stand Ariane da.

„Na fein!“, zischte Erik und ließ Ariane stehen.

„Warte!“, rief sie im gleichen Moment, woraufhin Erik sich zu ihr umdrehte und sie erwartungsvoll ansah.

Es brauchte einen Augenblick, ehe Ariane die ganze Situation begriffen hatte.

Vielleicht hatte sie Eriks Aussage vollkommen falsch interpretiert.

Ja! Er hatte damit nur auf ihr Spielchen hinausgewollt!

Das war es! Dafür wollte er die Situation ausnutzen!

Ein unwillkürliches freudiges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.

Er hatte also nichts Bösartiges vor!

Zumindest nichts Bösartigeres als sonst…

„Gefällt es dir so sehr, wenn ich eine Niederlage eingestehe?“, fragte Erik angesichts ihres Strahlens.

Nun erst bemerkte Ariane die Regung ihrer Gesichtsmuskeln. Schnell brachte sie diese wieder unter ihre Kontrolle und hatte im gleichen Moment ihre Selbstsicherheit gegenüber Erik wiedererlangt.

„Das sind die wenigen Momente, in denen du nicht so herablassend tust.“, antwortete sie keck und grinste.

Erik warf ihr einen strafenden Blick zu.

Die Erleichterung darüber, dass keine Gefahr von ihm ausging, motivierte sie. Spielerisch machte sie ein paar Schritte auf ihn zu. „Aber dass es dich stört, wenn ich dich anschweige, überrascht mich doch ein wenig.“

„Ich kann es nicht leiden, ignoriert zu werden.“, sagte er knapp.

„Und letztens hast du noch so getan, als sei es dir lieber, wenn alle Mädchen dich ignorieren würden.“, hielt sie ihm schmunzelnd vor.

„Es kommt drauf an.“

„Auf was? Das Mädchen?“, scherzte sie vergnügt.

In einer Mischung aus Gereiztheit und Arroganz antwortete Erik: „Auf die Person“ und wartete ihre Reaktion ab.

Ariane beugte sich verschwörerisch und ein wenig spöttisch zu ihm vor. „Das solltest du ihr vielleicht sagen.“

Erik tat es ihr gleich und näherte sich ihrem Gesicht. „Vielleicht weiß sie es schon.“

Ariane zog sich zurück. „Dann ist sie wohl nicht interessiert.“

Eriks Gesichtszüge blieben kalt. „Vielleicht spielt sie nur gerne.“

„Ich dachte nicht, dass du jemand bist, der mit sich spielen lässt.“, neckte sie ihn.

„Kommt auf das Spiel an.“

Der Wunsch ihn aus der Reserve zu locken, stachelte sie dazu an, ihn weiter zu provozieren. „Keine Angst zu verlieren?“

„Ich verliere nicht.“, verkündete er überzeugt.

„Wer nicht verlieren will, sollte nicht anfangen zu spielen.“, warnte sie.

„Wer glaubt zu verlieren, fängt nicht an zu spielen.“, konterte Erik und zeigte nun den Ansatz eines Lächelns.

Ariane wich angesichts dessen ein wenig zurück. „Glücksspiel kann süchtig machen.“

Die Erheiterung war seiner Stimme nun anzuhören. „Sprichst du aus Erfahrung?“

Nun machte sie einen klaren Schritt von ihm weg. „Ich halte mich von so etwas fern.“

Erik antwortete mit überlegenem Lächeln. „Also hast du Angst zu verlieren.“

„Ganz sicher nicht!“, brauste sie auf.

Im gleichen Moment hatte er einen entschiedenen Schritt auf sie zu gemacht. Seine Stimme offenbarte eine bedrohliche Tiefe. „Worauf wartest du dann noch?“

Sein durchdringender Blick und seine abrupte Nähe brachten sie zum Stocken. Wie aus einem Schutzreflex heraus zog sie die Schultern an.

Ein breites, belustigtes Grinsen nahm Eriks Züge ein.

„Haha.“, knurrte sie und wich zur Seite aus. „Zwei zu zwei.“

Er nahm wieder den nötigen Mindestabstand zu ihr ein.

„Lass mal. Den schenk ich dir.“, meinte er gönnerhaft. Anschließend wollte er wieder zur Treppe zurücklaufen.

„Wolltest du nicht Getränke holen?“, wandte Ariane verwundert ein.

„Wenn du meinst.“, entgegnete er und lief an ihr vorbei in Richtung Küche.

„Was soll das heißen: ‚Wenn du meinst?“, verlangte Ariane zu wissen und eilte ihm hinterher.

„Das war nur ein Vorwand, um mit dir allein zu sein.“, klärte Erik sie ungeniert auf.

Darauf konnte Ariane nichts erwidern.

Für Momente sprachlos folgte sie ihm.

 

Kapitel 55 Donner

Ein Knall zerfetzte die Stille, und ehe die anderen überhaupt registriert hatten, was geschehen war, war Ariane schon aufgesprungen und zur Tür gerannt.

Mit einem entschiedenen Ruck riss sie die Türe auf und begann inbrünstig zu sprechen, oder vielmehr zu schreien, bevor Erik und sein Vater sie überhaupt wahrgenommen hatten.

„Wie können Sie es wagen! Ihren eigenen Sohn zu schlagen! Sie sind absolut verabscheuungswürdig! Das einzig Gute, das Sie je zustande gebracht haben, ist ihr Sohn! Und Sie können gottfroh sein, dass Erik so überhaupt nichts von Ihnen hat!“

Entsetzen machte sich unter den Anwesenden breit, selbst Erik hatte in Schock die Augen aufgerissen.

Herr Donners Augen indes wurden zu zwei Schlitzen. Und die Angst, dass er nun auch Ariane ohrfeigen oder ihr gar Schlimmeres antun würde – nach allem, was sie ihm soeben an den Kopf geworfen hatte – wurde in ihnen wach.

Nur Ariane zeigte keine Spur von Furcht.

Erik, der als einziger ihr Gesicht sehen konnte, las darin Entschlossenheit und höchste Verachtung für seinen Vater, den sie immer noch mit Blicken durchbohrte.

In beherrschter Lautstärke wandte Herr Donner das Wort an sie. „Du wirst sofort mein Haus verlassen. Und es nie wieder betreten.“

Ariane reagierte mit unglaublicher Selbstsicherheit. Sie warf diesem Mann, dessen bloße Anwesenheit einer Züchtigung gleichkam, einen herablassenden Blick zu. „Ich hatte auch nicht die Absicht, länger als nötig in solch übler Gesellschaft zu verweilen. Sie entschuldigen mich, ich hole meine Sachen.“

Erhobenen Hauptes drehte sie sich um.

Elegant schritt sie zurück in das Zimmer, an ihren erstarrten Freunden vorbei, und räumte mit flinken Bewegungen ihre Habseligkeiten zusammen. Anschließend ging sie wieder zur Tür und warf Herrn Donner einen erhabenen, geradezu königlichen Blick zu. Dann umging sie ihn gekonnt und lief die große Treppe hinunter.

 

[…]

„Bist du in Ordnung?“, fragte Justin vorsichtig.

„Ja.“, sagte Ariane und lächelte schwach. „Gehen wir nach Hause.“ Sie wandte sich um.

„Wollen wir nicht auf Erik warten?“, wandte Vivien ein.

„Er kann nichts dafür.“, stimmte Serena zu.

Ariane sah es nicht als nötig an, sich nochmals zu ihnen umzudrehen.

„Ich bezweifle, dass er kommt.“ Mit diesen Worten setzte sie ihren Weg fort, während die anderen sich fragende Blicke zuwarfen.

Im gleichen Augenblick hörten sie eine Haustür mit voller Wucht zuschlagen und eine Person kam an ihnen vorbeigerannt.

Erik stoppte, bevor er Ariane erreicht hatte. Er wirkte angespannt, als sei er kurz davor, laut loszuschreien.

Von dem Geräusch ebenfalls aufgeschreckt, blieb Ariane abrupt stehen und drehte sich mit unsicherem Gesichtsausdruck zu Erik um, der sie wortlos fixierte.

Es herrschte kurzes Schweigen, in dem sie einander einfach nur ansahen.

 

Erik ballte die Hände zu Fäusten. Er war so wütend!

So verdammt wütend auf sich selbst!

Wie hatte er es zulassen können, dass sein Vater so mit ihr umsprang?

Wieso hatte er nicht eingegriffen? Wieso war er so ein verdammter Feigling!

Erfolglos suchte er nach Worten.

Für sein Verhalten gab es keine Entschuldigung. Und Arianes Reaktion machte ihm das überaus deutlich: Sie wandte ihren Blick ab.

Was sonst…

Sie musste ihn genauso sehr verachten wie seinen Vater. Wenn nicht noch mehr.

„Es tut mir leid.“

Erik stockte. „Was..?“

Ariane sah ihn weiterhin nicht an. „Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich etwas gesagt habe. Dass ich ihn beleidigt habe, hat ihn nur darin bestätigt, dass du dich mit schlechten Leuten abgibst. Das macht es nur noch schwerer für dich.“

Erik war verwirrt. „Was redest du denn da?“, rief er erregt.

Ariane blickte auf. „So habe ich dir überhaupt nicht geholfen!“

Ihr Kommentar machte Erik für einen weiteren Moment sprachlos.

Was sollte das?

Er war derjenige, der sich mies fühlen musste, nicht sie!

Sie hätte wütend auf ihn sein müssen! Sie hätte ihn beschimpfen müssen! Ihm Vorhaltungen machen, ihn seinetwegen auch ohrfeigen! Alles! Nur nicht sich Selbstvorwürfe machen!

Plötzlich begehrte Ariane lautstark auf. In ihren Augen glitzerten Tränen der Wut und der Empörung. „Ich war nur so verdammt wütend, dass er dich so behandelt hat! Ich konnte mich nicht zurückhalten!“

Erik erstarrte. Etwas schnürte ihm augenblicklich die Luft ab und drückte sein Herz zusammen, auf eine Weise, die weniger schmerzhaft als viel mehr verstörend war. Und etwas sagte ihm, dass diese Reaktion auf Ariane zurückzuführen war, wie widersinnig der Gedanke für ihn auch sein mochte.

 

[…]

„Du brauchst ziemlich lange.“, kommentierte Erik überheblich.

Verstimmt schürzte Ariane die Lippen. „Was hat Serena denn gegen Vitali? Er hat ihr doch gar nichts getan! Er ist immer nett!“

Wie beiläufig meinte Erik. „Er hat’s ihr angetan.“

Schockierung trat in Arianes Gesicht. „Was hat er ihr angetan?“

Unglaube sprach aus Eriks Zügen, dann schüttelte er mitleidig den Kopf.

Mehr getroffen als wütend fuhr Ariane ihn an. „Warum hat sie dir etwas erzählt, das sie mir nicht erzählt hat?“

Der Gedanke, dass Serena Erik mehr vertraute als ihr, traf sie schwer.

Erik sah sie in einer Mischung aus Be- und Verwunderung an.

Ariane wartete auf seine Antwort, aber Erik fuhr nur darin fort, so seltsam zu schauen.

Ariane biss sich auf die Unterlippe. „Du willst es mir also nicht sagen.“, schlussfolgerte sie beleidigt.

Im gleichen Moment hörte sie ihn leise in sich hineinlachen. Empört gaffte sie ihn an.

Erik hatte sein Gesicht mit der Linken beschirmt, doch sein breites amüsiert-mitleidiges Grinsen war deutlich zu sehen.

Er lugte kurz zu ihr hinüber, sah ihren angesäuerten Gesichtsausdruck und konnte das Lachen kaum noch zurückhalten.

Seine Redewendung war doch nun wirklich nicht schwer zu verstehen gewesen, aber sie …! Dass ausgerechnet sie, die alles andere als auf den Kopf gefallen war, diesen schlichten Humor nicht begriff, war einfach urkomisch!

Arianes Laune sank auf den Tiefpunkt. Eriks Verhalten ließ für sie nur einen Schluss zu: Er hatte sich die ganze Zeit bloß über sie lustig gemacht, von seinem ersten Kommentar an.

Wütend wandte sie sich ab und ließ ihn stehen. Sie würde kein einziges Wort mehr an ihn verschwenden! Jawohl!

Ohne Probleme holte Erik sie wieder ein und lief neben ihr her.

Arianes Ärger störte ihn nicht. Dadurch dass sie die Augen starr nach vorne gerichtet hatte – offensichtlich um ihn keines weiteren Blickes zu würdigen – erschloss sich ihm die Möglichkeit, sie ungeniert zu betrachten:

Einige Zeit sah er eisige Kälte ihre feinen Gesichtszüge beherrschen, dann nach und nach, Meter um Meter, mischte sich Unzufriedenheit hinein, als sei sie kurz davor, sich zu etwas verleiten zu lassen, das ihr widerstrebte.

Vermutlich hatte sie bemerkt, dass er sie die ganze Zeit angaffte, weshalb ein Teil von ihr ihn zusammenstauchen wollte, während ihr Stolz sie dazu mahnte, ihn zu ignorieren.

Mittlerweile waren sie nicht mehr weit von ihrem Zuhause entfernt.

Als sie eine weitere Strecke hinter sich gebracht hatten, obsiegte ein anderer Gesichtsausdruck, der Erik verwirrte.

Im gleichen Moment stoppte Ariane. Ihre Stimme klang verstörend sanft.

„Willst du wirklich … nach Hause?“

Mit einem Schlag zerriss ihre Frage die unbeschwerte Stimmung, in die er sich geflüchtet hatte.

Zaghaft und mit Sorge in den Augen sah Ariane auf. „Du … kannst auch noch mit zu mir. … Wenn du magst.“

Erik stockte. Von ihrem unerwarteten Angebot überrumpelt, brauchte er eine Millisekunde, um seine Gefühlsregung zu kaschieren.

Sein selbstgefälliges Grinsen kam einmal mehr zum Einsatz. „So ein Angebot von dir und das beim ersten Date, das hätte ich nicht erwartet.“

Ariane wütend zu machen, war die beste Möglichkeit, sie davon abzuhalten, ihm weitere solcher Fragen zu stellen.

Allerdings funktionierte seine Taktik dieses Mal nicht.

„Erik, ich meine es wirklich ernst.“ Sie durchbohrte ihn mit einem durchdringenden Blick.

Höhnisch lachte er auf. „Dass du dir solche Gedanken um mich machst!“ Er zog die linke Augenbraue in die Höhe. „Soll ich mir darauf etwas einbilden?“

„Hör auf.“, befahl Ariane. „Glaubst du, du kannst mich mit deinen dummen Sprüchen darüber hinwegtäuschen, wie verunsichert du bist?“

Unglaube zeichnete sich jäh auf seinem Gesicht ab.

Wie konnte sie sehen, dass alles nur aufgesetzt war…?

Unsinn!

„Gibt es einen Grund, verunsichert zu sein?“

„Wenn du nicht mit mir darüber reden willst, dann sag es einfach! Ich habe keine Lust auf deine Spielchen.“ Sie wandte sich ab und beschleunigte ihren Lauf.

Grimmig tat Erik es ihr gleich. „Was für Spielchen?!“

Ariane blieb abrupt stehen. „Für wie dumm hältst du mich?“, blaffte sie ihn an. „Du versuchst, aus allem einen Scherz zu machen, um nichts dazu sagen zu müssen! Du willst mich absichtlich wütend machen, damit ich keine Fragen mehr stelle! Das ist unfair!“

Erik war ehrlich sprachlos. Zum einen, weil Ariane so mir nichts dir nichts die Absicht hinter seinen Äußerungen erkannt hatte, und zum anderen, weil sie dieses Verhalten als ‚unfair bezeichnete.

Unverhofft wurden Arianes Gesichtszüge wieder weich und ihr Blick glitt zu Boden. Ihre Stimme schrumpfte zu einem Flüstern zusammen.

„Entschuldige. Es ist natürlich lächerlich zu erwarten, dass du gerade mir dein Herz ausschüttest, wo ich doch weiß, dass du mir nicht vertraust.“

Wie sie von einem Moment auf den anderen umschalten konnte! War das eine Taktik, um ihn irrezuführen?

Er sog scharf die Luft ein. „Glaubst du, ich bin der Typ, der sich widerstandslos verschlagen lässt?“ Sein Tonfall wurde sachter. „Es war das erste Mal… Vorher ist noch nie so etwas passiert.“

Vorsichtig sah Ariane auf, während Eriks Blick in die Ferne schweifte.

Komisch, dass er die Ohrfeige nicht einmal als schmerzhaft empfunden hatte. Es hatte sogar etwas wie süßer Triumph darin gelegen, so krank sich das auch anhören mochte.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich von seinem Vater nicht einfach übergangen gefühlt wie ein Einrichtungsgegenstand.

Ariane erkannte, dass er den Gedankengang unausgesprochen fortgesetzt hatte, wagte aber nicht, weiter nachzufragen.

Erik wandte sich wieder an sie und zeigte seine übliche selbstsichere Mimik.

„Kein Grund zur Sorge, das passiert nicht noch einmal. Außerdem weiß ich mich zu wehren. Entgegen Vitalis Behauptung sind meine Muskeln nicht nur aufgepumpt.“

„Darum geht es mir nicht.“, sagte Ariane leise. „Es gibt nicht nur körperliche Verletzungen.“

Ohne Eriks Reaktion auf ihre Worte abzuwarten, setzte sie ihren Weg fort.

Nach einer Schrecksekunde folgte er ihr.

Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, bis sie vor Arianes Haus angekommen waren.

„Erik.“, begann Ariane. „Wenn irgendetwas ist“ Sie stockte. „Ich weiß, das hört sich sicher dumm für dich an, aber…“ Mit Scheu in den Augen sah sie zu ihm auf. „Ich bin immer für dich da.“

Eriks Miene entglitt seiner Kontrolle.

Abgesehen von dem einen kurzen Moment nach seiner Ohnmacht, war es das erste Mal überhaupt, dass Ariane seine selbstsichere Maske zersplittern sah.

Und das bewegte sie zu einer unbedachten Handlungsweise.

Ehe sie darüber nachgedacht hatte, hatte sie einen Schritt auf Erik zu gemacht und ihre Arme um ihn gelegt. Die Umarmung dauerte nicht länger als eine Sekunde.

Eine Sekunde zu viel…

Augenblicklich schreckte sie zurück und verfluchte sich selbst.

Was war bloß in sie gefahren? Sie wusste doch, wie er am ersten Schultag darauf reagiert hatte. Er würde sie wieder verurteilen und ihr vorwerfen, sich an ihn ranmachen zu wollen!

Eriks Gesichtsausdruck indes machte nicht den Anschein, dass er auch nur jeglichen Gedanken an die Situation verschwendete.

Mit regungsloser Miene und leicht zusammengezogenen Augenbrauen stand er da. Doch dahinter spielte sich etwas anderes ab.

Da war es wieder! Diese schreckliche Unsicherheit, die ihn seit vorhin unerwartet zu quälen begann, anders als das, was er unter Kontrolle zu halten gelernt hatte. Wie eine bisher unbekannte Bedrohung.

Er war Erik Donner! Er zeigte keine Schwäche!

Längst nicht mehr…

Doch hiermit wusste er nicht umzugehen.

Er biss die Zähne zusammen.

Dann war es jetzt Zeit, es zu lernen.

In seiner Bedrängnis klammerte er sich an den einen Satz, nach dem er sich immer richtete: ‚Angriff ist die beste Verteidigung!‘

Im gleichen Moment ergriff er Arianes Schultern.

Eindeutig verwirrt durch Eriks seltsame Anwandlung, starrte Ariane ihn an, konnte seinem Blick jedoch nicht entnehmen, was in ihm vorging.

Sein Mienenspiel war ernst, aber gleichzeitig glaubte sie, Besorgnis darin zu erkennen.

Im nächsten Moment jedoch schwand jeder Zweifel und Eriks entschlossener Ausdruck, Secrets entschlossener Ausdruck, erschien auf seinen Zügen.

Für einen Atemzug war Ariane von dem Anblick wie gelähmt.

Diesen Moment nutzte Erik, um sein Gesicht dem ihren zu nähern.

Mit ungeheurer Heftigkeit stieß Ariane ihn von sich. „Das ist nicht witzig!“ Sie begann zu schreien. „Ich hatte es wirklich ernst gemeint! Warum musst du dich immer über alles lustig machen!“

Sie war kurz davor, vor lauter Zorn und verletztem Stolz loszuweinen.

Ihre Erregung hinderte sie daran, Eriks Mimik zu lesen, denn die hätte ihr mit Leichtigkeit zu verstehen gegeben, dass er so gar nicht vorgehabt hatte, sie aufzuziehen.

Erik stand wie angewurzelt da. Vollkommen durch den Wind.

Die ganze Situation war einen Augenblick lang zu viel für ihn.

Erst im nächsten Moment hatte er die Eindrücke verarbeitet, doch da war Ariane schon zur Haustür geflüchtet und hatte aufgeschlossen.

Verbittert und verletzt zugleich huschte Ariane ins Haus, zwanghaft den Blick von der Stelle abgewandt, an der Erik stand.

Dieser … Mistkerl!

Sie hatte es nur gut gemeint! Und er hatte nichts Besseres im Sinn, als sich auf so erniedrigende Art und Weise über ihr Verhalten lustig zu machen!

Oh wie sie ihn verabscheute!

Gerade wollte sie die Tür zuschlagen und abschließen, als etwas diesen Versuch vereitelte.

Ariane sah verdutzt auf und stand Auge in Auge mit Erik, der die Tür gerade noch mit den Händen abgefangen hatte.

„Verschwinde!“, schrie sie und versuchte die Tür zuzudrücken, doch Erik stemmte sich dagegen. „Lass los!“

„Nein.“, entgegnete Erik überzeugt.

Ariane drückte fester. „Ich will dich nicht mehr sehen!“

Erik war allerdings weitaus stärker. „Dann kannst du mir doch wenigstens zuhören.“

Ariane gab nicht auf. „Ich will aber nicht!“

„Danke!“

Perplex hielt Ariane inne.

Dann neigte sie ihren Oberkörper zur Seite, um Erik nun doch wieder in Augenschein zu nehmen.

Was sie da sah, erinnerte sie allerdings nicht wirklich an Erik.

War es tatsächlich Verlegenheit, die er ihr zeigte?

Erik wollte etwas sagen, brach nochmals kurz ab und sprach dann aus, was er ihr noch schuldig war.

„Für das, was du heute gesagt hast. Und getan hast. Danke!“

Arianes forschender Blick verhinderte jedes weitere Wort seinerseits.

Er ließ die Tür los und machte einen Schritt zurück, darauf vorbereitet, die Tür nun vor der Nase zugeschlagen zu bekommen.

Dem war aber nicht so.

Unverhofft schwenkte die Tür weiter auf und Ariane betrachtete ihn sprachlos.

Dann, von einer Sekunde auf die andere, erschien ein zärtliches Lächeln auf ihren Lippen. „Wozu hat man Freunde?“

Erik glaubte, sein Herzschlag setze für einen Moment aus.

Ob aus Freude oder Verzweiflung konnte er nicht sagen. Nur dass er sich wünschte, hier stehen bleiben zu können und Ariane anzusehen, ohne auch nur einen Ton sagen zu müssen.

„Willst du jetzt noch hereinkommen oder nicht?“, fragte Ariane plötzlich wieder in dem verspielt fröhlichen Tonfall, der für ihre Unterhaltungen schon typisch geworden war.

Doch Erik machte jäh einen Rückzieher. „Schon okay. Ich will nicht stören.“

Ariane lachte hell auf. „Aber du störst doch nicht!“

Er schluckte und schüttelte den Kopf. „Trotzdem nicht.“

Der Wunsch, noch etwas in Arianes Nähe zu sein, kämpfte mit der Gewissheit, dass er in der Folge mehr von sich selbst offenbaren würde als er wollte.

Er durfte sich keine Blöße geben. Niemals.

Er machte einen weiteren Schritt zurück. Diesen Schritt machte Ariane allerdings vorwärts.

„Bist du sicher?“ Ihre großen blauen Augen und ihr nur leicht geschlossener roter Mund wirkten einladend.

Erik konnte es nicht fassen!

Erst hatte sie seinen Kuss abgewiesen und nun schien sie ihn regelrecht verführen zu wollen! War das eine der berüchtigten Waffen einer Frau?!

Andererseits:

War er denn wirklich davon ausgegangen, dass sich Ariane so leicht von ihm küssen lassen würde? – Er hatte nie darüber nachgedacht!

Er konnte nicht einmal sagen, ob er gerade eben wirklich vorgehabt hatte, es zu versuchen. Allein aus der Zwangslage heraus war es dazu gekommen.

Mit einem Mal war seine Überzeugung, jeder Situation gewachsen zu sein, zerstört, und das Ich, das er so gewissenhaft vor Angriffen hatte zu schützen gelernt, lag blank.

Darauf musste er sich erst einstimmen, musste geeignete Schutzmaßnahmen treffen gegen das, was in ihm vorging.

Plötzlich hatten seine Beine aus eigenem Antrieb einen Schritt nach vorne gemacht.

Das war wohl eine ‚Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach‘–Sache.

Ariane, die diesen Zug wohl als Annahme ihrer Einladung deutete, lächelte über das ganze Gesicht. Und obwohl Erik dieses Lächeln am liebsten noch ewig angestarrt hätte, kam es ihm gleichzeitig wie das heimtückische Grinsen einer dicken, fetten Spinne vor, deren Beute gerade in ihr Netz gegangen war.

„Ganz sicher!“, sagte er mit fester Stimme.

Dann drehte er sich ohne Weiteres um und ließ die verwirrte Ariane stehen.

 

 

Kapitel 56 Betreten verboten!

Bevor Vitali jedoch etwas sagen konnte, rief Ariane freudig aus:

„Du willst mit uns mitgehen?“

Dass sie so begeistert darüber sein würde, hatte Erik nun wirklich nicht erwartet.

Aber von jetzt an würde er auf alles vorbereitet sein!

„Nein.“, sagte er überheblich. „Ich will nur mit Serena mitgehen. Mit dir hat das nichts zu tun.“

Arianes Freude schlug in Empörung um. „Worauf wartest du denn dann noch?“, zischte sie.

Erik sah daraufhin auf Serena. „Ja, worauf warten wir eigentlich noch?“

Genervt rollte Serena mit den Augen. „Wenn ihr beide euch streiten wollt, lasst mich da raus.“

 

[…]

Der Heimweg zog sich hin und als sich Serena schließlich verabschiedet hatte, kam endlich Arianes Gelegenheit.

„Erik, was ich dich noch fragen wollte.“, begann sie und bemühte sich, ihre Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.. „Du und dein Vater… Habt ihr eigentlich gemeinsame Interessen? Ich meine, was macht dein Vater denn so in seiner Freizeit?“

Nicht dass sie davon ausging, dass Erik etwas antwortete wie: ‚Er erschafft Schatthen und versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen.‘

Eriks Gesicht verzog sich in Unglauben. „Was?“

Ariane versuchte sich an einem unschuldigen Lächeln. „Hat dein Vater irgendwelche Hobbys?“

„Wie kommst du jetzt darauf?“ Skepsis legte sich auf seine Züge.

„Es interessiert mich einfach.“, entgegnete Ariane, noch immer lächelnd.

„Und wieso?“

Langsam aber sicher wurde Ariane das künstliche Lächeln anstrengend. „Einfach so eben!“

Noch einen Moment sprach kompletter Zweifel aus Eriks Miene, dann wurde daraus Unwille. „Wenn du dir irgendwelche Pläne ausdenken willst, damit ich mich mit meinem Vater besser verstehe, vergiss es sofort wieder!“

Die Lässigkeit war aus seiner Stimme gewichen, doch Ariane registrierte es nicht. Zu überrascht war sie über seinen Einfall.

Seine Idee war ein gutes Alibi für ihre Befragung! Daher griff sie den Gedanken kurzerhand auf.

„Man könnte es doch versuchen! Wenn du dich etwas anstrengst, dann –“ Mitten im Satz brach sie ab.

Eriks mörderischer Blick schnürte ihr die Luft ab. Purer Zorn sprach augenblicklich aus seiner gesamten Erscheinung.

„Halt dich da raus!“, stieß er scharf aus. Es war eine unmissverständliche Drohung.

Schockiert und eingeschüchtert wurden Arianes Schritte langsamer.

Wie hätte sie auch verstehen können, was ihr Kommentar aus den Tiefen seiner Seele schlagartig ans Tageslicht zerrte.

Ohne auf ihre Reaktion zu achten, lief Erik mit unvermindertem Tempo weiter – sein Gesicht eine Maske des Zorns.

Ariane verspürte eine Mischung aus Entrüstung und Unruhe. Empört und verängstigt durch Eriks plötzliche Aggressivität biss sie die Zähne zusammen und ballte die Hände zu Fäusten.

Mit großen Schritten holte sie ihn wieder ein. „Glaubst du, es wird besser, wenn du deine Probleme verdrängst?“

Überreizt stoppte Erik in der Bewegung, drehte sich abrupt zu ihr um und hielt ihr warnend die Hand entgegen. Ein gefährliches Funkeln trat in seine Augen. „Das geht dich überhaupt nichts an!“

Aufgebracht schlug Ariane seine Hand beiseite. „Benimm dich nicht wie ein Kind!“

Das hätte sie nicht tun sollen…

Eriks Reaktion war beängstigend. Sein Hass fiel Ariane an und versuchte ihr Innerstes zu zermalmen. Von Eriks Stimme war nur noch ein tobsüchtiges Knurren geblieben. Langsam und bedrohlich spie er die Worte aus:

„Wag es nicht, mich noch einmal so zu nennen.“

Seine Raserei weckte umso mehr Widerstand in Ariane. „Warum? Weil du die Wahrheit nicht ertragen kannst?“

Ein Augenzwinkern lang starrte Ariane in Eriks wutverzerrtes Gesicht und obwohl ihr Gesichtsausdruck nicht an Unbeugsamkeit verlor, zitterte sie innerlich vor Angst, dass Erik seine Wut nicht unter Kontrolle halten und sie sich in roher Brutalität entladen würde. Brutalität, die sich gegen sie richtete. Und wie nah sie damit an der Wahrheit lag.

Nur mit größter Mühe gelang es Erik, sich abzuwenden. Tonlos, die Zähne fest zusammengebissen, und den Blick starr nach vorne gerichtet, entfernte er sich mit festen Schritten von ihr. 

„Erik!“, schrie sie ihm hinterher, doch er reagierte nicht.

Ariane konnte nicht mehr zurück. Ein innerer Drang hielt sie davon ab, die Sache einfach auf sich bewenden zu lassen.

Obwohl sie nicht wusste, was geschehen würde, wenn sie nicht endlich stoppte, konnte und wollte sie hier nicht abbrechen. Sie rannte Erik hinterher und packte ihn entschlossen am Arm.

Mit einer harschen, brutalen Bewegung riss sich Erik los.

„Fass mich nicht an!!!“ Seine Stimme war so erschütternd und gewaltbereit, dass Ariane vor Entsetzen fast schwarz vor Augen wurde.

Im gleichen Moment kreischte sie schrill auf. „Hör auf!“

Ihre Züge konnten ihre Gefühlsregung nicht länger vertuschen. „Siehst du denn nicht, was du tust? Du wirst genau wie dein Vater!“

Schlagartig erstarrte Erik. Der Zorn in seinem Gesicht wandelte sich jäh zu einer Art Ohnmacht.

Durch ihre brennenden Tränen hindurch sah Ariane, wie sein Blick zu Boden glitt.

Halb erstickt hauchte sie. „Es … tut mir leid.“

Alles war zu viel. Eriks Wandel zu einem komplett Fremden, jemandem, von dem sie sich bedroht fühlte, der ihr Angst machte! Mit wirrem Kopf wich sie vor ihm zurück. Wie vor einer wilden Bestie.

Etwas packte sie am Handgelenk!

Ariane stieß einen heiseren Schreckenslaut aus. Eriks erbarmungsloser Griff hielt sie fest, ohne dass er dabei aufblickte.

Panisch sog Ariane Luft in ihre Lungen, aber auch das half nichts. Sie hatte erdrückende Angst! Und konnte das Schluchzen nicht länger zurückhalten.

Im gleichen Atemzug ließ Erik von ihr ab. Sie sah, dass seine Hand leicht zitterte. Noch immer starrte er zu Boden.

Eine Sekunde wollte Ariane weglaufen. Ganz weit weg. Weg von Erik. Aber gleichzeitig konnte sie es nicht.

Sie hatte furchtbare Angst, in seiner unmittelbaren Nähe zu sein, und doch …

Ariane hörte Erik nach Atem ringen. Er schluckte hart. Und so groß und durchtrainiert er war, und so große Angst er ihr machte, in diesem Augenblick bildete sie sich ein, etwas ganz anderes in ihm zu sehen: ein kleines verschüchtertes Kind, einsam und verlassen, unfähig sich zu regen.

Vielleicht war es Mutterinstinkt, vielleicht Beschützer-Instinkt, Atem holend kratzte Ariane allen ihr verbliebenen Mut zusammen, dann streckte sie zaghaft ihre Hand aus.

Noch einmal stockte sie in der Bewegung, kam Furcht in ihr hoch, ehe sie vorsichtig Eriks Hand berührte.

Als hätte sie ihm einen schmerzhaften Hieb versetzt, schnellte Eriks Kopf zu ihr, sodass sie fast vor Schreck ihre Hand wieder zurückgezogen hätte. Sie sah in seine Augen und erkannte darin mindestens genauso viel Furcht wie sie selbst hatte.

Erik blinzelte und schlug die Augen nieder, woraufhin sie seine Hand nun vollends ergriff. Ganz fest.

Für Augenblicke drückte sie seine Hand.

Schwach kam ein Flüstern aus seinem Mund. „Warum tust du das?“

Kurz suchte Ariane nach Worten. Nein, sie suchte nach einer Antwort!

„Ich weiß nicht.“, gestand sie.

Wieder herrschte Schweigen.

Langsam blickte Erik auf, blickte sie an, und die Qual, die Ariane in seinen Zügen las, raubte ihr den Atem.

Sie konnte nicht anders. Sie trat einen Schritt weiter auf ihn zu, überwand die Distanz zwischen ihnen, ohne zu wissen, was jetzt zu tun war.

Darüber brauchte sie sich auch nicht länger Gedanken machen.

Noch ehe sie wusste, wie ihr geschah, fand sie sich in Eriks Armen wieder.

Er drückte sie so fest an sich wie es nur ging ohne schmerzhaft zu sein. Mit der rechten Hand hielt er ihren Kopf fest, mit der anderen ihren Oberkörper. An ihrer linken Wange fühlte sie sein glühendes Gesicht, das er fiebrig an ihres presste. Und ob es ihr unbändiges Herzklopfen war oder seines, konnte sie nicht mehr sagen.

Das heftige Rauschen ihres Blutes, der Geruch seiner Haut und seine hilfeflehende, innige Umarmung ließen alles zu einem seltsamen Mischmasch verschmelzen, so dass sie nicht länger sicher war, ob sie wachte oder träumte.

Sie wusste auch nicht, wie lange dieser Zustand andauerte, wie lange sie seine Körperwärme spürte, wie lange das unbekannte Schwindelgefühl in ihrem Kopf und ihrem ganzen Körper anhielt. Es konnten mehrere Minuten gewesen sein, aber genauso gut ein Augenzwinkern.

Sie wusste nur, dass sie die Augen geschlossen und nicht länger darüber nachgedacht hatte; bloß noch Eriks schwächer werdendes Zittern, seinen anfangs hektischen Atem und schließlich seinen wieder ruhiger werdenden Herzschlag in sich aufgesogen hatte, während das heiße, bebende Pochen in ihren Adern ihr schwummrig werden ließ.

Zu einem ungewissen Zeitpunkt hatte sich Eriks Griff gelockert und nach und nach waren sie voneinander weg getorkelt, stumm und wirr.

Für Momente standen sie sich wortlos gegenüber, ohne einander anzusehen.

„Sprich ... es nie wieder an.“, sagte Erik schleppend und heiser.

Reflexartig nickte Ariane.

Weitere Sekunden verstrichen, dann machte Erik einen Ausfallschritt und lief an ihr vorbei. „Lass uns gehen.“

Perplex starrte Ariane ihm nach und brauchte noch einen Moment, bevor sie ihm zaghaft folgte – immer in wenigen Schritten Abstand.

Minutenlang fiel kein einziges Wort. Keiner sah den anderen an. Nur ab und zu hob Ariane den Blick und beobachtete, wie er vor ihr lief.

Etwas an Eriks Art, an seinem Gang, an seiner ganzen Ausstrahlung, erinnerte sie so heftig an Secret, dass sie sich des absurden Gedankens nicht erwehren konnte, er könne sich plötzlich wieder an alles erinnern.

Der Drang, diese Vermutung bestätigt zu wissen, wurde übermächtig. Ariane holte Luft.

„Secret…“

Der Junge vor ihr blieb abrupt stehen. Ariane kam es wie eine Ewigkeit vor, bevor er sich endlich zu ihr umdrehte. Secrets gefühlsleerer Blick begegnete ihr – ohne Erkennen. 

Ariane schluckte. Sie setzte dazu an, etwas zu sagen, dann erschien ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen.  „…So hieß er. Der Junge aus dem Roman.“

Der Schwarzhaarige nahm ihren Kommentar stumm zur Kenntnis, drehte sich wieder um und ging weiter. Diesmal schloss Ariane zu ihm auf.

 

Kapitel 57 Schutzengelfest

Gemeinsam mit Erik verließen sie das Schulgebäude. Doch zu ihrer Überraschung verabschiedete er sich direkt von ihnen.

Besorgnis machte sich in Ariane breit. „Willst du nicht mit uns gehen?“

Vielleicht war das eine dumme Frage. Nach allem, was am Vortag geschehen war, nur weil sie ihn unbedingt über seinen Vater hatte ausfragen wollen, war es wohl logisch, dass er ihre Nähe meiden wollte.

„Ich muss ein Kuvert für meinen Vater abgeben.“, erklärte er, als wäre nichts weiter dabei.

Die anderen nickten nur, doch Ariane machte große Augen.

Erik begegnete ihrem Blick, sagte aber nichts. Während er sich umwandte, hob er die Hand zum Abschied und ging davon.

 

Kapitel 60 Leichen im Keller

„Hast du das Kuvert in den Hochsicherheitstrakt der Finster GmbH geschleust bekommen?“, fragte Vivien, nachdem sie die Doppelstunde Mathe hinter sich gebracht hatten.

Erik antwortete so lässig, dass jeder Geheimagent vor Neid erblasst wäre. „Ich musste ein paar Tricks anwenden und die Alarmanlage lahmlegen. Aber du weißt ja: Für mich kein Problem.“ Er unterstrich seine Aussage mit einem gewinnenden Lächeln. „Was habt ihr so gemacht?

„Wir haben gespielt!“, rief Vivien.

Erik schaute zunächst zweifelnd. Dann zog sich sein linker Mundwinkel zu einem schrägen Grinsen nach oben. Seine Augen wanderten zu Ariane. „Und? Muss sich Ariane mir wieder an den Hals werfen?“

Die Empörung über seine Anspielung auf den ersten Schultag war Ariane deutlich anzusehen.

Warum hatte Vivien auch so eine superpeinliche Geschichte erfinden müssen, um zu erklären, warum sie sich damals so verhalten hatte?

Wenn sie sich an die Behauptung erinnerte, sie habe eine von Vitali und Vivien ausgedachte Pflicht erfüllen müssen, nachdem sie beim schnellstmöglichen Aufblasen eines Kondoms die Langsamste gewesen war, schämte sie sich immer noch!

Doch es lag ihr fern, Erik gegenüber Schwäche zu zeigen.

Sie schenkte ihm ein kühles Lächeln. „Keine Sorge. Das eine Mal hat mich für alle Zeit vom Glücksspiel geheilt.“

Erik stützte sich mit dem Ellenbogen auf der Schulbank ab und ließ sein Kinn auf seinem Handteller ruhen. „Schade.“ Er lächelte auf gehässige, bedrohliche Weise. „Dann werde ich ab jetzt wohl mitspielen müssen. Um meine Schulden zu begleichen.“

Für einen Moment wollte Arianes Kopf sich weigern, die Bedeutung dieser Bemerkung zu verarbeiten.

Er… wollte es ihr zurückzahlen? Dass sie ihn damals umarmt hatte?

Tausend Horrorszenarien, wie seine grausige Rache aussehen könnte, schossen ihr augenblicklich durch den Kopf.

Ihre Stimme schrillte in einem Akt purer Notwehr auf: „Wir sind schon quitt!“

…Stille

Die jähe Erkenntnis, was sie gerade wieder in sein Gedächtnis gerufen hatte, traf sie.

Selbst Erik sah kurzzeitig völlig baff aus, eine wahrlich ungewohnte Reaktion von ihm.

Mit einer fahrigen Bewegung wandte sich Ariane schnellstens ab und war völlig von ihrem Terminkalender eingenommen, als handle es sich dabei um das achte Weltwunder.

Wieso hatte sie es bloß erwähnt? Wieso war sie bloß darauf zu sprechen gekommen?

Es war nie passiert! Den Vorfall vor drei Tagen, diese Umarmung, gab es nicht!

Unwillkürlich schrumpfte sie in sich zusammen. Diese Bemerkung würde er ihr nie verzeihen.

Oh, wie gerne hätte sie jetzt Vitalis Kräfte besessen…

„Ich zahle meine Schulden immer doppelt und dreifach zurück.“

Ariane horchte auf.

Fassungslos wandte sie sich um und Eriks diabolisches Grinsen schlug ihr entgegen. Das durfte doch nicht …

Von wegen getroffen und beleidigt! Dieses Scheusal drohte ihr auch noch!

„Ich nehme keine Zinsen!“, entgegnete sie mit Nachdruck.

Doch Erik legte es offensichtlich auf einen Schlagabtausch an. „Ich bestehe darauf!“

Arianes Stimme bekam den frostigen Klang klirrender Kälte. „Nicht nötig.“

Erik wurde dagegen immer freundlicher. „Dann war das wohl eine gratis Kostprobe.“

„Eher ein Zustellungsfehler.“

„Zu meinen Gunsten.“

„Zu meinem Bedauern.“, gab Ariane zurück.

„In diesem Fall sehe ich mich natürlich zu einer entsprechenden Rückzahlung verpflichtet.“ Wieder grinste er.

Ariane lächelte künstlich zurück. „Sehr freundlich, aber völlig unnötig.“

„Und doch angebracht.“

„Unwirtschaftlich.“

„Zugunsten zukünftiger Geschäftsbeziehungen.“ Er führte eine vielsagende Bewegung mit seinen Augenbrauen aus.

„Die es nicht geben wird!“, sagte sie abweisend.

„Wodurch eine korrekte Abrechnung umso wichtiger ist.“, beharrte er.

Ariane riss der Geduldsfaden. Sie wurde laut: „Ich bin mit der bereits geleisteten Summe vollauf zufrieden!“

Im gleichen Augenblick wurde ihr klar, dass der heutige Tag verflucht sein musste. Natürlich war auch Erik die verheerende Doppeldeutigkeit ihrer Worte nicht entgangen.

Die bereits geleistete Summe – Die bereits geleistete Umarmung.

In unübersehbarer Selbstzufriedenheit strahlte Erik sie an. „Danke.“ Und weidete sich an ihrer zwischen Scham und Entrüstung schwankenden Miene.

Vivien mischte sich in heller Begeisterung ein. „Du hast sie umarmt?!“

Und Ariane war der festen Überzeugung gewesen, dass die anderen das Gespräch nicht verstehen würden!

Bestürzt sah sie zu Erik. Er würde vor den anderen nicht zugeben, was am Montag passiert war, ganz sicher nicht! Das war viel zu peinlich! Für sie beide!

„Am Montag.“, antwortete Erik leichthin und schlug Ariane damit K.O.

Die verwirrten Blicke der anderen hefteten sich auf Ariane.

Hatte sie nicht angedeutet, Erik habe eine beängstigende Reaktion auf ihren Versuch, etwas über seinen Vater herauszufinden, gezeigt?

„Das ist nicht so wie ihr denkt!“, rief Ariane hektisch.

„Aber du bist damit vollauf zufrieden.“, wiederholte Erik.

Das reichte!

Aufgebracht sprang Ariane von ihrem Platz auf und deutete erbost auf Erik. „Hättest du mich bloß geschlagen, dann hätte ich mich wenigstens wehren können!!!“

Im gleichen Moment galt ihr die Aufmerksamkeit sämtlicher Klassenkameraden. Noch eine Sekunde stand Ariane regungslos da, dann setzte sie sich mit steifen Bewegungen wieder hin und starrte die Schulbank an.

Die anderen schauten zu Erik, der tat jedoch, als würde er ihre fordernden Mienen gar nicht bemerken.

 

[…]

Erik starrte auf die harsch zugeworfene Eingangstür und wandte sich dann bestürzt an Ariane. „Was hast du mit ihr gemacht?“

Ariane platzte der Kragen. „Ich?! Du! Du bist an allem Schuld!“ Sie machte ihrem Unmut durch einen aufgebrachten Laut Luft, eine Mischung aus Ächzen und Stöhnen.

Erik blieb ungerührt. „Das kannst du mir nicht erzählen. Sie hat kein derartiges Interesse an mir. Wieso sollte sie eifersüchtig sein?“

„Wer redet denn von Eifersucht?“ Ariane war nahe am Ausflippen. „Sie ist sauer, weil ich nicht mit euch zusammen laufen wollte! Überhaupt: Nicht jedes Mädchen steht auf dich!“

Erik hob die linke Augenbraue, als wolle er das in Frage stellen.

Das regte Ariane nur umso mehr auf. „Ich verstehe nicht, wie ein normaldenkender Mensch an dir interessiert sein kann!“

Erik blieb die Ruhe selbst. „Wie gut, dass du kein normaldenkender Mensch bist.“

Fast wäre sie ihm an die Gurgel gegangen. „Eher würde ich mich in meinen schlimmsten Erzfeind verlieben!“

„Gut zu wissen.“, meinte er nüchtern. „Ich dachte, ich wäre dein Erzfeind.“

Ariane wusste langsam nicht mehr, wohin mit ihrer Empörung. „Kannst du aufhören, so verdammt ruhig zu sein!“

„Kommt drauf an, was du anzubieten hast.“ Er machte eine Armbewegung, als fordere er sie zu ihrem nächsten Schlag auf.

Arianes Augen wurden schmal. Dank der Situation am Morgen in Kombination mit der durch Erik verursachten Streitigkeit mit Serena war sie alles andere als friedlich gestimmt.

„Wir können über deinen Vater reden!“, zischte sie provokativ.

„Und was willst du wissen?“, erkundigte sich Erik lässig.

Ihre Augen verengten sich in Argwohn. Sicher war das nur ein Bluff.

„Mit was verbringt er seine Freizeit?“, testete sie sein Angebot.

„Meistens besucht er irgendwelche Veranstaltungen, um sich mit noch mehr Leuten zu vernetzen. Egal ob Auftritt des Musikvereins, Oper, Wohltätigkeitsveranstaltung, Kunstausstellung oder Sportfest. Ansonsten trifft er sich mit dem Bürgermeister und anderen einflussreichen Personen, geht golfen, spielt Squash, und versucht in unserem Keller, aus Leichenteilen ein Monster zu erschaffen.“

Ariane starrte ihn reaktionslos an. „Nur um sicher zu gehen. Das mit dem Monster -“

„Ist das einzige, das stimmt. Alles andere sollte ein Scherz sein.“

Sauertöpfisch sah Ariane ihn an, dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck. „Wieso erzählst du mir das?“

„Damit du glaubst, dass wir im Keller ein Monster haben.“

Sie sparte sich eine schlaue Antwort. In möglichst entkrampfter Stimmlage setzte sie fort. „Wieso erzählst du mir das jetzt und letztes Mal…“ Sie sprach nicht weiter.

„Du hast doch vorhin gesagt, ich hätte dich besser schlagen sollen.“, erwiderte er und sah das offenbar als Antwort an.

Ariane teilte diese Ansicht nicht. „Und?“

„Jetzt können wir’s ja drauf ankommen lassen.“

Ariane war sich nicht sicher, ob sie das witzig finden sollte.

„Gut.“, sagte sie in einem Anflug von Trotz. „Warum hast du Streit mit deinem Vater?“

Nichts schien Erik heute aus der Fassung bringen zu können. „Weil er dich aus dem Haus geworfen hat.“, sagte er nonchalant.

„Vorher!“

Nun wurde er doch still.

Ariane musste auf seine Antwort warten. Als sie endlich kam, klang Eriks Stimme nicht mehr so locker.

„Weil ich nicht er bin.“

Er wandte sich zum Gehen.

Ariane ging davon aus, dass die Fragestunde jetzt vorbei war.

Beide setzten sich in Bewegung.

„Noch was?“, fragte Erik unvermutet, als habe ihm das gerade entlockte Geständnis nichts weiter ausgemacht.

Ja! Hat dein Vater dich zufällig vor fünf Wochen K.O. geschlagen, dich ins Schatthenreich verfrachtet und deine Erinnerungen manipuliert?

Sie entschied sich, das nicht zu fragen.

„Wie hängen dein Vater und Herr Finster zusammen?“

Langsam wurde Erik skeptisch. „Warum interessiert dich das?“

„Weil…“, Ariane zog das Wort lang genug, um sich eine Erklärung zu überlegen. „…du Finster nicht leiden kannst.“

Eriks Blick wurde kurz kalt, als wolle er sagen, dass diese Tatsache selbsterklärend war. „Sie sind Anwalt und Klient. Und sie treffen sich manchmal auf Ausstellungen. Ansonsten gehen sie ihre eigenen Wege. Finster ist nicht so der gesellige Typ.“

Ariane war verdutzt. „Und dein Vater ist gesellig?“

„Er ist ständig unter Leuten.“

Ariane war anzusehen, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass es jemanden geben sollte, der sich freiwillig in Herrn Donners Nähe aufhielt.

Erik antwortete auf ihre ungeäußerte Frage. „Mein Vater ist ein einflussreicher Mann. Man schneidet ihn nicht.“

Klar. Wer wollte diesen Mann schon zum Feind haben?

„Finster kam mir sehr viel umgänglicher vor.“, meinte sie.

Spöttisch zog Erik die Stirn kraus. „Ein Typ, der seine Zeit mit alten Schriften und Legenden verbringt?“

Ariane bedachte ihn mit einem strafenden Blick. „Ein Typ, der seine Kinder nicht schlägt.“

„Weil er keine Kinder hat.“, wandte Erik ein.

„Warum kannst du ihn nicht leiden?“

„Warum kannst du ihn leiden?“

„Weil er nett ist.“, teilte Ariane ihm mit.

„Dito.“

Arianes Gesichtsausdruck sagte deutlich, dass sie dem nicht folgen konnte.

„Er ist zu nett.“

„Wenn Menschen dich nicht wie Dreck behandeln, sind sie dir unsympathisch?“

Erik lächelte süffisant. „Deshalb hab ich ja auch eine Schwäche für dich.“

„Ich behandle dich nicht wie Dreck!“, empörte sich Ariane, ohne Eriks Wortwahl jegliche Bedeutung beizumessen.

Er versuchte es mit einer neuerlichen Andeutung. „Aber du könntest ruhig etwas liebevoller sein.“

Erfolglos. Ariane ging nicht darauf ein. „Zurück zum Thema.“

Erik konnte sich seine Belustigung über ihre Immunität gegen jegliche Andeutungen in eine gewisse Richtung nicht verkneifen. Dann setzte er das Gespräch fort.

„Er ist falsch. Wie einer der mit seinem freundlichen Gesicht, die hässliche Fratze dahinter verstecken will.“

„Quatsch.“

Erik zuckte mit den Schultern, was darauf hindeutete, dass er nicht vorhatte, sie von seiner Sichtweise zu überzeugen.

„Wie kommst du darauf?“, fragte Ariane nun von sich aus.

„Sechster Sinn.“

Bei dem Begriff musste Ariane sofort an Secrets Fähigkeiten denken.

„Hinter dem, was er den Leuten zeigt, ist etwas anderes.“, versuchte Erik, es verständlich zu machen.

Ariane senkte den Blick. „Ist das nicht bei den meisten Menschen so?“

Der weiche Klang ihrer Stimme ließ Erik aufhorchen. Es hörte sich an, als wisse sie, wovon sie sprach. Er sah, dass ihre Augen nun geradeaus gerichtet waren, ihr Haupt stolz erhoben, als müsse sie sich dadurch aufrechthalten.

Als sie seine Aufmerksamkeit bemerkte, lächelte sie ihn freundlich an. „Ist doch so.“

Erik musste sich eingestehen, dass dieses Mädchen jedes Mal, wenn er es durchschaut zu haben glaubte, etwas tat, um seine Mutmaßungen durcheinander zu bringen.

In ernstem Ton fragte er: „Gehörst du auch dazu?“

Ariane schaute betreten. Sie sagte nichts.

Etwas an ihrer Reaktion ließ ihn den Satz bereuen, obwohl ihm das lächerlich vorkam.

Ein fast trauriges Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel. „Wahrscheinlich nicht so sehr wie du.“

Erik gefiel diese Bemerkung nicht. Für ein paar Sekunden waren seine Augen fest auf sie fixiert, als wolle er sie damit in einen Bann schlagen oder ihr Gedächtnis manipulieren, um diese Erkenntnis aus ihrem Kopf zu löschen.

„Wegen Secret…?“

Ariane fuhr zusammen, und hoffte, dass Erik es nicht gesehen hatte, obwohl sie wusste, dass es ihm nicht entgangen sein konnte.

Erik verlieh seiner Stimme einen undurchsichtigen Ton. „Wer ist Secret?“

Ariane schluckte und bemühte sich normal zu sprechen. „Die Romanfigur. Das weißt du doch.“

Wo war Vivien wenn man sie brauchte?!!

„Aus Balance Defenders?“ Eriks Blick war unglückverheißend.

„Ja.“ Ariane verfluchte ihre Stimmbänder, die einfach nicht fürs Lügen gemacht waren.

„Kannst du mir das Buch mal ausleihen?“

Panik.

„Das – geht nicht.“

„Warum nicht?“

Arianes Herz begann zu rasen. Sie sah auf den Weg. Es war nicht mehr weit. Unwillkürlich beschleunigte sie ihren Lauf.

Erik war sofort wieder an ihrer Seite, mit verschlagener Färbung in der Stimme. „Willst du mir nicht antworten?“

„Doch!“, stieß Ariane eilig aus. „Aber ich darf nicht.“

Aaah! Was hatte sie sich bei diesem Satz gedacht?!!

„Du darfst nicht?“ Hohn kam in seinen Blick und dahinter eindeutige Schadenfreude. Er wusste, dass er sie in die Enge getrieben hatte. Und die Gewissheit, dass sie ihm nicht mehr entkommen konnte, erfüllte ihn offensichtlich mit einer übergroßen Zufriedenheit.

„Nein, ich darf nicht.“, wiederholte Ariane in einem verzweifelten Versuch, Zeit zu schinden.

„Und warum nicht?“

„Das darf ich nicht sagen.“

Die Erwartung, seine Beute gleich zu bekommen, ließ Eriks Stimme immer düsterer werden. „Gibt es denn etwas, das du darfst?“

Ariane blieb stehen. „Ich darf mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, ich darf in die Schule gehen, ich darf ohne Beaufsichtigung fernsehen und alleine einkaufen gehen.“, zählte sie sich an den Fingern ab.

Aber ihr Versuch, Erik von seinem Ziel abzubringen, scheiterte. Kurz nur lächelte er belustigt, dann war da wieder der gierige Ausdruck des Jägers. Ariane konnte nicht entkommen.

In ihrer Not fiel ihr nur eines ein: „Du musst Vivien fragen!“

Wie eine Katze, die kurz überlegen musste, welches Spielzeug sie ergreifen sollte, nachdem plötzlich ein zweites aufgetaucht war, wog Erik seine Möglichkeiten ab.

„Dann sollte ich sie vielleicht gleich mal anrufen.“  Er holte sein Handy aus der Hosentasche.

„Jetzt?“, warf Ariane in viel zu hoher Tonlage ein.

„Soll ich sie dir vorher geben, damit du sie vorwarnen kannst?“, meinte er spöttisch. „Bis morgen ist ihr vielleicht etwas eingefallen.“

Trotz wallte in Ariane auf. Er unterschätzte Vivien gewaltig!

Mit wiedergefundener Selbstsicherheit verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Nur zu.“

Wenn ihre plötzliche Überzeugung ihn auch nur ein bisschen verunsicherte, dann zeigte er es zumindest nicht.

Mit wenigen Fingerbewegungen hatte er Viviens Nummer herausgesucht.

Ariane sah, wie er das Handy von sich weg hielt, bis die Verbindung aufgebaut war. Er legte es sich an die Ohrmuschel und behielt den Blickkontakt mit ihr bei, als wolle er sie dadurch mürbe machen. Doch jetzt da Vivien mit ins Spiel getreten war, strotzte Ariane nur so vor Willenskraft.

Sekunden verstrichen. Erik begann ein ungeduldiges Gesicht zu machen. Nach einer Weile gab er es auf.

„Tja, geht keiner ran.“ Er nahm das Handy vom Ohr.

Ariane rutschte das Herz in die Hose.

„W-warte!“, gab sie heiser von sich. „Bei mir nimmt sie bestimmt ab!“ Sie zog ihren Rucksack von den Schultern. „Du hast es sicher nicht lange genug klingeln lassen!“

Sie holte ihr Mobiltelefon hervor und setzte wieder den Rucksack auf. Gerade wollten ihre Finger über das Display fliegen, als Eriks Hand sich auf das Handy legte.

„Als würde sie bei dir abnehmen, wenn sie es bei mir nicht tut.“, meinte er großspurig.

„Dann versuchen wir es eben auf dem Festnetz!“, rief sie.

„Ariane.“ Sein Gesichtsausdruck und sein Ton erinnerten sie an die Art, wie privilegierte Menschen manchmal sprachen. So als wüssten sie alles viel besser und wollten einen beschwichtigen.

„Das wird doch jetzt nicht nötig sein.“

Ariane starrte ihn argwöhnisch an. Wenn Menschen auf diese Weise redeten, hatten sie etwas zu verheimlichen!

Ihre Augen wurden zu zwei Schlitzen und ihr Mund öffnete sich in Entrüstung. Sie sprach die Worte langsam und schneidend aus. „Du hast gar nicht angerufen!“

Eriks Miene blieb unbewegt, bis auf ein kurzes Zucken. Das genügte völlig.

„Du Mistkerl!“ Sie entriss ihm sein Handy, das zu ihrem Glück noch entsperrt war, und hatte einhändig die Anrufliste angewählt, ehe er überhaupt reagieren konnte. Ihr Verdacht bestätigte sich.

Wütend drückte sie ihm sein Mobiltelefon gegen die Brust, ihre Augen funkelten ihn so feindselig an, dass jeder andere wohl getroffen gewesen wäre. Aber nicht Erik.

Ariane wirbelte herum. Schnellen Schrittes lief sie davon.

Dieser Betrüger! Lügner! Heuchler!

Das dumme Blondchen wird schon darauf hereinfallen!

Sie hätte ihm am liebsten eine gescheuert!

Erik steckte sein Handy zurück in seine Hosentasche und beeilte sich nicht, ihr hinterherzulaufen. Gemächlich setzte er den Weg fort. Nur seine Schritte wurden größer und etwas zügiger, wodurch er Ariane trotz ihres Tempos schnell wieder eingeholt hatte. Ohne sie anzusehen, ging er neben ihr her, als wäre nichts gewesen.

Als er schließlich das Wort ergriff, war seine Stimme nicht mehr scherzhaft oder durchtrieben. Er klang gedankenversunken, als spräche er mit sich selbst.

„Ich habe sie wieder gespürt. Die Wunde…“

Jäh war Arianes Zorn verpufft. Ihre Schritte wurden langsamer. Sie sah Erik an.

Sein Gesicht war weiter nach vorne gewandt. Zum Glück. So konnte er nicht ihre besorgte Miene sehen.

Kurz davor, sich nach seinem Zustand zu erkundigen, hielt Ariane gerade noch rechtzeitig inne.

Er tat es schon wieder! Er log! Um sie zurück in die Falle zu locken!

Aber da hatte er sich geschnitten. Dieses Spielchen konnten zwei spielen!

„Hast du sie noch alle?“ Sie setzte ihren eiskalten Blick auf und mischte ihn mit dem verächtlichsten Ausdruck, den sie zustande brachte. „Das ist eine Romanfigur! Du solltest echt zum Psychiater.“ Der unausstehliche Ton war ihr richtig gut gelungen.

Sie lief weiter und wartete auf Eriks Reaktion, aber es gab keine.

In ihren Augenwinkeln erkannte sie, dass er einfach nur stumm geradeaus tarrte. Sein Gesicht – eine undurchdringliche Maske. Er wandte sich ihr nicht zu.

Jeden Schritt, den er schwieg, wuchs das nagende Gefühl in Ariane, mit ihren gehässigen Worten etwas Schreckliches angerichtet zu haben.

Sie schalt sich selbst: Eben hätte sie ihn für seine Unverschämtheit noch ohrfeigen können und jetzt tat er ihr leid?

Trotzdem. Für Erik musste die Sache schon schwer genug sein, auch ohne dass sie ihm einredete, er habe einen geistigen Schaden. Wie musste er sich fühlen?

Nach weiteren Schritten in bedrückender Stille erreichten sie Arianes Zuhause. Erik wartete nicht auf eine Verabschiedung. Er lief einfach weiter.

„Erik!“

Er blieb stehen, drehte sich aber nicht zu ihr um.

„Es tut mir leid.“ Sie konnte nicht anders. „Was ich gesagt habe… Ich habe es nicht so gemeint.“, stammelte sie. „Ich war wütend.“

Erik rührte sich noch immer nicht.

„Du bist nicht verrückt!“

Keine Reaktion.

„Vielleicht hast du Schmerzen im Arm vom Training. Muskelkater. Oder du hast einen Muskelriss oder so was. Du solltest vielleicht zum Arzt.“

Er drehte sich einfach nicht um!

Ariane spürte Empörung über sein kindisches Beleidigtsein in sich aufkommen. Musste sie ihm denn immer hinterher rennen? Sie stöhnte genervt auf.

„Wolltest du mich jetzt nicht schlagen?!“

Dieses Mal drehte er sich um.

„Verlockendes Angebot, aber ich stehe leider nicht auf SM-Spielchen.“ Er lächelte wieder.

Arianes Mund verzog sich spöttisch. „Dafür bist du aber ziemlich sadistisch.“

Erik grinste kurz. Dann trat wieder das gefährliche Glitzern in seine Augen, das sie nicht zu deuten vermochte.

„Aber“ Seine Stimme wurde rau. „wir hätten da noch die ausstehenden Rückzahlungen.“

„Von wegen!“, rief Ariane keck und rannte auf ihr Haus zu.

Eriks leises Lachen folgte ihr nach.

 

Kapitel 62 Viel Rummel um –

Während sie in wechselnder Geschwindigkeit an aus dem Nichts auftauchenden Spukgestalten, Schockmomenten, Dunkelheit, Blitzlichtgewitter, lauten Geräuschen und zahlreichen Effekten vorbeifuhren, legte Ariane keine Anzeichen von Ängstlichkeit jeglicher Art an den Tag. Irgendwie amüsierte das Erik.

„Was ist?“, rief sie über den Lärm der Geisterbahn hinweg in kaltem Ton, ohne ihn anzusehen. Seine Aufmerksamkeit war ihr offensichtlich nicht entgangen.

Er verlieh seiner Stimme etwas Provokantes. „Bei all den Schreckgestalten wollte ich nur kurz etwas Schönes ansehen.“

Ariane gab ein so tiefes entnervtes Stöhnen von sich, dass sie wie die Stimme aus einer Gruft klang. „Dein Handy hat eine Selfie-Kamera.“

Er musste über ihre Schlagfertigkeit grinsen und setzte zu einem Konter an. „Du bietest mir an, ein Selfie mit dir zu machen?“

Nun drehte sie sich tatsächlich zu ihm um und schaute extrem genervt.

Er lächelte sie an, was sie dazu brachte, sich wieder abzuwenden, als wäre ihr das unangenehm.

Es war wirklich nicht leicht, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, ohne sich eine Blöße zu geben. Er schmunzelte.

 

[…]

„Achterbahn!“, rief Vivien auf Höhe der nächsten Attraktion und schwang ihren rechten Arm in die Höhe.

„Dann warte ich auf euch.“, sagte Ariane, die aufgrund ihrer Zuckerwatte gehandicapt war.

„Wir können auch warten, bis du fertig bist.“, schlug Serena vor.

Ariane wehrte ab. „Das ist kein Problem. Ich warte solange hier.“ Sie deutete auf die Sitzbank zu ihrer Linken.

„Gute Idee.“, meinte Erik zustimmend. Doch statt sich in Bewegung zu setzen, ließ er sich daraufhin gekonnt auf die Bank sinken und breitete sich darauf aus wie auf einer bequemen Couch.

Irritiert sah Ariane ihn an. Erik reagierte nicht auf ihre ungeäußerte Frage.

„Was tust du?“, sprach Ariane schließlich ihren Gedanken aus.

„Ich warte.“

„Worauf?“

„Auf die anderen.“

Wieder warf Ariane ihm einen fordernden Blick zu.

Wieder reagierte er darauf nicht.

Und die anderen hielten sich bei den Dialogen der beiden einmal mehr raus. Vivien aus neugierigem Interesse, Justin aus Irritation, Vitali, um nicht in die Schussbahn zu geraten, und Serena einfach weil sie es leid war.

„Was meinst du?“, war Ariane schließlich gezwungen zu fragen.

Erik platzierte den gewonnenen Teddy auf seinem Schoß. „Mit dem Bären kann ich nicht mitfahren.“ Ein selbstgefälliges Grinsen nahm sein makelloses Gesicht ein, als würde er mit diesem Kommentar Ariane reizen wollen.

Ihr Gesicht zuckte kurz, dann lächelte sie freundlich. „Du kannst mir doch den Bären geben und mit den anderen fahren.“, bot sie ihm an und streckte ihre Hände demonstrativ nach dem Kuscheltier aus.

Sofort zog Erik den Teddy vor ihr weg wie ein Spielzeug vor einem Kätzchen. Er grinste provokativ, seine linke Augenbraue ging in die Höhe. „Wenn du einen Bären willst, dann musst du dir schon selbst einen schießen.“

Einmal mehr kam Ariane nicht umhin sich zu fragen, wie es diesem Jungen entgegen aller Logik gelang, das lächerlichste Verhalten an den Tag zu legen und dabei noch so cool zu wirken, dass Scharen von Mädchen nicht anders konnten als ihn anzuhimmeln. Allein der Gedanke an die bemitleidenswerte Fehleinschätzung dieser Mädchen!

Viviens Stimme riss Ariane aus ihren Gedanken und das aus unerwarteter Entfernung. „Wir sind dann mal weeeg!“

Entsetzt wirbelte Ariane herum und musste mit Schrecken feststellen, dass die anderen sich bereits zur Achterbahn hin entfernt hatten, indem Vivien sie kurzerhand allesamt mit sich geschleift hatte.

Sie hörte Serena noch zetern. „Ich sitze nicht neben Vitali!“ Und sah, dass Justin wohl anbot, sich neben sie zu setzen.

Hilflos streckte sie ihre Hand nach den sich entfernenden Personen aus.

Allein blieb sie mit Erik zurück.

[…]

Arianes Gesichtsausdruck zuckte.

Alleine mit – Erik…

Sie würde Vivien umbringen, da war sie sich ganz sicher! … Würde sie nicht.

Sie ließ den Kopf hängen und biss sich auf die Unterlippe, richtete sich wieder auf und machte sich dazu bereit, sich wieder zu Erik umzudrehen.

Was für eine Qual.

Am liebsten hätte sie einen lauten Seufzer der Resignation ausgestoßen.

Während der Geisterbahnfahrt neben ihm zu sitzen war ja eine Sache gewesen, aber jetzt?

Wieder ihrer vollen Selbstbeherrschung mächtig – mit erhobenem Haupt – wandte sie sich um.

Und diese Selbstbeherrschung wurde sogleich auf eine harte Probe gestellt.

Erik grinste. Und wie er grinste!

Warum gab es im Deutschen eigentlich keinen speziellen Ausdruck für ein boshaftes, dämonisches Grinsen? Man sollte es nicht einfach ‚grinsen nennen, obwohl der Eigentümer sehr wohl amüsiert und guter Laune zu sein schien.

Schadenfreuen? Nein. Das traf es nicht ganz.

Und ‚smirken‘ nach dem englischen ‚smirk‘ für ‚dreckig und selbstgefällig lächeln‘ klang eher nach ‚zirpen‘ als nach einem passenden Begriff für Eriks Gesichtsausdruck.

Ariane gab den Gedanken auf und entschied sich eines zu tun – sich nichts anmerken lassen.

Gelassen ging sie zu der Bank, auf der Erik auf sie wartete, und setzte sich neben ihn.

Schweigen.

Ariane sah nicht zur Seite, um zu sehen, was Erik tat. Ihr Blick war stur auf das Geschehen vor ihr gerichtet.

Erik fand es vergnüglich, wie Ariane ihn einmal mehr demonstrativ ignorierte, und wurde zu neuen Schandtaten beflügelt.

„Du hast ja eine Schwäche für Spiele.“, erwähnte er wie beiläufig.

Ariane wandte ihren Blick noch weiter von ihm weg, denn sie wusste, dass sein Tonfall nichts Gutes zu verheißen hatte. „Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich keine Spielchen spiele.“

Erik beugte sich vor und drehte seinen Kopf so, dass er ihren Gesichtsausdruck dennoch einfangen konnte. „Damit könnten wir die Sache mit den Schulden klären.“

Arianes Gesicht schnellte zu ihm. „Kannst du endlich mit dieser Schuldengeschichte aufhören!“

Daraufhin fing Erik an, mit seinem Teddy zu spielen. Mit einer Coolness, als würde er sich gerade der männlichsten Beschäftigung schlechthin widmen.

„Ein Frage-Antwort-Spiel vielleicht.“

„Du scheinst doch schon einen wunderbaren Zeitvertreib gefunden zu haben.“ Mit den Augen deutete sie auf den Teddy.

Erik grinste. So unverschämt selbstüberzeugt, als hätte sie ihm, statt ihn zu verspotten, gesagt, was für ein schickes Auto er fuhr.

Wie es sie aufregte, dass er einfach alles tun konnte, ohne sich dabei dumm vorzukommen!

Wenn sie sich wenigstens hätte einreden können, dass er den Spott nicht heraushörte. Aber Erik war wohl die gerissenste Person, die sie kannte.

Von Vivien einmal abgesehen…

Ariane wandte sich wieder ab und Erik schwieg unverhofft. Auch eine sonstige Reaktion seinerseits blieb aus, zumindest eine, die sie wahrgenommen hätte, ohne sich zu ihm zu drehen.

Sekunden verstrichen.

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so schnell aufgeben würde.

Vorsichtig lugte sie in seine Richtung.

Für einen Moment glaubte sie, die Schwärze seiner Pupillen entführe sie in ein Schatthenreich, das nicht jenes war, das sie schon einmal betreten hatte, sondern eines, das in seinem Inneren verborgen lag. Sein Blick schien sie in dieses Unbekannte zu ziehen.

Sie zuckte zusammen und wandte sich hastig ab. Justins Aussage, dass Secret genauso gut ein Schatthenmeister in Ausbildung sein konnte, kam ihr ungewollt in den Sinn.

„Was soll das?“, schimpfte sie.

„Ich seh dich einfach gerne an.“

Die Worte gefielen ihr ganz und gar nicht. „Hör auf damit.“

„Wie du meinst.“, sagte er.

Eine kurze Pause entstand.

„Hattest du schon mal einen Freund?“

Der plötzliche völlig verdatterte Gesichtsausdruck von Ariane hätte Vitali alle Ehre gemacht. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und entgleisten Zügen starrte sie Erik an. „Wie bitte?“

„Du hast deine Frage gestellt, jetzt bin ich dran.“

„Ich habe keine Frage gestellt!“

„Natürlich ist ‚Was soll das?‘ eine Frage. Das erkennt man an der Verwendung des Fragewortes, der Satzstellung und der Intonation.“, belehrte er sie.

Unzufrieden wurde ihr klar, dass sie sich durch ihre eigene Unbedachtheit in diese Situation bugsiert hatte.

„Das war aber keine richtige Frage.“, beanstandete sie. „Außerdem, was soll die Frage, ob ich schon mal einen Freund hatte?“

„Die gefällt dir nicht?“

„Das ist genauso geistreich, als würde ich dich fragen, ob du mit deinem Muskeltraining Eindruck schinden willst.“, schimpfte sie.

„Das interessiert dich?“

„Natürlich nicht!“, widersprach sie.

„Aber du bist auf die Idee gekommen.“, hielt er ihr grinsend vor.

Sie wusste sich zu wehren. „Das liegt nur daran, dass du dich ständig über die Mädchen aufregst, die dich – aus mir unerfindlichen Gründen – attraktiv finden, es aber dann wieder darauf anlegst, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.“

Über diesen Gedanken sichtlich amüsiert musste er sich zur Seite drehen, als hätte sie einen allzu lustigen Witz gerissen. Erst dann konnte er sich mit einem untypisch ehrlichen Lächeln wieder ihr zuwenden.

Leicht verunsichert von seiner Reaktion war Ariane unklar, ob sie nun schmollen oder wütend werden sollte. „Was ist?“

Erik lächelte noch immer liebenswert, wie sie es noch nie an ihm gesehen hatte. Und hörte damit erst auf, als ihre Geduld zu enden drohte.

„Also.“, holte er aus. „Meine durchtrainierte Statur – die dir offensichtlich aufgefallen ist–“ Ariane verdrehte die Augen, aber er setzte einfach fort. „hat nichts mit irgendwelchen Mädchen zu tun.“

Wieder lächelte er über den Gedanken. Dann holte er tief Luft und sah nach vorn.

„Als ich in der Vierten war, bin ich fast täglich verprügelt worden.“

Ariane glaubte, sich verhört zu haben.

„Deshalb hab ich angefangen zu trainieren, damit ich auf niemanden mehr angewiesen bin, um mich zu beschützen.“

Erst jetzt sah er sie wieder an, mit gewinnendem Lächeln. „Tja, und deshalb bin ich heute der Sexiest Man Alive.“

Ariane, die eben noch Mitleid empfunden hatte, war von seiner abermaligen Selbstüberschätzung wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekommen. „Welch ein Glück für die gesamte Frauen- und Männerwelt.“, spottete sie. „Wir sollten den Jungen von damals das Bundesverdienstkreuz verleihen.“

„Kann das auch an Tote verliehen werden?“

Sie erstarrte.

Überrascht über ihre Extremreaktion lachte Erik auf.

„Was du mir alles zutraust.“, grinste er.

Ariane fühlte sich beschämt. „Th.“, machte sie nur und wusste nichts weiter dazu zu sagen. Zu peinlich war es ihr, auch nur eine Sekunde über den Wahrheitsgehalt seines Scherzes nachgedacht zu haben.

Sie schürzte die Lippen. „Zumindest ist jetzt geklärt, woher dein verschlagenes Lächeln kommt.“

Erik lachte. Dann machte er eine auffordernde Armbewegung. „Nun. Du bist dran.“

„Okay.“ Ariane holte Atem. „Ja, ich hatte schon einen Freund.“

Erik wartete, aber es kam nicht mehr. „Und weiter.“

„Du hast nur gefragt, ob ich schon einen hatte.“

„Meine Antwort war aber ausführlicher.“, bemängelte er.

„Ich hatte ja auch ‚Warum‘ gefragt.“, entgegnete sie triumphierend.

„Und du willst nicht mir zuliebe etwas ausführlicher werden?“

Ariane antwortete mit einem lang gezogenen Nein.

Mehr darüber amüsiert als enttäuscht starrte er sie an. Dann fiel sein Blick auf die Zuckerwatte in ihren Händen.

„Warum hast du nicht die Rosane genommen?“

Ariane horchte auf. „Was?“

„Die rosa Zuckerwatte. Die wolltest du doch.“

Fast wäre Ariane die Frage herausgerutscht, woher er das wusste. „Wie … kommst du darauf?“, wich sie aus.

Erik grinste sie gönnerhaft an. „Deine Augen haben vor Begeisterung gestrahlt, als du die rosa Zuckerwatte gesehen hast.“

Ariane machte ein komisches Gesicht.

Er spielte wieder mit dem Teddy. „Warum hast du die Weiße gekauft?“ Er hörte sich so an, als würde es ihn in Wirklichkeit nicht die Bohne interessieren.

„Hast du etwas gegen weiße Zuckerwatte?“, lenkte sie ab.

„Ich nicht.“, sagte Erik gelassen. „Aber du wolltest die Rosafarbene.“

„Wollte ich nicht.“

„Wolltest du doch.“

„Wer von uns beiden weiß besser, was ich will?“

Erik hob den Teddy und ließ das Kuscheltier die Arme öffnen. „Ich natürlich.“

Ariane wollte empört schauen, aber gemischt mit dem Grinsen, das sich auf ihr Gesicht geschlichen hatte, sah man ihr an, wie amüsiert sie war. „Das ist mir neu.“ Nun lächelte sie übers ganze Gesicht.

„Jetzt weißt du’s.“, meinte Erik schelmisch grinsend.

Ariane grinste ebenfalls und musste sich von einem Lachen abhalten.

Schließlich lachten sie beide.

„Und? Warum wolltest du nicht die Rosane?“

„Ich dachte, ich wollte sie.“, hielt Ariane ihm entgegen.

„Wolltest du auch. Aber warum hast du sie nicht genommen?“

Ariane lächelte ihm neckisch zu. „Das wüsstest du wohl gern.“

„Jaaah.“

„Aber ich war mit Fragen dran.“

Erik fügte sich willig. „Und was willst du wissen?“

Ariane wurde wieder ernst. „Warum wurdest du verprügelt?“

Sie wusste, wie persönlich und unangenehm diese Frage sein musste, vielleicht zu persönlich. Aber sie konnte nicht anders. Zu sehr verlangte es sie nach einer Antwort.

Kurz zögerte Erik. „Weil ich ein Donner bin.“

Ariane verstand nicht. „Ich dachte, das wäre gut.“

„Wenn du kleiner bist als die anderen und schmächtig wie ein Zahnstocher nicht so.“

Sie scherzte: „Und wenn die anderen Jungs darauf neidisch sind, dass die ganzen Mädchen dich toll finden.“

Erik warf ihr einen zweiflerischen Blick zu, den sie nicht verstand. So als hätte sie etwas ziemlich Dummes gesagt. Dabei war sie davon ausgegangen gewesen, dass er mit seinem üblichen ‚Ich bin der Allertollste‘-Getue reagieren würde.

Stattdessen wandte er sich ab und wirkte gedankenversunken.

Irgendwie fühlte sie sich mit einem Mal schlecht und wusste nicht einmal wieso.

Schließlich entschloss sie sich, ihren Part zu erfüllen, vielleicht um Erik abzulenken.

Noch einmal zögerte sie.

War es nicht dumm, Erik so etwas zu sagen? Ziemlich dumm sogar. Dennoch wollte irgendetwas in ihr ihm davon erzählen. Weil er danach gefragt hatte.

Fast hätte sie über diesen Umstand gelächelt.

Dann sah sie Erik von der Seite an. Den gleichen Jungen, der sie bei ihrem ersten Treffen – oder zweiten, je nachdem ob man ihre Begegnung im Schatthenreich hinzurechnete oder nicht – wie eine aufdringliche, oberflächliche Idiotin behandelt hatte. Musste er es da nicht verstehen können?

„Was denkst du wenn du Rosa siehst?“

Erik antwortete mit fragender Miene.

„Blond, blauäugig, ihr Freund heißt Ken.“, half sie ihm auf die Sprünge.

Erik lachte. „Du kaufst keine rosa Zuckerwatte, weil die Leute dich für Barbie halten könnten?“

Arianes Mundwinkel fielen in den Keller. Sie drehte sich weg.

„Warum?“, fragte Erik belustigt.

„Das fragst du mich?!“, schimpfte sie mit einem Mal aufbrausend.

Dass er ihrer Offenheit mit Spott begegnete, ließ sie mit Aggression reagieren.

„Wer hat mich denn für ein oberflächliches Püppchen gehalten, als wir uns begegnet sind!“

„Das war was anderes.“, verteidigte er sich ernst. „Da ist einiges schief gelaufen und daran bist du nicht unschuldig!“ Angriff ist die beste Verteidigung.

„Ich?!!!“ Ariane war aufgesprungen und verspürte den Impuls, ihn mit allem zu beschimpfen, was sie auf Lager hatte.

Gerade noch stoppte sie. Fast hätte sie riskiert, die Lügengeschichte von Vivien kaputtzumachen, die zur Erklärung für Erik gedient hatte.

Für Erik gab es kein Schatthenreich, keine Amnesie. Das Unrecht, das er ihr angetan hatte, musste sie hinunterschlucken.

Sie sah ihn warten. Aufrecht und ernst saß er da, mit einem undurchsichtigen Blick, als würde er gerade wieder über ihre auffällige Reaktion nachgrübeln und sich unschöne Dinge zusammenreimen.

Oh nein…

„Du bist keine Barbie und die Leute sehen dich auch nicht so.“ Ariane war geplättet. „Du bist willenstark und geistreich, und das merkt man.“

Wenn sie nicht so überrascht gewesen wäre, hätte sie ihm vielleicht widersprochen, schließlich hatte sie oft genug erlebt, wie Menschen auf sie reagierten.

Aber nun war sie einfach zu sehr davon überwältigt, dass Erik, statt sie wieder in die Mangel zu nehmen und Informationen über Secret aus ihr herauszuquetschen, solche Worte zu ihr sagte.

Es dauerte noch einen Moment, ehe sie sich wieder auf die Bank setzte.

„Meine Klassenkameraden haben ein Video von mir zusammengestellt mit dem Lied Barbie Girl.“, eröffnete sie ihm.

Erik zeigte ein verzerrtes Gesicht, das zwischen Grinsen und Unglaube schwankte.

Ariane hätte sich selbst dafür ohrfeigen können, dass sie so dumm gewesen war zu glauben, Erik hätte jegliches Verständnis für sie.

Wütend setzte sie fort, als könne sie ihre Worte als Vorwurf verwenden. „Sie haben es ins Internet gestellt und auf Social Media geteilt. Die Vertrauenslehrerin meinte dazu, dass ich nicht so aussähe, als würde es mir etwas ausmachen, für eine Barbie gehalten zu werden.“

Erik schüttelte bloß den Kopf. „Warum denken schlaue Menschen über dumme Menschen nach?“ Ariane stockte. „Warum denkst du über den Schwachsinn nach, den diese dummen Menschen an dich rangetextet haben?“ Sein Blick wurde hart. „Dumme Menschen sind es nicht wert, dass du über sie nachdenkst.“

‚Hör auf dich zu entschuldigen!‘, hallte es in Arianes Kopf. ‚Sich entschuldigen ist ein Zeichen von Schwäche.‘ Das hatte Secret gesagt, im genau selben Tonfall. Hart. Abwertend. Als wäre es ihm zuwider.

„Und wer ist für dich dumm?“ Es kam einfach aus ihrem Mund. Gerade so als würde sie die Leute verteidigen wollen, die ihr das angetan hatten.

Eriks Augen waren so hart, dass sie einmal mehr Secret vor sich hatte, den konsequenten Vertreter der Einstellung: Keine Antwort war auch eine Antwort – was bei seinem Blick auch noch tatsächlich funktionierte.

Doch plötzlich war es das Bild von Eriks Vater, das vor ihrem geistigen Auge aufblitzte. ‚Alle!‘

„Niemand ist dumm.“, widersprach sie der Antwort ihrer Vorstellung.

Strafend sah Erik sie an. „Und du willst mir erzählen, die Leute, die das gemacht haben, sind nicht dumm?“

„Niemand ist dumm.“, wiederholte sie.

Etwas änderte sich in Eriks Ausdruck, es waren nur wenige Regungen, aber Ariane erkannte, wie aus der Härte Distanziertheit wurde, als hätte sich Erik plötzlich hinter etwas zurückgezogen, hinter eine Art Festungsmauer, aus der er irgendwann herausgetreten war, ohne dass ihr das bewusst gewesen wäre – bis jetzt, wo sie wieder ausgesperrt war, wo sie vor der Festung stand, vor der kalten Mauer, die abweisend und feindlich wirkte und auf deren Steinen mit unsichtbaren Buchstaben ‚Verschwinde!‘ geschrieben stand.

Wie damals.

Beinahe hätte sie sich von dem Impuls leiten lassen, seinen Arm zu berühren, um durch die Härte der Mauer hindurchzugreifen.

Etwas umklammerte ihr Herz, als würde Erik sich von ihr entfernen, in die Dunkelheit verschwinden und sie verlassen.

Auch wenn er neben ihr saß, er war unendlich weit fort.

Fast hätte Ariane geweint, die Wahnvorstellung war zu intensiv. Dieses immer wiederkehrende Szenario, ihn wieder alleine zurücklassen zu müssen. Es musste an den immer noch nicht abgeschalteten Schuldgefühlen liegen.

Noch immer stand sie vor der unüberwindbaren Festung, wartete vergebens.

Er beschämte sie.

Wie eine Bettlerin, die um Almosen bat, kam sie sich vor, und nicht mal Abfälle wurden ihr von den Zinnen der Burgmauer heruntergeworfen. Gar nichts.

Dann wurde sie mit einem Mal wütend.

Wieso machte sie sich immer klein wie ein Mäuschen, wenn er sich so aufführte?!

Noch länger brauchte sie sich nicht dem stummen Spott des Despoten aussetzen, der sich hinter den Schlossmauern verbarg und sie mit Verachtung strafte!

Arianes Augenbrauen zogen sich zusammen. „Hast du fertig geschmollt?“

Erik starrte sie an. „Was?“

Ariane entzog ihm ihre Beachtung, sah ihn nicht mal mehr an und verärgerte ihn damit noch mehr. Aber das war ihr so was von egal!

Verstimmt rupfte sie sich Zuckerwatte ab und stopfte sie sich in den Mund.

Erik indes hörte nicht auf, sie anzustarren, als könne er sie dadurch zwingen, etwas zu sagen. Am liebsten wäre er aufgestanden und gegangen.

„Sagt diejenige, die keine rosa Zuckerwatte kauft, weil sie für Barbie gehalten werden könnte.“

„Wenigstens führe ich mich nicht wie eine Diva auf, wenn man mir etwas sagt, das mir nicht passt.“, gab sie zurück.

„Nein, du versteckst dich hinter Glasvitrinen.“

Ariane hielt inne und rief sich ins Gedächtnis, wie sie auf der Jubiläumsfeier der Finster GmbH versucht hatte, sich vor Erik zu verbergen.

Automatisch prustete sie.

Ebenso automatisch grinste auch Erik breit. Die Erinnerung an die Szene war zu komisch. Damals als sie sich das erste Mal versöhnt hatten.

Es war nur fünf Wochen her, aber es schien wie ein Jahr.

Von vorne sah Erik in diesem Moment auch schon die anderen nahen, die nicht minder vergnügt aussahen.

[…]

„Das müsst ihr unbedingt auch fahren!“, verkündete Vivien den beiden auf der Bank Sitzenden.

„Gut.“, sagte Erik und stand auf. „Ich muss nur vorher kurz was besorgen. Ihr könnt euch ja schon anstellen.“

„Das hättest du doch eben schon tun können.“, warf Ariane ihm vor.

Als Antwort nahm Erik seinen Teddy, den er zuvor noch als unantastbar deklariert hatte, und setzte ihn ungeniert Ariane auf den Schoss.

Sein verschlagenes Grinsen sprach Bände.

Ariane hätte ihm gerne wütend nachgeschaut, aber ihre Mundwinkel hatten in Eriks Nähe ein Eigenleben entwickelt.

[…]

„Okay.“, sagte Vivien leichthin. „Ich lasse dich nicht mehr mit ihm alleine.“

Leicht skeptisch sah Ariane sie an. „Ich meinte, dass du solche Situationen nicht extra einfädeln sollst.“

Freudig strahlte Vivien sie an. „Du willst also schon mit ihm alleine sein?“

„Nein!“, fuhr Ariane sie an.

Vivien zuckte mit den Achseln. „War ja nur ne Frage.“

 

Kapitel 63 Ablenkungsmanöver

Ariane wirkte unerwartet verschüchtert. „Aber es macht mir Angst, wenn er etwas von mir wissen will.“

Ernst sah Justin sie an. „Warum?“

Weil er mich einmal fast geschlagen hätte, wollte Ariane jetzt nicht antworten. Außerdem war es damals nicht um Secret gegangen. Andererseits war das wohl keine Entschuldigung.

Aus der Skepsis auf Justins Gesicht wurde Besorgnis. Seine Stimme klang sanft. „Denkst du, er würde dir etwas antun?“

Ariane begegnete Justins Blick verstört und wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden und sie nichts dagegen unternehmen konnte.

Sie wollte das vor den anderen nicht zugeben. Niemals! Aber als Erik sie so angesehen hatte – sie hatte solche Angst gehabt.

Ariane hielt sich den Mund zu, um ein Schluchzen zu unterdrücken, doch sie schaffte es nicht.

„Ich weiß nicht.“, presste sie hervor. „Ich weiß nicht.“ Sie hätte es so gerne gewusst.

Wieso sagte sie so etwas?! Erik war doch niemand, der einem etwas antat!

Aber…

Wieder schoss ihr sein damaliger Gesichtsausdruck durch den Kopf, die gewaltbereiten Augen.

Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, wie um damit die Gedanken fortwischen zu können.

„Er hat Angst.“, drang es aus ihrem Mund. „Schreckliche Angst.“

Sie schlang ihre Arme um sich, wie um sich selbst Halt zu geben.

Eriks hilfesuchende Umarmung. Er hatte gezittert.

Arianes Blick fuhr wieder auf. „Was, wenn ich ihm nicht helfen kann?!“ Ihr Gesicht zeugte von innerer Qual.

Justin legte ihr ganz sachte die Hand auf die Schulter. „Das ist auch nicht deine Aufgabe.“ Seine Stimme war so weich und tröstend wie Honig.

Ariane sah ihn kurz wortlos an, dann ließ sie den Kopf leicht sinken. „Ich will ihn beschützen.“

„Ich weiß.“ Seine Stimme legte sich wie heilender Balsam auf ihre aufgepeitschte Seele. „Aber es hilft Erik nicht, wenn es dir schlecht geht.“

Seine Worte schienen auf magische Weise die Schwere von ihren Schultern zu nehmen. „Wir können niemand anderen beschützen. Nur uns selbst.“

Empörung schoss in Ariane hoch. Der Gedanke, dass ihr Beschützer-Dasein völlig sinnlos war, wenn sie nicht schützen könnte, was ihr wichtig war, nahm für einen Augenblick ihr ganzes Wesen ein.

Kurz wollte sie Justin anschreien, ihm lauthals widersprechen, aber… sein Blick war so voller Mitgefühl und Verständnis – als spräche er eine tiefe Wahrheit aus – dass die beruhigende Stille jenseits seiner Augen auf sie überging.

Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und etwas Aufforderndes blitzte darin auf. „Bist du bereit, das zu tun?“

Ariane nickte entschieden, als hätte er dadurch ihren Kampfgeist wiedererweckt.

Sie lächelte mit neuer Energie. „Ich besorge uns ein Alibi!“

Mit diesen Worten lief sie los, um ihre Tarnung zu untermauern.

 

[…]

Noch immer mit Furchen auf der Stirn streckte er plötzlich seine linke Hand aus und hielt ihr eine weiße Plastiktüte entgegen, als wolle er ihr mit dem Inhalt drohen.

„Für dich.“, knurrte er.

Arianes Augenbrauen zuckten für einen Moment – unsicher, ob sie ihre Position ändern und aus dem besorgt skeptischen Gesichtsausdruck einen anderen machen sollten.

Schließlich wurde ihre Mimik gefasst und sie nahm die Tüte entgegen, hochkonzentriert und bereit, mit allen Schrecknissen umzugehen, die ihr aus der Tüte entgegenkommen wollten.

Mit bedachter Bewegung zog sie etwas Rosafarbenes aus der Tüte hervor.

Verwundert faltete sie es auf, um zu erkennen, dass es sich dabei um ein T-Shirt handelte.

Gerade wollte sie protestieren, als sie den Aufdruck genauer betrachtete. Ihre Augen wurden groß. Auf der Vorderseite waren bedeutende Daten der Weltgeschichte von 1700 bis 1900, auf der Rückseite von 1900 bis heute abgedruckt. Ein unwillkürliches Strahlen nahm ihre Gesichtszüge ein.

Sie hob den Blick und … – ihre Mundwinkel senkten sich abrupt wieder.

„Es ist rosa.“, sagte sie so distanziert und desinteressiert sie nur konnte.

„Ich wollte mit Edding noch groß Geschichts-Barbie draufschreiben.“, meinte Erik, immer noch etwas übellaunig. 

Ariane wollte ihn böse anschauen, doch sie freute sich zu sehr, um es noch länger zu verbergen.

Sie lächelte Erik so überglücklich an, dass sie, ohne es zu wissen, jeden seiner Gedanken an mysteriöse Schmerzen endlich vergessen machte.

 

Kapitel 68 Läuterung

Entschlossen legte sie Erik beide Hände auf und schloss die Augen.

Aufgrund ihrer Besorgnis war sie so aufgewühlt, dass sie erst wieder den Zugang zu dem Frieden in sich finden musste.

Jedes Mal wenn sie sich zur Eile antrieb, entfernte sie sich wieder von der Quelle, an deren Ursprung sie gelangen musste.

Sie versuchte durch langsameres Ausatmen ihre Nerven zu besänftigen.

Schließlich fühlte sie die beruhigende Energie von ihrem Inneren über ihre Arme und Hände bis in ihre Fingerspitzen strömen und ließ sie ungehindert in Eriks Körper fließen.

Etwas Unangenehmes durchfuhr sie.

Gänsehaut. Was -? Das fühlte sich schrecklich an!

Nein, sie durfte nicht aufhören!

Und wenn sie Schmerzen erleiden müsste! Sie würde nicht aufhören!

Noch mehr ihrer Kräfte wirkten auf Erik ein.

Auch von dem immer bedrückender werdenden Gefühl, das sie befiel, ließ sie sich nicht aufhalten. Sie schüttelte es ab, konzentrierte sich auf die beruhigende Energie.

Abrupt wickelte sich etwas Unsichtbares um ihren Körper und –

„Zur Seite, bitte!“ Zwei Sanitäter kamen herbei.

Ariane musste von Erik ablassen, auch Serena wurde weg gescheucht.

Im gleichen Augenblick drang ein Husten aus Eriks Mund, als müsse er erbrechen.

 

[…]

Seine Muskulatur verkrampfte sich.

Im gleichen Moment hörte er Arianes besorgte Stimme seinen Namen sagen und spürte eine sachte Berührung an seinem Arm.

Überstürzt riss er sich von ihr los und warf ihr einen feindseligen Blick zu, als unterstelle er ihnen, ihn boswillig an seinem Verstand zweifeln zu lassen.

Getroffen wich Ariane zurück. Alles an Erik drückte eine solche Abscheu vor der Wahrheit aus, dass es ihr die Brust zusammenschnürte.

 

[…]

Scheu linste Ariane zu ihm hinüber. „Erik?“

Er gab ein Brummen von sich, das bestätigte, dass er sie gehört hatte.

„Soll ich mit dir zum Arzt gehen?“

Jetzt erst drehte Erik ihr sein Gesicht zu. Hätte er nicht so abgekämpft ausgesehen, wäre sein Ausdruck wohl als spöttisch zu bezeichnen gewesen.

Auch seine Stimme hatte kaum noch die Kraft seiner höhnischen Bemerkung den richtigen Klang zu geben. „Willst du mit mir zur Leibesvisitation?“

Ariane schaute, als würde sein Kommentar sie mehr langweilen als ärgern.

Beide wandten sich ab und schwiegen, bis der Wagen Arianes Zuhause erreicht hatte.

 

Kapitel 69 Geschlagen

Erik erkannte auf seinem Handydisplay, dass er eine Mitteilung erhalten hatte.

Zu seiner Verwunderung stammte sie von Ariane.

Es ist komisch, wenn du nicht da bist.

Die anderen vermissen dich.

Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen beim Lesen dieser wenigen Worte. Er wollte ihr antworten, ob wirklich nur die anderen ihn vermissten, doch dazu kam er nicht.

[…]

Ariane kontrollierte zum x-ten Mal ihr Handy. „Er hat immer noch nicht geantwortet.“

Dabei hatte sie sich ewig überlegt, was sie ihm schreiben sollte. Sie hatte sich zusammenreißen müssen, ihm nicht zu offenbaren, wie viel Sorgen sie sich machte, denn das hätte sicher wieder sein Misstrauen geschürt.

Dennoch war es irgendwie peinlich gewesen, ihm diese Nachricht zu schicken.

 

[…]

Zur zweiten Englischstunde traf Erik mit einer Bescheinigung seines Arztbesuchs in der Schule ein.

Beim Eintreten schenkte er Ariane ein kurzes selbstsicheres Lächeln, auf das sie ungewohnt positiv reagierte, wie Vitali fand. Sonst schien sie immer wütend zu werden, wenn Erik seine Selbstüberzeugung zur Schau stellte. Warum auch immer.

[…]

In der Pause forderte Vitali Erik dazu auf, sich zu den anderen zu stellen.

Erik stöhnte widerwillig, erhob sich aber prompt. Vitali wusste, dass er das nur tat, um cool zu wirken.

Außerdem hatte Ariane so eindeutig zu ihnen rübergesehen, dass es offensichtlich war, dass sie mit Erik reden wollte. Wie Vitali sie kannte, hatte sie sich einfach nicht die Blöße geben wollen, vor ihren Klassenkameraden zu Erik zu gehen.

Diese beiden mussten ja auch immer einen auf unnahbar machen, als würde ihnen ein Zacken aus der Krone fallen, wenn sie offen zeigten, dass sie einander mochten. Und dabei taten sie immer so schrecklich erwachsen. 

Erik zögerte nicht, das Wort an Ariane zu wenden. „Ich konnte dir nicht früher antworten, weil ich untersucht wurde.“ Ariane sah ihn kurz verwundert an. „Du hast es wohl noch nicht gesehen.“

„Kein Problem.“, antwortete sie hastig.

Vermutlich war Eriks Nachricht erst nach Unterrichtsbeginn bei ihr angekommen. Und Ariane war einfach viel zu sehr Musterschülerin, um in Anwesenheit einer Lehrkraft ihr Smartphone zu checken.

Dann bemerkte Vitali, dass Ariane geradezu verlegen schaute und erkannte bei einem Blick zu Erik, dass dieser sie anlächelte. Nicht provokativ oder amüsiert wie sonst, sonden einfach ehrlich.

Wow, das war neu. Vielleicht hatte der Arzt Erik ja irgendwas gespritzt.

 

Kapitel 78 Höhle – Die letzte Zuflucht

„Sie bringt uns um, bevor wir sie erreichen!“, begehrte Change auf.

Erik glaubte, sich verhört zu haben. Eine solche Aussage ausgerechnet von Change, der ihn am liebsten verschlagen hätte, als er gesagt hatte, sie müssten Serena im Schatthenreich zurücklassen!

Erik stockte, geschockt von seinem eigenen Gedanken.

Er hielt sich den Kopf.

Ihm kam das Szenario so seltsam bekannt vor, wie ein Déjà-vu. Wie ein Traum, den er schon einmal gehabt hatte.

Ein Traum, in dem Serena versucht hatte, sie zu töten, und er das nicht hatte hinnehmen wollen. Sie alle waren da gewesen. Sie waren da gewesen und hatten die gleichen Anzüge getragen. Wie oft hatte er schon von ihnen geträumt?

Desire, die nach hinten durch einen Spiegel geschleudert wurde. Serena tot am Boden, halbtot, eine Träne. Er hatte sie retten wollen. So wie er sie jetzt retten wollte.

„Keiner wird zurückgelassen.“

Die Beschützer stockten, als sie die gefühlsneutrale Stimme die Worte sagen hörten, die damals Trust gesprochen hatte.

„Secret…“

Als Desire seinen Namen aussprach, schien sich Realität und Fiktion zu vermengen. Ob es Wahn war oder die Logik eines Traums: Er war Secret.

So sicher, wie er vor ihnen stand, auch wenn er sie nicht sehen konnte.

Diese unvorhergesehene Gewissheit verwirrte ihn für einen Moment.

Er war Secret. Das war so logisch. Und in dieser Dunkelheit schien Erik Donner nicht mehr zu existieren, als habe er ihn hinter sich gelassen.

„Lasst uns gehen.“, befahl Secret.

[…]

„Nehmt euch an den Händen.“, empfahl Trust.

Desire ergriff Changes Hand und streckte ihre Linke in die Schwärze. „Secret?“

Eine Sekunde zögerte er, wusste nicht, ob es wirklich richtig war, auf diesen Namen zu reagieren. Seine Meinung änderte sich alle paar Sekunden.

Auf einmal hatte er das Gefühl weder Erik, noch Secret zu sein, gar nicht mehr zu wissen, wer er war. Namenlos.

Mein Name ist geheim.

Ihm wurde schlecht bei dem Satz.

Diese fremden und so eigenartig vertrauten Gedanken machten ihm Angst. Als würde er damit auf ein schreckliches Geheimnis stoßen, etwas Entsetzliches aufdecken, das in ihm begraben lag. Wie ein Kampf mit sich selbst.

Sein Zögern hatte Desire offenbar verunsichert, denn sie wiederholte ihren Aufruf. „Erik?“

„Ich weiß nicht, wer.“, antwortete er.

Desires sanfte Stimme ließ ein Lächeln erahnen. „Ist nicht so schlimm. Lass nur nicht los.“

 

[…]

Desire, die zwischen den beiden eingekeilt war, unterbrach sie: „Wie wäre es, wenn ihr hintereinander lauft.“

Sie hörte Eriks Grinsen aus Secrets Stimme heraus. „Hast du mir nicht eben noch gesagt, ich dürfe dich nicht loslassen?“

Desires Stimme blieb gelassen. „Hast du nicht eben noch gesagt, dass du nicht wüsstest, wer du bist? Du klingst eindeutig nach Erik.“

Hinter ihr ertönte ein Lachen.

 

-----------3. Band------------

Kapitel 82 Halloweenparty

„Ich bin nicht Aschenputtel. Ich bin die gute Fee!“, betonte Ariane und zog ihren Zauberstab wie eine Dienstmarke, die sie Vitali vor die Nase hielt. Erst anschließend fiel ihr Erik auf.

Er trug einen edlen schwarzen Anzug mit weißer Fliege. Seine rechte Gesichtshälfte war halb mit einer Maske verdeckt, die seinen Mund aussparte. Auf diesem lag ein undeutbares Lächeln.

[…]

Das Phantom machte mit seinen weiß behandschuhten Händen eine höfische Geste wie um sie zu grüßen. Ariane antwortete mit einem leichten Hofknicks und lächelte.

[…]

Wieder fiel ihr auf, dass Eriks Blick auf ihr ruhte.

„Was ist?“, fragte sie in seine Richtung. Seine Aufmerksamkeit war ihr unangenehm.

„Ich dachte, Aussehen wäre dir egal.“, sagte er mit spöttischem Unterton.

Seine Worte trafen sie. Ihr wurde wieder bewusst, was Leute über sie dachten, wenn sie sich so herausputzte.

Sie wandte sich ab.

Erik wunderte sich einen Moment lang darüber. Er war davon ausgegangen, dass sie seiner Bemerkung mit einer schlagfertigen Antwort begegnen würde. Doch offenbar hatte er einen wunden Punkt getroffen.

Kurz drehte er sich zu den anderen. Doch diese schenkten Arianes Reaktion keine Beachtung. Daher wandte er sich mit betont spielerisch provokativer Stimme nochmals an Ariane:

„Seit wann will denn die gute Fee auf den Ball?“

Seine Worte erfüllten ihren Zweck.

„Seit das Phantom seine Oper verlässt.“, antwortete sie spitz.

Ihr Konter ließ ihn schmunzeln.

 

Kapitel 83 Tanz mit dem Phantom

Sachte schob sie den Riegel zurück und öffnete einen Spalt breit.

Schlagartig schoss eine Hand vor und packte die Tür.

Reflexartig wollte Ariane die Tür wieder zu ziehen, aber die andere Kraft war zu stark.

Erik rückte in ihr Blickfeld. Er hatte sich neben der Tür versteckt gehabt und machte nun ein Schließen der Tür unmöglich.

„Du willst doch wohl nicht meine Hand einklemmen.“, meinte er lässig.

„Dann lass los!“

„Hatten wir das nicht schon einmal?“

Ariane unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, dass diese Tür nach außen geöffnet wurde, während ihre Haustür, bei der der letzte Streit zwischen ihnen stattgefunden hatte, sich nach innen öffnen ließ, sodass sie dieses Mal ziehen statt drücken musste.

„Ich will nicht, dass du reinkommst.“, sagte Ariane, ohne ihn anzusehen.

Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, dann bemerkte sie eine Bewegung und sah, dass er die Hand weggezogen hatte.

Für einen Moment starrte sie ihn an. Er schien nicht länger vor zu haben, sie am Schließen der Tür zu hindern.

In der nächsten Sekunde, ließ seine zweite Hand den Türgriff los, so dass Ariane automatisch die Tür zu zog, da sie mit dem plötzlichen Ablassen der gegnerischen Kraft nicht gerechnet hatte.

Einen Augenblick lang stand sie da, den Türgriff umfasst.

Einem Teil ihres Verstandes war klar, dass es nur konsequent war, nun den Riegel vorzuschieben.

Aber sie hörte nicht auf diesen Teil.

Es kam ihr lächerlich vor.

Sie ließ von der Tür ab und ging hinüber zum Sofa, wo sie sich in das Polster fallen ließ, ohne weiter darüber nachzudenken.

Vielleicht wollte sie wissen, was jetzt passieren würde, wollte abgelenkt sein.

Nein.

Sie wollte einfach nicht denken.

 

Erik hatte den Laut, den der Riegel hätte erzeugen müssen, nicht gehört. Er wartete einen weiteren Moment ab und fragte sich, ob es richtig war, zu ihr zu gehen. Aber sie hatte nicht verzweifelt gewirkt. Sie hatte sogar die Kraft besessen, ihm Paroli zu bieten, ohne in Tränen auszubrechen.

Ariane war nicht wie Serena.

Solch ein Spiel hätte er mit Serena nicht veranstaltet. Aber Serena hätte sich gegen seine Anwesenheit auch nicht so gesträubt.

Zögerlich umfasste er den Türgriff.

Er hatte bei dem kurzen Blick auf Ariane ihre verweinten Augen gesehen. Ihre Wimperntusche und ihr Augen-Make-up waren verlaufen. Ihr Haar war von etwas verklebt. Er ging davon aus, dass es sich um Bowle handelte, da diese augenscheinlich auch ihr Kleid ruiniert hatte.

Er musste herausfinden, was geschehen war, ohne sie zu fragen.

Er drückte den Türgriff nach unten und zog die Tür auf.

Ariane saß auf dem Sofa auf der rechten Seite des Raums. Gegenüber stand eine weitere, farblich nicht passende Couch. Zwischen den beiden Möbelstücken befand sich ein niedriger Tisch. Das hintere Ende des Raums wurde von mehreren Tischen und Stühle eingenommen, an denen man seine Schulaufgaben erledigen konnte. Rechts neben der Tür war ein Waschbecken mit Spiegel angebracht, links fanden sich mehrere Kleiderhaken.

Erik schloss die Tür hinter sich mit einem dumpfen Laut und schob den Riegel wieder vor.

Er wollte nicht, dass die anderen doch noch auf die Idee kamen, sich einzumischen.

Ariane sah noch immer nicht in seine Richtung und schien auch das Schließen des Riegels nicht als Anlass zu einem Kommentar zu nehmen.

Erik ging langsam zu ihr, seine Lederschuhe klackten auf dem Holzboden. Etwas abseits von ihr ließ er sich auf die Tischplatte sinken. Kurz warf er einen Blick auf sie, dann wandte er sich ab.

Für einen Moment saßen sie schweigend da. Nur das leise Ticken einer Uhr im hinteren Teil des Raums war zu hören.

„Willst du nicht fragen?“

Er glaubte, einen bitteren Unterton aus ihrer Stimme heraushören zu können. So als erwarte sie, seinen Spott zu ernten.

Dass sie das annahm, bestürzte ihn. Er antwortete nicht.

Ariane schnaubte zynisch. „Sehe ich so erbärmlich aus, dass du dich nicht traust?“

Mit einem Mal sprang Erik auf und schlug mit der Hand gegen die Wand hinter ihr. Nun stand er direkt über sie gebeugt und sah aufgebracht zu ihr herab.

„Als wäre dein Aussehen wichtig!“, donnerte er.

Sie sah verwirrt zu ihm auf.

Erik nahm die Hand von der Wand und trat einen Schritt zurück, ohne sie anzusehen. Er holte Atem und sprach mit sachlicher Stimme:

„Warum habe ich noch nie gesehen, dass etwas an dir nicht perfekt gestylt war? Warum gibt es keinen einzigen Moment, in dem du nicht so aussiehst, als könntest du direkt zu einem Fotoshooting gehen?“

Ariane starrte ihn an, als habe er ihr eine Ohrfeige verpasst. Ihre Haltung war jäh aufrecht, als sei ihre Würde das Letzte, das ihr geblieben war.

Sie erinnerte ihn an eine Königin vor ihrer Hinrichtung. Und offenbar wartete sie nur auf seinen Richterspruch.

Erik atmete aus und setzte sich wieder. „Warum hast du dich hier eingesperrt? Er sah sie an. „Weil du zur Abwechslung mal nicht perfekt aussiehst?“

Abrupt fuhr Ariane auf und Erik konnte gerade noch ausweichen, ehe sie ihm eine Ohrfeige verpassen konnte.

„Du weißt nichts! Gar nichts über mich!“

Er konnte plötzliche Tränen in ihrem stolzen Gesicht auffunkeln sehen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich hektisch, sodass sie schließlich den Blick abwandte und sich zu beruhigen suchte.

Sie blinzelte und eine Träne löste sich aus ihren Augen, woraufhin sie ihr Kinn reckte und nach oben sah, wie um weitere Tränen davon abzuhalten, ihrem Inneren zu entkommen.

Erik sah sie geschockt an.

Stockend brachte sie Worte hervor. „Weißt du, die Leute haben mir immer wieder gesagt, wie ich bin.“ Sie musste schlucken, um weiterzusprechen. Sie befeuchtete ihre Lippen und schnappte nach Luft, die sie vorsichtig wieder ausatmete.

„Ariane, du bist hübsch, Ariane, du bist schlau, du bist eine Prinzessin, du hast ein gutes Herz. Ich habe ihnen geglaubt.“

Wieder sah er ihre Augen neue Tränen bilden.

„Dann wurde ich älter und die Leute sagten. Ariane, du bist hübsch, Ariane, du bist eingebildet, Ariane, du bist nur auf dein Äußeres aus und nichts weiter.“ Sie gab sich nicht länger die Mühe, die Tränen zu verstecken. „Du bist oberflächlich. Und ich“ Sie schnappte nach Luft „habe ihnen geglaubt.“

Sie schniefte und atmete nun durch den Mund. Tränen rannen ihre Wangen entlang.

Für einen Moment biss sie sich auf die Unterlippe und schloss die Augen. Sie sog Luft in ihren Mund und erzeugte dabei ein kaum hörbares Geräusch. „Du fragst mich, warum ich immer perfekt gestylt bin? Warum wohl?“

Sie sah ihn nun erstmals wieder an. „Das einzige,“ Sie musste erneut Atem holen, ihre Augen wurden von neuen Tränen überschwemmt. „das ich habe, ist doch mein Aussehen.“

Wieder liefen ihre Augen über, dieses Mal gefolgt von ihrer Nase. Schnell wischte Ariane es weg und griff nach dem Bündel Papiertücher, das sie wohl schon zuvor für solche Fälle bereitgelegt hatte. Sie schnäuzte sich.

„Noch nie hat irgendwer etwas anderes gesehen als mein Aussehen.“, schluchzte sie und kniff die Augen zusammen.

Erik erhob sich. Er berührte ihre Schulter. „Wie kannst du so was sagen?“

Ariane weinte.

Ich sehe dich nicht so, Vivien und die anderen sehen dich nicht so.“

Sie schluchzte und nahm die Hände vors Gesicht. „Ich habe nie etwas gemacht, dass die Leute mich arrogant finden könnten. Aber sie tun es trotzdem. Alle denken, ich sei so selbstverliebt.“ Ihre weinerlichen Atemgeräusche konnte sie nicht unterdrücken. „Ich habe doch nie etwas gemacht.“ Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und sah Erik dann mit einem Mal stumm an.

Erik wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, erst als ein bitteres Lächeln auf ihren Lippen erschien, begriff er ihre Gedanken.

Er hatte sie am Anfang genauso behandelt – wie jemand, der an ihr nur das schöne Gesicht sah und sie für oberflächlich hielt.

Die Erkenntnis traf ihn.

Ihre Stimme war jäh ruhig. „Wenn ich mein Aussehen nicht mehr habe, dann habe ich gar nichts mehr.“

Erik fühlte die Worte wie einen Schlag in den Magen. Er erinnerte sich an das Gefühl, das er gehabt hatte, als er sein altes Selbst im Spiegel gesehen hatte.

Er nahm die Hand von Arianes Schulter.

„Willst du dich selbstbemitleiden?“

Ariane reagierte nicht.

„Glaubst du, was diese Leute sagen?“

Wieder keine Reaktion.

„Indem du das denkst, tust du was diese Leute wollen! Du bist nicht mehr du selbst, sondern was sie in dir sehen.“ Erik versuchte einen Blick auf ihr gesenktes Gesicht zu werfen. „Du bist nicht das, was andere in dir sehen, sondern das, was du selbst siehst.“

Wieder lachte Ariane bitter und hob ihren Blick. „Wie kann es sein, dass so viele Menschen falsch liegen und ich richtig?“

„Weil diese Menschen dich nicht kennen. Ich kenne dich.“ Er sah sie entschieden an. „Du bist stolz und willensstark, wirklich stur und reagierst oft empört. Aber du bist nicht arrogant.“ Er schnaubte spöttisch: „Wenn du noch bescheidener wärst, hättest du Minderwertigkeitskomplexe.“

Mit seiner behandschuhten Rechten berührte er ihre Wange und strich über den Bereich unterhalb ihrer Augen, wie um Tränen hinfort zu wischen.

Die verschmierte Wimperntusche verfärbte seine weißen Handschuhe.

Er senkte seine Lautstärke. „Und offenbar hast du die.“

Ariane packte seine Rechte und schob sie grob von ihrem Gesicht weg, vergaß dann jedoch sie wieder los zu lassen. Er drückte ihre Hand.

„Sagst du das auch nicht nur, um mich zu trösten?“

„Doch natürlich.“, gab er locker zurück.

Ariane warf ihm einen empörten Blick zu.

Sein Ausdruck wurde wieder sanft. „Wir sind alle ein bisschen eingebildet. Vielleicht nur, um nicht zu zeigen, wo wir verletzlich sind.“ Er lächelte, dann wechselte sein Gesichtsausdruck erneut und er schmunzelte amüsiert. „Wir sind uns ähnlicher als du glaubst.“

Ariane brauchte einen Moment, um zu begreifen, worauf er hinaus wollte. Erwartungsvoll sah er sie an, als warte er auf ihren Einsatz. Schließlich erinnerte sie sich, dass sie ihm etwas Ähnliches damals auf der Jubiläumsfeier der Finster GmbH gesagt hatte, als sie sich das erste Mal normal unterhalten hatten. Was hatte er darauf entgegnet?

„Das heißt wohl, dass ich dir jetzt vertrauen soll.“, rezitierte sie schließlich.

„Das erwarte ich.“

Ariane stockte. Sie war sich sicher, dass sie damals gesagt hatte, dass sie das nicht erwartete.

Erik lächelte weiterhin sanft und hielt noch immer ihre Hand.

Ariane wurde mit einem Mal bewusst, dass sie allein in diesem Raum waren.

Sie wusste nicht, wieso ihr das gerade jetzt kam, und wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Es war ein komisches Gefühl. Gerade so, als wäre es verfänglich, auf sein Lächeln ihrerseits mit einem Lächeln zu reagieren.

Ihr war seltsam zumute und sie getraute sich nicht, seinen Blick zu erwidern oder irgendetwas zu tun. Sie schrumpfte in sich zusammen.

„Was ist?“ Noch immer klang seine Stimme so zärtlich, dass sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Hätte er sie nicht wieder ärgern können?

Sie wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. Ihr Herz pochte und pumpte zu viel Blut in ihren Kopf.

Er beugte sich zu ihr. „Alles okay?“

Ariane nickte eilig und wollte, dass er sich wieder entfernte. Sie hatte doch gar keinen Alkohol getrunken, dennoch hatte sie den Eindruck, dass ihr etwas zu Kopf stieg.

„Ariane…“

Ihr ganzer Körper war angespannt bei dem Hauch seiner Stimme.

„… die anderen warten sicher.“

Eilig hob sie den Kopf. „Ja.“ Hastig lief sie an Erik vorbei, sodass er ihre Hand loslassen musste. Sie eilte auf die Tür zu.

Eriks Stimme folgte ihr nach. „Willst du dein Handy und deine Schuhe hier lassen oder soll das eine Aschenputtel-Aktion werden?“

Ariane stoppte, stapfte zurück, packte die Pumps ihrer Mutter, das Handy, ihre Handtasche und die benutzten Papiertücher. „Soweit ich weiß, braucht man dazu einen Prinzen.“, gab sie zurück.

Erik lachte.

Empört drehte sich Ariane um, warf die Papiertücher in den Papierkorb und lief zur Tür.

Sie wollte sie gerade entriegeln, als Erik von hinten eine Hand auf die Tür vor ihr legte.

„Das Phantom bittet um einen Tanz.“, flüsterte er neben ihrem Ohr.

Verständnislos drehte sie sich zu ihm und fragte ihn mit einer Bewegung ihrer Schultern und Arme, ob er hier drinnen tanzen wolle.

„Nicht hier drinnen.“, sagte Erik und schob den Riegel zurück. „Da kann dich ja gar niemand sehen.“

Sein Grinsen war jetzt wieder so diabolisch wie sie es kannte.

 

[…]

„Wenn du willst, gehen wir.“ Es gelang ihm nicht, seine Stimme so klingen zu lassen, als meine er es ernst. Er wusste, dass er Ariane damit unter Druck setzte, so als verbiete er ihr, seine Erwartungen zu enttäuschen.

Ariane warf ihm einen zweiflerischen Blick zu. „Glaubst du, ich warte auf deine Erlaubnis?“

„Du hast gerade so geschaut!“, rief Erik und kam sich im gleichen Moment vor, als würde Vitalis Verhalten auf ihn abfärben.

Seit wann benahm er sich trotzig? Er gab Ariane die Schuld daran. Mit ihrem unvorhersehbaren Verhalten brachte sie einen völlig aus dem Konzept.

[…]

Erik begleitete sie zur Garderobe und reichte ihr beim Herauskommen den Arm. „Ich hoffe, du hast den Tanz nicht vergessen.“

„Nein.“, sagte Ariane mit hoch erhobenem Haupt.

Er wusste beim besten Willen nicht, wie sie einmal so eingeschüchtert und im nächsten Moment so beeindruckend stark sein konnte.

Sie lächelte ihn keck an.

[…]

„Dann bin ich halt der Geist einer ermordeten guten Fee.“, lenkte Ariane widerwillig ein, damit die anderen endlich Ruhe gaben.

„Also ich fand das mit dem Gewissen ganz interessant.“, meinte daraufhin Erik.

Ariane gab ein genervtes Geräusch von sich, woraufhin er lachte.

„Ich vergesse das gleich mit dem Tanz.“, drohte sie.

„Glaubst du, ich habe es so nötig?“, fragte Erik.

„Ja.“, gab sie trocken von sich.

Er grinste. „Man kann ja auch nicht jeden Tag mit dem blutigen Gewissen einer ermordeten guten Fee tanzen.“

Ariane warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

Als sie endlich in der Aula ankamen und sich auf Eriks Drängen hin etwas weiter in die Mitte der Tanzfläche vorgekämpft hatten, endete die Musik. Der DJ machte eine Durchsage, dass das nächste Lied allen Pärchen gewidmet sei.

Ariane konnte nicht fassen, wie viel Pech sie an einem Tag haben konnte.

„Perfekt.“, sagte hingegen das Phantom an ihrer Seite. Zumindest glaubte sie das von seinen Lippen ablesen zu können, hier drinnen war es zu laut, als dass man einander ohne Weiteres verstanden hätte.

Erik verbeugte sich vor ihr und reichte ihr die Hand. Eine unmissverständliche Aufforderung.

„Hast du nicht gehört, das ist für Pärchen!“, rief Ariane, um dem zu entgehen.

Erik setzte ein verständnisloses Gesicht auf und deutete mit einer Geste an, dass er sie nicht hören konnte. Ariane war sicher, dass er sie sehr wohl verstanden hatte.

Um sie herum stand eine Vielzahl an Leuten. Die Tanzfläche war voll und man hatte nicht viel Platz, um sich zu bewegen. Sie sah zu den anderen.

Vivien hatte die Gelegenheit ergriffen, um Justin um diesen Tanz zu bitten. Dieser lehnte aber verlegen ab, woraufhin Vivien ihren Schmollmund einsetzte, bis Justin sich endlich überreden ließ.

Serena und Vitali indes waren offenbar noch immer mit Racheplänen beschäftigt. Anders konnte sich Ariane nicht erklären, dass die beiden sich so angeregt miteinander unterhielten, indem sie sich abwechselnd in die Ohren schrien und unheilvoll lachten.

Erik wartete noch immer darauf, dass sie mit ihm tanzte, und es gab offenbar nichts, was sie als Ausrede hätte benutzen können.

Ihr Blick schweifte nochmals über die Menschenmenge. Ihr fiel jetzt erst auf, dass viele bei diesem Lied nicht tanzten und stattdessen diejenigen beobachteten, die es taten.

Na großartig.

Sie konnte von Weitem ihr bekannte Gesichter erkennen und glaubte, auch Ruths Kostüm weiter hinten ausmachen zu können. Daraufhin zog sie den Kopf ein.

Sie wollte nicht gesehen werden.

Erik, der es offensichtlich leid war, auf ihre Reaktion zu warten, trat einen Schritt auf sie zu, ergriff ihre Handgelenke und legte ihre Arme um seinen Nacken.

„So tanzt man nicht!“, rief Ariane ihm ins Ohr.

Er beugte sich im Gegenzug ebenfalls zu ihrer Ohrmuschel „Pärchen schon.“

„Wir sind kein Pärchen!“

Sie hörte ein kehliges Lachen an ihrem Ohr.

Was sollte das bitteschön bedeuten?

Plötzlich wurde ihr heiß. Dummer Erik.

Er schlang seine Arme um ihre Taille, legte seine Hände auf ihren Rücken und schien nicht vorzuhaben, seinen Kopf wieder von ihrem zu entfernen.

Ungeschickter als für sie üblich folgte Ariane seinen Schritten.

Es war komisch, Erik so nahe zu sein.

Zumindest war es die Seite, mit der Maske, die er ihrem Gesicht zugewandt hatte. Aber das änderte nichts daran, dass der Geruch seines After Shaves und das Gefühl, seinen Körper zu berühren, wenn auch nur flüchtig, sie verwirrten.

Als Erik plötzlich sein Gesicht noch weiter zu ihrem Kopf hin drehte und sie seinen Atem an ihrem Ohr spürte, blieb sie abrupt stehen.

„Dein Haar“, hauchte Erik, „riecht nach Bowle.“

„Weil Bowle darin klebt!“, kreischte Ariane und amüsierte Erik damit einmal mehr. Fast hätte sie ihm vorgeworfen, unromantisch zu sein, als ihr auffiel, wie unpassend dieser Begriff war. Geradezu abartig! Sie schämte sich, dieses Wort überhaupt im Sinn gehabt zu haben. Sie drehte ihr Gesicht weiter von Erik weg und begann wieder zu tanzen, dieses Mal ohne sich unnötige Gedanken zu machen.

Eriks Worte gingen ihr durch den Kopf.

Sie hätte nie geglaubt, dass gerade er ihr in einer solchen Situation helfen könnte. Aber er hatte es getan.

Wenn Serena und Vivien zu ihr gekommen wären, hätte sie den Ball sofort dankbar verlassen. Sie hätte sich nie im Leben getraut, noch einmal die Aula zu betreten. Noch immer wusste sie nicht, woher sie die Kraft nahm.

Der Gesang des Liedes, das gespielt wurde, drang in ihr Bewusstsein.

 

You raise me up so I can stand on mountains.

Weil du mich aufrichtest, kann ich auf Bergen stehen.

You raise me up to walk on stormy seas.

Weil du mich aufrichtest, kann ich über stürmische Meere gehen.

I am strong when I am on your shoulders.

Ich bin stark, bin ich auf deinen Schultern.

You raise me up to more than I can be.

Weil du mich aufrichtest, bin ich mehr als ich es alleine sein kann.

 

Ariane seufzte und rief in Eriks Ohr ein „Danke“, zu dem sie sich von dem Liedtext genötigt gefühlt hatte.

„Dass ich mit dir tanze?“

„Nein.“

Erik wartete einen Moment. „Du magst es nicht, wenn man dir Komplimente zu deinem Aussehen macht.“

Ariane wusste nicht, worauf er hinaus wollte und ging ein Stück nach hinten, um sein Gesicht zu sehen.

Erik schien zu zögern, Er schüttelte kurz den Kopf, dann nahm er wieder seine Tanzposition ein. Offenbar hatte er nichts weiter zu sagen.

Erst nach weiteren Klängen des Liedes, bei denen sie aufgrund der Enge immer nur kleine Schritte gemacht hatten und wohl eher aussahen wie Blätter, die vom Wind hin und her bewegt wurden, kam sein Mund ihrem Ohr so nahe, dass er dieses Mal nicht schreien musste.

„Es ist nicht dein Aussehen, das dich schön macht.“

Ariane erfasste die Worte nicht sofort. Aber augenblicklich fühlte sie sich wieder verlegen.

Dieses Mal wehrte sie sich nicht, als Erik seinen Kopf gegen den ihren lehnte, stattdessen versuchte sie, das ungewohnte Gefühl in ihren Wangen zu ignorieren.

„Ich sehe dich.“, flüsterte Erik in ihr Haar, doch Ariane hörte die Worte sicher nicht, dafür war es zu laut. Es war auch nicht weiter wichtig.

Erik genoss den Moment.

 

Kapitel 89 Warnung und Secrets Rolle

„Was ihr in anderen bewirkt.“, wiederholte Erik und drehte sich mit unverhohlener Belustigung zu Ariane alias Desire.

„Ich heiße Wunsch! Nicht Verlangen!“, schimpfte Ariane empört.

Erik grinste anzüglich. „Wunsch nach was?“

Ariane warf ihm einen schmaläugigen Blick zu, der Erik dazu reizte zu lachen. Er begnügte sich jedoch damit, sich mit einem überbreiten Grinsen abzuwenden und sich die Hand vor den Mund zu halten.

 

[…]

Zu Arianes Überraschung schloss sich Erik ihr tatsächlich an, als sie sich von den anderen verabschiedete.

Seite an Seite machten sie sich auf den Heimweg.

Den ersten Teil der Strecke war Ariane allerdings nicht nach einem Gespräch zumute. Auch wenn Erik das alles wie ein Witz erschien, war sie sich der drohenden Gefahr allzu bewusst.

Auch der Gefahr, die Erik drohte.

Justins Blick während des Treffens war ihr im Gedächtnis geblieben, er war sehr nachdenklich gewesen und sie glaubte fast zu wissen, wieso.

Sie hatte sich schon öfter mit Justin darüber unterhalten, ob es nicht falsch war, Erik weiterhin anzulügen. Obwohl Justin stets das Wohl der Gruppe über das des einzelnen stellte, glaubte sie, einen immer größeren Zweifel an dieser Entscheidung bei ihm zu erkennen.

Vivien schien die einzige zu sein, die von ihrer momentanen Taktik überzeugt war. Und Vitali und Serena taten wie üblich einfach das, was Vivien sagte.

Aber hieß das nicht, dass es an der Zeit war, die Taktik zu ändern?

Sie konnte es nicht ein zweites Mal zulassen, dass ihm etwas zustieß!

„Darf ich dich etwas fragen?“, hob sie an, wartete aber gar nicht erst seine Antwort ab. „Fändest du es nicht besser, wenn wir Secret die Wahrheit sagen würden?“

Erik empfand es offenbar nicht einmal als nötig, ihrem Blick zu begegnen. Er lief einfach weiter. „Das wäre doch langweilig.“

Ariane war von seiner Interesselosigkeit oder Langeweile oder seinem Spott, sie konnte nicht genau ausmachen, was es sein sollte, geplättet.

„Ich meine es ernst! Wenn du Secret wärst, würdest du dann nicht wollen, dass man dir die Wahrheit sagt?“

Erik blieb nun doch abrupt stehen und wandte sich ihr zu. Sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Ob du mir die Wahrheit sagen sollst?“

Noch vor kurzem hätte dieser lauernde Blick sie aus der Fassung gebracht. Doch stattdessen hielt sie ihm stand. „Ja.“

„Warum hast du bisher nicht die Wahrheit gesagt?“, erwiderte er mit erbarmungsloser Miene.

„Weil… – Wir wussten nicht, ob es sicher ist.“, gestand Ariane kleinlaut.

„Hat sich daran etwas geändert?“

„Nein, aber…!“

„Bring dich nicht selbst in Gefahr.“ Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Er setzte sich wieder in Bewegung.

Ariane konnte es nicht fassen.

Sie eilte ihm nach und lief an seine Seite. „Secret ist keine Gefahr!“, schimpfte sie.

„Das weißt du nicht.“

„Wie kannst du so was sagen?!“

„Wie kannst du deine Freunde in Gefahr bringen?“, gab Erik barsch zurück.

„Du bist also dafür, dass wir Secret belügen?“

Erik blieb erneut stehen und sah sie bedeutungsvoll an. „Dafür habt ihr doch das Rollenspiel erfunden, oder?“

Seine Worte klangen tadelnd, geradezu wütend, als fände er es lästig, dass sie die ihr zugedachte Rolle immer noch nicht begriffen hatte. „Dadurch sagt ihr Secret die Wahrheit, ohne dass er es weiß.“

Mit fassungslosem Ausdruck starrte Ariane ihn an.

Zum ersten Mal verstand sie, welche Bedeutung Viviens Schachzug tatsächlich besaß.

Die ganze Zeit über hatte sie geglaubt, dass die Geschichte mit dem Rollenspiel nur ein Ablenkungsmanöver war, um die seltsamen Zufälle um Erik herum zu erklären. Nie war ihr in den Sinn gekommen, dass Vivien Erik damit die Möglichkeit gab, selbst auf die Wahrheit zu kommen.

Mehr noch: Vivien bereitete ihn dadurch langsam auf die Wahrheit vor, indem sie ihm eine Erklärung gab, ihn aber nicht zwang, diese sofort zu akzeptieren.

Im Gegensatz dazu hatte sie selbst immer nur darauf gepocht, Erik aufzuklären, ohne darüber nachzudenken, wie unmöglich ihm diese Geschichte erscheinen musste.

Vivien hatte so viel mehr Rücksicht auf Eriks Gefühle genommen…

Eriks Stimme brach in ihren Gedankengang ein.

Seine Tonlage war tiefer als sonst. Ob dies seinen Worten mehr Genervtheit oder distanzierte Belanglosigkeit verlieh, war ihr unmöglich zu entscheiden.

„Bedeutet dir Secret so viel?“

Sie wich seinem Blick aus. „Du magst das nicht verstehen, aber wenn man so etwas mit jemandem durchgemacht hat, dann hat man eine Verbindung.“, erklärte sie.

Die all die Zeit in ihr schlummernden, aber nicht vergehen wollenden Schuldgefühle erhoben sich aus ihrem Inneren wie eine Meute Leviathane.

„Ich hätte ihn nie dort zurücklassen dürfen…“ Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.

Einen Moment herrschte Schweigen.

Dann ergriff Erik abermals das Wort. „Dir sollten Figuren aus einem Rollenspiel nicht wichtiger sein als die Menschen vor deiner Nase.“ Abgrundtiefe Verachtung sprach aus seiner Stimme.

Ariane verspürte den Impuls ihn für diese Worte anzuschreien, doch beim Anblick seines Gesichts erstarrte sie.

Der intensive, feste Blick. Die grünblauen Augen. Wie er den Mund leicht verächtlich verzog, seine Konturen, die Stimme. Alles.

Der Secret, von dem sie sprach und an den sie dachte, stand in Fleisch und Blut direkt vor ihr.

Fast hätte eine Welle an Emotionen sie überrollt. Sie wollte ihm sagen, dass es ihr leid tat. Dass sie ihn nicht hätte zurücklassen dürfen. Sie wollte ihm alles sagen!

Aber das war nicht Secret.

Das Ganze war so verwirrend! Es war falsch zu denken, dass er es nicht war, und falsch zu denken, dass er es war.

Wo sollte sie bloß mit ihren Schuldgefühlen hin?

Sie wollte Secret vor Erik verteidigen und doch war das absurd.

„Mich hast du noch nie im Stich gelassen.“

Ariane horchte auf und sah in Eriks – Secrets Züge. Der Stich des schlechten Gewissens peinigte sie. Welche abartige Ironie doch in diesen Worten lag und er wusste es nicht einmal.

Ein melancholisches Mitleid mit seiner unwissenden Fehleinschätzung gemischt mit dem bitteren Geschmack ihrer anhaltenden Reue ließ ihre Züge einfallen.

Ohne Vorwarnung packte Erik sie plötzlich an der linken Schulter, dass sie es selbst durch ihre Winterjacke noch spürte, und sah sie durchdringend an.

Ariane wäre fast zusammengeschrocken.

Wäre er jemand anderes gewesen, hätte sie ihm einen automatisierten Schlag ins Gesicht verpasst, wie sie es in Selbstverteidigung gelernt hatte. Stattdessen blieb sie regungslos stehen und fing seinen Blick auf, um zu verstehen, was hier vorging.

Wortlos und unverwandt starrte er ihr direkt in die Augen, anstatt den Blickkontakt immer wieder kurz abzubrechen, wie es Anstand und Respekt geboten. Dieser intensive Augenkontakt hatte etwas Verstörendes.

So lange sah man jemanden nur an, wenn man sehr wütend auf diese Person war oder ihr sehr nahe stand.

Ich bin Secret!“, sagte er nachdrücklich. „Merk dir das.“

Seine Hand ließ von ihr ab. „Und komm nicht auf die Idee, für mich zu entscheiden.“ Er nahm wieder einen größeren Abstand zu ihr ein.

Wie angewurzelt stand Ariane da und musste seine Aussage erst einordnen.

Sie zog die Parallele zu dem, was er zuvor bei Serena zu Hause gesagt hatte.

Erik bestand darauf, selbst zu bestimmen, wer oder was er war. Er wollte sich nicht in eine Rolle drängen lassen und gesagt bekommen, wie er zu empfinden hatte. War er ihr darin nicht furchtbar ähnlich?

Und ausgerechnet sie hatte immer so getan, als wisse sie besser über Secrets Gefühle Bescheid als er!

‚Hör auf, dich zu entschuldigen.‘ Genau das hatte Secret ihr im Labyrinth gesagt, als sie ihn mit einer Tirade an Entschuldigungen belästigt hatte.

Sie hatte es nicht vergessen, auch nicht, als wie verletzend sie seinen Kommentar empfunden hatte.

Trotzdem hatte sie nicht davon abgelassen, ihn unbedingt um Verzeihung bitten zu wollen. Nicht nur das. Sie hatte sich auch noch eingebildet, Erik, der sich nicht mehr an die Geschehnisse im Schatthenreich erinnerte, sei derjenige, der die Situation falsch einschätzte, derjenige, der Secrets Gefühle nicht richtig beurteilen konnte, als wisse sie ganz genau, was er fühlen und denken musste.

Derweil hatte sich Erik zum Gehen gewandt, als sei die Diskussion für ihn beendet.

„Es ist grotesk, dass wir nur befreundet sind, weil ich Secret bin.“, sagte er hart.

„Das ist –“, entfuhr es ihr. Sie unterbrach sich.

Sie konnte nicht behaupten, dass das überhaupt nicht stimmte. Tatsächlich hätten sie sich wohl nicht miteinander angefreundet, wäre dieser Umstand nicht gewesen.

„Auch wenn du nicht Secret wärst“, begann sie, beendete den Satz aber nicht.

„Was?“

Ariane schaute säuerlich. „Gar nichts.“

Sie brauchte sich nicht die Blöße geben, ihm zu sagen, dass er ihr auf seine Weise näher stand als Secret.

Erik stöhnte entnervt, als führe sie sich kindisch auf.

Davon abermals verärgert schimpfte sie: „Erst beschwerst du dich, dass ich dich nicht als Secret sehe, dann dass ich dich nur als Secret sehe!“

„Ich beschwere mich überhaupt nicht.“, gab er barsch zurück.

„Tust du wohl!“

„Und du jammerst die ganze Zeit, wie sehr du Secret vermisst!“, fuhr er sie an.

„Ich vermisse ihn nicht. Ich –“ Sie hielt inne.

Wie sollte sie ihm denn bitteschön erklären, dass es für sie schwer war, einen Menschen mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten zu kennen und nicht zu wissen, wie sie damit umgehen sollte?

Sie konnte den Secret, den sie kennengelernt hatte, doch nicht einfach verdrängen. Aber Erik war für sie –

Er hatte für sie eine andere Bedeutung als Secret.

Secret hätte sie nur gerne noch einmal gesehen, um ihm zu sagen, dass ihr alles leid tat und dass sie ihn nicht hatte zurücklassen wollen. Das war alles.

Wenn sie gewusst hätte, dass es ihm gut ging, das hätte ihr gereicht.

Bei Erik war das anders. Er war jemand, den sie nicht einfach aus ihrem Leben gehen lassen wollte.

Schließlich sagte sie kleinlaut: „Ich weiß manchmal nur nicht, wie ich mit dir umgehen soll.“

„Weil ich nicht wie er bin?“, fragte Erik abweisend.

„Nein.“ Sie pausierte. „Doch. Ich weiß nicht. Es ist –“

Erik unterbrach sie. „Weil ich kein Beschützer bin.“

Ariane rief laut: „Du bist –“

Sie konnte den Satz nicht beenden. Er sah sie mit diesem bohrenden Blick an, der ihr zu verbieten schien, die Worte auszusprechen. Sie verstand das nicht. Er selbst hatte doch eben noch behauptet, Secret zu sein.

„Gehen wir.“, befahl er und setzte sich in Bewegung.

 

Kapitel 90 Schlafzauber

In seinem Zimmer angekommen, setzte er sich auf sein Bett und nahm sein Smartphone aus der Hosentasche. Er begann zu tippen.

Wolltet ihr euch heute nicht wegen dem Rollenspiel treffen?

Nur wenige Sekunden, nachdem er die Nachricht abgeschickt hatte, begann sein Smartphone auch schon zu vibrieren, doch statt des Mitteilungstons erklang der Hip Hop Song, der einen Anruf anzeigte.

Dass Ariane ihn anrief, statt eine Nachricht zu schreiben, wunderte ihn einerseits und freute ihn andererseits.

„Hi.“

„Der Angriff findet erst kurz vor Mitternacht statt.“, informierte ihn Ariane ohne Umschweife.

„Und wann wolltest du mir Bescheid sagen?“, fragte Erik argwöhnisch.

„Change und ich kommen später zu dir. Ich kann dir jetzt noch keine genaue Uhrzeit sagen. Aber du darfst nicht einschlafen.“, sagte sie mit einer Ernsthaftigkeit, die er als unangebracht empfand.

„Hatte ich nicht vor.“, entgegnete er. „Klingelst du mich dann an?“

Kurzes Schweigen vom anderen Ende. „Das wird nicht nötig sein.“

„Ach ja, Vitali kann sich ja teleportieren.“, spottete er.

Ihr nächster Tonfall ließ ihn stocken. Er glaubte ein trauriges Lächeln herauszuhören, wie aus melancholischem Bedauern über die Naivität seiner Äußerung.

„Genau.“

 

Kapitel 96 Siegesfeier

„Der Feind wird also Experimente mit mir machen.“, wiederholte Erik.

„Wir werden das nicht zulassen!“, widersprach Ariane erregt.

„Wie wollt ihr das verhindern?“, fragte Erik gelangweilt.

Vitali meldete sich zu Wort. „Ach, Desire hat ihn so angeranzt, dass er dir ja nichts tun darf, dass er es vielleicht bleiben lässt.“

Ariane schaute grimmig, offenbar damit unzufrieden, dass er so ausposaunte, wie heftig sie Erik beschützen wollte. Vitali störte das wenig.

[…]

Ariane beanstandete: „Secret würde nicht gegen uns kämpfen!“

Erik brachte sie mit einem harten Blick zum Verstummen. „Du weißt nicht, was Secret tun würde.“

Ariane schien von seinen Worten verunsichert worden zu sein. Sie entzog ihre Augen den seinen. „Ich weiß, dass du nicht gegen uns kämpfen würdest.“

Ihre Worte reizten ihn zu einem provokativen Lächeln.

Sogleich mischte sich Vivien ein: „Hast du vor, der Bösewicht zu werden?“ Sie wirkte weniger besorgt als vielmehr begeistert.

„Vivien!“, tadelte Ariane aufgebracht.

„Wäre doch interessant.“, entgegnete Vivien verständnislos.

Erik fixierte Ariane, die ihm schräg gegenüber saß, und lächelte süffisant. „Hast du nicht gesagt, du würdest dich eher in deinen schlimmsten Erzfeind verlieben als in mich?“

Arianes Augenlider senkten sich zur Hälfte. „Nicht wenn mein Erzfeind du bist.“

„Dann muss ich wohl jemand anderes werden.“, erwiderte er mit einer nonchalanten Aufwärtsbewegung seiner Augenbrauen.

Sie funkelte ihn erbost an.

Davon noch angestachelt sprach Erik ungerührt weiter. „Vielleicht ein Gleichgewichtsbedroher.“

 

Kapitel 98 Finstere Feier

Ihr Blick schweifte noch einmal zu Erik.

„Wenn du hier warten willst, ist das auch okay.“, meinte ihre Mutter verschmitzt lächelnd.

Ariane wusste nichts darauf zu antworten. Unsicher sah sie zurück zu Erik.

Offenbar war das Gespräch mit Nathan gerade beendet, denn dieser machte einen Schritt zurück, ging dann langsam an Erik und seinem Vater vorbei, nicht ohne ihnen nochmals etwas zu sagen, und lief dann weiter zu den nächsten Gästen.

Erik hob den Blick nur kurz, sah sie und verzog keine Miene. Er wandte sich ab und schritt neben seinem Vater in eine andere Ecke des Raums zu einer Menschengruppe.

Ariane brauchte einen Moment, um sich davon zu erholen.

Anschließend bemerkte sie, dass ihre Eltern schon gegangen waren. Sie stand ganz allein mitten im Raum und bemerkte, dass ihr Körper die Anzeichen eines Schockzustandes aufwies, als wäre etwas Erschreckendes geschehen.

Sie biss die Zähne zusammen und wusste nicht, wieso ihre Augen brannten. Sie blinzelte und schluckte und wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte.

[…]

Ihr Blick fiel auf den Schaukasten nahe des Eingangs, durch den sie hereingekommen war. Vor ihm stand Erik.

Er hatte ihr den Rücken zugewandt, aber allein seine Rückenansicht genügte… Eilig wandte sich Ariane wieder um.

[…]

Sie konnte nicht trinken. Das Wissen, dass Erik nicht weit von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr stand, verursachte bei ihr einen Kloß im Hals.

Sie drehte ihren Kopf, so als wolle sie sich nur kurz umsehen.

Erik war nicht mehr da.

Auf diese Erkenntnis hin breitete sich etwas Seltsames in ihr aus.

„Ich muss jetzt gehen.“, sagte sie abrupt zu Moritz.

[…]

[Ariane] versuchte, nicht herumzuwirbeln, sah aber auch nicht nochmals zu Moritz zurück und schritt dann viel zu schnell auf den Schaukasten zu, vor dem Erik gestanden hatte.

Es war Enttäuschung gewesen – das Gefühl, das sich in ihr ausgebreitet hatte.

Sie starrte das Kunstwerk in dem hohen Schaukasten an, der erst oberhalb ihres Kopfes abschloss. Darauf waren drei junge Frauen in weißen Gewändern abgebildet, die unter einem hellen weißen Licht standen und die Augen geschlossen hielten. Zwei von ihnen erhoben die Arme in die Höhe.

Auf der Informationstafel wurde erklärt, dass es sich um Seherinnen handelte, die göttliche Visionen hatten. Unter anderem war die Rede davon, dass es den Mythos gäbe, die Seherinnen hätten jungfräulich bleiben müssen, um ihre hellseherischen Kräfte zu behalten. Sobald sie sich einem Mann hingaben oder vergewaltigt wurden, verloren sie diese Fähigkeit.

Ein Schatten fiel auf Ariane, der sie im Lesen unterbrach.

Reflexartig sah sie auf und konnte über das Pergament hinweg durch das Glas des Schaukastens Erik erkennen. Seine blaugrünen Augen waren auf sie fixiert, als sei sie ein Schmetterling, den er mit seinen stechenden Blicken auf einem Stück Holz festnageln wollte.

Sprachlos sah Ariane ihn durch das Glas an.

Sein Blick verlor an Intensität und wurde weicher.

Ariane spürte plötzlich Glas unter ihren Fingern und bemerkte, dass sie ihre Linke auf den Schaukasten gelegt hatte. Eilig zog sie ihre Hand zurück. Im nächsten Moment stand Erik neben ihr. Sie fühlte seine Nähe, obwohl er zwei Schritte von ihr entfernt stand, und wagte nicht aufzublicken.

Erik betrachtete das Innere des Schaukastens, zumindest ging sie davon aus, denn nicht länger empfand sie die Last seiner Blicke.

„Es heißt, sie hätten ihre Kräfte nur gehabt, solange sie Jungfrauen waren.“, hörte sie sich selbst sagen.

Erik gab ein abfälliges Geräusch von sich. „Klar, wenn sie ihren eigenen Wünschen folgen statt nur den Göttern gefällig zu sein, werden sie fallen gelassen.“

Nun sah Ariane zu ihm auf.

Er blieb auf den Schaukasten konzentriert.„Wenn man sich den patriarchalischen Gesetzen widersetzt, verliert man seinen Wert. So hält man die Menschen von Selbstbestimmung ab.“

Seine Worte überraschten sie. „Du sagst das so, als wäre man unfrei, wenn man Jungfrau ist.“

Seine Züge wurden noch angespannter. „Man ist unfrei, wenn das der einzige Wert ist, den man hat. Wenn dir eingeredet wird, dass du nur in diesem System leben kannst und alles andere dich deinen Wert kostet. So hält man Menschen klein, indem man dafür sorgt, dass sie das selbst glauben.“ Etwas wie Resignation legte sich auf seine Züge. „Wenn dieser Punkt erst mal erreicht ist, gibt es kein Entkommen mehr.“

Ariane betrachtete ihn von der Seite.

Sie hatte noch nie einen Jungen in ihrem Alter von der Unterdrückung von Frauen sprechen hören, als würde er es ernst nehmen, ja sogar verstehen. Bisher hatten sich Jungs in ihrer Umgebung nur darüber lustig gemacht und die Wiedereinführung alter Zustände gefordert. Wie Erik zu diesem Thema stand, war ihr neu. Nun war sie ehrlich beeindruckt.

Doch etwas stimmte nicht.

Als er gesprochen hatte, hatte es so bitter geklungen, als würde er von einem persönlichen Leid erzählen. Ariane wurde daraus nicht schlau. Sie betrachtete nochmals die Zeichnung.

Ihr fiel erst jetzt auf, dass die Frauen wirkten, als würden sie das weiße Licht von oben anflehen. Ihre Gesichter waren verzweifelt verzerrt, ja geradezu abhängig. Sie dachte an Eriks Worte. Unfreiheit und patriarchalische Gesetze.

Patriarchat. Das war die Herrschaft des Mannes.

Sie stockte, wandte sich zurück zu Erik, der sie immer noch nicht ansah.

Pater, das hieß nicht Mann, das hieß Vater.

 

[…]

„Wieso bist du immer so unhöflich!“, schimpfte Ariane, nachdem Finster außer Hörweite war. „Er wollte dir Mut zusprechen!“

Erik hätte sie am liebsten mit Blicken traktiert für diese selten dämliche Aussage. Wie bescheuert war sie eigentlich, wenn es um Finster ging? Fast hätte er ihr diese Frage vor Verachtung ins Gesicht gespuckt. Stattdessen wandte er sich ab, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen.

Im gleichen Moment fing er den Blick seines Vaters auf.

In einigen Metern Entfernung inmitten einer kleinen Menschengruppe, die sich angeregt unterhielt, stand er. Die Rechte um ein Weinglas gekrampft, dessen Inhalt im Licht der Beleuchtung schwarzrot glühte, starrte er zu ihm herüber.

Ariane ärgerte sich, dass Erik sie offensichtlich ignorierte, schon zum zweiten Mal heute!

Nur dass es das erste Mal schlimmer gewesen war…

Eigentlich hätte sie auf ihn wütend sein müssen, schließlich hatte er sie vorhin gesehen und war dennoch einfach weitergegangen. Andererseits hätte er in Anwesenheit seines Vaters wohl auch schlecht ihre Nähe suchen können.

Manchmal hatte sie das Gefühl, dass Erik ein ganz anderes Leben führte, als wäre er aus einer anderen Welt als sie.

Sie nahm einen Schluck aus dem Glas, das sie immer noch in der Rechten hielt. Das Wasser hatte alle Kohlensäure verloren und schmeckte abgestanden.

„Willst du etwas essen?“, fragte sie Erik, um ein Gespräch einleiten zu können, und erkannte in diesem Moment erst seinen Zustand.

Sein Blick war auf etwas anderes fixiert, sein Gesichtsausdruck sollte fest wirken, aber aus der Nähe erkannte sie die kleinen Anzeichen, die ihr verrieten, dass er kurz davor stand, die Kontrolle zu verlieren.

Ein ängstliches Glimmen leuchtete in seinen Augen und seine Augenbrauen waren nur noch behelfsmäßig feindselig zusammengezogen. Sein Wille schien zu brechen.

In der gleichen Sekunde, in der sie nach seinem Arm griff, folgte sie seiner Fokussierung und fühlte sich im gleichen Moment, als hätte jemand Leere in ihr Inneres gekippt.

Die Berührung riss Erik aus der Trance. Geschockt riss er den Kopf zu Ariane herum.

Mit leerem Gesichtsausdruck sah sie in die Richtung seines Vaters. Im gleichen Moment zog sie ihre Hand abrupt zurück – als habe sie begriffen, dass sie an der Schranke zu einer fremden Welt stand, akzeptierend, dass er für immer in dieser Welt bleiben musste.

Erik schluckte und biss die Zähne zusammen. Seiner Gegenwehr beraubt stellte er sich erneut dem Blick seines Vaters. Sobald dieser in seinem Gesicht die Resignation las, wandte er sich ab.

Erik fühlte sich geschlagen.

Er wusste, dass er dem nie entkommen konnte. Er konnte nur in dieser Welt leben. Und alle anderen Menschen waren nichts als Schatten, die an ihm vorbeizogen.

Ariane kam ihm mit einem Mal wie eine leere Hülle vor, die ihm übel werden ließ. Er wollte sie nicht in seiner Nähe haben. Alles, was ihn an ihr interessierte, waren doch ohnehin nur Projektionen seiner infantilen Wünsche.

Das ekelte ihn.

Seine Schwäche, die sich in ihr spiegelte, ekelte ihn. Und in seinem Inneren hätte er am liebsten – er wusste nicht mehr was.

Es war alles belanglos. Er konnte nicht mehr.

Wie von einem plötzlichen Trieb gepackt, drehte er sich nach rechts, ließ Ariane hinter sich und lief auf die große Tür des Festsaals zu. Er ergriff sie, zog sie auf und rettete sich in die menschenleere Vorhalle, bis er an der Treppe ins Obergeschoss stehenblieb.

Er schnappte nach Luft und schloss die Augen. Sein Mund verzog sich – jetzt, da niemand mehr ihn sehen konnte, jetzt, da er keine Rolle mehr spielen musste. Seine Atmung war nicht länger geräuschlos. Er schluckte, aber war noch nicht im Stande, sich wieder zu beruhigen.

Er hörte, wie die Tür hinter ihm geöffnet wurde, für einen Moment drangen die Menschenstimmen aus dem Inneren wieder zu ihm, ehe sie wieder zufiel. Leise Schritte folgten, aber derjenige blieb hinter ihm stehen.

Erik war nicht in der Lage, sich umzuwenden, lieber war es ihm, die Präsenz der anderen Person einfach zu ignorieren. Er konnte einfach nicht mehr.

Ariane blieb hinter Erik stehen und war unfähig zu handeln. Sie konnte nur zusehen, wie Erik sich quälte.

Sie war so unnütz. Es war nicht richtig, ihn zu beobachten. Es wäre besser gewesen, ihn alleine zu lassen. Aber er hatte sie auch nicht allein gelassen auf der Halloweenparty. Nur dass sie nicht das Geschick besaß, Menschen von ihren Gedanken abzulenken. Sie wusste, wie man über Probleme redete, nicht wie man eine andere Stimmung erzeugte. Sie war nicht Vivien, und Erik war nicht der Typ, der über Probleme sprach.

Plötzlich drehte er ihr den Kopf zu und sein Blick war der gleiche, den er gehabt hatte nach ihrem Vorwurf, er würde genauso wie sein Vater werden, direkt bevor er sie hilfesuchend an sich gezogen hatte.

Ariane wusste nicht, wie sie die Schritte zu ihm hinter sich brachte, aber im nächsten Moment hatte sie die Arme um seinen Brustkorb geschlungen.

Erik blieb reglos stehen, während sie sich an seinen Rücken lehnte.

Er versuchte den Ekel in sich niederzuringen und verspürte den Drang sich von ihr loszureißen.

Stattdessen begann er zu zittern von dem unterdrückten Schluchzen, das ihre Berührung in ihm verursachte. Und seine verdammte Atmung erzeugte Geräusche, die er nicht von sich geben wollte. Er beugte sich leicht nach vorne, doch nichts half gegen die Kontraktion seines Inneren.

Arianes Arme ließen von ihm ab und mit einem Mal stand sie vor ihm und legte ihm beide Hände auf die Schultern. Erik wich zurück, als sie ihm in die Augen sah und entzog sich ihrer Berührung.

Ariane sah Angst in seinen Augen, als er vor ihr zurückschreckte und sie wie ein geschlagenes Tier anstarrte. Ein Sturm schien in seinem Inneren zu toben, den er kontrollieren wollte, ohne zu registrieren, dass er damit alles nur verschlimmerte.

Schlagartig packte er seinen linken Arm, sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Einen erstickten Laut ausstoßend ging er in die Knie.

„Erik.“ Ariane warf sich zu ihm auf den Boden und versuchte, nicht panisch zu werden. Doch bei dem Versuch beschleunigte sich ihre Atmung so sehr, dass sie sich erst darauf konzentrieren musste, wieder langsamer zu atmen, um nicht zu hyperventilieren. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren.

Sie legte ihre Rechte auf seinen Arm und rief ihre Heilungskräfte.

Die kühlende Energie floss durch ihre Finger und ging auf seinen Oberarm über. Augenblicklich hörte sie Erik ein leises Stöhnen durch die Zähne ausstoßen. Ein Pulsschlag ging durch ihren Körper, von dem sie nicht sagen konnte, ob es ihr eigener war. Er pochte in ihrem Kopf und beeinträchtigte ihr Sehen. Dann riss sie ihren Kopf nach rechts herum und sah, dass die Steintafeln, die am Ende des ersten Treppenabsatzes in einer Vitrine ausgestellt waren, glühten.

Was hatte das zu bedeuten?

Ein weiterer Ton von Erik ließ sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn richten. Er sah ihr in die Augen und gab ihr ohne Worte zu verstehen, dass sie ihn wieder loslassen sollte. Hastig folgte sie der stummen Aufforderung.

Als wäre nichts geschehen, richtete sich Erik wieder auf. Für einen Moment von der Situation überfordert, tat sie es ihm gleich.

Sie drehte sich nochmals zu den Tafeln um, doch das Leuchten hatte aufgehört.

Kurz wusste sie nicht, was sie tun sollte.

Sie fasste einen Entschluss.

„Setz dich auf die Treppe.“, befahl Ariane.

„Es geht schon wieder.“, antwortete Erik ausweichend. Er wollte die ganze Situation verdrängen, nichts hiervon wissen.

„Tu es einfach!“

Jäh fühlte er sich an die Situation auf dem Jahrmarkt erinnert, als Serena auf eine ähnliche Weise reagiert hatte, kurz bevor der Schmerz in seinem Oberarm ihn ohnmächtig hatte werden lassen.

Schweigend lief er die Stufen hinauf bis zum Treppenabsatz und nahm auf dem nächsten Treppenlauf Platz, wodurch er von unten nicht mehr zu sehen war. Ariane kam ihm nach und sah von seiner Aktion nicht begeistert aus.

„Zieh das Jackett und das Hemd aus.“

„Glaubst du, du siehst mehr als ein Arzt?“

„Der Arzt hat den Arm nicht im akuten Zustand gesehen.“

Er zögerte. Widerwillig zog er das Jackett aus, stockte dann aber. „Was glaubst du, was die Leute denken, wenn sie uns hier in einer dunklen Ecke sitzen sehen und ich nur noch im Unterhemd bin?“

„Das ist mir egal.“, sagte Ariane halblaut.

Aber er wusste, dass sie log. Wären solche Gerüchte über sie aufgekommen, hätte sie sich in Grund und Boden geschämt.

„Bitte.“, flehte Ariane.

„Kannst du nicht einfach das Gleiche machen wie eben?“

Nach kurzem Zögern setzte sich Ariane links neben ihn und legte ihm erneut die Hand auf den Oberarm.

Im gleichen Atemzug fühlte er eine angenehme Ruhe. Er schloss die Augen und genoss den Moment.

Die Entspannung entlockte ihm weitere Worte. „Wieso ist das so angenehm?“

Hastig suchte Ariane nach einer halbwegs akzeptablen Erklärung, doch ihr fehlte die Zeit dazu, und sie musste sich auf ihre Kräfteausübung konzentrieren. Daher redete sie einfach drauf los. „Manche Leute behaupten, man kann einem anderen Energie übertragen.“

Oh nein, er würde sie auf diesen Kommentar hin sicher für eine Esoterik-Spinnerin halten.

Erik atmete ruhig. Seine Stimme war sanft. „Das meinte ich nicht.“

Jäh wurde Ariane heiß. Sie wagte es nicht, in Eriks Gesicht zu sehen, und fühlte eine unbegründete Nervosität. „Das… ist nur –“ Sie unterbrach sich und haspelte weiter. „Es ist immer angenehm, wenn man von jemandem berührt wird, bei dem man sich wohl fühlt.“

„Das kenne ich nicht.“, sagte Erik leise.

[…]

Ariane schwieg. Sie wusste nicht, was sie auf Eriks Aussage entgegnen sollte. Unsicher sah sie ihm ins Gesicht, doch sobald er ihren Blick erwiderte, kam wieder diese Nervosität in ihr hoch.

Erik hielt die Augen stumm auf sie gerichtet, sodass sie sich gezwungen sah, die Augen niederzuschlagen.

Sie mochte diese innere Unruhe nicht, die ihr den Kräfteeinsatz unmöglich machte.

„Geht es wieder?“, presste sie hervor.

Erik gab ihr keine Antwort, aber sie wagte nicht, ihm noch mal ins Gesicht zu sehen, um seinen Zustand einzuschätzen.

„Das heißt, Schatthen sind in der Nähe.“

Bei seinen Worten schreckte Ariane zusammen.

„Wenn ich die Wunde spüre. So ist es doch.“ Seine Stimme war nun fordernd. „Kannst du sie alleine besiegen?“

Ariane schluckte, sie reckte das Kinn und erhob sich. „Geh wieder rein.“

Erik sah zu ihr auf und machte den Eindruck, als brauche es mehr als einen bloßen Befehl, um ihn zum Gehen zu bewegen.

„Wenn die Schatthen hier sind, will ich nicht, dass du in der Nähe bist.“, erklärte sie.

Erik schien sich selbst nicht die Zeit geben zu wollen, über ihre Aussage nachzudenken. Er stand auf, nahm sein Jackett und lief an ihr vorbei die Treppe hinunter.

Auf dem unteren Treppenlauf hielt er an.

„Geh bitte.“, bat Ariane inständig.

Er drehte sich zu ihr. Es war nicht Skepsis oder Unglaube, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, sondern Sorge um sie.

„Ich rufe die anderen.“, versicherte sie.

„Die sind niemals rechtzeitig da.“

„Vitali kann teleportieren.“

„Würde Secret dich alleine lassen?“

Ariane stockte.

Erik machte kehrt und trat wieder zu ihr. Sie sah, wie er sein Handy hervorholte, eine Nummer auswählte und es sich ans Ohr hielt. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe er sprach.

„Hier sind Schatthen.“

 

Kapitel 99 Alarm

Nervös ließ Ariane den Blick durch den Raum schweifen. Erik dagegen wandte sich dem Tisch zu.

„Iss etwas.“, sagte er in gedämpftem Tonfall.

„Als könnte ich jetzt etwas essen!“, antwortete Ariane, ohne sich ihm zuzuwenden.

Eriks Stimme hatte wieder diesen gesetzten Klang, den sie von Secret kannte.

„Wenn der Schatthenmeister uns beobachtet und sieht, dass du panisch die Gegend absuchst, weiß er, dass du vorgewarnt bist.“ Er drückte ihr einen Teller in die Hand. Nachdrücklich sah er ihr in die Augen. „Es ist besser, ihn im Glauben zu lassen, dass du nichtsahnend bist.“

Widerwillig folgte Ariane der Aufforderung, lud sich zwei belegte Baguettescheiben auf den Teller und zwang sich, sich Erik zuzuwenden, um nicht mehr den Anschein von übertriebener Wachsamkeit zu machen.

„Du hast etwas von einem Ton gesagt.“, sagte Erik beiläufig, während er unter den Horsd’œuvre wählte.

„Es ist ein Warnsignal, das ich höre, bevor die Schatthen angreifen. Aber erst kurz davor.“

Sie sah zu, wie er das zuletzt von ihm gewählte Appetithäppchen auf seinem Teller ablegte. „Dann wirst du es rechtzeitig wissen.“

Seine Augen fanden die ihren. Sein Blick hatte wieder diese unergründliche Tiefe, die sie an Secret erinnerte, aber so viel mehr beinhaltete. Nicht so gefühlskalt und abweisend wie der Secrets.

In einer Seelenruhe begann Erik zu essen und Ariane bemerkte, dass sich ihre Mundwinkel gehoben hatten.

Sie konnte nicht sagen, wieso, aber sie fühlte sich mit einem Mal in seiner Nähe sicherer. Als wäre seine Unterstützung allein etwas, das ihr die Sache leichter machte.

Sie war nicht allein.

[…]

 

Bei demjenigen, der Ariane gerufen hatte, als würde er sie kennen, handelte es sich um einen brünetten jungen Mann, der ein Stück größer war als Erik und die Kleidung des Partyservices trug.

Ungeniert trat dieser von der anderen Seite des Tisches zu ihnen oder genauer gesagt zu Ariane und lächelte sie dabei so gewollt charmant an, dass Erik statt den nächsten Bissen zu tun, seine mit Lachs belegte Baguettescheibe auf den Teller legte.

„Hallo.“, antwortete Ariane zaghaft und lächelte den Fremden schüchtern an.

„Du solltest die Hähnchenschlägel probieren, die sind die Spezialität des Partyservices.“

„Ich habe nicht so großen Hunger.“, antwortete Ariane sanft lächelnd in einer Erik unnatürlich vorkommenden Tonlage.

„Verstehe. Ich werde in Kürze gehen müssen, weil ich morgen noch einen Auftritt mit meiner Band habe.“

Ui, mit seiner Band. Klar, dass er das erwähnen musste.

„Ah.“, machte Ariane und benahm sich Eriks Meinung nach völlig untypisch.

„Würdest du mir deine Telefonnummer geben?“

Erik heftete einen finsteren Blick auf Ariane, die davon nichts zu bemerken schien. Sie zauderte.

„Ähm. Tut mir leid, ich gebe niemandem meine Telefonnummer.“

Gut so!

„Oh, schon klar.“, sagte der Typ. „Bist du auf Facebook?“

Erik hoffte, dass sie es nicht war.

„Äh, ja.“, antwortete Ariane.

„Dann kann ich dich ja adden. Oder stört das deinen kleinen Freund?“

Das Lächeln des Jungen bei seinen Worten triefte vor Spott. Es war eindeutig, dass er damit andeuten wollte, dass er Erik nicht als Konkurrenz ansah. Das in Kombination mit dem unterschwelligen Hinweis darauf, dass Erik von Alter und Größe im Vergleich zu ihm noch ein kleiner Junge war, ließ Eriks Kiefer verhärten.

„Wie bitte?“, fragte Ariane irritiert.

„Der Kleine.“, grinste Moritz und deutete mit einer Bewegung seines Daumens auf Erik.

Ariane zog die Augenbrauen zusammen.

Auf ihre Reaktion hin wandte sich Moritz postwendend Erik zu, griff über den Tisch hinweg nach seiner Rechten und stellte sich ihm freundlich lächelnd vor. „Wie ist dein Name?“

Ariane bemerkte erst in diesem Moment, wie finster Eriks Miene geworden war. Er antwortete Moritz erst gar nicht.

Da ihr die Situation unangenehm war und sie schnellstmöglich das Gespräch beenden wollte, übernahm Ariane das an seiner Stelle. „Das ist Erik. Wir gehen in die gleiche Klasse.“

Augenblicklich spürte sie Eriks Blick auf sich lasten, sah aber nicht in seine Richtung. Sie wollte einfach nur Moritz loswerden. „Du findest mich unter Ariane Bach auf Facebook.“

„Danke.“ Er lächelte breit. „Ich melde mich.“

„Tu das!“ Sie lächelte so freundlich sie nur konnte. „Bis dann.“

Moritz grinste zurück und lief endlich wieder hinüber zu den Getränken.

Ariane atmete aus und sah sich im nächsten Moment einem so düster dreinblickenden Erik gegenüber, dass sie sich fragte, ob er wieder Schmerzen hatte. Ehe sie ihn jedoch danach fragen konnte, wurde sie von hinten gerufen. Sie erkannte die Stimme sofort als die ihres Vaters.

So viel zu dem Plan, dass ihre Eltern ihr fernbleiben sollten.

Sie stellte ihren Teller ab und drehte sich zu ihren Eltern um.

„Wir haben dich schon vermisst!“, rief ihr Vater.

„Dein Vater hat dich vermisst.“, verbesserte ihre Mutter. „Besonders nachdem ich gesagt habe, dass du mit Erik rausgegangen bist.“

Herr Bach warf seiner Frau einen verstimmten Blick zu.

Erik ergriff das Wort. „Keine Angst.“ Seine Stimme wandelte sich zu purer Verachtung. „Sie gibt sich lieber mit Leuten vom Personal ab.“ Sein Blick machte überdeutlich, dass die Beleidigung ihr galt.

Dass er sie so ansehen konnte, verschlug Ariane für einen Moment die Sprache.

Es brauchte Sekunden, ehe sie antworten konnte.

Ihr Plan war es, ihrer Stimme einen trotzigen Klang zu geben, aber durch den Kloß in ihrem Hals bekam sie stattdessen etwas Bitteres. „Im Gegensatz zu dir, macht es mir nichts aus, mich mit Menschen zu unterhalten, die unter deiner Würde sind.“

Sie sah, wie die rasende Abscheu auf seinem Gesicht sich noch steigerte. „Was glaubst du, was du bist!“

Arianes Gesichtsmuskulatur verlor ihre Spannung. Sie starrte ihn ausdruckslos an. Ihr Mund öffnete sich leicht und schloss sich wieder. „Ich wusste nicht, dass ich unter deiner Würde bin.“

Abrupt stockte Erik.

Die Stimme ihres Vaters erhob sich. „So spricht niemand mit Ariane!“, mischte er sich aufgebracht ein. „Und ich bin dagegen, dass sie mit jemandem zusammen ist, der sie nicht zu schätzen weiß!“

Eriks Gesichtsausdruck wurde wieder hart. Der letzte Teil des Satzes erinnerte ihn an Arianes Verhalten gegenüber diesem Kellnerverschnitt, ein anderes Verhalten als das, das sie ihm gegenüber zeigte. Ein Verhalten, das Männer wie dieser Typ bewirkten, deren ganzes Verhalten nichts weiter war als ein abgekartetes Spiel!

Jemand der sie zu schätzen wusste – dass er nicht lachte!

„Sie sollten von Ihrer Tochter nicht zu viel erwarten. Sie könnten enttäuscht werden.“, spie er angeekelt aus.

[…]

Erik stand da und konnte keinen klaren Gedanken fassen, wie aus weiter, grauer Entfernung.

Er hatte gerade selbst seine Beziehung zu Ariane zugrunde gerichtet und fühlte sich … wie von sich selbst entrückt … nicht länger… in sich.

Langsam, als würde er Erik in einen sicheren Hafen führen, sprach sein Vater:. „Wir gehen.“

[…]

„Erik.“, sagte Herr Donner auf eine so befremdlich schonungsvoll klingende Weise, die umso verstörender wirkte. Er sah seinen Sohn nun direkt an.

Auch Finster heftete seinen Blick auf Erik, als würde er ihn allein dadurch in einer Bahn halten, aus der die Stimme seines Vaters ihn zu reißen drohte.

Dennoch wusste Erik nicht, wie er reagieren sollte.

Schließlich presste er hervor „Wir sind Freunde.“ und klang dabei nicht nach Erik Donner, sondern einem erbärmlichen Schwächling.

„Ich habe ihn zuerst beleidigt.“, sagte Ariane hastig.

Erik hatte den Blick gesenkt. „Hast du nicht.“

„Es war gemein, was ich gesagt habe.“, erwiderte Ariane in entschuldigendem Tonfall und sah ihn direkt an.

Dieses Mal widersprach Erik ihr nicht.

[…]

Erik warf einen letzten hastigen Blick auf Ariane und folgte, ohne noch etwas zu sagen, seinem Vater nach.

 

Ankündigung Adventskalender Advent, Adventskalender, Adventskalender 2021, Ankündigung, Balance Defenders, Vorweihnachtsstimmung, Weihnachtszeit

Autor:  Regina_Regenbogen

Der heutige Blogeintrag wird etwas anders. Ich überlasse einfach mal Vivien das Wort: . 

 

 

 

Ich bin immer noch damit beschäftigt, an diesem Adventskalender zu arbeiten. Ich habe noch nicht alle 24 Bilder gezeichnet und die, die gezeichnet sind, sind noch nicht coloriert. Dennoch bin ich Feuer und Flamme, dieses Projekt umzusetzen und hoffe, dass ich euch damit auch eine Freude machen kann. 

 

Eine der großen Herausforderungen ist, dass ich mich nicht auf ein einzelnes Medium beschränken wollte und jetzt im Kopf habe, das Ganze sowohl hier auf Animexx als Bilder, auf YouTube in Form von Ein-Bild-Videos mit einer Weihnachtsmelodie, auf Instagram (automatisch auch Facebook) und auf türchen.com zu posten. Keine gute Idee... XD Das sind nämlich unterschiedliche Formate, weshalb ich das Bild jedes Mal anpassen müsste... Mal schauen, wie ich das mache. 

 

Ich kann auch noch nicht versprechen, dass ich es schaffe, die Bilder zu colorieren. Das dauert eben doch seine Zeit.

Aber ich habe wirklich viel Liebe hineingesteckt und hoffe, dass das rüberkommt und euch ein Lächeln ins Gesicht zaubert! :D

 

Quasi als Titelbild des Adventskalenders habe ich (mit dem Programm Canva) einen Tannenbaum mit den Wappen der Beschützer (bei den fünfen sieht man auch ihre Silhouette im Inneren) als Weihnachtskugeln erstellt.

Oben als Krone schwebt Ewigkeit als rundes Licht. :D

 

 

 

Als Video mit Hintergrundmusik findet ihr diese Ankündigung auch auf YouTube.

Ich bin sehr stolz darauf, dass ich das wirklich durchgezogen habe. XD Und durch die Musik hat es einfach so eine süße Weihnachtsstimmung: 

https://youtu.be/XzPFKB5k7BM

 

 

Achja, hier noch der Link zum Adventskalender auf türchen.com: https://tuerchen.com/736a3fe4

 

 

Alles Liebe! 

 

Regina 

 

 

Symbolik Halloween Kostüme der Beschützer Eigene Serie, Balance Defenders, Bedeutung, Cinderella, Fee, Halloween, Halloweenkostüme, Phantom der Opfer, Symbolik

Autor:  Regina_Regenbogen

Da morgen Halloween ist, wollte ich dieses Mal ein Thema wählen, das dazu passt, und habe mich dazu entschieden, euch dieses Mal etwas über die Symbolik der Kostüme, die die sechs zu der Halloween-Abiparty (Kapitel 82 Halloweenparty und 83 Tanz mit dem Phantom) anhatten, zu erzählen. Ich werde auch etwas zu dem Inhalt dieser Kapitel spoilern, also wenn ihr sie noch nicht gelesen habt: Ihr wurdet gewarnt. :D

Los geht's!

 

Ich habe bei den Kostümen versucht, jeweils die Symbolik ihrer Beschützernamen zu integrieren, dabei aber auch ihre Charaktere zu berücksichtigen. Ihr könnt mir ja in den Kommentaren schreibne, ob ihr denkt, dass mir das geglückt ist. :D 

 

 

Vitali / Change - Der Tod 

Die ultimative Veränderung 

 

Charakterlich war klar, dass Vitali ein Kostüm wählen würde, das für ihn einfach ist, also nicht zu aufwendig, und das gleichzeitig etwas Unheimliches hat und zu Halloween passt. Entsprechend war, eine die Verkleidung als Gevatter Tod etwas, das für ihn sehr gut passte. 

Doch der eigentliche Grund, warum er als Change/Verändern dieses Kostüm trägt ist ein anderer. 

 

Tarotkarte Tod

 

Der Tod steht im Tarot dafür, dass es zu einem unwiderbringlichen Abschluss von etwas kommt. Gleichzeitig steht diese Karte, aber auch für einen Neuanfang, symbolisiert durch das weiße Pferd, die weiße Blume auf der Fahne und den Sonnenaufgang (wobei sich die Leute nicht einig sind, ob es sich um eine aufgehende oder eine untergehende Sonne handelt. Sicher ist, dass die 13. Karte des Tarots zwar Verlust und Wehmut mit sich bringt, aber vor allem für eine einschneidende Veränderung und für das unumgängliche Loslassen von Altem steht. 

 

Natürlich gibt es im Tarot auch andere Karten, die eine Veränderung anzeigen oder zum Weitergehen aufrufen, dabei ist der Tod auch bei Weitem nicht die Karte mit der radikalsten Bedeutung (man vergleiche mit dem Turm, der großes Chaos ankündigt). 

 

Der Tod wird allgemein als das finale Ende betrachtet, doch die Tarotkarte weist darauf hin, dass jedes Ende einen neuen Anfang mit sich bringt. Dieser Wandel vom Leben zum Sterben zum Leben ist dem Dasein immanent und steht somit für die Veränderung, die unsere ganze Existenz kennzeichnet. 

Auch die Atmung mit ihrem Wechsel zwischen Kommen und Gehen spiegelt diesen Kreislauf wider. 

 

 

Serena / Destiny - Die Banshee

Die Todesfee, die das Schicksal verkündet

 

 

In der irischen Folklore ist eine Banshee ursprünglich ein weiblicher Geist, der für eine bestimmte Familie zuständig ist. Dieser schreit auf unheimliche und klagende Weise, um den nahenden Tod eines der Familienmitglieder anzukündigen und somit die Familie vorzuwarnen. 

Erst später entwickelten sich Gruselgeschichten, die dem Schrei die Gabe zu töten zuschrieben. 

 

Weibliche Geister und Göttinnen wurden häufig mit dem Schicksal in Verbindung gebracht. 

So gelten die Parzen der römischen Mythologie bzw. die griechischen Moiren als Weberinnen des Schicksalsfaden, den sie am Ende des Lebens durchtrennen. 

 

Der Begriff Fee stammt übrigens ebenfalls von lateinisch fatum für Schicksal, französisch fée. Damit verwandt ist auch das Wort fatal, das sowohl schicksalhaft, aber auch verhängnisvoll und tödlich bedeutet. 

 

Bei Serena war mir klar, dass sie sich Mühe geben würde bei dem Kostüm, weil sie sich eigentlich supergerne verkleidet. Sie liebt das, würde es aber vor den anderen nicht zugeben.

Und eigentlich würde sie sich auch gerne hübsch machen, aber das hat sie sich dann nicht getraut, aber sie hat eine doch sehr weibliche Figur als Verkleidung gewählt, die eine gewisse Mysteriösität, aber auch Unheimlichkeit und Macht ausstrahlt. 

Außerdem zeigen sich Banshees für gewöhnlich nicht, was zu Serenas Art, sich lieber zu verstecken, passt. :D

 

 

 

 

Justin / Trust - Der Sheriff

Der Hüter von Recht und Ordnung, dem Vertrauen geschenkt wird

 

 

Sich verkleiden ist nichts, was Justin besonders gern macht, außerdem hat er kein Geld, um sich ein Kostüm zu leisten. Er hat auch überlegt, sich gar nicht zu verkleiden, aber Vivien ist ihm zu Hilfe gekommen und hat ihm vorgeschlagen, als Sheriff zu gehen.

Ihr kleiner Bruder war mal zu Fasching als Sheriff gegangen, daher konnte sie Justin den Sheriffstern, das Holster mit dem Revolver und den Hut geben. Aus dem Hut musste sie nur die Polsterungen rausnehmen, damit er auf Justins Kopf passte. :D

Und Justin hat ja ohnehin sehr viele Karohemden. XD 

Außerdem war klar, dass Justin keine Gruselgestalt sein wollen würde. Als Monster hätte er sich einfach grundsätzlich nicht verkleidet. 

 

Die Verkleidung als Sheriff passt nicht nur zu Justins Namen, der Gerechtigkeit bedeutet, sondern ist im weitesten Sinne auch mit seinem Beschützernamen Vertrauen verbunden, da üblicherweise eine Stadt ihrem Sheriff vertraut, dass er für Recht und Ordnung sorgt. 

 

 

Vivien / Unite - Two-Face

Gut und Böse vereint

 

 

Viviens Verkleidung war die schwierigste Entscheidung. Fest stand, dass sie sich auch vor einem etwas aufwendigeren Kostüm nicht scheuen würde. Es war auch nicht abwegig, dass sie die Gelegenheit nutzen würde, um eine böse Figur darzustellen. Schwierig fand ich es allerdings, eine Verkleidung zu finden, die zu ihrem Beschützernamen Vereinen passt. 

 

Zunächst hatte ich überlegt, dass sie zur Hälfte einen Engel und zur anderen einen Teufel darstellen würde, aber das war einfach zu einfallslos für sie. Auf meiner Suche stieß ich dann auf den Bösewicht Two-Face aus dem Batman-Universum. Typisch für diesen Charakter ist, dass er anhand einer Münze entscheidet, wie er handelt, ob er jemanden tötet oder am Leben lässt, also ob seine gute oder schlechte Seite übernimmt. Da Vivien aber ihre Entscheidungen lieber selbst trifft, hat sie das nicht durchgezogen, sondern fand es einfach lustig, auf der einen Seite eine gute Person und auf der anderen Seite eine böse darzustellen, je nach Lust und Laune eben, und dabei beide Seiten zu vereinen. 

 

 

Erik / Secret - Das Phantom der Oper

Das geheimnisvolle Genie

 

 

Bei Erik war abzusehen, dass er bei seinem Kostüm kein hässliches Monstrum nehmen würde, sondern immer noch eine gewisse aristokratische Würde und Attraktivität ausstrahlen wollen würde. Daher war der erste Gedanke ein Vampir, aber das war ihm viel zu banal, zumal er ungern auf das Blut anderer Menschen angewiesen wäre. Da war das Phantom der Oper nicht nur aufgrund der Namensübereinstimmung die naheliegendere Wahl. 

 

Das Phantom der Oper ist ein Genie, das sich allerdings gerne versteckt hält und die Nähe von Menschen meidet, sie aber die ganze Zeit beobachtet.

Allein die Liebe zu dem Mädchen Christine, dem er als "Engel der Muse/Musik" ungesehen das Singen lehrt, bringt das Phantom schließlich dazu, sich zu zeigen.  Als ihr selbst ernannter Beschützer ist er allerdings auch bereit über Leichen zu gehen und ihre Zuneigung zu erzwingen.  

 

Die Maske, die das halbe Gesicht verdeckt und durch das Musical typisch für das Phantom geworden ist, weist auf eine Zweiteilung hin, wie es schon bei Viviens Kostüm der Fall war.

Die Aufspaltung in Erik und Secret/Geheim wird dadurch symbolisch angedeutet.

 

Die Maske versteckt die entstellte, unschöne Seite des Phantoms, etwas, das es nicht zeigen möchte. 

Masken zu tragen und eine Rolle zu spielen, ist bei Erik ein großes Thema, was in den noch kommenden Kapiteln immer stärker in den Fokus treten wird. 

 

 

 

 

Ariane / Desire - Die gute Fee oder doch Aschenputtel?

Wünsche erfüllen

 

 

Bei Ariane stand fest, dass sie sich zu dieser Gelegenheit hübsch machen würde, da sie sich das nur zu besonderen Anlässen traut. Eine entstellte Figur oder ein Monster kamen daher nicht in Frage. 

 

Sie selbst bezeichnet ihre Verkleidung als die einer guten Fee. Doch jeder, der sie sieht, hält sie zunächst für Aschenputtel. 

Das einzige, das sie als Fee ausweist, ist der Zauberstab mit einem großen Stern, den sie bei sich trägt. 

 

Ein Märchenkleid

 

Arianes Kleid und ihr Haarschmuck werden als besonders schön beschrieben:

    das lange Kleid aus perlmuttartig glänzendem Stoff, dessen helle Farbe je nach Lichteinfall bläulich schimmerte

    In ihre Steckfrisur waren silberner Draht und glitzernde Perlen eingearbeitet, die hell funkelten und nur von den Ohrringen übertroffen wurden, die ihre Mutter ihr geliehen hatte.

    in ihrem hellen Märchenkleid

Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie mit Aschenputtel verwechselt wird. 

 

 

In Disneys Cinderella Zeichentrick ist das Kleid weiß-silbern, was zu Merchandise Zwecken dann in Hellblau umgeändert wurde.

In Disneys Realverfilmung ist es erstaunlicherweise die gute Fee, die ein Kleid in der Farbe trägt, die Cinderellas ursprünglichem Kleid ähnelt. 

 

 

Werfen wir also einen Blick auf andere Feenfiguren. 

 

In Disneys Pinocchio wird die Blaue Fee in einem wunderschönen hellblau glitzernden Kleid dargestellt. 

 

 

Ihre Frisur erinnert mich an Ewigkeit, die von Ariane auch zunächst für eine Fee gehalten wird. 

Im Musical Wicked, das auf der Geschichte Der Zauberer von Oz aufbaut, trägt die gute Hexe Glinda auch ein hellblau glitzerndes Kleid. 

 

 

Bezüglich Arianes Frisur hatte ich mich an den Film "Die Reise ins Labyrinth" zurückerinnert, den ich Jahre zuvor einmal gesehen hatte und dessen filigraner Haarschmuck mich damals sehr beeindruckt hatte. 

Arianes Haarschmuck sieht zwar deutlich anders und nicht floral aus, sondern eher wie glitzernde Tautropfen, aber dennoch teile ich hier ein paar Bilder dazu, zumal auch das Outfit in die Kategorie helles Märchenkleid passt: 

 

 

Zum Schluss der Kleiderfrage sei noch darauf verwiesen, dass Christine, die vom Phantom geliebt wird, auch in einem weißen Kleid dargestellt wird, das ihre Unschuld unterstreichen soll. 

 

 

 

Das zerstörte Kleid

 

 

Die Szene, in der Arianes Kleid ruiniert wird, erinnert daran, wie die bösen Stiefschwestern Cinderellas Kleid im Disney Zeichentrickfilm zerreißen, und lässt Ariane in diesem Moment abermals wie Aschenputtel wirken. 

„Das hast du absichtlich gemacht!“

„Es tut mir leid.“, stieß Ariane kleinlaut hervor.

„Du Miststück!“, brüllte Ruth, wirbelte herum und schüttete die rote Bowle aus ihrem Plastikbecher direkt auf Ariane.

Die klebrige rote Flüssigkeit traf ihr Kleid und ergoss sich über den hellen Stoff.

Für einen Moment war Ariane sprachlos. Dann registrierte sie, dass der Rest der Mädchengruppe herbeigerannt gekommen war und nun vor ihr stand.

„Was ist passiert?“, wurde Ruth gefragt.

„Sie hat mir den Flügel abgerissen. Mit voller Absicht!“

„Das stimmt nicht!“, widersprach Ariane hastig.

Ihr Einwand zählte nicht. Die anderen Mädchen starrten sie feindselig an.

„Spinnst du? Kannst du es nicht ertragen, dass andere Mädchen auch hübsch sind?“

Ariane war von dieser Frage viel zu überrumpelt, um etwas darauf antworten zu können. Dass man auch nur auf diese Idee kommen konnte, machte sie ganz wirr.

„Nur weil du dir einbildest, du wärst die Allerschönste, kannst du dir nicht alles erlauben!“, keifte eine andere in einem Rotkäppchenkostüm.

Ariane fand nicht mehr die Kraft für Widerworte.

„Was glotzt du denn so dumm?!“

„Du würdest dich sicher nicht mehr so toll fühlen, wenn du weniger hübsch wärst!“, kreischte eine lange, dünne Brünette, die sich als Leopard verkleidet hatte. In einem Akt der Entrüstung tat sie es Ruth gleich und schüttete ihre Bowle über Arianes Kopf.

Ariane schrie auf. Die Zucker-Alkoholbrühe verklebte ihr Haar und lief ihr übers Gesicht. Mit einem Mal kam sie sich völlig hilflos vor.

In ihrer Not drehte sie sich um und entfernte sich einfach so schnell sie konnte von der Mädchengruppe.

 

hatte sich doch die schwarze Wimperntusche wie Pech um ihre Augen herum verteilt und ihr Kleid einen riesigen roten Fleck. Auch was von ihrer Frisur übrig geblieben war, war alles andere als ansehnlich.

Wenn man es genau betrachtet, sieht sie dadurch eher aus wie eine blutige Braut. Ein häufiges Kostüm zu Halloween. Dass die anderen sie schließlich zum blutigen Gewissen einer ermordeten guten Fee erklären, passt allerdings besser zu ihr. :D

 

 

 

Erik als Arianes gute Fee? 

 

 

Erik rettet nicht Arianes Kleid, denn es geht ja gerade darum, dass sie nicht auf ihr Aussehen angewiesen ist, um sich zeigen zu dürfen. Er erinnert sie stattdessen an ihre eigene Stärke und macht ihr klar, dass sie nicht die Erwartungen anderer erfüllen muss, sondern die richtigen Menschen ihren wahren Wert ohnehin erkennen. 

 

Obwohl er sie dazu drängen will, die Party nicht zu verlassen, ist dies schlussendlich Arianes eigene Entscheidung. 

Am liebsten hätte er sie mit sich auf die Tanzfläche gezerrt, aber im gleichen Moment wurde ihm bewusst, dass er damit wieder in die Fußstapfen seines Vaters getreten wäre.

„Wenn du willst, gehen wir.“ Es gelang ihm nicht, seine Stimme so klingen zu lassen, als meine er es ernst. Er wusste, dass er Ariane damit unter Druck setzte, so als verbiete er ihr, seine Erwartungen zu enttäuschen.

Ariane warf ihm einen zweiflerischen Blick zu. „Glaubst du, ich warte auf deine Erlaubnis?“

Ariane ist an diesem Punkt ihre eigene gute Fee.

Sie selbst erlaubt und traut sich, sich nochmals der Menschenmenge zu stellen.

Zuvor hatte sie gesagt, dass sie gerne tanzen würde, und erfüllt sich schließlich diesen Wunsch - auch wenn die Nähe zu Erik sie vor eine weitere Herausforderung stellt. 

 

Wir sind es immer selbst, die sich die eigenen Wünsche erfüllen.

Andere können uns dabei unterstützen und uns Hilfestellungen geben, wie Erik es bei Ariane tut, doch die Schritte müssen wir selbst gehen. 

 

 

Ausgeschnittene Szenen 1. Band: Rate, rate, was ist das Eigene Serie, Ausgeschnittene Szenen, Balance Defenders, Trigger-Warnungen: Depression, Drogenmissbrauch, Gewalt, Missbrauch, Mobbing, Psychische Erkrankung, Suizid, Tod, Trauma, Vergewaltigung

Autor:  Regina_Regenbogen

Als ich davon geträumt habe, einen eigenen Blog zu schreiben, bzw. gaaaaanz am Anfang eine eigene Website zu machen (was noch ist, kann ja noch werden), da habe ich gedacht, es wäre cool, einfach alles, was man bei einem Film als Extra auf die DVD/BluRay packt oder in ein Making-of Buch oder als extra Fanheftchen veröffentlicht, dort zusammenzubringen. Und ich muss sagen, ich mag bei Filmen gerne die ausgeschnittenen Szenen bzw. die alternativen Szenen. Ich finde es immer sehr spannned, was herausgenommen wurde oder welchen anderen Weg die Handlung hätte nehmen können. 

Aus diesem Grund fasse ich mir jetzt doch ein Herz und veröffentliche hier eine Szene bzw. ein ganzes Kapitel, das ich erst für die Veröffentlichung hier auf animexx herausgeschnitten habe. 

Dieses Kapitel mit dem Titel "Rate, rate, was ist das" kam zwischen dem Mittelpunkt des Labyrinths (Kapitel 10 "Im Mittelpunkt des Labyrinths") und den Spiegelsälen (Kapitel 11 "Seelenscherben"). 

 

Warum habe ich das Kapitel eigentlich herausgeschnitten? 

Ich glaube, weil es sehr persönlich ist und beklemmend.

Es drückt in vielerlei Hinsicht all die negativen Gedanken in meinem Herzen aus, die Serena mit mir teilt. Auf der einen Seite dachte ich, dass es extrem kindisch ist bzw. es viele dafür halten könnten, besonders die Teile, die über Tierleid gehen, und auf der anderen Seite, dass es schlussendlich die Stimmung extrem niederdrückt. 

Aber daher gibt es bei diesem Blogeintrag tatsächlich Triggerwarnungen! :D

 

Zur Erinnerung, was an diesem Punkt geschehen war: 

Nachdem die fünf in Begleitung von Secret durch das Labyrinth geirrt waren und vor dessen Fallen flüchten mussten, waren sie im Mittelpunkt des Labyrinths, einem sich drehenden Raum, gelandet, wo sie leuchtende Quader in die dafür vorgesehenen Löcher bugsieren mussten. 

Da ich damals den Schluss von Kapitel 10 "Im Mittelpunkt des Labyrinths" ändern musste, damit es zusammenpasste, beginnt die ausgeschnittene Szene mit dem ursprünglichen Ende von Kapitel 10. 

Viel Spaß! 

 

 

 

 

Ausgeschnittene Szene

 

Zu guter Letzt war nur mehr ein Quader übrig, den Ariane, Vitali und Serena übernahmen. Angespannt fragten sie sich, was sie nachfolgend auslösen würden. Wieder zeigte sich das gleiche Schauspiel wie die neun Mal davor. Dann herrschte beklemmende Stille. Nichts tat sich.

Fragend schauten sie sich um, aber es trat kein außergewöhnliches Ereignis ein.

„Sollte jetzt nicht mal irgendwas passieren?“, fragte Vitali.

Wie um seinen Worten Folge zu leisten, drehte sich der Raum im Uhrzeigersinn. Andere Vorgänge blieben weiterhin aus.

Weitere Momente warteten sie, ohne Erfolg.

„Mir reicht’s!“, rief Vitali und drehte sich zu Secret. „Hey Schwarzenegger, wir rennen jetzt einfach die Wand rechts ein.“

Serena schimpfte: „Das ist doch totaler Schwachsinn!“

Vitali erwiderte entschieden. „Wenn die im Fernsehen das können, können wir das schon lange!“

Secret sah wenig überzeugt aus, rannte aber dennoch gemeinsam mit Vitali auf die Wand zu.

Plötzlich schien sich dort etwas zu tun. Bevor die beiden noch anhalten konnten, hatte die Wand sich in der Mitte geteilt und war auseinandergefahren.

Von der nun unnötig gewordenen Wucht des Anlaufs wurden Vitali und Secret mitgerissen und stürzten auf den Boden des neuen Raums.

„Blöde Idee.“, sagte Secret.

„Wieso? Hat doch geklappt.“, entgegnete Vitali, der sich schon daran gewöhnt hatte, in neuen Räumen als erstes Mal auf dem Boden zu landen. „Vor Angst ist die Wand einfach verschwunden!“

„Super gemacht!“, lobte Vivien, die mit den anderen hinterhergerannt kam. Als der letzte von ihnen den sich aufgetanen Raum betreten hatte, schloss sich die Öffnung wieder und ihre Blicke schweiften durch das unbekannte Territorium.

Den sechsen stockte der Atem.

 

 

Rate, rate, was ist das

 

„Wir alle benutzen einander und nennen es Liebe.“

(Tennesse Williams, US-amerik. Schriftsteller)

 

Der gesamte Raum, die Wände, die Decke, der Boden, alles war tapeziert mit unzähligen Bildern. Grauenhaften Bildern!

Bilder von einer geschändeten, abgestorbenen, ausgebeuteten Natur.

Bilder von aufgeschlitzten, erlegten, gequälten Tieren. Bilder von Tierversuchen. Bilder, die zeigten, wie Nutztieren der Kopf abgeschnitten wird. Die in Angst aufgerissenen Augen. Wie Wildtiere ausgenommen, wie Rinder geschächtet werden. Langsam und erbärmlich ausbluten. Von Tieropfern und Bergen von toten Küken, massakrierten Rindern, niedergemetzelten Hühnern.

Bilder des von Blut tiefrot gefärbten Meeres. Bilder von in einer Blutlache aufeinandergetürmten Fischen, die verzweifelt zappeln. In enge Käfige gequetschte, gefangene, trauernde Geschöpfe. Bei lebendigem Leib ins Feuer oder siedendes Wasser Geworfene, Verstümmelte. Und es ging noch weiter.

Bilder, die Kinderprostitution, Drogenmissbrauch, Mord und Gewalt zeigten.

Bilder von Leichen. Menschen, die durch Krankheiten hinweggerafft wurden. Bilder von abgetriebenen Föten. Leblose Körper, die nie Liebe erfahren hatten. Abgemagerte Tote, um die sich keiner einen Dreck scherte. Geschundene Menschenleiber, die aus Spaß getötet worden waren. Kriegsleichen in Massengräbern.

Bilder von geschlagenen Kindern, von gefolterten Menschen, von einsamen, trauenden, entsetzten, aussätzigen Menschen. Bilder, auf denen drangsaliert, gepeinigt, misshandelt wurde, auf denen Menschen Selbstmord begingen, sich selbst verstümmelten, aus Selbsthass, aus innerer Leere, aus der Leere, die andere in ihrem Innern hinterlassen hatten. Unaussprechliches Leid.

Sobald die Augen auf die grotesken Abbildungen fielen, schienen diese sich unmerklich zu bewegen. Ihre stummen Schreie tönten in den Ohren und wollten nicht mehr abreißen.

Die Augen konnten nicht vor ihnen verschlossen werden. Wie Gespenster tanzten sie auf dem Inneren der Augenlider und quälten den Betrachter, brannten sich unauslöschlich ins Gehirn.

„Oh Gott!“, stieß Ariane atemlos aus. Entsetzt versuchte sie sich abzuwenden, aber die Bilder waren überall und suchten sie heim.

Plötzlich sahen die sechs, wie in der Mitte des Raums ein gelblich leuchtendes Hologramm auftauchte. Drei flimmernde Worte erschienen in dem Licht:

 

Was siehst du?

Darunter stand eine 2 geschrieben.

 

Die sechs traten näher heran.

„Wie, was wir sehen?“, fragte Vitali.

„Die Hölle.“, flüsterte Ariane, mehr zu sich als an die anderen gerichtet.

Zeitgleich wurde aus der 2 eine 1.

„Alter, was?“, rief Vitali

Justin antwortete: „Offenbar hatten wir nur zwei Versuche, um das Rätsel zu lösen.“

„Und die Antwort war falsch.“, fügte Secret hinzu.

„Tut mir leid.“, sagte Ariane beschämt, sie hatte nicht gewusst, dass ihr leiser Ausruf sie alle in Schwierigkeiten bringen würde.

„Dafür kannst du nichts.“, beruhigte Justin sie.

„Aber was will das Ding denn hören?“, schimpfte Vitali.

Secret starrte ernst auf das Hologramm. „Die nächste Antwort müssen wir uns auf jeden Fall gut überlegen. Wer weiß, was sonst passiert.“

Widerwillig schauten sie sich noch einmal um.

Vivien drehte sich zu Justin. „Fällt dir was ein?“

Er schüttelte betrübt den Kopf.

Serena ergriff das Wort. „Das ist doch nicht so schwer.“

Fragend sahen die anderen sie an.

Serenas Gesichtsausdruck war versteinert. „Das ist die Wirklichkeit.“

Schlagartig färbte sich das Hologramm in einen dunkleren Farbton, die Schrift verschwand und wurde ersetzt durch eine andere.

Für einen kurzen Moment starrten die fünf Serena an.

Sie erwiderte die Blicke nicht. Stattdessen war sie bereits auf den neuen Text fixiert, der gerade aufgetaucht war.

Die anderen taten es ihr gleich. Jetzt war nicht die Zeit, sich über Serenas Antwort tiefsinnige Gedanken zu machen.

Vivien las vor: „Diese Empfindung, die mein Blut zum Kochen bringt, die in meinen Adern pocht. Nicht von mir ablässt, meine Sinne benebelt, meine Gedanken nur in eine Richtung lenkt. Dieses Gefühl zwischen Lachen und Schreien, zwischen Wahnsinn und Freude, das mir fast den Verstand raubt und doch klarer mich denken lässt als je zuvor. Das mich trotz allem am Leben hält. Dessen Name mir entfallen.“

„Wir sollen also dieses Gefühl benennen.“, schlussfolgerte Secret.

Vitali nörgelte. „Ist das hier ’ne Gedichtinterpretation, oder was?!“

Dieses Mal wandte Ariane sich erst den anderen zu, um nicht versehentlich wieder eine falsche Antwort zu geben. Sie sah, dass Serenas Blick fest auf das Gedicht gerichtet war. Irgendwie schien sie mit den Gedanken weit fort zu sein.

„Es klingt wie in vielen Liebesliedern, findet ihr nicht?“, erkundigte sie sich bei den anderen, darauf bedacht, nicht unbeabsichtigt einen Mechanismus auszulösen.

Justin nickte.

„Aber …“ Ariane sah zu Serena.

Serena war unsicher. Sollte sie den anderen sagen, was sie vermutete? Sicher hielten sie sie für verrückt. Dieses quälende Gefühl, das sich in ihr eingenistet hatte und das durch die Worte des Gedichts angeregt worden war… Vielleicht hatte Ariane mit ihrer Idee ja doch Recht.

Vivien schüttelte den Kopf.

„Was ist?“, fragte Justin.

„Ich weiß nicht, was es ist, aber es ist nicht das, was wir denken.“, antwortete sie. „Es klingt eher wie…“ Sie unterbrach sich. „Ihr wisst schon, wenn man wütend ist.“

Serena schwieg.

„Aber dann kann man doch nicht klarer denken.“, wandte Ariane ein.

Vivien lachte. „Wenn man verliebt ist auch nicht.“

Ariane schwieg, denn sie hatte keine Ahnung, wie sich Verliebtheit anfühlte. Sie kannte nur die zahlreichen Beschreibungen.

„Wollen wir jetzt irgendwas sagen oder nicht?“, maulte Vitali.

Justin wandte sich an die anderen. „Vielleicht ist es doch, was Ariane zuerst vorgeschlagen hat. Serena?“

Serena zuckte mit den Schultern.

„Sicher?“, fragte Ariane.

Keiner antwortete.

„Das klingt eher, als wäre jemand total besessen.“, meinte Vitali.

Schüchtern gab Justin von sich: „Naja, man ist auch …“ Er errötete und wagte nicht in Viviens Richtung zu sehen.

„Wir sind hier inmitten von Horrorbildern und ihr denkt ernsthaft, dass das die Antwort ist?“, rief Vitali.

Plötzlich veränderte sich etwas an dem Hologramm, es begann rot zu blinken und ein Countdown lief von 10 rückwärts.

Vitali stieß einen Fluch aus.

Der Raum fing an, heftig zu beben. Dann rieselte Staub von der Decke, ehe im nächsten Moment ganze Betonblöcke herabfielen.

Vitali sah die anderen drängend an. „Schnell!“

Wie vom Donner gerührt brüllte Serena nun aus Leibeskräften: „Hass!“

Stille.

Der Einsturz war abgebremst worden. Das Hologramm verschwand.

Die sechs schnappten nach Luft.

Vitali schrie sie an. „Wenn du es wusstest, hättest du es auch gleich sagen können!“

Serena wich seinem Blick aus.

„Woher wusstest du…“, hob Ariane verunsichert an.

Serena antwortete kurz und distanziert. „Wahrscheinlich hast du noch nie jemanden richtig gehasst.“ Sie spuckte das Wort auf eine Weise aus, die einen unwillkürlich an die Stimmen der Schatthen erinnerte.

Ehe einer von ihnen auf den Kommentar eingehen konnte, zeigte sich eine neuerliche Veränderung an der Umgebung.

Aus dem Boden einige Schritte vor ihnen zischten an einer Stelle helle, ausgefranste Lichtfetzen. Weiße Funken stoben auf, ähnlich denen bei einer Wunderkerze.

In rasender Geschwindigkeit zog das Lichtband einen großen Kreis. Als Anfang und Ende der Linie sich fanden, färbte sich das Innere des Kreises weiß, das Licht aus dem Kreisrand erlosch. Dann tauchten gleichzeitig sechs große Punkte innerhalb des Kreises auf. Sie erschienen von der Mitte ausgehend, bis sie vollständig sichtbar waren, als seien sie mit einem Spezialeffekt aus einer Powerpoint-Präsentation eingeblendet worden. Anschließend entstanden Verbindungslinien zwischen den einzelnen Punkten und zeichneten zwei sich schneidende, gleichseitige Dreiecke auf den Boden, die gemeinsam einen sechszackigen Stern bildeten – ein Hexagramm.

 

„Was soll das jetzt?“, fragte Vitali ungläubig.

Die sechs betrachteten die Bodenverzierung, die es ihnen endlich ermöglichte, ihre Augen auf etwas anderes als auf grauenhafte Horrorbilder zu richten.

Secret stellte fest: „Die Punkte in den Ecken sind jeweils groß genug für einen.“

Vitali hakte nach: „Also sollen wir uns da reinstellen?“

„Das gefällt mir nicht.“, sagte Justin. „Wir sollten zusammenbleiben.“

„Es wird schon nicht so lange dauern.“, meinte Vivien zuversichtlich und lächelte Justin ermutigend an.

„Uns bleibt ohnehin keine Wahl.“, entgegnete Secret knapp.

Ariane sah bekümmert aus. „Langsam wirkt es so, als würden wir hier ewig von einem kranken Spiel ins nächste stolpern.“

Vivien scherzte. „Vielleicht gibt es irgendwann ein Rollenspiel mit uns!“

Secret blieb ernst. „Wollen wir nur hoffen, dass das die letzte Etappe ist.“

„Ich hoffe viel eher, dass wir das überleben.“, meinte Serena.

Etwas widerwillig begab sich jeder von ihnen auf einen der Punkte.

Serena nahm den Platz zwischen Justin und Secret ein, gegenüber Vitali, der links von Ariane und rechts von Vivien umgeben war. Kurze Zeit standen die sechs schweigend da, ohne dass etwas geschah.

„Alter, wieso macht es nie sofort etwas?“, rief Vitali.

Im selben Atemzug schoss etwas aus der Begrenzung ihrer Kreise hervor und schloss jeden der sechs ringsum ein.

Noch ehe ihre Augen dem Schauspiel überhaupt hatten folgen können, sahen sie sich jeweils in einem durchsichtigen Zylinder gefangen.

Ein paar von ihnen hämmerten sogleich auf ihr Gefängnis ein und schrien nach einander, aber das panzerglasähnliche Material verschluckte jeden Ton.

Von jetzt auf nachher erlosch sämtliches Licht im Raum und tauchte ihre Umgebung in Finsternis. Nur das Innere ihrer sechs Zylinder war in einen blassen petrolfarbenen Schein gehüllt und hob sich aus der undurchdringlichen Schwärze ab.

 

Noch einmal schlug Justin auf die Scheibe ein. Nutzlos.

Er gab es auf. Entsetzt starrte er auf die anderen, deren Angst und Verzweiflung deutlich auf ihren Gesichtern geschrieben standen.

Er musste ihnen doch helfen!

Auf einmal bildete sich auf der Zylinderoberfläche vor ihm ein virtuelles Fenster ab. Einzelne Buchstaben wurden von links nach rechts in schnellem Tempo eingeblendet und fanden sich zu einer Frage zusammen. Darunter setzte sogleich ein bei zehn beginnender Countdown ein.

Die anderen fünf sahen Augenblicke später, wie in der Mitte des Hexagramms ein Licht aus dem Boden floss. Die Fläche wirkte wie ein mehrdimensionaler Fernseher, bei dem jeder der sechs einen guten Blick auf das Bild werfen konnte. Verschiedene Bilder flimmerten auf. Fotos, kurze bewegte Sequenzen, Schlagzeilen von Kindsmord, Kindesmissbrauch, von dem Hungertod überlassenen und geschlagenen, einsamen, weinenden, im Stich gelassenen Kindern.

Entsetzen schnürte ihnen die Kehle zu. Manche von ihnen mussten sich abwenden, weil sie den Anblick nicht länger ertrugen.

Dann verschwanden die Bilder wieder, als wären sie von einem schwarzen Loch eingesogen worden.

Und mit ihnen erlosch das Licht von Justins Zylinder.

Die aufgeschreckten Schreie der fünf kamen nie bei ihm an.

 

Arianes zitternde Hände ruhten auf der Glasfläche. Ihre Augen waren ausdruckslos auf Justins Zylinder gerichtet, oder besser gesagt auf den Ort, an dem er eben noch gestanden hatte. Wer wusste schon, ob er nicht von der Schwärze verschluckt oder in den Boden aufgesaugt worden war.

Was war das nur für ein krankes Psychospielchen?

Ein schluchzendes Atemgeräusch erfüllte Arianes Zylinder und Tränen schossen ihr in die Augen.

Es sollte endlich aufhören!

Die Zylinderoberfläche vor ihr veränderte sich.

Sekunden darauf erschien die Bildfläche in der Mitte des Hexagramms erneut. Dieses Mal waren es Bilder von streitenden Paaren, die in Gewalt ausarteten. Eine Ehestatistik. Liebloses Nebenherleben. Treulosigkeit. Vergewaltigung in der Ehe. Schlagende, brutale Partner, die auf ihr Gegenüber eindroschen.

Arianes Zylinder wurde schwarz.

 

„Neeeeiiin!!!!!“ Vitali schlug erneut auf das Fenster vor sich ein. „Neeeiin!“ Bebend vor Verbitterung und Entsetzen lehnte er seine Stirn und beide Fäuste gegen die Scheibe. Seine innere Pein suchte einen Weg an die Oberfläche und ein unwillkürliches Wimmern stahl sich von seinen Lippen.

Es hörte ja eh keiner.

Mit fest zusammengebissenen Zähnen starrte er anschließend auf die anderen drei, die übrig geblieben waren. Er sah, dass Serena mit leerem Ausdruck erstarrt war, als habe sie noch gar nicht richtig registriert, was hier eigentlich geschah.

Diese dumme Kuh! Und Secret dieser Idiot! Sein Gesichtsausdruck war der gleiche unnahbare wie immer. So als würde ihn das alles überhaupt nichts angehen!

Verflucht!

Vitali wurde von einer Mischung aus Wut und Verzweiflung gepackt. Er wollte auf etwas einschlagen, irgendwie seinen Zorn freilassen. Denjenigen umbringen, der ihnen das antat!

Dann fiel sein Blick auf Vivien.

Als Justins Zylinder verschwunden war, war sie hysterisch in sich zusammengebrochen. Nichts von dem immerfröhlichen Mädchen war übrig geblieben. Sie war ein Häufchen Elend gewesen, gefangen in der Einsamkeit des engen Zylinders.

Vitali wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, sich überhaupt wieder aufzurichten. Ihr nunmehr seltsam fester Blick war auf ihn gerichtet.

Es blieb Vitali nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, was dieser Blick bedeutete. Etwas anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich.

Nachdem ein neuer Film zu den Themengebieten Freundesverrat, Ausnutzung und schmerzhafte Enttäuschung vorübergezogen war, verschwand auch Vitali in der Finsternis.

 

Vivien hörte ihren eigenen Atem und zwang sich, beherrscht zu bleiben. Sie musste klar denken. Das alles war immer noch ein Spiel. Bei den anderen drei hatte sie gesehen, wie ihre Augen sich auf etwas auf der Zylinderoberfläche konzentriert hatten, auch wenn man von außen nicht erkennen hatte können, was genau es war. Kurz darauf waren dann jedes Mal die Filme abgespielt worden und Justin, Ariane und nun auch Vitali waren verschwunden.

Ganz ruhig. Sie mussten nur gewinnen, das war alles, dann wären die anderen gerettet.

Jäher Zweifel überfiel Vivien. Übelkeit stieg in ihr auf.

Es waren jedes Mal verschiedene Filme gewesen! Was, wenn es auch verschiedene Fragen waren?

Was, wenn es dieses Mal nicht um das Gewinnen der Gruppe ging, sondern jeder für sich um sein Leben spielte? Dann waren die anderen verloren!

Nein! Vivien versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Diese Horrorszenarien brachten sie nicht weiter. Vielleicht ging es ja darum, dass man so viele Punkte wie möglich sammelte. Drei von sechs waren ausgeschieden, das hieß, dass sie nicht mehr gewinnen konnten. Aber sie konnten unentschieden spielen!

Vivien konzentrierte sich auf die Scheibe vor sich und wartete fest entschlossen auf ihre Frage. Und die Frage kam.

 

Serena glitt auf den Boden des Zylinders. Dann sah sie Viviens fröhliches Gesicht ihr siegessicher zulächeln. War es jetzt vorbei? Für immer?

Serena starrte auf die Schwärze von der sie eingehüllt war. Das Bild vor ihr verschwamm für einen Moment. Sie war das letzte zurückgebliebene Licht.

Viviens Lächeln war nichts als ein Hirngespinst. Auch Vivien und Secret hatten sie hier in der Finsternis zurückgelassen.

Die Bilder von Geschwisterhass und erbitterten Kämpfen bis zu Geschwistermord, von Selbstverstümmelung, Selbsthass und Selbstmord, die Serena eben zu Gesicht bekommen hatte, zogen noch einmal an ihrem geistigen Auge vorbei. Alles schien so unwirklich. Es konnte nicht echt sein. Nicht echt.

Jäh war Serena einer Panikattacke nah. Sie wollte schreien und kreischen, sich einem hysterischen Anfall hingeben, aber sie blieb am Boden kauern, still und apathisch.

Ein leises, schrilles Geräusch begleitete ihr Einatmen. Wie eine Geisteskranke schüttelte Serena den Kopf und wollte nur noch, dass es vorbei war. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Maske des Leids, aber es drang kein Geräusch aus ihrem Mund, keine Tränen linderten ihre Qual.

Sie hatte solche brennende Sehnsucht nach den anderen fünf, dass es sie fast zerriss.

In diesem Moment erschien auch vor ihr die Frage, die keiner der anderen hatte richtig beantworten können.

Der Countdown lief.

10

09

08

Schnellstmöglich befreite sich Serenas Geist von ihrem Wahn und bemühte sich, ihre Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

07

Mit einem Mal ergab alles einen Sinn. Die Filme. Das Erlöschen der Zylinder.

Die anderen hatten die gleiche Frage gestellt bekommen und jede der Antworten war durch einen Film widerlegt worden. 

Liebe zwischen Eltern und Kindern

Die Liebe zwischen Partnern

Liebe zu Freunden

Geschwisterliebe

Liebe zu sich selbst

Alles war falsch.

06

Die Frage brannte sich in Serenas Gehirn.

Wo ist die Liebe?

05

Serena wurde panisch. Suchte hektisch nach möglichen Antworten. Fand keine. Entdeckte die eine. Die einzige.

04

Die Antwort, die so nahe lag, dass es ihr unbändige Qualen bereitete, wollte nicht über ihre Lippen kommen.

Nein…

03

Es war doch so leicht! So schrecklich leicht! Sie brauchte es doch nur noch zu sagen! Aber etwas… etwas ganz tief in ihr weigerte sich so heftig, so vehement, leidenschaftlich und verzweifelt, die letzten Worte auszusprechen, dass es ihr die Luft abschnürte. Ihre Stimmbänder widersetzten sich ihren Befehlen. Ein grauenhaftes Stechen in der Brust wollte sie zurückhalten. Doch Serena verschloss sich vor der inneren Stimme, die sie lautstark warnen wollte:

An diesem Ort gab es keine leeren Worte, keine unverbindlichen Aussagen!

02

Brutal riss sich Serena von allem los. Sie zerfetzte die unsichtbaren Stränge, die sie zu beschützen suchten. Dann schrie sie, schrill, hysterisch,… tödlich.

„ES GIBT KEINE LIEBE!!!!!“

Die Worte drangen mit einer immensen Intensität durch das schalldichte Glas. Sie hallten wie ein ewiges, qualvolles Echo und besiegelten Serenas unauslöschliche Entscheidung.

Und während Serenas Zylinder erleuchtet blieb, erlosch etwas anderes, weit Wichtigeres in ihrem Herzen.

 

Von der Finsternis in eiserne Fesseln gelegt und jeglicher Sicht beraubt, stand Secret da, unbewegt, unwissend, nüchtern. Er wusste nicht, ob sich etwas an seiner Umgebung verändert hatte, ob er sich noch in dem Zylinder befand oder an einem vollkommen anderen Ort. Er war allein. Allein mit seinen Gedanken und Befürchtungen. Jede Sekunde konnte seine letzte sein. Wahrscheinlich lauerte sein baldiger Tod bereits in der undurchdringlichen Schwärze. Doch nicht einmal dieser Gedanke konnte seinem Inneren jegliches Gefühl entlocken. In eisige Gefühlskälte gehüllt, wartete er. War gespenstisch gleichgültig gegenüber allem.

Dann kam der Schrei.

Die Worte berührten Secret nicht. Nichts hatte ihn berühren können, seit er in diesem Reich erwacht war, und somit soweit er sich erinnern konnte. Dennoch wusste er genau, welches Leid die Person verspürte, deren Stimme kaum noch zu erkennen gewesen war – verzerrt von innerer Zerrissenheit.

Er wusste es einfach, wusste wie Serena sich fühlte. Ohne Grund. Und er spürte es und spürte es nicht. Nicht mit seinem Herzen. Es war ein fremder Teil in ihm, der auf den Schmerz des Mädchens reagierte, als kenne er ihn selbst nur zu gut. Ein Teil, der von Secret abgetrennt war und doch untrennbar mit ihm verbunden.

Plötzlich verschwand die Dunkelheit.

 

Die Schwärze spie die fünf fehlenden zylinderförmigen Glasgefängnisse wieder aus. Sie waren alle wieder da. Justin, Ariane, Vitali, Vivien und Secret. Keiner fehlte. Noch einmal wurde ihnen kurzzeitig die Sicht geraubt, als das gesamte Hexagramm hell aufleuchtete. Die Linien, die runde Fläche, auf die der Davidsstern gezeichnet war, und dann das gesamte Gebiet wurden in gleißendes Licht gehüllt.

Als der blendende Effekt nachgelassen hatte, schwebte der sechszackige Stern, auf dem sie standen, in einer unbestimmten weißen Weite. Ohne Oben und Unten, ohne Rechts und Links. Die grausigen Bilder waren verschwunden.

Von den Ereignissen überwältigt, starrten sie einander an. Die unverhoffte Rettung erschien ihnen im ersten Moment wie ein reiner Wunschgedanke, ein letzter verzweifelter Versuch ihres Gehirns, das bittere Ende durch eine Wahnvorstellung ein wenig zu versüßen.

 Wieder beieinander zu sein, unversehrt, ohne Verluste, war einfach zu perfekt, um es nach all dem Schrecken sofort als Wahrheit zu akzeptieren.

Ohne Verluste …

Serenas Ruf, der bis in die Finsternis zu ihnen vorgedrungen war, kam ihnen wieder in den Sinn. Das blanke Grauen war über sie gekommen, als sie die schrillen Worte vernommen hatten. Wie der Schrei einer Todesfee hatte es sich angehört, schlimmer als das Geräusch von Fingernägeln, die über eine Schiefertafel kratzten, schmerzhaft und unmenschlich.

Mit dieser Seelenqual sollte Serena sie gerettet haben? Zu welchem Preis.

Sie sahen Serena auf dem Boden ihres Zylinders kauern, den Blick gesenkt, so als habe sie noch gar nicht registriert, dass sie alle wieder da waren, oder als sei das nicht länger wichtig.

Ein eisiger Schauer lief ihnen über den Rücken. Sie schüttelten das grausige Gefühl ab. Sicher war sie nur genauso erschöpft und mit den Nerven am Ende wie jeder von ihnen. Im gleichen Moment wussten sie, dass es das nicht war.

Doch ehe ihr Absturz aus dem Freudenhoch über ihre jähe Wiedervereinigung in beißendes Elend richtig in Fahrt kommen konnte, wurden auch ihre Körper in eine namenlose Tiefe gerissen.

Ohne Vorwarnung löste sich der Boden unter ihren Füßen auf und überließ die sechs einem abermaligen Fall.

 

Ende des Kapitels

 

Ab diesem Punkt ging es dann in Kapitel 11 weiter. 

 

 

 

 

 

Ich finde das Kapitel trotz allem sehr gelungen, weshalb ich es mit euch teilen wollte. 

In dieser vormaligen Version gab es bereits klare Anzeichen für Serenas völliges Ausrasten in den Spiegelsälen, weil sie quasi schon an diesem Punkt diesen Weg eingeschlagen hat.  

 

Einzelne Infos sind durch das Ausschneiden leider verloren gegangen, wie

  • dass Vivien, wenn es um Justin geht, ziemlich heftig reagieren kann,
  • dass Ariane keine Ahnung hat, wie sich Verliebtsein anfühlt,
  • dass Secret nichts fühlen kann, aber etwas in ihm mit Serena in Resonanz geht
  • die deutlichen Zeichen von Serenas Finsternis

Daher bin ich froh, das mit euch auf diese Weise teilen zu können. :D

 

Ich würde mich freuen, von euch zu erfahren, was ihr darüber denkt. ^^

 

Alles Liebe! 

Eure Regina

 

Balance Defenders Umfrage Eigene Serie, Balance Defenders, Lieblingscharakter, Lieblingspairing, Umfrage

Autor:  Regina_Regenbogen

Ich versuche mich das erste Mal an einer Umfrage und bin schon sehr auf eure Antworten gespannt! 

~\(≧▽≦)/~ Danke!!!

Welchen Balance Defenders Charakter hast Du am liebsten?
Du kannst natürlich auch mehrere Charaktere auswählen. ;)
Oder alle. XD
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Welches in Balance Defenders angelegte Pärchen magst Du am liebsten?
Du kannst auch mehrere wählen. ;)
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RukaHimenoshi hatte übrigens vorgeschlagen, Shippingnamen zu machen, wodurch es jetzt diese lustigen Begriffe gibt: Trunite (Trust x Unite = Justin x Vivien), Seretali (Serena x Vitali) und Eriane (Erik x Ariane) o(* ̄▽ ̄*)o

 

Welche Zweier-Kombis aus Balance Defenders Charakteren findest/fändest Du am interessantesten?
Du kannst mehrere wählen.
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Bist Du den Balance Defenders Charakteren ähnlich?
Du kannst bei jedem Charakter auswählen, ob du dich ihm ähnlich fühlst. ^^
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JaNein
Serena / Destiny
Vitali / Change
Vivien / Unite
Justin / Trust
Ariane / Desire
Erik / Secret

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Wo bist Du gerade beim Lesen von Balance Defenders?
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Oh, ich freue mich schon so sehr darauf, eure Antworten zu sehen! o(^▽^)o

Ariane - oder von der Schwierigkeit, perfekt zu sein Eigene Serie, Balance Defenders, Besonderheit, Charakter, Normalität, Perfektionismus

Autor:  Regina_Regenbogen
 
Die "Normale" unter den Außenseitern 
 
 
Wie es im letzten Blogartikel schon anklang, wirkt Ariane in einer Gruppe aus Figuren, die an typische Nebencharaktere erinnern, auf den ersten Blick wie die typische Protagonistin. 
 
Während die anderen nicht gerade den Eindruck machen, Teil der beliebtesten Clique zu sein. erscheint Ariane allein schon aufgrund ihrer Schönheit wie jemand, der "dazugehört".
Sie ist selbstbewusst, freundlich, rücksichtsvoll und sehr selbstreflektiert. Zwar hadert sie damit, dass andere ihrem Aussehen zu viel Aufmerksamkeit widmen, aber sie äußert nie irgendeinen sonstigen Groll auf die Welt oder zeigt besonders schrullige, auffallende Eigenschaften.
Kurz gesagt wirkt sie wie ein sehr umgänglicher Mensch, der keine Probleme hat, sich in eine neue Gruppe zu integrieren, oder diesbezüglich Hemmungen oder Angst hätte. 
Weder stößt sie irgendwen vor den Kopf, wie Serena es tut, noch ist sie laut wie Vitali oder übertrieben aufdringlich wie Vivien. Und während wir Justin als sehr unsicher insbesondere in Bezug auf Vivien erleben, scheint Ariane mit einem gesunden Selbstvertrauen gesegnet zu sein. 
Das wirft die Frage auf: Was ist eigentlich ihre Schwäche???
 
 
 
Zugehörig?
 
 
Im Gegensatz zu den anderen fühlt sich Ariane normal und zugehörig. Wir erfahren aber auch, dass sie Erfahrungen gemacht hat, die dem widersprechen. Dennoch lässt sie sich nicht einreden, eine Außenseiterin zu sein. 
Ariane widerstrebt es, andere als eine einförmige Gruppe zu sehen, weshalb sie sich nicht als anders wahrnimmt. Als Feministin hält sie es für falsch, sich als "anders als die anderen Mädchen" zu betrachten, weil alle Frauen, ja, alle Menschen auf ihre Art besonders sind und es nicht darum geht, in Konkurrenz mit anderen zu treten. Daher ist es ihr Anliegen, sich immer als Teil der Gemeinschaft zu verstehen, statt sich von dieser abzugrenzen. 
Sie denkt, dass es niemandem hilft, sich aus der Gruppe der Normalen herauszunehmen, weil sich auf diese Weise ja nichts ändert und man anfängt, Negatives auf die Mehrheit der Menschen zu projizieren. Stattdessen ist es ihr ein Anliegen, Toleranz und Respekt in alle Richtungen zu geben und Gruppen als einzelne Individuen wahrzunehmen. 
 
Das Problem ist, dass sie dadurch oft Menschen, die sich von der Masse abgrenzen, ungewollt vor den Kopf stößt. Ihre Versuche, zu Toleranz aufzurufen, wirken auf Personen, die selbst unter der Intoleranz der "Normalen" gelitten haben, als würde sie Täter verteidigen.
Ariane stellt moralisches Handeln und Denken über Loyalität, etwas, mit dem beispielsweise Serena überhaupt nichts anfangen kann. Ironischerweise hat dadurch Serena den größeren Gemeinschaftssinn als Ariane. Serena ist bereit, die Gruppe, die sie als die ihrige ansieht, gegen alle im Außen zu verteidigen. Ariane dagegen betrachtet immer zuerst neutral die Situation und versucht zu verstehen, was schiefgelaufen ist und geht stets davon aus, dass von beiden Seiten etwas passiert sein muss. 
Die Konsequenz ist, dass Ariane immer außen steht...
 
 
 
Das Los des Außenstehenden
 
 
Arianes Bemühungen, neutral zu sein und vom Besten im Menschen auszugehen, kosten sie einen hohen Preis.
Niemanden als schlecht einzustufen, bedeutet auch, Menschen, die einen schlecht behandeln, nicht abwerten zu dürfen und somit von sich selbst ein Maß an Kontrolliertheit zu erwarten, das gerade in Situationen, in denen man besonders verletzlich ist, zu viel verlangt ist. 
 
Auch versagt sie sich dadurch, sich in eine Gemeinschaft fallen zu lassen und nicht andauernd alles immer wieder kritisch zu hinterfragen. 
Zwar hält sie sich selbst nicht für einen Außenseiter, aber ihr Anspruch, unparteiisch zu sein, verwehrt ihr, sich wirklich aufgehoben und verbunden zu fühlen.  
 
 
 
Scheinheilig? 
 
 
Obgleich Ariane nie jemand anderem direkt Vorwürfe macht, wenn er sich nicht ihren Werten entsprechend verhält, sondern der Person lediglich ihre Sichtweise mitteilt - was bei Erik durchaus ins Vorwurfsvolle geht - kommt es beim anderen und auch beim Leser oft so an, als würde sie diese Perfektion von anderen verlangen. Entsprechend kann es so wirken, als würde sie etwas vom anderen fordern, das sie selbst nicht fähig ist zu leisten. 
 
Ihre ständige Betonung von Neutralität und Toleranz lässt ihr eigenes Versagen in diesem Bereich oft deutlicher hervortreten als das derjenigen, die gar nicht erst einen solchen Anspruch erheben. 
Würde sie nicht immer wieder dafür plädieren, keine Vorurteile zu haben, und würde sie ihre eigenen Fehltritte nicht direkt selbst in Gedanken kommentieren, würden diese nicht so sehr auffallen. Doch so wirkt es, als wäre gerade sie diejenige, die am wenigsten ihre eigenen Kriterien erfüllt. 
Die Krux des Perfektionismus. 
 
 
 
Oberflächlich?
 
 
Ariane leidet sehr darunter, als oberflächlich eingestuft zu werden, und versucht gerade deshalb alles, um in ihrer Rolle als nette und moralische Person wahrgenommen zu werden.
Tragischerweise lässt genau das sie auf andere oberflächlich wirken. 
Anstatt in die Tiefe und Dunkelheit der menschlichen Psyche abzutauchen, ist sie stets bemüht, über den Dingen zu stehen und geradezu nach kantschen Maßstäben zu handeln. Ein solches Vorhaben ist nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern führt dazu, dass sie ihre eigenen Gefühle verleugnet.
 
 
Unnahbar?
 
 
Ariane denkt viel nach, was aber nicht ausgleichen kann, dass sie auch nur ein Mensch mit Gefühlen ist und sich nicht immer so verhalten kann, wie sie es gerne möchte. 
Ihre Idealvorstellung klingt nach einem Menschen, der zwar höflich und gerecht ist, der sich aber auch nie auf etwas einlässt, weil dadurch die Gefahr besteht, in etwas emotional involviert zu werden. 
Sie ist bereit, alles zu geben, wenn sie an eine Sache glaubt, aber wenn es nicht um eine Sache, sondern um eine Person geht, hat sie deutlich größere Hemmungen. 
 
Obwohl ihr Eriks Art der Unnahbarkeit widerstrebt, ist sie in ihrer Unverbindlichkeit ebenso distanziert und hält andere auf Abstand. Sie ist zu allen höflich, freundlich und hilfsbereit, aber ihre Schattenseiten zeigt sie niemandem. Etwas, das Erik umso mehr reizt, sie aus der Reserve zu locken, schließlich heißt er nicht umsonst Geheim. 
 
Das erste Mal, dass sie wirklich die Fassung verliert, ist gegenüber Eriks Vater. Bei ihm versucht sie auch nicht, eine Entschuldigung für sein Verhalten zu finden.
In diesem Moment gibt sie ihre Distanz auf und lässt ihren Gefühlen freien Lauf. 
Bei ihrem ersten Auftritt hatte Ariane auf das Catcalling einer Jungengruppe ähnlich reagiert. Doch da war es um ihre Werte gegangen, Frauen mit Respekt zu behandeln. 
Auch Herrn Donners Verhalten verletzt ihre Werte, doch an der Heftigkeit von Arianes Verhalten ist abzulesen, dass sie in diesem Moment nicht nur für ihre Prinzipien einsteht, sondern für jemanden, der ihr wichtig ist und den sie verteidigt. 
 
 
 
Selbstkontrolle
 
 
Es kommt nicht von ungefähr, dass Erik und Vivien, die beiden Charaktere mit der brutalsten Selbstbeherrschung, immer wieder Ariane reizen und geradezu ärgern wollen. Während Justin, der ebenso strikte Maßstäbe bezüglich moralischen Handelns ansetzt, Ariane immer unterstützt. 
Erik und Vivien halten sich nicht an die Regeln, die Ariane für unverbrüchlich hält, um ein guter Mensch zu sein.
Schlimmer noch: sie brechen sie mit voller Absicht.
Weder sind sie dauernd rücksichtsvoll, noch zeichnen sie sich durch übertriebene Bescheidenheit aus. Beides Dinge, die für Ariane zum guten Ton gehören. 
Doch während Ariane Vivien aufgrund ihres quirligen Wesens und der Tatsache, dass sie ein Jahr jünger ist, noch irgendwie entschuldigt, kann sie bei Erik, der so offensichtlich äußerst reflektiert ist, nicht verstehen, warum er sich so verhält. Schließlich hat er den scharfen Verstand und das Reflexionsvermögen, um zu sehen, dass sein Verhalten unnötig provoziert. 
 
Erik und Ariane sind sich in ihrer Unnahbarkeit sehr ähnlich, drücken diese aber unterschiedlich aus. 
In vielerlei Hinsicht sind sie wie Spiegel füreinander oder zwei Seiten derselben Medaille. 
Während Ariane übertrieben bescheiden ist und sich dauernd kritisch betrachtet und hinterfragt, tritt Erik mit einer schamlosen Selbstüberzeugung auf. Etwas, das sich Ariane nie gestatten würde, wo sie doch schon ohne äußeren Anlass dauernd arrogant genannt wird. 
Erik wiederum kann Arianes duckmäuserische Bescheidenheit und ihren Drang, eine Vorzeigeperson zu sein - moralisch integer, immer nett und freundlich - nicht ertragen. Solch ein Verhalten würde wiederum er sich nicht erlauben.  
 
Schlussendlich sind beide darauf bedacht, einem Idealbild zu entsprechen, das sie für sich entworfen haben.
Erst später wird ersichtlich, dass auch Vivien mit diesem Problem zu kämpfen hat. 
 
 
 
Das Dilemma des Perfektionismus  
 
 
 
Je mehr Ariane darauf bedacht ist, ihrem Idealbild zu entsprechen, umso mehr Aufmerksamkeit schenkt sie der Tatsache, dass sie ihrem Anspruch eben nicht gerecht wird.
Und je mehr sie sich darauf konzentriert, desto weniger ist sie fähig, wirklich auf das einzugehen, was um sie herum passiert. 
Sie ist so sehr bemüht, eine gute Person zu sein, die man aufgrund ihres Charakters schätzt, dass sie vergisst, diesen Charakter zu zeigen. Was sie zeigt, ist nichts als eine Rolle, die sie zurechtgelegt hat, um keine Angriffsfläche zu bieten. 
Dadurch tut sie schlussendlich das Gegenteil von Serena. 
 
Serena ist zu allen garstig, um gar nicht erst jemandem einen Grund zu geben, sie nett zu finden und ihr dann Vorwürfe zu machen, dass sie es doch nicht ist. Ariane dagegen versucht mit aller Kraft, so nett und freundlcih zu sein, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlen kann. Das Problem ist, dass sie gerade dadurch aneckt. 
Sie ist so bemüht, dass sie gar nicht dazu kommt zu zeigen, wie sie wirklich ist, aus Sorge dafür wieder kritisiert zu werden. 
Nur in wenigen Momenten zeigt sie ihre verspielte Freude, ihren Ehrgeiz, ihren Dickkopf, ihre Schlagfertigkeit und ihren Humor. 
 
 
 
Echtheit
 
 
Ariane bemüht sich, das Gute und Richtige zu tun. Häufig ist das allerdings mit Anstrengung verbunden. Nur in Momenten, in denen sie spontan handelt, sehen wir ihren Mut und dass sie auch ohne heftige Selbstkontrolle das tut, was sie für richtig hält.
Statt daran zu glauben, dass sie ohnehin dieser liebe, nette Mensch ist, der sie sich zu sein wünscht, quält sie sich damit, es werden zu müssen. 
 
Ein gutes Bild dafür stammt aus dem Film 'Das letzte Einhorn'.
Dort wird das Einhorn gefangen und in einem Zirkus ausgestellt. Da normale Menschen das Kennzeichen des Einhorns nicht sehen können, zaubert ihm die Hexe ein weiteres Horn, um sein wahres Wesen zur Schau stellen zu können. 
 
 
Arianes Bemühungen, als Mensch mit gutem Charakter gesehen zu werden, sind genau das.
Statt darauf zu vertrauen, dass die richtigen Menschen ihren wahren Wert erkennen, legt sie all ihre Energie in den Versuch, von Leuten wertgeschätzt zu werden, die nur ein aufgesetztes Horn wahrnehmen. 
 
 
 
Die Unmöglichkeit, normal zu sein
 
 
Obwohl sie sich nicht von anderen abheben oder anders sein will, tut Ariane das automatisch, schlicht weil niemand wie die anderen ist. Selbst die anderen nicht.
 
Arianes Herausforderung ist es, sich zu gestatten, herauszustechen und damit Missfallen zu erregen. 
Das bedeutet nicht, andere auszuschließen, in den Schatten zu stellen oder andere zu diskriminieren.
Doch weder ist es praktikabel, noch sinnvoll, alle exakt gleich zu behandeln. Weil eben nicht alle gleich sind, sondern jeder besonders. 
Respektvolles Verhalten ist zwar immer angebracht, aber auch von der Situation abhängig. Und an dem Versuch, immer das Richtige zu tun, kann man nur scheitern. Deshalb ist es notwendig, nachsichtig mit sich selbst zu sein. 
 
 
Fazit
 
Auch wenn es bei Ariane auf den ersten Blick nicht so scheint, darf auch sie noch lernen, sich selbst anzunehmen und sie selbst zu sein.
 
Und das haben alle Beschützer gemeinsam. 
 
 
 
 

Balance Defenders - Ein Team aus Nebencharakteren Eigene Serie, Antagonist, Balance Defenders, Bösewicht, Charaktere, Entstehungsgeschichte, Love Interest, manic pixie dream girl, Nice Guy, Protagonist, Sidekick

Autor:  Regina_Regenbogen

Vielleicht klingt es übertrieben zu sagen, dass die Beschützer aus lauter Nebencharakteren bestehen, schließlich gibt es ja immer auch Geschichten, in denen bestimmte Charaktertypen die Hauptrolle spielen - heute mehr denn je.  Dennoch möchte ich in diesem Beitrag das Ganze mal aus dieser Perspektive betrachten, weil das wirklich mein Gedanke war, als ich dieses Team zusammengestellt habe. :D

 

 

Serena / Destiny - oder die unverstandene Bösewichtin

Tatsächlich kann man Destiny so ein bisschen als meine Version der tragischen Bösewichtin verstehen. Eine Figur, die durch äußere Umstände eben in die Rolle der Bösewichtin gerutscht ist, weil sie nach einer emotionalen Verletzung die ganze Welt hasst und sich nicht anders zu helfen weiß, als alles zu zerstören.

Ich hatte immer solches Mitleid für solche Bösewichte und konnte es überhaupt nicht verstehen, warum die Helden dafür kein Verständnis hatten!!! Entsprechend mochte ich dann natürlich insbesondere Animes, in denen diese Figuren dann gerettet werden. Aber häufig war es in Filmen, Serien und Mangas so, dass diese Charaktere eben kein Happy End bekamen, denn sie waren ja böse. 

Um ehrlich zu sein hatte ich als Kind eben auch Mitleid mit Charakteren, bei denen ich heute aus erwachsener Sicht und aus einer gewissen Distanz sagen muss: Okay, wenn man jemandem so viele Chancen gibt, aber derjenige will einfach nicht von seinem Hass ablassen, ist es wohl einfach nicht möglich, ihn zu bekehren. Aber als Kind war mir das eben ziemlich egal, der blöde Autor bzw. das Autorenteam sollte gefälligst dafür sorgen, dass es meinem Liebling gut geht! XD 

 

Demona aus Gargoyles war mein Lieblingscharakter der Serie, nicht obwohl, sondern weil sie Menschen so hasst. X'D Ob es Zufall oder Schicksal ist, dass Blau und Rot auch Serenas Farben sind? 

Auf jeden Fall hatte ich bei Serenas Arm- und Beinschmuck an Demona gedacht, wobei ich die Form falsch im Kopf hatte, weswegen man gar keine Ähnlichkeit erkennt. XD 

 

Als ich jünger war, hatte ich sogar Verständnis für Schul-Amokläufer. ^^" Heute würde ich mich davon distanzieren. Ja, seelische Schmerzen sind unerträglich, aber anderen das Leben zu nehmen ist eben keine Lösung.

Diese dunkle Seite in mir, die eben auch diesen Hass auf die Welt hat, weil die Welt eben nicht rosarot und glitzernd ist, habe ich quasi in Serena verarbeitet. 

Sie ist so unschuldig in ihrem Wunsch nach einer schönen Welt und gerade dadurch so gefährdet, ins komplette Gegenteil zu kippen, was man nicht zuletzt an ihrem Ausbruch im Spiegelkabinett sieht. 

 

Es kommt auch immer wieder vor, dass ihre Kräfte eben eher wirken, als wären sie die einer Bösewichtin. Das war mir tatsächlich wichtig, weil ich damit zeigen wollte: Ja, auch eine Bösewichtin kann eine Heldin sein. 

 

Serena zeigt ja auch diese Tendenz, sich von den anderen abzugrenzen und sich zum Außenseiter zu machen, wie um diese Verwandlung zum Bösewicht zu durchlaufen.

In diesem Kontext zu erwähnen ist, dass es seinen Grund hat, warum ihr Lieblingskuscheltier Gizmo aus dem Film Gremlins ist. Als süßer, lichtscheuer Mogwai hat er gleichzeitig das Potenzial dazu, zu einem schrecklichen Gremlin zu werden. Genau wie Serena. :D

 

 

Kein Vorbild für Serena, aber stellvertretend für die Rolle der tragischen Bösewichtin stelle ich hier mal noch Morgana Lefay aus Merlin dazu, wobei ich gestehen muss, dass ich nie bis dahin geschaut habe, weil ich einfach nicht sehen wollte, wie sie böse wird. Sie war mein Lieblingscharakter.

 

 

 

Ein komplett anderer Fall ist Change.

 

 

 

Vitali / Change - oder der Sidekick, der mal der Held sein wollte

In vielen Filmen meiner Kindheit und Jugend war der sprücheklopfende Charakter, der aber nicht superstark, cool und kompetent ist, sondern eher flippig und supergut gelaunt, nur ein Nebencharakter, z.B. der beste Freund des Protagonistin. Kurz gesagt, er war nicht der Junge, der am Ende das Mädchen bekommt, sondern der Spinner, der die Situation auflockert, aber ansonsten nicht viel zu sagen hat. Häufig ist dieser Charaktertyp sogar ziemlich hilfreich, aber er ist eben nur der Sidekick und nicht der Held. 

Man könnte also sagen, in Balance Defenders kriegt der verrückte Sidekick die tragische Bösewichtin. XD XD XD Eine etwas lustige Kombi, aber ich würde das in einem Film so was von abfeiern! XD

 

Ok, wenn ich mir das noch mal überlege, gab es in Yu-Gi-Oh! mit Joey und Mai schon so eine Kombi und ich liebte es. XD 

 

 

Entsprechend seines Ursprungs hat Vitali auch immer dieses starke Bedürfnis im Mittelpunkt zu stehen und als Held wahrgenommen zu werden und nicht nur als der Clown.

Allzu häufig wird er auch unterschätzt, weil er gerade mit diesem heftigen Aufmerksamkeitsbedürfnis deutlich unreifer wirkt, als er eigentlich ist. 

Mit Vitali wollte ich also meinen Teil dazu beitragen, dass mal der Sidekick der Held sein darf! ^^

 

Und wenn wir schon bei unterschätzten Charakteren sind: 

 

 

 

Justin / Trust - oder der nette Junge, der plötzlich nicht mehr übersehen wird

Zwar gibt es genug Filme, in denen gerade ein schüchterner, zurückhaltender Typ die Hauptfigur ist. Aber was ich bei Justin im Kopf hatte, war diese Rolle des besten Freunds der Protagonistin.

Der liebe, nette Junge, den sie nicht wirklich als Mann wahrnimmt.

Zwar laufen viele Filme darauf hinaus, dass die Protagonistin schlussendlich erkennt, dass ihr bester Freund der Richtige ist - nachdem ihr Schwarm sich als totaler Depp herausgestellt hat - aber schlussendlich bleibt der liebe, nette Freund eben nur die zweite Wahl, jemand, den man fast schon aus Vernunftgründen nimmt. 

 

Ein kurzer Ausflug in die Gefilde des Protagonisten: Wenn dieser schüchterne Typ Junge selbst der Held ist, ist er meist in ein Mädchen verknallt, das mit irgendeinem Vollidioten zusammen ist, und kriegt sie am Schluss, weil er sich als so unterstützend für seine Angebetete erwiesen hat. Kurz gesagt, er muss erst seinen Wert beweisen, bevor das beliebte Mädchen sich zu ihm herablässt. 

Um ehrlich zu sein, hat mich das immer genervt.

Wieso verknallt der sich überhaupt erst in das oberflächliche Mädchen?! Macht ihn das nicht oberflächlich?! 

 

Ende dieses Exkurses. Schließlich geht es hier um Nebencharaktere und bei Justin hatte ich eben diesen stillen, lieben, netten Jungen im Kopf, der keinen Raum bekommt und sich nicht in die Cheerleaderin, sondern seine beste Freundin verliebt.

 

Und ja, natürlich habe ich meine ganz eigene Version daraus gemacht, nämlich dass diese "beste Freundin" sich die ganze Zeit an ihn ranmacht und von Anfang an total in ihn verliebt ist. XD 

Diese Kombi hatte ich vorher noch nicht gesehen.

Üblicherweise war das Mädchen, das sich so schamlos an einen Kerl ranschmeißt, die Antagonistin - schließlich würde ein anständiges Mädchen doch so etwas niiieeemals tun XD.

Entsprechend verhalten reagierte der Junge darauf, da er ja mit der Protagonistin zusammenkommen sollte. Aber aus Gründen der Dramatik sagte er natürlich nicht einfach ganz direkt: Ich bin nicht interessiert, also lass mich in Ruhe.  

 

Nur ein Beispiel von zu vielen: Hiromi alias Potamos, eine Bösewichtin aus Wedding Peach, die sich überdeutlich an den zukünftigen Freund der Protagonistin ranmacht: 

 

Jedenfalls habe ich quasi für Justin den Spieß umgedreht. Er glaubt zwar immer noch "Ich bin der langweilige beste Freund, sie wird sich nie für mich interessieren", aber wir als Leser wissen halt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. 

 

Insofern könnte man behaupten, in Balance Defenders kommt der schüchterne, nette Junge mit der aufdringlichen Antagonistin zusammen. XD

Wobei das bei Vivien doch etwas kurz greift. 

 

 

 

Vivien / Unite - oder das quirlig-optimistische Mädchen mit dem scharfen Verstand

Ist Vivien meine Version eines bestimmten Typus? Hm...

Den Tropus Manic Pixie Dream Girl habe ich erst vor ein paar Monaten kennengelernt und musste sofort an Vivien denken: 

eine übertrieben fröhliche, aufgedrehte, freche und lebensfrohe Frauengestalt, die nur darauf ausgerichtet ist, das Leben des niedergeschlagenen oder sonstwie zu ernsten männlichen Protagonisten und sein Selbstbild zu verbessern. 

 

Wenn wir uns Justin anschauen, der so extrem an sich zweifelt und nicht gerade sonderlich risikofreudig oder begeisterungsfähig erscheint, ist er auf jeden Fall der Typ Figur, der in entsprechenden Filmen ein Manic Pixie Dream Girl an seine Seite gestellt bekommen würde. 

Ein Manic Pixie Dream Girl hat dabei keine eigenen Probleme oder Ziele, sondern ist quasi nur dazu da, den Protagonisten aufzumuntern.

Vivien erscheint anfangs genau so.

 

Während die anderen Angst und Sorgen äußern, ist sie diejenige, die lächelt und die anderen aufmuntert und die Gefahr regelrecht herunterspielt.

Von außen betrachtet scheint sie gar nicht zu begreifen, was wirklich vor sich geht, bzw. ist so abnormal optimistisch, dass nicht nur die anderen Charaktere wie Serena, sondern auch so mancher Leser sie am liebsten würgen würde.

Scheinbar ist ihre einzige Eigenschaft, durchgeknallt optimistisch zu sein.

Auch ist sie der Charakter, von dem wir am wenigsten erfahren. Was sie denkt, ihre Ängste und Sorgen treten vor allem am Anfang nicht so zu Tage wie bei den anderen, was einen schnell zu dem Schluss führt, dass sie solche nicht hat und einfach eindimensional und unrealistisch ist oder eine strohdmme Karikatur.

Ihr Zweck scheint darin zu liegen, die anderen an etwas Positives und an Magie glauben zu lassen, während ihr eigener Charakter sich überhaupt nicht weiterentwickelt - schließlich scheint es ja auch so, als wäre sie schon von Anfang an völlig mit sich im Reinen und habe keinerlei Entwicklungsbedarf.

Tatsächlich bekommt Vivien erst relativ spät die Bühne, um zu zeigen, dass sie durchaus ihre Themen hat und lernen darf, nicht immer nur positiv sein zu müssen. Aber sie bekommt sie. 

Man könnte also sagen, Vivien ist das Manic Pixie Dream Girl, das lernen muss, dass es auch um ihr eigenes Glück geht und nicht nur um das anderer. 

 

Da der Begriff Manic Pixie Dream Girl jünger ist als das Design von Vivien, habe ich mich bei Viviens Entwicklung darauf natürlich nicht beziehen können. Aber es gab auch in meiner Kindheit und Jugend sehr fröhliche, aufgedrehte Mädchenfiguren, nicht nur in Animes.

Diese Mädchen sind meistens herzensgut, fröhlich, ein wenig kindisch, glauben an alle möglichen verrückten Sachen und lassen sich von nichts und niemandem aufhalten. Häufig sind sie auch etwas naiv oder tollpatschig. 

Und hier bricht Vivien mit dem Vorbild. 

 

Vivien ist alles andere als naiv. Sie ist sogar sehr berechnend und gerissen. Sie durchschaut Situationen und Menschen, hat ein manipulatives Geschick und nutzt ihr schauspielerisches Talent schamlos aus, ohne ein schlechtes Gewissen deswegen zu haben.

Man könnte also sagen, sie ist ein durchtriebenes, kleines Biest. Eine Figur, die üblicherweise die Antagonistin ist und der Heldin das Leben schwer macht.

 

Diese teuflische Seite an ihr wird auch von ihren orangeroten Haaren unterstrichen und davon, dass die Bedeutung ihres Namens Vivien "lebendig, lebensfroh" mit Eva "Leben" verwandt ist, also die Geschichte mit dem Apfel vom Baum der Erkenntnis. Passenderweise heißt Vivien ja auch mit Nachnamen Baum - wobei das eine Anspielung auf den Baum des Lebens sein sollte und auf meinen eigenen Nachnamen. XD 

 

 

Wenn wir schon bei Bäumen und Vivien sind, kann ich mir ein paar weitere Gedanken dazu nicht verkneifen: 

Lebensbaum wird im deutschen Sprachraum die Baumgattung Thuja genannt. Thujen werden oft an Grundstücksgrenzen als Sichtschutz gepflanzt. In der Homöopathie wird Thuja unter anderem mit dem Verbergen von etwas assoziiert, ein Thema, das auch gut zu Vivien passt. 

 

Ganz ihrem Beschützernamen entsprechend vereint Vivien in sich sehr helle und sehr dunkle Seiten. Ihr Optimismus, ihre Fröhlichkeit, Herzlichkeit und Opferbereitschaft sind typisch für eine Protagonistin.

Doch ihre Gerissenheit, die Tatsache, dass sie andere gerne reizt und beeinflusst, geradezu manipuliert - ohne dies verwerflich zu finden - und ihre diebische Freude daran, sind typische Eigenschaften einer Antagonistin.

Sie genießt es, Justin durcheinanderzubringen und weidet sich an seinem Anblick - etwas, das üblicherweise einfach als fies und rücksichtslos angesehen werden würde.

Dass sie in Wirklichkeit aber aufrichtig in Justin verliebt ist und ihre Gefühle in keinster Weise heuchelt, relativiert dies jedoch.

Zudem nutzt sie ihr teuflisches Genie ausschließlich für das Gute, wie Vitali es in Kapitel 69 "Geschlagen" so treffend beschreibt. 

Insofern bricht Vivien mit der Aufteilung in positiver oder negativer Charakter.

 

Häufig sind Figuren wie sie vorher auf der gegnerischen Seite gewesen, schließen sich dann dem Heldenteam an und haben daher Wissen über die Denkweise der Feinde.

Solche Charaktere stellen ihre Durchtriebenheit jedoch meist als ihre Stärke dar und prahlen regelrecht damit, während Vivien sich viel lieber klein und unschuldig gibt, ohne aber einen Hehl daraus zu machen, dass sie gerissen ist. 

 

Der einzige Charakter, der mir einfällt, der ebenso durchtrieben ist, ohne als Antagonist zu gelten, ist Nabiki aus Ranma 1/2. 

 

Ergänzung zu Vivien: Das Mädchen von nebenan vs. die raffinierte Verführerin

Ich habe gerade noch ein YouTube Video von The Take zu dem Tropus 'Das Mädchen von nebenan' geschaut, in dem auch darauf hingewiesen wurde, dass dem lieben, netten, bodenständigen und verlässlichen Mädchen von nebenan häufig die coole, attraktive und selbstbewusste Verführerin entgegengestellt wird. Darüber musste ich sehr schmunzeln und begriff, dass Vivien eben beide Pole vereint, oder anders gesagt gleichzeitig die Heilige und die Hure ist. 

Das Mädchen von nebenan wird häufig mit unschuldiger, unterstützender Weiblichkeit und Mütterlichkeit assoziiert, während ihre Antagonistin sich durch erotische Schönheit, eher berechnendes und sexuell freizügigeres Verhalten auszeichnet.

Vivien ist sowohl das liebe Mädchen mit dem großen Familiensinn und dem Drang, alle zusammenzuhalten, das auch vom Kleidungsstil nicht besonders aufreizend auftritt, gleichzeitig ist sie aber auch diejenige, die durchaus mit ihrer Wirkung auf Justin spielt, das unschuldige Mädchen nur mimt, und deutlich macht, dass sie kein Problem mit körperlicher Nähe hat und jederzeit bereit wäre, Justin zu verführen - wenn er das zuließe. Dass sie nicht so abgebrüht ist, wie sie dadurch wirkt, wird nur in den Momenten ersichtlich, in denen sie überhaupt die Möglichkeit erhält, Justin so nahe zu sein. Aber schüchtern und zurückhaltend ist sie deshalb noch lange nicht. 

Vivien nutzt demnach beide weibliche Stereotype zu ihrem Vorteil und lässt sich nicht von der Einteilung in gute und böse Weiblichkeit aufhalten, sondern definiert ihre Weiblichkeit einfach selbst. 

 

 

 

Ariane / Desire - oder der Zwang, perfekt zu sein

Ariane hat alle Eigenschaften der typischen Protagonistin aus meinen Kindertagen:

Sie ist wunderschön, intelligent, willensstark, hat ein gutes Herz, ein starkes moralisches Empfinden und erträgt keine Ungerechtigkeit.

Inwiefern soll nun sie ein Nebencharakter sein? Vielleicht sollte man hier nicht von Nebencharakter, sondern von eindimensionaler Charakter sprechen. So perfekt, dass es unnormal wirkt. 

 

Auch bei Ariane ist es so, dass man anfangs kaum Schwächen von ihr entdecken kann, außer dass sie sich ständig darüber beschwert, dass andere sie auf ihr Aussehen reduzieren. Erst viel später wird deutlich, dass genau das ihre Schwäche ist: Sie versucht, immerzu perfekt zu sein. Und das ist es, was es ihr so schwer macht.

Auf der einen Seite möchte sie echt und authentisch sein, auf der anderen Seite traut sie sich erst gar nicht, von ihren hohen Ansprüchen an sich selbst abzulassen, stattdessen nötigt sie sich selbst ab, dem Idealbild zu entsprechen. Tragischerweise wirkt sie genau dadurch auf andere schnell oberflächlich und ohne Tiefe, weil sie sich nicht erlaubt, diese Tiefe rauszulassen. 

 

In Ariane verarbeite ich somit die Angst, tatsächlich das Klischee zu bedienen, nicht davon abweichen zu können und auf andere nicht tiefgründig und interessant genug zu wirken. Eine Angst, die jeder kennt, der in einer Gruppe von außergewöhnlichen Personen die "Normalste" und somit im eigenen Verständnis "Langweiligste" war. 

 

Es kommt daher auch nicht von ungefähr, dass Ariane mit dem Image der Barbie hadert, obwohl Barbie als Heldin als ziemlich perfekt gilt. 

 

Besonders in einem Zeitalter der Antihelden ist es als eine traditionelle Heldin gar nicht so einfach, da ihr vorgeworfen wird, zu flach zu sein. 

Da das Team aus sonst sehr raumfordernden Charakteren besteht, geht Ariane auch häufig unter. man könnte sogar sagen, dass sie von den typischen "Nebencharakteren" häufig an die Wand gespielt wird, gerade weil sie ihre Ticks meist nicht so deutlich zeigt wie die anderen. 

 

 

 

Erik / Secret - oder der männliche Love Interest

Erik entspricht der typischen Rolle der männlichen Hauptperson. Er ist der geheimnisvolle und unheimlich gutaussehende Junge, der als Secret mehr über alles zu wissen scheint und dessen Hilfe notwendig wird, um zu überleben. Er ist der Typ mit harter Schale und weichem Kern, der nach außen selbstgefällig tut, aber innerlich einfach nur verletzt ist.
Jupp, schon tausend Mal gesehen. 
Dieser Typ Charakter ist von vorne herein schon mehrschichtig angelegt und selbstverständlich zeigt er seine sensible Seite dann erst Stück für Stück. 
Wird an irgendeiner Stelle damit gebrochen? Nur insofern als es eben nicht reicht, dass er sich in Ariane verliebt, sondern der Einfluss der anderen von ebenso großer Bedeutung ist, damit er sich weiterentwickeln kann. 
 

Außerdem greift Eriks Charakter auch das Bild des von den Bösen manipulierten Love Interests auf. 

In vielen Serien und Geschichten meiner Kindheit und Jugend gab es den Punkt, an dem der Liebste der Protagonistin von den Bösen kontrolliert wird, was für die Heldin natürlich besonders schlimm ist.

 

Von links nach rechts: Der böse Endymion, der von Sailor Moons Feinden einer Gehirnwäsche unterzogen wurde, Tamahome aus Fushigi Yugi - selbe Story - und Angel aus Buffy, der zugegeben nicht so richtig kontrolliert wird, sondern einfach seine Seele verloren hat.  

 

 

Erik bricht auf seine Weise damit, kontrolliert zu werden. Doch an dieser Stelle kann ich noch nicht näher darauf eingehen, da ich dadurch einen Großteil der zukünftigen Handlung vorwegnehmen würde. :'D

 

Kann ich sagen, dass Erik irgendetwas von einem Nebencharakter hat?

Nein, er ist einfach der typische männliche Protagonist an der Seite der weiblichen Heldin. Mit ein Grund, warum Vitali (als der aus dem Sidekick hervorgegangener Charakter) sich immer wieder über ihn aufregt. Alles an Erik schreit einfach: Ich bin die männliche Hauptfigur und ich krieg am Schluss das Mädchen. X'D

Und da die Kombi aus dem von allen anderen verschmähten hässlichen Entlein (Serena) und dem supercoolen, aber in Wirklichkeit sensiblen Schönling (Erik) so ein Standard ist, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Vitali irgendwie im Kopf hat, dass Serena sich zwangsläufig in Erik verlieben muss.

Wer würde sich bitte nicht in Erik verlieben??!! - ...  Ganz offensichtlich hält Vitali Erik für den unwiderstehlichsten Mann der Welt. X'D

(Ja, ich gebe es zu, in einem alternativen Universum - ohne Serena - wäre ich Hardcore Vitali x Erik Shipper XD Ansonsten gewinnt bei mir die Bösewichtin einfach. Bösewichte brauchen viel Liebe und können tonnenweise Humor vertragen.) 

 

Erik hat glücklicherweise kein Problem damit, der typische männliche Protagonist zwischen lauter Nebencharakteren zu sein. So ein bisschen konservative Normalität aufrechtzuerhalten, klingt nach einem Job, der wie für ihn gemacht ist. XD

 

 

 

Puh, das war viel Text. Ich hoffe, es hat euch trotzdem Spaß gemacht, es zu lesen. (^o^)/

Eigentlich sollte ich den Beitrag noch mit Bildern der Charaktere ausstatten, um es opotisch schöner aussehen zu lassen, aber dieses Mal verzichte ich jetzt einfach darauf und hoffe, dass ihr mir das nachseht. 

 

Alles Liebe! 

Eure Regina


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