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Little Presents

Wichtel-OS
von

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Ein Schritt zurück

Asuma Sarutobis Tod hatte seine Spuren hinterlassen. Sowohl innerliche, als auch äußerliche. Manche mehr, manche weniger spürbar.

Die Shinobi Konohas trauerten für eine bestimmte Zeit, bis sie der Alltag wieder einholte. Das Grab am Feuerdenkmal wurde immer seltener besucht, die Aufgaben, die Asuma zugestanden hatten, mit traurigen Mienen übernommen. Es dauerte, doch dann verkraftete man seinen Tod, erzählte Anekdoten, trank auf ihn und langsam, ganz langsam schien er den Ersten in Vergessenheit zu geraten. Sobald man Kurenai Yūhi begegnete, die, mittlerweile unübersehbar, ein Kind von ihm erwartete, erschien er einem wieder im Geiste – zumindest für den Zeitraum, bis eine Ablenkung gefunden war.
 

Nicht so für Sakura Haruno. Obwohl sie keine große Verbundenheit zu Asuma Sarutobi aufweisen konnte, war er ihr präsent wie noch nie.

Seine indirekte Anwesenheit machte sich ihr im Spätsommer bemerkbar, verfestigte sich im Herbst und wurde im Winter schließlich zur Gewohnheit. Es fiel ihr schwer, mit seinem Tod umzugehen, wenn sie Tag für Tag an ihn erinnert wurde, dennoch bewies sie Stärke. Ihr Leiden war nichts im Vergleich zu dem, was Team 10 erlitt. Chōji Akimichi schien weniger enthusiastisch als sonst, aß seltener und auch seine Hilfsbereitschaft schwand. So auch Ino Yamanaka, die Sakura mittlerweile als selbstbewusste junge Frau kannte, zeigte weniger Stärke als sonst. Sie schien noch nicht einmal mehr die Kraft dazu aufzubringen, Sakura zu beleidigen, wie sie es eigentlich immer zu tun pflegte. Diese innige Rivalenfreundschaft hatte eine Art Knick erlitten. Zugeben täte sie es nie, aber insgeheim vermisste sie die Sticheleien, die sie beinahe täglich mit Ino austauschte.
 

Am ärgsten traf Asumas Tod wohl seinen dritten Schützling.

Shikamaru Nara schlurfte nunmehr desinteressiert und mit hängenden Schultern durch die Straßen Konohas, ohne auch nur irgendetwas mitzubekommen. Er reagierte nicht auf seinen Namen, er lag nicht mehr im Gras und beobachtete die Wolken bei ihrem Weg und auch das Shōgi-Spielen schien er aufgegeben zu haben. Stattdessen war er stets mit einer qualmenden Zigarette zwischen den Lippen vorzufinden, die mit ihrem rot glühenden Ende lebendiger als ihr Konsument wirkte. Rauchschwaden waberten über seinem Kopf, versperrten ihm für einen kurzen Moment die Sicht und mussten das widerspiegeln, was in Shikamarus Innerem vor sich ging. Graue Nebelwände, die ihn immun gegen seine Umwelt machten, das indirekte Erbe Asumas, das einzige, für das er zu leben schien. Die sonst so müde aussehenden Augen hatten einen trüben Ausdruck eingenommen, waren durch die ständige Reizung rot und ließen keinen Platz dafür um sagen zu können, was in ihm vorging. Er war für seine Mitmenschen schlichtweg unnahbar.
 

Es verging kaum ein Tag, an dem Sakura Shikamaru nicht beobachtete, während er seinen Weg vorbei an ihrem Zimmerfenster ging.

Bei jeder Wetterlage schlug er sich durch halb Konoha, bis er zum Friedhof gelangte und stumm vor Asmuas Grab stand. Das Feuerdenkmal war der einzige Ort, an dem er nicht rauchte. Stattdessen legte er den qualmenden Stängel auf die Marmorplatte und schaute ihm beim Herunterbrennen zu. Zwei Mal war Sakura ihm mit sicherem Abstand gefolgt und hatte feststellen müssen, dass es ihr fast das Herz zerriss, Shikamaru so leiden sehen zu müssen. Dennoch war sie sich sicher, dass die Zeit auch diese tiefe Wunde heilen würde – auch wenn sie dafür etwas mehr Kraft bräuchte. Es war ausgeschlossen, dass er vergaß, aber sich auf einen neuen Zustand einzulassen konnte einfacher werden, als man es erwartete.
 

Es war Ende Winter, als Sakura mehrere Veränderungen bemerkte.

Es begann damit, dass der letzte Schneesturm der Jahreszeit sich legte und stattdessen ein Stück blauer Himmel aufbrach, der den Anfang des Frühlings vorausdeutete. Nun hieß es nur noch abwarten, bis die dicke Schneedecke geschmolzen war und die ersten Pflanzen begonnen, sich mit immer schöner werdender Eleganz der Sonne zuzuneigen. Etwas in Sakura verriet ihr, dass auch dieser Frühling ein Neuanfang würde, schließlich hatte sich in den letzten Monaten sehr viel getan. Einerseits brannten mehr und mehr Konflikte zwischen den einzelnen Ländern aus, andererseits entwickelte sich ein immer fester werdender Strang an Handelspartnern untereinander, sodass es gleichzeitig zu Friedensbeschlüssen kam, die das Leben merkbar erleichterten. Eine geringere Zahl an nervenaufreibenden Missionen, die gesundheitliche Opfer mit sich brachten und somit weniger Arbeit für Sakura und die anderen Iryōnin. Eine Tatsache, die sich gerne lobte. Die Wirtschaft ist das A und O in einer Gesellschaft zwischen Krieg und Frieden, wie der Godaime Hokage Tsunade es immer zu sagen pflegte.
 

Des Weiteren war es der erste Tag, an dem Shikamaru seinen gewohnten Weg zum Friedhof nicht zu seiner gewohnten Zeit ging.

Die kleine, mit Schnee überzogene Brücke Richtung Friedhof, die Sakura von ihrem Fenster aus sehen konnte, lag noch genauso unberührt da, wie vor einer Stunde. Normalerweise waren zu dieser Uhrzeit tagtäglich die schweren Fußabdrücke des trauernden Shinobi zu sehen – doch nicht so an diesem Tag. Einige Spuren deuteten darauf hin, dass eine Gruppe an Kindern den letzten Schnee genutzt und eine Schneeballschlacht veranstaltet hatte, aber keiner von den kleinen Füßen hatte sich auch nur in die Nähe der verschneiten Brücke bewegt. Dieser unberührte Zustand verunsicherte Sakura zusehends. Sie bildete sich bereits ein, dass der kurze, hölzerne Weg bereits im trüben Nebel verschwand und lediglich eine Monate anhaltende Illusion ihrerseits war, als sie aus den Augenwinkeln Shikamaru wahrnahm.
 

Weitaus mehr als drei Stunden Verspätung – und mit Begleitung.

Nach einigem Blinzeln konnte Sakura Ino Yamakanka erkennen, die mit dickem Pullover, bis unter die Nase gewickeltem Wollschal und Winterstiefeln neben Shikamaru her stapfte. Sie konnte ihre Mimik nicht sehen, doch erkannte Sakura an ihrer Körperhaltung, dass Ino sich vor kurzem fürchterlich aufgeregt haben musste. Ihre Schritte waren energischer als für sie in letzter Zeit üblich und hatte sie ihre Hände, die sich vor Kälte bereits verfärbten, zu Fäusten geballt. Vor einigen Jahren war das die Haltung die sie einnahm, wenn sie und Sakura sich um ihren Schwarm stritten und keine der anderen eine bessere Attitüde zugestehen wollte. Dieses Mal aber lag etwas anderes, eine Sakura unbekannte Regung in ihrem Gesicht. Es sah aus wie ein Gemisch aus Entschlossenheit, Wut, Ärger und in gewisser Hinsicht Trauer. Die Blicke, die sie Shikamaru zuwarf, sprachen von Unverständnis, einmal schien Ino sogar den Kopf über ihren Kameraden zu schütteln, der lustlos wie eh und je, die behandschuhten Hände ungeschickt neben sich her schlackernd, seinem Weg nachging. Sakura fragte sich, ob er Ino überhaupt wahrnahm …
 

Ein weiterer Abschnitt seines Lebens begann, als Ino Shikamaru abrupt zurückhielt und am Weitergehen hinderte. Dabei hatte der Weg vorbei an Sakuras Fenster bereits unendlich lange Momente gedauert.

Es wäre der letzte Schritt, der den jungen Shinobi und die Brücke, die zu dem alten Friedhof führte, voneinander trennte. Eine Bewegung und doch ein immer wiederkehrendes Muster. Jede Länge, die Shikamaru in Richtung Friedhof zurücklegte, schienen ihn mehr und mehr sich selbst verlieren zu lassen. Verloren und sich verändernd. Das war es, was Asumas Tod mit ihm veranstaltete. Ein im Gesamten zu betrachtende negative Entwicklung, die es zu stoppen hieß. Und genau das tat Ino, in dem sie ihn zurückhielt. Sakura konnte sich sehr wohl den undefinierbaren Blick vorstellen, den Shikamaru ihr nun zuwarf. Dennoch blieb er stehen, tat den letzten Schritt nicht, der ihn nur noch weiter in das graue Loche zöge, in dem er lebte.
 

Weitere Ewigkeiten verstrichen.

Sakura meinte, beinahe ihr eigenes Herz schlagen zu hören.

Die Stille um sie herum war zerdrückend.

Und auch Ino wagte es nicht, sich zu rühren, schaute nur weiter ihren Freund an.

Weitere Ewigkeiten verstrichen.

Und dann ein kleines Lächeln.

Das Erste seit Monaten, das es wagen durfte, sein Gesicht zu betreten.

Und dann.
 


 

Ein Schritt zurück.
 


 

Ein Schritt zurück in das Leben. In die Welt, in der die Zeit weiterlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2014-07-02T17:22:56+00:00 02.07.2014 19:22
Meine liebe Quiana,

endlich komme ich dazu, dein kleines Meisterwerk auch entsprechend zu kommentieren. :)

Erst einmal 1000 Dank für diesen Wichtel-OS! <3 Nach deiner kleinen Einleitung war ich sehr auf dein Geschriebenes und im Nachhinein kann ich sagen, dass du mit gutem Recht auf diesen OS stolz sein kannst.

Ich habe selten etwas gelesen, was so treffend den Begriff 'Trauer' umschreibt. Es ist nicht einfach nur 'Er war traurig und in sich gekehrt', du umschreibst mit wunderschönen Worten (wirklich, ich VERGÖTTERE deinen Schreibstil! *-* Du nutzt so viele sprachliche Bilder und es klingt immer sehr harmonisch und liest sich sehr, sehr angenehm. Kompliment dafür!) die verschiedensten Facetten und lässt die Trauer so allgegenwärtig und echt wirken. Außerdem gefällt mir die Erzählperspektive: Sakura als stille Beobachterin zu wählen war wirklich ein Geniestreich. Und so passend! Man konnte sich bildlich vorstellen, wie er Tag für Tag an ihrem Fenster vorbei geht und sie es mit wachsender Sorge beobachtet.

Auch finde ich es schön, wie du die Bedeutung des Wortes 'Frühling' dezent eingeflochten hast und es quasi auf Shikamarus Trauerphase bzw. seine Gefühlswelt übertragen hast. :) Alles fügt sich perfekt ineinander und gibt ein stimmiges Gesamtbild.

Meine Wünsche und Vorlieben hast du ebenfalls alle beachtet - ein großes Danke dafür! Besonders die Tatsache, dass es nicht in einem AU spielt, sondern wirklich in der 'Naruto-Welt' fand ich sehr sehr schön. Man merkt übrigens kein bisschen, dass du dich an dem Genre Drama zum ersten Mal vertieft versucht hast. Tränchen hatte ich bereits bei dem zweiten Satz im Auge. :D Wirklich schön. Es ist nicht überladen von Kitsch, es ist dezent und geht dennoch umso tiefer unter die Haut und besonders am Ende musste ich einmal laut schniefen. <3 Ich mag es, das es kein großes Geschrei oder die Ansprache zum Sonntag von Ino gab, sondern einfach nur dieses Zurück halten. *-* T.T Das ist unglaublich schön.

Alles in allem bin ich wirklich begeistert und danke dir von Herzen für diesen OS! <3 :)

Alles Liebe
abgemeldet


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