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Schattenfell

Verschließe nicht deine Augen.....
von

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Was die Zukunft bringen wird

Die Bässe donnerten unaufhörlich und unbarmherzig aus den Boxen, während die Meute auf der Tanzfläche wie hypnotisiert vor Energie dazu hüpfte. Es herrschte ein einziges Gedränge, weshalb Kazuya sich entschlossen hatte, vorzeitig Abstand zu nehmen und sich eine freie Fläche an der Bar zu suchen, einfach um etwas Luft zu ergattern und eventuell um seine Gedanken neu zu sortieren. Er hatte Glück, denn der Club war zwar rappelvoll, was an einem Freitagabend nicht verwundern sollte, aber er schaffte es tatsächlich einen freien Quadratmeter an der gut besuchten Getränketheke zu finden. Die Bedienung am anderen Ende schien schwer beschäftigt zu sein.

Gut so, dachte Kazuya, ich habe es ohnehin nicht eilig, je mehr Zeit ich hier totschlagen kann, umso besser. Kazuya war erst seit einer Stunde im Club und bereits jetzt fühlte er sich erschöpft. Zugegeben, er war ohnehin kein Freund solcher Läden oder besonders tanzfreudig. Im Grunde war seine Anwesenheit ein einziger Freundschaftsdienst an Masa. Zu seiner Erleichterung verliefen die ersten Wochen des Zusammenlebens mit seinem alten Freund erstaunlich gut. Es gab kein Streit, sie fühlten sich nicht voneinander bedrängt und unternahmen im Gegenteil, viele Dinge miteinander. Kazuya hatte die Befürchtung sie könnten sich schnell gegenseitig auf die Nerven gehen, doch die Sorge schien eine unbegründete zu sein. Beide bewahrten sich ihre Unabhängigkeit, verbrachten aber dennoch genug Zeit miteinander, so dass es fast so war wie in den guten, alten Zeiten als sie erst die Mittel- und dann sogar noch die Oberstufe gemeinsam belegt hatten. Auch die ersten Studienwochen verliefen für Kazuya besser als erwartet. Die Materie war teilweise noch sehr trocken und unspektakulär, doch es war Steigerungspotential vorhanden, so viel war sicher und sobald erst einmal die Grundlagen vorbei wären, so hatte es ihm Masa jedenfalls versichert, käme das wirklich interessante Zeug. Seit langer Zeit hatte Kazuya wieder ein positives Gefühl, was die Zukunft anging.

Trotzdem, es gab einiges, an das er sich würde gewöhnen müssen. Er hat mit seinen 18 Jahren ziemlich früh, fast schon fluchtartig, wie er es sich eingestehen musste, das heimatliche Nest verlassen. So sehr er sich auch bemühte die vielen kleineren und größeren Herausforderungen des Alltags eines Studenten und WG-Bewohners zu meistern, es war dennoch eine große Umstellung für ihn und er spürte auch nach wie vor den Erwartungsdruck in sich, das alles so gut wie möglich zu meistern. Dazu gehörte auch das sich Anpassen an einer neuen Gruppe, in Kazuyas Fall, seine Kommilitonen. Kazuya fand es einerseits toll, wie zwanglos und stressfrei der Umgang miteinander war und auch wie offen und freundlich die meisten mit ihm verkehrten. Andererseits ließen es ihn manch andere auch deutlich spüren, dass er nun mal einer der jüngsten des Jahrgangs war und sich dementsprechend keine großen Hoffnungen machen musste, von ihnen besonders ernstgenommen zu werden. Er wusste in seinem Inneren zwar, dass viele es nicht so meinten und ihn bloß freundschaftlich etwas aufziehen wollten, aber es wurmte ihn trotzdem. Schließlich war er auch kein kleines Kind mehr, er hatte so wie alle anderen den notwendigen Abschluss für die Daigaku erreicht, sogar mit ziemlich guten Noten. Er hatte es alleine und fast ohne fremde Hilfe geschafft, sich in eine fremde Stadt häuslich einzurichten und dazu trainierte er seit einigen Jahren Kampfsport, was ihn in der Tat auch mit etwas Stolz erfüllte.

Nein, es war die richtige Entscheidung so schnell wie möglich von zu Hause wegzuziehen, dessen war sich Kazuya sicher. Er wusste nicht was ihn für die Zukunft erwarten würde, aber besser als das was er zurückgelassen hatte, musste es doch allemal sein….
 

Anmerkung:

Die Tokyo Daigaku befindet sich in Bunkyo Tokyo und gilt als die Prestige-reichste Universität Japans. Zurzeit studieren etwa 28.000 Stundenten an ihr. Sie ist vor allem für ihre Jura- und Literatur-Fakultät bekannt, obwohl auch sämtliche andere Studienrichtugen dort gelehrt werden, von Pädagogik, über Wirtschaftswissenschaften, hin zu Medizin.

Der Themesong dieses Kapitels: "Lifeline" by Angel and Airwaves: Angels

Verstecken und Verwunden

Auch ohne eine sternenklare Nacht hätte Weregarurumon keine Probleme gehabt, seine Umgebung weitläufig zu erkennen. Er kam nicht umhin zuzugeben, dass sein erster Eindruck der realen Welt, in der Tat ein faszinierter war: Gewaltige, turmhohe Gebäude, so dicht nebeneinander stehend, dass er sich fragen musste, wie um alles in der Welt diese Menschen sich zwischen ihnen bewegen konnten? Dazu diese schier unendliche Flut tausender, offensichtlich künstlicher Lichter, die sogar den pechschwarzen Himmel mit ihrem pulsierenden Glanz erhellten.

Er, der alte Krieger, hatte so etwas noch nie vorher gesehen und jedes Mal, wenn er in der Digiwelt gen Himmel hinaufblickte und die gewaltige, von Datastreams und anderen Lichtquellen durchzogene Kugel betrachtete, hätte er nie gedacht, dass ihn so etwas wie das hier erwarten könnte. Es gab zwar jede Menge Ähnlichkeiten zu dem Ort, aus welchem er kam, aber ihm war bewusst, dass er sich ansonsten in einer für ihn völlig fremden Welt befand.

Das Wolfs-Digimon löste sich jedoch schnell von seiner Melancholie. Er mahnte sich zur Konzentration, schließlich war er sich nicht ohne Grund hier. Die Mission auf die er sich befand war eine sehr persönliche, was nicht heißen sollte, er würde nicht mit der gleichen Sorgfalt und Präzision vorgehen, wie sonst auch, selbst wenn die Umstände dieses Mal ganz andere waren. Es waren Anpassungsfähigkeit und Rationalität, welche ihn all die Zeit am Leben gehalten haben und so würde es auch dieses Mal sein. Er betrachtete die gewaltige Stadtlandschaft, die sich vor ihm erstreckte mittlerweile als Risikofaktor, denn als eindrucksvolles Panorama. Es gab hier eindeutig zu viele potentielle Schlupfwinkel, zu viele Rückzugsmöglichkeiten und vor allem zu viele unbeteiligte Ziele.

Von dem Dach aus welchem Weregarurumon das Gebiet überblickte, konnte er jede Menge Menschen ausmachen, die im geschäftigen Treiben von einem Punkt zu dem anderen hetzten und sich in großen Gruppen über die Straßen, zwischen den Häuserschluchten fortbewegten. Das Tier-Digimon überlegte, wenn sein Gegner auf die Idee käme, menschliche Schutzschilder gebrauchen zu wollen, hätte er absolut leichtes Spiel.Weregarurumon wollte jedenfalls nicht derjenige sein, der die Einwohner einer fremden Welt verletzen würde, zumal er es als unter seiner Würde betrachtete, schwächere Wesen anzugreifen. Etwas, wovor sein Gegner nie zurückgeschreckt ist und wenn er sich doch mit welchen seiner Größe und Kraft angelegt hatte, dann auf möglichst hinterhältige Weise, dachte der Wolfshumanoide mit Bitterkeit….

Plötzlich spürte das Perfect-Level-Digimon einen abscheulichen Schmerz in seinem linken Unterschenkel. Etwas Großes und scharfes riss das Fleisch darin auseinander und Weregarurumon zu Boden. Das Digimon stieß vor Überraschung und Schmerz einen kurzen aber lauten Brüller aus, während er auf allen Vieren auf den Boden lag und seinen Blick auf die Quelle seines Leidens richtete. Es war wie er es befürchtet hatte.

„Idiot“, schimpfte er innerlich mit sich selbst.

„Du hast zu lange gezögert, du hast dich zu lange ablenken lassen“, dachte er. Weregarurumon betrachtete mit schmerzverzerrtem Gesicht die gewaltige Axt, deren Scheitel tief in seinem Bein steckte.

„Natürlich“, dachte er mit bitterem Lächeln im Gesicht. „So viel zum Thema hinterhältig“. Wie auf ein Stichwort trat schließlich der Besitzer der Axt aus dem Schatten der Schornsteine hervor. Seine Miene erschien selbstzufrieden, während der auf das verwundete Wolfs-Digimon zu seinen Füßen hinabstarrte.

„Du warst nie der Typ für schöne Ausblicke. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du so lange an einem Punkt verharrst und dich damit zur Zielscheibe machst.“ Weregarurumon blickte seinem Gegenüber nicht einmal in die Augen, sondern betrachtete weiterhin seine Verletzung.

„Mich wundert es, dass du den Mumm hast dich gleich an meine Fersen zu heften, statt dich ins nächst beste Rattennest zu verkriechen. Ich habe mich nur gefragt, welches Loch hier wohl am dunkelsten ist, damit du dich dort verstecken kannst?“, presste der Wolf hervor, während er mit kurzen Zügen versuchte, die Axt aus seinem Bein langsam herauszuziehen.

Dinohumons Grinsen wurde breiter. „Wenn du mich kennen würdest, wüsstest du, dass ich eine Sache immer zu Ende bringe. Welchen Sinn sollte es also für mich haben, mich erst zu verkriechen, wenn ich doch genau weiß, wie erbärmlich berechenbar du bist und ich mich lediglich in deinem Schatten verbergen muss?“, Weregarurumon zog immer noch an der Axt. „Du meinst so wie du es all die Jahre getan hast? Ich mach quasi die Drecksarbeit und du brauchst dann nur noch die Knochen aufzusammeln? Du hast Recht. Ich habe dich nie wirklich gekannt Dinohumon. Sonst hätte ich dir bereits am Tag unserer Begegnung deinen hässlichen Krötenkopf abgerissen.“

Weregarurumon zog mit einem heftigen Ruck an der Axt und entfernte sie schließlich von seinem Bein, dabei knurrte er noch ein weiteres Mal vor Schmerz auf.

Dinohumons Grinsen gefror für einen Augenblick, lebte aber gleich wieder auf. „Du solltest mich nicht hassen Weregarurumon. Ich habe sehr viel von dir gelernt und dazu gehörte nunmal auch, dass egal was geschieht, man immer an seinem Ziel dranbleiben und alles Notwendige tun soll um es zu erreichen. Weißt du eigentlich was der Unterschied zwischen dir und mir ist?“

Bei dieser Formulierung musste Weregarurumon laut auflachen.

„Nein“, antwortete er mit sarkastischer Stimme. „ Was könnte das nur sein?“

Dinohumon hob seine Axt vom Boden auf, während sein Opfer weiter auf den Betonboden saß und die klaffende Wunde an seinem Bein mit den Händen abdeckte. „Ganz einfach: Im Gegensatz zu dir, bin ich auch wirklich bereit nach dieser Regel zu leben.“
 

Anmerkung:

Dinohumon ist ein humanoides Drachendigimon auf dem Adult-Level. Einige dürften es vielleicht noch aus dem Digimon-Frontier-Movie "Island of the lost Digimon" noch kennen. Aus Gründen des Storytellings habe ich sein Waffenarsenal von mehreren Schwertern auf eine große Streitaxt reduziert.Ich hoffe mir sei dafür verziehen xD.

Episodentheme ist dieses Mal: "In the air tonight" by Nonpoint: Nonpoint

Schöne Aussichten

Kazuya nuckelte ein Paar Mal lustlos an seiner Bierflasche. Es hatte ganze 10 Minuten gedauert, doch letzten Endes hatte ihn die Verkäuferin am anderen Ende der Theke tatsächlich erspähen können. Während Kazuya desinteressiert den elektronischen Klängen der Musik lauschte, richtete er schließlich wieder seine Aufmerksamkeit auf die Tanzfläche. Sie war nach wie vor gut besucht und von pulsierenden Disco-Lichtern erfüllt, die es dem jungen Mann schwer machten die lachenden und tanzenden Gestalten voneinander zu unterscheiden.

Doch da war sie! Kazuya entdeckte die Gruppe rund um Masa, diesem Angeber Shin und dessen nicht minder großmäuligen Kumpels, sowie Tori und ihrer Freundin, wie war nochmal gleich ihr Name?

Ach ja, Ren. Tori, dachte Kazuya und musste unwillkürlich lächeln. Wenn es überhaupt einen Grund gab für den es sich gelohnt haben sollte her zu kommen, dann wohl dieses Mädchen.

Kazuya hatte leider noch keine richtige Gelegenheit gehabt richtig mit ihr zu reden, doch sie hatte auf jeden Fall seine Aufmerksamkeit erregt. Sie war sehr hübsch, keine Frage, aber auf eine bodenständige, natürliche Art. Kazuya fand das sehr sympathisch, fand sie aber auch sehr reif für ihr Alter, wenn man bedachte dass sie beide 18 Jahre alt waren. Auch das fand er sehr anziehend, fragte sich aber zugleich, wie er wohl im Vergleich zu ihr wirkte? Als einer der jüngsten zog man ihn innerhalb seines Jahrgangs zwar häufig auf, doch sie hingegen wurde überall geachtet und war sehr beliebt, sowohl bei ihren eigenen Kommilitonen, wie auch bei den etwas älteren. Auf alle Fälle hatte sie in der Uni sehr schnell Anschluss finden können, sich dabei aber auch leider mit Shin und seinem Idiotentrupp anfreunden müssen. Kazuya verstand einfach nicht, was so tolle Mädchen immer nur an solchen Angebern fanden. Ob sie wohl…

„Na du Saufnase? Sag bloß du wirst schon müde?“, rief ihm Masa zu und gab ihm dabei einen ordentlich Klapps von hinten auf die Schulter, so dass Kazuya ein wenig von seinem Bier verkippte.

Perplex betrachtete er seinen gut gelaunten Kumpel und erwiderte mit einem Grinsen seinerseits: „Ich gönn mir bloß einen kleinen Time-Out. Wird ja noch eine lange Nacht, allem Anschein nach…“

„Na und ob, schließlich müssen wir ja deinen Neuanfang gebührend feiern“ rief Masa seinem Freund ins Ohr. „Ich hab dich schon vermisst. Was macht die Stimmung bei dir alter Nörgler?“

„Keine Angst.“, erwiderte Kazuya daraufhin mit ebenfalls lauter Stimme. „Ich mach schon keinen auf Spielverderber und lass dich nicht vor deinen tollen Kumpels schlecht dastehen.“

Masa blickte darauf kurz auf die Tanzfläche zu den anderen. Shin und seine Freunde waren ziemlich wild am Tanzen. Sie hüpften wie in Trance zum Rhythmus der Musik auf und ab und grölten dabei wie wilde Tiere vor sich hin.

„Ach, ich geb zu, das sind zum Teil Clowns, aber keine bösen. Sei nicht so streng mit ihnen, die stehen einfach auf ein bisschen Show.“, erwiderte Masa und grinste noch breiter.

Kazuya nahm einen Schluck Bier, zog eine Augenbraue hoch und meinte mit sarkastischem Unterton: „Ich und streng? Wie kommst du nur auf so was? Mach dir mal keinen Kopf, ich hab schon meinen Spaß“, schloss Kazuya ab und genehmigte sich noch einen Schluck.

Masa zog nun seinerseits beide Brauen hoch und schaute wieder auf die Tanzfläche. „Zumindest scheinst du das Panorama sehr zu genießen“, gab er zu Wort und kicherte etwas.

Kazuya schaute ihn mit versteinerter Miene an und meinte: „Willst du auf etwas bestimmtes hinaus?“, woraufhin Masa antwortete:

„Man müsste schon ziemlich blind auf beiden Augen sein um nicht zu merken, dass du deinen Blick nicht von Tori lösen kannst. Schon den ganzen Abend nicht.“

Kazuya wusste nicht was er darauf antworten sollte. Zumal es keinen Sinn hätte es vor Masa herunterzuspielen. Er war schon immer eine Klatschtante gewesen und schien für solche Geschichten regelrecht eine Spürnase zu haben.

Der junge Mann versuchte sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen, stattdessen setzte er eine unbeteiligte Miene auf und strich sich mit der Hand über seine braune Kurzhaarfrisur.

Masa genügte dies als Anzeichen dafür, dass er Recht hatte und fuhr mit breitem Grinsen weiter fort: „Ich kann es dir nicht verübeln. Bei ihr kann man wirklich schwach werden, gebe ich zu. Aber auch wenn es dir schwer fällt; mit Däumchen drehen kommst du nicht weiter. Ich weiß zwar, dass solche Dance-Nummern wie hier auf Dauer nicht dein Ding sind, aber vielleicht kann ich dich für eine Chill-Out-Session drüben in der Lounge begeistern? Shin, Tori und die anderen wollten jedenfalls dahin. Dann kommst du wenigstens dazu mal ein paar Worte mit ihr zu wechseln.“

Kazuya überlegte. Er hatte zwar keine große Lust auf engem Raum mit Shin und seinen Spießgesellen zu sitzen, andererseits wäre er tatsächlich dankbar für einige Minuten in ruhiger Atmosphäre, sowie richtigen Sitzgelegenheiten. Außerdem hatte Masa vielleicht Recht. Kazuya könnte zur Abwechslung mal wirklich über seinen Schatten springen und einfach mal versuchen das Mädchen anzusprechen.

Was hätte er schon groß zu verlieren?

„Außer meinen dämlichen Stolz und eine Wagenladung Respekt vor den anderen?“, dachte er mit Sarkasmus. Egal, ewig hatte er keine Lust sich auf der überfüllten Tanzfläche zu langweilen und außerdem wollte er Masa wirklich nicht schlecht dastehen lassen.

Er nahm noch einen Schluck Bier zu sich und meinte zu seinem Kumpel:

„In Ordnung, dann mal los….“
 

Anmerkung:

Episodentheme dieses Mal: "Red Light, Green Light" by Limp Bizkit:

Bizkit

Im richtigen Moment

Weregarurumon achtete darauf regelmäßig zu atmen und sein Fokus zu behalten, trotz der höllischen Schmerzen in seinem linken Bein, die er zusätzlich verschlimmerte, in dem er unablässig in der Wunde herumbohrte, statt wie es für seinen Gegner aussehen musste, diese abzudecken. Das Wolfs-Digimon nahm Dinohumon und dessen Position genau im Blick. Er schätzte den Abstand zu seinem Gegner: Zwei Meter. Noch zu weit weg. Er musste den richtigen Moment abwarten. Er würde nur ein paar Sekunden bekommen, höchst wertvolle Sekunden.

Zwar war Weregarurumon in der Vergangenheit in ähnlich brenzlige Situationen geraten, aber die Umstände erforderten von dem Perfect-Level-Digimon dieses Mal um einiges mehr an Vorsicht und Präzision als sonst. Sein Gegner war brandgefährlich und kannte Weregarurumon auch noch ziemlich gut. Er wusste, er musste dieses Mal auch kreativer sein als sonst, auch wenn er dafür diese Schmerzen in Kauf nehmen musste. Dinohumon schien bereit zu sein, seiner verwundeten Beute den Gnadenstoß zu verpassen.

Weregarurumon knurrte etwas vor sich hin, während er auf dem Boden lag. Dinohumon schien es nicht verstanden zu haben, weswegen er ein Stück näher an den Werwolf heranschritt.

Mit süffisantem Grinsen sagte er: „Wie bitte? Ich fürchte ich habe dein Abschiedsgebet nicht verstanden, alter Freund.“

Weregarurumon lachte in sich hinein.

„Dieser Idiot“, dachte er. „Er genießt das ganze hier zu sehr, das ist sein größter Fehler…“

Schließlich sprach Weregarurumon nun deutlicher: „Ich bin froh, dass ich dir so viel beibringen konnte. Wenigstens bist du kein komplett unfähiges, feiges Stück Müll. Das tröstet mich.“

Dinohumon, die Axt in den Händen, schüttelte nur den Kopf.

"Weißt du, du könntest wirklich versuchen dir ein bisschen Würde zu bewahren, wenn dich schon dein Ende ereilt Weregarurumon", meinte er, ein spöttisches Grinsen in seinem Gesicht zeigend. Weregarurumons grimmige Miene, verstärkte sich bloß noch und es war lediglich der Hass auf seinen ehemaligen Kampfgefährten, der ihn trotz der aussichtslos erscheinenden Situation und der Schmerzen in seinem Bein klar denken ließ. Er zwang sich seinerseits zu einer gehässigen Grimasse ehe er seinem Gegenüber mit zusammengebissenen Zähnen erwiderte:

"Sehr großzügig von dir, mir so einen Abgang zuzugestehen. Wenn ich dich getötet habe, wird es kein bisschen Würde, Ehre oder Respekt geben, welche du mit in die Hölle nehmen kannst!".

Dinohumons Grinsen verflog daraufhin für einen Augenblick, wurde aber schließlich noch breiter, als er auf seinen verwundeten Feind hinabsah und allmählich mit seiner gewaltigen Axt ausholte.

"Die Hölle wird dir noch wie das Paradies vorkommen, im Gegensatz zu dem was dich jetzt erwartet", erwiderte das Drachendigimon mit fester Stimme.

Weregarurumons Augen wurden daraufhin zu Schlitzen, während er zu seinem Feind hinaufblickte und dessen gewaltige Axt Zentimeter um Zentimeter näher kommen sah. Es war so weit….
 

Anmerkung:

Das heutige Episodentheme: "Enemy" by Sevendust:

Sevendust

Eine erfreuliche Wendung?

Kazuya und Masa saßen nebeneinander in eine der Lounges und während letzterer fröhlich mit zwei von Shins Freunden quatschte, saß ersterer stumm auf seinem Sessel und nippte ab und zu an seinem Cocktailglas. Zu seiner Erleichterung war die Gruppe mit der er hier saß groß genug um selbst nicht aufzufallen. Zu seinem Pech hatte ihn Shin in Augenschein genommen und während er ab und zu an seiner Zigarette zog, stellte er dem 18-Jährigen alle möglichen Fragen.

„Also, Takuya…“

„Kazuya!“, verbesserte ihn selbiger.

„Ah ja richtig“, meinte der andere, während er unablässig sein recht dämliches Grinsen aufsetzte. „Ich hab gehört du hast es zu Hause nicht lange ausgehalten, hattest es wohl ziemlich eilig wegzukommen, oder?“

Verdammt, woher wusste der Typ das nur, fragte sich Kazuya. Hatte sich Masa etwa verquatscht?

„So, erzählt man sich das?“, erwiderte er.

Shin drückte seine Kippe in einem Aschenbecher aus. „Tut man, ja. War es etwa nicht schön zu Hause? Ich mein du hast doch ein zu Hause, oder?“

Cool bleiben, ermahnte sich Kazuya innerlich. Er hätte dem Typen nur allzu gerne entweder das Nasenbein oder das Handgelenk gebrochen, aber er wollte nicht in aller Öffentlichkeit ein Streit anfangen, also versuchte er so gut wie möglich auszuweichen.

„Haben wir das nicht alle?“, entgegnete er.

„Schon ja, aber kommt nicht oft vor, dass einer quasi innerhalb eines Monats oder so, von der Oberstufe zur Uni wechselt“ fuhr Shin weiter fort und seine Stimme klang belustigt. „Hast keine Lust auf ein bisschen gammeln oder eventuell jobben gehabt?“

Was du von beiden nach der Schule getrieben hast, liegt wohl auf der Hand, Sonnenschein, dachte Kazuya bitter.

„Oder wirst du komplett von Daddy gesponsert? Ich wette du musstest nie richtig arbeiten gehen oder?“, fuhr Shin fort.

Auch wenn es der Wahrheit entsprach, Kazuya hatte nicht die geringste Lust, sich das von diesem Fatzken unter die Nase reiben zu lassen.

Er beschloss das Gespräch diplomatisch zu beenden: „Wenn du es so nennen möchtest, ja ich werde von meinem Vater unterstützt, bis ich was eigenes finden kann, zumindestens.“

Kazuya blickte sein halbleeres Glas an.

Er hätte auf das schlimmste gefasst sein müssen. Er dachte er müsste höchstens ein Paar blöde Sprüche über sich ergehen lassen und zugleich gehofft, wenn er tapfer durchhalten könnte, würde sich die Möglichkeit bieten, mit Tori ein paar nette Worte zu wechseln, doch nichts da. Stattdessen ist er in eine Konversation mit diesem Großmaul geraten und wurde dazu gedrängt sein Privatleben hier auszupacken.

Tori war in ein Gespräch mit ihrer Freundin vertieft und Masa unterhielt sich immer noch mit den zwei anderen Jungs.

„Ist dein Alter reich? Hat er ordentlich Kohle, ja?“, fragte der ältere der beiden Jungs nach.

Kazuya stellte sein Glas neben sich ab und murmelte etwas davon, er würde lieber das Thema wechseln, doch selbst davon ließ sich der Hornochse vor ihm nicht beeindrucken.

„Hey, hey. Immer schön ruhig bleiben Kleiner. Ich will ja bloß wissen wie es ist, so klein schon in die große weite Welt aufzubrechen.“

Allmählich reichte es Kazuya. Er beschloss wieder einen Fluchtversuch zu starten, doch als er sein Glas wieder in die Hand nahm und dabei war sich eine Ausrede zurechtzulegen, sagte eine weibliche Stimme neben ihm:

„Ich glaube er war deutlich genug Shin, als er sagte er will das Thema wechseln. Wieso reitest du denn darauf noch rum?“.

Kazuya drehte sich zur Seite.

Es war tatsächlich Tori, die den älteren der beiden Jungs streng musterte, was sogar auf diesen Eindruck zu machen schien.

Mit dem Mädchen wollte er es sich anscheinend nicht verscherzen, weshalb er beschwichtigend die Hände hochnahm und zwar grinsend, aber mit verunsicherter Stimme sagte: „Whoa, hey, nix für Ungut, ich hab ja bloß gefragt.“

Als er aber merkte, dass sie ihn immer noch streng fixierte, schwand sein überhebliches Grinsen allmählich und er richtete sich noch verunsicherter an Kazuya.

„Hey, sorry kleiner. Hör einfach nicht auf mich. Ich geb zu, ich hab schon ´n bisschen einen sitzen, da laber ich schnell mal Mist.“

Kazuya wusste nicht was ihn in dem Moment am meisten beeindruckte: Toris Durchsetzungsfähigkeit oder die Tatsache, dass dieser Shin tatsächlich zu so etwas wie Einsicht fähig sei.

Auf jeden Fall herrschte zunächst eine etwas bedrückende Stille, abgesehen vom Geschwafel zwischen Masa und den Jungs, da erhob sich Shin mit seinem Glas in der Hand und fragte spontan in die Runde, wer denn Lust hätte auf die Tanzfläche zu geben. Es meldeten sich bald alle im Raum, außer Kazuya und…Tori?

„Nein, danke Leute, ich hab noch ein bisschen was im Glas, ich denke ich komm einfach später nach.“

Kazuya konnte sein Glück kaum fassen.

Auch er redete sich heraus, er würde gerne erst in Ruhe austrinken und würde später nachkommen. Schließlich verließen die anderen die Lounge, nicht ohne dass Masa Kazuya aufmunternd zuzwinkerte und ihm parallel auf die Schulter klopfte, so dass Junge und Mädchen alleine zurückblieben.

Tori schenkte Kazuya schließlich ein Lächeln, während sie an ihrem Cocktailglas nippte.

Der junge Mann war immer noch ziemlich perplex, weshalb er erst spät reagierte und das Lächeln seiner Kommilitonin schüchtern erwiderte. Vielleicht würde sich dieser Abend ja doch noch zum Guten wenden?
 

Anmerkung:

Auch dieses Mal möchte ich euch nicht das Episodentheme vorenthalten^^:

"Numb/Encore" by Linkin Park und Jay Z:

Jay

Schüler und Meister

Weregarurumon sah die Axt immer näher kommen. Er hatte seine Atmung mittlerweile so gut im Griff, dass er seinen Adrenalinausstoß nahezu nach Belieben kontrollieren konnte. Auf die Weise gelang es ihm den exakt richtigen Moment abzupassen.

„Jetzt!“, rief er innerlich, als sich die mörderische Waffe schließlich nur noch eine Armlänge entfernt von ihm befand und er, auf einem Arm abgestützt seine Hüfte in die Höhe schießen ließ und mit seinem rechten Bein Dinohumons bewaffneten Arm umklammerte und das Drachendigimon mit in die Tiefe zog. Der Axthieb ging ins leere und Weregarurumon zog blitzschnell das heraus, was er die ganze Zeit über im Inneren seiner Wunde versteckt hielt: Ein dünner, aber spitzer Metallsplitter von der gewaltigen Axt, die sich in seinem Schenkel festgesetzt hatte.

Rasch griff das Wolfsdigimon das Handgelenk seines Gegners und rammte den Splitter tief und fest in den empfindlichen Bereich zwischen dessen Daumen und Zeigefinger.

Dinohumon schrie vor Schmerzen auf und ließ die Axt sofort fallen.

Weregarurumon verschwendete keine Sekunde: Er packte den Kopf seines Feindes mit beiden Händen und zog ihn zu Boden, während er dabei dessen Hals gegen sein rechtes Schienbein drückte und mit seinem verwundeten, linken Bein den Griff schloss.

In diesem Triangel-Würgegriff nun gefangen, konnte Dinohumon nicht mehr viel ausrichten.

Sein Gesicht quoll auf, während er vergeblich nach Luft schnappte. Er versuchte sich zu befreien, doch trotz der Schmerzen in seinem Unterschenkel ließ Weregarurumon kein bisschen locker und nahm all seine Kraft zusammen um das Leben aus seinem einstigen Partner herauszupressen.

Der versuchte mittlerweile an seine Axt heranzukommen, doch keine Chance, sie lag zu weit weg. Weregarurumon dachte es wäre bald vorbei, doch da sah er wie sein Feind, dessen in dem Griff gefangene rechte Hand näher an sein Gesicht führte.

Schließlich zog er mit den Zähnen den feststeckenden Metallsplitter heraus.

Weregarurumon wusste was Dinohumon als nächstes vorhatte doch er konnte es nicht mehr verhindern.

Das humanoide Drachendigimon nahm den Splitter in die Hand, schwang seinen freien Arm über seinen Kopf und rammte das Stück Metall in die Verletzung an Weregarurumons Bein.

Dieser brüllte vor Schmerz und lockerte sein Griff um einiges, ohne diesen jedoch komplett zu lösen. Dinohumon war dies genug um sich mit all seiner Kraft zu befreien und auf das am Boden liegende Wolfsdigimon mit seinen Fäusten einzudreschen.

Weregarurumon wand sich vor Schmerzen, während er gleichzeitig versuchte die Schläge seines Gegners zu blocken.

Dieser war mittlerweile wieder auf den Beinen und rieb sich etwas die Stelle an der das andere Digimon ihm den Metallsplitter gerammt hatte. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Hm, vielleicht hätte ich dir doch das komplette Bein abtrennen sollen, aber das wäre ein zu erbärmlicher Anblick für mich gewesen, dich so zu sehen. Sag, bin ich nicht ein guter Freund?“

Mit diesen Worten trat er seinem ehemaligen Gefährten ins Gesicht und deckte diesen weiter mit harten Tritten ein, während der am Boden lag.

Weregarurumon versuchte trotz der schlimmen Schmerzen in seinem Unterschenkel weiterhin einen kühlen Kopf zu bewahren.

Schließlich gelang es ihm Dinohumon mit einem Fußfeger zu Fall zu bringen und selbst langsam aufzustehen, wenn auch nur auf einem Bein.

Sein Gegner war nach dem Überraschungsangriff aber schneller wieder oben und deckte das Wolfsdigimon nun mit blitzschnellen Schlägen ein.

Dieses versuchte die so gut wie möglich zu blocken und gleichzeitig seinen Stand aufrechtzuerhalten. Weregarurumon schaffte es schließlich unter einem der Schläge abzutauchen und seinem Feind einen Tritt an den Kopf mit dem rechten Bein mitzugeben.

Dieser ging benommen auf die Knie und der Werwolf nutze den Moment und vollführte einen Hechtsprung zu Dinohumons Axt, die immer noch am Boden lag. Es gelang ihm diese in die Hand zu nehmen.

Nun würde die Sache etwas ausgeglichener ablaufen.

Als Dinohumon dies sah, machte er bloß eine einladende Geste in Richtung seines Feindes. Weregarurumon wusste, er konnte mit der Waffe längst nicht so gut umgehen wir ihr Meister, aber er musste alles Erdenkliche versuchen, gerade in Angesicht seines Handicaps.

Mit einem aggressiven Knurren schwang das Perfect-Level-Digimon die Waffe und versuchte seinen Gegner damit zu treffen.

Der behielt sein arrogantes Lächeln und wich den Hieben nahezu spielend leicht aus.

Schließlich geschah das was Weregarurumon befürchtet hatte: Dinohumon griff gezielt seine Schwachstelle an. Mit einem einzigen gut platzierten Tritt gegen seinen Unterschenkel zwang das Drachendigimon seinen Feind in die Knie.

Weregarurumon knirschte mit den Zähnen vor Schmerz. Sein alter Kampfgefährte platzierte noch einen heftigen Kniestoß gegen sein Gesicht und Weregarurumon lag bereits wieder am Boden.

Er versuchte von seinem Gegner Abstand zu gewinnen und wegzukriechen, doch der verhöhnte sein Opfer und drückte seinen Fuß auf dessen klaffende Wunde, was diesen noch ein weiteres Mal aufschreien ließ.

Weregarurumon zog sich an der Wand eines Häuschens hoch, welches vom Dach hinausragte. Er klammerte sich an einer roten Metallflasche, die daran angebracht war fest, bis er schließlich einigermaßen wieder an Stand gewonnen hatte. Als er sich zu Dinohumon umdrehte, schüttelte der nur mit dem Kopf, seine Axt wieder in den Händen.

„Wahnsinn“, sagte er. „Es war schwerer als ich dachte. Man muss es dir schon lassen alter Freund. Du gibst nie auf und versuchst es immer wieder, egal wie aussichtslos die Situation ist. Falls es dir überhaupt noch etwas bedeutet: Du hast meinen größten Respekt geerntet. Aber nun wird es Zeit für den Schüler, den Meister abzulösen.“

Weregarurumon schnaubte verächtlich. „Du hast dich dümmer angestellt als ich es erwartet hätte. Merk dir eins: Auch wenn du mich tötest, meine Daten lädst und dadurch tatsächlich stärker wirst, du wirst trotzdem niemals ich sein.“

Dinohumon holte mit seiner Axt aus und erwiderte mit gleichgültiger Miene: „Du hast recht. Ich werde besser sein.“

Daraufhin schwang es mit voller Kraft seine Waffe in Richtung Weregarurumons Kopf.

Dieser wartete bis zum letzten Moment und ließ sich fallen, unschlüssig darüber, was das noch großartig bringen könnte, Dinohumon hätte ohnehin mehr als leichtes Spiel mit ihm gehabt.

Doch als die Axt an der Stelle aufschlug, an der vorher noch Weregarurumons Kopf lehnte, traf sie die rote Metallflasche an der Wand.

Sofort strömte ein zischender, weißer Dampf aus dieser hervor und traf Dinohumon direkt ins Gesicht. Dieser schrie vor Überraschung und Schmerz und deckte sich seine Augen mit beiden Händen zu, dabei ließ er seine Axt fallen und ging auf die Knie.

Weregarurumon wusste zwar nicht, um was es sich für einen Dampf handelte, doch er wusste genau, er müsste nun diesen Moment nutzen.

Das Tier-Digimon nahm darum all seine Kraft zusammen, stieß sich vom Boden ab und segelte auf Dinohumon herab.

„Garuru Kick!“ ertönte dessen Attacke, mit der er das Drachendigimon mit voller Wucht erwischte, so dass dieser zu Boden fiel.

Weregarurumon war klar, er müsste noch nachsetzen. Aber ob er stark genug war? Auf jeden Fall musste er es versuchen.

Er humpelte auf das Häuschen zu, sprang mit einem Bein gegen die Wand und stieß sich von dieser ab, so dass er ein Paar Meter über dem Dach in der Luft schwebte. Er hob den Kopf und streckte seine Arme auseinander. Dabei blickte er für eine Sekunde den strahlend schönen Vollmond an.

Ob er ihn nach dieser Nacht jemals wieder sehen würde?

„Kaiser Nail!“ Die mächtigen Krallen des Wolfsdigimons bündelten sich in Form roter Energiestrahlen welche auf das Drachendigimon am Boden hinabschossen. Doch dieses war nicht mehr zu sehen, als Weregarurumon seinen Blick wieder auf das Dach richtete.

Die Attacke ging ins Leere und fügte dem Dach lediglich einige große Risse zu.

Als Weregarurumon sich perplex nach seinem Feind umsah, tauchte dieser tatsächlich neben ihm in der Luft auf, die gewaltige Axt in seinen Händen.

Mit selbstzufriedenem Gesicht und geröteten, aber weit aufgerissenen Augen führte es nun seinerseits seine Spezialattacke aus: „Akinakes!“

Der gewaltige Hieb traf Weregarurumon quer über die Brust.

Das Wolfsdigimon segelte mit schmerzverzerrtem Gesicht Richtung Dach hinab. Doch statt auf dem Beton aufzuschlagen, krachte er genau durch ein Oberlicht und versank im dunklen Inneren des Gebäudes.

Als er schließlich auf dem Boden aufschlug, arbeitete das Gehirn des Tierdigimons erneut auf Hochtouren, trotz seiner Schmerzen. Auch wenn sich Dinohumon nur auf den Championlevel befand, er hatte ihm mit der Beinverletzung schwer zugesetzt und ihm mit der Attacke von gerade eben noch zusätzlich geschwächt.

Weregarurumon war ebenso stolz wie pragmatisch und so sehr es auch hasste, er musste sich eingestehen, dass er in seinem Zustand nur wenig Chancen gegen seinen Feind haben würde.

Er musste sich erst mal zurückziehen, versuchen irgendwie seine Wunden zu versorgen und dann neue Kraft zu tanken um Dinohumon später in Bestform entgegenzutreten. Doch wie immer, durfte er keine Zeit verlieren. Sein Gegner würde jede Sekunde hier auftauchen und nach ihm suchen. Er musste so schnell wie möglich fliehen!

Der Werwolf biss damit die Zähne zusammen, rappelte sich wieder auf und humpelte in die Dunkelheit davon, fest entschlossen diesen Kampf wann und wo auch immer auf jeden Fall zu Ende zu bringen….
 

Anmerkung:

Hier etwas Zusatzinfo: Den Griff, den Weregarurumon anwendet, wird offiziell "Triangle Choke" benannt und stammt aus der Kampfkunst "Brazilian Jiu Jitsu". Obwohl Weregarurumon in diesem Fall eigentlich den "Gogoplata" anwendet, sozusagen der fiese Bruder des "Triangle Chokes". Dieser Griff ist um einiges gefährlicher, weil der Kehlkopf des Gegners dabei mit beiden Händen gegen das Schienbein des Anwenders gedrückt wird, was bei richtiger Anwendung schnell zur Bewusstlosigkeit, hin zum Erstickungstod führen kann:

Gogoplata

Ich habe mir beim Schreiben der Kampfszenen allgemein gedacht, Weregarurumon und Dinohumon verwenden im Nahkampf eine Kombination aus Jiu Jitsu, Thaiboxen und dem philippinischen "Pekiti Tirisi Kali":

Kali

Zu den Attacken: Bei "Kaiser Nail" handelt es sich um die altbekannte Wolfskralle von Weregarurumon. "Akinakes" wiederrum ist eine Attacke, bei der Dinohumon mit einem mächtigen Axthieb (in meiner Geschichte jedenfalls^^) seinen Gegner attackiert.
 

Und natürlich gibt es auch dieses Mal einen Episodenthemesong: "Kill Tomorrow" von Mushroomhead:

Mushroom

Offene Türen

Kazuya nippte noch ein weiteres Mal an seinem Cocktailglas, während er gleichzeitig versuchte möglichst gelassen zu wirken. In Wirklichkeit hüpfte sein Herz regelrecht vor Aufregung, angesichts seiner Situation. Er konnte sein Glück immer noch nicht so recht fassen. Er, alleine in einer Lounge mit Tori, dazu noch an einer Location, der an sich ja nicht wirklich für traute Zweisamkeit gedacht war. Zum Glück bot die Lounge etwas mehr Raum für ruhige Zweiergespräche.

Als Masa ihn eingeladen hatte, mit der Begründung seinen kürzlich erfolgten Umzug nach Tokyo zu feiern, war es für Kazuya, außer dass er seinen Freund nicht hängen lassen wollte, vor allem die Anwesenheit des Mädchens das nun vor ihm saß, der Hauptgrund gewesen, sich das Ganze hier anzutun. Der alte Pessimist in Kazuya hatte zwar wenig Hoffnung gehabt, in dem ganzen Disko-Trubel überhaupt ein paar Worte mit seiner Kommilitonin wechseln zu können, doch das Schicksal hatte ihm nun wieder einen Streich gespielt.

„Jetzt versau es bloß nicht!“, mahnte sich der junge Mann innerlich.

„Kazuya?“, riss ihn Tori von seinen Gedankengängen.

Der Junge errötete leicht, angesichts seiner Unaufmerksamkeit.

„Ähm, entschuldige, was hast du gesagt?“

Tori setzte daraufhin eine gespielt beleidigte Miene auf.

„Also wirklich, da verscheuche ich die Krähen vom Nest für dich und du träumst vor dir her?“

Kein guter Start, dachte Kazuya und setzte seinerseits ein Lächeln auf.

„Ähm, ja, danke nochmal dafür. So langsam wurde es mir echt etwas unangenehm mit diesem Typen.“

Kazuya war es trotzdem etwas peinlich, dass er Shin nicht aus eigener Kraft loswerden konnte vorhin.

„Ach, ist echt kein Problem. Er ist eigentlich kein so schlechter Kerl, aber er hat manchmal wirklich eine große Klappe, so mein Eindruck. Deswegen versuche ich auch selbst möglichst wenig Konversation mit ihm zu führen. Immer schön gute Miene zum bösen Spiel machen, quasi.“

Sie lächelte nun ihrerseits, während sie sich ein Schluck von ihrem Cocktailglas gönnte.

Sie sieht wirklich bezaubernd aus wenn sie lächelt, dachte Kazuya, nicht zum ersten Mal.

„Du scheinst wohl keine Probleme zu haben, jemanden die Leviten zu lesen wenn es sein muss oder?“, fragte er.

Tori ließ ihr Glas sinken.

„Oh, da mach dir mal nichts vor. Jemanden von der Seite reinzugrätschen ist ziemlich einfach. Als besonders tough würde ich mich deswegen nicht bezeichnen. Aber auch ich kenne und hasse solche Situationen. Respekt, dass du so ruhig geblieben und ihm keine reingehauen hast.“

Sie lächelte ihn weiter an, während sie ihr langes, tiefschwarzes Haar hinter ihrem Ohr zurückstrich.

Kazuya erwiderte das Lächeln.

„Hatte man es mir schon angemerkt?“

„Auf jeden Fall hat man es im Kessel brodeln hören“, antwortete das Mädchen.

„Shin muss schon ziemlich hacke gewesen sein, dass er es nicht gemerkt hat, aber ich glaube es würde für ihn auch keinen Unterschied machen die Tür mit dem Schlüssel oder dem Vorschlaghammer zu öffnen.“

Kazuya musste lachen bei diesem Vergleich.

„Naja, so ganz Unrecht hatte er aber nicht mit seiner Vermutung. Ich hatte finanziell wirklich viel Hilfe bei dem Umzug.“

Zumindest darin war sein Vater gut, dachte der 18-Jährige mit einem Hauch Bitterkeit. Wäre nur schöner gewesen, wenn er in Verlauf seines Lebens mehr als nur Geld für ihn investiert hätte….

“Und wenn schon.“, erwiderte Tori.

„Die hatten wir alle. Ohne die Unterstützung meiner Familie hätte ich das hier alles auch nicht hinbekommen. Ich weiß wie schwer so eine Umstellung ist. Man sollte sich erst darauf konzentrieren mit beiden Beinen anzukommen und sich dann auf das wesentliche konzentrieren. Das weiß auch dieser Angeber Shin.“

„Darauf trinke ich“, erwiderte Kazuya und erhob sein Glas.

Tori tat es ihm gleich.

Der Junge strich sich einmal mehr über die kurzen Haare, ehe er das Gespräch mit Tori weiter fortsetzte.

Sein Eindruck von den Mädchen war kein falscher, wie er fröhlich feststellen durfte. Sie war sympathisch, bodenständig und hatte Sinn für Humor. Es war wirklich ganz leicht sich mit ihr zu unterhalten, erkannte Kazuya.

Sie redeten über alles Mögliche, den Fächern an der Uni, ihre Kommilitonen, ihre Professoren, ihre Wohngemeinschaften und tauschten sogar einige lustige Anekdoten aus der Vergangenheit aus.

„…und wie meine Mutter ausgerastet ist, als sie gesehen hat, wie ich mich ins Haus zurückschleichen wollte!“, erzählte Tori vergnügt von einer ihrer ersten nächtlichen Partyerfahrungen.

„Wenn nur nicht dieser blöde Hund gewesen wäre und durch das halbe Haus gebellt hätte. Das richtig dumme war, dass meine Mutter auch sofort gemerkt hatte, dass ich an dem Abend getrunken hatte, obwohl ich extra eine halbe Wagenladung Minzbonbons genommen habe, ehe ich nach Hause kam.“

Kazuya hakte nach: „Oje, das ist böse. Wie hat sie es gesehen? Hast du schon leicht geschwankt?“

Tori antwortete: „Nein schlimmer, ich war so breit, dass ich nicht gemerkt hatte, dass ich die ganze Zeit eine Pulle Wein in der Hand gehalten hatte. Naja, ich denke mal für die Blödheit sind 3 Tage Stubenarrest ja noch ganz milde.“

Beide lachten.

Kazuya musste zugeben, dass das Mädchen auf jeden Fall ein aufregenderes Leben bisher geführt hatte als er. Solche Unternehmungen wie heute Abend waren bei ihm eher die Ausnahme. Er mochte es lieber ruhig und schätzte seine Privatsphäre. Er konnte sich stundenlang hinter seinem Computer verlieren, wo er sich auf Web-Seiten zu seinen drei Lieblingsthemen die Zeit am liebsten vertrieb: Harte Rockmusik, Kampfkunst und…Animes. Kazuya würde dies aber niemals zugeben wollen. Im Grunde wussten auch bloß die Leute in den Foren mit denen er sich über sein heimliches Hobby unterhielt, von seiner Vorliebe und Masa natürlich, mit dem er zu Schulzeiten diese geteilt hatte. Allerdings hat Kazuya nie nachgefragt, ob Masa die alte Leidenschaft aufrechterhielt. Der 18-jährige hatte seit langem keinen direkten Kontakt mehr zu Leuten gepflegt, die ebenfalls auf Animes standen. Von der breiten Palette an Franchises, gab es eins, welches Kazuya schon immer fasziniert hatte. Aber gerade die Tatsache, dass es weitläufig als „Kinder-Anime“ galt, hinderte den ohnehin eher verschlossenen Jungen daran, offener mit dem Thema umzugehen.

Das wäre ein gefundenes Fressen für Typen wie Shin. Herauszufinden, dass er was für Digimon übrig hatte. Bestimmt hätte auch Tori nicht sehr viel übrig für dieses Hobby. Sie kam Kazuya zwar ziemlich offenherzig vor, aber würde nicht gerade so ein Mädchen wie sie, ihn als Geek oder Freak ansehen, wenn sie davon wüsste?

Nein, dachte der Student…solange sie dabei ist, nehme ich dieses Geheimnis mit ins Grab. Er musste dann lediglich die Kartenstapel, die er noch aus seinem alten Zimmer in Saitama retten konnte, verschwinden lassen, sollte sie ihn mal zu Hause besuchen kommen…falls es überhaupt mal soweit kommen sollte. Einmal mehr mahnte sich der junge Mann zur Coolness. Bislang schien zwischen den beiden doch alles gut zu laufen….

“Haben dich deine Eltern auch schon mal so zur Sau gemacht? Oder konntest du dein erstes Saufgelage besser verdecken als ich?“, fragte das Mädchen ihren Gegenüber, immer noch lächelnd.

Kazuya antwortete: „Naja, ich sag es mal so: Es hat auch mal was Gutes gehabt, dass mein Vater gerne Überstunden macht, oder auf Geschäftsreisen geht. So musste ich mich erst gar nicht nach Hause schleichen, sondern konnte bei einem Freund übernachten. Dafür hat mich meine Schwester als ich am nächsten Tag nach Hause angekrochen kam, im wahrsten Sinne des Wortes übrigens, quasi stellvertretend zur Sau gemacht.“

Kazuya musste bei der Erinnerung unwillkürlich lächeln.

Das waren noch gute Zeiten gewesen, damals als Mayuki noch zu Hause war und er nicht alleine den Momenten entgegenfürchten musste, wenn sein Vater von der Arbeit nach Hause kam und zum Rundumschlag ausholte….

“Masa hatte nicht so viel Glück. Er war so fertig, dass ihn seine Mutter abholen musste. Der arme Kerl…dabei war es seine Idee mit dem Umtrunk gewesen.“

Tori lachte nun nicht mehr. Sie nahm noch einen weiteren kleinen Schluck ihres Cocktails und verharrte mit ihrem Blick eine Weile auf das Glas. Sie schien besorgt zu sein, so Kazuyas Eindruck, oder zumindest nachdenklich.

„Ob ich etwas falsches gesagt habe?“, dachte der Junge sofort.

Er blickte kurz durch die gläsernen Wände der Lounge rüber zur Tanzfläche.

Die nächste Elektronummer war angelaufen und die Leute tanzten weiterhin höchst vergnügt unter blitzenden Diskolichtern. Von Masa, Shin und dem Rest der Truppe war nichts zu sehen, was Kazuya erleichterte, denn er wollte weiterhin die Zweisamkeit mit Tori genießen, auch wenn ihm die plötzlich auftretende Stille zwischen den beiden etwas unangenehm war.

Das Mädchen blickte ihn wieder an.

„Also…ich…als wir…es hat…es hat für mich bisher den Eindruck gehabt, dass deine…deine Mutter…also, dass sie wohl nicht anwesend war, während der ganzen Geschichte.“

Kazuyas Blick wurde nun ebenfalls wieder ernst.

Darum also die Stille: Sie hat nach den passenden Worten gesucht. Kazuya hatte geahnt, dass das Thema früher oder später zur Sprache kommen würde. Er hatte zwar wenig Lust darüber zu reden, aber es war ihm immer noch lieber, Tori würde es ihm aus der Nase ziehen und nicht Shin, wenn überhaupt.

 Er schluckte einmal, nahm sich aber im selben Moment, die Angelegenheit so sachlich wie möglich zu behandeln.

„Ja, das stimmt auch. Sie ist verstorben als ich 6 war. Es gab seit dem immer nur Mayuki, also meine Schwester, mich und meinen Vater.“

Tori wirkte für einen Moment erschüttert, bemühte sich aber wieder um einen neutralen Gesichtsausdruck.

„Das tut mir Leid. Also ich wollte nicht…es war nur so…es klang so als ob…“

„Nein, ist schon okay.“, fuhr Kazuya dazwischen.

„Wirklich. Es ist nun mal Teil meiner Vergangenheit. Ist lange genug her. Man überwindet solche Dinge irgendwann. Wirklich, ist kein Problem.“

Kazuya wollte nicht, dass sie sich wegen ihm schlecht fühlte. Zwar schmerzte ihm das Thema auch nach all der Zeit noch, aber in seinem Inneren wusste er, es gab keinen Grund für ihn sich deswegen zu schämen und sich noch weiter zu verschließen.

Tori wirkte etwas erleichtert.

„Deine Schwester klingt aber wirklich in Ordnung. Was macht sie eigentlich so?“

Kazuya verknotete leicht seine Hände.

„Ja, sie ist wirklich nett und sehr klug vor allem. Ein kleiner Strebikus könnte man auch in ihrem Fall sagen. Sie studiert seit 2 Jahren Volkswirtschaft an der Uni in Osaka. Sie macht sich ganz gut. Aber ich habe sie selten gesehen in der Zeit.“

Tori strich sich einmal mehr die schwarzen Haare vom Gesicht.

„Ich hätte es sehr schön gefunden auch Geschwister zu haben. Ich muss zugeben, ich beneide dich darum etwas.“

Kazuya lächelte etwas verlegen.

„Ja, es ist zwar manchmal ganz schön anstrengend, die üblichen Klischees halt mit den ewigen Streitereien unter Geschwistern, aber man hat wenigstens jemand zum Reden oder der sich um einen kümmert, für den Fall der Fälle…"

Kazuya bereute sofort die Formulierung.

Sollte sie ihn etwa für ein Baby halten, was sich nicht um sich selbst kümmern kann?

„Ja, ich kenne das Gefühl, wenn man sich mal jemanden an seiner Seite wünscht. Ich meine, meine Mutter war zwar oft da, aber irgendwann musste sie auch wieder anfangen zu arbeiten und mein Vater…naja", fuhr Tori im Thema weiter fort.

Kazuya staunte nicht schlecht. Hatten die zwei da etwa was gemeinsam?

„Deiner auch? Also ich meine bloß…es ist nur…für mein Vater wäre die Bezeichnung Workaholic schon eine Untertreibung.“

Der 18-Jährige wusste nicht, was in ihm gefahren war, dass er eine dermaßen sensible Information so ohne weiteres von sich Preis gab…verkannte er die Situation vielleicht? Interpretierte er zu viel hinein? Hatten er und Tori wirklich so viel gemeinsam, wie er dachte?

„Willkommen im Club.“ Meinte sie mit sarkastischen Unterton, hörte aber nicht auf zu lächeln, womit sie Kazuya noch ein Stück weiter zum Auftauen bringen konnte.

„Ich meine es hat zwar auch Vorteile, weil man z.B. früh lernt sich selbst zu versorgen, aber diese Einsamkeit manchmal…es ist...“

Sie schaute betreten zu Boden.

„Ich will nicht weinerlich klingen, es ist nur dieses Gefühl was sie dir manchmal geben können, du seist es nicht wert, dass sie sich mit dir abgeben. Wenn nicht einmal sie an dich glauben können, wie schaffst du es dann erst?“

Kazuya blickte nun ebenfalls sein Glas an.

Toris Offenheit überraschte ihn und er wusste zuerst nicht, wie er damit umgehen sollte, er musste aber im selben Moment zugeben, dass ihre Formulierung seine eigenen Gefühle sehr gut wiedergab. Das Gespräch hatte sich in eine Richtung entwickelt, die dem jungen Mann einerseits wenig geheuer war, es ihm aber zugleich sichtbar machte, dass Tori und er, wenn auch unter verschiedenen Bedingungen, etwas teilten, womit sie einander verstehen konnten.

Kazuya beschloss nun selbst offener zu werden.

„Es stimmt schon was du sagst. Wenigstens traust du dich es ehrlich auszusprechen.“ erwiderte er zu dem Mädchen und lächelte sie aufmunternd an, was sie zögerlich erwiderte.

„Ich sag es mal so: Zumindest gehören wir zu der Sorte, die nicht ständig auf Hilfe angewiesen ist und das ist auch nichts schlechtes, wenn du mich fragst. Außerdem…für uns fängt hier ohnehin ein neuer Lebensabschnitt an. Wir haben die Chance uns was Eigenes aufzubauen und die sollten wir auch nutzen. Ich sehe das sehr positiv und freue mich auf das was noch kommt. Ich denke wenn wir schon so weit gekommen sind, wieso sollten wir den Rest nicht auch schaffen?“, schloss Kazuya ab.

Tori sah ihn mit ihren dunklen Augen innig an und Kazuya erwiderte ihren Blick so gut er konnte. Vielleicht täuschte er sich, aber er fühlte in dem Moment eine gewisse Verbundenheit zu seiner Kommilitonin.

Sie erhob jedenfalls ihr Glas in seine Richtung, schenkte ihm ein Lächeln und erwiderte:

„Mir gefällt der Gedanke. Lassen wir das negative hinter uns und machen das Beste aus unserer Zukunft. Ich bin gerne dabei. Darauf trinke ich…auf dysfunktionale Familien und den Möglichkeiten, die sich aus ihnen ergeben.“

Kazuya prostete ihr zu und beide tranken ihre Gläser aus. Tori lachte im Anschluss daran kurz auf.

„Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich so offen bin. Das war auch bestimmt keine Masche um diese ganzen Infos aus dir herauszubekommen. Wenn ich dir also irgendwie zu nahe getreten bin, tut es mir Leid…ich glaube ich hab da was gemeinsam mit Shin. Auch ich kann viel wirres Zeug reden, wenn ich getrunken habe.“

Kazuya grinste.

„Ach quatsch, mach dir da wirklich nichts draus. Wenigstens kannst du offen sein und das sagen was du denkst. Mir fällt so etwas überhaupt nicht leicht. Aber so habe ich wenigstens ein Vorbild. Von daher…“

Kazuya nickte ihr anerkennend zu. Schließlich unterhielten sich die zwei noch eine Weile und der junge Mann fühlte sich mittlerweile ziemlich wohl und ungezwungen in der Anwesenheit seiner Kommilitonin. Ob es an dem Alkohol lag oder nicht, auf jeden Fall verlief der Abend bis zu diesem Punkt sogar noch besser, als es sich Kazuya im Vorfeld erhofft hatte.

Er schaute schließlich auf die leeren Gläser auf dem Tisch zwischen ihnen und beschloss, für Nachschub zu sorgen um die Stimmung möglichst weiter so locker zu halten. Er nahm beide Gläser in die Hand und sagte Tori Bescheid, er würde flugs zur Bar gehen um weitere Drinks zu holen.

„Das ist nett, danke. Aber was ist eigentlich mit Ren und den anderen Jungs? Sind die nicht schon ziemlich lange weg?“, fragte das Mädchen leicht verunsichert.

Kazuya grinste in sich hinein. Auch ihm war es aufgefallen, aber er konnte sich den Grund denken. Masa, die alte Kiffnase ließ in irgendeinem Hinterzimmer vermutlich gerade die Friedenspfeife rumreichen, wahrscheinlich um Beliebtheitspunkte bei den anderen zu sammeln und wohl auch um Ren etwas ungezwungener näher zu kommen. Ob er ihm wohl auch einen Freundschaftsdienst erwies, damit er und Tori möglichst lange alleine sein konnten?

„Mach dir mal um die keinen Kopf. Wenn sie wieder auftauchen und mit dir auf die Tanzfläche gehen sollten, treffe ich euch dort.“, meinte der Junge zu ihr.

„Okay, dann bis später.“, sagte sie zu ihm.

„Früher wäre mir lieber.“, erwiderte er und zwinkerte ihr kurz zu, ehe er die Lounge verließ und sich in Richtung Theke aufmachte.

Während er an den anderen Clubgästen vorbei in Richtung Bar schlenderte, dachte Kazuya an das Gespräch mit Tori.

Er war einerseits froh, dass er diese Gemeinsamkeiten mit ihr entdeckt hatte, aber es war ihm andererseits bewusst, dass es keine schönen Dinge waren, die da eben zur Sprache kamen und dass diese zugleich auch in ihm so manche negativen Gefühle und Erinnerungen haben hochsteigen lassen. Aber Kazuya hatte ab einem gewissen Punkt in seinem Leben gelernt, seine Gefühle zu unterdrücken, wenn es denn sein musste und er war entschlossen, sich von ihnen nicht die Augen verschließen zu lassen. Er wollte offenherzig sein, nicht vor Tori zumachen, wie er es sonst bei vielen anderen Menschen tat. Dieses Mädchen war für ihn etwas Besonderes und dass sie ihm Gegenüber so ehrlich war, machte auf Kazuya den Eindruck, sie würde ihm vertrauen und er wiederrum hatte das Gefühl er könne ihr vertrauen. Auf alle Fälle, würde er am Ball bleiben, denn er hatte seit langem wieder das Gefühl, es lag etwas Positives in der Luft.

An der Theke angekommen, musste Kazuya ziemlich lange warten, bis er überhaupt in das Blickfeld der Bedienung kam, denn die Bar war noch mehr als bei seinem letzten Besuch absolut rappelvoll. Der Junge aus Saitama mahnte sich selber zu Geduld und freute sich bereits auf den weiteren Verlauf des Abends, etwas, was er sich in dem Moment als er sich mit Masa hier traf, nie hätte träumen lassen.

Schließlich war es nach 10 quälend langen Minuten endlich soweit und Kazuya war an der Reihe.

Er bestellte zwei neue Cocktails und machte sich damit gleich wieder auf den Weg zur Lounge. Dort angekommen, stellte er aber überrascht fest, dass niemand mehr dort war. Der Junge ließ sich davon nicht beunruhigen. Entweder war Tori gerade auf dem Klo, oder der Rest der Truppe war mittlerweile wieder zurückgekehrt und hatte sie auf die Tanzfläche geschleppt. Auch wenn es mit zwei Cocktailgläsern in der Hand etwas unvorteilhaft sein mochte, beschloss Kazuya statt Däumchen zu drehen, sich dahin zu begeben und dort nach den anderen Ausschau zu halten.

Der junge Mann stellte sich auf eine Erhöhung um sich zunächst eine bessere Übersicht zu verschaffen.

Die Fläche war weiterhin gut besucht, doch der Student musste nicht lange suchen um seine Gruppe zu finden. Diese stand recht nah am Rand, nur wenige Meter von Kazuya entfernt, wild und hemmungslos am Tanzen.

Während die Elektrobeats nach wie vor unbarmherzig pulsierten, entdeckte der 18-Jährige zuerst Masa, der wie von seinem Freund vermutet, tatsächlich etwas neben der Spur zu sein schien, ihn dafür aber wiedererkannte und von der Tanzfläche aus grinsend zuwinkte.

Kazuya winkte lächelnd zurück und ließ seinen Blick gleichzeitig über den Rest der Gruppe gleiten, da sah er auch Tori. Doch in dem Moment erlosch auch Kazuyas Lächeln, stattdessen spürte er wie sein Magen sich zuknotete.

Perplex beobachtete er, wie das Mädchen eng umschlungen mit Shin tanzte. Es war aber nicht irgendein lustiger, harmloser Tanz mit viel Herumgehüpfe. Der junge Mann hatte seine beiden Arme eng um die 18-Jährige von hinten umschlungen und presste sein Gesicht auf ihre Wange. Diese ließ ihre Hüften rhythmisch kreisen, während sie an seine eigenen nahezu festgewachsen zu sein schienen. Die beiden setzten ihren Tanz weiterhin fort und schienen sich nicht voneinander lösen zu   können.

Kazuyas Herz klopfte. Er verzog keine Miene, sondern starrte sie nur an.

Es fiel ihm schwer einen rationalen Gedanken zu fassen, außer, dass er das Bedürfnis verspürte, schnell so viel Abstand von den zwei zu halten, wie nur möglich. Er konnte ihnen irgendwann nicht mehr zusehen, auch wenn ein Teil von ihm verlangte zu bleiben, mutig und selbstbewusst auf Shin zuzugehen und ihm die Zähne auszuschlagen.

Darum machte Kazuya schnell kehrt und stapfte mit schnellen Schritten in Richtung Hinterausgang.

Er wusste nicht wohin oder was er tun sollte, er wusste nur, er brauchte Abstand von dem Ganzen, sowie Zeit um seine Gedanken neu zu sortieren, die nun wild in seinem Kopf umherirrten.

Ohne sich umzublicken schritt er schließlich auf die große Tür zu und trat hinaus in die warme, sternklare Nacht.
 

Anmerkung:

Ich denke ich sollte an der Stelle mal was zu der Namensbedeutung sagen: Kazuya ist ein männlicher Vorname und bedeutet so viel wie: Himmel und Erde.

Masa ist ebenfalls ein männlicher Name und steht für: Gut und direkt.

Tori dagegen ist rein weiblich und bedeutet: Vogel.

Mayuki ist, hier könnts euch denken^^, auch ein weiblicher, japanischer Vorname. Er bedeutet: Nichts. Denn er leitet sich schlicht von Miyuki ab. Soviel dazu xD.

Dann will ich euch selbstverständlich auch nicht nicht, das heutige Episodentheme vorenthalten: "Nightcall" by Kavinski & Lovefoxx:

Kavinsky

Aus den Schatten

Weregarurumon schleifte sich bis zu einer großen Mülltonne und lehnte sich erschöpft dagegen.

Er war fertig. Der Kampf gegen Dinohumon hatte ihn jede Menge Kraft gekostet. Er war müde, die Schmerzen in seinem Bein waren unerträglich und hungrig war er auch. Das Tier-Digimon musste sich eingestehen, noch nie in einer dermaßen kritischen Situation gewesen zu sein. Der Gedanke von einem Gegner, welcher nicht einmal das gleiche Level wie er besaß, so gedemütigt und verwundet worden zu sein, war ihm beinahe unerträglich. Gleichzeitig konnte er nicht anders, als Bewunderung für die Sorgfalt und Effizienz seines Feindes zu empfinden. Dieser hatte ihm eine Schwachstelle zugefügt und ihn mit einfachsten Mitteln so lange zermürbt, bis er leichte Beute war. Doch vorrangig war Weregarurumons Stolz gekränkt und er wusste, seine Ehre würde ihm keine Wahl lassen als bis zum letzten Atemzug zu kämpfen und Rache an diesen Verräter zu nehmen.

Der Werwolf schloss die Augen und lehnte seinen Kopf an die Wand neben sich.

Er hätte alles darum gegeben sich ausruhen zu können, doch er wusste, es war zu gefährlich, lange an denselben Ort zu verweilen. Er konnte sich vor Dinohumon zwar gerade noch so in Sicherheit bringen, doch besonders weit war er in seinem Zustand nicht gekommen. Sein Gegner suchte vermutlich überall nach ihm und würde nicht Stopp machen, bis er ihn gefunden und sein Werk vollendet hätte, selbst wenn dies bedeutete, er müsse diese Welt auf den Kopf stellen und einen ihrer Bewohner nach dem anderen beseitigen.

Weregarurumon wusste nicht viel über die Menschen und im Grunde waren ihm diese auch egal. Dennoch gab es ein Teil von ihm, der es nicht geduldet hätte, wenn Unschuldige seinetwegen zu Schaden gekommen wären, zumal er es für nicht klug empfand, die herrschende Spezies einer fremden Welt herauszufordern. Angeblich seien die Menschen zwar körperlich schwache Wesen, aber dennoch in der Lage sogar die Verhältnisse in der Digiwelt zu verändern und damit auch die Digimon, so lauteten jedenfalls die Gerüchte. Dazu kam, dass es Weregarurumon aus Prinzip, wenn es denn überhaupt welche hatte, es für unter seiner Würde befand, schwächere Wesen anzugreifen.

Nur so ist es immer stärker geworden, in dem es sich stets ebenbürtige oder sogar stärkere Gegner gesucht und diese herausgefordert hatte. Das war seit jeher sein Antrieb gewesen:

Überleben und dabei stärker werden, die Natur eines eigentlich jeden Digimons. Auch die von Dinohumon…. Dinohumon…

Weregarurumon wühlte mittlerweile in dem Metalbehälter neben sich. Er hatte vorhin aus einem Haufen Gerümpel an einem Straßenrand einige dicke Stoffe sammeln können, mit denen er versucht hatte seine Wunde abzudecken. Doch je mehr desto besser, angesichts der schwere seiner Verletzung. Während das Digimon wühlte, dachte es über seinen alten Kampfgefährten nach.

Nach all der Zeit……Wäre er klug gewesen, hätte es Weregarurumon im Grunde kommen sehen müssen. Er selbst hatte ihm immer wieder eingebläut, so kompromisslos und zielstrebig wie nur möglich an seine Ziele dran zu bleiben. Er hatte ihm beigebracht, dass das Überleben, als natürlichsten Urinstinkt eines Digimons, es erfordern würde so hart und grausam zuzuschlagen, wie es nur ginge, denn die Existenz an sich sei grausam und unbarmherzig. Dinohumon hatte sich als sehr guter Schüler erwiesen und als loyaler Gefährte.

Er und Weregarurumon hatten zusammen trainiert, Seite an Seite gekämpft und sich gegenseitig den Rücken gedeckt. Doch mit der Zeit änderten sich die Dinge: Das Drachendigimon hatte wohl den Punkt erreicht, an dem es seinen Lehrer um jeden Preis übertreffen und sich von diesem abheben wollte. Seine Methoden um an stärkere Gegner zu kommen und diese zu besiegen übertrafen oft die von Weregarurumon, was Präzision und Effektivität, aber vor allem was Grausamkeit betraf.

Irgendwann spielte es für Dinohumon nur noch eine Rolle, wie viele Daten es sammeln konnte, wie hoch die Verluste waren, die durch ihn entstanden, spielte war ihm völlig gleichgültig. So abgebrüht sich Weregarurumon auch gab……er würde nie mehr den Anblick des Frigimon-Dorfes vergessen, die angsterfüllten Schreie die es von der Ferne hörte und der verstörende Anblick, wie Dinohumon eines der kleinsten von ihnen mit seiner Axt niedermetzelte.

Dabei waren die zwei nur auf der Suche nach einem mächtigen Korikakumon gewesen, welches sich angeblich in der Nähe des Dorfes befinden sollte und welches sie gemeinsam besiegen wollten.

Beide beschlossen sich zu trennen und gingen in unterschiedliche Richtungen los um es zu suchen.

Nach dem Weregarurumons Suche erfolglos verlief, entschloss es sich zum vereinbarten Treffpunkt zurückzukehren. Dort angekommen war Dinohumon ebenfalls noch nicht zurück und nach langer Zeit des Wartens, entschied das Wolfs-Digimon sich auf die Suche nach seinem Partner zu machen.

Da hörte er die Schreie und als er das Dorf erreichte, war es bereits zu spät. Weregarurumon sah gerade noch, wie das Drachendigimon den letzten Einwohner tötete.

Während das Wolfsdigimon weiterhin an der schmutzigen Wand hinter sich lehnte, erinnerte es sich, wie es lediglich dastand und seinen Waffenbruder anstarrte.

Weregarurumon empfand in dem Moment etwas, was er vorher nie gekannt hatte, weil das Kämpfen und Töten so dermaßen normal für ihn geworden war, dass es ihm vorher nie in den Sinn kam, welchen grausamen Preis diese Lebensweise manchmal mit sich brachte: Abscheu. Abscheu und Verachtung für Dinohumon und dessen Methoden, die aber, und das war Weregarurumon durchaus bewusst, letzten Endes nur eine Weiterführung dessen war, was er ihm all die Jahre beigebracht hatte.

Auf der späteren Nachfrage des Wolfs-Humanoiden, wozu das ganze gut gewesen sein sollte, antwortete der Drache mit kalter Gleichgültigkeit, er hätte von den Frigimon lediglich herausfinden wollen, wo sich Korikakumon versteckt hielt, woraufhin hin diese ihn angegriffen hätten.

Weregarurumon hat die Geschichte nie geglaubt.

Abgesehen davon, dass Frigimon als äußerst sanftmütig gelten, reichte ihm der Blick in den selbstzufriedenen, stolzen Gesichtsausdruck seines Gefährten um zu wissen, aus welchen Motiven er so gehandelt hatte. Der selbe Gesichtsausdruck, mit dem sein Feind über ihn gestanden und vorfreudig seine Axt in den Händen gehalten hatte, bereit seinen alten Mentor endgültig zu besiegen. Die Sache mit dem Frigimon sollte nicht als das letzte Mal erweisen, dass Dinohumon so vorgehen sollte.

Weregarurumon fand mittlerweile ein dickes Stück Stoff, mit welchem er sein Verband zusätzlich verstärkte. Wenigstens musste er nicht frieren. Die Nacht war warm und klar. Er lauschte hinaus in diese Welt und hörte alle möglichen fremden Geräusche. Lautes Hupen welches von weitem erklang, sowie eine seltsame, pulsierende Musik, welche scheinbar aus dem inneren des Gebäudes zu stammen schien, an welches Weregarurumon angelehnt war. Während er diesen merkwürdigen Klängen lauschte, versank er wieder in Gedanken.

Ja, er hätte wissen müssen, dass Dinohumons Grausamkeit und Verschlagenheit weiter anwachsen würden. Er hatte es so lange gespürt, aber wieso hatte er sich seiner überhaupt angenommen? Was hatte ihm dazu verleitet, ihn auf seinen Reisen mitzunehmen, sein Wissen an ihm weiterzugeben und regelmäßig sein Leben in dessen Hände zu legen? Natürlich, mit einem Kampfgefährten an seiner Seite lebte es sich leichter in der Digiwelt, wie Weregarurumon festgestellt hatte. Zu zweit hatten sie viel bessere Chancen gegen starke Gegner und sie konnten sich auch im Notfall gegenseitig beschützen.

Doch gab es da vielleicht noch etwas anderes? Weregarurumon war nie der Typ für Gefühlsduselei gewesen, er empfand Emotionen als gefährlichen Ballast und bevorzugte es lieber die Dinge pragmatisch zu sehen. Trotzdem, wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass die Jahre der Einsamkeit an ihm genagt hatten. War es vielleicht das Gefühl bewundert und gebraucht zu werden, welches den alten Krieger zu diesem Schritt verleitet hatte? War Dinohumon mitzunehmen vielleicht nur der Versuch gewesen, die Leere in Weregarurumons Inneren zu überdecken und sein Leben mit jemanden anders zu teilen?

„Verflucht nochmal, du alter Narr!“, ermahnte sich Weregarurumon.

Er konnte doch nicht ernsthaft so töricht sein? Warum musste er über solche Dinge überhaupt nachgrübeln? Was für einen Sinn hatte es nur? Er vergeudete nur kostbare Zeit und machte sich unnötig zur Zielscheibe. Er sollte lieber zusehen, dass er einen sicheren Ort fand, an dem er sich wieder erholen und eine neue Strategie entwickeln konnte. Wenn es überhaupt etwas gab, was das Digimon aus diesem ganzen Schlammassel lernen konnte, dann, dass man niemandem trauen könne und es eine ganz schlechte Idee war, jemanden so nahe an sich heranzulassen. Du bist dir selbst, dein bester Verbündeter, das stand für Weregarurumon eindeutig fest.

Er versuchte aufzustehen um seiner Wege fortzusetzen, da hörte er plötzlich Schritte in unmittelbarer Nähe. Instinktiv ging das Wolfs-Digimon hinter dem Container in Deckung und spähte in Richtung der Gasse, in der sich befand. Er sah die Umrisse einer Person, welche in der Dunkelheit auf und ab ging. Eines stand fest. Es war nicht Dinohumon. Soweit es Weregarurumon beurteilen konnte, war das Wesen um einiges kleiner und schmächtiger.

Ob es sich um einen Menschen handelte? Weregarurumon wollte auf alle Fälle keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen und war in dem Moment dankbar für die Tarnung, die ihm sein dunkles Fell in der Dunkelheit garantierte. Er entschloss sich die Person noch eine Weile zu beobachten und dabei seinen nächsten Schritt zu planen.
 

Anmerkung:

Ich denke Frigimon und Korikakumon dürften die meisten noch kennen. Erstere kamen in fast allen Digimon-Staffeln vor und sind die dicken, putzigen Digimon in Schneemann-Form. Korikakumon war hingegen die Beast-Spirit-Evolution von Tomoki/Tommy aus Digimon Frontier. Ihr wisst schon: Der riesige Affenmensch mit weißem Fell und den zwei Äxten.

Ach ja, dann gibt es natürlich noch ein Episodentheme: Heute ist es "Burrito" von Seether:

Seether

Instinkt

Kazuya trat nervös von einer Stelle auf die andere. Seine Finger verkrampften sich im Inneren seiner Hosentaschen, während er auf den Boden blickte und den Beton unter sich betrachtete, auf dem allerlei Müll herumlag, von ausgespuckten Kaugummis, weggeworfenen Zeitschriften hin zu Zigarettenschachteln. Da fiel dem Jungen ein, er hätte ja noch eine Reservepackung im Inneren seiner Jacke.

Sollte er es wagen? Eigentlich hatte es der Student vor langer Zeit aufgegeben und rauchte wenn überhaupt nur ab und zu, wenn es ihm mal wieder viel zu viel wurde. So auch in diesem Fall. Kazuya war so angespannt, dass ihm seine Prinzipien für den Moment egal waren, weshalb er beschloss doch eine Kippe rauszunehmen und sich diese anzustecken.

Während er den Qualm von der Zigarette in die Nacht hinausblies, betrachtete er den Vollmond.

Es war eine sternklare Nacht und eine warme noch dazu, weshalb es der junge Mann gar nicht bereute, rausgegangen zu sein um frische Luft zu schnappen, zumal die Gasse in der er stand auch noch menschenleer zu sein schien. Sogleich wurde er melancholisch und versuchte seine Gedanken neu zu sortieren.

Er war nicht der Typ der lange zornig blieb, aber er spürte dennoch die Enttäuschung die sich in seine Eingeweide fraß und ihn zu schaffen machte.

 Hatte er seine Erwartungen einfach nur zu hoch geschraubt? Vermutlich, wie er sich eingestehen musste. Es war weiß Gott keine Selbstverständlichkeit, dass Tori Interesse an ihm gezeigt hatte und allein schon, dass sie mit ihm geredet hat, war für ihn der Rettungsanker des Abends gewesen. Vielleicht lag es auch nur an den Alkohol, aber Kazuya hatte durchaus das Gefühl gehabt, die zwei hätten eine Art Chemie miteinander, dass sie ehrlich und offen miteinander reden konnten und dazu noch einige Gemeinsamkeiten teilten. Sie kam ihm nicht wie eines dieser Früchtchen vor, die sich ohne nachzudenken von einer Sekunde auf die andere den nächstbesten Typen an den Hals warfen und mit denen man keine 2 Minuten vernünftig reden konnte. Hatte er sich vielleicht getäuscht, was seinen Eindruck über sie anging? Oder wollte sie ihn einfach nur auflaufen lassen und hat mit Absicht ein Spielchen mit ihm gespielt? Vielleicht war er für sie auch nur ein kleiner Junge den man nicht ernstnehmen konnte und für den man bestenfalls Interesse heucheln könnte?

Kazuya nahm noch einen Zug von der Zigarette und schaute wieder auf den Boden.

Nein, er musste ehrlich zu sich selbst sein. Er durfte nicht zulassen, dass seine Vorurteile ihm wieder die Augen verschlossen. Mayuki hatte es ihm mal gesagt:

„Bloß weil du nicht gleich sehen kannst, zu wem die Hand gehört, die dir gereicht wird, darfst du sie nicht einfach wegschlagen.“

Ja, es fiel ihm schwer, anderen gleich zu vertrauen. Aber hatte ihn das mit Tori eben nicht noch einmal gezeigt, warum es manchmal besser war, nicht auf jedes Gefühl hereinzufallen?

Kazuya blies ein weiteres Mal den Rauch von der Zigarette. Auch wenn er den Tabakgeschmack eigentlich nicht leiden konnte, für den Moment verschaffte sie ihm tatsächlich etwas Entspannung.

Der junge Mann, wusste im Grunde, es war unfair von ihm, so zu denken. Er und das Mädchen kannten sich vor heute Abend so gut wie kaum und auch wenn sie sich gut verstanden und Kazuya sie mochte, es konnte ihn doch nicht ernsthaft stören, wenn sie was mit anderen Typen hatte, oder etwa doch? Wer war er schon, dass er sie dafür verurteilte? Sie konnte doch das tun was sie wollte.

Dennoch…so nüchtern der 18-Jährige auch versuchte an die Sache heranzugehen, es ging ihm nah, was er da auf der Tanzfläche gesehen hatte und er fühlte sich gekränkt.

Vor allem aber....Shin? Den Typen über den sie noch vor wenigen Minuten abgelästert hatte?

Kazuya fühlte erneut einen Schwall Wut in sich aufsteigen, wenn er an die dreckigen Hände von diesem Typen dachte und wo er sie hingepackt hatte. Er nahm noch einen Zug seiner Zigarette ehe er diese auf den Boden fallen ließ und herzhaft austrat.

Er war verärgert, aber gar nicht mal so sehr über Tori und Shin, sondern über sich selbst und wie er mit der Situation umging. Er hatte sich wie ein verdammter Feigling aufgeführt und wenn er ein Mann gewesen wäre, wäre er geradewegs in den Klub hineingestapft, hätte diesen Angeber weggestoßen und Tori mit auf die Tanzfläche geschleppt…aber nein, er wusste, so eine Aktion wäre ein Ding der Unmöglichkeit für ihn. Er würde seinen Frust wie sonst auch immer bekämpfen. Er würde sich in sein Zimmer zurückziehen, seine Musik aufdrehen und dabei Stunden im Netz verbringen und sich in den Anime-Foren herumtreiben. Wenn er richtig Energie haben sollte, würde er vielleicht noch zum Laufen in den Park gehen, oder morgen zum Jiu Jitsu-Training, welches von der Universität angeboten wurde. Das würde dann sein Gemütszustand entscheiden. Er würde schon darüber hinwegkommen…wie sonst auch immer.

Plötzlich hörte er die Musik aus den Club lauter erschallen und als er sich umdrehte, war die Hintertür offen und Masa, etwas außer Atem, aber scheinbar immer noch bester Laune, trat auf ihn zu.

Kazuya begnügte sich damit seinem Kumpel schief anzugrinsen, der jedoch, herzhaft wie immer, ihn an der Schulter packte und zu sich heranzog.

„Na, was ist los? Waren die Toiletten zu voll, oder hast du mal eben ´ne Nummer geschoben?“

Kazuya gluckste leicht, ehe er eine weitere Kippe hervorholte.

„Genau, du hast sie gerade verpasst. Aber ich habe ihrem Zuhälter deine Nummer gegeben, er meldet sich dann bei dir, wenn ihr Terminkalender wieder frei wird.“

Masa schaute etwas überrascht als sein Freund die Zigarette anzündete.

„Oho, eine Kippe, dann du noch hier im Freien und dein lahmer Versuch mit Zynismus zu kontern…also, sag schon, wo ist mal wieder der Knoten im Höschen?“

Kazuya grinste in sich hinein.

Nein, man konnte diesem Kerl einfach nix verheimlichen.

„Ich brauchte einfach ein bisschen Ruhe, mehr nicht.“, erwiderte er.

„Du brauchst immer deine Ruhe, mittlerweile wundert mich das nicht. Aber ich dachte, in all der Zeit die du mit Tori alleine verbracht hast, wäre was Produktives bei rausgesprungen? Oder war es ein totales Fiasko?“, fragte der ältere der beiden mit treudoofen Blick.

Kazuya blies den Qualm in die Luft.

„Gar nicht mal so sehr. Eher im Gegenteil. Wir haben uns ziemlich gut verstanden. Zumindest hat sie wohl Interesse gezeigt. Aber ich schätze mal mir fehlt wohl einfach der Schwachkopf-Faktor um bei ihr zu landen.“

Masa hob die Augenbrauen hoch.

„Ach, du meinst Shins Lambada-Tanz mit ihr vorhin? Wusste ich, doch das da was war. Du hast auf jeden Fall gekuckt als ob du ein Gespenst gesehen hättest, kein Wunder, dass du durchgedreht bist.“

„Ich bin nicht durchgedreht!“, erwiderte Kazuya empört.

Masa hob darauf beschwichtigend die Hände.

„Schon klar alter, ich versteh dich schon. Aber meinst du nicht, dass es auch daran gelegen haben könnte, dass sie ebenfalls schon einen sitzen hatte? Zumal Shin auch den ersten Schritt gemacht hat. Außerdem hat es eh nicht lange gehalten. Für mich sah es jedenfalls so aus, als ob sie ihn bloß verarschen wollte. Jedenfalls hat sie sich irgendwann aus seinen Oktopus-Händen befreien können. Sah schon irgendwie lustig aus.“

Masa grinste ihn an und Kazuya musste nun ebenfalls unwillkürlich lächeln.

„Sie hätte sich ja gleich tot stellen können. Ich weiß, dass ich überreagiere und dass es kindisch von mir ist, mich so zu verhalten, aber ich bin trotzdem angepisst.“, meinte Kazuya.

„Und ich kann dich auch sehr gut verstehen!“ sprach Masa.

„Auch ich würde solchen Typen ab und zu mal gerne die Visage polieren, aber hey, von uns beiden bist du ja der Kampfsportler. Außerdem…mal ehrlich Junge: Glaubst du abhauen kann irgendwas lösen? Zieh dich doch nicht immer gleich zurück, wenn die anderen Füchse aus den Löchern gekrochen kommen. Sei mal ganz ehrlich zu dir selbst und beantworte dir folgendes: Wenn ihr euch vorhin wirklich gut verstanden habt und du das Gefühl hattest, da wäre was Gutes zwischen euch…glaubst du dann ernsthaft deine Chancen stünden so beschissen?“

Kazuya starrte in die dunkle Gasse die sich vor ihm erstreckte.

Er musste zugeben, er war sehr dankbar für Masas Beistand. Dass er ihm trotz seiner Nörgelei und seinem blöden Verhalten, hierher gefolgt war, bedeutete ihm wirklich viel.

Er schaute ihn an und meinte: „Ich werde es wohl herausfinden müssen, oder?“

Masa nickte.

„Oder du wirst es bereuen, die Chance versäumt zu haben. Glaub mir.“

Kazuya drückte seine Kippe auf den Boden aus, grinste seinem Freund zu und meinte:

„Alles klar, dann begeben wir uns mal wieder in die Höhle des Löwen.“

Masa klopfte ihm auf die Schulter.

„So gefällst du mir besser. Dann wollen wir mal. Ach und keine Sorge, ich bin dein Co-Pilot und steh dir bei.“

Kazuya lachte.

„Ach, kannst du etwa schon fliegen? Oder siehst du nur gerade in schwarz-weiß?“

Masa machte eine lässige Handbewegung.

„Ach, weder noch. So stark war der Joint auch nicht, aber für die süße Ran hat die Dosis noch gereicht.“

Er setzte ein schelmisches Grinsen auf.

„Sie konnte auf jeden Fall nicht mehr die Augen von mir abwenden.“

„Schäm dich nur.“, meinte Kazuya grinsend.

Masa kicherte bloß.

„Zum sich schämen ist das Leben zu kurz. Man sollte es lieber ordentlich auskosten. Auch du wirst das noch lernen, mein Freund.“

Auf einmal hörte Kazuya Schritte. Er blickte sich um und erspähte zwei Gestalten, welche aus dem Schatten der Gasse heraustraten und auf ihn und Masa zugingen.

Also war es hier doch nicht so ausgestorben, wie zuerst gedacht, stellte der 18-Jährige fest.

Nicht, dass seine Menschenkenntnis die beste war, doch die zwei machten auf den Jungen einen zwielichtigen Eindruck.

Der eine trug einen Pferdeschwanz und eine etwas verfilzte Jacke. Der andere war großgebaut und glatzköpfig.

Der mit dem Pferdeschwanz grinste und wandte sich an Kazuya:

„Abend ihr zwei hübschen. Ich will ja nicht dreist klingen, aber könnte ich vielleicht eine Kippe haben?“

Der Student schaute zu seinem Kumpel rüber, dessen Grinsen nun ebenfalls aus dem Gesicht verschwand. Er sah beunruhigt aus und Kazuya konnte es ihm nicht verübeln. Der 18-Jährige schluckte und kramte in seine Tasche.

Vielleicht würden die zwei dann schnell abhauen, dachte er.

Er zog eine Zigarette hervor und reichte sie dem mit dem Pferdeschwanz.

Dessen Kumpel stand nur daneben, die Hände im inneren seiner Jacke vergraben und verzog keine Miene. Der andere steckte sich wortlos die Kippe in den Mund, zündete sie an und nahm einen Zug. Anschließend sah er die zwei anderen Jungs wieder an und meinte:

„Danke, echt nett von dir. Jetzt hätte ich bloß noch eine Bitte: Könnte ich vielleicht eure Brieftaschen haben?“

Kazuyas Herz begann zu rasen.

Als ob er es geahnt hätte. Es schien als ob seine Menschenkenntnis doch nicht so schlecht wäre.

Er zögerte, stand nur da und blickte kurz zu Masa, der es ihm gleich tat und dessen Mund leicht geöffnet war.

Plötzlich zog der Glatzkopf eine Pistole aus dem inneren seiner Tasche und richtete sie auf die zwei Studenten.

Kazuya hob instinktiv die Hände in die Höhe, ebenso wie Masa, der panisch wurde:

„Hey, Hey, schon gut, schon gut, macht bitte keinen Mist, wir…“

„Maul halten! Brieftaschen her!“ brüllte der mit dem Pferdeschwanz und zog ein Springmesser aus seiner Hosentasche, welches er auf die zwei Studenten richtete.

Kazuya fing an zu zittern. Schweiß versammelte sich an seiner Stirn.

Er war fassungslos. Es war sein erster Überfall und er wusste sofort, sein Training würde ihm in diesen Fall kein bisschen weiterhelfen, es hieß nun Kopf einziehen und heil aus der Sache herauskommen.

Er versuchte ruhig zu atmen und sich keine Panik anmerken zu lassen.

„Schon gut, bleibt ganz ruhig, ihr bekommt unsere Brieftaschen. Masa…“, meinte der Junge zu seinem Kumpel und machte eine Handbewegung.

Der verstand sofort und zog blitzschnell seine Brieftasche aus seiner Jacke. Kazuya tat es ihm gleich. Der Typ mit dem Pferdeschwanz hob das Messer in die Höhe.

„Legt sie auf den Boden, ganz langsam!“

Kazuya trat einen kleinen Schritt auf die Gauner zu und beugte sich leicht vor um die Brieftasche in deren Reichweite zu legen. Plötzlich spürte er einen heftigen Schlag an seinem Kopf, der ihn zu Boden riss. Kazuya befühlte die Stelle und kämpfte gleichzeitig gegen die Tränen an. Seine Augen waren geschlossen, als er im Hintergrund einen dumpfen Schlag hörte und Masas Röcheln, der wohl ebenfalls verletzt wurde und zu Boden ging.

Kazuya machte die Augen auf, während er auf seinen Rücken lag und blickte nach oben.

Die zwei Verbrecher thronten regelrecht über ihn, der große immer noch seine Waffe auf ihn und Masa gerichtet, der sich die Wange hielt und die Augen geschlossen hielt. Der Pferdeschwanzträger steckte währenddessen mit selbstzufriedenem Grinsen die zwei Brieftaschen in das Innere seiner Jacke. Schließlich blickte er auf Kazuya herab und beugte sich zu diesem runter, dabei fuchtelte er mit seinem Messer vor dessen Gesicht.

Der 18-Jährige konnte seinen tabakgeschwängerten Atem riechen als er sprach:

„Was ist los kleiner Mann? Haben dir Mami und Papi nicht beigebracht, dass man sich nicht an dunklen Plätzen rumtreibt und auch nicht mit Fremden spricht? So wie es aussieht, bist du gerade ziemlich weit weg von Kansas, Dorothee.“

Der Typ lachte über seinen eigenen Spruch und hielt das Messer nur Zentimeter weit von Kazuyas Gesicht.

Was der als nächstes tat, war wohl das dümmste was man in so einer Situation tun konnte und der 18-Jährige wusste nicht, ob es seine Wut auf die zwei Gauner, die Enttäuschungen des bisherigen Abends oder einfach der pochende Schmerz an seiner Schläfe waren, die ihn dazu verleiteten, jedenfalls packte er instinktiv das Handgelenk des Räubers und schwang seinen Fuß über seinen Kopf, so dass dieser den Gauner direkt ins Gesicht traf.

Der war zu überrascht um zu reagieren und Kazuya vergaß in dem Moment völlig, dass sein Komplize nur zwei Meter weiter weg stand und eine Pistole in der Hand hielt.

Jedenfalls rollte sich der junge Mann nach hinten ab und stand wieder auf den Füßen. Dabei hielt er das Handgelenk seines Gegners fest und verdrehte ihm diesen auf den Rücken. Kazuya packte ihn so fest, dass der Typ vor Schmerz kurz aufschrie und in die Knie ging, dabei ließ er auch sein Messer fallen. 2 Sekunden später fühlte Kazuya einen noch heftigeren Schlag als vorhin auf seinen Kopf und fiel mit dem Bauch voran zu Boden. Er hörte Masa im Hintergrund seinen Namen rufen, nahm aber ansonsten nur wenig wahr, zu benommen war er von dem Hieb.

Im Nachhinein konnte er froh sein, dass er nicht gleich erschossen wurde und er hätte sich selbst verprügeln können für seine Dämlichkeit. Nicht nur hatte er gerade sein eigenes Leben riskiert, sondern auch Masas und es wäre allein seine Schuld, wenn die zwei nun getötet würden.

Kazuya biss die Zähne vor Schmerzen zusammen, während er bäuchlings auf den verdreckten Fußboden lag. Schließlich spürte er wie ihn zwei kräftige Hände auf die Beine rissen.

Der große hatte ihn an den Kragen gepackt und hielt ihn nun ein Stück vor sich während er seine Pistole an den Hinterkopf des 18-Jährigen richtete.

Kazuya blickte kurz nach unten und sah Masa mit panischem Gesichtsausdruck auf den Boden liegen, während der Glatzkopf seinen schweren Stiefel auf den Nacken des Jungen drückte, so dass dieser nirgendwo hingehen konnte. Kazuya sah anschließend nach vorne, während er gleichzeitig versuchte die aufkommende Panik zu bewältigen, während er gleichzeitig noch die heftigen Schmerzen in seinem Hinterkopf ertragen musste.

Der Typ mit dem Pferdeschwanz war wieder auf den Beinen und sah nun äußerst wütend aus.

Er rieb sich das Handgelenk, während er wie ein Wahnsinniger Kazuya fixierte. Seine Nase blutete leicht und er hatte sein Messer wieder in den Händen .

„Das war ein riesengroßer Fehler, Dorothee. Jetzt bist du fällig…. Palo, halte diesen kleinen Bastard gut fest!“ presste er hervor und schritt mit erhobenem Messer auf Kazuya zu.

Der fühlte sich zu geschwächt um noch großartig Widerstand zu leisten. Außerdem drückte ihn der Große immer noch die Knarre in den Hinterkopf. In Erwartung dessen was nun folgen würde, presste der Junge die Augen zu, während sein Herz immer heftiger schlug und die Panik von ihm allmählich Besitz ergriff.

Kazuya hätte nie gedacht, dass er so ein schreckliches Ende finden würde und dachte nur noch daran, wie gut das Ganze als finaler Akt eines dermaßen beschissenen Abends passte. Der Student erwartete den tödlichen Messerstich, der wohl jede Sekunde folgen würde…doch er kam nicht. Stattdessen hörte Kazuya einen Aufschrei und ein dumpfes Geräusch. Als er die Augen öffnete, lag der Räuber mit dem Rücken voran auf den Boden und regte sich nicht mehr.

Dessen Angreifer stand direkt daneben und blickte nun das Trio aus Kazuya, dem Glatzkopf und den immer noch am Boden liegenden Masa an.

Als Kazuya die im Halbschatten stehende Gestalt schließlich erkannte, konnte er seinen Augen nicht trauen.

Er musste halluzinieren, dachte er, er war mit Sicherheit noch von dem Schlag an seinem Hinterkopf benommen und träumte sicher von dem was er gerade sah. Anders konnte er es sich nicht erklären, dass vor ihm ein über 2 Meter großer, aufrecht stehender Wolf auf zwei Beinen stand.

Das Wesen hatte einen menschlichen Körperbau, dazu gehörten zwei muskelbepackte Arme mit jeweils zwei gewaltigen Händen in Form von klauenbestückten Pranken, ein muskulöser Torso auf dem der gewaltige Kopf eines Wolfs saß, der aus einer mit scharfen Zähnen bestückten Schnauze und zwei in der Dunkelheit leuchtenden, gelben Augen bestand. Die gewaltigen, ebenfalls muskulösen Beine der Kreatur steckten in einer Art, zerrissener, dunkler Jeans, auf der ein Totenkopfemblem eingenäht war und die mit einem ledernden Knieschoner ausgestattet war. Zudem waren zahlreiche Lederbände daran angebracht. Der Körper des Wesens war heftig vernarbt, besonders das Gesicht, an welchem sich zusätzlich noch einige Piercings befanden. Das Fell des Wolfsmenschen war bis auf einige Stellen im Kopf- und Armbereich komplett dunkel.

Kazuyas Blick blieb kurz auf dessen linkes Bein hängen, welches mit zahlreichen Tüchern verbunden war. Ob das Wesen verwundet war? Jedenfalls stand es nicht ganz aufrecht, sondern knickte mit der linken Seite leicht ein.

Der junge Mann schaute der Gestalt noch einmal ins Gesicht.

Es hatte eine erschöpfte, aber hochentschlossene und zugleich sehr bedrohliche Miene. Kazuya wusste, um was es sich für ein Wesen handelte, was dessen Anblick noch absurder machte. Es war doch völlig unmöglich, dass es hier war, oder etwa doch? Der 18-Jährige war furchtbar durcheinander.

„We…Were.…Weregarurumon?“, stammelte er hervor.

Er hatte die missliche Situation, in die er und Masa sich befanden vollkommen vergessen, ebenso wie den Glatzkopf, der hinter ihm stand und ihm immer noch seine Pistole ins Genick drückte, wenn auch nicht mehr so fest. Der Typ muss noch viel perplexer als Kazuya gewesen sein, angesichts dessen das sein krimineller Kumpel, so eben von einem riesigen Wolfsmenschen überwältigt wurde. Jedenfalls schien sich der Mann wieder zu fassen. Er wollte die Sache wohl schnell beenden oder handelte rein instinktiv.

Er schmiss Kazuya zur Seite, der wieder zu Boden fiel. Der junge Mann beobachtete, wie der Räuber seine Pistole anschließend auf das Digimon vor sich richtete. Dieses erkannte aber wohl die Gefahr und handelte blitzschnell. So schnell, dass Kazuya es kaum mitbekam. Jedenfalls packte es das Handgelenk des Typen und riss dieses nach oben. Der Glatzkopf schrie auf vor Schmerzen und ging auf die Knie. Die Pistole fiel zu Boden und Weregarurumon gab seinem Angreifer einen leichten Tritt vor das Schienbein, welcher diesen aber fast zwei Meter weit durch die Luft schleuderte, eher er mit den Bauch voran auf den Boden landete. Das Wolfs-Digimon blickte nun äußerst grimmig auf die zwei Räuber, die Kazuya angesichts ihrer Situation schon fast Leid taten.

Plötzlich ertönte jedoch ein Schuss. Vollkommen überrascht blickte sich der junge Mann um und erspähte schließlich den Typen mit dem Pferdeschwanz, wie er von Boden aus einen kleinen Revolver auf Weregarurumon richtete. Dem Mann stand die blanke Angst ins Gesicht geschrieben und er zitterte wie verrückt, während er seine Waffe auf das Digimon richtete.

Dieses fiel auf die Knie und schloss mit schmerzverzerrtem Gesicht die Augen. Der Räuber hatte sein Bein erwischt. Sekunden später jedoch, öffnete Weregarurumon wieder seine Augen und schaute die zwei Gauner mit einem Gesichtsausdruck an, welches auch Kazuya vor Angst erstarren ließ. Die blanke Wut bildete sich im Gesicht des Wolfsdigimons heraus. Es knurrte seine zwei Gegner an und stand langsam wieder auf.

Kazuya konnte es den zwei nicht verübeln, dass sie sich vor Angst scheinbar in die Hose machten. Der Pferdeschwanzträger war so erschrocken, dass er seinen Revolver fallen ließ, während sein nicht weniger schockierte Kumpel, langsam aufstand und den anderen auf die Beine zog. Die beiden gingen gemeinsam einige Schritte zurück, während Weregarurumon langsam und humpelnd auf sie zukam. Die Räuber klammerten sich aneinander fest, ehe sie schließlich eine Kehrtwende machen und wie von der Pistole geschossen wegrannten.

Kazuya sah ihnen noch hinterher, ehe sie schließlich in die Dunkelheit verschwanden.

Der Junge überlegte anschließend, ob er versuchen sollte aufzustehen. Einerseits war er sehr erleichtert darüber, den Überfall einigermaßen heil überstanden zu haben, doch was war mit Weregarurumon? Welche Gefahr ging von dem Digimon aus? War es wirklich ein echtes, lebendiges Digimon? Kazuya wandte schließlich seinen Kopf in Richtung des Werwolfes.

Der keuchte schwer vor sich hin und kniete wieder auf den Boden, die Hände abgestützt. Sein Blick traf schließlich den des 18-jährigen. Dieser erstarrte in dem Moment und versuchte keinen Muskel zu rühren, obwohl sein Herz nach wie vor wie wild pochte. Das Gesicht des Digimons schien allerdings wieder entspannter zu sein, auch wenn ihm anzusehen war, dass ihm die Schmerzen in seinem Bein zu schaffen machten. Als er Kazuya ansah, war eine Mischung aus Neugier und Erschöpfung darin zu finden. Er wusste nicht ob er sich wirklich darauf verlassen konnte, allerdings verstärkte sich in den Jungen das Gefühl, das Digimon würde ihm nichts tun.

Er stand langsam wieder auf, ohne seinen Blick von dem Wolfsdigimon abzuwenden, als er jedoch auf den Beinen stand, kippte Weregarurumon schließlich zusammen und blieb auf den Boden liegen. Kazuya erschrak in den Moment und lief instinktiv zu dem Tier-Digimon rüber. Allerdings hielt er kurz zuvor inne.

Er hatte sich und Masa für heute Abend in genug Gefahr gebracht, als dass er sich wieder kopflos in die nächste hineinstürzen wolle. Masa! Kazuya hatte ihn in den Schreck völlig vergessen.

Er drehte sich zu seinem Freund rüber und kniete sich vor ihm hin.

Er lag immer noch auf den Boden und blickte mit nach wie vor entsetztem Blick auf den Werwolf. Kazuya half ihm schließlich sachte wieder auf die Beine und musterte ihn. Er schien unverletzt zu sein, gut so. Masa schaute seinen Kumpel nicht an, sondern konnte seine Augen nicht von Weregarurumon abwenden.

Schließlich sprach er mit leicht zittriger Stimme:

„Träume ich, oder ist dieses Ding echt? Hat es uns gerade wirklich gerettet?“

Kazuya sah erneut zu Weregarurumon rüber.

„Dann kannst du ihn auch sehen? Super, so weiß ich wenigstens, dass ich nicht als einziger den Verstand verloren habe....“

Der 18-jährige stützte seinen Freund weiterhin, sah ihn an und fragte: „Was ist mit dir? Geht es dir gut? Haben sie dir was getan?“

Masa sah schließlich entgeistert zu dem anderen Jungen rüber.

„Was? Ach, nein, alles in Ordnung. Nur ein kleiner Kinnhaken und ich glaub meine Klamotten sind etwas dreckig geworden…aber was ist mit dir?! Die haben dich ja ganz schön erwischt. Geht es dir gut?“

Kazuya fiel wieder der Schlag auf seinen Hinterkopf ein. Es tat nicht mehr ganz so weh, aber er spürte es immer noch.

„Nein, alles okay eigentlich. Das wird schon wieder. Aber was ist mit ihm?“, erwiderte der junge Mann und deutete auf das Digimon, welches nach wie vor auf den Boden lag.

Kazuya konnte nicht beurteilen, ob es bewusstlos war oder nicht. Aber er hatte gesehen wie es angeschossen wurde und mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden ging. Vielleicht war es extrem unvernünftig, aber etwas in Kazuyas Inneren brachte ihn dazu, sich dem Digimon zu nähern.

Er ging schließlich vor ihm in die Knie und musterte es von oben bis unten.

Masa zischte zu seinem Freund mit erschrockener Stimme:

„Verdammt, Kazuya, was machst du da? Komm wieder her! Wer weiß schon wie dieses Ding drauf ist?!“, aber der Student hörte nicht hin.

Seine anfängliche Angst hatte sich in Faszination verwandelt, angesichts dessen, dass er es hier mit einem echten Digimon zu tun hatte. Wie konnte es nur sein? Wo kam es nur her? Wieso hatte es ihnen geholfen? Tausend Fragen schossen durch Kazuyas Kopf, obwohl er wusste, er würde in absehbarer Zeit keine Antwort darauf bekommen.

Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und entschloss sich es zu berühren, wenn auch nur ganz leicht. Er streckte seine Hand aus und strich einmal quer über den Arm des Digimons, spürte dessen hartes Fell.

Es rührte sich nicht, dafür hörte Kazuya Masa hinter sich murmeln:

„Oh Gott, jetzt berührt er es auch noch. Herrgott nochmal Kazuya, das ist kein Welpe den man in der Tierhandlung streicheln kann!“, doch Kazuya hörte ihm immer noch nicht zu.

Er spürte auf einmal so etwas wie Sorge. Sorge um das scheinbar ziemlich schlimm verletzte Digimon, welches ihm und Masa so eben das Leben gerettet hatte. Der Junge beschloss sich die Wunde an dessen Bein anzusehen. Er zog die Tücher, die drum gewickelt waren ein Stück weit auseinander. Kazuya erschrak für einen Moment.

Eine riesige, klaffende Wunde erstreckte sich einmal quer über die Wade des Werwolfes.

Der 18-jährige hatte keine Ahnung von Medizin, aber soweit er es sehen konnte, schien es eine sehr tiefe Wunde zu sein, so als ob ein großer, scharfer Gegenstand hineingerammt und wieder gewaltsam herausgezogen wurde. Kazuya entdeckte auch noch die Schussverletzung, bei der es schien, also ob die Kugel sich genau in die bereits vorhandene Wunde des Digimons hineingebohrt hätte.

Der Junge empfand in dem Moment großes Mitleid für den Wolfsmenschen, welches zwar äußerst gefährlich und furchterregend, zu dieser Sekunde aber ganz schön hilflos wirkte.

„Hey, Masa. Komm doch mal kurz her und sieh dir das an.“, rief Kazuya seinen Kumpel herbei.

Der murmelte vor sich hin:

„Das darf doch nicht wahr sein. Jetzt soll ich dem Vieh auch noch eine Streicheleinheit geben, oder was?“, trat aber dann doch noch an Kazuyas Seite.

Er wirkte weiterhin sehr ängstlich, schwitzte leicht und kam nicht aus dem Zittern raus. Kazuya legte seine Hand auf seine Schulter, was ihn heftig zusammenzucken ließ.

„Bleib cool Alter. Es scheint ohnehin bewusstlos zu sein. Hier, sieh dir das mal an.“, meinte der 18-jährige und deutete auf die Verletzung an Weregarurumons Bein.

Masa schaute kurz hin, schloss dann aber schnell wieder die Augen.

„Oh Gott. Ist das eklig. Du hättest mich vorwarnen sollen, Mann!“ Kazuya ignorierte die Reaktion seines Kumpels und sprach weiter:

„Es ist schwer verletzt. Kein Wunder, dass es umgekippt ist, obwohl es sogar ein Perfect-Level-Digimon ist.“

Masa schaute seinen Freund wieder an.

„Also lag ich nicht falsch. Es ist wirklich ein echtes Digimon? Nicht nur ein zu groß geratener Cosplayer? Was für ein Digimon ist das nochmal?“

„Ein Weregarurumon.“, antwortete Kazuya.

Er blickte es erneut an.

Wenn er ehrlich sein sollte, hatte der Junge keine Ahnung, was er jetzt tun sollte.

Sicher, es wäre wahrscheinlich am vernünftigsten sich Masa zu schnappen, nach Hause abzudampfen oder gleich die Polizei zu rufen. Aber wie würde diese auf ein über zwei Meter großes Digimon in Gestalt eines Wolfsmenschen reagieren? Würde sie es in ein Krankenhaus bringen und es versorgen, oder es auf der Stelle abknallen, wie einen tollwütigen Hund? Kazuya wusste nicht, wie die Behörden mit so einem Fall umgehen würden. Wenn es nach den handelsüblichen Sci-Fi- oder Fantasy-Filmen ging, würde irgendeine streng geheime Regierungsorganisation auftauchen, das Digimon sofort wegsperren und irgendwelche kranken Experimente mit diesem durchführen, sowie Masa und Kazuya als Kronzeugen sofort in Gewahrsam nehmen. Okay, der Gedanke war vielleicht etwas albern, aber dennoch: Konnte und wollte Kazuya riskieren, dass dieses Digimon zu Schaden kam, obwohl es seins und Masas Leben gerettet hatte und dabei selbst schwer verletzt wurde? Nachdem es ihnen geholfen hatte, war es nicht irgendwie selbstverständlich, dass sie sich nun revanchierten? Außerdem hatte Kazuya das starke Bedürfnis nach Antworten. Antworten, die ihm wohl nur dieses Tier-Digimon liefern könnte.

Er wandte sich an Masa: „Wie lange würde es für dich dauern, das Auto zu holen?“

Der ältere Junge sah ihn daraufhin entgeistert an. Er begann den Kopf zu schütteln.

„Oh nein. Nein, nein, nein. Das kannst du vergessen. Hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Du willst doch nicht ernsthaft…",

Kazuya war auf Widerstand gefasst gewesen. Er unterbrach seinen Freund:

„Es hat uns gerade das Leben gerettet. Diese Typen hätten uns fast ausgeweidet, wenn es nicht gewesen wäre. Wir schulden es ihm! Es ist schwer verwundet und es könnte sterben, wenn wir nichts tun.“

Masa sah immer noch fassungslos aus.

„Das weiß ich selbst, danke. Aber um Himmels willen! Wir wurden gerade überfallen und fast umgebracht, wie du es schon angemerkt hast und jetzt willst du dich wieder ins nächste Abenteuer stürzen? Wir wissen nicht was dieses…Digimon mit uns anrichten könnte. Wieso rufen wir nicht einfach die Polizei, Feuerwehr oder die…Kammerjäger, oder was weiß ich an? Sollen die sich doch darum kümmern!“

Kazuya konnte deutlich sehen, wie mitgenommen sein Kumpel von der Geschichte war, doch er würde seine Hilfe brauchen, wenn er Weregarurumon helfen wolle.

Der 18-jährige versuchte es weiter:

„Alter, das hier ist kein entlaufener Dackel. Wir wissen nicht, was die Polizei oder sonst wer mit ihm machen würden, wenn er ihnen in die Hände fällt. Es braucht sofort Hilfe! Das sieht man doch. Wir schulden es ihm Masa.“

Der gab nicht nach und setzte wieder an:

"Ich versteh dich einfach nicht. Mir ist klar, dass es uns gerettet hat, aber vielleicht wollte es diese Kerle auch nur zum Abendessen. Was wenn es uns quasi als Trostpreis nimmt?“

Kazuya schaute seinen Freund an, der sich zwar langsam zu beruhigen schien, aber immer noch erregt wirkte. Anschließend schaute der Student auf Weregarurumons bewusstloses Gesicht. Er dachte an die Blicke, die er mit dem Digimon ausgetauscht hatte.

Es stimmte schon, was Masa sagte. Sie konnten nicht zu hundert Prozent sagen, es würde ihnen nichts tun, aber Kazuya hatte andererseits in dessen Augen geblickt und gespürt, dass es keinen Groll gegen ihn gehegt hatte, es war auch keine Bedrohlichkeit oder Angriffslust in darin zu sehen, nur Schmerz. Schmerz, Neugier und sogar eine Art Erleichterung, soweit sich der junge Mann erinnern konnte. Erleichterung darüber, dass ihnen nichts passiert ist? Kazuya konnte es nicht entziffern, aber tief in seinem Inneren glaubte er fest daran, es würde ihnen nichts tun.

Er sah Masa wieder an und meinte:

„Das wird es nicht. Wenn es eine gefährliche, wilde Bestie wäre, hätte er uns mit Sicherheit alle auf einmal fertig machen können. Glaub mir, ich habe ihm in die Augen gesehen und gewusst, es würde mir und dir nichts tun.“

Kazuya nahm schließlich den muskulösen Arm des Digimons und legte ihn um seine Schultern. Er nahm all seine Kraft zusammen und versuchte es hochzuziehen.

Masa starrte ihn nur mit offenem Mund an.

„Was tust du da?“ Kazuya schloss die Augen vor Anstrengung, während er weiterhin versuchte das schwere Weregarurumon auf die Beine zu hieven.

„Hör mal Masa. Ich weiß, es war meine Schuld, dass diese Typen uns vorhin fast umgebracht hätten. Ich habe Mist gebaut und dir das alles eingebrockt, das ist mir klar und es tut mir wirklich leid. Ich kann nicht von dir erwarten, noch mehr durchzumachen, aber ob du mir jetzt hilfst oder nicht, ich werde dieses Digimon nicht in Stich lassen, ich kann es einfach nicht. Ich weiß, dass du es nicht verstehen kannst, aber ich muss es trotzdem versuchen.“

Kazuya versuchte weiterhin verzweifelt das riesige Digimon zu schultern, doch es war einfach zu schwer. Schließlich spürte er eine Hand auf seine Schulter und drehte sich um. Es war Masa, der ihn mit einem schiefen Grinsen ansah und nun deutlich ruhiger wirkte, als vorhin.

„Lass gut sein. Ich hol den Wagen her. Gib mir 5 Minuten und pass solange auf den Bettvorleger hier auf.“

Kazuya blickte seinen Kumpel an.

„Masa, ich…“, doch der unterbrach seinen Freund.

„Du hast verdammt nochmal recht. Das war eine echt blöde Aktion von dir. Wir wurden fast umgebracht, nur weil du dich plötzlich für Steven Seagal gehalten hast, du Vollidiot. Na, was solls…viel schlimmer kann der Abend ja wohl nicht mehr werden, oder? Dann helfe ich dir mal wieder aus der Patsche….“ und mit diesen Worten machte der ältere sich auf den Weg zum nahegelegenen Parkplatz.

Wenige Meter weiter drehte er sich aber nochmal zu Kazuya um und rief ihm zu:

„Aber hey, eins sag ich dir: Ich hab übermorgen ein Date und wenn ich wegen dir da nicht lebend auftauchen sollte, bringe ich dich um! Verlass dich drauf!“

Der 18-jährige, der Weregarurumon mittlerweile wieder abgelegt hatte, schaute zu seinem Freund rüber und grinste.

„Alles klar, Kumpel.“
 

Anmerkung:

Für die Ahnungslosen xD: Steven Seagal ist ein Action"Schauspieler" aus den USA der viele Jahre in Japan gelebt und dort Aikido und andere asiatische Kampfsportarten trainiert hat. Von ihm stammen Filme wie "Alarmstufe: Rot", "Nico", "Hard to Kill", "Exit Wounds" sowie zahlreicher Videothekentrash, der im Jahresryhtmus erscheint ;).

Der Theme-Song dieser Episode ist: "Stitches" by Allele:

Allele

Unerwartete Hilfe

Weregarurumon öffnete die Augen. Er hatte eine verschwommene Sicht, spürte aber zumindest, wie das Gefühl in seine Gelenke zurückkehrte. Mit ihnen aber auch der Schmerz in seinem Bein.

Das Wolfs-Digimon fühlte sich schwach, matschig, hilflos. Ein Zustand der ihm fremd war und dennoch: Er war am Leben, entgegen seinen Erwartungen. Dinohumon hatte ihn nicht bekommen, soviel stand schon mal fest, obwohl es ansonsten ganze Arbeit geleistet hatte, wie Weregarurumon zugeben musste. Sein alter Feind hatte nicht zugeschlagen, ohne sich vorher rückzuversichern.

Spätestens als er ohnmächtig wurde, wusste Weregarurumon, was Dinohumon mit dem Axtwurf beabsichtigt hatte. Er hatte ihn bereits einmal so vorgehen sehen.

Die zwei waren damals auf der Jagd nach einem Devidramon gewesen, welches sich in eine der unteren Schichten der Digiwelt aufhalten sollte. Dinohumon hatte seine Waffe mit einem speziellen Gift präpariert hatte, welches aus dem Inhalt der Pfeile eines Demidevimon und den Extrakten eines Flymon gemischt wurde. Als sie schließlich das gewaltige Drachendigimon entdeckt hatten, mussten sie nicht mehr viel machen, als dafür zu sorgen, dass Dinohumons Axt ins Ziel traf und sich dann erstmal für eine Weile zurückzuziehen.

Das Gift war zwar nicht tödlich und wirkte je nach Größe und Stärkegrad des Digimons unterschiedlich lang, doch wenn es einmal seine Wirkung entfaltet hatte, konnte es für mehrere Stunden selbst den stärksten Gegner lähmen und aus diesem leichte Beute machen. Anschließend musste man lediglich die Knochen einsammeln. So hatte es Dinohumon mit Devidramon gemacht und es war wohl auch das, was er bei Weregarurumon beabsichtigt hatte, für den Fall dass er ihn nicht gleich töten könne. Das Wolfs-Digimon wusste nicht, wie lange es bewusstlos gewesen war, doch er hielt es für ein Wunder, noch am Leben zu sein.

Er versuchte instinktiv seine Beine zu bewegen. Er konnte diese zwar fühlen, schaffte es aber nur sie um ein paar Zentimeter zu rühren. Das gleiche mit seinen Armen. Weregarurumon konnte fühlen, dass er irgendwo gegengelehnt war.

Befand er sich immer noch in jener finsteren Gasse?

Es schloss die Augen und versuchte sich an das letzte zu erinnern, was er wusste.

Da waren diese Menschen….Wie viele nochmal? 3 oder 4? Es waren 4!

Die Bilder in seinem Kopf wurden allmählich klarer: Zwei von ihnen hatten Waffen gezogen und die beiden anderen angegriffen. Es sah wie ein Streit aus. Dann hat einer von ihnen versucht sich zu wehren, wurde aber schnell überwältigt. Der andere hatte ein Messer in der Hand und wollte zustechen. Weregarurumon hatte das alles aus der Deckung herausbeobachtet und auch wenn er die Menschen nicht kannte und er nicht wusste worum es ging, hatte er die Bedrohlichkeit der Situation gespürt, dafür hatte er ein Auge. Er hatte gespürt, dass zwei der Menschen in großer Gefahr waren und er hat eingegriffen.

Aber warum eigentlich? Wieso hatte er sich nur in eine fremde Angelegenheit eingemischt? Wäre es nicht das klügste in jenem Moment gewesen, so schnell wie möglich zu verschwinden, aus Dinohumons Reichweite zu kommen. Was gingen ihn die Belange der Menschen an? Er war nie ein Held gewesen, wieso auch? Er kam aus einer Welt, in der die wichtigste Regel lautete, jeder für sich. Sieh zu, dass du selbst am Leben bleibst. Warum hatte er diesen Kodex, nach welchem er seine ganze Existenz über gelebt hatte, ausgerechnet für zwei Menschen aufgegeben?

Es war schwachsinnig…und dennoch: Die Frigimon wurden damals von seinem alten Partner niedergemetzelt, selbst die kleinsten, die sich nicht mal wehren konnten. Weregarurumon hat nichts dagegen unternommen, er konnte nichts dagegen unternehmen. Doch es verging nicht ein Tag seitdem, an welchem das Perfect-Level-Digimon nicht an das Bild von Dinohumon, wie es mit seiner Axt über eines der hilflosen Geschöpfe thronte und erbarmungslos zuschlug, denken musste.

Es hatte seitdem selber zahlreiche Digimon brutal getötet und deren Daten geladen und sich eingeredet, kein Mitgefühl zu kennen, da dieses Schwäche bedeuten würde. Für ihn zählte nur stärker zu werden. Doch es konnte dieses Bild trotz allem nicht aus seinem Gedächtnis löschen. Als er dann sah, wie diese zwei Menschen in Lebensgefahr schwebten, kam die Erinnerung in ihm wieder hoch es wurde ihm plötzlich klar, dass diese Welt wohl auch nicht frei von Grausamkeit war. Es war der Teil von ihm, welches den Tod der Frigimon nicht vergessen konnte, der ihn zum Handeln zwang.

Er warf in dem Moment seinen Pragmatismus über Bord und handelte nur noch instinktiv, als er den Menschen zu Hilfe kam.

Es war kinderleicht, die zwei Angreifer zu überwältigen, denn sie schienen weder besondere Kräfte zu haben, noch sehr tapfer zu sein. Doch als Weregarurumon dachte es wäre vorbei, spürte er diesen fremden, entsetzlichen Schmerz in seiner Wade. Es war als ob was glühend heißes sich hineingebrannt hätte und es war wohl auch der Moment, in welcher das Gift begann, seine volle Wirkung zu entfalten. Das Wolfs-Digimon ging zu Boden, es konnte seine Gelenke kaum noch spüren, doch er war bereit bis zum letzten Atemzug zu kämpfen und dies beeindruckte seine zwei Gegner wohl so sehr, dass sie wie Feiglinge davonrannten. Weregarurumon musste zugeben, darüber nicht ganz unglücklich zu sein, denn es hatte sein Limit endgültig erreicht.

Er ging zu Boden und das letzte Bild, welches er im Kopf behielt, war der Blick des Menschen, welcher vor ihm auf den Boden lag. Es war der, der Widerstand gegen die zwei anderen geleistet und daraufhin als erster dran glauben sollte. Weregarurumon hatte dies durchaus imponiert. Es waren wohl nicht alle Menschen solche Feiglinge und Mut war etwas, für das der Werwolf überaus Respekt besaß. Als sich die Blicke von Weregarurumon und die des Menschen trafen, hatte das Tier-Digimon auf einmal etwas seltsames gespürt:

Er sah in die braunen Augen seines Gegenübers und er sah keine Furcht. Eher Verunsicherung und wohl auch eine Art Respekt. Es war als ob er gewusst hätte, was im Inneren des Wolfes vorging und dass er vor ihm keine Angst haben müsste, was ja auch stimmte. Weregarurumon erkannte in diesem Moment, das er aus Beschützerinstinkt heraus gehandelt hatte, obwohl es in seinem Leben nie etwas gegeben hatte, was er als beschützenswert erachtete, außer seinem eigenen Leben.

Als er in das Gesicht des Menschen blickte, spürte er die Erleichterung, dass dieser unversehrt war, obwohl er ihn doch überhaupt nicht kannte und es noch nie mit einem Mensch zu tun hatte.

Im Grunde konnte er es sich nicht wirklich erklären, warum er das getan hatte, aber es war geschehen und er würde damit leben müssen.

Plötzlich hörte Weregarurumon im Hintergrund einige Stimmen. Sein Kopf wurde klarer und er vernahm immer deutlicher ein Gespräch, welches wohl im Hintergrund ablief. Der Werwolf machte seine Augen ein Spaltbreit auf und seine Sicht war dieses Mal ebenfalls um einiges klarer, als vorhin.

Er sah sich um und stellte fest, dass er sich wohl in einer Art Wohnzimmer befand. Es standen einige Möbel um ihn herum und einige künstliche Lichter erhellten den Raum. Weregarurumon lauschte der Unterhaltung die er vernahm:

„Hast du etwas finden können?“, fragte eine Stimme.

„Nein, leider nicht, außer ein paar Aspirin. Aber vielleicht helfen die ihm auch?“, erwiderte die andere.

„Oh ja, natürlich. Misch sie ihm am besten noch mit Wodka. Für eine Migräne würde das sicher reichen.“, meinte die erste Stimmer wieder, mit deutlich sarkastischem Unterton.

Die andere Person antwortete mit schwachem Gelächter:

„Witzbold. Ich habs dir gesagt: Außer Pflaster, Aspirin und Wärmeflaschen, habe ich hier nichts anderes!“

„Schon gut, ist okay. Wir müssen das nehmen, was da ist und wenn es nur Klopapier ist.“, meldete sich wieder die erste Person zu Wort.

Weregarurumon hatte nicht die geringste Ahnung, worum es in dem Gespräch ging. Er wusste ja nicht einmal wo er war. Eins stand wohl fest. Er befand sich immer noch in der Menschenwelt, aber wo genau zum Henker? Hatten ihn die Menschen vielleicht gefangen genommen? Suchten sie nach einem Weg ihn noch weiter zu schwächen, oder endgültig zu beseitigen?

Er hörte auf einmal Schritte näher kommen. Da er sich ohnehin kaum bewegen konnte, würde ein Fluchtversuch wohl wenig bringen. Also beschloss er lieber Ruhe zu bewahren und keinen Muskel zu rühren. Er schloss die Augen und hörte die Stimmen von vorhin, die immer näher kamen.

„Alter, das ist echt nicht cool. Das ist die Insulinspritze meiner Schwester! Was soll ich denn machen, wenn sie das nächste Mal zu Besuch kommt und ihre eigene dann kaputt geht oder so?“.

Die andere Stimme stieß einen Seufzer aus.

„Entspann dich mal. Ich glaube nicht, dass er Tollwut hat, also es wird schon okay sein. Du bist sicher, dass es Morphium ist, ja?“

Die andere Stimme erwiderte im Flüsterton:

„Todsicher. Ich hatte doch mal diese Gliederschmerzen, da habe ich es verschrieben bekommen. Die Spritze habe ich leider längst weggeschmissen. Aber sag du mir lieber: Bist du sicher, dass du das machen willst?“, woraufhin die andere Person antwortete:

„Nein. Du musst es tun.“

Der zweite Typ schien daraufhin ziemlich erregt zu sein.

„Was? Nein, nein, nein. Du spinnst wohl. Ich hab schon genug getan. Ich hab den Chauffeur gespielt und ich hab dir geholfen diesen Klotz in einem Müllbeutel eingewickelt hier hochzuschleppen! Die Kleine von unten hat mich angesehen, wie einen Mafiosi, der eine Leiche entsorgen möchte!“

Der erste Stimme meldete sich wieder zur Wort:

„Bleib auf den Teppich. Ich weiß nicht wie man so eine Nadel setzt. Du hingegen hast es schon ein paar Mal getan. Ich bitte dich Masa. Bitte!“

Als nächstes vernahm Weregarurumon einen tiefen Seufzer. Dann hörte er für zwei Minuten nichts mehr, spürte aber, wie eine Flüssigkeit auf seine Ellebeuge gesprüht und anschließend ein paar Mal auf dieser draufgehauen wurde. Anschließend spürte er dünne Finger, welche den Bereich befühlten. Die Stimme, die sich so geweigert hatte eine Nadel zu setzten, was auch immer das sein sollte, sprach wieder:

„Keine Ahnung, wo dieser Bettvorleger seine Vene hat. Ah, okay, ich glaube ich hab sie gefunden. Dann wollen wir mal…“

Das Tier-Digimon hielt immer noch seine Augen geschlossen und versuchte zu entschlüsseln, was die zwei Gestalten eigentlich vorhatten, als er plötzlich ein feines, aber tiefes Stechen in seinem Arm spürte. Überrascht und erschrocken zugleich, zog Weregarurumon seinen Arm weg und griff nach etwas, was sich wie ein Handgelenk anfühlte. Er öffnete seine Augen und sah die erschrockenen Gesichter, der zwei Menschen, die er vorhin in der Gasse begegnet ist. Ohne zu überlegen, schnappte sich Weregarurumon den der am nächsten bei ihm stand und zog ihn zu sich rüber, ehe er ihm seinen Unterarm gegen den Kehlkopf drückte und gleichzeitig dessen Hand weiter festhielt.

Der Gesichtsausdruck des Menschen war mit Panik erfüllt, während er vergeblich versuchte, sich von dem Würgegriff zu befreien und zu röcheln begann, doch das Digimon ließ nicht locker. Er schaute den anderen Menschen mit bedrohlichem Gesichtsausdruck an und stieß einen knurrenden Laut aus.

Er erkannte ihn jedoch wieder: Es war der Mensch mit den braunen Augen gewesen, der sich gegen die zwei Angreifer aus der Gasse gewehrt hatte und dessen Gesicht Weregarurumon als letztes sah. Der Mensch wirkte zwar ebenfalls sehr erschrocken, wich aber nicht zurück, sondern hob beschwichtigend die Hände und sprach zu dem Wolfsdigimon:

„Nein, nein, es ist alles in Ordnung. Bitte beruhige dich, wir wollen dir nichts tun. Er hat dir nur helfen wollen. Lass ihn los, bitte!“.

Weregarurumons Adrenalinspiegel sank wieder etwas. Er schaute auf den Menschen herab, den er in seinen Armen festhielt. Dieser hatte die Augen verschlossen und keuchte im wehleidigen Ton vor sich hin:

„Bitte, bitte. Tu mir nichts! Braver Wulffi. Brav. Werwölfe sind die besten. Wirklich! Scheiß auf Edward. Jacob ist der beste, echt mal!“

Das Wolfs-Digimon verstand kein Wort von dem Gebrabbel, doch je eher er darüber nachdachte, desto eher wurde ihm klar, dass von diesen Menschen wohl keine echte Gefahr ausging.

Langsam zog er wieder seinen Arm zurück und ließ den anderen gehen.

Dieser krabbelte sofort auf allen vieren an der Seite seines Freundes und starrte Weregarurumon mit angsterfülltem Blick an.

Dieses schaute abwechselnd die beiden Menschen an.

Der eine, der versucht hatte ihn zu beruhigen, hielt seine Hände immer noch halb in die Höhe und blickte das Wolfs-Digimon nun mit einem deutlich gefassteren, aber immer noch besorgtem Gesichtsausdruck an.

Es herrschte einige Sekunden, bedrückende Stille im Raum, eher Weregarurumon, nach wie vor mit angriffslustigem Blick das Wort ergriff:

„Wo bin ich?“

Der ruhige antwortete ihm:

„Bei uns zu Hause in Bunkyo, Tokyo. Wir haben dich mit dem Auto hierhergebracht, nachdem du in der Gasse zusammengebrochen bist.“

Das Wolfs-Digimon verstand zwar nicht viel, von dem was der Mensch erzählte, aber das wesentliche bekam er mit. Er schaute sich in dem Zimmer kurz um und fragte:

„Das hier ist immer noch die Welt der Menschen, oder?“

Der Mensch der ihm geantwortet hatte, schien über diese Feststellung überrascht zu sein, doch er nickte langsam und biss sich leicht auf die Unterlippe.

Er fuhr nun seinerseits fort:

„Das klingt jetzt vielleicht nach einer blöden Frage, aber: Du bist ein echtes Digimon, also so richtig echt?“

Nun war Weregarurumon der überraschte, angesichts dieser Frage. Aber er konnte sie dem Menschen nicht verübeln. Es gab wohl nicht viele Digimon an diesem Ort, insofern…

„So ist es. Ich bin Weregarurumon.“, gab es zu Protokoll.

Der Mensch sah kurz zu seinem Freund herüber, der sich zwar zu beruhigen schien, aber trotzdem auf Distanz blieb. Der ruhige mit den Braunen setzte für einen kurzen Moment ein Lächeln auf, was das Digimon sehr überraschte.

Schließlich fuhr der Mensch mit leiser Stimme fort:

„Das ist so abgefahren. Das wird uns kein Mensch glauben.“

Er sah wieder zu Weregarurumon rüber, der seine aggressive Mimik gegen eine perplexe ausgetauscht hatte.

Der Mensch sah nun plötzlich etwas verlegen drein und fügte hinzu:

„Ach ja, ich bin übrigens Kazuya. Kazuya Saito. Und das hier ist Masa. Masa Ito.“

Der Mensch namens Kazuya deutete auf seinen Freund, dessen Gesichtsausdruck nun Empörung zeigte.

„Oh Mann, jetzt verrat ihm doch nicht wie ich heiße!“, zischte er los.

Masa ließ ein leichtes Glucksen hören.

"Kannst du nicht mal cool bleiben? Er weiß doch sowieso wo du wohnst. Dein Facebook-Profil wird ihn wohl kaum interessieren.“

Weregarurumon kapierte nach wie vor kein Wort, aber der Weise nach zu urteilen, wie diese Menschen sprachen, dürften sie wirklich nicht als Bedrohung gelten, so sein Eindruck.

Er versuchte sich ein wenig aufzurichten, doch seine Gliedmaßen waren weiterhin viel zu schwach und der Schmerz in seinem Bein immer noch da.

Plötzlich fiel dem Tier-Digimon wieder die Nadel ein, mit der sie auf ihn eingestochen haben. Er schaute auf das kleine Objekt, welches direkt neben ihm auf den Holzfußboden lag. War das nicht genau die Waffe, mit der die Picodevimon ihre Gegner angriffen?

Weregarurumon nahm den Gegenstand in die Hand und setzte wieder einen angriffslustigen Gesichtsausdruck auf.

„Was ist das für ein Ding? Was wolltet ihr beiden mit mir machen?!“

Kazuya wirkte wieder besorgt. „Ach, das hab ich komplett vergessen! Entschuldige bitte. Das ist eine Morphium-Spritze. Sie hilft gegen die Schmerzen. Wir dachten es könnte dir helfen.“

Weregarurumon blieb misstrauisch. Vielleicht war er was sein Urteil über diese Menschen anging, etwas zu voreilig gewesen.

Er versuchte nun wieder aufzustehen.

„Ich brauche eure Hilfe nicht. Ich komme sehr gut allein…Ahh“, stöhnte Weregarurumon vor Schmerzen.

Er sank wieder zu Boden und hielt sich sein verwundetes Bein. Kazuya näherte sich ihm vorsichtig und sprach wieder:

„Du bist verletzt. Das kann doch jeder sehen. Setzt dich lieber wieder hin. Leider haben wir nichts Besseres außer der Spritze gefunden, mit dem wir dir helfen könnten. Aber es wär doch viel besser, wenn du zunächst hier bleibst. Hier bist du wenigstens sicher.“

Der Wolf sah dem Menschen wieder in die Augen und war erstaunt über die Fürsorge, die sich darin wiederfand. Er entspannte sich etwas und setzte sich hin.

Es war eine unglaublich frustrierende Situation für ihn. Er konnte sich kaum bewegen und sein Wohlbefinden schien allem Anschein nach, wirklich in den Händen dieser zwei Menschen zu liegen.

Er seufzte und wandte sich an Kazuya:

„Wieso willst du mir überhaupt helfen? Du kennst mich doch gar nicht.“

Kazuya schien auf diese Frage gefasst zu sein. Er lächelte nun wieder und erwiderte die Frage:

„Tja, keine Ahnung. Ich schätze mal aus denselben Grund, aus dem du uns beiden geholfen hast?“.

Weregarurumon blickte in das Gesicht des Jungen.

Er wusste nicht viel von diesen Dingen, aber irgendwie strahlte dieser Kazuya etwas sehr gewinnendes, vertrauensvolles aus. Der Werwolf hoffte in seinem Inneren bloß, dass er es auch nicht bereuen würde, diesen Menschen zu vertrauen. Es schien im Moment jedenfalls so zu sein, dass er gar keine andere Wahl hätte.
 

Anmerkung:

Nur damit es keine Unklarheiten gibt: Picodevimon ist der japanische Name für Demidevimon, den die meisten wohl noch von seiner Rolle als fieser kleiner Lakai von Vamdemon/Myotismon aus Adventure kennen dürften.

Flymon dagegen sind Digimon auf dem Adult-Level, die eine Bienengestalt haben und soweit ich weiß, auf jeden Fall in Adventure und Savers vorkommen.

Kurz zur Insulinsprizte: Diese wird bei Menschen mit der Zuckerkrankheit,besser bekannt als Diabetes verwendet.

Und was die Namen angeht, die Masa in seiner Panik ausspricht, als Weregarurumon ihn im Würgegriff hat: Ich denke mal, ob gewollt oder nicht, den meisten dürften diese ebenfalls ein Begriff sein ;)
 

So, Ladies and Gentlemen und der Episodentheme des Tages lautet: "Running out of Pain" von 12 Stones:

Stones

Vertrauen und Verhängnis

Kazuya war dabei die Verletzung von Weregarurumon mit dicklagigem Toilettenpapier abzubinden, in der Hoffnung dies würde wenigstens ein bisschen helfen. Nur mit Mühe hatten er und Masa das Digimon davon überzeugen können, die Wunde mit etwas Desinfektionsmittel zu behandeln, was wohl wie die Hölle gebrannt haben muss, wenn sich Kazuya den Gesichtsausdruck des Wolf-Digimons ins Gedächtnis rief.

Der Junge war sowieso darüber erleichtert, dass die erste Kontaktaufnahme zwischen ihnen, so dermaßen reibungslos abgelaufen war, abgesehen natürlich von dem Überraschungsangriff auf Masa.

Der arme Kerl, dachte Kazuya. Das ganze schien ihm ziemlich mitzunehmen, obwohl er sich recht wacker hielt und bislang auch super mitgeholfen hatte. Der 18-jährige war heilfroh, dass sie sich im Vorfeld dazu entschieden hatten, mit dem Auto zu der Diskothek zu fahren, da es von Bunkyo bis Shibuya, doch eine ganz schöne Ecke war. Auf die Weise hätten sie nur eine Taxifahrt bezahlen müssen und Masa hätte nach ausgestandenem Kater, am nächsten Tag in aller Ruhe sein Auto holen können.

Es erwies sich zwar als ziemlich schwierig, Weregarurumon zu transportieren, passte es doch aufgrund seiner Größe kaum auf Rückbank, aber Kazuya wollte es sich gar nicht ausmalen, wie hilflos sie ohne fahrbarem Untersatz überhaupt gewesen wären. Was für ein Abend, dachte der junge Mann, während er die Verletzung weiterhin mit Klopapier versorgte.

Er hatte die volle Palette an Emotionen erlebt, von Langeweile, über Frohsinn, hin zu Enttäuschung bis zu Todesangst. Dazu hatte er die Bekanntschaft eines realen Digimons gemacht, was für ihn ohnehin alles andere in den Schatten stellte. Die letzten Minuten im Wohnzimmer hatten er und Weregarurumon zwar ziemlich schweigsam verbracht, doch Kazuyas Kopf explodierte förmlich vor Fragen, die er dem Digimon stellen wollte.

Er wusste zwar, ihm ging es als einziger so, da Masa wohl in erster Linie immer noch geschockt und verängstigt war, doch er war sich dafür ziemlich sicher, dass Weregarurumon wirklich ungefährlich war und ihnen mittlerweile auch vertraute. Was aber wohl in erster Linie daran lag, dass es keine große Wahl hatte, wie Kazuya zugeben musste.

Er war schließlich fertig mit Binden und lächelte zufrieden. Das Digimon erwiderte das Lächeln aber nicht, sondern sah mit einer Mischung aus Argwohn und Besorgtheit drein. Der 18-jährige schaute etwas betreten zu Boden.

Er wollte das Eis brechen, aber wie stellte er das nur an? Fast fühlte er sich wie vorhin als er mit Tori in der Lounge saß. Nur mit dem Unterschied, dass diese um einiges gesprächiger gewesen war.

„Also, wie ist das eigentlich passiert?“, fragte Kazuya und deutete auf die Wunde.

Weregarurumon schnaubte leicht, ehe er antwortete:

„Sagen wir es mal so: Ich habe jemanden vertraut, der es nicht verdient hatte.“

Kazuya, überrascht über jene Antwort, dachte nach ob er an der Stelle weiterhaken sollte, oder ob es nicht zu taktlos wäre, da kam schließlich Masa wieder ins Wohnzimmer. Er setzte sich neben seinem Kumpel hin und trank einen Schluck aus einer Mineralwasserflasche, ohne jedoch seine Augen von Weregarurumon zu lösen. Er wirkte wieder um einiges entspannter als vorhin.

„Also, ich hab im Internet nachgesehen und es sieht eher schlecht aus. Die einzige Notfallapotheke in der Nähe, die um diese Zeit noch geöffnet hat, liegt 10 Blocks von hier entfernt. Ich glaube dafür haben die aber auch das was wir brauchen in ihrem Sortiment“, berichtete der Student.

Weregarurumon sah ihn nicht an, sondern schaute in Richtung Verandafenster.

Es war nach wie vor eine sternklare Nacht und der Vollmond strahlte auf sie herab.

Masa machte eine zögerliche Bewegung in Richtung des Digimons.

„Ähm“, machte er und hielt ihm die Wasserflasche entgegen.

Der Werwolf richtete sein vernarbtes Gesicht drauf, zögerte seinerseits einen Augenblick, nahm die Flasche aber doch noch entgegen.

Masa ließ diese sofort los und zog seine Hand, wie nach einem Spinnenbiss gleich wieder zurück. Kazuya konnte in dem Moment nicht anders als zu grinsen, während sein Freund den Fußboden studierte.

Weregarurumon zog beide Augenbrauen hoch, nahm dann aber einen Schluck zu sich und stellte die Flasche auf den Boden.

„Tut mir Leid, wegen vorhin. Ich wollte dich nicht erschrecken.“, sagte er leise und richtete sich dabei an Masa. Der hob seinen Blick ein Stück und sah Weregarurumon in die Augen, ehe er was davon nuschelte, es sei halb so wild.

Na also, dachte Kazuya, wenigstens ist an der Stelle das Eis gebrochen. Er beschloss wieder das Thema der Verletzung anzusprechen:

„Also, erzähl doch mal. Wie ist das passiert? Wer hat dir das angetan?“

Weregarurumon sah den Jungen erst ziemlich perplex an, verschränkte dann aber die Arme und sah wieder zum Fenster. Es schien als ob ihm das Thema unangenehm wäre. Er machte auf Kazuya einen sehr stolzen Eindruck. Ob er sich wohl überhaupt irgendjemanden öffnen konnte?

„Sagt der richtige“, dachte Kazuya innerlich.

Dennoch, mittlerweile interessierte ihn diese Geschichte viel zu sehr, als das er locker lassen könnte. Er wollte erneut was sagen, da kam ihn Weregarurumon aber bereits zuvor:

„Ihr solltet wissen, ich bin nicht das einzige Digimon, das heute Nacht in eure Welt gekommen ist.“

Beide Jungs tauschten fragende Blicke aus und sahen wieder zu Weregarurumon, der immer noch die Arme verschränkt hielt und mittlerweile auf sein verbundenes Bein schaute.

„Sein Name ist Dinohumon. Ich kenne ihn seit langer Zeit, oder dachte es zumindestens.“

Ein Ausdruck der Bitterkeit breite sich über die Gesichtszüge des Wolfsmenschen aus, ehe er fortfuhr:

„Wir sind zusammen durch die Digiwelt gereist, haben uns gegenseitig den Rücken gestärkt und haben gemeinsam gegen unzählige Digimon gekämpft. Alles mit dem Ziel stärker und stärker zu werden.“

Kazuya hörte gebannt zu und als er zu Masa rübersah, stellte er fest, dass dessen Reserviertheit nun ebenfalls zugunsten echter Neugier gewichen war.

„Falls ihr es nicht wissen solltet: Wir Digimon können nur stärker werden, in dem wir andere Digimon besiegen und deren Daten laden. So ist es uns beiden gelungen uns immer weiter zu entwickeln und unsere Kräfte zu steigern. Kein Gegner konnte uns bisher etwas anhaben und so wurden die Herausforderungen für uns immer weniger. Für mich zumindestens. Was Dinohumon anging….der hat seine größte Herausforderung schon längst gefunden.“

Weregarurumon stoppte an der Stelle und machte eine Pause. Kazuya hatte das Gefühl, da käme aber noch was.

„Was für eine Herausforderung soll das sein?“, hakte er vorsichtig nach.

Das Tier-Digimon sah den Jungen wieder in die Augen und machte ein sehr ernstes Gesicht.

Er atmete tief ein und fuhr fort:

„Ganz einfach, mich zu besiegen.“ Kazuya hielt Weregarurumons Blick stand, während sich sein Gesicht allerdings in Sorgenfalten legte.

Masa stand nur mit leicht geöffnetem Mund, regte sich aber ansonsten nicht.

Das Digimon schloss die Augen und senkte den Kopf:

„Klingt doch nach einer absolut todsicheren Logik, oder? Ich bin das vermutlich stärkste Digimon, welches er bislang kannte. Wenn er mich besiegen und meine Daten laden würde, was glaubt ihr, wie stark er vermutlich dann werden würde?“

Kazuya saß nun im Schneidersitz und genehmigte sich selber einen Schluck von der Wasserflasche. „Also hat er dich angegriffen, aber du konntest in die reale Welt fliehen. Und jetzt ist er dir quasi gefolgt um sein Werk zu vollenden.“

Weregarurumon wirkte nun ziemlich verärgert, angesichts der Wortwahl des jungen Mannes.

Kazuya zuckte leicht zusammen und fragte sich ob er etwas Falsches gesagt hatte. Er wollte schon zu einer Entschuldigung ansetzten, doch Weregarurumon sprach weiter:

„Es war eigentlich genau andersrum. Er ist geflohen und ich bin ihm gefolgt. Hätte diese feige Mistkröte mich von Angesicht zu Angesicht herausgefordert, sähe die Sache ganz anders aus. Aber er hat lieber versucht mich im Schlaf zu erwischen. Als ich ihm auf die Schliche gekommen bin, hat er gleich den Schwanz eingezogen und sich in diese Welt abgesetzt. Auch wenn er ziemlich stark und gerissen ist, er ist immer noch ein Level unter mir und ich hätte keine Probleme mit ihm gehabt.“

„Whow“, unterbrach ihm auf einmal Masa im Hintergrund. Er sah etwas verwirrt aus.

„Was soll das heißen? Ein Level unter dir…Ist er…“

Kazuya beantwortete die Frage für ihn:

„Das heißt er ist auf den Adult-Level, während Weregarurumon hier auf den Perfect-Level steht. Hast du etwa schon alles wieder vergessen?“

Masa rollte die Augen nach oben. „Oh Entschuldige bitte, hab ganz vergessen, dass du hier der ultimative Digimon-Geek bist. Außerdem, du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass du gerade nach der letzten Drecksstaffel noch auf den Krempel stehst? Man kann doch….“

„Jedenfalls“, unterbrach Weregarurumon die Diskussion. „Bin ich ihm hierher gefolgt und es hat nicht lange gedauert, bis er mich aufgespürt hat. Ehe ich mich versehen habe, steckte seine Axt in meinem Bein fest und das schlimmste ist, sie war mit einem Gift getränkt, mit welchem er sich bestens auskennt.“

„Was?!“ rief Kazuya erschrocken. „Er hat dich vergiftet? Aber wie…“

„Kein tödliches Gift!“, fuhr das Tier-Digimon fort. „Es lähmt die Muskulatur und führt zu Bewusstlosigkeit. Diese habe ich jedenfalls schon überwunden. Aber ich kann mich immer noch nicht wirklich bewege. Ihr beide hattet wirklich Glück, dass die Wirkung erst eingesetzt ist, nach dem ich diese zwei Typen für euch verscheucht habe.“

Kazuya lächelte den Werwolf erneut an.

„Ja, dafür danke nochmal.“ Weregarurumon erwiderte nichts darauf, sondern starrte erneut aus dem Fenster. Es schien fast, als würde er auf etwas Bestimmtes warten.

Kazuya wollte etwas sagen, doch zu seinem Erstaunen ergriff Masa das Wort:

„Okay, das ist so ziemlich die abgefahrenste, verrückteste und unrealistischste Story die ich in meinem Leben gehört haben, aber ich glaube nach heute Abend kann mich nichts mehr schockieren. Jetzt bleibt nur noch die Frage: Was machen wir jetzt?“

Kazuya sah zu seinem Mitbewohner rüber. Es war auch so ziemlich das was er sich fragte.

Das Ganze war ihm eigentlich viel zu hoch. Nicht nur, dass sie heute Abend fast ermordet wurden, sie sind auch noch einem lebendigen Digimon begegnet und haben erfahren, dass es außer ihrer noch eine andere Welt irgendwo da draußen gibt, in der mehr Digimon leben. So verwirrt er aber auch war, Kazuya war sich seiner Verantwortung bewusst.

Er hatte entschieden, dass sie Weregarurumon heute Abend hierher schaffen und ihm helfen würden. Er konnte jetzt nicht den Schwanz einziehen.

Er sah Weregarurumon an und wiederholte Masas Frage an ihm, wenn auch in abgewandelter Form: „Wie können dir helfen?“

Das Digimon sah den Studenten an. Sein Gesichtsausdruck wirkte ehrlich überrascht.

Er lächelte zwar immer noch nicht und Kazuya fragte sich auch mittlerweile, ob er überhaupt dazu in der Lage war, doch er wirkte wenigstens nicht mehr ganz so verbissen, sondern im Gegenteil um einiges offenherziger und entspannter. Er holte tief Luft, sah auf sein Bein herab und meinte:

„Schwer zu sagen. Soweit ich weiß, hält die Wirkung des Gifts nicht ewig an und dieses wird vom Körper irgendwann abgestoßen, doch nur, wenn die Wunde gut versorgt wird. Dieser Stoff scheint jedenfalls nicht der geeignetste zu sein. Ich brauche etwas, was auf jeden Fall widerstandsfähiger ist.“

Kazuya musste ihm Recht geben. Das Klopapier blätterte sich immer weiter ab und riss auch bereits an mehreren Stellen. Plötzlich stand Masa auf und ergriff das Wort:

„Na, wenn das so ist. Dann sollten wir keine Zeit verschwenden.“

Er ging in sein Zimmer, kam wenige Sekunden später wieder raus, zog seine Jacke an und bewegte sich Richtung Wohnungstür.

Kazuya sah ihm hinterher und rief:

„Was hast du eigentlich vor?“ Der ältere der beiden Jungs grinste seinen Kumpel wieder schelmisch an und meinte nur:

„Naja, die Apotheke wird nicht ewig offen sein. Ich glaube es wäre besser wenn ich mich gleich mal auf den Weg mache und so viel Verbandszeug wie nur möglich holen gehe.“

Der 18-jährige stand auf und ging auf seinen Freund zu.

„Hör mal, das ist zwar echt toll von dir, aber du musst nicht….“

„Na anscheinend doch. Ich meine, diese beiden Mistkerle haben zwar unsere Brieftaschen eingesteckt und damit auch meinen Führerschein, aber im Gegensatz zu dir weiß ich wenigstens wie man Auto fährt. Also, hole ich mal wieder für dich die Kohlen aus dem Feuer, Friendo.“

Kazuya wusste nicht was er sagen sollte. Er wusste nur, wenn er Masa nicht hätte, wäre bereits vieles in seinem Leben falsch gelaufen. Er suchte nach den richtigen Worten, doch sein Kumpel kam ihm zuvor:

„Ich weiß, ich weiß. Masa, du bist mein strahlender Ritter und wenn ich dich nicht hätte, würde ich längst irgendwo in der Gosse liegen. Spar dir Dankeshymnen Alter. Dafür putzt du das Badezimmer dieses Wochenende!“

Kazuya lachte, während Masa sich seine Schlüssel einsteckte und zur Tür hinausging, nicht ohne sich vorher zu seinem Mitbewohner umzudrehen und zu sagen:

„Tu mir nur einen Gefallen und lass ihn nicht von meinen Brownies naschen, während ich weg bin. Gib ihm aber ruhig einen Zug vom Johnny, der auf meiner Kommode liegt. Ist gut gegen die Schmerzen und entfernt ihm vielleicht auch noch den Stock aus dem Arsch.“

Mit diesen Worten machte der 20-jährige die Tür hinter sich zu und ließ Kazuya und das Digimon alleine zurück.

Der junge Mann drehte sich zu Weregarurumon um, der aber prompt wieder aus dem Fenster hinausschaute.

Kazuya schritt auf ihn zu und fragte sich einmal mehr, wie er das Eis brechen könnte. Er hörte plötzlich sehr deutlich seinen Magen knurren, was ihn zum erröten brachte. Er ging schließlich zum Kühlschrank und holte eine große Tiefkühlpizza heraus, ehe er zu Weregarurumon im Wohnzimmer rief:

„Hast du vielleicht Hunger? Ich mach uns mal was okay?“

Der Werwolf schnaubte bloß, sah aber ansonsten nicht zu Kazuya rüber, während der gleich 2 Pizzen in den Backofen schob. Er beschloss sich wieder zu dem Digimon zu setzten, der einen weiteren Schluck von der Wasserflasche nahm.

Es herrschte wieder eisernes Schweigen zwischen den zweien. Kazuya überlegte fieberhaft, worüber man als nächstes sprechen könnte, doch zu seiner Überraschung kam ihm das Wolfs-Digimon zuvor: „Du und dieser Junge. Ihr wohnt zusammen hier?“

Der Student legte seine Hände auf die Knie.

„Ja, so ist es. Wir kennen uns seit der Mittelschule, also schon ein paar Jährchen. Er ist wirklich ein prima Kerl.“

Weregarurumon blickte zwar nicht mehr aus dem Fenster, aber auch nicht Kazuya ins Gesicht, stattdessen starrte er die Wasserflasche an.

In seiner Miene lag etwas Trauriges, Einsames. Er machte den Eindruck, als ob er noch nie besonders viel Umgang mit anderen Leuten gehabt hätte.

„Also, was denkst du denn so über die reale Welt?“

Weregarurumon sah wieder aus dem Fenster.

„Schwer zu sagen. Ich bin auch erst ein paar Stunden hier und du, dieser Junge und diese zwei Typen aus der Gasse, ihr seid die einzigen Menschen, mit denen ich bisher überhaupt Kontakt hatte. Ihr seid auf jeden Fall eine merkwürdige Spezies.“

Kazuya war überrascht über diese Aussage.

„Inwiefern merkwürdig?“

Nun war es wohl das Wolfs-Digimon, welches nach den richtigen Worten suchte.

„Naja, da waren einerseits diese zwei Kerle, die euch töten und ausrauben wollten. Als ich sie gesehen habe, dachte ich zuerst, alle Menschen wären grausam und habgierig. Aber dann nehmt ihr beiden mich mit zu euch nach Hause, gebt mir eine Zuflucht und wollt mich versorgen. Wie soll das einer verstehen?“

Kazuya musste einerseits über diese sehr vereinfachte Ansicht schmunzeln, andererseits traf Weregarurumon damit auch voll ins Schwarze.

„Menschen sind nun mal verschieden. Es gibt welche die sind eher grausam, hinterhältig, egoistisch oder habgierig und solche die wiederrum netter und hilfsbereiter sind. Du bist schon auf dem richtigen Weg mit deiner Aussage. Manche sind so drauf, manche sind anders drauf. Es ist nur manchmal schwer abzuschätzen, wie sie wirklich ticken.“

Weregarurumon richtete seine Aufmerksamkeit nun vollständig auf Kazuya und wirkte sehr interessiert.

Der Junge fand sich im Zugzwang und überlegte, wie er es am besten verdeutlichen könnte.

„Ich meine, denk doch mal an die Digiwelt. Wie ist es denn dort? Wie sind die Digimon so, denen du dort begegnet bist? Haben sie nicht auch unterschiedliche Persönlichkeiten?“

Das Wolfs-Digimon runzelte die Stirn und dachte wohl fieberhaft über die richtige Antwort auf die Frage nach. Schließlich sagte er:

„Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht. Soweit ich zurückdenken kann, habe ich immer nur nach Digimon gesucht die stärker waren als ich um gegen sie zu kämpfen und so stärker zu werden. Das war bisher der einzige Sinn in meinem Leben. Aber richtig kennengelernt, habe ich keins von ihnen.“ Kazuya beschloss riskantes Terrain zu betreten:

„Was ist mit diesem Dinohumon? Ihn kanntest du doch ziemlich gut oder? Ihr wart doch lange zusammen unterwegs oder?“

Wie von dem jungen Mann befürchtet, verdüsterte sich das Gesicht des Tier-Digimons bei dem Thema.

„Ihn habe ich im Grunde auch nie gekannt. Ich dachte ich würd es, aber ich habe mich geirrt. Ich habe es irgendwann für selbstverständlich gehalten, dass er da war. Aber ich glaube ich habe mich nie darum bemüht, herauszufinden, was wirklich in ihm vorging. Ich habe auch nie so ein Gespräch mit ihm geführt, wie jetzt mit dir.“

Kazuya strich sich über die braunen Haare.

Es freute ihn zwar, dass Weregarurumon so offen zu ihm war, aber er empfand es auch als sehr heftigen Tobak, den er da zu hören bekam. Er konnte es sich nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen, was dieses Digimon für ein Leben gehabt haben muss. Ein Leben in dem Tod und Gewalt seit jeher der Mittelpunkt gewesen sein mussten und wo der einzige Freund einen verraten hatte. Der Student fand es schockierend, doch er empfand auch Mitgefühl für das vernarbte und abgekämpfte Wesen, mit welchem er sich da unterhielt. Plötzlich erscheinen ihm seine eigenen Probleme verschwindend klein.

„Aber du hast ihm vertraut, oder?“, fragte er nach.

Weregarurumon sah auf sein Bein.

„Wir haben uns gegenseitig vertraut. Wenn man Seite an Seite kämpft und es mit den stärksten und gefährlichsten die es überhaupt gibt, aufnimmt, bleibt einem auch nichts anderes übrig. Aber, dieses Wort, Vertrauen….“, das Digimon schnaubte verächtlich.

„Welche Bedeutung hat es schon? Ich habe jedenfalls gelernt, dass es nichts wert ist….“

Kazuya war sprachlos. Doch es lag eher daran, dass er sich im Zwiespalt befand. Ein Teil von ihm, wollte Weregarurumons Worten Beifall zollen ihm Recht geben, doch ein anderer Teil, wollte lauthals dagegen protestieren. Der 18-jährige wusste einfach nicht was er denken sollte. Er hatte an diesem Abend genau das Gefühl des Hintergangen Werdens, auf welches sich Weregarurumon bezog, gespürt, als er gesehen hatte, wie Tori sich auf der Tanzfläche von Shin hat befummeln lassen. Tori…. Kazuya hatte sie in all der Aufregung des Abend fast schon wieder vergessen. Der Stress, den er sich wegen ihr gemacht hatte, kam ihm im Vergleich zu den bisherigen Erlebnissen der letzten Stunden, lächerlich unbedeutend vor. Aber er konnte es trotzdem nicht verdrängen. Er war immer noch verletzt und empfand es als Vertrauensbruch ihm gegenüber, wie sie sich später aufgeführt hatte, obwohl er im Grunde genau wusste, dass er keinen Grund hatte, wütend auf sie zu sein, denn schließlich kannten sie sich kaum und es war nicht seine Sache was sie tat und mit wem sie es tat.

Es war sein Stolz und seine Eitelkeit, die gekränkt waren, doch selbst das war nicht gerechtfertigt.

Er dachte daran was Masa später zu ihm gesagt hatte:

„Wenn ihr euch vorhin wirklich gut verstanden habt und du das Gefühl hattest, da wäre was Gutes zwischen euch….glaubst du dann ernsthaft deine Chancen stünden so beschissen?“

Das leuchtete Kazuya durchaus ein. Seine Vorurteile und sein engstirniges Denken lenkten ihn von seinen Gefühlen und seinem Instinkten ab und dienten ihm als Ausrede, schnell aufzugeben und es gar nicht erst zu versuchen. Auch wenn es sich kaum mit Weregarurumons Lage vergleichen ließ, auch er hatte zu viel Angst davor, dass aus Freund Feind würde und derjenige ihm eine Axt ins Bein rammte. Aber was hielt ihm davon ab es überhaupt erst zu versuchen?

Klar…sein Vater hatte ihm z.B. nie das Gefühl gegeben, es würde sich lohnen. Dessen Ansprüche an ihm und Mayuki, die Tatsache, dass er nie mit etwas zufrieden sein konnte und er für das Elend auf der Welt immer die Schuld bei anderen suchen mussten, hatten ihr übriges dafür getan, dass es Kazuya so ging. Doch selbst für dessen ständigen Zorn und mangelndem Einfühlungsvermögen, gab es einen guten Grund. Der Tod von Kazuyas und Mayukis Mutter hatte die Familie schwer getroffen und es ihnen nahezu unmöglich gemacht, dieselbe Verbundenheit und Vertrauensbasis wie früher zu schaffen. Lediglich seine Schwester war immer für ihn da gewesen, aber selbst die ging irgendwann fort und ließ Kazuya mit seinem Vater alleine.

Etwas was er ihr bis zum heutigen Tag, immer übelgenommen hatte, aber auch das war, wenn Kazuya ehrlich darüber nachdachte, eine verständliche Handlung gewesen, für die es gute Gründe gab und auch wenn sie fort war, so wusste der junge Mann, er konnte sich immer auf sie verlassen, ebenso wie auf Masa und sogar auf seinen Vater, der ihn zumindest finanziell sehr geholfen hatte und ihm den Rücken gestärkt hatte, was auch immer dessen Motive gewesen sein mögen.

Während Kazuya über all dies nachdachte, wurde ihm immer klarer, dass Weregarurumon nicht wirklich an das glauben konnte, was er über Vertrauen sagte. Denn es war für den jungen Mann ersichtlich, dass dieses nach außen hin so abgebrüht und streng wirkende Digimon sich in Wirklichkeit nach einer Person sehnte, in die es Vertrauen investieren konnte, denn sonst hätte es sich in erster Linie gar nicht mit so jemandem wie Dinohumon abgegeben.

Kazuya stand auf und sah Wereagarurumon direkt in die Augen. Dieses schaute überrascht zu dem jungen Mann auf, ehe dieser sprach:

„Ich glaube dir nicht. Ich glaube nicht an das was du sagst.“

Das Wolfs-Digimon wirkte ernsthaft überrascht. Kazuya fuhr fort:

„Anderen zu vertrauen und an ihnen glauben zu können ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt. Man kann nicht alles immer alleine regeln und sich nur auf sich selbst verlassen. Man muss bereit sein Hilfe anzunehmen und man muss vor allem bereit sein an das Gute in anderen zu glauben.“

Weregarurumon sah sprachlos zu dem Jungen auf, während dieser weitersprach:

„Was dir passiert ist, war furchtbar. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, aber wenn du dich wegen dieser Geschichte nur noch weiter in deinen Panzer zurückziehst, dann kannst du dich von Dinohumon gleich umbringen lassen. Das Leben ist wertvoll und es besteht aus so viel mehr als nur Kämpfen und Töten, aber das kannst du nur herausfinden, wenn du andere daran teilhaben lässt.“

Das Tier-Digimon machte nun ein betretenes Gesicht und sah auf den Boden.

Er sprach mit leiser Stimme:

„Ich weiß nicht ob ich das kann. Ich habe solange nur dieses eine Leben gelebt. Woher soll ich denn wissen, was es bedeutet sein Leben mit anderen zu teilen, wenn ich nicht einmal selber weiß, was für ein Leben ich führen soll?“

Kazuya setzte sich wieder hin und tat etwas, von dem er nicht wusste, ob er damit zu weit ging oder nicht, aber er wollte es trotzdem versuchen. Er legte seine Hand auf Weregarurumons dunkle Pranke. Der zuckte zwar kurz erschrocken zusammen, ließ es aber ansonsten geschehen.

„Niemand verlangt, dass du dich von heute auf morgen um 180 Grad wenden sollst, aber überleg mal: Du hast mir und Masa vorhin, das Leben gerettet und wir haben dir dann später geholfen. Das ist das Prinzip des Ganzen, wenn du mich fragst. Geben und nehmen. Vertrauen geben und Hilfe annehmen. Auch wenn es solche Typen, wie dieses Dinohumon immer öfter geben wird, du darfst sie nicht als die Regel ansehen. Ich weiß nicht, wie es in der Digiwelt läuft, aber hier zumindest, kannst du nach diesem Prinzip leben, glaub mir.“

Kazuya sah in die gelben Augen des Wolfsmenschen und dieser zeigte zum Erstaunen des 18-jährigen zum ersten Mal so etwas wie ein Lächeln. Ein unsicheres, zaghaftes zwar, aber ein ehrliches, soweit es der Junge beurteilen konnte.

Kazuya erwiderte das Lächeln, stand auf und sagte:

„Okay, nach dieser Philosophiestunde, habe ich ziemlichen Hunger bekommen, du nicht auch? Ich glaube, ich sehe mal nach den Pizzen nach. Masa müsste auch bald zurückkehren.“

Der Student machte sich auf in Richtung Küche, nach wenigen Metern drehte er sich aber noch einmal kurz zu Weregarurumon um und meinte zu ihm:

„Hey, Kopf hoch. Es wird alles gut werden, du wirst schon sehen.“

Das Digimon zeigte ein schiefes Grinsen.

„Danke Kazuya.“

„Keine Ursache.“, erwiderte dieser und ging in Richtung Küche.

Tatsache, die Pizzen waren fertig. Die Zeit ist wirklich wie im Fluge vergangen dachte der Junge. Während er zwei Teller rausholte und die Pizzen darauf ablegte, dachte er an das Gespräch mit Weregarurumon nach. Er hoffte, er konnte das Wolfs-Digimon etwas aufmuntern, war aber schon mal froh, dass er es wenigstens etwas zum Auftauen bringen konnte. Zugleich hatte Kazuya selbst einige wichtige Erkenntnisse dazugewonnen und sah, trotz der Gefühlsachterbahn dieses Abends, der Zukunft um einiges positiver entgegen, als noch vor ein paar Stunden.

Seine Augen waren nun um einiges offener und er nahm sich darum auch vor, Tori anzurufen und sie auszuführen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergeben würde.

Mit den beiden Pizzatellern in der Hand ging er zurück zu Weregarurumon ins Wohnzimmer und stellte eines der Teller vor ihm ab, als auf einmal die Türklingel ertönte.

„Masa? Das ging aber schnell…“, sagte der junge Mann und ging Richtung Wohnungstür.

„Keine Sorge, es sieht zwar vielleicht etwas komisch aus, aber glaub mir es schmeckt sehr lecker. Hau nur rein.“, rief er noch Weregarurumon zu, ehe er die Tür öffnete und in die Dunkelheit des Flurs hinausspähte.

„Hier ist es ja so finster. Wo steckst du eigen….“, doch weiter kam Kazuya nicht, denn er spürte plötzlich zwei gewaltige Hände, die ihn hinauszerrten.

Eine Hand verschloss seinen Mund, die andere umklammerte seine Arme, so dass er sich kein bisschen bewegen konnte.

Zum wiederholten Mal an jenem Abend, rutschte dem Studenten das Herz in die Hose. Es wollte was rufen, doch er konnte keinen Laut von sich geben. Trotz der Dunkelheit im Flur, konnte Kazuya noch sehen, dass die zwei Hände die ihn festhielten jeweils zu sehr muskulösen Armen gehörten, die dazu noch grün und schuppig waren. Obwohl die Panik in dem jungen Mann allmählich stieg, schossen ihm trotzdem hundert Gedanken in den Kopf. War das hier etwa….

„Du bist ganz still, hast du gehört?“, flüsterte ihm eine Stimme ins Ohr.

Der 18-jährige wagte es nicht einmal zu blinzeln.

„Ich werde dir jetzt eine einfache Frage stellen. Wenn du schreist, bringe ich dich um. Wenn du dich bewegst, bringe ich dich um. Wenn ich das Gefühl habe du lügst, bringe ich dich langsam um. Klar soweit? In Ordnung.“

Dinohumon nahm die Hand von Kazuyas Mund und flüsterte ihm ins Ohr:

„Ist er in der Wohnung drinn?“

Der junge Mann zitterte heftig und empfand noch mehr Angst, als bei dem Überfall hinter dem Club. Dennoch, nach allem was Weregarurumon ihm erzählt hatte, war sein Abscheu und seine Wut auf dieses Digimon größer als seine Furcht. Leise antwortete er ihm schließlich:

„Leck mich, Krötenkopf.“

Dinohumon ließ ein leises Glucksen ertönen.

„Jep, er ist da drin. Danke Kleiner. So und jetzt bist du ganz brav.“

Das Drachen-Digimon presste seine Hand wieder auf Kazuyas Mund und schob ihn vor sich her.

Kurz vor der offenen Wohnungstür, holte es seine riesige Axt hervor und hob sie über seinen Kopf, bereit zuzuschlagen. Schließlich trat er mit dem Studenten als Schutzschild in die Wohnung.

Zu Kazuyas Überraschung war diese aber leer. Im Wohnzimmer war niemand, lediglich die nicht angerührte Pizza auf den Fußboden, zeugte davon, es sei jemand da gewesen. Dinohumon schob sich mit dem Jungen immer weiter vor, bis sie schließlich mitten im Wohnzimmer standen.

Kazuya konnte sehen, wie sich sein Geiselnehmer überall umsah, doch von Weregarurumon war keine Spur zu sehen. Hatte es vielleicht was gemerkt und konnte rechtzeitig fliehen?

Plötzlich spürte der junge Mann einen heftigen Stoß in seinem Rücken. Er und Dinohumon fielen gleichzeitig zu Boden. Kazuya drehte sich blitzschnell auf den Rücken. Er sah Weregarurumon wie er schwer atmend aber mit fest entschlossenem Gesicht seinen ehemaligen Partner ansah.

Der war sofort auf den Beinen und nahm die Axt in den Händen. Gleichzeitig packte er wieder Kazuya und hielt ihn als Schutzschild vor sich. Das Wolfs-Digimon zuckte kurz zusammen, fasste sich aber schnell wieder und mühte sich so grimmig wie möglich zu kucken.

Dinohumon ließ ein Kichern hören.

„Soso, interessant. Du hast also ein Paar neue Freunde gefunden. Nun, das freut mich natürlich für dich. Aber ich bin schon etwas enttäuscht nicht auf der Party eingeladen worden zu sein.“

Weregarurumon blieb auf seinen Gegner fixiert.

„Wie hast du mich gefunden?“, fragte es mit aggressiver Stimme.

Dinohumon ließ daraufhin zwei Brieftaschen auf den Boden fallen, die Kazuya sofort erkannte.

Er schluckte. Das Leben hatte wirklich einen seltsamen Sinn für Humor, dachte der junge Mann verängstigt.

„Diese zwei armseligen Menschen sind mir praktisch in die Arme gelaufen. Sie sahen so verstört aus, als ob sie etwas aus einer anderen Welt begegnet wären, oder jemanden. Ich musste dann lediglich eins und eins zusammenrechnen. Sie zu befragen hat auch nicht lange gedauert. Sie zu töten noch weniger. Es ist schon erstaunlich nicht? Diese Menschen sind so einfach zu zerbrechen wie Streichhölzer.“

Das Drachen-Digimon ließ daraufhin ein perverses Lachen ertönen, ehe es fortfuhr: „Du weißt wie gründlich ich bin. Praktischerweise gibt es in dieser Welt, solche lustigen, gelben Bücher, in denen sich die Namen und Adressen dieser Zweibeiner schön übersichtlich finden lassen. Es war ein Kinderspiel. Diese zwei Menschen waren so freundlich mir zu erklären wie das System funktionierte, ich musste ihnen dazu lediglich ein Paar Finger brechen.“

Kazuya schloss die Augen. Masa war tatsächlich im Telefonbuch eingetragen. Dinohumon sah kurz den 18-jährigen an, sowie anschließend Weregarurumon. Dieses stand immer noch da und richtete seinen Blick auf seinen alten Weggefährten.

„Na sowas. Du machst ja gar nichts? Bist doch sonst nicht der zögerliche Typ. Sag bloß du hast Skrupel wegen dem hier?“, sprach Dinohumon und deute verachtungsvoll auf Kazuya.

„Oder fühlst du dich gerade etwas….eingerostet?“

Dem Jungen fiel in einer Schreckenssekunde wieder das ein, was Weregarurumon ihm über das Lähmungsgift erzählt hatte. Konnte es sich überhaupt richtig bewegen? Geschweige denn kämpfen? So hatte es doch überhaupt keine Chance gegen Dinohumon!

Dieses sprach mit belustigter Stimme weiter:

„Wie geht es eigentlich deinem Bein?“

Weregarurumon zeigte ein schiefes Grinsen und antwortete:

„Gar nicht mal übel. Es freut sich schon darauf dir in den Hintern zu treten. Also lass diesen Jungen los und bring es zu Ende, Echsenmann.“

Dinohumon zerrte nun ein wenig an Kazuyas Shirt. Der zuckte zusammen und wagte es nicht einen einzigen Muskel zu rühren.

Das Drachendigimon fuhr fort:

„Hm, mir kommt da gerade eine blendende Idee. Ich habe stark das Gefühl du hast in den letzten paar Stunden, oh Wunder, tatsächlich so etwas wie Sympathie für diese Menschlein entwickelt, oder liege ich total falsch? Auf jeden Fall, wäre es doch lustig zu sehen wie du reagierst, wenn ich dem Wicht hier einen Kopf kürzer mache, während du zusehen musst, oder? Das klingt doch nach einer Menge Spaß.“

Kazuya versuchte Blickkontakt mit Weregarurumon aufzunehmen, doch der fixierte sich lediglich auf Dinohumon. Schließlich sprach wieder das Wolfs-Digimon:

„Bist du endlich fertig mit dem Gequatsche, oder wollen wir noch bis morgen Abend hier rumstehen?“ Das Drachen-Digimon schnalzte mit der Zunge und wandte sich nun wieder an Kazuya:

„Okay Zwerg, du hast erstmal Sendepause. Aber keine Sorge, um dich kümmere ich mich noch früh genug“, und mit diesen Worten stieß er Kazuya mit voller Wucht durch dessen offene Schlafzimmertür, auf der anderen Seite des Raumes.

Der Student fiel hart auf den Boden, sah aber noch wie Dinohumon den Knauf in die Hand nahm und dabei Weregarurumon musterte.

„Alles klar, jetzt können die zwei Papis in Ruhe ihre Differenzen klären. Bist du bereit, alter Freund?“ Weregarurumon humpelte auf seinen Feind zu.

„Ich bin hier. Lass uns tanzen.“, erwiderte es.

Dinohumon schlug daraufhin die Tür zu und riss die Klinke mit voller Kraft ab, so dass sie auf beiden Seiten des Zimmers kaputt ging. Kazuya war eingesperrt.
 

Anmerkung:

Bunkyo ist ein Stadtteil der Präfektur Tokyo, in welchem sich auch die Tokyo Daigaku (Universität von Tokyo) befindet.

Und ich präsentiere ich euch natürlich den Theme Song dieser Episode: "Blurry" by Puddle of Mudd:

Puddle

Die Party beginnt

Weregarurumon humpelte auf seinen Gegner zu, zögerte aber nicht lange, als dieser nah genug war. Sofort verpasste er ihm einen Schwinger und setzte, so gut es ihm seine geschwächten Muskeln erlaubte, mit weiteren Schlägen nach.

Dinohumon, im ersten Moment überrascht, blockte diese so gut er konnte ab und versuchte sofort das verletzte Bein seines Feindes mit einem heftigen Tritt zu erwischen.

Weregarurumon war darauf allerdings gefasst und zog es zur Seite, während er gleichzeitig versuchte, so gut er konnte seinen Stand aufrechtzuerhalten. Er warf sich mit seinem Körpergewicht auf seinen Gegner und drückte ihn gegen ein Regal, doch Dinohumon schaffte es eines der Arme des Wolfs-Digimons zu hebeln und dieses an seiner statt, gegen das Möbelstück zu befördern, welches sogleich in sich zusammenkrachte.

Holz- und Glasstücke regneten auf Weregarurumon herab, der versuchte sich aus dem Griff seines Feindes zu befreien, doch der ließ nicht locker und setzte mit harten Kniestößen gegen die Rippen des Perfect-Level-Digimons nach. Dieses keuchte vor Schmerzen und wurde anschließend im hohen Bogen gegen einen Tisch geschleudert.

Während Dinohumon seinen Griff immer fester zog, nahm Weregarurumon all seine Kraft zusammen und versuchte sich verzweifelt zu befreien. Sein Gegner drückte aber immer heftiger zu, wohl fest mit der Absicht den Arm des Tier-Digimons zu brechen.

Diesem gelang es schließlich, mit seiner freien Hand eine kleine, aber harte Glasschüssel zu ertasten. Er nahm sie in die Hand, drehte sich so gut er nur konnte in Richtung seines Feindes und zerschmetterte das Gefäß auf dessen Schläfe.

Benommen stolperte Dinohumon einige Schritte zurück und Weregarurumon nutzte die Chance.

Er unternahm einen gewaltigen Satz, holte mit seiner Faust aus und beförderte diese in das Gesicht seines Gegners, der rückwärts auf den Boden fiel, sich aber sofort nach hinten abrollte und wieder auf den Füßen stand. Sein Gegner zögerte keine Sekunde und platzierte einen harten Schienbeintritt mit dessen gesunden Bein, in die Rippen seines Gegners, der schmerzerfüllt aufstöhnte. Weregarurumon war entschlossener denn je. Auch wenn das Gift in seinen Adern weiterhin seine Bewegungen einschränkte und er das Gefühl hatte, mit Bleigewichten an seinen Gliedmaßen zu kämpfen, nutzte es jede Öffnung in der Deckung seines Feindes und setzte mit harten Faust- und Ellbogenstößen nach.

Dinohumon versuchte diese weiterhin so gut wie möglich abzuwehren und mit Schlägen seinerseits zu kontern. Weregarurumon zog das Drachen-Digimon zu sich heran, klammerte seine beiden Hände an dessen Hinterkopf und traktierte es nun seinerseits mit scharfen Kniestößen, erste gegen die Rippen, dann gegen die Oberschenkel.

Dinohumon ging zu Boden, aber nur um seinen alten Partner auf die Schultern zu packen und es im hohen Bogen durch die Luft zu werfen. Weregarurumon spürte seine Knochen durch einen Holztisch in der Mitte des Raumes krachen und er lag wieder auf den Boden. Sein Feind war mit einem Satz bei ihm und traktierte ihn mit Fußtritten. Der Wolf zog vorsorglich sein linkes Bein zurück, während es ihm gelang eines der Füße von seinem Gegner mit beiden Händen zu packen und dessen Standbein mit einem Fußfeger zu erwischen, so dass beide auf den Boden lagen. Weregarurumon zögerte aber nicht lange, sondern hob sich schnell wieder hoch, während sein Gegner es ihm gleichtat.

Dieser tackelte ihn in die Rippen und beförderte ihn somit wieder nach unten.

Das Wolfs-Digimon versuchte sich zu befreien, doch nun stand sein ehemaliger Gefährte über ihm und drosch mit Faust- und Ellbogenstößen auf ihn ein. Weregarurumon nahm seine Arme vor das Gesicht und versuchte so gut er nur konnte, sich vor der Schlagsalve zu schützen. Er wartete wie immer den richtigen Zeitpunkt ab und als er da war, schoss sein Oberkörper schließlich in die Höhe und er packte seinen Gegner am Kopf. Im nächsten Moment drückte er ihn zu sich nach unten und schaffte es dessen Oberkörper mit seinen Beinen zu umklammern, während er seine beiden kräftigen Arme nutzte um das Drachen-Digimon zu würgen.

Dieses röchelte ein paar Mal und versuchte sich irgendwie zu befreien, doch Weregarurumon gab nicht auf. Er wollte das hier so schnell wie möglich beenden und drückte so fest er konnte, den Kehlkopf seines Feindes zu. Plötzlich fühlte das Tier-Digimon einen stechenden Schmerz in seiner linken Wade.

Es war wie vorhin auf dem Dach: Dinohumon gelang es scheinbar einen spitzen Gegenstand in die Finger zu bekommen und setzte dieses nun gegen ihn ein. Der Wolf biss die Zähne vor Schmerzen zusammen, als er sah, wie das Drachen-Digimon einen Kugelschreiber in dessen Verletzung hineinrammte. Weregarurumon blieb nichts anderes übrig, als sein Beingriff zu lösen, doch er würde den Teufel tun und den Griff um Dinohumons Kehle lockern.

Der schaffte es jedenfalls langsam wieder auf die Beine zu kommen, versucht dabei aber verzweifelt seinen Gegner abzuschütteln, der seinen Würgegriff aber nicht lösen wollte. Das Adult-Level-Digimon begann darum seine Ellbogen in die Rippen seines Gegners zu rammen. Er widerholte das so lange, bis er einen festen Stand hatte. Schließlich gelang es ihm einen Ellbogen in die Leiste von Weregarurumon zu platzieren, was diesen schmerzvoll aufstöhnen ließ. Dinohumon griff die Arme seines Feindes, richtete sich zu voller Größe auf und riss das Tier-Digimon, welches ihn immer noch im Würgegriff hatte, mit so einer Wucht nach unten, dass Weregarurumon einen unfreiwilligen Salto in der Luft machte und mit dem Rücken voran auf den harten Holzfußboden landete. Dinohumon war frei. Er griff sich an die Kehle und hustete ein paar Mal, während Weregarurumon zusah, dass er wieder auf die Beine kam, doch es war zu langsam:

Sein Gegner versetzte ihm einen knallharten Tritt in die Rippen gefolgt von einem Kniestoß aus dem Stand heraus, welcher das Wolfsdigimon genau am Kiefer erwischte und es einige Schritte rückwärts torkeln ließ. Dinohumon war jedoch längst nicht fertig. Es setzte wieder sein fieses Grinsen auf, ehe es einen herumstehenden Holzstuhl in die Hand nahm und diesen mit einer Hand gegen Weregarurumons Rücken schwang.

Das Möbelstück zerbrach in seine Einzelteile und das Tier-Digimon sank auf die Knie. Allerdings war sein Gegner immer noch nicht fertig mit ihm, denn er packte den Kopf des Perfect-Level-Digimons und schmetterte ihn mit voller Wucht gegen die nächstgelegene Wand.

Weregarurumon wurde schwindlig und er kämpfte gegen die auftretende Benommenheit an, doch sein Feind war gnadenlos. Dieser platzierte als nächstes einen perfekt sitzenden Fußtritt gegen den Kopf seines ehemaligen Waffenbruders, ehe er ihn an den Armen packte und mit all seiner Kraft durch den Raum schleuderte. Weregarurumons Flug nahm sein Ende an der Küchenwand, in die er glatt hineinkrachte. Putz und Beton rieselten auf das Tier-Digimon hinab, während es versuchte sein Gleichgewichtsgefühl wieder zu finden und schnellstmöglich auf die Beine zu kommen.

Dinohumon stapfte aber bereits mit schweren Schritten auf seinen Gegner zu.

Seinem selbstzufriedenem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er das ganze wirklich zu genießen, dachte Weregarurumon bitter. Er zog sich an dem Küchenschrank wieder hoch, doch da stand schon Dinohumon bei ihm und packte ihn mit einer Hand am Kopf, bereit wieder zuzuschlagen. Weregarurumon reagierte blitzschnell: Er zog die Schranktür mit voller Wucht auf, so dass diese genau gegen das Gesicht seines Feindes knallte. Der stolperte leicht benommen nach hinten und das Perfect-Level-Digimon setzte mit einem geraden Fußtritt mit dem rechten Bein nach, so dass sein Feind einige Meter zurückgeschleudert wurde. Anschließend blickte sich der Wolf schnell in der Küche um und fand schließlich ein großes Stück Holz in welchem mehrere, scharfkantige Messer steckten. Ohne zu Zögern griff Weregarurumon nach eines davon, zog es heraus und warf dieses auf seinen Gegner. Der sah jedoch die Gefahr rechtzeitig kommen und lehnte sich zur Seite, so dass die Klinge in einem Holzschränkchen stecken blieb.

Dinohumon grinste seinen Gegner nun an und zog das Schnittwerkzeug wieder heraus. Weregarurumon tat es ihm gleich und nahm ein weiteres Messer aus dem Holzklotz in die Hand.

Er und sein Gegner, jeweils eines der großen Küchenmesser in der Hand, umzingelten sich nun gegenseitig, bereit zuzustechen. Das Wolfs-Digimon humpelte mehr als das es ging und kämpfte zugleich weiterhin gegen die neu entstandenen Schmerzen in seinem linken Bein, den weiterhin lähmenden Effekt in seinen Gliedmaßen, sowie der Benommenheit durch Dinohumons brutalen Angriffen.

Dieses tänzelte regelrecht um seinen Feind herum und leckte sich mit der Zunge über den Mund:

„Du weißt einfach nicht, wann der richtige Zeitpunkt ist aufzuhören, oder? Du tust mir Leid, alter Freund. Sieh dich doch an. Es wäre viel ehrenvoller für dich, wenn du dein Schicksal einfach akzeptieren würdest. Sieh ein, dass du keine Chance hast!“, sprach es mit belustigter Stimmer.

Weregarurumon ließ ein wütendes Knurren ertönen.

„Ach, halt doch endlich dein Maul! Wieso verschwindest du nicht einfach und kehrst nie wieder zurück?“.

Dinohumon sah perplex drein.

„Wie bitte? Ich soll verschwinden? Ich dachte du wolltest mich fertig machen? Du würdest nicht eher ruhen, bis du mich auseinandergenommen hast? Was ist nur aus dir geworden? Der, der doch sonst immer so gründlich ist und die Dinge immer zu Ende bringt?“

Weregarurumon erwiderte nichts, sondern wartete auf die unmittelbar folgende Attacke seines Feindes.

Dieser redete weiter:

„Oder ist es etwa….nein, das kann doch gar nicht sein. Das muss ein Witz sein!“

Dinohumon wirkte nun sehr belustigt.

„Ist es etwa wegen diesen Menschenwürmern? Erzähl mir nicht, du machst dir Sorgen wegen denen? Du, der sich nie um etwas anderes als dich selbst geschert hast?“

Das Drachen-Digimon ließ ein kurzes, falsches Lachen ertönen.

„Haben sie sich gut um dich gekümmert, ja? Haben sie dich schön aufgepäppelt? Dich gefüttert und gestreichelt wie ein liebes Haustier? Gott, wie armselig….“

Weregarurumon wurde nun wütend.

„Du weißt nichts von ihnen. Du weißt doch gar nicht was es bedeutet, sich um jemanden zu kümmern, für jemanden da zu sein und vor allem jemanden zu vertrauen! Ich habe dir vertraut!“

Das Drachen-Digimon schüttelte lediglich den Kopf und setzte ein schiefes Grinsen auf.

„Ich verliere immer mehr Respekt vor dir, du Heuchler. Ich habe lediglich das befolgt, was du mir immer beigebracht hast. Tu was du tun musst um stärker zu werden! Zeig keine Gnade! Bleib immer an deinem Ziel dran! Klingelt es da nicht mehr bei dir?“

Das Wolfs-Digimon erwiderte nichts darauf. Er wusste, Dinohumon hatte Recht. Aber hieß das auch, dass Weregarurumon damals unbedingt Recht gehabt haben muss? Es war verwirrt. Das Gespräch mit diesem Jungen hatte ihm Dinge aufgezeigt, über die er früher nie nachdenken musste.

Dieser Kazuya hat ihm Sachen erzählt, die er noch nie zuvor gehört hatte. Doch so fremd sie ihm auch erschienen, sie hatten ihn erreicht und ihm zugleich das Gefühl gegeben, dass die Art und Weise wie er sein Leben zu führen pflegte, keineswegs die richtige sein musste und dass es wirklich mehr gab, als Weregarurumon es in seiner Existenz für möglich hielt. Er wollte herausfinden, was diese neuen Perspektiven beinhalteten und was er noch alles erreichen könnte, außer immer nur stärker zu werden. Doch ihm war klar, für Dinohumon waren diese Möglichkeiten nichts wert. Er wusste was er wollte und er würde alles tun um dieses Ziel zu erreichen.

Die Gesichtszüge des Wolfs-Digimons entspannten sich ein wenig, doch er ließ das Messer trotzdem nicht fallen. Er wandte sich wieder an seinen alten Kampfgefährten:

„Ich weiß, dass ich das alles mal gesagt habe. Aber das heißt doch nicht, dass ich Recht gehabt haben muss. Wir könnten so viel mehr sein, als was wir sind. So muss es doch nicht enden!“

Dinohumon wirkte nun zum ersten Mal verwirrt. Er sah Weregarurumon mit großen Augen an, doch er fing sich schnell wieder und sah sein Gegenüber verachtungsvoll an.

„Du langweiligst mich. Ich weiß nicht welche Gehirnwäsche, dir diese Menschen unterzogen haben, aber eins weiß ich dafür: Dein Schicksal ist es hier, in dieser Welt von mir getötet und geladen zu werden und es gibt nichts was du dagegen unternehmen kannst. Du bist schwach. Du warst es schon immer! Ich habe es lange gespürt und wusste: Es würde mich nur Geduld kosten und es wäre ein Kinderspiel für mich, dich zu beseitigen. Falls du jemals gedacht haben solltest, zwischen uns wäre mehr, als eine Zweckpartnerschaft, schlag dir das lieber schnell aus den Kopf. Du sollst nicht dumm sterben, Weregarurumon. Ich nahm mir von dir nur das was ich gebraucht habe und so wird es auch dieses Mal sein!“

Das Tier-Digimon sah seinem alten Kampfgefährten in die Augen.

„So soll es also enden….“

„So wird es enden! Aber auch wenn es mich nicht viel kosten wird, dich zu töten, meinen Spaß werde ich dennoch mit dir haben. Vor allem wenn ich erst einmal diesen kleinen Menschenwicht zu unserer Party dazu geholt habe.“

Dinohumons Grinsen wurde nun richtig bösartig und Weregarurumon spürte erneut den Hass auf seinen Feind aufbrodeln. Er gab ihm neue Kraft und half ihn gegen seinen Schmerz und seine Schwäche anzukämpfen.

„Auch du wirst noch den Tag bereuen, an dem wir uns begegnet sind. Das schwöre ich dir!“ und mit diesen Worten und einem lauten Knurren schritt der Werwolf auf den Drachen zu.

Dieser tat es ihm gleich und in der nächsten Sekunde tauschten die zwei Digimon blitzschnelle Messerhiebe- und Stiche aus, wobei es keinen von beiden gelang den anderen zu treffen.

Weregarurumon konnte seine Arme mittlerweile wieder recht gut bewegen und gab sich die größte Mühe seinen Adrenalinstoß hochzuhalten um auf die Weise seine Reflexe zu steigern.

Dinohumon war blitzschnell mit dem Messer, doch er schaffte es einfach nicht durch Weregarurumons Verteidigung durchzustoßen. Es sah frustriert aus, wurde Wütend und drosch nun wie ein Wahnsinniger mit seiner Klinge auf seinen Gegner ein.

Mehr als eine Unachtsamkeit brauchte das Perfect-Level-Digimon jedoch nicht um seinen Feind einen tiefen Schnitt in dessen Oberarm zuzufügen. Dies lenkte das Drachen-Digimon lange genug ab, dass Weregarurumon mit einem Kopfstoß nachsetzen und seinen Gegner gegen eine umherstehende Metallplatte drücken konnte.

Dinohumon hatte noch sein Messer in der Hand und nutzte es um Weregarurumons Angriff zu bremsen, doch das Tier-Digimon war hochentschlossen und nutzte all seine Kraft um seine Klinge in seinen Gegner zu rammen. Tatsächlich kam die Waffe Dinohumons Gesicht immer näher und dieser wirkte nun ernsthaft besorgt. Doch mit dem was er als nächstes tat rechnete Weregarurumon nicht: Es drehte sich einfach zur Seite und zog seinen Feind mit sich, so dass dieser mit dem Gesicht voran auf die Metallplatte donnerte.

Im selben Moment hörte das Digimon ein Klicken und eine blaue Stichflamme trat plötzlich aus dem Metall hervor. Das Feuer war schrecklich heiß und brannte Weregarurumon ins Gesicht. Dieser schrie auf vor Schmerzen und hielt sich die Augen zu. Schwerer Fehler, dachte er im selben Moment, doch es war zu spät: Er spürte einen harten Tritt gegen seine linke Wade, die ihn einknicken ließ und in der nächsten Sekunde, wie ein scharfer, großer Gegenstand genau in seine Wunde eindrang und dort stecken blieb. Weregarurumon sah runter zu seiner Verletzung und es war wie er es befürchtet hatte: Ein großes Küchenmesser rang daraus hervor.

Das Tier-Digimon wollte instinktiv danach greifen, doch Dinohumon war nicht fertig:

Er verpasste seinem Feind einen dermaßen harten Tritt gegen den Kopf, dass dieser quer über die Küche segelte, mit seinem Körper die hölzerne Tür durchbrach und mit dem Rücken voran wieder im Wohnzimmer landete.

Weregarurumon war am Ende seiner Kräfte. Sein Bein war seine größte Schwachstelle und so sehr er sich auch bemüht hat, diese vor seinem Gegner zu schützen, hatte es dieser doch geschafft sie gegen ihn zu verwenden. Das Tier-Digimon spürte wie es vorbei war. Er lag am Boden, er war zu geschwächt und er sah keinen Weg zur Flucht. All die Mühe der beiden Jungs, wie sie sich um ihn gekümmert und ihn versorgt haben. Es war umsonst gewesen. Sein Todfeind stand kurz davor ihn zu besiegen und er sah einfach keinen Ausweg mehr.

Dinohumon schritt auf seinen geschlagenen Feind zu und zog als erstes mit einem heftigen Ruck das Küchenmesser aus dessen Wunde. Klar mit der Absicht verbunden, dass dieser keine Waffen in seiner Reichweite hätte. Als nächstes drückte das Drachen-Digimon seinen Fuß auf Weregarurumons Verletzung, so fest, dass dieser vor Schmerzen brüllte. Nun konnte er auch nicht mehr wegkriechen. Mit einer Mischung aus Schmerz und Zorn blickte der Wolf seinem Peiniger ins Gesicht. Triumph und Arroganz waren darin geschrieben. Er hatte auch wieder seine Axt in den Händen.

„Sieht ganz so aus, als hättest du dein Limit erreicht alter Freund. Nun, da die Party für dich anscheinend schon gelaufen ist, wollen wir doch mal den nächsten Ehrengast einladen, meinst du nicht auch?“

Weregarurumons Augen weiteten sich vor Entsetzen. Er wollte aufstehen, aber es gelang ihm einfach nicht. Nein, er konnte nicht zulassen, dass Kazuya für seine Fehler büßen musste. Er konnte nicht zulassen, dass der Junge leiden musste, weil er so töricht war ihm zu helfen. Derselbe Beschützerinstinkt, den er vorhin in dieser Gasse empfunden hatte, wurde in Weregarurumon wach. Er wusste, es war sein Schicksal hier zu sterben, aber er wollte nicht, dass Unschuldige dabei umkamen. Das hatte er nie gewollt. Dinohumon schien den Konflikt der in seinem Gegner vorging zu bemerken, denn er grinste süffisant und meine, während er auf die Schlafzimmertür zuschritt:

„Keine Angst Kumpel, das wird mehr Spaß machen, als du denkst.“
 

Anmerkung:

Und der Theme Song dieser Episode lautet: "Sticks and Bricks" by A Day to Remember:

Day

Geben und Nehmen

Kazuya ging in seinem Zimmer auf und ab. Er versuchte sich zu beruhigen, doch sein Herz pochte unaufhörlich und auch das Zittern seiner Hände konnte er nicht ganz verhindern. Der Junge überlegte fieberhaft was er tun könnte. Er sah sich noch einmal die Zimmertür an:

Keine Chance, Dinohumon hatte die Klinke völlig zerstört, als er sie von der anderen Seite herausgerissen hatte. Kazuya hatte zwar versucht sie irgendwie wieder dranzubekommen, doch es brachte nichts, der Metallstift war völlig im Eimer, er war tatsächlich in seinem eigenen Schlafzimmer eingesperrt. Aber selbst, wenn er es schaffte nach draußen zu kommen, was sollte er tun?

Was konnte er schon gegen ein über 2 Meter großes, muskelbepacktes Digimon ausrichten, welches dazu noch brandgefährlich und absolut skrupellos war?

Dem jungen Mann blieb wohl nichts anderes übrig als zu hoffen, dass Weregarurumon etwas gegen diesen Gegner ausrichten konnte. Schließlich war es selbst ein Digimon und dazu noch auf dem Perfect-Level. Aber Kazuya wusste auch, es war schwer verletzt und dazu noch mit einem lähmenden Gift geschwächt worden. Unter diesen Bedingungen hatte Dinohumon natürlich leichtes Spiel mit dem Werwolf.

Kazuya setzte sich auf den Boden hin und legte die Hände auf den Kopf.

Nein, er konnte sich nicht einfach darauf verlassen, dass Weregarurumon es schon irgendwie machen und ihn retten würde. Es war vermutlich selbst gerade in größter Lebensgefahr, wahrscheinlich noch mehr als Kazuya selbst, schließlich war das Drachen-Digimon nur hierher gekommen um seinen alten Feind zu eliminieren. Aber wenn sich der 18-jährige nicht täuschte, war dieses Dinohumon durchtrieben und bösartig genug, als dass er ihn genauso kalt machen würde, allein schon deswegen, weil er es gewagt hatte, seinem Gegner Zuflucht zu gewähren.

Nicht zum ersten Mal an diesem Abend, empfand Kazuya Angst. Angst um sein Leben, Angst um das Leben von Masa, der wohl jeden Moment nach Hause kommen und sich inmitten dieses Duells auf Leben und Tod widerfinden würde. Aber vor allem hatte der Junge Angst um Weregarurumon. Auch wenn er und das Digimon sich erst ein paar Stunden gekannt haben und dieses eine schwierige, verschlossene Art sowie einige fragwürdige Ansichten besaß, Kazuya fühlte sich verantwortlich für ihn. Ab dem Moment, an dem er beschlossen hatte es mit in die Wohnung zu nehmen und es zu versorgen, wusste der junge Mann, dass es kein Zurück mehr gab. Er hatte beschlossen dem Digimon zu helfen und er würde zu seinem Entschluss stehen. Das war er Weregarurumon schuldig, alleine dafür, dass er ihm und Masa heute Abend das Leben gerettet hatte. Aber was konnte er tun? Wie konnte er verhindern, dass er schwer verletzt, ja wahrscheinlich getötet würde? Er konnte sich noch nicht einmal aus diesem Zimmer befreien.

Kazuya fühlte die Tränen in sich hochsteigen. Er schämte sich dafür, doch er konnte es nicht verhindern. Gleichzeitig zerrten seine Finger an seinen Haaren. Der Junge fühlte gleichzeitig Verzweiflung in sich hochsteigen. Er musste doch irgendwas tun können!

Plötzlich hörte Kazuya einige laute Geräusche aus dem Wohnzimmer kommen. Er stand sofort auf und ging auf die Tür zu. Er presste ein Ohr daran und versuchte so herauszufinden, was da vor sich ging. Er hörte dumpfe Geräusche, sie hörten sich wie Schläge an, dazu immer wieder Stöhnen und kurze Schreie. Nebenher hörte er einige scheppernde Geräusche, als ob mehrere Gegenstände zu Bruch gehen würden. Die zwei Digimon lieferten sich wohl einen heftigen Kampf und zerlegten nebenbei wohl das Wohnzimmer, aber Kazuya war das in dem Moment völlig egal.

Er dachte nur daran, wie es wohl Weregarurumon ginge? Hatte er vielleicht, trotz seiner Verletzung, sogar eine reelle Chance gegen das Drachen-Digimon? In dem jungen Mann wuchs die Hoffnung, der Wolf würde es schaffen, er würde siegen und sie wären dann alle in Sicherheit. Doch in der nächsten Sekunde zersprangen Kazuyas Hoffnungen wie Scherben, als er einen markerschütternden Schrei auf der anderen Seite der Tür hörte. Er wusste, der Schrei stammte nicht von Dinohumon. Es war Weregarurumons schmerzverzerrte Stimme.

Dem jungen Mann brach der Angstschweiß aus. Sein Herzschlag beschleunigte sich wieder und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Was ging da nur vor sich? Es wurde eine Weile lang still und der Student sank langsam zu Boden, während er sein Gesicht weiter an der Tür gepresst hielt. Er kroch wieder weg von dieser und setzte sich auf den Boden. Erneut kamen ihm die Tränen.

Was war er doch nur für ein Angsthase. Weregarurumon war stärker als sein Gegner. Er würde sicher gleich wieder zu Kräften kommen und diesem dann mit einem Überraschungsangriff in die Knie zwingen. Aber was wenn es doch schwer verletzt wurde, meldeten sich die Zweifel in Kazuyas Inneren. Er wollte nicht, dass dem Digimon etwas zustieß. Der Junge war zwar nie besonders abergläubisch veranlagt gewesen, aber er war sich sicher:

Es konnte doch kein völliger Zufall gewesen sein, dass sich die beiden in jener Nacht begegnet sind? Er konnte es sich zwar nicht erklären, aber Kazuya spürte in seinem Inneren, dass zwischen den beiden eine Art Verbindung bestand. Sie hatten ihre Gemeinsamkeiten, sie hatten sich gegenseitig geholfen und wenn sich der Junge nicht komplett irrte, hatten sie auch eine ähnliche Wellenlänge. Es war jedenfalls Kazuyas Gefühl, der ihm das mitteilte, als sie sich vorhin im Wohnzimmer unterhalten haben.

Der junge Mann war sich sicher: Die zwei konnten noch so viel voneinander lernen, aber nicht wenn heute Nacht das schlimmste eintreffen sollte und sie beide…. Kazuya mochte gar nicht daran denken. Er schloss die Augen und schluckte seine Tränen hinunter. Ihm war klar, er musste jetzt mutig sein. Wenn nötig auch unvernünftig mutig, wie vorhin hinter der Disko mit diesen zwei Gaunern.

Der Junge zwang sich aufzustehen. Er sah sich in seinem Zimmer um. Es musste sich doch irgendwas finden lassen, mit dem er die Tür aufkriegen konnte. Sein Blick wanderte umher. Da waren sein Bett, sein Schreibtisch mit dem Laptop, der Kleiderschrank, der Kleiderständer, die Musikposter an den Wänden, die Kommode…. Kazuya beschloss, dort sein Glück zu versuchen. Vielleicht befand sich darin etwas, womit er die Tür aufbrechen konnte. Er öffnete die Schubladen und wühlte in dem Meer nutzlosen Krempels. Hektisch zog er den Inhalt heraus, doch er konnte nichts Gescheites finden. Plötzlich hatte er eine Pappschachtel in seinen Händen. Kazuya setzte sich damit aufs Bett. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie in seinem Zimmer gehabt zu haben, obwohl er erst kürzlich eingezogen ist. Schließlich nahm er den Deckel runter. Was er im Inneren entdeckte, brachte ihm ein Lächeln ein.

Es waren mehrere Stapel des Digimon Battle Card Games.

Kazuya überlegte, wie alt sie wohl sein mögen? 8 Jahre? Vielleicht sogar 9? Aber es waren auch einige aktuelle Stapel dabei. Die der Alpha und sogar der Battle-Terminal Generation steckten dabei! Auch wenn es alles andere als ein passender Zeitpunkt war, Kazuya schwelgte kurz in Nostalgie.

Er war von klein auf ein Digimon-Fan gewesen, hatte die Animes regelrecht verschlungen und leidenschaftlich die Karten gesammelt. Selbst als das Franchise zwischenzeitlich out wurde, hatte Kazuya nie damit gebrochen, auch wenn er es vor seinen Klassenkameraden nicht zugegeben hätte, aus Angst verspottet worden zu sein. Er erinnerte sich daran, wie er mit Masa in den Schulpausen ab und zu im Klassenzimmer oder auf dem Pausenhof mit den Karten gespielt hatte. Er war gar nicht mal so schlecht gewesen, zumindest hatte er seinen Kumpel immer besiegen können, was den auch regelmäßig auf die Palme brachte. Auf jeden Fall kühlte diese Leidenschaft im Verlauf der Jahre immer weiter ab. Kazuya fand immer weniger Zeit sich damit zu beschäftigen, da ihn der Ernst des Lebens immer weiter einholte und damit auch die Erwartungen an ihm, gerade durch seinen Vater, immer weiter stiegen. Dazu kam noch das, was Masa vorhin im Wohnzimmer kurz erwähnt hatte und womit er auch durchaus Recht behielt: Die letzten Staffeln waren wirklich großer Mist gewesen….

Die Karten, die der 18-Jährige in seiner Hand hielt, waren das Produkt von Neugier und Nostalgie zugleich gewesen, da Kazuya sich zwar seit gut einem Jahr nicht mehr mit Digimon-Karten duelliert hatte, doch wie die meisten anderen seines Schlages, war auch er neugierig auf die neuen Generationen gewesen.

Er nahm einen Stapel der Battle Terminals in die Hand und blätterte sie durch.

Da waren einige Option-Karten dabei, dazu noch ein Paar Digimon: Elecmon, Dokugumon, Mummymon, Veemon…. Weregarurumon oder seine Evo-Line gehörten jedenfalls nicht dazu. Unwillkürlich musste Kazuya an die allererste Digimon-Staffel denken. Auch wenn er Yamato nicht leiden konnte, Gabumon war einer seiner Lieblinge gewesen und als Weregarurumon aufgetaucht ist, fand er diesen wirklich cool. Kein Wunder, dass er Sympathie für das Exemplar empfunden hatte, welchem er heute Nacht begegnet ist.

Kazuya fand diese Erinnerungen an seiner Kindheit und Jugend irgendwie beruhigend, auch wenn sie ihm in diesem Moment keinen Deut weiterhalfen. Dennoch, fühlte er wie sein Herzschlag wieder normal wurde. Plötzlich entdeckte der junge Mann noch etwas anderes in dem Karton:

Seinen Card-Scanner. Auch dieses war auf die neuste Kartengeneration zugeschnitten, doch Kazuya musste zugeben, er hatte das Teil nicht einmal ausprobiert. Er betrachtete es eingehend, während er in der anderen Hand den Stapel mit den Battle-Generation-Cards hielt.

Auf einmal ging die Schlafzimmertür auf, oder besser gesagt, sie wurde mit einem lauten Krachen aufgerissen. Der 18-jährige ließ vor Schreck die Kiste mit den Karten zu Boden fallen, die auf seinem Schoß ruhte. Er sah Dinohumon, wie es mit schweren Schritten und einem äußerst beunruhigendem Gesichtsausdruck auf ihn zuschritt. Kazuya fühlte sogleich seinen Puls um mehrere Millimeter höher schlagen. Panik machte sich wieder in dem Jungen breit, während dieser, statt versuchen zu fliehen oder sich zu verstecken, als erste Reaktion den Stapel mit den Karten und den Scanner in seine Hosentaschen steckte.

Warum er gerade das tat, konnte sich Kazuya nicht beantworten. Vielleicht wollte er sie einfach nur beschützen? Weil es vermutlich die letzten Gegenstände sein würden, die der junge Mann mit glücklicheren Zeiten in Verbindung bringen würde.

Kaum hatte er sie weggesteckt, packte ihn das Drachendigimon mit dessen gewaltiger Hand an den Kragen und schleifte ihn kommentarlos und brutal aus dem Zimmer. Kazuya traute sich nicht einmal Widerstand zu leisten, so erschrocken war er. Schließlich fand er sich im nächsten Moment mit dem Bauch voran auf dem Wohnzimmerfußboden. Wieder einmal schossen ihm hunderte Gedanken durch den Kopf: War Weregarurumon bereits tot? Würde dieser Fiesling nun mit ihm kurzen Prozess machen?

Kazuya wagte es kurz zur Seite zu schauen und sofort wurde ihm leichter ums Herz. Es war Weregarurumon, er war also immer noch am Leben. Allerdings spürte der Junge gleich wieder Besorgnis in ihm steigen. Das Wolfs-Digimon lag schwer verletzt auf den Boden. Sein Bein war offensichtlich erneut verwundet worden und er sah allgemein sehr geschwächt aus.

Sein Blick traf sich mit dem von Kazuya und auch wenn dessen Gesichtszüge in erster Linie Schmerz offenbarten, zeigte er dem 18-jährigen für den Bruchteil einer Sekunde ein schwaches, aber aufmunterndes Lächeln, so als wenn er sagen wollte: „Alles wird gut.“

Dies überraschte den jungen Mann sehr und er konnte es auch nicht so recht glauben, dass sich alles zum Guten wenden würde, aber er war bereits froh darüber, Weregarurumon wiederzusehen, so dass er dessen Lächeln schließlich erwiderte.

Dinohumon stapfte währenddessen zwischen ihnen her, seine riesige Axt in der Hand und mit einem belustigten Gesichtsausdruck. Er sah zwischen seinem gefallenen Digimon-Gegner und seiner menschlichen Geisel hin und her. Dann ergriff er das Wort:

„Das ist wirklich ein herzerwärmender Moment. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es scheint, als ob an deiner rührseligen Ansprache von vorhin, wirklich etwas dran war, alter Freund. Täusche ich mich, oder hast wirklich etwas übrig für diesen Menschenwurm?“

Weregarurumon sah zu Dinohumon auf.

„Lass ihn doch einfach gehen. Ihn brauchst du nicht, mich schon. Bringe es zu Ende und lade mich, dann kannst du auch….“, doch die nächsten Worte des Perfect-Level-Digimons gingen in schmerzerfülltem Stöhnen unter, denn Dinohumon drückte seinen Fuß auf die Verletzung an Weregarurumons Bein.

Kazuya erschrak bei diesem Anblick und wollte etwas rufen, doch das Drachen-Digimon kam ihm zuvor:

„Ich muss doch sehr bitten. Man darf doch den Gastgeber dieser Party nicht einfach ins Wort fallen. Das war übrigens nur eine rhetorische Frage vorhin. Ich habe dich längst durchschaut du Schwächling. Natürlich hast du etwas übrig für diesen Menschen. Ich kann es an deinem Blick sehen. So einen Blick, habe ich an dir noch nie gesehen. Ich bekomme zwar das Kotzen davon, aber es ist trotzdem ziemlich interessant. Gerade für so jemand wie du, der sich doch schon immer für eine harte Sau gehalten hat.“

Dinohumon grinste nun Kazuya.

„Was mich aber noch mehr interessieren würde, was hat dich eigentlich dazu bewegt ihm zu helfen? Dachtest du, du könntest ihn als Haustier behalten, oder steckt noch was anderes dahinter?“

Der junge Mann wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er sah zu Weregarurumon rüber, welches ihn besorgt ansah und sich dabei schwer atmend sein Bein hielt. Kazuya wusste in dem Moment genau, warum er so gehandelt hatte wie er gehandelt hatte und wieso es das einzig richtige war. Sein Gesicht wurde ernst, grimmig, ja fast entschlossen. Seine Wut und Abscheu über die Ignoranz dieses überheblichen Drachendigmons, welches wohl in dem Moment dachte, es wäre ein Gott und würde über alle anderen stehen, übertrafen nun seine Angst und er sah dem Feind direkt in die Augen.

„Du bist erbärmlich.“, meinte der Student mit fester Stimme.

Dinohumon wirkte ehrlich überrascht. Anscheinend erwartete er, dass sein Opfer aus lauter Angst vor ihm in die Knie sinken würde, doch den Gefallen wollte Kazuya seinem Peiniger in dem Moment nicht machen. Er fuhr fort:

„Selbst wenn ich es dir erkläre, du würdest es sowieso nicht verstehen, weil du zu blöd dafür bist und ohnehin nicht in der Lage bist aus deinem beschränkten kleinen Universum auszubrechen. Du hältst dich für stark und unberührbar, dabei bist du nichts weiter als ein widerliches, feiges Stück Dreck!“

Der junge Mann wusste, er hatte gerade einen großen Fehler gemacht, ähnlich wie bei dem Überfall, doch er wollte in jenem Moment einfach nicht auf seinen Verstand hören. Wenn er schon hier sterben musste, würde er diesem Krötenkopf vorher noch ordentlich die Meinung geigen und kein Zentimeter zurückstecken.

Weregarurumon wirkte nach diesem Ausbruch genauso erstaunt, wie Dinohumon, welcher sich aber nach wenigen Sekunden wieder find und sein schleimiges Grinsen aufsetzte.

„Na sowas, das Kätzchen hat Krallen. Nicht schlecht Menschlein. Du und deine Spezies, ihr seid zwar erbärmlich schwach, aber keine völligen Angsthasen, das imponiert mir durchaus. Jetzt verstehe ich auch, wieso mein alter Freund hier so viel Sympathie für dich empfindet. Ihr beide gebt aber auch ein niedliches Paar ab. Ihr könnt froh darüber sein, dass ihr nun gemeinsam euer Ende finden werdet.“

Kazuya wandte sich wieder an Weregarurumon, der außer sich vor Wut schien und dem man wohl ansah, dass er nichts lieber getan hätte, als dem anderen Digimon den Kopf abzureißen, wenn er denn in der Lage gewesen wäre, was der Junge nur zu gut verstehen konnte.

Dinohumon ergriff wieder das Wort:

„Nun meine Lieben. Da wir hier quasi das Ende einer Ära feiern, wäre es doch sicher nicht unangemessen, wenn wir zusammen noch etwas Spaß haben. Als Gastgeber dieser kleinen Party, ist es für mich natürlich eine besondere Ehre euch das Abschlussspiel des heutigen Abends vorzustellen.“

Das Drachen-Digimon lachte vergnügt, während er auf Kazuya zuschritt und ihn an seinem Shirt nach oben packte. Der junge Mann war inzwischen viel mehr wütend als verängstigt, so dass er die Hand des Feindes packte und sich loszureißen versuchte, aber er hatte keine Chance. Dinohumons Griff gleich einem Schraubstock und so zerrte er den 18-jährigen zu eines der Sofas, wo er ihn mit dem Bauch voran auf diese drückte, so dass Kazuyas Kopf über die Lehne hing.

Der junge Mann sträubte sich und zappelte rum, wurde aber ganz still, als er plötzlich kaltes, hartes Metall auf seinem Nacken spürte. Ein Schauer durchlief ihn und seine Augen weiteten sich wieder vor Furcht.

Er wusste, dass es Dinohumons Axt war und dass er unmittelbar auf sein Ende zusteuerte. Welches krankes Spiel das Drachen-Digimon hier allerdings plante, wurde dem Studenten aber nicht klar.

„Im Grunde sind die Regeln ganz einfach: Derjenige von den hier anwesenden Zuschauern, der es schafft den lautesten und dramatischsten Verzweiflungsschrei von sich zu geben, während ich meinem tapferen, jungen Assistenten hier den Kopf abhacke, darf sich glücklich schätzen, den ersten Preis gewonnen zu haben“, sprach das Adult-Level-Digimon mit gespielt dramatischer Stimme, ehe es weiterfuhr:

„Da du Weregarurumon, aber ohnehin der einzige hier anwesende Zuschauer bist, darfst du dich glücklich schätzen, zum automatischen Sieger ernannt zu werden, frei nach dem Motto: Wenn es nur einen Kandidaten gibt, gibt es auch nur eine Wahl. Scheint so als ob heute dein Glückstag wäre, mein guter.“

Kazuyas Furcht kehrte immer mehr zurück. Der junge Mann konnte nicht sehen was hinter ihm geschah, da er lediglich seine Augen hin und her rollen und die Zähne angespannt zusammenbeißen konnte. Er vernahm plötzlich Weregarurumons gequälte Stimme im Hintergrund:

„Ich bitte dich inständig. Tu das nicht! Du musst es nicht. Dieser Junge ist doch harmlos. Töte mich doch einfach und dann kehre in die Digiwelt zurück. Das hier ist komplett unnötig!“

Dinohumon ließ ein Kichern hören.

„Tut mir Leid, alter Freund, aber das Spiel läuft bereit längst. All in sozusagen. Lass mir dir nur zum Abschluss sagen, dass ich dank dir so viel Spaß hatte wie lange nicht mehr.“

Kazuya spürte daraufhin wie die Axt seinen Nacken erneut streichelte.

„Ach ja und danke übrigens, dass du dich so jämmerlich aufführst. Das macht meinen Triumph noch köstlicher.“

Der 18-jährige wusste nun, es würde jede Sekunde vorbei sein. Er schloss vorsorglich die Augen und verkrampfte seine Gesichtszüge, in Erwartung dessen, was nun folgen würde, doch es kam nicht. Es vergingen mehrere Sekunden, 5, 10, 15 und es passierte nichts.

Da hörte er wieder die Stimme Dinohumons:

„Oh Mann, das nenne ich aber einen Spielverderber. Ein erschrockenes Gesicht und das war´s? Wo bleibt denn mein „Neeeein!!!“ oder was auch immer du schreien wolltest? Hm, schade. Ich hatte mich wirklich drauf gefreut. Dann muss ich eben mit deinen Schreien begnügen, wenn ich dich gleich in kleine Scheibchen zerschneidet habe“, und nach diesen Worten wurde der Druck auf Kazuyas Nacken stärker und jetzt wusste der junge Mann: Dinohumon würde zuschlagen.

Kazuya konnte einen kurzen Angstschrei nicht unterdrücken als er seine Augen schloss und im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben an sich vorbeiziehen sah.

All seine Sehnsüchte, Wünsche und Hoffnungen. Die Menschen mit denen er keine Zeit mehr würde verbringen können: Mayuki, Masa, Tori, ja sogar sein Vater….und Weregarurumon, den Kazuya nun doch nicht würde besser kennenlernen können. Alles war vorbei. Der junge Student aus Saitama wusste dies spätestens in dem Augenblick als er Dinohumons Ausruf hörte:

„Akinakes!“

Aber es geschah wieder nichts…zumindestens die ersten Sekunden lang nicht. Doch dann wurde Kazuya von etwas Großes und Schweres zur Seite gerissen. Gleichzeitig hörte er einen erstickten Laut, ehe er im nächsten Moment wieder auf den Fußboden lag, Weregarurumon direkt neben sich. Kazuya konnte es nicht glauben.

Eine Schreckenssekunde lang, hatte er sein Ende erwartet, doch wie bereits in der Gasse, kam ihn Weregarurumon zu Hilfe, nur hatte er dieses Mal dafür einen weit höheren Preis bezahlt, wie es schien. Der junge Mann erwachte aus einer Lähmung und kniete sich sofort neben dem Wolfs-Digimon.

Dieses hatte offensichtlich den für ihn gedachten, tödlichen Axt-Hieb abgefangen und lag nun regungslos, mit schmerzverkrümmtem Gesicht da. Der 18-jährige zögerte dieses Mal keine Sekunde und legte voller Sorge seine Hände auf den Kopf seines Retters. Er spürte erneut die Tränen in sich hochsteigen, während er krampfhaft überlegte, wie er Weregarurumon helfen konnte. Doch es fiel ihm dieses Mal einfach nichts ein.

Er schluchzte während er zu dem Digimon sprach:

„Verdammt noch mal. Wieso hast du das getan? Schon wieder….wieso nur?“

Zu seiner Überraschung antwortete das Digimon, allerdings mit äußerst geschwächter Stimme: „Naja, dieses Mal hatte ich wohl einen guten Grund oder? Dieses Mal….war ich dir doch wirklich was schuldig. Schließlich hast du mir geholfen….und ich begleiche meine Schulden immer!“

Kazuya hatte eine ähnliche Antwort erwartet, doch besser verstehen konnte er es trotzdem nicht. Weregarurumon fuhr fort:

„Ist es das was du gemeint hast? Dass das Leben mehr zu bieten hätte? Dass man andere daran teilhaben lassen müsste?….Hilfe geben und Hilfe annehmen, richtig? Naja….so sind wir wenigstens quitt, oder?“

Der Junge hörte zu und war fassungslos…er versuchte seine Tränen hinunterzuschlucken, doch es gelang ihm nicht. Er streichelte Weregarurumon zärtlich über den Kopf.

Trotz der Narben, der Piercings und der jahrelangen Spuren des Kampfes, wirkte es plötzlich so freundlich und offenherzig wie nur möglich. Die Schwere seiner Verletzung machte ihm deutlich zu schaffen, aber das Wolfs-Digimon ergänzte trotzdem noch etwas hinzu:

„Leb wohl Kazuya Saito. Danke, dass du mir diese eine Sache noch beibringen konntest. Verzeih mir bitte, dass ich dich da reingezogen habe.“

Dann sagte es nichts mehr, sondern schloss langsam seine Augen.

Der junge Mann konnte es nicht glauben, wollte es nicht glauben. Er schüttelte das Digimon mehrmals, doch es rührte sich nicht mehr. Kazuya schloss seine Augen vor Trauer und Schmerz, während die Tränen weiterhin seine Wange hinunterflossen. Seine Hände vergruben sich in das dunkle Fell des Wolfs-Digimons. Auf einmal sprach wieder Dinohumon, ölig wie nie, im Hintergrund:

„Oh Mann, das war ja noch viel besser als tausend Schreie! Eine tolle Show, sag ich nur. Tja, manche Leute können es einfach nicht abwarten, bis sie an der Reihe sind. Ist wohl so. Aber keine Sorge, mein Junge. Wenigstens musst du kein Ticket mehr ziehen. Also sei nicht traurig….du wirst ihn bald wiedersehen“

Das Drachen-Digimon ließ ein fieses Lachen ertönen und Kazuya hörte wie es langsam aber sicher auf ihn zuschritt. Der junge Mann hielt seine Augen immer noch geschlossen.

Die Gefühlsachterbahn ging für ihn weiter: Statt tiefer Trauer empfand er plötzlich nur noch kalte Wut.

Es brodelte in seinem Inneren…er konnte sich an kein Moment in seinem bisherigen Leben erinnern, in welchem er so etwas empfunden hatte….ein starker Wille breitete sich in ihm aus. Mehr als alles andere auf der Welt wünschte er sich gerade bloß zwei Dinge: Das Weregarurumon wieder gesund werde und dieser dann Dinohumon fertig machen könne. Diese Wünsche brannten in ihm wie ein Feuer. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Während das Digimon hinter ihm immer näher kam, dachte Kazuya daran, dass dies hier auf keinen Fall vorbei sein konnte. Nein, niemals!

Dann geschah etwas…der Junge vernahm ein merkwürdiges Leuchten, welches direkt aus seiner Hosentasche zu stammen schien: Er erschrak und stand reflexartig wieder auf. Dabei fielen die Gegenstände, die er zuvor in seinem Zimmer aufbewahrt hatte zu Boden: Das Kartendeck und der Scanner, welcher in einem hellen, gleißendem Licht getaucht war, welches das gesamte Wohnzimmer erfüllte. Kazuya war absolut fassungslos, doch nicht nur er, auch Dinohumon starrte voller Entsetzen auf diese merkwürdige Lichtquelle:

„Verflucht noch mal, was soll das? Was geschieht hier?!“ rief es mit panischem Gesichtsausdruck, während es seine Axt mit beiden Händen vor sich hielt, so als müsste er sich vor dem merkwürdigen Licht schützen.

Kazuya allerdings, verlor rasch seine Furcht, denn für ihn ging etwas äußerst angenehmes, ja nahezu behagliches von dieser Strahlung aus. Es war fast so, als ob all seine Wünsche und Hoffnungen sich darin gebündelt hätten und nun auf ihn zurückstrahlen würden.

Das Leuchten wurde immer heller, bis es allmählich zurückwich und schließlich komplett verschwand. Als der Junge zu Boden blickte, konnte er seinen Augen nicht trauen. Dort wo noch eben sein Kartenscanner lag, befand sich nun ein merkwürdiges kleines Gerät, welches wie eine Mischung aus modernem Handy bzw. Blackberry und einem der neuartigen Card-Scanner anmutete, die zurzeit auf den Markt waren. Kazuya hob es schließlich vom Boden auf und betrachtete es intensiv.

Je eher der Student darüber nachdachte, desto eher wurde ihm bewusst, womit das Ding eigentlich am meisten Ähnlichkeit hatte:

„Ein…Digivice?“

Kazuya wurde es allmählich zu hoch. Wie war das nur möglich? Okay….er hatte an diesem Abend bereits einige ziemlich merkwürdige Dinge erlebt unter anderem war er fast zweimal getötet wurden und hatte nebenbei erfahren, dass es in der Tat echte, lebendige Digimon gibt. Aber ein Digivice?? Der junge Mann schaute sich das Gerät genau an. Außer einigen wenigen Knöpfen und einem Monitor, besaß es zudem noch eine ähnliche Vorrichtung wie die Kartenscanner, stellte Kazuya bei genauerem Hinsehen fest:

War es vielleicht möglich das…. Er schaute wieder auf den Fußboden und betrachtete die Karten, die verstreut auf den Boden lagen. Unter ihnen entdeckte er schließlich eine vom Typ „Recovery, Plug-in-S“. Könnte er vielleicht?

„Was ist das für ein Ding? Los, zeig schon her Junge!“, fuhr Dinohumon Kazuya an.

Angesichts der merkwürdigen Situation wirkte es ziemlich nervös, doch es behielt seine Aggressivität bei und machte ein drohendes Gesicht.

Aber Kazuya empfand zum ersten Mal keine Angst vor dem Digimon. Es war als ob das Digivice in seinen Händen, ihm eine unglaubliche Kraft geben würde, so dass er sich wenigstens nicht mehr völlig hilflos fühlte. Der junge Mann sah zum leblosen Körper Weregarurumons auf den Boden und fasste einen Entschluss.

Er musste es versuchen, viel mehr konnte er im Moment ohnehin nicht tun….Kazuya bückte sich zu den Karten und hob die Recovery-Version auf. Anschließend zog er diese durch das, was er für die Scanvorrichtung hielt.

„Card Slash! Recovery, Plug-in-S“, ertönte es von dem 18-jährigen.

Was als nächstes passierte war noch unglaublicher, als die Verwandlung des Card-Scanners in ein Digivice. Weregarurumons gesamter Körper wurde von einem hellen Licht erfüllt, ähnlich wie es vorhin von dem Digivice ausgegangen war. Kazuya starrte wie geschockt zu dem Perfect-Level-Digimon rüber und er konnte es Dinohumon nicht verdenken, dass es ebenso fassungslos schaute, wie der der junge Mann. Das Licht erlosch wieder und plötzlich öffneten sich Weregarurumons Augen.

Als ob es ins Leben zurückgerufen wurde, lag es da und sah mit glasklarem Blick zu der Decke hinauf. Von Schmerzen keine Spur in seinem Blick. Anschließend erhob es sich langsam, aber problemlos, bis es wieder auf seinen zwei Beinen stand. Wenn Kazuya und Dinohumon es schon nicht glauben konnte, dann konnte es das Wolfs-Digimon noch weniger.

Es sah erst zu Kazuya rüber und dann auf seinen eigenen Körper hinab, ehe es sich schließlich wieder an den Menschen wandte:

„Wie ist das nur möglich? Ich habe kein bisschen Schmerzen mehr. Mein Bein ist auch wieder völlig ok.“

Kazuya erwiderte den Blick des Digimons und sah wieder sein Digivice an. Es war als ob ein Wunder geschehen wäre.

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung….ich habe mir nur so sehr gewünscht, dass es dir wieder besser geht,“ versuchte er sich an einer Antwort.

Schweigen erfüllte den Raum. Alle drei Personen die in jenem Wohnzimmer standen, versuchten wohl die Situation irgendwie einzuordnen, aber niemanden wollte es so recht gelingen, bis sich schließlich Dinohumon erneut einschaltete:

„Nein! Das kann gar nicht sein! Ich habe dich doch voll erwischt! Das muss ein verdammter Witz sein!“

Damit richtete sich die Aufmerksamkeit von Weregarurumon und Kazuya wieder auf das Drachen-Digimon, welches überaus zornig aussah. Der Wolf blickte nicht weniger zornig zurück und gab ein Knurren von sich:

„Ich habe zwar keine Ahnung, warum ich wieder auf den Beinen bin, aber eins weiß ich: Was du getan hast werde ich dir nie verzeihen und jetzt habe ich endlich wieder die Kraft es dir heimzuzahlen!“

Dinohumon biss die Zähne zusammen und hielt seine Axt in die Höhe. Schließlich gab es ein lautes Brüllen von sich, ehe es sich wie ein Beserker mit der Axt im Anschlag auf Weregarurumon stürzte und dabei rief:

„Ach, sei still du Dummschwätzer!“

Kazuya trat mehrere Schritt zurück und wollte schon Weregarurumon warnen, es solle sich sich ebenfalls in Sicherheit bringen, doch dieses rührte sich kein Stück von der Stelle sondern sah hochkonzentriert und entschlossen seinen zustürmenden Gegner an.

Als Dinohumon bei dem Tier-Digimon schließlich ankam, begann es sofort mit wilden Axthieben auf dieses einzudreschen. Weregarurumon wich entweder aus, oder blockte die Angriffe gekonnt mit Armen und Beinen ab.

Kazuya war beeindruckt. Es schien, als ob das Tier-Digimon sich kein bisschen anstrengen würde, so gekonnt und präzise, wie es die Attacken blockte. Schließlich tauchte Weregarurumon unter eines der Axtschwinger ab, nur um mit einem gewaltigen Kick zu kontern, welcher den Stiel der Axt in zwei Hälften zerbrach und Dinohumon nach hinten torkeln ließ. Das Perfect-Level Digimon setzte sogleich mit einem gedrehten Fußtritt ab, der Dinohumon genau in die Brust traf und dieses meterweit durch den Raum fliegen ließ, ehe es schließlich hart auf den Wohnzimmerfußboden landen ließ.

Nun waren die Rollen endlich vertauscht. Weregarurumon konnte endlich seine Überlegenheit in Puncto Kraft und Schnelligkeit ausspielen.

Es schritt langsam auf seinen Feind zu, der aber wieder auf die Beine kam, dafür aber nun einen ungewohnt ängstlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte.

Kazuya grinste in sich hinein. Es schien so, als ob nun auch sein zweiter Wunsch in Erfüllung gehen würde. Dem Jungen fiel wieder plötzlich etwas ein. Er bückte sich zu den Karten hinunter und nahm einige in die Hand.

Er sah sie sich genau an und rief dann zu Weregarurumon:

„Hey, mach dich bereit. Hier kommt wieder etwas Tuning!“

Das Wolfs-Digimon sah den jungen Mann fragend an, doch der zog einfach die nächste Karte durch das Digivice:

„Card Slash! Highspeed, Plug-in-B!"

Dinohumon hatte wieder Stand, er sah verwirrt von Digimon zu Mensch und fragte:

„Verdammt, was soll dieser Kinderkram? Was geht hier nur vor?“,

doch die Antwort darauf kam schneller, als dem Reptiliendigimon lieb sein konnte. Weregarurumon vollführte einen großen Sprung und ehe es irgendjemand mitbekam, war er schon bei seinem Gegner.

„Garurukick!“ rief dieser und bewegte sich mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit, als er Dinohumon mit seiner Attacke schließlich genau in die Schläfe traf.

Dieses stöhnte auf vor Überraschung und Schmerz und wurde hart zu Boden geschmettert.

Es hatte also funktioniert. Kazuya konnte es immer noch nicht fassen. Anscheinend war es wirklich so, dass man mit dem Digivice und den Karten, ein Digimon upgraden konnte. Der helle Wahnsinn! Weregarurumon stand nun vor seinem gefallenen Gegner, während dieser sich wütend den Kopf rieb und versuchte aufzustehen.

„Ich habe es dir von Anfang an gesagt: Du wirst für deine Taten büßen und ich werde meine Rache bekommen!“ sprach es zu seinem ehemaligen Waffenbruder.

Der hatte das scharfe Ende seiner Axt immer noch in den Händen und erwiderte mit wutverzerrtem Gesicht:

„Das ist doch ein Witz oder? Wie kann es sein, dass du dank eines Menschen, soviel Kraft erhältst? Los, erklär es mir!“

Kazuya hielt das Digivice immer noch in den Händen und stellte sich genau die selbe Frage.

Aber er konnte sie nicht sicher beantworten. Ja, was war es eigentlich? Sein Wille? Seine starker Wunsch, verbunden mit Weregarurumons Kraft und Entschlossenheit, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen? Er sah zu den beiden Digimon rüber und lächelte, ehe er zu Dinohumon rief:

„Das ist eines dieser Dinge, die du sowieso nicht verstehen könntest…also versuch es erst gar nicht.“ Das Drachen-Digimon blickte kurz zu dem Jungen rüber, richtete aber wieder seinen Blick auf Weregarurumon.

„Ach, ihr könnt mich beide Mal. Du hättest liegen bleiben und in Ruhe verrecken sollen, Weregarurumon. Aber jetzt werde ich dich wirklich zu Hackfleisch verarbeiten!“ und mit diesen Worten stürzte sich Dinohumon mit dem heilen Stück seiner Axt auf seinen Gegner und drosch auf diesen ein.

Dessen Schnelligkeits-Modus hielt wohl noch eine Weile an, denn er wich den Schlägen weiterhin mit unglaublicher Leichtigkeit aus und so sehr sich das Drachen-Digimon auch bemühte, es sah einfach kein Land gegen seinen Gegner.

Weregarurumon wiederrum machte nun ernst: Er packte den Arm seines Feindes und mit einer blitzschnellen Bewegung entwaffnete er diesen, eher er eine harte Fauststoß- und Ellbogen-Kombination hinterhersetzte und Dinohumon im Anschluss daran noch einen kräftigen Tritt vor dem Schienbein verpassten, was sofort zu Boden gingen ließ. Doch es gab nicht auf.

Es rollte sich schnell zur Seite ab und schaffte es seine Axt wieder in die Finger zu bekommen, aber ehe es sich zu Weregarurumon umgedreht hatte, stand dieser bereits neben ihn, einen Kugelschreiber in seiner rechten Hand.

Dinohumon wirkte zuerst perplex, doch es reagierte schnell wieder und schwang seine Waffe wieder in Richtung seines Gegners. Der duckte sich ab und rammte dann blitzschnell den Kugelschreiber an mehreren Stellen im Körper seines Gegners, was dieser mit kurzen, aber heftigen Schmerzensschreien quittierte.

Weregarurumon beendete sein Angriff mit einem harten Schlag gegen den Kehlkopf des Drachen-Digimons und einem harten Schienbeintritt gegen dessen Kiefer. Dinohumon plumpste wie ein nasser Sack zu Boden und hielt sich die verletzten Stellen. Weregarurumon sah nicht einmal so aus, als ob er sich bei dem Kampf besonders anstrengen musste.

Kazuya hatte das ganze Szenario nur noch mit halbgeöffnetem Mund beobachtet und dachte daran, dass Dinohumon in der Situation einem nur noch Leid tun konnte, wäre da nicht seine Verschlagenheit und Grausamkeit gewesen. Weregarurumon schien das gleiche zu denken, denn es wandte sich mit ernstem Gesicht zu seinem Gegner und meinte:

„Was ich dir jetzt sagen werde, wirst du vermutlich nicht verstehen können und mich deswegen wahrscheinlich verspotten, aber ich sage es dir trotzdem. Es ist ein Angebot an dich: Verschwinde wieder aus dieser Welt und trete mir nie mehr unter die Augen….sollten wir uns jemals wieder begegnen, werde ich das zu Ende bringen, was ich hier begonnen habe. Klar soweit?“

Das Drachen-Digimon sah Weregarurumon mit großen Augen an und es schien wirklich so zu sein, dass es überhaupt nicht verstand, was ihm da gesagt wurde.

Kazuya versuchte sich auszumalen, wie die Denkweise dieses Digimons aussah: Niemals aufgeben, so hart und grausam zuzuschlagen, wie es nur ging und wenn es sich anbot, auch immer schmutzige und hinterhältige Methoden, weil dies am schnellsten ging und sicherer war. Für Dinge wie Mitgefühl, Freundschaft oder Loyalität, hatte es wohl nicht das geringste Verständnis, vermutlich, weil es nie die Gelegenheit gehabt hatte, diese Sachen kennenzulernen. Er konnte einem wirklich Leid tun, dachte der junge Mann. Das Drachen-Digimon schaute nun zu Boden, mit einem Blick der sowohl Frustration wie Hilflosigkeit ausdrückte. Schließlich setzte es ein Grinsen auf und erhob sich langsam wieder.

Er schüttelte den Kopf und sah seinen alten Kampfgefährten in die Augen.

Der behielt seinen strengen Blick bei, sagte ansonsten aber nichts mehr. Dinohumon tat es ihm gleich und schweigte nur noch, ehe er sich zum Balkonfenster wandte und die Tür öffnete. Weregarurumon drehte ihm den Rücken zu und ging in Kazuyas Richtung. Auf halbem Wege hielt er inne.

„Aber sei dir eins bewusst: Ich lasse dich nicht aus Mitleid am Leben, sondern weil du einfach nicht die Anstrengung wert bist und du mittlerweile wissen solltest: Ich töte keine schwächeren. Du verdienst es von nun an mit dieser Schande leben zu müssen. Also leb wohl alter Freund….oder auch nicht.“

Das Digimon schritt weiter auf Kazuya zu. Der empfing es mit einem Lächeln der Erleichterung, welches das Tier-Digimon mit seiner abgekämpften Miene erwiderte. Doch im nächsten Moment, wurde das Gesicht des Jungen wieder ernst…Todernst.

„Pass auf, hinter dir!“, schrie er.

Weregarurumon schien wohl allerdings auf das gefasst zu sein, was als nächstes folgte. Es drehte sich blitzschnell um, so dass auch er nun sehen konnte, wie Dinohumon mit mordlustigem Ausdruck und erhobener Axt auf ihn zustürmte.

Während es zum Angriff setzte rief es noch:

„Du verdammter Narr! Ich bringe mich lieber selbst um, als mit deinem Mitgefühl leben zu müssen, aber vorher nehme ich dich mit in die Hölle! Stirb!“

Kazuya war so erschrocken, von dieser plötzlichen Attacke, dass sein Adrenalinspiegel sofort in die Höhe schoss. Er hätte es wissen müssen, dachte der junge Mann. Wie konnte nur so naiv sein und auch nur eine Sekunde lang glauben, dass dieses Dinohumon freiwillig die Segeln setzte…Weregarurumon war allerdings vorbereitet, denn es war wieder blitzschnell in Kampfhaltung. Kazuya hingegen blieben nur wenige Sekunden um zu entscheiden was zu tun, da traf sein Blick den Kartenstapel in seiner Hand. Ohne lange zu überlegen zog er eine von ihnen hervor und führte sie durch das Digivice:

„Card Slash! Boost-Chip!“

„Akinakes!“, brüllte Dinohumon im nächsten Moment und schwang seine Axt in Weregarurumons Richtung. Dieser war dank dem Card Slash nun dermaßen mit Energie geladen, dass es sofort seine eigene Attacke einsetzte:

„Kaiser Nail!“, rief das Wolfsdigimon und schwang seine gewaltigen Klauen, die als rote Energiestrahlen gebündelt, den Angriff Dinohumons in der Luft abfingen.

Es schien als ob die zwei Attacken sich zunächst beharken würden, doch Weregarurumon hatte seine eigene mit dermaßen viel Energie abgefeuert, dass sie das Drachen-Digimon regelrecht durchdrang und dessen Attacke in ihrer Wirkung somit verpuffen ließ. Die mit Energie durchtränkten Krallen des Werwolfes schleuderten Dinohumon quer durch den Raum, bis dieser sogar durch das Balkonfenster krachte und sich für einen Augenblick in luftiger Höhe befand.

Dort blieb er eine Weile stehen, seine Augen mit Schrecken erfüllt. Während Weregarurumon seine Attacke auf seinen Feind losließ, trafen sich die Augenpaare der zwei Digimon für einen letzten Moment.

Der mit Wut und Entschlossenheit erfüllte Blick des Tier-Digimons mit dem von Entsetzen und Fassungslosigkeit gezeichnete von Dinohumon. Dessen Augen wurden schließlich weiß und als die Energiebündel seinen Körper endgültig zerteilten, löste es sich in Datenpartikel auf, die gen Himmel hinaufschwebten und verschwunden blieben.

Kazuya blickte in den dunklen Nachthimmel hinauf. Es war nichts mehr von dem Feind zu sehen und Sekunden später atmete der Junge zum ersten Mal an dem Abend richtig durch. Erleichterung erfüllte ihn, während er gleichzeitig vor Erschöpfung in die Knie sank und die Karten in seiner Hand, wieder zu Boden fielen.

Er sah zu Weregarurumon rüber, doch einmal mehr traf ihn der Schreck, als er beobachtete, wie das Wolfs-Digimon zu Boden sank und schwer keuchend, auf allen vieren dort liegen blieb.

Kazuya machte sich Sorgen, er ging langsam auf ihn zu, wollte wissen was mit ihm war, ob er von dem Kampf einfach zu erschöpft war und ob sonst alles in Ordnung war. Doch der Student blieb stehen. Denn Weregarurumon begann nun merkwürdig zu leuchten. Ähnlich wie vorhin, als Kazuya die Recovery-Karte gezogen hatte, nur dass es dieses Mal nicht beim Leuchten blieb. Fassungslos sah Kazuya zu, wie Weregarurumon in sich zusammenschrumpfte.

Sein Körper wurde immer kleiner, bis sich sogar seine Konturen gänzlich veränderten. Als er aufhörte zu leuchten, fiel der 18-jährige wieder auf die Knie. Er schaute immer noch ein Digimon an, aber nicht das Digimon, mit welchem er den Rest des Abends verbracht hatte. Es war um einiges kleiner als Weregarurumon. Vielleicht 1.30 Meter oder ein bisschen kleiner sogar. Es hatte zwar auch ein dichtes, schwarzes Fell, mit hellgrauen Streifen, aber dafür ein großes, gelb schimmerndes Horn auf seiner Stirn, sowie kurze Beine und Arme. Auf seinem gelben Bauch prangerte ein undefinierbares Symbol. Es sah tatsächlich wie eine merkwürdige Mischung aus Reptil, Wolf und Einhorn aus, aber Kazuya wusste sofort was für ein Digimon es war:

„Gabumon“, flüsterte der Junge, kaum hörbar. Nach anfänglichem Zögern, ging er doch noch auf das kleine Child-Level-Digimon zu und berührte es am Kopf. Schließlich öffnete es seine Augen und sah Kazuya direkt ins Gesicht. Ein warmes, zufriedenes Lächeln breitete sich auf dessen Gesicht aus.

Der junge Mann erwiderte es so gut er konnte, trotz seiner Aufregung und trotz der Tränen, gegen die er erneut ankämpfte. Nur waren es dieses Mal Tränen des Glücks. Es war vorbei. Sie waren beide am Leben und es ging ihnen gut.

„Gabumon“, sagte Kazuya nun etwas deutlicher. „Du hast es geschafft.“

„Nein.“, erwiderte Gabumon mit leiser Stimme. „Wir haben es geschafft. Du hast mir das Leben gerettet.“

Der 18-jährige streichelte das Digimon am Kopf, während er verlegen zur Seite schaute und leicht errötete.

„Ach, Quatschkopf. Jetzt habe ich mich einfach mal revanchiert. Du weißt ja, geben und nehmen.“

Gabumon lächelte weiterhin und versuchte nun aufzustehen. Kazuya war ihm dabei behilflich.

„Aber, ich hab Mist gebaut. Ich hab dir diesen Boost-Chip verpasst und dich quasi mit Energie überladen. Jetzt bist zurückdigitiert….“

Der Junge sah vertreten zu Boden, während in ihm einmal mehr die Tränen hochstiegen.

Er wusste nicht, wie er die passenden Worte finden sollte. Ihm war klar, wie hart Weregarurumon für seine Kraft gearbeitet hatte und wie stolz er auf diese gewesen ist. Nun war sie weg….

“Bitte verzeih mir.“ sagte der junge Mann.

Gabumon legte seinen Arm auf dessen Schulter.

„Ist doch nicht so schlimm. Ich bin immer noch derselbe…naja, eigentlich nicht. Jedenfalls nicht, seit ich dich kennengelernt habe.“

Das Digimon lächelte weiterhin und auch Kazuya sah nun etwas fröhlicher aus. Er war gerührt vom Verständnis und der Offenherzigkeit des Child-Level-Digimons. Während Kazuya den Verlauf des heutigen Abends nochmal vor seinem inneren Augen Revue passieren ließ. Er fragte sich vor allem, ob er nach dem Erlebten, je wieder der selbe sein würde? Vermutlich nicht, dachte er.

Er sah das Digimon vor sich noch einmal an und sagte:

„Das hast du nett gesagt, ich hoffe nur, es ist auch etwas Gutes dabei….“

Gabumon sah nun verlegen aus und antwortete:

„Hm, ich denke schon, eigentlich.“ Kazuya streichelte ihm nochmal über den Kopf.

„Das freut mich zu hören, mein Freund.“

Gabumon blickte erneut zu dem Jungen auf und sah sowohl verwirrt, wie auch neugierig aus.

„Freund?“

Kazuya wurde sofort rot. Er schluckte und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Er war viel zu taktlos und direkt. Er musste sich in Zurückhaltung üben.

„Naja, also, ich meinte eigentlich….“

„Sind wir Freunde, Kazuya?“, unterbrach ihm Gabumon, immer noch mit Verunsicherung und Neugierde in seinen großen, roten Augen.

Kazuya wusste nicht, was er erwidern sollte.

„Nun, also….ich…ich würde mich freuen, wenn ja…du nicht?“

Daraufhin sah Gabumon zu Boden, ehe es schließlich erwiderte:

„Ich hatte bisher keine Ahnung, was dieses Wort eigentlich bedeutete. Aber ich denke…ja, doch. Ich würde mich auch freuen, wenn wir Freunde sind.“

Kazuya fiel ein Stein vom Herzen. Er lächelte Gabumon ein weiteres Mal an, was dieser unsicher aber herzhaft erwiderte. Dem 18-jährigen fiel dann plötzlich etwas ein. Er nahm das Digivice in die Hand und schaute es sich genau an. Schließlich wandte er sich wieder an Gabumon:

„Weiß du was ich glaube?“ Das Digimon betrachtete den Menschen aufmerksam.

„Wir sind nicht nur Freunde. Sondern auch Partner.“

Gabumon schien wohl sehr erstaunt zu sein, diese Aussage zu hören.

„Partner?“ fragte er neugierig.

„Ja, Partner.“, antwortete Kazuya. Er wusste eigentlich auch nicht wie es möglich war, aber er war sich der Sache trotzdem sicher. Er nahm schließlich Gabumons Hand und schüttelte sie, was das Digimon mit überraschtem Blick quittierte. Doch nach einer Weile erwiderte er die Geste, auch wenn er vermutlich nicht wusste, was sie zu bedeuten hatte.

„Und weil wir Partner sind,“, fuhr Kazuya fort. „passen wir in Zukunft aufeinander auf und helfen uns gegenseitig. Was hältst du davon?“

Gabumon sah Kazuya eine Weile unsicher an, während er schließlich erwiderte:

„Klingt gut. Das können wir gerne machen.“ Beide, Mensch und Digimon, lächelten schließlich und schüttelten sich ein weiteres Mal die Hände.

In diesem Moment ging die Wohnungstür und ein mit großen Paketen nur so beladener Masa, betrat das Wohnzimmer.

„Hey, tut mir echt Leid Leute. Ich weiß, es hat lange gedauert, aber ich musste mit diesem blöden Sack von Apotheker ewig diskutieren, nur weil ich 5 Minuten nach Ladenschluss da aufgetaucht bin und er schon zu machen wollte. Jedenfalls habe ich soweit alles bekommen. Ich hoffe ich bin nicht zu spät. Könnten wir uns vielleicht noch schnell ne Pizza reinschieben? Ich hab ziemlichen…“,

doch weiter kam Masa nicht, denn als er aufblickte und sich das völlig demolierte Wohnzimmer, samt fremden Digimon ansah, verschlug es ihm verständlicherweise die Sprache.

Kazuya tauschte in dem Moment mit seinem neuen Digimon-Partner schelmische Blicke aus, die eigentlich viel eher zu dem jungen Mann mit geöffnetem Mund, der da an der Türschwelle verharrte, gepasst hätten. Der 18-jährige Student klopfte Gabumon auf die Schulter, während er sich erhob und grinsend auf seinen, immer noch geschockt aussehenden Mitbewohner zuging. Er nahm ihm eine der großen Tüten ab.

„Ich hab vorhin zwei Pizzen warmgemacht. Setzt dich am besten schon mal hin. Du hast einiges verpasst, Kumpel….“
 

Anmerkung:

Es ist vollbracht, Freunde^^. Das letzte Kapitel meines ersten Fanfic. Es war ein ganzes Stück Arbeit, 2 Wochen um genau zu sein, aber ich bin eigentlich ganz zufrieden. Es würde mich wahnsinnig freuen, wenn ihr mir ein Paar Kommis spenden würdet. Ja, die einzelnen Kapitel sind etwas lang geworden, aber ich wäre dennoch happy, wenn ihr euch durchqäulen und mir dann euere Meinung mitteilen würdet xD. Ein Epilog wird auch noch irgendwann folgen, versprochen. Aber die eigentliche Story an sich, ist dami beendet.

Ach ja, und weil es das letzte Kapitel ist, gibt es dieses mal ganze ZWEI Episodenthemesongs: "Price to Play" by Staind und "Open your Eyes" von Alter Bridge:
 

Staind
 

Alter



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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Von:  _Bloody-Angel_
2012-09-03T18:02:51+00:00 03.09.2012 20:02
Hi,
nun melde ich mich mal wieder zu Wort. xD

Das dritte Kapitel hat mir, wie die bisherigen zuvor, genauso gut gefallen. Ich mag dein Schreibstil wirklich sehr gerne. Der Text lässt sich so schön angenehm und flüssig lesen, dass man mit dem Lesen überhaupt nicht aufhören kann. :D

Was mir an deiner Fanfic besonders gefällt ist, dass du die Handlung nur langsam aufbaust. Der Spannungsbogen steigt für mich Schritt für Schritt an und mit jedem weiteren Kapitel frage ich mich mehr, wann Kazuya mit den Digimon konfrontiert wird. Die Spannung in deiner Fanfic aufrecht zu erhalten, hast du auf jeden Fall hinbekommen. Zumindest meiner Ansicht nach. ;)

Auch das neue Theme hat sehr gut gepasst. Die Musik im Hintergrund hat nur noch mehr dazu beigetragen, dass man sich die Situation rund um Kazuya, Masa und den anderen viel besser vorstellen konnte. Deine Musikwahl ist wirklich toll. :D

Außerdem finde ich das klasse, wie bodenständig du Kazuya beschreibst. Er kämpft mit den alltäglichen Problemen, wie viele andere auch und das macht ihn nur noch sympathischer. :)

Ich freue mich schon, wenn ich weiterlese und wie es zwischen den beiden Digimon hergehen wird. ;)

Liebe Grüße
_Bloody-Angel_

Von:  _Bloody-Angel_
2012-08-21T08:27:44+00:00 21.08.2012 10:27
Hi,

endlich habe ich wieder etwas Zeit gefunden, um deine Fanfic weiterzulesen. :D
Der Titel des Kapitels hat mich zunächst, um ehrlich zu sein, ein wenig stutzig gemacht, da ich nicht viel damit anfangen konnte. xD Aber als ich dann das Kapitel gelesen habe, ergab es natürlich Sinn. ^-^ Das soll nun aber kein Kritikpunkt sein, im Gegenteil.
Das 2. Kapitel fand ich sehr spannend. Vor allem wurde die Auseinandersetzung zwischen Weregarurumon und Dinohumon noch authentisch, als im Hintergrund das Episodentheme lief. Die hast du wirklich richtig passend dazu ausgewählt.
Dein Kapitel ließ sich schön flüssig lesen und war, wie bereits erwähnt, echt spannend. Auf den Kampf zwischen den beiden Digimon freue ich mich schon richtig. Besonders bin ich neugierig darauf, wie du den letztendlich umgesetzt hast und wie du Kazuya in die Ereignisse miteingebunden hast. :D

Liebe Grüße
_Bloody-Angel_
Von:  _Bloody-Angel_
2012-07-21T13:36:18+00:00 21.07.2012 15:36
Hi,

nun habe ich es auch endlich mal geschafft, dir ein Review zu hinterlassen. =)

Also, das erste Kapitel hat mir wirklich super gefallen.
Du hast es prima hinbekommen die Atmosphäre in dem Club einzufangen und wiederzugeben. Genauso wie die Gedanken und Gefühle von Kazuya. Der kleine Einblick in Kazuyas Leben und die Beziehung zu seinem Kumpel Masa waren sehr gut in den Text eingebunden.
Man kann Kazuya sehr gut verstehen und auch nachvollziehen, wie es ihm momentan ergeht. Er steht nun auf eigenen Beinen und das mit 18 Jahren. Er ist für sich selbst verantwortlich und besucht noch nicht lange die Universität Daigaku. Hinzu kommt dann noch, dass er aufgrund seines Alters nicht recht akzeptiert wird. Das alles sind gewöhnliche, ich nenne sie mal Probleme, mit denen er zu kämpfen hat. Es lässt ihn wie jeden anderen Menschen auch erscheinen, wodurch es einem nur noch besser geklingt eine gewisse Sympathie zu ihm aufzubauen.
Dein Schreibstil finde ich sehr gut und versüßt einem das Lesen nur noch mehr. Es macht wirklich sehr viel Spaß, deine Fanfic zu lesen.
Ich bin schon gespannt darauf, wie du die Digimon miteinfedeln willst und vor allem, wie Kazuya darauf reagieren wird.
Deine Fanfic hat mich auf jeden Fall überzeugt weiterzulesen, was ich demnach auch mit Sicherheit tun werde. ;)

LG
_Bloody-Angel_
Von:  Ruki_Mitarashi
2012-07-14T14:22:47+00:00 14.07.2012 16:22
Söööö okay auch hier wieder was über die Charas erfahren sehr schön^^
Ich persönlich mag Weregarurumon sehr gerne und denke auch mal das Kazuya grad um die Ecke kam ... hm ... bin gespannt wies weiter geht ...

greez ruki
Von:  Ruki_Mitarashi
2012-07-14T13:47:50+00:00 14.07.2012 15:47
Pkay Kazuya kann einem echt leid tun aber Tori ist wie er richtig erkannt hat nicht sein eigentum und wenn er sie möchte muss er halt den Hintern zusammen kneifen und tachelis reden ansonsten sollte er ihr vllt fern bleiben naja ..
Ansonsten war das kapi nicht schlecht man hat wieder etwas über die Charakter erfahren ..
freu mich schon aufs nächste kapi

greez ruki

Von:  Ruki_Mitarashi
2012-06-29T21:46:10+00:00 29.06.2012 23:46
Okeks ...
Armes Weregarurumon kann ich da nur sagen aber ein klasse Kapitel!
Ich mag deine Kampfszenen wirklich sehr gerne und ich kann mir das Szenario bildlich vorstellen also gut gemacht!

Mach weiter so!

greez ruki
Von:  Ruki_Mitarashi
2012-06-29T21:33:16+00:00 29.06.2012 23:33
Okay ich bewundere Kazuyas Selbstbeherrschung,ich hätte schon längst zu gehauen denke ich.
Ich mag Tori irgendwie ... weiß auch nicht os ganz warum aber sie ist mir sympatiko xD
Und Shin ist doof und ein Idiot!!!
Ich Drück Kazuya mal die Däumchen ... bin gespannt wann er mir Digimon in Kontakt kommt ...

greez ruki
Von:  Ruki_Mitarashi
2012-06-29T21:23:29+00:00 29.06.2012 23:23
Sööööö ... also ich stelle fest die Kapis mit den Digimon liegen mir mehr ^^"
Könnte aba auch daran liegen, das einfach mehr passiert, zumindest ist es ein wenig aktionhaltiger xD

Aba das die Kapis im Blickwinkel switchen find ich auch gut ... sowas mach ich auch ganz gern zwar nicht immer aba doch schon häufig genug^^

Allerdings, und nenn mich Korintenenkacker, xD aber Weregarurumon ist KEIN Werwolf ^^" auch wenn es stark an einen erinnert xP

greez ruki
Von:  Ruki_Mitarashi
2012-06-29T21:11:44+00:00 29.06.2012 23:11
Okay interessant ... na dann wünsch ich Kazuya mal viel Glück! Armer Kerl ich kenne das ...

greez ruki
Von:  Ruki_Mitarashi
2012-06-29T20:55:57+00:00 29.06.2012 22:55
Wooohhoooo es geht ja zur Sache. Find ich immer gut!!
Ich mag die Darstellung von der realen Welt, wie Weregarurumon sie in der Digiwelt gesehen hat. Erinnert mich an Tamers. Zwar sind ein paar grammatik und Rechtschreibfehlerchen drinnen aber das sieht bei mir nicht anders aus und man kann, finde ich, darüber hinweg sehen. Zumindest bremst es meines erachtens nach nicht den lese Spaß^^
Ich finde es im übrigen interessant wir die zwei Digimon sich artikulieren. Bin gespannt ...

grezz ruki


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