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Halo

von

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Lichtbestäubt

Bye, Krea-Tief, hallo Ideenreichtum!
 

Viel möchte ich nicht hierzu sagen, nur wieder das Versprechen, dass ich mehr aus der Sache rausholen werde; ich bin einfach kein Fan von kurzen Geschichten, selbst mein One-Shot endete dann in drei Kapiteln, herrje.
 

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„War das denn unbedingt notwendig?“

Es klirrte leise, der Ton blieb einen Augenblick in der Luft hängen und verhallte dann ohne jegliche weitere Beachtung. Ein leises Gluckern, dann wurde das Klirren in ähnlicher Form wiederholt.

Schritte.

„Du weißt schon, dass ich nicht immer direkt Zeit für dich haben kann? Nächstes Mal lass ich dich erst etwas bluten.“ Nachdem er das Desinfektionsmittel auf ein steriles Tuch gegeben hatte, war Raphael zurückgekehrt, zog sich den Stuhl heran und begann, die Hand Michaels zu säubern. Dieser zuckte mit den Schultern, schaute den blonden Engel nicht an; so gut kannten sie sich immerhin nicht und nur, weil er und Raphael zufällig zwei der vier Schutzengel der Natur sein sollten, würde er sich nicht mit ihm anfreunden, da waren Gespräche immerhin keine Pflicht für ihn. Wobei der angehende Arzt das kleinste Übel war, wenn man es denn mit den anderen beiden verglich; Uriel, der regelmäßig ganze Flächen verwüstete oder Jibril, die… ein Mädchen war. Das allein war kein Grund sie nicht zu mögen und seinen Gefühlsstatus ihr gegenüber zu bezeichnen wäre übertrieben aber ihre Art schmeckte dem Rotschopf schlichtweg nicht.
 

„Michael? Was genau hast du da eigentlich gemacht? Deine Hand sieht… schlimm aus“, meinte Raphael und blickte auf eben noch benanntes Körperteil; zerschnitten wäre eine glatte Beleidigung, das galt einem Massaker. Doch wie zuvor erhielt er keine Antwort und so resignierte Raphael in dem was er tat und kam einfach seiner Pflicht nach. Er wusste, dass der junge Feuerengel eigentlich die Behandlung durch Bal bevorzugte statt sich zu ihm zu begeben doch sie schien momentan keine Zeit zu haben, andernfalls sah er den Rothaarigen nur sehr selten, konnte mit seiner Art auch wenig anfangen. Michael war – ganz dem Element entsprechend, welches noch so ungeübt Kontrolle über ihn hatte – ein Hitzkopf und scherte sich meist herzlich wenig um die Belange anderer. Politik interessierte ihn nicht und Anweisungen nahm er nur mit Widerwillen entgegen; vermutlich würde sich das nur verschlimmern, wenn er erst einmal älter werden würde – dann würde er ganz seinen Kopf durchsetzen, da war sich Raphael sicher. Irgendwie tat er ihm auch leid, der Zwillingsbruder von Luzifel zu sein bedeutete Erwartungen, denen man unmöglich gerecht werden konnte. Sowohl von anderen wie auch sich selbst denn dass er wie ein Schatten am Anwerber für den Platz des Morgensterns klebte wusste Raphael trotz aller Kontaktschwierigkeiten, das war bisher immer so gewesen denn ebenfalls schon immer war es der Engel mit dem schwarzen Haar, welcher vor Talent und Intelligenz strotzte und trotz ihrer Verbundenheit als Zwillinge war er auch stets etwas größer als Michael gewesen; dies wurde immer deutlicher denn auch Raphael hatte ihn inzwischen überholt, während der andere irgendwie… bisher nicht mehr wuchs.
 

„…mir Bescheid bevor du mich abknutschst, ja…?“

Raphael blickte auf, hatte er sich doch vollkommen in seinen Gedanken verloren und dabei wohl unentwegt träumend auf das Gesicht des etwas Kleineren geschaut. Dieser hatte sich jedoch nicht die Mühe gemacht sich zu bewegen und blickte nun lediglich auf ihn, verzog etwas die Miene.

„Wie meinst du?“, versuchte der Blauäugige sich zu retten und senkte den Blick schnell wieder auf die Wunde, putzte wieder und wieder drüber.

„Ob du es einfach heilen kannst hab ich gefragt aber du antwortest ja nicht… starrst mich an wie sonst was…“ Scheinbar ziemlich entnervt stützte er das Kinn in der gesunden Hand ab, wandte Raphael so halbherzig den Rücken zu. Dieser ermahnte sich in Gedanken zur Vorsicht und ließ dann doch ein Seufzen vernehmen. „Tut mir Leid so weit bin ich noch nicht... Kleine Kratzer, Schürfwunden, eine Erkältung vielleicht aber du hast regelrecht Schindluder mit deiner Hand getrieben solche tiefen Schnittwunden krieg ich nicht geheilt… noch nicht.“ Dass ihm eine viel versprechende Stellung als größter Heiler im Himmel zugesprochen war wusste Raphael doch noch war er lange nicht an diesem Punkt angelangt, er lernte ja noch mit seinem ihm zugetragenem Element umzugehen. Hinzu kamen die Kräfte des Heilens und solche Zwischenfälle machten es ihm nicht leichter, sich besten Gewissens aufs Lernen zu konzentrieren.
 

Plötzlich entzog sich das Objekt seiner verzweifelten Behandlungstechnik aus seinem Griff, Michael rückte einen herab gerutschten Riemen seiner Hosenträger zu Recht, nur damit dieser augenblicklich wieder von seiner Schulter fallen konnte; die Bewegung unterließ er ein zweites Mal und erhob sich, wandte sich zum Gehen ab. „Macht nichts, bis dann.“

„Moment…“ Raphael erhob sich rasch, drückte das sich rosa verfärbte Tuch in der Hand fest zusammen und schaute auf den sturen Rotschopf. „Wenn du wieder Dreck in die Wunde bekommst, entzündet sich das vermutlich und dann…“

„Hör auf rumzuheulen, Raphael und übertreib nicht immer. Nicht jede verdammte Wunde eitert fröhlich los wenn mal etwas Sand drankommt und nicht jedes Niesen wird zu einer mittelschweren Hirnhautentzündung oder sonst ein Dreck. Mach deinen Job und komm damit klar, wenn dir deswegen nicht jeder vor Dankbarkeit die Füße ableckt.“ Das war typisch und doch etwas sehr wüst für Michaels Verhältnisse. Verletzt fühlte der Blonde sich schon lang nicht mehr durch diese schroffe Art, dennoch würde er ihn manchmal gern packen und mit dem Kopf in ein Becken voller kaltem Wasser drücken, doch solcherlei Rachegelüste erstickte er im Keim, um solch ein sündhaftes Gefühl gar nicht erst zuzulassen. Außerdem kannte er ihn eben mit genau dieser Masche, ernsthaft böse würde er deswegen nie werden können.
 

Gegen seinen folgenden Abgang konnte Raphael dann auch nichts mehr tun und so verließ Michael ihn in seiner scheinbar undankbaren Art wieder, nutzte hierzu das Fenster und stieß sich ohne weitere Umstände in die Lüfte. Dass er ohnehin mit so einem Schnitt zum begabten Genossen ging zeugte von geistiger Umnachtung Seinerseits denn eigentlich würde er deswegen höchstens – und dann auch nur, weil es ihm lästig werden würde – Bal aufsuchen doch diese war für ihn im Moment unauffindbar und so respektierte er einfach aus reinem Mangel an Interesse einer Suchaktion diesen Umstand.

Als er die Hand bewegte konnte er ihn deutlich spüren, doch einen feuchten Dreck würde er tun und dem gewissenhaften Heiler in Spe unter die Nase reiben, wie dies passiert war. Irgendwann war seine Hand wieder vollkommen einsatzfähig also sah er einfach keine Notwendigkeit, sich deswegen einer vermutlich folgenden Diskussion zu stellen, die ihn auf Grund einer anderen Meinung als seiner eigenen wenig interessieren würde.

Außerdem hatte er eh nicht vor, sich noch einmal von Raphael behandeln zu lassen und damit verlor er das Bedürfnis, sich weiterhin damit zu beschäftigen.
 

Mit einigen stolpernden Schritten setzte der junge Engel auf dem übertrieben pompösen Marmorboden außerhalb des Gebäudes auf, in welchem sie hausten. Sie – das waren er, sein Bruder und ein ebenso übertrieben hoher Stab von Angestellten – hielten sich allerdings nicht häufig hier auf, ein weiterer Grund dafür die schier manische Verschwendung des Himmels einmal gründlicher unter die Lupe zu nehmen; nur nicht jetzt. Michael befand, dass er keine Zeit für Spitzelarbeiten aufbringen konnte, da er sich noch in einigen laufenden befand. Projekte nannte er es, das beruhigte weniger sein Gewissen als dass es das unüberlegte Plaudern verhinderte und bevor er sich mit Spion verplapperte, konnte er lieber von sinnvoller Beschäftigung sprechen und so einigen lästigen Fragen gekonnt ausweichen.
 

Es waren nicht unbedingt immer Spionagearbeiten, die ihn stets durch diese kalten Gänge trieben, welche sie sein Zuhause nannten. Diesen perfekten, großzügig geschnittenen Ort, angepasst auf ihre Bedürfnisse. Das bedeutete im Falle seines Bruders ein nahezu pompöses Angebot erlesener Bücher, Karten aller Länder dies- und jenseits des Himmels und diverser Auszeichnungen, die er trotz seines jugendlichen Alters bereits erhalten hatte.

Im Falle Michael sprach man hier von einem wärmenden Kamin in einem Raum, dessen Beschaffenheit es erlauben würde, sich zu späterer Zeit, wenn die Kräfte des Feuerengels ausgereift waren und er vermutlich nicht mehr empfindlich auf Hitze reagieren würde derart aufheizen zu lassen, dass kaum ein anderes Wesen dort frei atmen können würde.

Nun jedoch noch nicht, noch konnte er sich verbrennen, reagierte verhältnismäßig empfindlich auf die Strahlen der Sonne und anderweitig heiße Sachen. Es wurde immer besser doch noch würde er sich nicht wagen, seine Haut mit fremden Flammen zu schmücken. Die eigenen machten ihn oftmals nervös, diese Fähigkeit, mit seiner Astralkraft eine so unermessliche Kraft heraufzubeschwören versetzte ihn in eine langsam schwindende Angst, doch noch war sie eben da.
 

Vieles war noch da, was sich erst bessern musste und wenn er durch die sauber geputzten, strahlend hellen Gänge des Gemäuers schritt wusste Michael auch, was dazu gehörte.

Perfekt, wie bereits erwähnt. Dekorationen – nicht überzogen aber doch derart in Szene gesetzt, dass sie das allgemeine Bild zu einer harmonischen Einheit vermengten. Nirgends würde eine gesprungene Bodenplatte ins Auge fallen, die Fenster waren geputzt und heile. Kein Möbelstück bedeckt mit Schmutz oder einer Staubschicht und dies obwohl sie kaum benutzt wurden; wann saßen Luzifel und er schon zusammen? Sie befanden sich an den genau entgegengesetzten Teilen des Gebäudes und hatten sich das letzte Mal vor einigen Wochen gesehen und vom Standpunkt sich ihm aufdrängen zu müssen war der Rothaarige inzwischen weg.
 

Die Finger ließ er an der Wand entlang gleiten; bereits jetzt konnte er die Wärme spüren, die aus seinem Zimmer strömte, die Mauer entfernt erwärmte und dabei waren es noch mehr als einhundert Meter, die ihn von dort trennten. Ob er wirklich dort hinein wollte war nicht von Belang, er würde es müssen. „Ich hasse es, etwas gegen meinen Willen zu tun“, murrte er leise vor sich hin und fühlte sich wieder einmal von sich selbst hintergangen denn so sehr Michael sich auch wehrte – er entkam sich selber nie. Das klang vielleicht wie die Diskussion einer multiplen Person mit seiner weniger erfreulichen Seite, doch für Michael war es bittere Realität; ob er wollte oder nicht, irgendetwas setzte sich immer in ihm durch, was er am Liebsten zerstückeln und dann aufessen würde.

Wenn er nun die Schuhe ausziehen würde wäre es das gleiche Spiel; die Wärme würde ihm förmlich entgegen kriechen und darum flehen, sich bei ihm aufzuhalten. Irgendwann, dachte Michael und stieß dann doch die Tür zu seinem Zimmer auf. Das Feuer im Kamin brannte auf einer geringen Basis, das genügte ihm auch; noch war ihm nicht so kalt, wie es später einmal der Fall sein würde. Das hatte man ihm bereits offenbart und Michael war wahrlich nicht begeistert, dieses Leben in Aussicht gestellt zu bekommen.
 

Er drückte mit der Fußspitze gegen den Hacken seines linken Schuhs, schlüpfte aus diesem heraus und wiederholte dies auch auf der rechten Seite, trat sie dann achtlos unter sein Bett. Im Zimmer war nicht viel zu sehen, er hielt nicht viel von Figuren und Büchern; ehrlich gesagt war Michael sich noch gar nicht sicher, was einmal aus ihm werden sollte und wo seine Interessen und Talente lagen. Er als prophezeiter Unglücksbringer, als Bote der Dunkelheit sollte sich einfach keine Gedanken um sein Wesen an sich und der Reaktion des Himmels auf dieses machen, das empfand er als unnötig. Wie es wohl geschehen würde? Sollte er ihnen den Krieg erklären? Seinen Bruder bekämpfen, die anderen Erzengel; was würde aus seinem Element werden? Würde das Feuer ihm je gehorchen können? Oder spürte es seine Unreinheit und würde besten Falls schlichtweg seine Innereien zerkochen?

„Ist doch alles kacke“, murrte er leise, ließ sich mit ausgebreiteten Armen rückwärts auf sein Bett fallen und blickte auf das gespannte Tuch über sich, welches den Himmel symbolisierte; den des Bettes. Auch das bereitete ihm Unbehagen, denn es erinnerte nur an den Grad des Verrates, den er begehen würde. Wen es letzten Endes wirklich betraf, würde sich zeigen denn trotz der entnervenden Politik hier war es eben sein Zuhause.
 

Was also konnte er mit sich anfangen? Zum Versagen geboren erschien ihm wenig motivierend aber trotzdem war dort der Funke, seinem Schicksal entfliehen zu wollen; wenn er sich gegen all dies auflehnen würde, die Prophezeiung einfach umgehen und sich selbst einen Namen machen? Nur wie war eben noch die Frage.

Raphaels Weg war im Gegensatz zu seinem erschreckend klar: Heiler. Leiter aller rehabilitierenden Maßnahmen, Mitwisser und Benutzer jeglicher Heilungsformeln. Uriel schien sich dem hohen Gericht zuzuwenden; momentan als einfacher Assistent doch auch er strebte mehr an; oberster Justiziar, Engel der Vollstreckung.

Jibril: Politik. Ihr Mitwirken war Michael nicht sonderlich bekannt einzig aus dem Grund, dass er sich nie wirklich mit ihr unterhalten hatte – bis auf ihre Tadel bezüglich seines Verhaltens. Dass sie jedoch unter anderem auf Einhaltung der Gebote pochte, war bekannt. Auch, wenn er ihre Methoden nicht vollkommen unterstützte so hatte sie von den hohen Tieren dort die mitfühlendste Art, ihre Ziele zu erreichen. Wenn erst Zachäus seinem Posten beraubt sein würde, denn noch oblagen ihm die triftigsten Entscheidungen; so auch die Pflege von Metatron.

Die direkte Pflege betraf es nicht, aber eben die unmittelbare Befehlsmacht über den Seraphen.
 

„Und jetzt kommst du, Michael“, murmelte der Rothaarige sich selbst zu und rümpfte die Nase. Wie konnte er ihn vergessen – Luzifel. Anwärter auf den Titel des Morgensterns, die höchste Auszeichnung direkt nach Adam Kadamon, dem heiligen Einsiedler. Noch war nichts sicher aber in dieser Hinsicht vertraute Michael ganz den zahlreichen Talenten seines Bruders.

Was seine eigenen betraf…

Es war nur eine schnelle Idee gewesen doch sie gefiel ihm immer besser; was hatte er schon zu verlieren? Mehr als ein ‚Nein‘ konnte man ihm nicht geben und da er nicht gewillt war ein solches zu akzeptieren würde er irgendwie ans Ziel kommen können. Natürlich, er hatte Potenzial, die Aussicht, dass er in späterer Zeit als Bezwinger des Feuers unter ihnen war, würde ihm sicherlich einen Pluspunkt bei der Bewerbung schenken. Immerhin galt sein Element als gefährlichstes unter allen; auch, wenn er sich das noch nicht wirklich vorstellen konnte, bisher fühlte er sich nicht wie jemand, dem diese Macht zu kontrollieren gegeben war.
 

Nun ging er dieses Thema das gefühlte sechstausendste Mal im Kopf durch, für gewöhnlich überlegte er nicht so lange über eine Sache, die ihm richtig erschien und ehrlich gesagt war nun Zeit zu handeln; sich seinem Schicksal ergeben? Niemals!

Einziger Störfaktor war nun seine kaputte Hand, aber selbst die würde wieder verheilen und da es die linke Seite war, würde es ihn nicht sonderlich behindern, für gewöhnlich nutzte er mehr die rechte.

Gedanken über seine Kleidung machte er sich im Folgenden kaum; es sollte nur praktisch sein denn der Mann, den er aufsuchen wollte, war bekannt für seine einfordernde Art und auch, wenn er noch mit Überzeugungsarbeit seinerseits rechnete, war er besser vorbereitet: für den Fall der Fälle.
 

Stiefel mit fester Sohle, eine nicht zu großzügig geschnittene Hose, die ihn in den Bewegungen möglichst ungehindert hielt und ein einfaches, ärmelloses Shirt in schwarz. Sein Haar war kurz, er benötigte keinen gebundenen Zopf und Schmuck trug er ebenso nicht. Was nun wirklich noch störte, war eben doch die Hand. Es ging schlichtweg um den Eindruck, den es machen würde; verletzt aufschlagen, dann könnte er gleich wieder gehen. Oder um eine Stelle betteln, aber das lag nicht in seiner Natur und war in keinster Weise auch nur der Ansatz einer möglichen Option.
 

Er fand noch fingerlose Handschuhe aus Leder; immerhin, das würde reichen. Ein Verband erschien ihm ebenso unseriös und… nun hatte er sich doch um sein Auftreten gesorgt, wunderbar. Nun ja, besser so als eine Niederlage zu verbuchen. „Scheiß Erwartungen“, murrte der kleine Engel trotzdem, zog den Handschuh der rechten Hand noch einmal fest am Riemen nach; es zog links, doch das konnte er aushalten. Raphaels dämliches Herumgereibe hatte die Wunde gereizt und nun brannte sie eigentlich stetig, reagierte äußerst empfindlich auf jede äußere Beeinflussung.
 

Als Michael sich schließlich der Tür zuwandte, fiel sein Blick doch noch einmal über die Schulter, hinein in die knisternden Flammen des Kamins. Er zögerte kurz, schritt dann doch noch einmal auf diesen zu, blieb knapp vor ihm stehen; es knirschte, als er mit den Stiefeln auf die Kohle von verbranntem Holz trat, welche aus der Feuerstelle auf den Boden gefallen war.

Eine Haarsträhne hing ihm in die Augen; rot und anklagend, dass er sich selber nicht entfliehen konnte. Er war nun einmal der Engel des Feuers, da konnten sie ihn noch so sehr verachten; er und nicht Luzifel war es geworden!

Die Wärme erfasste schnell den gesamten Vorderkörper und legte sich schwer auf die Haut, welche sich unnatürlich heiß anfühlte; es schmerzte schon fast und als er doch die Hand ausstreckte, schlug ihm nur zu schnell der Schmerz der Flammen entgegen. Im letzten Moment zog er den Arm zurück, doch die Warnung war deutlich; er war noch nicht bereit.
 

Schnaufend trat er den Rest des Kohlestückchens in die Flammen, lief dann im Eiltempo zur Tür und riss sie auf, stürmte den Gang entlang ohne der Gestalt am Ende besondere Beachtung zu schenken; Luzifel, doch auch dieser schien den Bruder kaum wahrzunehmen – und wenn, hegte er kein Interesse bezüglich eines Gesprächs. Umso besser, nun wollte er nicht mehr um diese Sache herumdrucksen, die Zeit war einfach gekommen und so spannte er, kaum aus dem Gemäuer heraus, welches ihm doch so derart wie ein Gefängnis erschien, die Flügel und ließ sich in die Lüfte heben.
 

Sein Ziel war klar und mit permanentem Nähern verschwand auch der Zweifel, dass man ihn fortschicken würde. Michael war bei Weitem nicht von sich überzeugt; das konnte er neben seinem ‚großen‘ Bruder gar nicht sein, wie denn auch? Dennoch würde er einfach nicht gehen, er war nicht vollkommen untalentiert und garantiert niemand, dem man den Ernst des Lebens lehren musste um zu begreifen, dass nicht alles ein Spiel war.
 

Er hörte sie nicht, er sah niemanden und wusste doch, dass sie ihn bereits entdeckt haben mussten. Bestimmt nicht alle aber immerhin die, die schon länger dabei waren. Im Gegenzug jedoch erhaschten einige Bewegungen die Aufmerksamkeit des Erzengels; sie waren unvorsichtig, hatten ihn erkannt und wägten sich in Sicherheit. Einige mochten wissen, dass er Luzifers Bruder war doch für den Großteil der Engel waren die vier Schützer der Natur noch Unbekannte, lediglich Namen, die in eine große Rolle wachsen würden. Gesichter kannte kaum jemand, sie waren noch zu ungeübt, um sich zu präsentieren.
 

Als er landete – wieder stolpernd, sich jedoch fangend – war dort nichts als ein Gebäude, welches zweckmäßiger nicht sein könnte; ein paar schiefe Fenster ohne Glas, ein Dach, welches beinahe unter seinem eigenen Gewicht zu brechen drohte und eine schwere Tür aus eisernem Werkstoff, vermutlich Stahl. Keine Blumen, unebene, flachgetretene Stufen und die Abwesenheit von allem, was für Wohlbefinden sprechen könnte.

Der Rothaarige reckte den Hals, blickte die abbröckelnde Fassade empor und neigte den Kopf auf die Seite, rümpfte ein zweites Mal in kürzester Zeit die Nase. Schritte ließen ihn seinen Bezugspunkt wechseln und ließen ihn auf einen Mann schauen; zerrissene Kleidung, Schmutz in jeder verzweifelt nach Sauerstoff schreienden Pore. „Was willst du, Kind?“ Das hatte er jetzt besser überhört, widmete sich wieder der Fassade.

„Ich will Berjael sprechen.“ Will, nicht möchte oder dürfen. Er wollte es und wenn dieser Kerl dort das einzige Hindernis war – bitte.

„Kannste knicken“, kam ihm dann frech an die Ohren, woraufhin er den Kopf wieder wandte. „Und warum?“ Er trat schon einen Schritt näher, zog eine Augenbraue in die Höhe.
 

Der andere grinste, spuckte ihm vor die Füße.

„Weil Hosenscheißer nur Zeitverschwendung für den Boss sind. Geh nach Hause sonst leg ich dich übers Knie, du Wicht.“

„Was bist du denn für ein Vogel?“, fragte Michael doch etwas irritiert; Witze wegen seiner Größe? Das kam selten vor, er konnte die Augen und Ohren davor verschließen, schließlich waren ihm derart plumpe Provokationen schlichtweg zu primitiv, um sie überhaupt irgendwie zu würdigen, doch der hier wollte ganz offensichtlich Ärger machen. Schön, deswegen war er aber nicht hier.

„Mama Spatz bin ich und nun zurück ins Nest, Piepmatz.“

„Spatzenhirn, mehr auch nicht. Verpiss dich und lass mich zu Berjael, du Gockel.“ Ornithologie war eigentlich nichts für ihn aber der legte es ja drauf an.
 

„Haste Sand vom Spielen in den Ohren? Nein hab ich gesagt. Du Winzling kannst…“ Dann ging es plötzlich ganz schnell; der Mann mit dem mausbraunem Haar gab einen kurzen, überraschten Laut von sich, sank dann in sich zusammen und krümmte sich, presste die Hände flach auf den Bauch. Von unten her blickte er nach oben, neben ihm war der Neuankömmling zum Stehen gekommen, starrte ohne eine weitere Gefühlsregung herab. Plötzlich wurde dem Engel mit Namen Emhom kalt; unermesslich kalt und er ersparte sich einen weiteren, dummen Kommentar, wandte den Blick ab. Die Tür gab ein leidendes Knarren von sich, dann sah er noch die Stiefel des Kurzen im Inneren des Gebäudes verschwinden. Als die Tür sich wieder schloss, lag Emhom auf Seite und begann zu lachen; schallend, spottend. Er wollte zu Berjael? Nun… sollte er nur gehen. Der Heerführer des Himmels würde ihm schon einen entsprechenden Empfang bereiten, dem frechen Wicht.
 

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Eigentlich wollte ich noch weiter an diesem Kapitel schreiben, aber dann käme es mir überfüllt vor. Ich mache hier erst einmal einen Cut :3

Dort oben

Das ist das erste Mal, dass ich mit einem eigenen Charakter in einem Fandom arbeite. Eigentlich bin ich kein Fan davon aber es ist noch immer besser, als wenn ich in jedem zweiten Satz ‚Der große Engel‘, ‚der Mann‘ oder sonst was schreibe.
 

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Die Situation war eskaliert, damit hatte Michael nicht gerechnet und war doch der leidtragende Mittelpunkt dieses Schauspiels. Um ihn herum blitzen kampflustige Augen auf; Messer wurden gezückt, hier und da raschelte ein Flügelpaar. Eigentlich wollte er sie nicht einmal beachten, es war ihm zu leidig, sich jedem Einzelnen neu zu erklären und dann aus irgendeinem Quäntchen Satzanteil herauszuhören, dass er klein war. Verdammt, das wusste er auch, er musste es nun wirklich nicht ständig hören!
 

„Na, du kleines Flöckchen?“ Und der Nächste, hervorragend. So hatte er sich das wirklich nicht vorgestellt. Eines musste er ihnen allerdings lassen: Unpassende Spitznamen für ihn zu kreieren schien zu einer Art erfolgreichem, neuen Volkssport zu werden. Von Made, Wurm, Schatz, Hase, Flöckchen, Piepmatz und Krümelchen war alles dabei. Fragwürdig, wie ernst er diese Männer nach.. . solchen Kosenamen noch nehmen konnte.

„Bist du irgendwie falsch gepolt?“, schloss der Rothaarige entnervt auf und wich dem nahenden Faustschlag aus, der ihn zu ereilen versuchte. Ein paar hatte er nun schon eingesteckt, dafür jedoch ebenso verteilt; er wollte sich wirklich nicht prügeln, aber die ließen ihm ja fast keine andere Wahl.

Allmählich fühlte er sich auch durchgehend provoziert und überlegte, ob er nicht ein Exempel statuieren sollte; wie auch immer das stattfinden sollte, von seinen Kräften wollte er keinen Gebrauch machen. Vermutlich wäre Michael selbst dann derjenige, dem der größte Schaden zu Teil werden würde.
 

„Ey du hast ‘ne ganz schön große Fresse, du Pimpf! Halt mal den Ball flach sonst genießt du erst mal etwas Erziehung, dreistes Balg!“

Der nächste Hieb in seine Richtung saß; der Autor jener literarisch kostbaren Worte stand hinter ihm – er war eingekreist, wie sollte es auch anders sein – und schlug mit der Faust auf den Hinterkopf des Rothaarigen. Dieser zuckte zusammen, sah auch kurzzeitig ein paar Sterne doch wenn er nun Schwäche zeigen würde, wäre das sein Ende. Umbringen würden sie ihn vermutlich nicht doch allenfalls verletzen und dann irgendwo im Flug abwerfen. Nein, das würde alles zerstören; seinen Plan, seinen Willen das Schicksal nicht zu akzeptieren, so durfte es wirklich nicht sein!
 

Er konnte es nicht verhindern, die Verzweiflung übernahm die Kontrolle über sein Handeln und zerrte das letzte Potenzial aus ihm hervor; Michael spürte sie, wie sie in seine Finger kroch, sich durch den Körper grub und seinen Geist ummantelte. Ein Flüstern, das Versprechen von Geborgenheit und Schutz; sie würde ihn nicht verlassen, immer bei ihm sein und ihn begleiten. Sie war ein Teil von ihm. Sie war er.

Hitze.
 

Feuer.
 

Als es schon gegen die Fingerspitzen pochte, spürte er die winzigen Atome in Nähe seiner Hand; aufgebracht, erwartungsvoll und erregt. Sie umhüllten ihren Meister, der doch eigentlich noch ein Schüler war, umschmeichelten seine Haut – dann ließ er los, die Spannung wich und ein Flammenstoß schoss empor, teilte den Kreis vor sich in eine hektisch flüchtende Masse überraschter Soldaten. Hinter ihm regte sich der Mann, der ihm gerade noch mit geballter Faust eine Lektion zu erteilen versucht hatte und auch er nahm Abstand ein, starrte gebannt auf den kurzen Engel, dessen Arm in Flammen stand.
 

Dann ging es wieder schief, es wurde zu heiß, nahm ihm die Luft. Die Hitze verhinderte, dass er noch atmen konnte, fraß sich zu seinem Gesicht empor. Flammen leckten an Haut, züngelten ihm entgegen und fauchten anklagend ob seiner Unfähigkeit.
 

Platsch.
 

Rauch stieg auf, das Feuer verschwand und Michael spürte einen Anflug von Kälte in seinem Inneren; er hatte nie sonderlich viel übrig für Wasser, auch wenn dieses längst nicht so kalt war wie jenes, welches sie aus den Leitungsrohren gewannen. Lauwarm, besten Falls mäßige Körpertemperatur und dennoch bekam er eine leichte Gänsehaut. Ein leises Husten, dann wirbelte er rasch herum, da sich erneut Schritte genähert hatten; schwere, zielstrebige.
 

Mit einigen Metern Entfernung hatte sich die Gestalt Berjaels postiert, den Eimer noch in der Hand, mit dessen Inhalt er Michael übergossen hatte. Oder eher gesagt gelöscht. Der Kontrast zu den beiden Gegenüberstehenden könnte kaum auffälliger sein und doch wich der junge Erzengel nicht zurück, denn das Gesicht des Heerführers war weitestgehend bekannt, nun deswegen einen angeekelten, erschrockenen oder sonst wie kontraproduktiven Blick aufzusetzen wäre fatal.
 

„Was?“, ertönte die Stimme des Kriegers und bellte durch die Steinhalle, in der sie sich befanden. Neugierig und schaulustig - in der Hoffnung den Rothaarigen bald bluten zu sehen - kamen die anderen wieder etwas näher, schlossen sich zu einer mehr oder minder geordneten Linie und schnitten ihm somit den Fluchtweg ab. Es sei denn, Michael würde den Weg nach vorne bevorzugen, aber das wäre vermutlich weitaus folgenschwerer.
 

„Was willst du, du Streichholz?“

Der Eimer flog krachend in eine Ecke und eine massige Hand stemmte sich in die Hüfte, während das eine Auge fest auf Michael fixiert war. Dieser straffte seine Haltung, reckte trotzig das Kinn und legte sich die Hand auf die Brust, neigte in kurzer Ehrfurcht das Haupt. Allerdings nicht lang, schnell blickte er wieder auf und vermittelte so beinahe den Eindruck, als würde er den Status des Mannes verspotten.
 

„Berjael, der Engel des Kampfes und der Verteidigung. Führer der himmlischen Heerscharen“, erinnerte Michael sich selbst noch an den letzten Funken Höflichkeit in seinem Inneren und ließ den anderen einen Moment in der Schwere seines Titels erstrahlen. Krieger waren hier nicht beliebt, sie dienten einzig dem Zweck um Fehler zu beseitigen und der Himmel mochte weder diese noch jene, die gegen sie antraten. Als Führer dieser Streitkräfte stand der imposante Mann vor ihm unter keinem guten Licht, er war stets ein beliebtes Ziel für Spott und Hohn.

Allerdings wollte sich der Rotschopf auch nicht bei ihm einschleimen und nahm wieder eine lockere Haltung ein, ließ die Arme frei am Körper. Ein Nicken bestätigte, dass er sprechen durfte.
 

„Ich werde den Heerscharen beitreten, als Soldat.“

Kurzes Schweigen, dann brach schallendes Gelächter aus den hinteren Rängen aus, spottende Rufe und reges Pfeifen, hin und wieder konnte er die neuen Kosenamen hören und auch der Vorschlag, ihm eine Wiege zu bauen stand im Raum. Michael spannte die Faust, würdigte sie jedoch keines Blickes und schaute stur in das Gesicht des Mannes, dessen Urteil so wichtig war.
 

Dieser hingegen rümpfte den letzten Rest seiner Nase, musterte im Gegenzug den viel zu unerfahrenen Feuerengel. Zierliche Gestalt, beinahe schon zerbrechlich. Das Haar war vermutlich zu auffällig und wie eben noch demonstriert war er mit seinen Kräften lange nicht im Einklang. Eine wandelnde Gefahrenquelle für jede Mission, Dämonen würden ihn sofort entdecken und in Stücke reißen, er könnte ihr ganzes Lager sprengen.

Zumal beschäftigte er keine Kinder und er hatte von ihm gehört; so hoffte er zumindest, dass die Kraft aus dem Inneren des Engels gekommen war und die Soldaten ihn nicht einfach stupide angezündet hatten; das wäre nicht das erste Mal.

„Komm näher“, raunzte er ihn wieder an und wartete, bis die kleinen Füße den Anwerber zu sich gebracht hatten. Etwa eine Armlänge von ihm entfernt blieb er stehen, legte den Kopf unverhohlen in den Nacken und starrte empor.
 

„Hast du Angst vor mir?“, höhnte der Größere und streckte die Hand aus; er wich nicht zurück, doch er sah den Drang zu fliehen im Gesicht des Jungen.

„Nein“, gab dieser zur Antwort und ließ seine Wange berühren, das Gesicht greifen und am Kinn drehen, sodass er ihm in das verbliebene Auge blicken konnte.

„Was sehe ich dann für Zweifel?“ Die Stimme nahm einen bedrohlichen Klang an; Lügner konnte er nicht leiden.

Trotzig zogen sich zwei schmale Brauen herunter und die seltsamen Augen nahmen einen Ausdruck an, dessen Gefühlslage er nicht bestimmen konnte.
 

„Du stehst zwischen mir und meinen Plänen, ich fürchte nur deine Entscheidung.“

Das konnte so stimmen oder an den Haaren herbeigezogen sein, das vermochte Berjael nicht zu behaupten. Noch einmal starrte er in die Augen des Fremden, ließ ihn dann mit einer abwertenden Handbewegung los, stieß sein Gesicht etwas von sich. Das trübe Auge richtete sich auf die anderen Soldaten; ein Haufen undisziplinierter Burschen, die einzig auf Krawall gebürstet waren und selbst jetzt danach lechzten, jemanden leiden und im besten Fall sterben zu sehen. Doch er war es müde, diesen Schwung neunmalkluger Idioten zu disziplinieren, er akzeptierte ihre lästigen Eigenarten im Gegenzug dazu, dass sie ihn akzeptierten. Als fast blinder Krieger war das nicht selbstverständlich.

„Dein Name“, knurrte er dem Jungen vor sich entgegen; die Antwort wollte er eigentlich nicht hören.
 

„Deine Antwort“, zischte es und das war es, was Berjael dazu veranlasste doch stehen zu bleiben und nicht vor lauter Desinteresse den Raum zu verlassen. Hastiges Einatmen; die Stimmung zum Zerreißen gespannt.

Michael wusste, dass er den Bogen überspannt hatte; vermutlich schon mit seiner Dreistigkeit, diesen Ort überhaupt aufzusuchen, denn eine direkte Begründung lag nicht vor. Berjael nahm jene auf, die sonst keinen Platz fanden und auf Grund ihres Äußeren oftmals keinen Anschluss fanden. Ausgestoßene, Abschaum.

Ob der Rothaarige sich nun so fühlte war sein Problem; tatsächlich hatte er einen Platz und dieser war trotz der Prophezeiung nicht zu verachten, von der jener vernarbte Mann ohnehin wissen würde.
 

Mit langsamen Schritten überbrückte er die gewonnene Distanz zu dem Anwerber, streckte die Hand wieder nach dessen Gesicht aus – schlug dieses Mal jedoch hinein, statt es nun ein weiteres, unnötiges Mal zu betrachten.

Es gab einen klatschenden Laut von sich, als seine schwere Hand die zierliche Wange traf und die Wucht des Aufpralls schleuderte den kurzen Körper unweigerlich zu Boden, wo er einen Moment paralysiert sitzen blieb. Entweder war das die erste Erfahrung mit direktem, durch Gewalt zugefügten Schmerz oder aber der Bursche hatte aus Arroganz geglaubt, der Kriegsengel würde ihn einfach so bei sich aufnehmen, ein Händeschütteln und ermutigendes Schulterklopfen vielleicht noch dazu?

„Jetzt verschwinde“, richtete er die letzte Aufmerksamkeit an ihn, wandte sich dann wieder um, während hinter ihm das Gegröle seiner Soldaten den Raum erfasste. Natürlich, eine offensichtliche Demütigung an jemanden zu verteilen der zuvor noch in einer Rauferei mit ihnen gesteckt hatte, besänftigte die Gemüter. Gleichzeitig hatte er sie nur angestachelt und den Jungen als Frischfleisch vermarktet; schade eigentlich.
 

Es raschelte, als der Junge sich erhob und sich etwas Blut von der Lippe wischte, es zwischen den Fingern zerrieb; Berjael blieb nicht stehen, näherte sich dem Ausgang aus diesem Chaos. Er würde den Vergeltungsschlag hinnehmen, wenn der Bengel genug Mut und Dummheit aufbringen würde, diesen auszuführen. Und danach würde er ihm die Knochen brechen, jeden einzelnen.

„Michael“, schallte es ihm entgegen und wieder sah er sich genötigt, einen kurzen halt zu machen.

„Wie?“

„Ich heiße Michael. Du wolltest meinen Namen doch hören, oder nicht?“

Die Mundwinkel zuckten; zum Glück hatte er ihnen den Rücken zugewandt.

„Vorhin wollte ich ihn hören, jetzt ist er mir egal. Ich will dich nicht, geh jetzt.“
 

Den Schritt, den Michael nun unüberlegt in seine Richtung tat musste er schlichtweg bestrafen, es war sein Revier, hier hatte ein untrainierter Engel nichts zu melden; auch kein Erzengel.

In einer schnellen Bewegung drehte sich der fast blinde Mann herum, griff zu und fasste an die Kehle des Burschen, zerrte ihn in einer Bewegung zu sich auf Augenhöhe; es röchelte, während er mit den Beinen strampelte.

„Ich sagte, du…“ Näher holte er ihn heran, wenige Zentimeter trennten ihre Gesichter voneinander und Michael glaubte, eine Art Schleier auf dem noch übrigen Auge erkennen zu können. Berjael rümpfte wieder den Stumpen, der einst eine funktionstüchtige Nase gewesen war, drückte etwas fester zu; die breiten Finger am Hals raubten dem Feuerengel beinahe den letzten Rest Sauerstoff, viel mehr noch machten sie ihm wahnsinnige Angst.
 

„Wie… sieht mein Auge aus?“, hörte Michael es leise in den Ohren zischen und verstand nicht, was diese aus seiner Sicht vollkommen bescheuerte Frage bezwecken sollte; seine Finger gruben sich in die massige Hand an seinem Hals, während sein Gesicht allmählich rot anlief.

„Was?“, spie er aus, wurde denn geschüttelt; langsam wurde ihm schwindelig.

„Mein Auge! Sag mir die verdammte Frage, Streichholz!“

„Fick dich“, schnaufte er ihm entgegen, fixierte das zerfurchte Gesicht des Engels.

„Hast doch nur noch ein halbes“, krächzte er weiter und brachte tatsächlich ein schiefes Grinsen zu Stande, schnappte dann jedoch wieder nach Luft.

„Ich kann dich zerquetschen“, flüsterte Berjael nun, nur für sie beide bestimmt. Dass seine Truppe zuschaute war egal, sollten sie nur, doch dieses kleine, perverse Machtspiel ging sie nichts an.

„Wie einen räudigen Köter. Einfach so, in deine mickrigen Einzelteile zerlegen.“ Sein Kopf ruckte auf die Seite aber egal aus welcher Perspektive, dieser Giftzwerg behielt ihn fest im Blick.

„Ich weiß wer du bist. Michael, der Hüter des Feuers. Luzifels… kleiner Bruder. Du…“
 

Er brach ab, als das Zappeln nachließ und auch die Augen nahmen einen fast glanzlosen Ausdruck an; töten wollte er ihn nicht, also ließ er im Griff kurzzeitig etwas lockerer und wie erwartet holte er tief Luft – und begann doch allen Ernstes sich sofort wieder zu wehren.

„Scheiße sieht dein scheiß Auge aus! Wie der Rest deiner… fuck… Visage! Und… braun, okay? Dreckiger…“ Das Sprechen fiel ihm deutlich schwer und doch war Berjael positiv zufriedengestellt, ließ ihn wieder fallen.
 

„Emhom!“

Der gerufene Engel straffte sich, trat aus der Masse; der Typ von draußen also. Michael rieb sich den Hals, schnaufte und schob sich eine Hand in die Hosentasche. Ausgerechnet der sollte ihn hinauswerfen? Danke, darauf konnte er auch verzichten.

„Fass mich nicht an, Penner!“

„Maul halten, Rotzbalg. Ja, Boss?“ Tatsächlich hatte er schon die Hand nach Michael gestreckt, doch da der direkte Befehl noch nicht abgegeben wurde riskierte er lieber als inkompetenter Schwachkopf das Klo zu schrubben als dass er dem Boss eine Handlung vorwegnahm und dieses Früchtchen hinauswarf, bevor man es ihm explizit aufgetragen hatte.

„Zeig Michael wo ihr schlaft und dann will ich heute nichts mehr von euch sehen.“
 

Der Inhalt dieses Satzes – Michael selbst – blinzelte überrascht, ließ nun auch von seinem Hals ab und starrte auf den großen Engel, während der Beauftragte beinahe die letzte Fassung verlor.

„Was? Aber… aber…“ Wieder sackte Emhom zu Boden; dieses Mal dank Berjael, welcher ihm die Faust in die Magengegend getrieben hatte, mit dem herabgesacktem Körper auf Augenhöhe ging indem er das Knie beugte und nahe an dessen Ohr knurrte: „Widersetzt du dich meinem Befehl? Michael darf einmal sehen, was das Leben als Soldat bedeutet. Er ist dabei.“ Mit einem Seitenblick auf den Rothaarigen erhob er sich wieder, schaute so demonstrativ von oben auf ihn herab; nun, allein durch seine Körpergröße konnte er ihn nicht einschüchtern, das machte die trotzige Geste deutlich, die Michael mit den Händen in den Hosentaschen zeigte.

„Dir bring ich gehorsam bei.“

Dann endlich wandte er sich zum Gehen ab, verschwand hinter der Tür, die er schon zuvor angestrebt hatte.
 

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Okay das ist also Berjael, ich will nicht zu viel eigene Charaktere reinhauen aber er ist sehr wichtig für die Geschichte. Über Emhom sage ich nichts weiter nur, dass auch sein Name etwas mit Kampf und Schutz zu tun hat; das ist eigentlich unwichtig aber mir persönlich hat es viel bedeutet.

Flügel aus Wachs

Bald hab ich wieder Schule, ich sollte die letzten Tage wirklich sinnvoll nutzen und etwas produktiver vorangehen.
 

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„Erklär es mir, wie… nein, lass gut sein. Ich will‘s gar nicht so genau wissen… Das ist doch… Wie hast du das gemacht?!“

„Schnauze, mach sie heile und dann hör auf zu nörgeln!“

„Warum sollte ich? Du machst sie ja eh wieder kaputt und meckerst mich dann an, nur weil ich nicht schnell genug deine Fehler beseitige! Ich meine… guck dir das mal an! Nein, tut mir Leid irgendwann kann ich nicht mehr so desinteressiert bleiben du bist… bekloppt! Gibt dir das irgendeinen Kick oder so? Wenn irgendwas ist dann rede doch! Wir sind nicht die besten Freunde, aber…“

„Richtig, sind wir nicht. Wenn du nicht helfen willst, dann geh ich zu wem anderes.“

„Und wie? Du kannst ja nicht mal gehen!“

Raphael raufte sich die Haare, ließ sich auf dem Stuhl fallen, auf welchem er verzweifelt sitzend Michaels Schulter begutachtet hatte – was bei den minderwertigen Lichtverhältnissen wirklich keine einfache Sache war. Doch wenn er nun das Licht einschalten würde, bedeutete das für sie beide Unmengen an Problemen und da er möglichst nicht negativ auffallen wollte, mussten sie mit einer einzigen kleinen Lichtquelle arbeiten; einer Taschenlampe, die der Feuerengel in einem für Raphael unmöglichen Winkel hielt.
 

„Hier musst du hin leuchten, ich seh sonst nichts… sieht ja wirklich lecker aus.“

„Palaver nicht rum kriegst du sie heile oder nicht?“

Wieder war es der Blonde, den er damit belästigen musste – Bal musste es nicht erfahren. Zwar verschonte auch Raphael ihn nicht mit Vorträgen doch er ließ sich noch erstaunlich gut von Michael einschüchtern und verstummte irgendwann, während die Gouvernante wenig Nervosität in seiner Gegenwart offenbarte. Sie war nett aber auch ihre Güte hatte Grenzen, nicht umsonst war sie den Zwillingen zugeteilt.
 

Dagegen dieser Nörgler vor ihm… einfach weil er ihn aufregte leuchtete Michael dem Aufblickenden direkt in die Augen hinein; die Pupillen zogen sich schlagartig zusammen und er wandte das Gesicht ab, schirmte mit seiner Hand das Licht von sich fort; scheinbar dachte er, dass der Rothaarige ausversehen in seine Richtung gestrahlt hatte.

„Ich hab doch gesagt, ich bin noch nicht so weit… ich kann es versuchen aber ganz wird das nicht klappen. Du musst sie schonen und dich ausruhen, okay?“ Er wollte einen hoffnungsvollen Blick zur Seite in Michaels Gesicht werfen, musste dann aber wieder nur in die Taschenlampe blicken, konnte die Gestalt dahinter nicht ausmachen. Da er keine Antwort erhielt ahnte… nein, wusste Raphael, dass sein momentaner Patient ohnehin nicht gehorchen würde. Der folgende Blick bestätigte das auch, um die ganze Situation noch etwas unangenehmer zu machen leuchtete Michael nun sich selbst von unten ins Gesicht; die Augen waren wunderbar in Szene gesetzt und Raphael wandte freiwillig den Blick an, die Farbe konnte er nicht ertragen.
 

Dämonenkind.
 

Er wusste nichts von Michaels nahendem Schicksal als größter Unheilbringer der Geschichte doch die Gerüchte brodelten um den jungen Engel und von den Klatschmomenten der Schwestern blieb er auf lange Sicht unfreiwilliger Weise nicht verschont. Sollten sie nur reden, er wollte sich ohnehin nicht weiter mit Michael auseinandersetzen; er brachte ihn irgendwie in Schwierigkeiten und auf die konnte er dann ebenso verzichten wie auf diesen fragwürdigen Kontakt zum beinahe Gleichaltrigen.

Wie sonst würde er damit enden sich mitten in der Nacht unerlaubt in einem Behandlungsraumes des Krankenhauses aufzuhalten, nachdem der Rothaarige es irgendwie noch geschafft hatte zu ihm zu kommen und dann mit einem sehr blutigen Argument überzeugt hatte ihm zu helfen; mit seiner Schulter.
 

Diese stellte für Raphael im Moment einen medizinischen Sonderfall dar und diese bescheuerte Idee mit der Taschenlampe – die leider auf seinem eigenen Mist gewachsen war, da er sich nicht traute das große Licht zu bedienen und dann hier gesehen zu werden – machte es nicht besser, denn sehen konnte er leider längst nicht genug.

Zuerst hatten sie irgendwie die gestoppte Blutung wieder gestoppt denn Michaels Idee von einem Strick Unter der Achsel und am Oberarm und dem Satz „Halt einfach die Schnauze und näh sie zusammen!“ waren vom Standpunkt des Arztes zu unprofessionell, um daran anknüpfen zu können. Demnach musste er ihn entfernen und hatte damit einen erneuten Sturzbach in Kauf nehmen müssen, welcher ihm entgegenlief und letzten Endes den Boden versaute. Er würde hier die halbe Nacht putzen dürfen…
 

Nun hatte er eine Wundauflage mit einem Druckverband umwickelt, war seine Ausbildung doch so weit vorangeschritten dass er darüber informiert war, die Blutung an einem Körperteil jeglicher Art auf Grund von erhöhter Gefahr eines dauerhaften Schadens von Gefäßen oder Nerven nicht am Oberschenkel oder -arm abzudrücken, sondern direkt mit einem festen Druckverband entgegenzuwirken. Natürlich würde es einen Moment brauchen, doch er musste sich ohnehin um Michael kümmern denn dieser stand auf der Schwebe, in einen traumatischen Schock zu gleiten – da konnte er noch so sehr gegenhalten, Raphael kannte die Anzeichen dafür.
 

„Leg dich bitte wieder hin, du machst es mir nur unnötig schwer!“ Er presste Michaels Oberkörper wieder auf den Behandlungstisch, entging noch einem Faustschlag und schnaufte, schaute wieder unmittelbar in der Licht der Taschenlampe, während es verächtlich von unten knurrte.

„Mach einfach meine…!“

„Ja ich bin dabei, Mann! Aber wenn du mir dauernd ins Gesicht leuchtest seh ich nichts also lass mich meinen Job machen und jetzt Klappe!“ Inzwischen wurde er ja etwas mutiger dem Rotschopf gegenüber, doch seine unverschämte Art war auch wirklich nicht leicht zu tragen, irgendwie musste der Arzt sich ja mal durchsetzen.

Wieder auf den Tisch gedrückt grummelte der Feuerengel, leuchtete dann seitlich mit der Lampe auf seine Schulter; Vorhänge waren ja auch zu viel verlangt, sonst könnten sie das scheiß Licht anmachen und er würde nicht mit diesem primitiven Ding rumfuchteln müssen.
 

Raphael hingegen wollte die ganze Sauerei lieber nicht im vollen Ausmaße sehen und verdrängte die Tatsache noch putzen zu müssen im Moment erfolgreich, fuhr mit seiner Hand über die Stirn des Hitzkopfes, welcher sich im Moment doch ganz anders anfühlte; und sich wieder wehrte, die Hand von sich schlug.

„Fummel mich nicht an!“

Dieser undankbare…! Doch er würde sich beherrschen, er hatte ja seine Informationen; kalte Haut, Schweiß… vermutlich war er auch unverschämt blass, der Blutverlust war ziemlich hoch, doch sein Druckverband schien doch irgendwie zu funktionieren; was für ein Armutszeugnis, wenn dem nicht so wäre. Trotzdem sollte er seinem Patienten mal den Kopf waschen, kaum einer würde es wagen so mit ihm zu sprechen. Kaum, es gab immer welche doch die lebten eher in den Randbezirken und hatten keine Dankbarkeit für seine komplexe Arbeit übrig, daher erwartete er von ihnen auch keine.
 

Und da Michael gerne eine Ausnahme zum Rest allen Lebens bildete…

„Wenn du Durst hast, sagst du es mir, ja?“

„Willst du mich verarschen?! Ich bin nicht zum Trinken hier, ich…!“

„Schon gut, lass gut sein!“ Bloß keine Diskussion, sie mussten fertig werden; leer war ein Krankenhaus nie, das war gar nicht machbar aber wenigstens lag dieser Korridor brach; demnach auch die beschränkten Mittel im Raum, doch das musste reichen.

„Und warum muss das Ganze nun heimlich sein? Ich meine wir haben eine Notaufnahme, du wärst schon drangekommen und ich hätte nicht extra in meiner freien Nacht hergemusst. Du weißt ja gar nicht, wie kaputt ich von den langen Schichten bin und überhaupt… was ist nun passiert? Wie soll ich dich behandeln, wenn du nicht mal mit mir redest? Du…“

„Kannst du mal die Klappe halten?!“
 

War ja nicht zum Aushalten; dass Raphael einmal in Fahrt gekommen die Lippen nicht mehr schließen konnte wusste Michael ja, doch das war nur eine der wenigen entnervenden Eigenschaften, die er sich bei ihm gemerkt hatte. Wie gesagt, eigentlich wollte er nichts mit ihm zu tun haben aber hiermit konnte er keines Falls zu Bal.

Oder zu jemand anderem, mit dem er privat mehr zu tun hatte, es musste niemand wissen. Andere Ärzte waren ihm suspekt, da bevorzugte er doch den Blonden und hörte sich dessen Genörgel an, starrte mürrisch an die dunkle Decke über ihm, während Raphael nach der wie durch ein Wunder übriggebliebenen Schulter griff und den Verband abwickelte; dran war noch alles, allerdings vermisste er ein paar Gramm Fleisch.

Dieses verdammte Mistviech…
 

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„Damit eins klar ist: Dein Name und dein komischer Rang sind hier scheißegal, entweder hast du was auf’m Kasten oder du wirst hier nich‘ lang bleiben, klar?“

Charmant, dieser Emhom. Kaum hatte Berjael sich abgewandt und genügend Abstand zwischen sich und die Soldaten gebracht – nämlich die geschlossene Tür und nach der Zeit des Wartens zu urteilen vier Ecken im Gebäude – postierten sich die Männer im Raum um den Rothaarigen und begutachteten ihr neues Frischfleisch argwöhnisch; dass er ein paar von ihnen ordentlich zurückgeknufft hatte wurde nicht vergessen und das das Wort ‚zurück‘ vollkommen ausgeblendet – immerhin hatte der Neue angefangen, er war doch hier aufgetaucht!

Michael hingegen hatte noch kein sonderliches Interesse sich mit dem Rest zu befassen, hielt sich deswegen an seinem neuen Anstandswauwau.

„Alles klar.“ Reden schwingen? Nicht für ihn. Emhom sollte seiner bescheuerten Aufgabe nachkommen und dann einfach wieder gehen; er stellte sich das primitiv wirkende Lager nun nicht derart komplex vor, dass er großartig viel falsch machen konnte.

Trotzdem würde Berjael kein leichter Zeitgenosse werden; er war stur, halsstarrig und von sich eingenommen. Wunderbar, der passte also zu Michael.
 

„Ey, Erimites! Komm ma‘ her!“

Aus der Masse heraus löste sich eine Art Strohhalm; als mehr konnte Michael die Person dort nach bestem Gewissen nicht bezeichnen denn auch wenn er selbst wenig auf den Knochen hatte sah er nicht aus wie diese traurige Gestalt zusammengeschustert aus Knochen. Übersponnen hatte man ihn mit einer ungesund gefärbten Haut und irgendwo noch zwei zu runde Augen gefunden, die nun fast aus den Höhlen sprangen; wenn er blinzelte, geschah dies abwechselnd.

Aschgraues Haar bedeckte den ansonsten ganz annehmbaren Kopf und wucherte ihm struppig über die Ohren, doch sein Gang war anders als sein Äußeres; selbstbewusst und bestimmend. Feste Schritte, gestraffte Schultern und der schräge Blick schien sich an zwei Orten gleichzeitig aufzuhalten, doch das Schielen schien ihn selbst nicht zu stören.
 

Bei ihnen angekommen steckte er sich eine Hand in die Tasche seiner bis zu den Knien reichenden Hose, kaute auf etwas herum. Emhom ruckte mit dem Kopf in Michaels Richtung, zuckte dann halbherzig die Schulter.

„Nimm den Kleenen ma‘ mit und zeig ihm, wo geschlafen wird. Hab echt kein Bock auf Babysitter.“

„Ich kann auch allein gehen, macht euch keine Mühe.“ Als hätte er einen direkten Schutz nötig, so ein Unsinn.

Erimites warf Michael nicht einmal einen Blick zu, fuhr sich mit der Zunge von innen an den Zähnen entlang, ehe er die Lippen mit einem schmatzenden Geräusch öffnete.

„Wieso ich? Kanns …t doch selb …bst machen?“

Und ein Sprachfehler dazu, wunderbar.
 

Emhom wandte sich bereits zum Gehen ab, schenkte ein letztes Winken mit der Hand.

„Gehst doch sicher eh gleich, nimm ihn einfach mit. Zur Not hauste dem eine drauf, dem Pimpf.“

„Has …t Recht, is‘ ziemlich klein.“

„Hallo ich bin anwesend!“ Langsam nervten ihn diese Größenwitze wirklich, gab es hier sonst keine Probleme? Von Soldaten hatte er nun keinen gesitteten Umgang erwartet, das störte Michael ja nicht einmal sonderlich und als Neuer – vor allem nach so einem Auftritt wie dem seinen – war er ein gefundenes Fressen für Sticheleien aber immer dieses eine Thema? Er quetschte dem Schieler doch auch nicht die Augen in eine richtige Position! Witze auf Kosten eines Körpers konnte er einfach nicht gut haben. Es sei denn es handelte sich um Frauen aber da wurde einfach das ganze Geschlecht mit einbezogen, das war keine personenbezogene Geschichte sondern reiner Sexismus, den er noch ganz gut im Griff behielt; Bal war ihm immerhin sehr wichtig, das reichte doch.
 

Wieder hatte man ihn ignoriert und die dürre Gestalt mit Namen Erimites wandte sich nun wieder ab, steuerte dabei vermutlich zielstrebig eine Tür an. Da er immer wieder stehen blieb war das schwer zu sagen, doch irgendwann dämmerte es dem Rothaarigen und so setzte er sich selber in Bewegung; man erwartete hier widerstandslosen Gehorsam von ihm, eingeladen würde er hier zu nichts werden.

Schnell schloss er zum Größeren auf, warf einen letzten Blick hinter sich; die Soldaten setzten sich in Bewegung. Einige verteilten sich, ein Teil folgte mit einer Mischung aus Genugtuung und Neugierde in den Augen. Schön, wenn sie es wollten… entweder würden sie ihn dort hinten umbringen oder aber nach einer möglichen Art der strukturierten Zerstörung suchen, bisher schienen sie und auch Michael selbst wenig begeistert voneinander zu sein. Wie ein Rudel verängstigter Hunde; bei dem Chef kein Wunder also.
 

„Da wird …te gepenn …t.“

Ein schmutziger Raum, wie sollte er es auch anders erwarten können? Es war schon furchtbar in einem seinen Erwartungen entsprechendem Klischee bestätigt zu werden doch solange er in keinen Exkrementen oder anderweitigen Körperflüssigkeiten endete, würde Michael es verkraften können.

Die Schlafkammer maß eine bizarre Mischung aus Enge und ausreichend Platz für einen guten Teil der Soldaten, wenn nicht sogar alle. Groß war das Heer nicht, hundert Leute würde es nicht zählen doch strenggenommen benötigte sie kaum einer. Vor wem sollten sie schon beschützen?

Es gab ein paar Dämonen; gescheiterte Existenzen, so alt wie die Schöpfung selbst und gefangen unter dem Planeten Erde, auf dem die Menschen gerade den aufrechten Gang entwickelten. Die Welt in ihrer Pubertätsphase; was war dann die Menschheit? Akne?

Da sie sich selten mit kaum ernstzunehmenden Angriffen herumschlagen mussten war also klar, wie wichtig die himmlische Armee war; gar nicht.
 

Nun zum Raum.

Abgesehen von Schmutz gab es schlichte Metallbetten mit viel zu dünnen Matratzen; die Decken lagen zusammengeknüllt an einer unbedarften Stelle auf oder unter der Schlafstätte, die Kissen waren flach, bestenfalls breiter gefaltet aber das schien keinen zu stören. Angerempelt von den auffälligen Verfolgern drehte der Rothaarige seine Schulter außer Reichweite der Stöße und spöttischen Beschimpfungen, beobachtete nun doch die Männer, mit denen er einen Raum teilen sollte. Sie hatten wohl einen festen Platz, vereinzelt standen Betten frei, die jedoch trotzdem benutzt zu werden schienen. Es waren immerhin nicht alle mitgekommen aber wie es generell hier ablief wollte Michael nun ehrlich gesagt nicht erfragen. Er würde sich hüten nun nach Hause zu fliegen und sich Kleidung zu holen, viel eher interessierte ihn sein eigener Schlafplatz, doch Erimites schien von allen hier den Ansatz eines Herzens zu besitzen, stieß eine knöchrige Hand in die Rippen des jungen Engels.

„Komm mit …ten. Da is …ten frei.“

Vorerst gefügig durchquerte er mit ihm die sich gegenüberstehende Reihe von Betten, blieb vor einem weiter hinten stehen; danach waren die Decken gefaltet, also entweder lebten hier geordnete Personen oder aber sie waren noch frei.
 

Skeptisch beäugte Michael die Decke, sondierte sie gleich nach verdächtigen Flecken, doch nichts zu sehen.

„Das hier?“

„…t.“

„Ah… okay.“ Ja was sollte er auch dazu sagen? Ein Laut war besser als vollkommen ignoriert zu werden, die allgemeine Stimmung war grad weniger angenehm und er konnte sich vorstellen, dass sein erstes Einschlafen hier als Kapitulation gewertet werden würde und entsprechend rechnete Michael schon mit einer Glatze oder sonstigen Kindereien.
 

Neben ihm bewegte sich jemand, hatte sich auf das Bett niedergelassen und vergrub sich hinter einem Buch; schwierig zu bekommen, bisher hatte der Rothaarige gezwungener Maßen nur Bekanntschaft mit der Bibel gemacht, andere Schriftstücke stellten einen klaren Regelverstoß dar.

Ein Seitenblick zeigte krakelige Buchstaben in Enoch, geschrieben mit Tinte. Das Pergament raschelte beim Umblättern, hier schien es keinen zu interessieren.

„…t. Wills …t du die anderen …ten Räume auch sehen?“
 

Zurückgeholt aus der kurzen Zwischensequenz richtete er seine Augen auf Erimites, zuckte die Schultern.

„Ja.“ Erst lag ihm ein dummer Spruch auf der Zunge aber da er sich wirklich ungern skalpiert vorfinden würde, wollte er erst einen gewissen Rang unter den Soldaten erreichen. Das konnte und würde vermutlich auch lange dauern aber seine Haare waren ihm dann doch ganz lieb; vermutlich würden sie ohnehin auf andere Körperteile zurückgreifen, Messer blitzten zu Hauf auf.
 

Ohne dem Mann neben sich noch weitere Beachtung zu schenken folgte Michael Erimites also wieder aus dem Schlaflager heraus, konnte noch ganz nebenbei zwei entblößte Körper ausmachen und war ehrlich gesagt froh, dem Geruch zu entkommen; Schweiß, ein Hauch von unendlich vielen Eigengerüchen und gewisse Ausdünstungen ergaben eine unschöne Mischung.
 

-
 

Die neuen Eindrücke waren zu verkraften, er würde sich schon noch daran gewöhnen. Bisher hielt er zwar an seinen Gewohnheiten, doch die würde Michael in Anbetracht seines verfluchten Schicksals ohnehin brechen müssen; nur wo sollte er dann hin? Im Himmel würden sie ihn kaum leben lassen und auf der Erde war eine Person wie er viel zu auffällig und eine gute, potenzielle Nahrungsquelle für wilde Tiere. Bei den Menschen in den Höhlen hausen? Nein, wirklich nicht. Diese primitiv entwickelten Lehmhütten stießen ebenso auf wenig Begeisterung, wenn es schon nicht um den Standard als schlichtweg seinen Dickschädel ging.

Vorerst war der Feuerengel ja bei diesem Haufen von respektlosen Affen untergekommen, doch ehrlich gesagt graute es ihm vor der Nacht. Zu viele Horrorgeschichten über die Soldaten hatten seine Ohren erreicht, an Regeln und auch Abstinenz hielten sie sich nicht lange auf.
 

Wenigstens war er nicht der einzige neue Rekrut, zwei weitere Männer hatten vor ein paar Tagen angefangen; einer davon der Typ mit dem Buch, den anderen hatte er nur kurz erblicken können, jedoch schnell das Interesse verloren. Wie bei so vielen hier, wie ihm auffiel.

Nun dämmerte es bereits und im Gebäude selbst war keine Veränderung zu spüren; es war laut, ungehobelt und vom Chef wieder keine Spur. Wo der sich wohl so herumtrieb? Andererseits – was sollte er schon zwischen all den Soldaten anfangen? Irgendwo hatte Michael einen unerfahrenen Funken Verständnis für ihn; vielleicht würde sich das auch noch legen, im Moment traute er sich selber nicht. Die Eindrücke waren erschlagend, wenngleich auch erwartet und furchtbar banal.
 

„Stimmt es? Bist du Luzifels Bruder?“

Die Schritte hatte er nicht gehört, entsprechend wirbelte der Rothaarige herum und starrte auf die Person hinter sich; der Typ mit dem Buch, nun jedoch ohne genau dieses. Misstrauisch betrachtete er Michael, was dieser ihm gleichtat.

„Wer will das wissen?“

„Ich, Dummschwätzer. Stimmt es oder nicht?“ Oh, Freunde würden sie also schon mal nicht werden. Auf so eine plumpe Provokation würde er nun nicht einsteigen und so schnaufte er nur, hockte sich wieder hin und ließ die Beine über der Kante baumeln, blickte in den sich verfärbenden Himmel. Sonnenuntergänge waren nun eigentlich auch nicht wirklich sein Fall und rein aus romantischer Absicht würde er sich nun nicht auf das Dach der Kaserne begeben und in den orange-rosafarbenen Himmel blicken.

Es war einfach ein Stück Gewohnheit in all diesen… Dingen, die er heute gesehen hatte und ehrlich gesagt begrüßte Michael jedes noch so kleine Stück Vertrautheit.
 

„Ich bin auch neu hier“, fuhr der bisher namenlose Engel fort und schien dabei vollkommen außer Acht zu lassen, dass der Kleinere ihm noch eine Antwort schuldig war.

„Ich weiß, dass das alles sehr erschlagend wirken kann und es ist keine Schande sich etwas Angst einzugestehen aber du wirst hier Freunde brauchen. Auch, wenn du einer der Erzengel bist, das interessiert hier keinen, du…“

„…t.“

Die für Michael vollkommen uninteressante Rede stoppte, als sich dieser eine Buchstabe dazwischen schob und zwang ihn so, den Kopf erneut zu wenden, bloß um die bizarre Gestalt Erimites‘ zu erblicken.

„Alle neuen Kadett …ten runter …t. Chef sagt das.“

Wie willkürlich dieser Sprachfehler nun wirkte war dem jungen Feuerengel ein Rätsel, denn es passte vorne und hinten nicht. Interessanter war die kurze Information und eine weitere Erklärung würden sie scheinbar auch nicht bekommen, der Soldat ging bereits.
 

„Nun komm schon… bist du sein Bruder?“ Neugierde, wie lästig. Natürlich war sie hilfreich aber Michael nervte es gerade, deswegen ging er auch stumm an dem anderen Engel vorbei und folgte so dem Weg, den Erimites eingeschlagen hatte. Natürlich dicht gefolgt von seinem kleinen Anhängsel aber den konnte er auch ignorieren, damit kannte er sich immerhin aus.

Stimmengewirr schlug ihm wieder entgegen, eine große Zahl von Soldaten hatte sich hier angehäuft, zählen konnte man sie gerade schlecht – vor allem, wenn man über keinen der Köpfe blicken konnte. Ohne sich eine besondere Stelle auszusuchen blieb Michael also irgendwo im Gemenge stehen, Gemurmel über ihm verstummte, als schwere Schritte den Raum erfassten.
 

Eigenartig, dass bei all diesen Geräuschen genau jenes dominierte und schlagartig die Aufmerksamkeit auf sich zog. Dass Berjael eine beeindruckende Persönlichkeit war, konnte man schlecht bestreiten. Allein sein Auftritt sprach für ihn und gegen jede potenzielle Störung, doch dass dieser unkontrollierte Haufen von Schlägern verstummte und die Aufmerksamkeit ohne Ausnahme nach vorne richtete war etwas, was Michael zutiefst beeindruckte; starke Personen waren rar und mit Ausnahme seines Bruders hatte er dieses Verhalten eines anderen gegenüber sehr selten beobachten dürfen.
 

Ein Blick in die Runde, dann verzog sich der vernarbte Mund zu einer Grimasse, die entfernt an ein Lächeln erinnerte.

„Männer, Grund zur Freude! Eine Handvoll dreckiger Dämonen ist im direkten Anmarsch auf Assiah, ich würde sagen wir werden gebraucht!“

Die Stimmung schlug von Anspannung in Erregung über, Fäuste stießen in die Luft, Kampfgebrüll – wieder einmal ein Klischee, in welchem Michael sich bestätigt fühlte, doch seine Augen blieben auf Berjael gerichtet, der diese Information kurz wirken ließ, dann einen Arm ausbreitete; langsam kehrte wieder Stille ein.

„Wir beladen die Schiffe und brechen noch heute auf. Unsere Neulinge…“ Sein eines Auge huschte über die Menge und trotz Michaels erstem Verdacht dass er kaum etwas sehen konnte erfasste er die drei indirekt Angesprochenen flink. „… sie begleiten uns. In zwei Stunden brechen wir auf, beladet das Schiff!“ Mit seinem Gehen setzte Gemurmel ein, die beiden größeren Engel hinter ihm blickten auf den Feuerengel, welcher sich zu einem von drei unfreiwilligen Mittelpunkten herabgestuft fühlte, mehrere Blicke auf sich ruhen spürte.
 

„Ey, Kleiner…“

„Nein, Schnauze! Es reicht, okay? Fick dich, so klein bin ich auch wieder nicht!“ Langsam riss ihm der Geduldsfaden und so schüttelte er die Hand auf seiner Schulter ab, die ein schwarzhaariger Soldat dort hatte platzieren wollen, um ihn zu sich zu drehen. Das erledigte Michael nun selber, funkelte ihn angesäuert an.

„Hast du sonst noch Sorgen oder was? Lass mich einfach in Ruhe! Was willst du von mir?!“ Das widersprach nun dem ersten Teil aber es scherte ihn nicht, er war nicht hergekommen um den Pausenclown zu spielen.

„Hey, ruhig, wa? Ich tu dir ja nichts, Mann. Wollt dich nur warnen, wa? Bleib ma lieber hier, ey. Das is‘ gefährlich da draußen. Is‘ doch so, Fenel?“

„Ja wirklich… is‘ sau gefährlich und ihr könnt ja nix, echt mal.“ Ein Mann mit hellbraunem Haar und einem kleinen Backenbart nickte bestätigend, blickte zu seinem Kollegen.

„Also wir wolln dir ja wohl nix, wa? Aber trotzdem, is‘ echt ‘ne harte Sache draußen. Sind stark, diese Dämonen.“

„Mistviecher, richtige Nutten“, pflichtete der Erste ihm bei, doch damit ernteten sie leider nicht das gewünschte Ergebnis; „Schön, kann euch ja egal sein!“ Und damit wandte Michael sich dann ab. Ohnehin fühlte er sich nicht ernst genommen, nun deswegen auf solche Lappen zu hören war wirklich nicht in seinem Interesse.
 

Jedoch schienen sie nicht die Einzigen zu sein, die gegen einer Begleitung ihrer neuen Kadetten waren, immerhin schien der Grundgedanke eines Beschützerinstinktes zu existieren, gut zu wissen.

Und trotzdem schlängelte Michael sich durch die Menge, huschte unter Armen und zwischen Körpern vorbei, ehe sein zielloses Streben abrupt beendet wurde und zwei Hände nach ihm gegriffen hatten, ihn an die Seite zogen und etwas außer Hörweite der meisten Soldaten. Der zweite Mitstreiter auf Anfangsposten, wieder ein Stück größer als er und mit hellem, weißblonden Haar hatte ihn aus dem Gemenge gefischt und blickte hektisch um sich, ehe er seine Aufmerksamkeit auf den Feuerengel richtete. Dieser hob eine Augenbraue; hatten hier eigentlich alle etwas mit den Augen? Der dort trug nun eine Klappe über dem rechten Auge, winkte aber schon zur Seite.
 

Da kam auch schon der Bücherheini, sie waren ja ein bezauberndes Trio…

„Michael, richtig? Also Leute, gegen Berjaels Befehl können die sich eh nicht durchsetzen, aber…“ Der junge Mann mit der Augenklappe stockte, blickte dann auf denjenigen, welchen er eben noch beim Namen genannt hatte.

Der Michael? Luzifels kleiner Bruder?“

„Wenn euch mein Bruder so am Herzen liegt solltet ihr ihn vielleicht besuchen, ihr…!“

Abgewürgt vom Aufbruchstumult drückte Michael sich mit den anderen beiden an die Wand und gemeinsam blickten sie der sich einheitlich bewegenden Masse nach, ehe sie in verschiedene Richtungen aufsplitterte.
 

„Hat jemand eine Idee, warum wir mitkommen müssen?“ Der Schwarzhaarige blickte noch einmal von der Wand weg zu den Gängen, in denen die Schritte gerade verhallten, seufzte dann angestrengt. Der Mann mit dem hellen Haar schüttelte den Kopf, als Michael sich wieder löste und mürrisch in Richtung Schlaflager, wurde jedoch von hastigen Schritten wieder eingeholt; diese brüderliche Stimmigkeit zwischen seinen neuen Mitstreitern war ja wirklich rührend aber leider hatte er im Moment keine Lust sich damit zu befassen.

„Michael, warte doch… bitte, das kann nur schlecht für und ausgehen!“ Der Schwarzhaarige versperrte ihm den Weg, erntete eine Zuckung an den Mundwinkeln des Feuerengels, welche in vielen tausend Jahren ganze Heerscharen in die Knie zwingen würde; ein nahender Wutausbruch. Noch hatte dies nicht viel zu bedeuten, noch hatte Michael sich weitaus besser im Griff und er würde zumal keinen sonderlichen Schaden anrichten können, da ihm seine eigenen Kräfte hier im Weg waren.
 

„Berjael ist nicht bekannt dafür, gnädig zu sein, okay? Wir haben doch kaum Erfahrung, was sollen wir auf einem Schlachtfeld? Wir sind Kanonenfutter, das musst du doch einsehen!“

„Dann geh und beschwer dich bei ihm persönlich, meine Fresse! Ich bin nicht hier um mich direkt gegen die erste Anweisung aufzulehnen!“ Dazu hab ich später noch genug Zeit, schoss es ihm durch den Kopf und wieder einmal überraschte es ihn, wie sehr er doch auf Krawall gebürstet war. Aber im Moment interessierte das nicht, erste Soldaten kamen bereits zurück. Sie trugen zahllose Waffen auf den Rücken, andere brachten Kisten mit Wasser und einer Notversorgung an Lebensmitteln. Verbandszeug war auch zu sehen und der nächste Schub bestand aus noch mehr Waffen. So viel Gewalt mitzuerleben war etwas anderes als bloß davon zu hören. Schießpulver, Patronen, zahllose Messer und ein paar wenige Schwartet.
 

Die beiden Kadetten neben Michael hatten sich in Schweigen gehüllt und beobachteten wie der junge Erzengel selbst schweigend das Treiben, wurden hin und wieder misstrauisch von den ausgebildeten Soldaten beäugt. Es stimmte sie sicherlich nicht froh zu sehen, dass die drei Neuen keinen Handschlag taten, doch für Stress war nun keine Zeit.
 

„…t! Warum …ten helft ihr nicht …t mit?!“

Dass ein Stottern derart erbost herübergebracht werden konnte hätte Michael nicht gedacht und anders als die zwei zur Salzstatue erstarrten Mitanwerter setzte er sich rasch in Bewegung, folgte ein paar Soldaten zurück in eines der Lager und ließ sich einfach in die Hände drucken was sie benötigten, setzte ihnen wieder hinterher und gelangte so in den Flugschiffshangar. Eindrucksvoll und auch ein wenig zum Fürchten wirkten die viel zu alten Kampfschiffe. Er war kein Profi aber selbst so konnte Michael einige entscheidende Defizite erblicken, die im Falle eines Falles vermutlich verheerend ausmaßen würden. Rost und ein schiefes Fahrwerk waren da die geringsten Probleme.

Jemand nahm ihm die Kiste ab, dann ging es auch schon wieder los. Warum sie nun zwei Stunden zum Packen brauchten war ihm nicht klar, doch er hatte die Überprüfung des Luftschiffes außer Acht gelassen.
 

„…t. Vielleicht nächstes Mal machen …t bevor wir aufbrechen …te.“

„Ja wär besser.“

Emhom blickte eine halbe Stunde vorm Abflug misstrauisch in die Menge hinein, suchte… ah, dort. Ein paar rasche Schritte und er war bei dem Jungen mit den stechenden Haaren angekommen, drückte sich selbst eine Faust in die Hüfte und studierte das jugendliche Gesicht, welches sich ihm gerade trotzig zuwandte. Er hatte die Faust des Burschen schon spüren dürfen, ganz unbegabt war er nicht und die kleine Showeinlage mit einem weiteren Teil der Gruppe hatte auch für sich gesprochen, dennoch würden sie sich nun einem ganz anderen Kaliber zuwenden.

„Ey… die gleich quatschen nicht lange, ne? Die zerfleischen dich und dann biste weg also wenn da einer is‘, hauste dem was drauf sonst war‘s das. Wär schade ich wollt dir das Leben noch was schwer machen.“ Oh da sprach keines Falls Besorgnis aus ihm heraus, er meinte jedes Wort ernst; für die Blamage vor den Türen würde er sich noch rächen und wenn ihm da ein mieser Dämon zuvorkam, wäre seine Chance vertan. Immerhin, damit hätte er einem Erzengel eins draufgegeben, das konnte auch nicht jeder von sich behaupten.
 

Doch undankbar wie er Michael die paar Stunden schon erlebt hatte drehte dieser sich einfach weg und machte tatsächlich Anstalten, Emhom schlichtweg zu ignorieren. Dieser zog die Augenbrauen herunter, doch nun einen tatsächlichen Angriff gegen ihn zu starten war unklug, dafür hatten sie auch das Schlachtfeld. Nicht auszudenken, wenn dem Winzling ein bis sieben Finger fehlen würden, oder? Er sagte, er sollte überleben. Nicht, wie viel von ihm.
 

„Schwingt eure Ärsche in das Flugschiff!“ Mit dem Auftritt des Chefs wurde es wieder hektisch, niemand wollte der Letzte und somit unmittelbar in Berjaels weiterer Gedächtnisspanne sein, das könnte er ihnen übel nehmen.

Der Kommandant selbst stieg immer zum Schluss ein, allerdings richtete sich hiernach auch die Spanne der Personen, die mitdurften; nach ihm kam keiner mehr an Bord.
 

Mit einem raschen Blick hatte Berjael den Innenraum seines Schiffes bedacht; mit dreien würden die fliegen, bei ihm befanden sich aus Gründen die er niemandem erläutern würde die drei Neuen, hinten bei einigen Männern im Lager.
 

Die Aufregung stand dem Hellhaarigen Burschen ins Gesicht geschrieben, während er auf einer der Kisten Platz nahm und nervös an seiner Augenklappe nestelte. Neben ihm saß der junge Mann mit dem schwarzen Haar auf einer weiteren Kiste und gegenüber neben dem Engel mit Namen Fenel hatte Michael Platz genommen, die Arme auf den Oberschenkeln gestützt und den Boden studierend. Das Gespräch der beiden Kadetten nervte ihn, sie gingen mögliche Taktiken durch, sprachen sich mit der Deckung ab und hatten doch keine Ahnung, was sie wirklich erwarten würde. Inzwischen hatte er auch ihre Namen herausbekommen und war ganz froh darum; nun wusste er, wem er aus den Weg gehen würde.
 

Sariel und Zaphikel.
 

Dass er zudem gleich am ersten Tag mit auf eine Mission oder was auch immer dies werden sollte gehen würde, hätte Michael auch nicht gedacht aber er wurde lieber ‚ins kalte Wasser‘ gestoßen als sich Woche um Woche damit verrückt zu machen, was alles passieren könnte. Man sah ja an den anderen beiden, was dies aus Personen machen konnte. Auch mit Waffen würden sie nichts zu tun bekommen denn wie auch immer Berjael seine Logik für sich selbst begründete so verdiente ein Soldat sich erst einmal das Privileg, ein Messer besitzen zu dürfen und in vielen kleinen, ermüdenden Einzelschritten wurde dann am Umgang gearbeitet. Waffen waren teuer und nicht leicht zu bekommen, ein Stümper …te hatte nichts damit zu tun und sollte sich …ten besser hintergründig …t für den Kantinendienst melden, so Erimites.
 

Also zogen die drei Neuen in ihrer Alltagskleidung und mit blanken Fäusten los; irgendwie meinte Michael aber noch etwas Hinterhältiges zu erahnen. Er vertraute dem Chef nicht und dies vermutlich aus gutem Grund, doch das konnte er unmöglich so zeigen wie er es gern würde, das gäbe nur unnötig Probleme, auf die er nicht sonderlich scharf war. Außerdem musste er sich beherrschen, den Boss nicht ‚Belletristik‘ zu nennen, der Name war einfach reichlich bescheuert.
 

Als die Flugschiffe zur Landung ansetzten, brummten einige Soldaten wieder zustimmend ob ihres Schicksals; die Freude über den neuen Auftrag sah Michael nun nicht mehr, doch das lag denen wohl im Blut. So unkontrolliert sie zuvor waren, gerade wirkten sie entweder sehr professionell oder er war einfach zu naiv und glaubte, dass diese Leute ihrem Job gewachsen waren.

Ein Ruckeln, dann öffnete sich die Heckklappe und der Teil des Heers strömte hinaus auf ein weites, offenes Feld. Hier waren sie vollkommen ungeschützt und standen wie auf dem Präsentierteller, doch das schien Berjael wenig zu kümmern; vielleicht erklärte diese Fahrlässigkeit einen Teil der zahllosen Kampfnarben in dessen Gesicht.
 

„Woher hat er eigentlich die Information, dass sie Assiah angreifen werden?“ Das war wohl das erste Mal, dass Michael Zaphikel von sich aus ansprach, dementsprechend sah dieser ihn auch verwirrt an, blickte sich nach Sariel um. Sie passierten gerade die Klappe des Flugschiffes und betraten das Feld.

„Keine Ahnung, ich denke er bekommt die Informationen von wem anderes? Auf jeden Fall durften wir bei den letzten beiden Feldzügen nicht mit, weil wir noch nicht richtig ausgebildet sind. Ich frag mich, was das heute soll. Und ohne dir zu nahe treten zu wollen: Warum bist du dabei? Du bist ja.. noch neuer als Sariel und ich…“

„Keine Ahnung vielleicht will er mich loswerden und verfüttern?“ Das war nicht erst seit jetzt in seinem Kopf, den Verdacht hatte Michael relativ früh gehegt. Spätestens, als Fenel und sein Kumpane versucht hatten ihn zu überzeugen, sich gegen diesen Befehl zu stellen; vermutlich wären die beiden dann auch mit in die Sache hineingezogen worden, das sprach entweder gegen deren Intelligenz oder sie hatten sich wirklich aufopfern wollen.
 

Da Michael aber immer erst das Schlechteste von den Leuten erwartete, misstraute er Berjael im Moment mehr als den beiden Soldaten.

Gerade als die drei Truppen zusammenfanden, hatte auch Sariel sie wieder eingeholt und der Chef erhob die Stimme: „Also gut, Männer. Wir wissen nicht, mit wem oder was wir es zu tun bekommen, noch haben wir Informationen über die genaue Anzahl. Wir stehen also vor einem Rätsel, das wir schneller lösen müssen als es uns entdeckt. Fragen?“
 

Michael war tatsächlich versucht die Hand zu heben und Berjael zu fragen, ob er seinen Führungsstatus irgendwo gekauft hatte weil sonderlich durchdacht oder logisch wirkte dies alles nicht; er ließ sie alle ins offene Messer rennen und würde damit einen immensen Schaden auslösen – wenn sie Glück hatten. Bei Pech wäre ihnen das egal denn dann waren einfach alle tot.

Doch er ließ es, schob stattdessen seine Finger in die Taschen seiner Hose, verschränkte sie beherrschend ineinander.

Niemand sagte etwas, die Anspannung stand ihnen ins Gesicht geschrieben und das war bei manchen schon eine ästhetische Aufwertung des Gebildes an ihrem Kopf.

Berjael blickte in die Runde, begann die ersten Buchstaben von ‚Ausschwärmen‘ und wurde direkt unterbrochen; „Ausschwä-…“
 

Es grollte, gefolgt von einer plötzlichen Stille, die sich leider nicht als ‚beruhigend‘ einstufen lassen konnte. Es war nicht nur still, es war lautlos. Ob das ein kurzer Moment des Schocks war, schon so früh entdeckt worden zu sein und deswegen die Ohren streikten oder ob wirklich jegliches Leben vom Feld gelöscht wurde, konnte man nicht bestimmen. Kein Laut drang an ihre Ohren, weder das Rascheln einzelner Grasbüschel im Wind noch der lächerliche Ton eines zufälligen Insekts.

Nervös wurden Waffen geladen, Messer gezückt, bei einigen kehrte eine prinzipielle Körperspannung ein – dann ging es los.
 

Was genau nun wirklich den Beginn einläutete konnte Michael nicht sagen aber unter den schnellen Schritten und der Masse ihrer vielen Körper einiger Soldaten sah er sich dazu gezwungen, ihre Richtung anzunehmen um nicht überrannt zu werden und so strebten sie weg von den anderen, die Masse hatte sich aufgelöst und verteilt und schließlich endete das Feld vor einer Fläche aus Felsen und viel zu viel Gestein. Am Rande des Plateaus blieben sie kurz stehen, dann spannten sich hinter und neben ihm etliche Flügelpaare, welche die Männer in den Schutz der vielen Steine trugen.

„Flieg!“, schnauzte ihn einer der Unbekannten an, doch das war dann wieder sein Problem; zu kleine Landeflächen. „Ich kann nicht, ich…“

„Flieg jetzt!“ Mit einem Stoß in den Rücken hatte er keine Wahl; er verlor das Gleichgewicht und fing sich gerade noch mit den Schwingen ab, bevor er wie ein Stein fallen würde. Es sollte befreiend sein, das Fliegen war ein ihnen gegebenes Privileg und doch empfand Michael es gerade keines Falls so; er verpatzte die Landung seit er denken konnte und mit einer unbekannten Todesdrohung im Nacken war er auch noch nie aufgebrochen. Grund genug also, um nervös zu werden.
 

Jemand winkte mit einer herrischen Handbewegung von der Seite und deutete Michael einen kleinen Vorsprung in einer Nische an, woraufhin dieser den Kopf schüttelte. Der Wind rauschte ihm in den Ohren und die Nervosität vor der Landung wuchs stetig weiter; erst recht, als der andere sich näherte und ihn am Arm packte, mit sich riss. Er schrie ihn wohl an aber seine Stimme ging im Tumult über ihnen unter, denn da waren sie; im Moment nicht mehr als Schatten in der Dunkelheit, aber sie waren definitiv da.
 

Mit herzlich wenig Sichtweite steuerten sie auf diese Nische zu, dort wartete bereits ein weiterer Soldat und wenige Meter vor diesem ließ der andere Michael los, setzte zu einer tadellosen Landung an; da drehte der Feuerengel wieder weg, hörte den wütenden Ruf noch hinter sich. Er brauchte mehr Fläche, andernfalls würde er gegen die Wand schellen oder ganz ungalant gegen diese stolpern, bei den beiden Soldaten war einfach zu wenig Raum; er müsste punktgenau aufsetzen und das konnte er nicht. Es war schon relativ bedenklich für einen Engel aber bisher hatte ihn das Fliegen nie sonderlich gereizt; nicht, seit Luzifel damit begonnen hatte.
 

Der Boden der Schlucht kam immer näher, mit ihm leider auch die teilweise massigen Gestalten diverser Dämonen; auf wie viel sich die Zahl genau belief konnte er nicht sagen aber es waren auf jeden Fall weit über zehn. Wenn er nun mit einem Flammenstoß… nein, das würde jedes Mal gleich enden; sein Gesicht wurde einfach zu heiß und er drohte zu verbrennen, er konnte es einfach nicht.
 

Problematisch war nun auch die Landung, denn abbremsen würde er nicht mehr schaffen du einige der Dämonen hatten die leichte Beute schon unlängst registriert, lauerten darauf. Gut, wenigstens konnten sie scheinbar nicht fliegen aber das half ihm auch nicht weiter. Er konnte nicht landen, wo war da der Reiz?
 

Die Wucht des Aufpralls traf seine linke Seite, sein Körper war in einem einzigen, erbarmungslosen Griff gehüllt und seitlich schnellte er auf die Felswand zu, presste die Augen zu, als sie federleicht aufsetzten und man ihn wieder losließ, eine Hand noch auf der Brust. Als er wieder aufblickte stand dort Berjael, wie er aus dem Spalt in der Felswand lauerte, in welchem sie gerade noch Schutz gefunden hatten. Seine massige Hand hielt den kleinen Körper nach hinten gedrückt doch er hatte keine Zeit sich über diese Rettungsaktion zu wundern, drehte den Kopf in genau die entgegengesetzte Richtung, in welche der Kommandant die Dämonen beobachtete. Ein Luftzug hatte Michaels Haar erreicht, was ihn zu einer neugierigen Tat verleitete; das Feuer in seiner Hand flackerte schwach und hilflos, doch größer wollte er die Flamme einfach nicht machen, also streckte er den Arm in die weiteren Tiefen des Spaltes – und vergaß zu atmen.
 

Die Flamme erlosch, als Berjael ihn am Hemd zu sich riss und mit seinem einen Auge wütend in das Gesicht des jungen Kadetten blickte.

„Warum hast du dich widersetzt?! Du hättest sterben können, du Narr! Ein sicherer Landeplatz und du gehst nach unten?!“

„Wir müssen hier…“

„Warum du nicht gehorcht hast!“ Ungehalten schüttelte der große Engel ihn, zuckte dann aber mit dem Kopf nach oben, presste seine Hand auf den Mund des Rothaarigen, welcher zu einem trotzigen Protest angesetzt hatte.

„Scht! Still, horch!“

Er zog Michael sogar etwas an sich heran, blickte sich mit hektisch huschenden Augen um; sie standen weit genug im Spalt um nicht erwischt zu werden aber dennoch war in ihrer unmittelbaren Nähe das Geräusch von etwas Kratzendem.
 

Michael hatte Sand in den Mund bekommen, sauber war Berjaels Hand nicht und ehrlich gesagt passte es ihm gar nicht, was dieser mit ihm trieb, er bewegte den Kopf etwas und zog auch an den viel zu breiten Fingern, was den griff nur verfestigte. Problematisch war, dass er ihm die Nase ebenfalls mit abdrückte, folglich bekam er keine Luft und kämpfte nun aus einem natürlichen Überlebensinstinkt dagegen an; nichts half.

Erst, als er in einigem Gerangel auf den Fuß des Kommandanten traf, schenkte dieser ihm überhaupt wieder Beachtung, jedoch im negativen Sinne denn er schüttelte ihn nur kurz, konzentrierte sich dann wieder auf das unbekannte Kratzen. Wie Krallen, die über den Felsboden kratzten. Oder Schwerter, aber Michael wusste es besser.
 

Deswegen wand er sich auch in einer hastigen Drehung aus Berjaels Griff, woraufhin dieser sofort zu einer Backpfeife ausholte, ihn aber nicht erwischte.

„Wir müssen raus!“

„Geh alleine, wenn du das meinst! Hast du dich mal umgesehen? Klappe jetzt, hier…“

„Ja, hinter uns! Da im Spalt!“ Tatsächlich kroch eine Art Angst in ihm empor, Michael fürchtete sich vor dem was da lauerte ganz einfach aus dem Grund, weil er es nicht einschätzen konnte und deswegen lieber erst einmal sein Leben sicherte.
 

Gemustert vom Kriegsengel stieß dieser ihn dann doch gegen die Wand, näherte sich dem schmaler werdenden Spalt, doch die Geräusche waren verstummt.

„Bursche überspann den Bogen nicht, du…!“

Doch da tauchte der kleine Körper schon unter ihm empor, rasch streckte Michael den Arm aus und erlaubte es sich noch einmal, etwas Feuer zu beschwören. Das Gesicht drehte er weg, hatte den Glanz in den fahlen Augen jenes Dämons schon erspäht.

Berjael wurde plötzlich hektischer, fasste den kurzen Engel am Kragen und zerrte ihn mit sich, was mit den Flügeln auf dem Rücken nicht leicht war aber seitlich kamen sie schnell vorwärts. Ohne weiter nachzudenken stieß er sich aus dem Spalt am Boden ab, zerrte dabei den Rothaarigen mit sich, welcher seinen Arm noch gelöscht bekam und schließlich selber auf den eigenen Flügeln Aufschwung gewann. Was auch immer in der Spalte war; es steckte fest und hätte sie vermutlich geröstet, der Flammenstoß unter ihnen offenbarte Wut über die entkommenen Leckerhappen, ein tiefes Knurren glitt über die Ebene, gefolgt vom Schuss einer Pistole; Michael taumelte im Flug, der Schmerz fraß sich in seine Schulter und zog durch seinen Arm.
 

Es war nicht wie in den Erzählungen, er lief nicht heroisch durch die Gegend und ignorierte die Kugel im Fleisch; der Schmerz machte ihn beinahe blind, seine Konzentration sank gegen null. Ein weiterer Schuss, hinter ihm jaulte es auf und abermals packte man ihn am Arm, riss ihn wieder auf das Plateau. Stimmengewirr, gehetzte Stiefelpaare und ein gebellter Befehl aus dem Mund des Einsatzleiters, ehe dieser sich wieder ins Getümmel stürzte.

Jemand fasste Michael unter die Achseln und hob ihn auf, brachte ihn aus den gröbsten Schusslinien heraus und überließ ihn wieder jemand anderem.

Der Sand zwischen seinen Zähnen knirschte, warmes Blut war ihm in den Kragen gelaufen, tropfte am Arm herab und sammelte sich neben ihm, während über ihm das Gesicht von dem Engel auftauchte, den er mit Namen Fenel in Erinnerung behalten hatte.

„Diese Drecksnutten!“, hörte er ihn fluchen und wurde sich seines Umfeldes wieder gewahr; natürlich war der Schmerz tief aber er würde schon überleben.
 

„Hab es doch gesacht, ey. Nutten, alle!“

Er hatte das Tanktop, welches Michael trug, einfach aufgeschnitten und entblößte so das ganze Desaster, schnalzte mit der Zunge.

„Othriel, komm ma‘ her. Welche dieser kleinen Flittchen schießt denn mit Pistolen?“

Michael schloss die Augen, als er den Schwarzhaarigen Kumpanen Fenels ins Blickfeld gerückt bekam. Dass dieser glaubte er würde das Bewusstsein verlieren, war der Grund für den Schlag auf die Wange.

„Alter!“

„Gut, bleibste wach, wa? Wer hat’n dich geimpft, hm?“

„Was?“ Oh man, konnte er nicht einfach normale Wörter benutzen?

„Na deine Schulter, wa? Wer war’n das?“

„Ein Vogel, kann Patronen scheißen. Was war das wohl?!“

„Ja Pistole, oder Fenel?“

„Klar Pistole aber diese Dämonenschlampen können so was gar nicht bedienen.“ Um Michael noch an seinem Wissen teilhaben zu lassen hob er die Hand und deutete mit Daumen und Zeigefinger eine Schusswaffe an.

„Keine Finger, weißte? Okay wir holen das zuhause raus, bist erst mal beurlaubt, Kleiner. So kannste nicht helfen, sorry.“

„Dann wirste auch genäht, wa? Erste Narbe, ein Soldat braucht Narben, sind gute Andenken.“ Aufmunternd tätschelte er Michael den Kopf, dann erklang ein Schrei von weiter hinten und Othriel sprang wieder auf, rannte los.
 

„Im Ernst ich bleib doch nicht hier liegen! Hey, Fenel du Sack!“

Der verschwand dann auch und Michael blieb neben ein paar anderen Soldaten im Schutze eines der Flugschiffe, schnaufte verächtlich. Er wusste, dass der Schussaus Berjaels Pistole gekommen war aber konnte nicht hundertprozentig beweisen, dass er es mit Absicht getan hatte. Ein kurzer Blick nach hinten und er hatte abgedrückt, jedoch fühlte Michael sich in den Moment nicht als Ziel angesetzt sondern dachte eher an das Ding, welches neben ihnen die Felswand hochgekraxelt war und dann beim zweiten Versuch erwischt wurde.
 

Und wenn er sich den Kopf zerbrach, so würde er doch keine vernünftige Antwort bekommen. Neben ihm stöhnte es schmerzlich; ein ihm unbekannter Soldat schien weniger Glück gehabt zu haben; das halbe Gesicht wurde ihm weggeschnitten, im hellen Haar klebte eine große Menge Blut und einen Teil seiner Brust hatte es auch erwischt. Michael setzte sich auf, sah jedoch schlagartig Sternchen und murrte über diesen kurzen Moment der Schwäche, blickte sich dann um. Viele Verletzte lagen hier, drau0en nahm der Tumult nicht ab, immer mehr wurden hereingetragen; schließlich betrat auch Berjael das Schiff, gestützt von Othriel.

„Rückzug“, knurrte er und erntete einige unsichere Blicke.

„Chef, da draußen sind noch ein paar Männer und…“

„Rückzug hab ich gesagt!“ Er spuckte beim Sprechen, Blut landete in Othriels Gesicht, welcher einer Verzweiflung nahe stand.

„Fenel ist noch…“

Er bekam keine Antwort, der große Engel faltete seine mit Schmutz und Staub bedeckten Flügel ein und begab sich wieder an das Steuer seines Schiffes, knallte die Tür zur Kommandobrücke hinter sich zu; die Ladeluke schloss sich langsam.
 

Michael stand auf, der Schwindel konnte ihn auch nur wieder dort hinbringen wo er gerade noch lag und von dort käme er zur Not wieder weg. Mit dem heilen Arm stützte er sich ab, der Boden bebte, doch nicht so sehr wie der schwarzhaarige Engel vor ihm. Seine Hand war nahe des Schalters, welcher die Ladeluke wieder öffnen würde doch er traute sich nicht; drau0en erklangen Rufe. Auch die anderen beiden Flugschiffe erhoben sich, jedoch warteten sie noch ein paar verzweifelte Sekunden auf weitere Passagiere; die Engel im Nachthimmel würden sie nicht mehr einsammeln.

„Lassen wir jetzt etwa Leute im Stich?!“ Michael kämpfte sich bis zu Othriel vor, konnte es gerade nicht fassen.
 

„Hey, mach die Luke auf!“

Doch er tat es nicht, sie befanden sich nun wenige hundert Meter über dem Boden und gewannen immer mehr an Höhe, draußen hatten sich ein paar Soldaten festgeklammert, klopften unter Begleitung von Hilfeschreien an das feste Gehäuse; sie würden niemals so schnell fliegen können wie die Maschine und damit waren sie den Dämonen erbarmungslos ausgeliefert.
 

Michael versuchte, diesen Umstand zu akzeptieren und starrte auf die Metallplatte, inzwischen hielt Othriel ihn fest ohne dass er es wirklich bemerkte.

„Sie… können doch einfach versuchen uns zu folgen? Die Dämonen konnten doch nicht fliegen also wenn sie dann zwar langsam aber stetig fliegen…“

„Achtung!“

Die Stimme Berjaels schnitt das Gestotter ab, mit welchem Michael eine Rechtfertigung basteln wollte; sie gingen scharf in eine Kurve, der Rothaarige flog ohne Halt gegen Othriel, welcher an die Wand prallte und dann Michael festhielt, mit einem Ächzen zu Boden glitt, ihn dabei mit sich zog.

Mehrere Soldaten stießen gegeneinander, die Verletzten wurden geschützt und Irgendetwas schnitt haarscharf an einem der Fenster vorbei.

„Die Drecksdinger können doch fliegen!“, zischte ein Engel etwas weiter vorn; orangefarbenes Haar, relativ kurze Strubbelfrisur und drei Ohrringe im rechten Ohr.
 

Als die Schreie von außen lauter wurden, schloss Michael die Augen; das war mehr als er erwartet hatte und im Moment vermochte er es nicht zu verarbeiten; von Zaphikel und Sariel fehlte auch jede Spur und egal wie sehr ihn die Leute auch nervten, tot wollte er sie immerhin nicht sehen.
 

Die Tür sprang auf, Berjael griff nach dem zerfetzten Soldaten am Boden und lud sich dann noch einen zweiten Verletzten auf, trat gegen den Knopf für den Notfallausstieg – und warf einen der beiden Männer auf seiner Schulter hinaus. Nun war es Michael egal, er sprang auf und wollte diesem Mann einfach nur noch Schmerzen zufügen, doch wie schon zuvor am Tag wurde er von ihm am Hals hochgehoben und auf Augenhöhe gezerrt.

„Er war mehr tot als lebendig, ein guter Soldat stirbt auf dem Schlachtfeld!“ Der Dämon, welcher sie attackierte, widmete sich dem herabfallenden Körper, sprang hinterher. Ein Koloss von einem Vieh, zwischen seinen Klauen Überreste von Flügeln, Federn klebten am Flugschiff.
 

„Jeder nimmt sich so viele Verletzte wie er tragen kann, wir sind getroffen!“ Dann ließ sich der Kommandant aus dem Schiff fallen, drückte Michael an seinen Körper, auf der anderen Seite der blutende Soldat mit dem halben Gesicht. Sollte er ihn retten, der Rothaarige hatte genug.

„Lass mich los, Dreckssack!“ Keine Reaktion, der Griff um seinen Körper war ähnlich erbarmungslos wie vorhin in der Felsspalte, doch nun hatten sie tatsächlich einen Vorsprung vor dem Dämon, welcher noch am Boden nach den Überresten des geopferten Soldaten suchte. Die Mission war also gnadenlos gescheitert, es gab Tote und viel zu viele Verletzte.
 

Eine unschöne Bilanz, kaum zurück in der Kaserne sah man das volle Ausmaß; Verletzte und angeschlagene Krieger wo man sich nur hindrehte. Michael hatte sich vor dem Verarzten gedrückt, da gab es wichtigere Fälle und er kannte immerhin Raphael, doch einige hier schwebten zwischen Leben und Tod.

Ein letzter Blick auf die Mitstreiter, dann wandte er sich ab und verließ das Gebäude mit dem Wissen, dass ihm ein trübes, braunes Auge nachgestarrt hatte.

Er hatte ihn verbrannt. In seinen Armen wurde es zu viel, er wollte ihn nicht gehen lassen und so fing Michael mit einem Mal wieder an manchen Stellen Feuer, hatte die Haut des Kriegers an einigen Stellen in unschöne Blasen verwandelt.

Trotzdem hatte er ihn festgehalten, dieser Bastard.
 

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„…chael?“

„Hm…?“

Etwas benommen blinzelte er, blickte in blaue Augen und konnte sich im ersten Moment nicht orientieren. Das war definitiv nicht das Krankenhaus, dazu roch es nicht ekelhaft genug, aber trotzdem war dort Raphael über ihm und er lag definitiv in einem Bett. Seine Augen fühlten sich schwer an; unglaublich schwer, also schloss er sie erst wieder und sammelte etwas Kraft, bevor sie wieder aufgeschlagen wurden.

„Michael, aufwachen!“
 

Nun spürte er die Hand an seiner Wange, bewegte den Kopf grummelnd auf die Seite, blinzelte wieder.

Dort saß definitiv Raphael, hinter ihm eine dem Feuerengel unbekannte Umgebung.

„Wo…?“

„Bei mir, ich konnte dich ja schlecht im Krankenhaus lassen, oder?“

Der Blonde wirkte etwas verändert; offener oder mutiger ihm gegenüber, doch das blieb wohl nicht aus wenn man jemandem bei sich im Bett liegen hatte, oder?

Der junge Erzengel drehte den Kopf träge auf die Seite, stöhnte auf.

„Oh Gott…“

„Hast du Schmerzen?“ Raphael beugte sich über ihn, betrachtete besorgt das bleiche Gesicht.

„Ich hab dich narkotisiert und dann erst mal die Kugel entfernt… es ist geheilt aber bitte sei vorsichtig, ich weiß nicht ob es reichen wird also schon deinen Arm, ja?“

„Keine Schmerzen“, murmelte Michael leise, fasste dann den Arzt ins Auge.

„Was dann?“

„Deine Tapete… furchtbar.“

„Ach halt doch die Klappe…“
 

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Oh Gott was ein Akt ich bin ja lange kein Fan von solchen Monsterkapiteln aber das musste leider alles in eines XD

Im Kreis allein

Hm Berjael scheint für verschiedene Gemütszustände zu sorgen. Die einen lieben ihn und die anderen würden ihn am liebsten schon jetzt sechs Fuß tief unter der Erde sehen. Fakt ist, ich hab noch einiges vor und brauche solche Charaktere.
 

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„Gibt es eine weitreichend verständliche Erklärung für deine Torheit?“

Michael schwieg, wandte den Blick trotzig ab und widerstand noch dem Drang, nun mit dem Fuß auf dem Boden herumzuscharren, konnte jedoch das geschnaufte ‚Pff!‘ nicht mehr zurückhalten, was jedoch wie so oft übergangen wurde.

So wie immer eigentlich.
 

Raphael, dieser Idiot!

Der Rothaarige wusste ja, dass der junge Arzt wider eines besseren Wissens gehandelt hatte, dennoch verfluchte er ihn gerade im Stillen. Nachdem er sich nämlich aus diesem furchtbaren Schlafzimmer gekämpft und seine Schulter für funktionstüchtig abgesegnet hatte, kam er nicht mehr sehr weit; Luzifel versperrte ihm den Weg an der Eingangstür, sprach jedoch über seinen Kopf hinweg mit dem Engel des Windes.

Wobei diese Bezeichnung übertrieben war. Wirklich gesprochen hatte er tatsächlich sehr wenig, seine Augen verrieten den kurzen Unmut jedoch, seinen ‚kleinen‘ Bruder nun abzuholen, nachdem er von Raphael über die ungewöhnliche Verletzung informiert worden war.

Natürlich, eine Kugel in der Schulter gehörte nicht zu den trotzigen Blessuren, die er sich bei einer kurzen Prügelei zuzog oder sonst wie Anstalten machte, etwas vom eigenen Blut zu verlieren.
 

Dennoch wäre es ihm lieber gewesen, wenn Raphael den angehenden Fürsten des Lichts nicht benachrichtigt hätte. Der Weg nach Hause verlief in einvernehmlicher Stille, erst jetzt musste er sich ihm stellen. Wobei Luzifel tatsächlich nicht wirklich an einer ehrlichen Antwort interessiert war. Er musste sich aufspielen, Michael seine Fehler unter die Nase reiben und dies so diskret, dass dieser innerlich vor Scham beinahe platzte. Im Moment gewann sein kindlicher Trotz und er versuchte mit überzogenem Interesse an seinem Bettpfosten einem weiteren Gespräch aus dem Weg zu gehen.
 

So sah es zumindest der Rotschopf, welcher nun nur noch wartete, wieder aufbrechen zu können und so die Auseinandersetzung – welche er zweifelsohne verlieren würde – zu umgehen.

In seinem Zimmer fühlte er sich von ihm in die Ecke gedrängt, obgleich sie sich beide an gegenüberliegenden Seiten befand; Michael neben dem Bett und Luzifel unmittelbar vor der Tür, welche durch seine große Gestalt und aus Michaels ungünstigem Blickwinkel von ihm versperrt wurde. Er könnte das Fenster nehmen, immerhin rechnete er nicht mit einer plötzlichen Geste der Sorge von Seiten des schwarzhaarigen Engel in Form dessen, dass er ihn zurückholen würde. Dennoch wollte er ihm diesen Triumph nicht gönnen und so zog er weiteres, stures Schweigen vor. Viel zu sagen hatten sie sich seit einiger Zeit ohnehin nicht mehr, dazu gingen ihre Lebensweisen und auch die angelernten Verhaltensmuster zu weit auseinander.
 

Doch daran arbeitete Michael ja; wenn er eine wirkliche Erfüllung fand, würden sie schon wieder zueinander finden, immerhin wollte er dem Schicksal ja ein Schnippchen schlagen und für statt gegen den Himmel kämpfen. Den Status des größeren Zwillings würde er nur schwer erreichen, aber als Engel hatte er immerhin unverschämt viel Zeit, an seinem Leben zu feilen.
 

„Michael. Ich erwarte eine Antwort.“

Hervorragend, ausgerechnet heute jedoch war er an Gesprächen interessiert. Zudem schien er keine Ambitionen zu hegen, sich in nächster Zeit von dort wegzubewegen, trotz des straffen Zeitplanes, nach welchem er stets lebte.

„Wohlmöglich hast du den Kontext meiner Frage falsch verstanden: Wie kommt ein fester Fremdkörper derart tief in den Fleisch, ohne dass er in tatsächlicher Funktion verwendet wurde? Wer hat auf dich geschossen und warum ist dein erster Weg Raphael und nicht Bal, die nun einmal für dich zuständig ist?“
 

Und warum solltest nicht du mein erster Weg sein? , schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, woraufhin er sich strafend auf die Unterlippe biss. Diese starke Abhängigkeit gegenüber Luzifel wollte er allmählich beenden, ihr brüderliches Band hatte in den letzten Jahren ohnehin stark gelitten. Woran auch immer es lag.
 

Die Regung dieser kurzen Selbstjustiz blieb natürlich nicht unbeachtet, doch wie zu erwarten keimte keine offensichtliche Sorge in Luzifel auf, sodass dieser wie zuvor an Ort und Stelle verweilte, lediglich eine Augenbraue zur Bewegung bemüht hatte.

Vermutlich wusste er auch dass kaum wenn er den Raum verließ, Michael wieder aufbrechen würde ohne ihm eine richtige Antwort zu geben. Sie misstrauten sich beide im Moment zu sehr, um dem anderen tatsächlich Rede und Antwort zu stehen.
 

Um seinem Trotz eine neue Ebene zu verleihen, ließ sich der angehende Engel des Feuers mit verschränkten Armen auf sein Bett sinken, überschlug die Beine und sank mit dem Oberkörper nach hinten, starrte an den Himmel des Bettes über sich. Ein warmes Orange, das Tuch hatte ihn schon immer gestört. Nur verbrachte er zu wenig Zeit in diesem Raum um wirkliches Interesse an einer Änderung zu verfolgen.

Schritte lenkten seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bruder, welcher sich entgegengesetzt seiner Erwartungen zu ihm begab, jedoch nicht selbst auf dem Bett Platz nahm.
 

Den Kopf gedreht beobachtete der Rothaarige ihn, zog misstrauisch die Augenbrauen herunter, doch auch das würde Luzifel kaum beeindrucken, denn trotzdem streckte er die Hand nach ihm aus, berührte die frisch verheilte Schulter nur flüchtig und blickte wie so üblich nicht wirklich in das Gesicht des Zwillings.

„Raphael hat wahrlich bemerkenswerte Fortschritte gemacht.“ Das war‘s, mehr sagte er nicht, wandte sich zum Gehen und schloss schließlich auch die Tür hinter sich.

Die Schritte entfernten sich, als er den langen Flur hinabging.

Fassungslos richtete sich der junge Erzengel auf, wieder alleine im Raum.
 

Diese unterschwellige Art, seine eigene Inkompetenz müde zu belächeln machte ihn beinahe verrückt; warum er auch nie wirklich Entsetzen in ihm auslösen konnte, schien ihm beinahe wie eine Strafe. Ein einziges Mal nur würde er ihn sprachlos sehen wollen, denn obgleich er ihm nicht geantwortet hatte, drehte Luzifel den Spieß herum und ging wie üblich mit einem Triumph davon.

Wütend schlug Michael auf die Matratze unter sich, spürte ein Beben im Inneren. Diese Demütigung!
 

Das Gefühl von Schmach breitete sich ihm aus und leckte heiß unter der Haut entlang, kroch in einer unbeschreiblichen Geschwindigkeit bis in die Fingerspitzen. Seine Nägel brannten, die Augen wurden heiß in den Höhlen und in seinen Beinen spannten sich die Muskeln wie zu einem Sprint an, doch er wusste es besser.

Und fürchtete sich, denn dem Feuer nun nachzukommen würde vermutlich seinem eigenen Untergang nahe kommen, zeigte es der gerade in ihm verursachte Schmerz doch nur zu deutlich.
 

Mit Schwung richtete er sich auf, schüttelte diese Niederlage vorerst von sich ab und durchquerte den Raum, riss die Tür mit dem Wissen auf, den massiven Knauf schlagartig zu erhitzen. Sollte er nur, er würde sowieso wieder gehen, eigentlich wollte er ohnehin wieder direkt in die Kaserne statt erneut zuhause zu landen. Ein dehnbarer Begriff, es fühlte sich zumindest nicht so an, wie es dies vielleicht sollte.

Nun, vielleicht würde Berjael das nächste Mal ihn aus dem Schiff werfen, dann hatte all sein Grübeln ohnehin eh ein Ende.
 

-
 

„Wo warst …t du?“

„Wieso? Hast mich vermisst?“ Auf Erimites hatte er gerade ehrlich gesagt nicht wirklich Lust, doch dieser folgte ihm kaum dass er wieder gelandet war durch den großen Versammlungsraum; hier und da lagen Soldaten herum, wurden von ihren weniger zerfetzten Kameraden umsorgt. Blut hatte den Boden an zu vielen Stellen benetzt, schmerzlich stöhnte immer mal wieder jemand auf.

„Der Boss sucht …t dich. Ist wütend …ten.“

„Aha…“
 

Das war er auch aber Berjael dies so offen zu sagen wäre nach den paar gesammelten Erfahrungen der letzten Stunden ziemlich unklug, wenn nicht zu sagen vollkommen lebensmüde.

„Sagt …t, sollst dich nicht einfach verpissen … ten. Macht man nicht …t. Verstanden?“

„Nerv mich nicht, du…!“

„Hey!“

Ausgerechnet der, wunderbar.

„Dir geht’s zu gut, was?! Wie kannst du es wagen, dich einem erfahrenen Soldaten zu widersetzen?!“

„Du meinst hoffentlich nicht dich, du Würstchen!“

Mit Emhom würde er sich wahrlich nie anfreunden, der Zug war definitiv schon vor seiner Ankunft abgefahren. Das zeigte auch der größere Engel, welcher Michael am Hemdausschnitt zu sich zog und sich in einer übertriebenen Geste auf seine Augenhöhe begab, ihn auf Grund der geringen Größe offensichtlich verspottend.
 

„Wenn dir jemand sacht, dass du landen sollst… was machste dann? Richtig, landen! Und nicht einfach abhauen und alles in Gefahr bringen, was geplant war!“

„Wo war bitte was geplant? Ihr seid wie die letzten Vollidioten in euren Tod geflogen, du Penner! Einfach von einer Klippe springen ist nicht geplant, Schwachkopf!“

„Du Made, wie redest du mit mir?! Ich bin dein Vorgesetzter, du…!“

„Fenel ist tot, oh großer Boss! Bring ihn zurück oder spiel dich nicht so auf!“ Wütend riss er sich aus dem Griff heraus, stolperte noch einige Schritte nach hinten und schnaufte. Seit wann der nun sein Vorgesetzter war, wüsste er zudem auch gern aber das konnte leider nur einer beantworten und dieser würde es nur in einem Fall plötzlich auftretender Großzügigkeit tun und das erwartete er von Berjael nun wirklich nicht.
 

Ach, wo er schon beim Thema war…

„Das nächste Mal bleibst du hier. Wenn du zu uns gehören willst, dann auch mit allen Wunden. Wir flicken die Leute hier wieder zusammen, Einzelgänger kann hier niemand gebrauchen.“

Da saß er, einen Arm vor sich haltend und neben sich ein Soldat, welcher ratlos auf die Wunde blickte, dann seufzend den Kopf schüttelte und etwas murrte, dass sie lieber auf die Ärzte warten sollten.
 

Michael blickte mit undurchdachter Kampfeslust in das eine Auge des Kriegsherrn, welcher jedoch keine Ambitionen für Streit verspürte und dementsprechend ruhig den ihn wenig beeindruckenden Blick erwiderte. Dass der Rothaarige immer wieder kurz auf die letzten Fetzen dessen blickte, was einst ein Arm gewesen war, störte ihn scheinbar nicht.

„Deine Chance, Kleiner. Hau mir eine rein, nachher wird ich nur zurückschlagen.“

Michael antwortete nicht und unterdrückte den Drang, dieser Aufforderung wirklich nachzukommen; dass schiefe Grinsen machte es nun nicht besser, denn er fühlte sich verspottet.

„Bist doch noch sauer, oder? Dass ich wen rausgeworfen hab, der bis hierhin eh verreckt wäre – und wir gleich mit, das Vieh hätte uns zerfleischt.“
 

„Spar dir die Scheiße“, antwortete der Erzengel und schob sich die Hände in die Hosentaschen, blickte sich noch einmal von seinem Standpunkt aus um. Mit einer Erklärung hätte er wirklich nicht gerechnet, aber sie machte nichts besser. Er wusste einfach nicht, wie er mit diesem Mann umgehen sollte und für den ersten Tag unter den Soldaten hatte er schon erstaunlich viel Müll erlebt. Vermutlich war dies nicht seine Welt aber anderweitig fand er auch keinen Anschluss, also würde er sich hier zusammenreißen und ein unverschämt dickes Fell zulegen müssen, so traurig diese Wahrheit auch war.

Er kannte den geopferten Soldaten nicht und auch zu Fenel und ein paar weiteren Verstorbenen konnte Michael keine wirkliche Bindung aufweisen, doch allein der Gedanke, dass sie mit ihm gesprochen hatten und nun tot im Magen eines Dämons verweilten, trieb ihn fast in die Tränen hinein. Jemanden sterben zu sehen war nie leicht und er hätte diese Erfahrung gerne noch vor sich hergeschoben.
 

Ohne nun zu antworten setzte er sich wieder in Bewegung, stieg über einige im Wege liegenden Soldaten hinweg und fragte sich gleichzeitig, warum man sie nicht auf ihre Pritsche legte; hier auf dem Boden schien wenig angebracht und erinnerte ihn an ein vorzeitiges Massengrab. Wobei es anders auch nicht besser wäre, im Endeffekt litten sie im Kollektiv.

Welcher Arzt sich nun her bewegen würde, war ebenso fraglich, doch zweifelsfrei notwendig. Er hatte Raphael einmal darüber reden hören – Raphael sprach ja viel, wenn der Tag lang war und dies auch ungeachtet, ob man ihm tatsächlich zuhören wollte – dass unter den Ärzten im Krankenhaus wenig Begeisterung für diese Tätigkeit der schnellen Versorgung der Soldaten herrschte, da schließlich der gesellschaftlich herabgestufte Rang dieser beachtet wurde, doch es war selbstredend zwingend notwendig. Immerhin könnten die Dämonen sich auch gegen den Himmel stellen statt sich Assiah zuzuwenden, diesem Planeten in Kinderschuhen.
 

Der blonde Engel persönlich würde vermutlich nicht hier auftauchen, das war auch ganz praktisch denn Michael hatte ihm immer noch nicht berichtet, wie es zu der Schusswunde gekommen war und ein weiteres Mal bei Luzifel verpfiffen zu werden war nun wirklich nicht erstrebenswert. Allerdings konnte das auch durch die anderen Ärzte passieren, denn natürlich kannten sie ihn als Mitstreiter ihres Kollegen und baldigen Chefs. Was sie die Absichten Michaels anging, war hier zweitrangig, denn die unerfahrenen Erzengel waren wunderbares Kanonenfutter für den Rest. Unerfahren, noch längst nicht in ihre Kräfte hineingewachsen und voller Fehler, die es zu beseitigen galt.

Diese Sensationsgeilheit machte Michael fast krank.
 

Dennoch strebte er an, es allen zu beweisen. Sie würden sich schon umschauen, sein Name würde schon noch strahlen und das fortwaschen, was man ihm jetzt noch anlastete; immerhin war da ja sein über alles begabter Bruder.
 

„Michael!“

Einige Meter weiter links von ihm hockte Sariel auf dem Boden, winkte ihn herbei; oder zumindest beabsichtigte er das, sein Blick sprach Verunsicherung aus.

Bevor er nun ziellos durch die Reihen der Verletzten ging, begab sich der Rothaarige dann doch zum jungen Mitstreiter, blieb jedoch stehen und bedachte den Soldaten dort nur mit einem flüchtigen Blick.

„Was?“
 

Das eine, sichtbare Auge zuckte über das Gesicht Michaels, dann wieder zum Soldaten und schließlich schien Sariel zu befinden, dass er auch ohne den für ihn namenlosen Beistand überleben würde und erhob sich.

„Wo warst du? Wir verarzten seit Stunden die Leute und warten darauf, dass endlich ein Arzt Zeit findet.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“ War er tatsächlich jedem Rechenschaft schuldig, weil er zu Raphael gegangen war? Inzwischen merkte er ja, dass dies hier nicht üblich zu sein schien, da nervte die Fragerei bloß.

„Nun ja… nichts“, antwortete Sariel etwas vor den Kopf gestoßen und trat über den am Boden liegenden Körper weg.
 

„Zaphikel und ich haben uns nur gefragt, ob du auch mitgekommen bist… wir haben ein paar Leute auf dem Schlachtfeld verloren und da dachte ich…“

War das ein Anflug von Sorge um ihn oder wollte er nur nicht mit dem Schwarzhaarigen alleine ‚der Neue‘ sein? Denn Michael befand, dass der Letzte ihres kleinen Trios schwer zu durchschauen war; er arbeitete noch an seiner Personenkenntnis, doch irgendwie war Zaphikel ihm suspekt und schien nicht ganz ehrlich bezüglich sich selbst zu sein. Das würde die Zeit zeigen – wenn sie denn noch welche hatten.
 

„Mir geht es gut“, antwortete er kurz angebunden und ließ ein weiteres Mal seine Augen durch die Menge schweifen.

„Was habt ihr die ganze Zeit gemacht? Hier scheint nicht viel passiert zu sein, oder?“

Sariel lehnte sich gegen die Wand, seufzte ergeben.

„Nicht wirklich, nein. Wir warten auf die Ärzte, die der Boss informiert hat. Eigentlich sollten sie schon längst da sein aber er sagt, wir sollen nicht nach ihnen schauen und wohlmöglich Druck machen, am Ende kommt niemand mehr her, bis dahin müssen wir also durchhalten und warten.“

„Dass die Leute Schmerzen haben, weiß er schon?“ Vielleicht war er ja zu naiv aber Michael hatte einfach kein Verständnis für diesen offensichtlich dummen Befehl; als würden die Heiler sich im Falle eines Falles an die Kampffront stellen, auch ihnen musste etwas an der Gesundheit der Armee liegen, oder etwa nicht?
 

Ihm war das alles zu schwammig, die ganzen Aussagen um ihn herum kamen Michael vor wie die Rechtfertigung eines kleinen Kindes, welches trotzig einfach nach einer schnellen, aber doch vollkommen unlogischen Lösung suchte. Nachvollziehbar musste es scheinbar nicht sein und das störte ihn ganz gewaltig. Dennoch war er nicht in der Position, sich zu beschweren und so ergab Michael sich vorläufig seinem Schicksal und wartete mit dem Rest auf das Eintreffen eines Arztes.
 

-
 

Es würde keiner kommen, das war ihm bei der Dämmerung bewusst geworden. Inzwischen hatten sie zwei weitere Tote zu verbuchen und auch Berjael hatte bisher davon abgesehen sich zurückzuziehen, was laut Zaphikel sonst eigentlich nach einer gescheiterten Mission der Fall war. Er sprach nicht mit ihnen, er kümmerte sich um niemanden und doch schien klar zu sein, dass der viel zu große Engel sich um sie sorgte. Zumindest um die Männer am Boden, zu teilen gefangen in Fieberträumen und eingenommen vom Schmerz.
 

Michael hatte es sich wie die übrigen Soldaten zur Aufgabe gemacht zu handeln und schlich zwischen den Verletzten umher, reichte ihnen Wasser und legte kalte Tücher auf. Bisher hatte er sich nie für jemanden verantwortlich gefühlt, doch sollte er tatenlos herumstehen und warten, dass sie ihnen unter den Händen wegstarben? Auch Berjael schien sie nicht aufhalten zu wollen und so waren es die Überlebenden, die nun beinahe krank vor Sorge um jedes Leben kämpften. Einige erholten sich langsam, ihre Astralkräfte kämpften gegen die Wunden an und zu teilen standen sie auch wieder auf, saßen wenigstens aufrecht und konnten das ein oder andere Trinkgefäß halten.
 

Als der Feuerengel bei dem Mann aus dem Flugschiff angekommen war, zögerte er allerdings. Große Teile der Haut fehlten, Fleisch und Knochen waren an manchen Stellen zu einem unansehnlichen Brei zerfetzt worden und irgendwie bestand seine Brust nur aus der Hälfte ihrer ursprünglichen Form. Auch lag er weiter abseits, vermutlich war sein Anblick eine Belastung für die Genesenden: er zitterte, die Augen geschlossen. Von Zeit zu Zeit war schon jemand hier gewesen aber lange verweilten sie nicht an Ort und Stelle, überließen ihn wieder sich selbst.

Michael ging in die Knie, betrachtete ihn aufmerksamer. Stellte die Schale mit Wasser neben sich ab.

„Kannst du mich hören?“

Vorerst keine Reaktion, vermutlich hätte er selber auch besseres zu tun als brav zu antworten und so fuhr er mit seinem Finger vorsichtig über die Lippen des Mannes, hatte einen Wassertropfen an der Fingerspitze kleben und hoffte so, ihn zum Trinken zu animieren. Keine Reaktion, wieder befeuchtete er seinen Finger und ließ ihn über die Lippen streichen, fixierte diese regelrecht mit seinen Blicken.

Nichts.
 

„Streichholz!“

Nerviger, elender…!

„Was?!“

Er wandte seine Aufmerksamkeit nur ungern Berjael zu, doch da dessen Präsenz, sprich sein Körper als geschlossene Masse, sich unaufhaltsam näherte sah er lieber auf und starrte ihn wütend an.

„Guck nicht so blöd, weg da jetzt und geh schlafen!“

„Sülz mich nicht voll, du… hey!“

Also ehrlich, wie oft er nun von ihm wie ein kleiner Köter am Hals hochgehoben worden war, konnte Michael nicht mehr sagen aber die massige Hand des Kriegers schloss sich fest um ihn, zerrte ihn in die Luft. Wenigstens ließ er ihn dieses Mal nicht hilflos baumeln und so schubste Berjael den Rekruten nur ein paar Meter weg, versperrte ihm dann wieder mit seinem eigenen Körper den Weg.
 

„Du sollst doch gehorchen! Geh schlafen, wenn der morgen noch lebt kannst du ja weitermachen.“

Angriffslustig blickte Michael ihn an, trotzdem musste er um seinen Aufenthalt hier fürchten denn irgendwie traute er es Berjael zu, jederzeit hinausgeworfen zu werden; vorher wollte er sich zu einem unentbehrlichen Mitglied entwickeln und dem war leider nicht der Fall. Noch nicht, dass in ihm großes Potenzial schlummerte, wusste er.

Und Berjael auch, vermutlich hatte er ihn allein deswegen hier aufgenommen.

„Iss vorher etwas, wenn du die nächste Mahlzeit verpasst hungerst du den Tag über.“ Mit einem Kopfnicken deutete er hinter Michael, wo Sariel stand und ihm ein in Papier eingeschlagenes Stück Brotkante reichte, doch das verschmähte der Rotschopf und schritt an dem Engel mit der Augenklappe vorbei.
 

Schritte hinter ihm, bald schon hatte Sariel ihn eingeholt.

„Es ist unklug, sich so vor dem Boss zu benehmen, weißt du…“

„Schnauze! Statt mir Predigten zu halten könntest du für einen Arzt sorgen, meinst du nicht?!“

„Dann nenn mir doch den Namen desjenigen, der sich von einem kleinen Rekruten in dieses Loch beordern lässt? Du scheinst ja einen gefunden zu haben“, schnalzte er das erste Mal abfällig gegenüber dem Erzengel, welcher den Blick gen seiner Schulter durchaus registrierte, es jedoch unkommentiert ließ. Natürlich kannte er jemanden, nur würde dieser sich im Notfall mit seinen Zähnen in der Wand des Krankenhauses verkanten, bloß um nicht mit diesem Ort in Berührung zu kommen. Raphael fiel also flach, höchstens Bal könnte er fragen aber diese würde seinen Eintritt in die Armee sicherlich nicht ohne Sabotage hinnehmen, in welcher sie ihn zur Räson bringen wollen würde.
 

Demnach stand auch Michael vor einem Rätsel und so blieb er ebenso nutzlos wie der Rest der Leute, die sich allmählich in Richtung Schlafkammer begaben. Einen Augenblick blieb der Rothaarige stehen, schaute ein weiteres Mal in der großen Halle um sich, doch nichts besserte sich. Der Schmerz stand vielen ins Gesicht geschrieben, Schnitte klafften auf, Wunden bluteten immer wieder aufs Neue los. Das war also nun seine Welt. Nun, wenn er in ihr leben wollte, würde er sie zumindest nicht vollkommen unberührt lassen da er die Ansicht vertrat, dass jedes fehlende Handeln nur noch verschlimmert, was ohnehin schon da ist.
 

Berjaels Blick im Rücken half ihm bei der Entscheidung allerdings nicht sonderlich, unter Beobachtung konnte er nicht gut arbeiten; schon jetzt spürte Michael, wie seine Handflächen schwitzig wurden und so lief er den anderen dann doch nach ins Schlaflager und bezog seine kleine Pritsche weiter hinten im Raum.

Zaphikel daneben lag auf dem Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Decke betrachtend, während Sariel weiter mittig einen Platz gefunden hatte. Es wurde etwas gemurmelt, hier und da lachte jemand halbherzig und leise, doch allgemein schienen sie alle nicht wirklich in bester Stimmung zu sein; was nicht verwunderlich war, bedachte man die ganze Situation hier.

Licht gab es nur jenes, das aus der großen Versammlungshalle hereindrang, doch dieses erlosch schon sehr bald, hüllte die liegenden Gestalten in Dunkelheit.
 

Das würde also Michaels erste Nacht unter den Soldaten werden. Noch wusste er nicht, wie genau er zu diesen Personen stehen sollte doch schienen sie ihn zumindest im Moment weniger zu verspotten, was für diesen komischen Haufen ein wirklicher Fortschritt war. Unter der dünnen Decke würde er schnell frieren, also musste er möglichst bald einschlafen, ansonsten würde dies beinahe unmöglich für ihn zu bewerkstelligen.
 

Es war schwierig, wenn man die Geräusche anderer Personen dazu rechnete. Im Moment befanden sich etwa zwanzig Männer bei ihm. Mit Zaphikel und Sariel gehörte er zu den Jüngsten und in Michaels Fall war er vermutlich der Einzige, der nach etwa einer halben Stunde nicht damit gerechnet hatte; er hätte es nicht einmal für möglich gehalten, diesen Gedanken niemals gehegt und entsprechend groß war der schockierende Moment, in welchem er Erkenntnis erlangte.
 

Da seine Füße kalt wurden, hatte er noch keinen Schlaf finden können und bekam die Situation zu seinem Übel von Anfang an mit; dass er sich unter Männern befand, schien auch ein gewisses Maß primitiven Verhaltens vorauszusetzen, zumindest war er allein nie wirklich damit in Berührung gekommen – im wahrsten Sinne des Wortes, denn ein paar Betten weiter stöhnte gerade jemand ein weiteres Mal leise auf, während er sich selbst befriedigte.
 

Michaels Augen weiteten sich etwas, dann zog er sich die Decke etwas weiter bis an das Gesicht und versuchte, dies auszublenden. Scheinbar schien es außer ihm niemanden zu kümmern, zumindest beschwerte sich niemand, noch lachte es aus irgendeiner Ecke, womit er nun fest gerechnet hatte. Nun herüberzurufen und einfach ‚Ruhe!‘ brüllen würde ihn vermutlich sehr unglücklich machen, denn keiner der Soldaten würde sich seinem Wort ergeben.
 

Allmählich hatten sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt, er sah Umrisse von Betten und unförmige Körper unter dünnen Decken, doch den Verantwortlichen dieser kleinen Pornosession nicht – was ganz gut war. Dennoch richtete er sich etwas auf, lokalisierte das Geräusch auf der anderen Seite und befand es für besser, sich wieder hinzulegen. Die Augen zugekniffen und die Decke noch etwas weiter nach oben gezogen rollte sich der kleine Körper zusammen.
 

-
 

Merkwürdig, irgendetwas stimmte nicht.

Er war – nachdem der erleichterte, heisere Schrei des namenlosen Soldaten durch den Raum gesickert war – tatsächlich eingeschlafen, hatte nun auch Schnarchen, Grunzen und Gerede anderer ausgeblendet und doch schien etwas zu stören. Und dies nicht im Traum.
 

Wenn Michael sich bewegte, fühlte er sich besser als zuvor, doch gleichzeitig löste es Unbehagen in ihm aus und da er von Natur aus einen übertriebenen Selbsterhaltungstrieb besaß, schlug er letzten Endes doch die Augen auf, blinzelte müde.

Es konnten unmöglich mehr als ein paar Minuten vergangen sein, besten Falls eine Stunde. Noch immer war es verhältnismäßig leise im Raum. Doch eine fatale Änderung ließ ihn erstarren – jemand lag neben ihm.
 

Um genau zu sein dahinter, ein Arm hatte sich um ihn gelegt und die Hand streichelte über seinen entblößten Bauch. Auf der Seite zu schlafen war also ein großer Fehler, doch für diese nüchterne Art einer Feststellung blieb ihm eigentlich keine Zeit, denn nun spürte er auch den fremden Atem im Nacken, schauderte angeekelt. Die Körperwärme war es, welche ihn geweckt hatte.

Ein leises, amüsiertes Lachen. Man hatte also bemerkt, dass er aufgewacht war.
 

„Na, auch endlich wach?“ Die Stimme konnte er nicht zuordnen, also war das niemand von den Männern, mit denen er bisher ansatzweise Kontakt hatte. Es war auch nichts Besonderes an ihr; durchschnittlich, die eines jungen Erwachsenen vielleicht. Wobei dies bei Engeln ohnehin relativ war.

Das Streicheln an seinem Bauch nahm nicht ab; im Gegenteil. Immer wieder rutschte die Hand weiter nach oben, tastete sich zur Brust des jungen Engels, welcher spätestens jetzt seinem Fluchtinstinkt nachkam und rasch nach vorne rutschte, um sofort aufzuspringen und dann ohne Rücksicht auf Verluste den Körper des Mannes rösten wollte – falsch gedacht, dort stand nämlich auch jemand und wenn Michaels Augen ihn nicht vollkommen täuschten, hatte dieser bereits eine Hand in die eigene Hose geschoben.
 

„Ihr seid doch…!“

Eine Hand prallte an seinen Mund, schloss den Unterkiefer fest ein und ermöglichte es ihm so nicht, sich zu äußern; er schmeckte etwas Blut, hatte sich doch auf die Unterlippe gebissen.

„Wir wollen doch keinen wecken“, flüsterte der Mann hinter ihm wieder in sein Ohr und ließ die Hand vom Bauch weiter zur Seite gleiten, fasste ihn an der Hüfte. Auch ein Bein schob sich heran, über die des Feuerengels und presste ihn an den Körper des anderen.

Mit Rutschen und gedämpften Fluchen holte er mit einem Fuß zum Tritt hinter sich aus, doch das Bein drückte ihn nur fester gegen den fremden Körper, minimierte seine Bewegungsfreiheit.
 

Langsam stieg eine Art unbegründete Panik in ihm auf; was sollten sie schon großartig mit ihm anstellen? Wobei der Mann vor ihm definitiv gerade in seiner eigenen Welt steckte und dass er Michael zu nicht mehr als einem Objekt in dieser machte, passte diesem gar nicht.

Nun, nicht dass nun jemand dachte, er würde gerne der Protagonist in eines anderen Mannes Gedanken sein, er wollte am liebsten gar nicht Teil dieser inneren Sekte werden!
 

„Jetzt stell dich nicht so an, die meisten hier haben das mitgemacht. Du bist halt der Neue“, flüsterte es wieder in sein Ohr und allmählich fand seine Panik doch berechtigte Existenzbegründungen; fummelte der gerade hinter ihm herum?

Ganz klar – ja! An seiner Hose wurde bereits gezogen, was den letzten Zweifel ausräumte und ihn wieder zum zappeln animierte – ehe er mit Schwung auf den Bauch gedreht wurde und der Typ hinter ihm mit dem Knie in seinem Kreutz dafür sorgte, dass er sich kaum noch bewegen konnte. Die Hand hielt weiterhin seinen Mund zu und mit beiden Beinen als Waffe seines Gegners hatte er kaum eine Chance sich zu befreien.
 

Michaels Arme wurden indes vom Zweiten festgehalten – der gerade noch an sich gespielt hatte und nun fummelte er ihn allen Ernstes an! – und hinter sich spürte er deutlich, wie die Präsenz des anderen Soldaten, kaum dass sie sich beim herumdrehen weniger aufdringlich entfernt hatte, wieder ganz nahe rückte. Ein Knopf wurde aufgemacht, Stoff einer Hose raschelte und an seiner eigenen wurde wieder gezogen. Irgendwas drückte ihm gegen… stopp! Das reichte, er würde sich nicht zur billigen Nutte machen lassen, bloß weil die Herren zu viel Tinte auf dem Füller hatten!
 

Wie er ihnen entkommen sollte, war jedoch die andere Seite.

Um ehrlich zu sein hatte Michael große Angst, dass sie dies hier durchziehen würden – was zweifelsfrei passierte, wenn er sich nicht selbst befreite.

Rationalität fiel ihm schon immer irgendwie schwer und jetzt die Ruhe zu bewahren und sich bestenfalls noch zu entspannen käme genau zum gegensätzlichen Ergebnis dessen, was er sich selber wünschen würde, doch Zeit hatte er nun auch nicht mehr und da er in die Enge getrieben wie ein verängstigtes Tier reagierte – als welches er sich auch gerade fühlte – geschah, was geschehen musste: Funken schlugen auf, wieder die ihm selbst unheimliche Hitze und der Griff um seinen Nacken löste sich etwas. Ein ungläubiges „Was zum…?“ drang ihm an die Ohren, doch das zur Hälfte in die Matratze gepresste Gesicht verzog sich nur zu einer Maske aus Wut und Verzweiflung. Als seine Flügel nun noch ausgebreitet wurden, ließ er dem Feuer einmal freien Lauf und gewährte, dass es ihn schützte. Ein erschrockener Schrei, schnell entfernte sich der Soldat von ihm und auch der andere ließ ihn los, während Michael selbst sich schnell aufrichtete, den Raum in ein helles Leuchten tauchte.
 

Inzwischen war auch der letzte Soldat wach geworden, doch kein Laut drang an seine Ohren; das Prasseln und Knistern nahm alles ein und wurde zu seiner ganzen Welt; dann schossen die Flammen wieder in Richtung Gesicht, was ihn paralysiert erstarren ließ. Sie würden ihn verbrennen, seine Augen aus den Höhlen ätzen und die Haut zu einer einzigen Masse aus pulsierendem Schmerz verwandeln, wenn er sich nicht unter Kontrolle brachte.

Das war schwerer als gesagt, selbst die Flügel konnte er nicht verschwinden lassen.

Seine Konzentration nun einzig auf die Flammen zu lenken erschien Michael unmöglich, galt sie doch eher dessen, dass er nicht verletzt werden wollte.
 

Einzelne Schemen huschten vor seinen Augen umher, Schreie durchfluteten den Raum, sie riefen nach jemandem, doch das verstand der in Flammen stehende Engel nicht.
 

Platsch.
 

Und wieder hatte man ihn gelöscht – dieses Mal hoffentlich erneut mit Wasser, denn Michael war noch zu versteinert, um verdächtige Gerüche wahrzunehmen.

Sein Atem ging unregelmäßig, die Hände waren zu Fäusten geballt und an den Federn seiner Flügel perlten Wassertropfen herab, Haare hingen ihm nass in den Augen.
 

Jetzt registrierte er die in einer Ecke gesammelten Soldaten, ihre ihm ängstlich zugewandten Blicke und der Unglaube, der in ihren Augen stand.

Vor ihm stand Raphael, den Eimer noch erhoben, er selbst war scheinbar gehetzt.

Das blonde Haar hing zerzaust vom Kopf, auch er atmete beschleunigt, begradigte seinen Stand nun. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren fasste er Michael am Handgelenk, zog ihn mit sich und somit hinaus aus dem Raum, weg von den anderen Soldaten.
 

Wieder spürte der Feuerengel ein Brennen in sich, heiß stieg es sein Gesicht empor und sammelte sich hinter der Stirn, ehe ihm ein paar warme Tränen über die Wangen rutschten.

„Schneller“, hörte er die Stimme des Windengels, ließ sich von diesem ungewohnt handzahm aus der Kaserne führen, hinaus in die Nacht und einige hundert Meter weit ins offene Feld, ehe sie endlich stehen blieben und Raphael sich zu ihm drehte, ein Seufzen vernehmen ließ.
 

Hände fassten das Gesicht Michaels, drehten es in einen Winkel und halfen dem Arzt, dass er ihn besser anschauen konnte. In einem Anflug aus Mitgefühl legte er ihm die Hände auf die Schultern und trat erst näher, doch die Umarmung würde Michael nicht zulassen, da er jetzt schon den Oberkörper etwas von ihm wegdrehte, so unterließ Raphael es dann auch und ließ ihn wieder los.
 

„Deswegen die Verletzung mit der Kugel, ja?“

Wozu sollte er ihm antworten, es war doch ohnehin offensichtlich. Nun war er aufgeflogen und wenn es ablief wie bisher würde auch Luzifel in wenigen Stunden davon unterrichtet werden. Es war also umsonst gewesen; zwar hatten ihn bisher nicht einmal zwei Tage an die Armee gebunden, aber sie hatten Hoffnung gespendet und die war nun dahin.

‚Jeder ist seines Glückes Schmied‘, doch im Moment fühlte Michael sich nicht dazu in der Lage, überhaupt etwas aufbauen zu können.
 

Er hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen. Sein Magen krampfte und die Beine entwickelten ein Gefühl wie Wackelpudding. Langsam ließ er sich auf einem der zahllosen Felsbrocken in dieser Einöde sinken, zog die Knie an den Körper heran und vergrub sein Gesicht in den Armen.

Irgendwo war er eben doch ein Kind und so sehr ihn dies störte – ändern konnte er nichts an dieser maßlosen Traurigkeit in sich. Allmählich wollte sie empor und dass sie dies ausgerechnet vor Raphael durchzog, machte es nicht wirklich besser.
 

Neben sich spürte Michael, dass auch der Arzt sich zu ihm gesetzt hatte; ein seltsamer Geruch erfüllte die Umgebung und kroch in seine Nase; es stank.

Langsam sah er auf, erblickte zwischen Raphaels Lippen eine Zigarette. Er war Raucher?

Sein blick blieb nicht unbemerkt, wurde jedoch mit einem Lächeln zur Kenntnis genommen.

„Schau nicht so… ich hab grad viel Stress und muss den irgendwie abbauen. Mir hilft es.“

Er klang nicht anklagend, eher freundlich und damit konnte Michael nun wirklich nicht umgehen, drehte sich etwas von ihm weg.

„Es stinkt…“

„Und ist verdammt ungesund aber ich mach‘s eh nicht lange… Nur, bis das Gröbste vorbei ist.“
 

Ein leises Knistern erfüllte die Luft, als er den Tabak mit der Glut wegbrannte, einen Stoß Rauch zwischen den Lippen entkommen ließ.

„Ich bin fix und alle, weißt du…“

Ohne eine Reaktion Michaels abzuwarten hatte er weiter gesprochen, schaute dabei auf einen unbestimmten Punkt über sich und ließ schließlich den Nacken etwas knacken.

„Bin vor etwa einer halben Stunde mit ein paar Kollegen hier angekommen. Da drin sieht es ja grausig aus, wie ein Schlachthof. Wir haben die schlimmsten Wunden versorgt… meine Kollegen können besser heilen als ich, ein paar Leute sind also nur genäht worden aber das wird schon. Etwas Bettruhe und hin und wieder ein Bad und ich hab Hoffnung für alle.“

Er blickte auf Michael, berührte diesen jedoch immer noch nicht. Auch musste Raphael auf der Kante des Steinbrockens sitzen, da die weiterhin nicht eingezogenen Flügel Michaels ihm den Platz raubten.

Kurz erlaubte er sich einen neugierigen Blick auf diese und lächelte schließlich, zog wieder an der Zigarette.
 

„Dann die ganzen Übungen wegen dieser Elementar-Sache und die Ausbildung… ich bin wirklich müde…“ Er streckte sich, nur anders als bei Michael war hier kein Knacken im Rücken oder anderweitigen Gelenken zu hören; er kannte Raphael gar nicht krank.

„Deswegen rauche ich erst einmal etwas… ungesund aber nur eine kurze Übergangslösung… ach Mist!“

Michael drehte den Kopf, sah der herabfallenden Glut nach, welche aus der Zigarette geplumpst war. Der Blonde war aufgesprungen und tastete an sich herum, fand schließlich die kleine Schachtel mit den Streichhölzern und blickte enttäuscht hinein.

„Leer“, informierte er den Rothaarigen mit Zigarette im Mund, blickte sich seufzend um, ehe er bei Michael hängen blieb; dieser zog eine Augenbraue hoch, schüttelte den Kopf.
 

„Vergiss es…“

„Nur etwas… Eine winzige Flamme, das reicht schon.“

„Hast doch gesehen, was grad passiert ist?“ Er rutschte etwas weg, umfasste wieder seine Knie, doch da umrundete der Arzt ihn schon, beugte sich vor sein Gesicht.

„Hab ich und ich hab vollstes Verständnis für deine Reaktion.“

Dass er ihm so nah kam gefiel Michael gar nicht; mürrisch beugte er sich etwas nach hinten, doch Raphael rückte nach und näherte sich seinem Gesicht wieder auf gefährlich aufdringliche Art und Weise.
 

„Wenn du nicht willst, dass ich dich anspucke…!“

„Ach komm, nur ein kleines… danke!“

Der war ja furchtbar, da kam er dieser dummen Bitte lieber nach und rutschte dann grummelnd wieder etwas weg, sackte wieder ein Stück weit in sich zusammen. Natürlich bemerkte er, dass Raphael ihn nur von der Situation ablenken wollte aber dass nun alles gelaufen war, würde er nicht vergessen.

Es war ja auch fast lächerlich, sich deswegen derart verletzt zu fühlen. Immerhin hatte er noch keinen wirklichen Fuß dort gefasst, es war nur eine Idee, die nun kaputt war.
 

Dennoch hatte er zu viel an diese gehängt, dass es ihm vollkommen egal sein könnte. Michael wollte sich seiner Bestimmung nicht ergeben, aber vielleicht war eben genau das Problem: Er hatte keine Wahl. Es war sein Schicksal und dieses aufzuhalten käme dem Zählen von Narben in Berjaels Gesicht gleich: Eine Sisyphos-Afgabe. Ehe man sich versah, waren dort neue und man konnte von vorn beginnen.
 

„Michael… darf ich fragen, warum du der Armee beigetreten bist? Ich meine… Kampf?“

Raphael wusste, dass er sich gerade weit aus dem Fenster lehnte aber scheinbar fürchtete er ihn auch nicht, wie Michael gerade befand. Er hob den Kopf wieder und drehte ihn zum anderen, betrachtete ihn etwas.

„Wieso?“, fragte er schließlich, drehte sich wieder etwas und ließ auch endlich die Flügel verschwinden.

„Ist doch egal, oder? Ist doch meine Sache…“

„Ja sicher ist das deine Sache. Ich frag nur aus Neugierde. Irgendwie muss sich bei dir ja der Gedanke eingenistet haben, dass die Leute mit dem schlechtesten Ruf zu dir passen könnten.“
 

Jetzt lachte er etwas abfällig, woraufhin Raphael verwundert die Augenbraue hob.

„Mal ehrlich, mein Ruf ist auch nicht der Beste. Da kann mir das ja schon mal egal sein, oder?“

„Ja weil du ständig Leute verprügelst…“

„Das verdienen die auch…“

„Was gibt es bitte für Gründe jemanden zu verprügeln, der dich nur angeschaut hat?“

„Da gibt es genug! Dir sollte man auch das Maul polieren für dein absolut ekelhaftes Schlafzimmer! Wenn ich schon an diese Tapete denke…!“

„Hallooohoooo das ist grad gar nicht der Gesprächsinhalt!“
 

Gut, sein Schlafzimmer schien nicht jedermanns Geschmack zu treffen aber das war Raphael dann auch relativ egal.

Michael scharrte mit dem Fuß auf dem Felsen herum, rümpfte die Nase etwas.

„Warum hast du Luzifel gerufen…?“

„Gegenfragen zählen nicht“, antwortete er dem Feuerengel und zog erneut an der Zigarette, lehnte sich nun wieder an den Stein heran.

„Weil ich dachte, dass dein Bruder wissen sollte… nun ja, du warst stark verletzt und ich dachte, er… also ich fand es irgendwie richtig, weißt du?“

„Hm-hm“, machte Michael und würde am liebsten laut schreien; natürlich. Luzifel machte esimmer richtig, warum sollte man ihn nicht als ideale Lösung bei Problemen heranziehen? Wie kindisch er sich gerade verhielt, war Michael gar nicht bewusst.
 

„Jetzt zu meiner Frage… warum die Armee?“

„Weil ich nichts anderes kann als mich zu prügeln… irgendwie muss ich ja mal nützlich sein.“

Er erwiderte Raphaels ungläubigen Blick stur, rümpfte die Nase und widerstand gerade noch dem Drang, ihm die Zunge entgegenzustrecken.

„Verzeih aber das sah gerade nicht so aus als wenn…“

„Glaub mir ich hatte auch kein Bock dazu!“ Beim Gedanken schüttelte es ihn etwas; oder lag das daran, dass er noch immer nass war?
 

„Willst du etwa noch hier bleiben, jetzt nach allem?“

Wieder zog Raphael an der Zigarette, warf sie dann zu Boden und trat sie aus, schien selbst etwas zu frieren.

„Ich denke, das ist egal.“ Michael streckte die Beine aus, in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. „Selbst, wenn ich es wollte… du glaubst doch nicht, dass die mich noch dort lassen.“

Um ehrlich zu sein hatte er sich noch nie so intensiv mit Raphael unterhalten, vor allem nicht über Gefühle und all dieses…Zeugs, mit dem er eigentlich nicht gern hausieren ging. Aber es fühlte sich in Ordnung an, er glaubte nicht dass er ausgerechnet dies Luzifel erzählen würde. Es war ja nicht so, dass man jeder Zeit das Gespräch mit seinem Bruder suchen konnte.
 

„Soll ich ehrlich sein? Mir ist kalt. Und dir auch, du wirst nur krank. Wenn ich mich richtig erinnere, verkühlst du sehr schnell, oder? Lass uns reingehen, dort warten meine Kollegen und dein Boss auch. Der sah aus… ganz viele Stellen verbrannt.“

Vermutlich hatte Michael etwas Anderes erwartet bei dem ‚soll ich ehrlich sein‘, denn sein Blick glitt in eine kurzweilige Enttäuschung, was Raphael lächeln ließ.

„Du wirst ein prima Soldat… wenn du erst einmal das Feuer kontrollieren kannst, kann dir keiner was. Na komm, weglaufen ist Unsinn. Du hast nichts angestellt.“

„Oh klar dass ich fast ein paar Leute geröstet habe, wird Berjael scheißegal sein. Er mag mich ja auch so gern, wir sind ein Herz und eine scheiß Seele, weißt du?“
 

„Sind wir das, ja?“

Michael erstarrte, schloss dann die Augen und bewegte die Lippen zu einem stimmen Fluch. Als er wieder aufblickte, war dort die massige Gestalt des Kriegsherrn, welcher ihn aus seinem einen Auge anfunkelte.
 

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Ich geb zu ich vermisse Fenel etwas aber ich muss mich auch stark von meinen eigenen Charakteren zurückziehen, ansonsten übernehmen sie die Überhand.
 

Wie kann es eigentlich sein, dass ich Favoriteneinträge aber keine Kommentare bekomme? :P

Wasser

„Diese Armee-Sache ist einfach eine blöde Idee!“

„Scht!“

„Hör auf mich anzu-sch-schn! Es ist eine blöde Idee!“

„Halt die Klappe!“

„Nein! Nur deswegen sitzen wir jetzt hier und…“

„Scht!“

Schon wieder! Lass das jetzt!“

„Hast du keine anderen Probleme?!“
 

Das Streitgespräch der beiden jungen Erzengel wurde jäh unterbrochen, als die Tür laut ins Schloss geschlagen wurde und somit die Aufmerksamkeit vollkommen auf den gerade Eingetretenen lenkte. Michael rümpfte die Nase, setzte dann einen trotzigen Gesichtsausdruck auf, während Raphael den Kopf ziemlich hängen ließ; er konnte nicht gut damit umgehen, Ärger zu bekommen.
 

Nachdem Berjael einen Teil ihres Gesprächs mitbekommen hatte und letzten Endes so spöttisch auf Michaels letzte Aussage reagierte, hatte er sie wieder mit reingeschleift und in seiner Kammer auf zwei Stühlen geparkt, bevor er noch einmal nach draußen gegangen war.

Dort waren die beiden jungen Engel dann in eine Diskussion über das Für und Wider der Armee hineingerutscht, wobei sie sich gegenseitig den schwarzen Peter zuschoben und ständig an neuen Punkten kratzten; Raphaels spießiges Verhalten, Michaels Vernachlässigung der Gesundheits-Checks, Raphaels Hilferuf gen Luzifer, Michaels Eintritt in die Armee, Raphaels Schlafzimmer, Michaels Stiefel…

Nun jedoch wurden sie abrupt unterbrochen und schmollten gegenseitig vor sich hin und da Michael ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte, würdigte er Berjael keines Blickes.
 

Dieser umrundete sie und blieb schließlich hinter seinem … konnte man es ‚Schreibtisch‘ nennen? – stehen, blickte auf die beiden Unruhestifter.

Schließlich drehte er seinen Körper nicht einmal von der direkten Fixierung Michaels weg, als er Raphael ansprach: „Wenn du dich beeilst, holst du die anderen Quacksalber noch ein. Lasst euch nie wieder ohne meine Erlaubnis hier blicken.“

Gleichsam verwirrt hoben die beiden Angeklagten den Kopf und blickten auf den Engel des Krieges, welcher eine massige Hand in seine Hüfte gestemmt hatte und weiterhin zu Michael blickte.

Diesem fiel jetzt erst auf, wie viel tatsächlich an Berjael fehlte; das zerfurchte Gesicht hatte einen kreisrunden, roten Fleck vom Hals hinüber zur Wange, die Narben schimmerten altrosa unter ihm; eine Brandwunde. Michael musste nicht hinschauen, er würde auch in der rechten Armbeuge, dem Oberarm und der Handfläche ähnliche Haut vorfinden-

Schließlich hatte er dies getan, als Berjael ihn festgehalten hatte.
 

Dennoch wollte kein Mitleid aufkommen, in seinen Augen hatte er es sogar verdient, ordentlich verletzt zu werden. Raphael erhob sich neben ihm, nahm eine steife Haltung ein. Auch seine Augen hatten offensichtlich die noch relativ frischen Verbrennungen entdeckt, doch er war zu klug um nun noch ein Wort an ihn zu richten. Mit einer knappen Verbeugung ob des Territoriums wegen verabschiedete er sich von Berjael, warf dem Rothaarigen noch einen flüchtigen Blick zu. In seinen Augen lag Mitleid und Hilflosigkeit; vermutlich wäre es Raphael lieber, wenn der junge Feuerengel mit ihm kommen und das alles hier hinter sich lassen würde, doch er konnte ihn nun schlecht ansprechen und besten Falls noch abwerben, Deserteure hatten vermutlich kein angenehmes Schicksal zu erwarten.
 

Hinter Raphael schloss sich die schwere Tür und ließ Michael mit seinem ihm übergestellten, persönlichen Plagegeist allein.

Trotzig erwiderte er den Blick Berjaels, welcher noch immer nicht von ihm gefallen war, suchte nach einer Gefühlsregung. Triumph, dass er ihn nun loswurde? Häme, Schadenfreude, irgendetwas musste da ja sein.
 

„Du wirst das Wasser aufwischen, bevor du wieder schlafen gehst. Hau ab jetzt.“

Was?

Michaels Gesichtsausdruck wandelte sich in Verwirrung, doch er bekam keine weitere Antwort auf den offensichtlich fragenden Blick.

„Da deine Pritsche verbrannt ist, wirst du dir morgen eine neue zusammenbauen. Ich dulde keinen Materialverlust.“ Dann erst bewegte er sich wieder und umrundete den Tisch, dabei noch immer die Augen fest auf den ihm körperlich so unähnlichen Jungen gerichtet.

Doch Michael machte keinerlei Anstalten, nun zu gehen, zog eine Augenbraue herunter.
 

„Du schmeißt mich nicht raus?“

„Nicht heute. Jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege.“ Diese stets ruhige, dunkle Stimme regte Michael allmählich auf; er wusste, dass Berjael anders gestrickt war als er sich gerade gab, das hatte er vor wenigen Stunden noch gesehen. Deswegen verwirrte ihn diese Art zu sehr, es passte einfach nicht zu ihm; warum warf er ihn also nicht einfach raus?

„Du wolltest doch von Anfang an, dass ich gehe, oder etwa nicht?“

„Willst du das denn?“ Das war eigentlich keine Frage, es klang mehr wie eine Drohung und mit einem Mal bekam Michael das Gefühl, dass er einen Pakt geschlossen hatte. Ihm kroch es kalt über den Rücken und er hatte das dringende Bedürfnis, diesen Raum schnell zu verlassen. Ohne noch lange zu überlegen sprang er auf und lief aus dem Raum heraus, richtete die Augen dabei nicht wieder auf das Gesicht des vernarbten Kriegers.
 

Weg aus diesen Privatgemächern, in denen er nicht einmal die Ausstattung registriert hatte, schnappte der Feuerengel nach Luft; er hatte sein Leben verpflichtet. Es war der Gedanke einer schnellen Idee und doch würde er nie wieder gehen können. Selbst wenn er es wollte, so trennte nur der Tod ihn von seinen Diensten im Militär.

Mit dieser erschlagenden Erkenntnis rieb er sich den angespannten Kiefer, straffte dann die Schultern und machte sich auf den Weg in die Schlafstätte; noch immer waren die Soldaten wach, sie hatten Licht organisiert und ihre Augen huschten argwöhnisch auf die Gestalt Michaels, als er in der Tür erschien.
 

Einige drehten ihm missgünstig den Rücken zu, andere schienen schlichtweg Angst zu haben, jedoch zu viel falschen Stolz um diese offen zu zeigen und so beschäftigten sie sich übertrieben ausgiebig mit dem Glattstreichen der Bettwäsche.

Es waren mehr Betten besetzt als zuvor, die Verarzteten hatten sich zu ihnen gesellt. Einige von ihnen wirkten wie ein falsch zusammengesetztes Puzzle; unsaubere Wundränder und die Haut schichtete sich eigenartig. Vermutlich Raphaels Werk, er hatte ja berichtet, dass seine Heilungskompetenzen noch nicht wirklich einsetzbar waren.
 

Es fühlte sich an wie ein Spießroutenlauf, so durch die sich jeweils gegenüber aufgestellten betten zu schreiten bis zu dem, an welchem er seinen Ausbruch erlitten hatte. Michael blickte auf dieses hinab, rümpfte die Nase; nicht einmal Glut war übrig, nur ein Haufen Asche unter der viel zu gewaltigen Entladung von Hitze. Das Wasser jedoch war nicht mehr da, entweder hatte es den Aufprall nicht mehr überstanden oder war von jemand anderem beseitigt worden.

Gut, dann würde er heute eben auf dem Boden schlafen.
 

-
 

Er hatte ja gewusst, dass seine handwerklichen Fähigkeiten einiges zu wünschen übrig ließen, aber dass er nun nach zwei Wochen noch immer nichts zu Stande gebracht hatte, wurmte Michael sogar etwas. Um ehrlich zu sein fehlte ihm schlichtweg die Zeit dazu, Berjael hatte sich dann doch für eine sehr diskrete Art der Bestrafung entschieden: Training. Die Verwundeten waren wieder zu gebrauchen und nach einer Ansage ihres Chefs wurde ihnen rücksichtsvoll erklärt, dass sie alle einen Haufen diverser Ausscheidungen bildeten, den es zu befördern galt; vorerst wolle er an ihrer Konsistenz arbeiten.
 

Dazu wurden nun also neue Mittel und Wege gesucht und Michael fühlte sich während dieser Tour durch diverse Abschnitte seiner persönlichen Alpträume zunehmend provoziert. Wieso auch sonst sollte beinahe jede Station durch Wasser untermalt worden sein?

Wie oft sie sich nun bereits in den Schlamm geworfen hatten und unter Gegenständen her krochen, konnte er nicht mehr zählen. Zu Beginn hatte er sich ja vehement geweigert, doch nachdem er mehrere Male gewaltsam mit dem Gesicht voraus in den kalten Schmodder gepresst worden war, ergab er sich diesem Schicksal und machte von vornherein lieber mit.
 

Die Kleidung hatte gelitten, scharfkantige Drähte und Dornen diverser Sträucher zerrten an Hosen und Oberteilen, nicht selten blieben auch Haare oder Haut dort hängen.

Wie viel Schlamm er bereits geschluckt hatte, wollte Michael nicht wissen; er fror und fühlte sich seit ein paar Tagen erbärmlich schwach.

Es kratzte im Hals, die durchaus unschöne Erfahrung unerwünschter Wärme im Gesicht und Kälte an den Gliedmaßen machte ihn zu schaffen und…
 

Platsch
 

„Ich schwör dir nächstes Mal hau ich dir eine rein!“

Doch er konnte nicht stehen bleiben, sie befanden sich in einer Art Kette und waren darauf angewiesen, dass der Vordermann nicht stehe blieb. Ansonsten würde der ganze Rhythmus verloren gehen und der kurze Ausbruch hatte Michael den Rücken Othriels bereits beinahe aus den Augen verlieren lassen.

Von Berjael bekam er keine Antwort, der füllte den Eimer in seiner Hand wieder auf und wartete auf den nächsten willkürlichen Soldaten, den er gerade mit dem eisig kalten Wasser übergießen konnte.
 

Bisher hatte es Michael fünf Mal erwischt. Und das von fünf Runden, da fragt man sich doch, wo er die Provokation sah?

„Aufpassen, du …t Junge!“

Das kam davon, wenn man sich ablenken ließ und so rutschte der Rothaarige auf der inzwischen durch und durch glitschigen Laufstrecke aus und knallte mit der Nase gegen einen der Pfosten, durch die sie in der rückwärtigen Runde Slalom fliegen sollten. Der Schmerz war überwältigend, es hatte laut geknackt und warm lief es über seinen Mund und am Kinn hinab, als das Blut aus seiner Nase schoss.

Michael taumelte, hielt sich am Pfosten fest und wurde schließlich von Erimites überholt, welcher nur den Kopf schüttelte.

Emhom dagegen – immer noch im Auftrag Berjaels, Michael hier einzulernen, gab sich einen Ruck – und schubste ihn weiter vorwärts.
 

„Reiß dich zusammen sonst nimmt er dichrichtig ran, verstanden?“, zischte es nahe am Ohr des Rotschopfes, welcher sich das Blut vom Gesicht wischte und weiter lief, dabei Konzentration in jeden Schritt legte. Er würde nicht mehr lange durchhalten und dort war eine weitere Station, die ihn mit kaltem Wasser seine Grenzen aufzeigen würde. Es war ja nicht so, dass er des Waschens faul war: Es lag einfach an der Kälte. Sie machte ihm zu schaffen und zog den gesamten Kreislauf herunter. Dazu schlief er stur weiter auf dem Fußboden, der in seiner Temperatur nicht unbedingt luxuriös war. Was sich zudem unter manchen Betten aus dem Winkel sehen ließ, grenzte an Körperverletzung jeglicher Art; und wenn es die der Insekten war, vollkommen egal.
 

Wie er es dann erwartet hatte: Sie wateten frierend durch das annähernd einen halben Kilometer lange Wasserbecken, was an sich nicht mehr als eine Lehmgrube war, die irgendwie mit dem flüssigen Nass gefüllt worden war.

Während die meisten Soldaten bis zu den Oberschenkeln betroffen waren, reichte Michael der Pegel schon bis knapp unter die Brust. Das Blut floss weiter, ständiges Wegwischen brachte ihn nicht weiter und allmählich kämpfte sich Übelkeit in ihm empor. Flach atmend kam er am Ende an, zog sich mit zittrigen Armen empor und kroch dann die ersten paar Meter auf den Knien weg vom Rand, stand mehr stolpernd auf, als dass er tatsächlich gerade ging – und machte schließlich einen Schlenker außerhalb der Reihe, um sich in ein Gebüsch zu erbrechen. Mit den Händen stützte er sich auf den Oberschenkeln ab, verlor fast den Halt und drohte, mit dem Kopf voraus in das zu kippen, was gerade noch in seinem Magen gewesen war. Was an sich nicht wirklich viel war, ein schleimiger Brei vom Frühstück und ein Stück Apfel hatte er herunter bekommen, das war‘s dann. Wie erwartet auch etwas Schlamm und jede Menge Wasser.
 

Jemand fasste ihn an der Schulter und verhinderte so die unmittelbare Zusammenkunft mit dem, was sich zwischen den Blättern angesammelt hatte. Es war wirklich nicht schön, er schmeckte diesen typischen Erbrochenen-Geschmack im Mund und ahnte, dass wenn er jetzt etwas sagen würde, der Geruch jeden Umstehenden mit ins Boot ziehen würde. Wenigstens hatte er sich nicht selbst vollgesaut, aber das war reines Glück und die Fähigkeit, sich weit genug nach vorn zu beugen.

Emhom – wieder einmal – schleifte Michael mit sich mit, stieß ihn jedoch wieder in den Parcours hinein, hielt sich auffällig nah bei ihm.
 

Der Kadett riss sich zusammen, lief dann wieder los. Zumindest nach seinem Ermessen, sonderlich gut kam er nicht vorwärts und schließlich war es wieder Michael, der vom Wasser getroffen wurde. Dieses Mal jedoch blieb er stehen und schnauzte nicht im Vorbeigehen.

Er drehte sich in Berjaels Richtung, dessen Auge stur auf den kleinen Engel gerichtet blieb, ehe er die Hand hob.
 

Die hinter ihm gelegenen Soldaten verlangsamten ihren Schritt, blieben schließlich stehen und schauten auf den zu kurz geratenen Erzengel. Das Wasser hatte das Blut von seinem Gesicht gewaschen, nun verschlimmerte der feuchte Film es jedoch nur noch und es breitete sich großflächiger aus, lief unaufhaltsam in seinen Kragen und hinab in das fleckige Shirt.

Ob Emhom sich selbst oder Michael retten wollte, war nicht ganz klar doch er trat zwischen ihn und den Chef, holte aus und schlug in das kindliche Gesicht vor sich.
 

Michael hatte das Gefühl, als würde sein Kopf platzen. Der Schmerz riss ihn einen Moment beinahe von den Füßen, dennoch behielt er die Hand ausgestreckt. Emhom fasste ihn bei den Schultern, schüttelte kurz und war sich damit vollkommen der Gefahr bewusst, dass er sich wieder übergeben müsste.

„Bist du bescheuert? So mit dem Chef umzugehen? Du..“

„Lass ihn los und aus dem Weg.“

„Super, selbst Schuld“, zischte der größere Engel und trat auf die Seite. Nun hatten auch die letzten Rekruten bemerkt, dass sich etwas abspielte und waren stehen geblieben; dennoch waren sie alle intelligent genug, um nicht näher zu kommen und aus sicherem Abstand dem Schauspiel Aufmerksamkeit zu schenken.
 

Michael fing sich wieder, hatte die Augen auf die immer stärker verschwimmende Gestalt von Berjael gerichtet. Er wollte ihm nur wehtun, aus den tiefsten Ecken seines Herzens kroch dieser Wunsch in seine Arme, kribbelte in den Fingern als erste Ansammlung plötzlicher Energie; Funken stoben, das Wasser verdampfte augenblicklich unter der sich stauenden Hitze.

Als die Flamme in seiner Hand aufflackerte, sackte der letzte Rest in ihm zusammen. Das Feuer erlosch noch, bevor alles um ihn herum in Dunkelheit getaucht wurde.
 

-
 

„…chael? Kannst du mich hören?“

Es roch anders. Steril und übertrieben desinfiziert; war er etwa im Krankenhaus?

„Ich seh doch, dass deine Augen offen sind. Michael, hallo! Kannst du mich hören?“

Tatsächlich, er starrte an die weiße Decke und somit unweigerlich in eine Lampe an genau dieser, ehe sich ein Schatten über ihn schob. Raphael zog die Stirn in Falten, tätschelte dann im Gesicht des Feuerengels herum.

Dieser drehte den Kopf weg, wollte etwas sagen doch sein Mund wollte nicht reagieren. Außerdem konnte er weder Arme noch beine bewegen, stöhnte genervt.

„Gut, du bist wach. Pass auf dieses Mal hab ich nichts damit zu tun, okay? Sie haben dich hergebracht mit einer gebrochenen Nase und Mangelerscheinungen. Wie um alles in der Welt hast du es in zwei Wochen geschafft, derart unterernährt aufzutreten? Außerdem hast du etliche bakterielle Infektionen in… oh.“

Er hatte schnell gesprochen, aber daran war Michael inzwischen gewöhnt.
 

Viel schlimmer war dieser Zustand von halbwach und nichts weiter dazwischen, er nahm auf aber konnte es nicht sortieren, dazu brauchte es einige Momente. Raphael bewegte sich auch noch neben ihn und gab damit wieder die Sicht auf die Lampe frei, ehe er dessen Stimme noch einmal etwas weiter rechts von sich vernahm: „Hallo, Luzifel-Dono…“
 

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Ich glaube mir hat niemand so sehr in den Hintern getreten wie Mad-Panda, endlich das Kapitel zu schreiben.

Ehrlich gesagt mag ich es nicht, ich hasse es sogar aber ich kam ja dann doch nicht drum herum :/

Im Bauch

„Ich fress‘ die Scheiße nicht.“

„Das steht überhaupt nicht zur Diskussion.“

„Oh wir müssen nicht diskutieren, ich fress das nicht und gut ist.“

„In erster Linie wird das bei Ihnen noch als ‚essen‘ bezeichnet, Sie sind kein Tier.“

„Ich ess den Dreck da nicht!“

Ein strenger Blick hinter langen, dünnen blonden Haaren traf Michael, welcher demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte und trotzig das Kinn nach vorne schob. Energische Schritte näherten sich, ein kratzendes Geräusch vom heran gezogenen Stuhl, dann nahm Bal neben ihm Platz und zog das Tablett zu sich, auf welchem eine einsame Banane lag.

„Wollt Ihr lieber an einer Nadel hängen?“

„Ja!“
 

Mit Abscheu blickte der rothaarige Engel auf das in seiner Schale ruhende Obst, zog die linke Seite der Oberlippe ein Stück nach oben und drehte das Gesicht fort. „Du kannst mich nicht zwingen, lass mich einfach in Ruhe.“

„Das habe ich schon viel zu lange. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie groß meine Sorge war? Als ich hörte, dass Ihr von einem fremden Mann hergebracht wurdet!“

„Mir egal, keiner zwingt dich zu so was.“

„Achtlos liegengelassen vor den Türen!“

„Ist ja gut…“ Er murrte, doch ihre sorgenvolle Stimme setzte an seinem schlechten Gewissen an und Michael löste die Verschränkung der Arme vor seiner Brust, blickte sie flüchtig an. Braune Augen starrten ihn an, die Brauen schlossen eine kummervolle Falte ein.

„Ohne jegliche Information, was genau passiert ist!“

„Ja es tut mir Leid es reicht jetzt auch!“

Ihr Gesicht glättete sich wieder – er hatte es geahnt! Eine Farce, sie wollte ihn nur weichkochen und ihren Dickkopf durchsetzen. Andererseits würde sie sonst vermutlich niemals mit den Zwillingen zurechtkommen können, hatte sie ihn und Luzifel doch seit Kindertagen betreut.
 

„Tut mir das bitte kein weiteres Mal an. Meine Sorge war wirklich groß. Ihr hättet zu mir kommen können.“

Ihre Stimme wurde weicher, während sie wie selbstverständlich die Banane schälte. Michael spürte Ekel in sich aufkeimen, doch in dem Krankenbett konnte er nicht zurückweichen und so stieg ihm schon der reife Duft in die Nase, was aus seiner Position nicht mehr als ein abartiger Gestank war.

„Du warst doch mit wichtigeren Dingen beschäftigt.“ Das sagte er nicht, um einen trotzigen Vorwurf anzubringen, es entsprach schlichtweg der Wahrheit; sie hatte sich in letzter Zeit oft verantworten müssen, zu größten Teilen vermutlich wegen Michael, dessen Vormundschaft ja nun einmal bei Bal lag. Dass er sie in solchen Zeiten nicht weiter belasten wollte, sprach für ein gewisses Maß an Zuneigung von seiner Seite. Sie war nicht seine Mutter, er kannte dieses Gefühl der elterlichen Liebe nicht, eben weil es nicht der Norm entsprach. Dennoch musste es irgendwie ähnlich dessen sein, was er bei Jungtieren beobachtet hatte; das kämpferische Verhalten der Eltern für ihre Brut.
 

Bals Finger hatten gestoppt und ließen einen Rest der Schale zurück an der Banane und als Michael aufblickte, traf ihn ein entrüsteter Blick in dem so vertrauten Gesicht.

„Michael-Sama!“ Egal, wie alt er war und welche rückblickend erniedrigenden Tätigkeiten sie schon für ihn durchgeführt hatte – Kinderkrankheiten pflegen, Toilettenübungen, Trotzattacken, die ja nun einmal zum Aufwachsen gehörten, jedoch gerne von der heranreifenden Partei verdrängt wurden – er würde vermutlich immer mit dem höheren Status angesprochen werden. Sowieso siezte sie ihn und Luzifel seit Anfang an und bisher hatte sie noch nie derart die Fassung verloren, dass es ihr misslang. Trotzdem schien sie gerade nah an solch einem Zustand zu sein. Ihre Hand krampfte sich zusammen und Michael wusste nicht ob er von Glück sprechen konnte, als die Banane zerquetscht wurde.
 

„Nichts – und das möchte ich noch einmal deutlich betonen – ist wichtiger als das Wohl von Euch und Eurem Bruder! Nicht der Hohe Rat, niemand außer Ihnen beiden setzt derartige Prioritäten bei mir! Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit, egal zu welchen Terminen – wenn Ihr mich braucht, dann ruft mich.“

Sie erhob sich und entfernte den Obstbrei von ihren Fingern, rang mit bebenden Schultern nach Beherrschung und atmete dann den Rücken zu Michael gewandt tief ein.

„Entschuldigt mich, ich bin sofort zurück.“

Dann verließ sie den Raum und ließ Michael mit einem zwiespältigen Gefühl zurück; es erfreute ihn, solche Worte zu hören. Dass er zwar gemeinsam mit Luzifel einen Platz in Bals Herzen teilte, jedoch auch auf gleicher Stufe mit ihm stand.

Dennoch hatte er gerade eine Standpauke erhalten und das schmeckte ihm nicht wirklich, aber das war nun bei aller Liebe nicht das erste Mal, er würde das schon verkraften.
 

„So, da bin ich wieder. Welch ein Glück, die Schwester hatte noch eine Banane übrig.“

„Willst du mich foltern oder was?!“

„Es sind Vitamine, Raphael-Sama sagte, Ihr könnt in Eurem jetzigen Zustand kaum genug davon bekommen. Ich möchte gar nicht wissen, wie es dazu kommen konnte“, schloss sie und setzte sich wieder, schälte erneut das weiche Fruchtfleisch frei. Ihr Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass sie es sehr wohl wissen wollte.

Als sie fertig war, legte sie die Schale betont langsam zur Seite, brach alles in kleine Stücke und schob Michael das Tablett wieder auf den Bauch, blieb natürlich am Bett sitzen.

„Vergiss es.“

„Guten Appetit.“

„Bis zum Verrecken nicht.“

„Und danach solltet Ihr Euch noch etwas ausruhen. Ihr seht noch sehr matt aus.“

„Hörst du mir überhaupt zu?“
 

Bal schwieg einen Moment, blickte dann zur Seite und somit unmittelbar aus dem Fenster. „Ich muss mir noch diesen Kerl verknüpfen, der Euch hier hat liegen lassen…“

Michael wusste nicht, wer genau ihn wenigstens bis zum Krankenhaus gebracht hatte aber selbst Berjael wünschte er dieses Schicksal nicht an den Hals. Oder doch? Eine interessante Theorie, wer wohl schlimmer sein konnte?
 

„Ihr habt ja noch immer nichts gegessen!“

Bal, eindeutig.

Sie stützte ihre Hände neben Michaels Kopf ab, beugte sich über ihn und schaute ihm dann in die Augen – diese ungewohnte Nähe zu ihr machte ihn wirklich nervös und sein sehnlichster Wunsch war es, Bal loszuwerden.

„Entweder Ihr esst selber oder ich besorge einen Löffel, zermatsche die Banane und werde Euch füttern. Wer von uns beiden dabei der größeren Peinlichkeit ausgesetzt ist, überlasse ich Euch.“

In einer fließenden Bewegung glitt sie zurück auf den Stuhl und ließ Michael mit seinem Ekel und der angestochenen Drohung zurück.

Widerwillig griff er nach einem der Stücke, drehte dieses in den Fingern und verzog angewidert das Gesicht. Dass Bal ihn beobachtete, machte die ganze Situation nicht besser und wenn er ehrlich war, würde er sie gern abwerfen. Es ging hier einfach um Konsistenz und Geschmack, er musste das ja wohl hoffentlich nicht begründen!
 

Gerade als Michael widerwillig den Mund öffnete, klopfte es an der Tür und Bal erhob sich, sprach ein „Herein“ aus. Dass Michael ein Stück Banane aus dem Fenster warf, entging ihr hoffentlich.

Die Tür wurde aufgeschoben und eine weitere Frau betrat den Raum, schob einen kleinen Wagen vor sich her. Eine der Schwestern, woraufhin Michaels Erzieherin nickte und noch einen letzten Blick auf ihren Schützling warf.

„Ruht Euch aus. Und das hab ich gesehen“, setzte sie mit einem Lächeln nach, deutete auf das Tablett auf Michaels Schoß, von welchem ein weiteres Stückchen Banane zum Fenster rausgeworfen wurde.

Dieser zog eine Grimasse, richtete dann seine Aufmerksamkeit widerwillig auf die Schwester und der ihr folgenden Ärztin. Ein Lächeln umspielte die Lippen der hochgewachsenen Frau, als sie sich dem Bett langsam näherte.

„Nun… wie geht es Ihnen?“

Ob er ihr nun wirklich antworten wollte, sei dahingestellt. Dennoch verlangte Bal wohl ein Mindestmaß an Etikette – sie würde sein Betragen so oder so erfahren – und ihre Sorge versetzte ihn in Verlegenheit, also ließ er sich zu einer Antwort herab: „Gut, kann ich gehen?“

Ein Lächeln ereilte ihn, das ‚Nein‘ brauchte sie nicht einmal aussprechen.

„Euer Bruder hat sich nach Euch erkundigt“, sprach sie ungeachtet der Antwort weiter und erinnerte Michael daran, dass Raphael ja diesen Namen gesagt hatte.

„Ach?“, brach er dann sein eigenes Vorhaben der Nicht-Konversation und wich vor der Schwester zurück, die nach einem der Verbände griff.
 

„Weitere Informationen sind mir nicht bekannt“, sprach die Ärztin weiter und zückte einen kleinen Glaskolben, an dessen Ende eine Nadel hing; Spritzen. Nicht, dass er Angst vor ihnen hatte. Es war einfach eine positive Abneigung, denn so sehr er den Zweck in ihnen erkannte und respektierte, wollte der junge Engel sie nicht in seiner Haut sitzen haben.

Wieder griff man nach ihm, dieses Mal konnte er nicht ausweichen und duldete, dass man ihm das Hemd wegschob und nach seiner Atmung lauschte.

Notizen, wieder lauschen, Notizen. Er ließ es sich nicht nehmen, dem Stethoskop ein ungeduldiges Murren zu schenken und blickte schließlich in die Augen der rothaarigen Ärztin. Sie hatte beinahe die gleiche Haarfarbe wie er, dazu wellige Strähnen und bewusst geschminkte Lippen. Ob sie wusste, dass sie damit einen nicht zu leugnenden Reiz ausstrahlte?
 

„Bettruhe ist in Ihrem Fall leider die einzig mögliche Option, so bedauerlich es auch sein mag. Wer auch immer Euch derart zugerichtet hat, wird sich diesen Umstandes durchaus bewusst sein. Mögt Ihr nicht vielleicht doch erzählen, was Euch passiert ist?“

Wieder bekam sie keine Antwort, denn Michael drehte stur den Kopf auf die Seite, schloss noch demonstrativ die Augen. Wenn sie nicht ohnehin durch Raphael von seinem Eintritt in die verdammte Armee wussten, würde er ihnen das auch nicht noch auf die Nase binden. Jeder Mitwissende war eine potenzielle Gefahrenquelle, denn damit stieg die Chance, dass Luzifel es erfahren würde.
 

Sie ging nicht weiter darauf ein und blätterte in der Akte herum, die über Michael angelegt wurde; er meinte, Raphaels Handschrift erkennen zu können, doch das konnte auch ein Irrtum sein.

„Über Ihr Untergewicht sind Sie weitestgehend informiert worden?“

„Hm-hm…“

Als würde er das nicht selber bemerken, die Kleidung von vor wenigen Wochen saß viel zu locker, rutschte schon teilweise ab und ehrlich gesagt fand Michael sich selbst auch nicht gerade lecker, wenn er halbnackt sein Spiegelbild erblickte, aber das war eben Situationskomik und gerade nicht zu ändern.

Er rollte mit den Augen, als sie mit der Spritze anrückte und mit einem kleinen Tuch ein Stück von seinem Oberarm desinfizierte, dann die Nadel herein stach.
 

Desinteressiert blickte er aus dem Fenster, diese Vitaminspritzen waren ihm herzlich egal; ehrlich gesagt materte der junge Engel sich den Kopf darüber, wie er aus dem Krankenhaus rauskommen würde, denn wenn er Raphael Glauben schenken durfte, würde das noch einige Zeit in Anspruch nehmen. So lange würde Berjael sich aber nicht gedulden, ehe er ihn wieder anklagend an der Backe hatte; wenn er sich das überhaupt nehmen lassen würde, nachdem der Rotschopf ja… zusammengebrochen war.
 

Ohne ein weiteres Wort an ihm zu verlieren zog die Ärztin mit ihrer Schwester ab, warf noch einen letzten Blick auf den jungen Engel im Bett.

Dieser seufzte, rieb sich ein Auge. Nun überkam ihn auch nich die Müdigkeit, als wäre seine Ausgangssituation für eine schnelle Flucht nicht schon erschwert genug.

Er könnte es in der Nacht versuchen, doch da war die Bereitschaft zur Aufsicht irgendwie höher; zumindest hatte er das so empfunden, als er sich vor ein paar Wochen mit Raphael in einem der Zimmer herumgetrieben hatte und seine Schulter verarztet wurde. Der ging es auch noch nicht ganz gut, aber wenn er wirklich bei jedem Wehwehchen kapitulieren würde, könnte er gleich austreten.
 

Nun, jetzt oder nie. Es kamen selten direkt nacheinander Personen in sein Zimmer und wenn er sich beeilte, war er noch vor Bemerken seines Aufbruchs zurück bei Berjael und den anderen; wie es da weiterging, würde die Zeit schon zeigen. Immerhin hatte bisher niemand mehr versucht, ihn in der Nacht von körperlicher Zuwendung zu überzeugen.
 

Michael schob seine Beine aus dem Bett und war gleichsam erstaunt, wie wenig Scham er inzwischen für diesen Krankenhauskittel empfand. Sein Kleidungsstil wandelte sich im Moment ohnehin, die kurzen Hosen, die er teils trug, ließen seine Beine etwas länger wirken; zumindest ließen die Zwergenwitze nach, die langsam aber sicher wirklich zu einem Störfaktor geworden waren. Außerdem empfand er mehr Wärme als früher, ob das am Feuer oder an dem Gefühl nützlich zu sein lag, sei dahingestellt.

Seine Kleidung wurde gewaschen und in den Schrank im Zimmer abgelegt, so würde er immerhin nicht mit blankem Hintern bei den Soldaten aufschlagen.
 

Den Kittel riss er sich vom Körper, warf ihn achtlos auf das Bett und sortierte sich in seine Kleidung herein, stand dann einen Moment unschlüssig herum; wenn er nun den Flur nahm, würde er in spätestens einer halben Stunde mit einem Schlafmittel im Arm sitzend wieder im Bett verweilen und die nächste Zeit nichts außer der Wand und dem Klo als malerische Abwechslung zu Gesicht bekommen. Wenn er nun allerdings flog…

Zögerlich biss sich der rothaarige Junge auf die Unterlippe; die Landung wollte ihm dann leider immer noch nicht gelingen, schade aber auch.

Allerdings war er auch nicht sonderlich erpicht darauf, in seiner Flucht am Fenstersims kauernd entdeckt und verfolgt zu werden, auf so knappe Geschichten würde er sich gar nicht erst einlassen; wozu ein knappes Entkommen, wenn man denn ganz entspannt die Flügel ausbreiten und durch die Luft taumeln konnte?
 

Also war die Sache entschieden, ein letzter Blick und er vergewisserte sich, dass wirklich nichts Wichtiges liegen blieb, dann stieß Michael das Fenster auf und blickte in den Hof. Dritter Stock, draußen liefen einige Schwestern herum, begleiteten Patienten für einen kleinen Ausflug oder waren auf dem Weg in ein Nebengebäude. Leider waren all diese Schwestern Engel und das bedeutete, sie hatten Flügel. Und fast jeder mit Flügeln konnte ihn einholen…

Wenn wenigstens ein kleines Gewitter aufziehen würde, aber der strahlend blaue Himmel lachte ihn an wie ein bösartiger Gegenspieler, zu allem Überfluss schien auch noch die Sonne.

Es würde eben auf einen Versuch ankommen und so schob er sich doch in das Fenster hinein, drehte einmal die Schulter etwas und fasste sich an den Oberarm, in welchen die Vitaminspritze getroffen hatte; deswegen mochte er sie nicht, man spürte die Wirkung erst nach dem eigentlichen Schmerz des Einstiches.
 

Langsam zog Michael sich nach draußen, konnte sich dort wieder aufrichten. Unter den schweren Sohlen spürte er den Fensterrahmen kaum, das könnte zu einem Absturz führen, wenn er nicht richtig aufpasste. Er brauchte eine Fläche, auf der er stehen und die Schwingen ausbreiten konnte; sich nun umzudrehen würde ausgerechnet ihm nicht helfen denn leider konnte er sich nicht im Flug drehen und dann den Aufschwung nutzen, dazu war die Distanz zum Boden doch zu gering.
 

Seine Hand suchte etwas verloren an der glatten Fassade der Außenwand, doch da war nichts. Also würde er springen müssen und hoffen, dass die nicht einmal zehn Meter reichen würden. Einmal atmete er noch tief durch, ließ dann los und stieß sich aus dem Fenster ab.

Die Luft an seinem Gesicht tat gut, doch würde sie ihn auch verraten; immerhin arbeitete Raphael hier und wenn der Wind ihn nicht verriet, wer dann? Als würde Raphael ihm die Stirn bieten können…
 

Er hörte das Rascheln schon nicht mehr, als sich die Flügel ausbreiteten; sein Fokus lag auf dem Boden, der nun in rasanter Geschwindigkeit näher kam. Gleich würde er aufschlagen und sich mehr als nur einen Knochen brechen.

Am liebsten würde der Erzengel nun die Augen schließen und den Aufprall abwarten, doch da erfasste er einen günstigen Moment und hob ab, streifte mit den Fingern die Schulter einer Patientin – sein Aufbruch blieb also nicht unbemerkt, Leute schrien und schienen wie er auch angenommen zu haben, dass er gleich zu einem Klumpen auf den Bodenplatten transformiert werden würde, allerdings hatten sie sich da getäuscht.

Ohne einen Blick nach hinten zu werfen stieg er höher, verschwand dann zwischen einigen Hochhäusern in unmittelbarer Nähe. Was Raphael kritisiert hatte, rettete ihn nun also: Die Stadt. Der Blonde wollte seine Patienten fern von all diesen lauten Einflüssen wissen, allerdings hatte er noch kein Mitspracherecht in diesen Dingen und so wurde Michael an einem Nachmittag damit belästigt.

„Komischer Vogel bist du“, murmelte er, zog die Arme an den Körper und schoss zwischen den Fassaden der Häuser hindurch. Es war unhöflich, eigentlich verzichtete man in der Stadt auf das Fliegen. Er hätte sich auch gleich nackt auf die Straße stellen können, das war eine ähnliche Geschichte; jeder konnte es, keiner tat es.
 

Allerdings konnte er im Moment keinen wirklichen Wert auf Etikette legen und so ignorierte er die empörten Blicke der anderen Engel, musste sich ein schräges Grinsen verkneifen; er war wieder da.
 

-
 

„Hast ganz schön lange gebraucht, der Boss dachte schon, du kommst gar nicht mehr wieder.“

„Schnauze!“

„Wollten dich doch nur begrüßen.“

„Stellst dich ganz …t an.“

„Du kannst mich mal, Erimites!“

Wunderbar, er war nass. Eine negative Art, es war wieder kalt, doch dieses Mal war nicht Berjael der Verursacher. Emhom schwang den Eimer in der Hand hin und her, grinste wieder breit.
 

„Komm, kriegst was zu Essen. Siehst dünn aus, Kleiner.“

„Der Boss hat …t dich vermisst …t.“

„Ach?“ Natürlich, er lag bestimmt in seinem Bett und klammerte sich sehnsüchtig an sein Einhornkissen.

„Ja, hat keinen zum …t ärgern.“

„Oh, toll. Fühl mich wie zuhause“, kommentierte Michael bissig, wrang sich das Haar etwas aus.
 

„Schön, so sollte es sein.“ Bei dieser Stimme wurde ihm direkt wieder kälter, er würde den Sprecher ja auch gern ignorieren aber leider war Berjael niemand, der einfach in der Menge unterging.

„Warum hat das so lange gedauert?“, blaffte er den jungen Kadetten an und verzog das narbige Gesicht. Michael würde nicht antworten, er würde ihn einfach direkt weiter nörgeln lassen denn jeder Protest wurde breit diskutiert und darauf hatte er nun wirklich keine Lust.

„Von dem bisschen Wasser, du bist ein Weichei! So wirst du nie abhärten!“

Ja, das hatte er sich gedacht. Das oder grundlose Schikane, eines musste zutreffen.
 

„Oder statt das Maul aufzumachen, wenn du seit Tagen auf dem Zahnfleisch kriechst!“

Wie bitte?

„Willst du mich verarschen?!“ Nun war er doch vorgetreten und wieder einmal bekamen beide somit unmittelbar die Aufmerksamkeit der Umstehenden; widerwillig, hinsehen wollte keiner. Es war allerdings wie bei einem Unfall: Man wollte nicht hinsehen, konnte aber nicht anders. Und wie bei einem Unfall fühlte sich keiner der Schaulustigen dazu verpflichtet, zur Hilfe zu eilen.
 

Der Größenunterschied der beiden Streithähne machte die Situation noch bizarrer, jedoch einfacher für Berjael, der Michael erneut am Kragen packte und hochhob, bis er auf dessen Augenhöhe hing. Das übriggebliebene Auge blitzte ihn aufgebracht an, während er den Atem auf seiner Haut spüren konnte.

„Du stinkst!“, fuhr er ihn unkluger Weise an und wurde wieder einmal geschüttelt, traf jedoch mit seinen Tritten dieses Mal gegen eines der beine des Kommandanten.

„Kann nicht jeder auf Blumen pennen“, knurrte er und Michael sah aus den Augenwinkeln, wie Emhom einen irritierten Blick mit Erimites wechselte.

„Kann dir welche pflücken“, murrte der Rotschopf, zerrte an den großen, viel zu festen Händen an seiner Kleidung.

„Kriegst Brennnesseln unter den Arsch geschoben, Mistkerl!“

„Zügle deine Zunge, Streichholz…“, zischte es vor seinem Gesicht und Michael bemerkte, dass das Auge Berjaels immer wieder von einer Ecke zur nächsten zuckte.
 

„Und warum sollte ich dir sagen, wenn es mir kacke geht?!“ Ja das war doch wieder der Ausgangspunkt ihrer Diskussion, anders würde er sonst wie lange hier hängen.

„Weil wir eine scheiß große, glückliche Familie sind“, murrte sein Boss vor ihm, ließ ihn dann wieder herab; achtlos fallen gelassen, wie auch sonst?

„Was machst du Köter dann im Haus? Raus in denen Zwinger, du…!“
 

„Boss!“

Michael spannte den Körper an; gleich würde das Messer in Berjaels Hand auf ihn zu sausen und vermutlich wichtige Körperteile von ihrem Ursprungsort trennen, doch einer der Soldaten kam ihm zuvor, stolperte durch die Halle.

„Angriff! Ein Angriff in Sektor 47! Dämonen!“

Alles oder alles

So das ist nun eines der Kapitel, auf das ich lange gewartet habe. Wirklich, die vorherigen haben mich teilweise etwas genervt, weil ich unbedingt diesen Part schreiben wollte.
 

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Allgemeine Aufbruchspanik. Warum ausgerechnet Sektor 47 solch eine fatale Bedeutung zu haben schien, konnte Michael nicht sagen aber um ihn herum liefen Soldaten in einem geordneten Chaos umher; Chaos für ihn, Ordnung für sie. Jeder fand auf Anhieb seine Ausrüstung, welche nun genauer betrachtet aus nicht mehr als simplen Messern bestand. Oder eben Schusswaffen, von denen Michael noch immer etwas Abstand einnahm; generell hatte er sich noch gar nicht um solche Dinge wie Waffen gekümmert, eben weil er nicht an das Verletzen dachte. Es war vielleicht etwas naiv und sicherlich könnte man ihm auch den Vorwurf machen, nicht ausreichend nachgedacht zu haben.

Dennoch sah Michael sich im Moment ohnehin nicht dazu in der Lage, jemanden ernsthaft zu verletzen. Oder gar zu töten. Natürlich, er hatte sich gerauft und anderen Schmerzen zugefügt aber da ging es nicht um Dinge wie das Erhalten von Körperteilen. Stand die Armee nicht für Schutz? Dass sie diesen zwangsläufig nicht anders erreichen konnten war ja schön und gut, dennoch musste er bis hierhin noch nicht der Verursacher für vergossenes Blut sein.
 

„Öffnet die Tore! Alle Mann ins Schiff! Beweg dich“, zischte es nach den laut gerufenen Befehlen und Michael erhielt von Berjael einen Stoß in den Rücken, fand Anschluss bei Zaphikel und Sariel, welche weitaus professioneller die Haltung wahrten. Zumindest gingen von ihnen keine hektischen Blicke aus, die Michael gerade noch in der Halle verstreute als sich die Luke des Flugschiffes hinter ihm schloss. Wie auch das letzte Mal hatte er eigentlich nicht vor, ausgerechnet mit Sariel und Zaphikel einen Raum zu teilen aber ihm blieb keine andere Wahl; dass sie bei Berjael im Schiff gelandet waren, verbesserte ihr Schicksal nicht.
 

Michael setzte sich mit einem unguten Gefühl im Bauch auf den Boden und beobachtete die weiteren Soldaten um sie herum. Wirklich, er fühlte sich nicht gut. Diese Situation drückte ihm auf den Bauch und er hatte das Gefühl, Schluckbeschwerden zu entwickeln; die Angst des Versagens kroch durch seine Venen und koppelte an den Erlebnissen des letzten Einsatzes an. Er sollte sich wirklich im Fliegen trainieren, das hatte letztes Mal unheimlich viel für zumindest ihn selbst gekostet. Warum ihm auch jedes Mal die Landung missglückte, war ohnehin die Frage. Er konnte mit seinen Schwingen nicht umgehen, sie waren zu groß für den kleinen Körper aber ob das als Grund genügte? Immerhin teilte er sich die sechs Flügel mit Luzifel, warum auch immer sie ungerecht aufgeteilt waren…
 

Ein Ruck ging durch das Flugschiff, einige Soldaten stolperten übereinander weg und hielten sich an Kameraden fest, Michael rutschte nur einen Meter weiter nach rechts, hielt sich dann an einem Stahlträger fest und zog die Beine wieder zu sich, verzog das Gesicht. Nein, ihm war wirklich nicht gut.
 

„Was ist an Sektor 47 so besonders?“, sprach dann doch der junge Rekrut mit der Augenklappe aus, was Michael gerade mit dankbarer Zurückhaltung quittierte. Nun musste er wenigstens nicht nachfragen und sparte sich die dummen Blicke, die ihn ohnehin auf Schritt und Tritt verfolgten. Dass Sariel und Zaphikel es nicht annähernd so schwer hatten, war ihm schon aufgefallen aber die Meinungen über mögliche Gründe gingen bei ihm weit auseinander. Entweder lag es an seinem Verhalten – was ja nun nicht sehr fügsam war – oder aber an dem Gewicht seines Namens; hochrangige Engel waren unbeliebt und als ‚kleiner‘ Bruder des großen Luzifel war er ohnehin mit Spott gesegnet.
 

Einer der Soldaten blickte auf Sariel, ließ die Augen dann zu Zaphikel und schließlich bis zu Michael wandern, an dessen Gesicht er hängen blieb. Warum ausgerechnet er nun wieder etwas verbrochen hatte, war ihm schleierhaft.

„Ist halt ein wichtiges Gebiet. Dämonen bedeuten Ärger, wir töten alle davon. Klappe jetzt.“

Ob das der Wahrheit entsprach, wagte Michael zu bezweifeln aber gewaltsam Informationen zu erzwingen war auch keine Option; sie würden es schon herausfinden.
 

„Wir schwärmen aus, die Flugschiffe werden aufgegeben. Bereit zum Abflug.“

Berjaels Stimme klang durch einen Lautsprecher in den Raum, ehe sie vom Rattern der sich öffnenden Luke abgelöst wurde; da wären wir wieder beim Thema Fliegen, doch es würde sich ja eh nicht vermeiden lassen.

Michael stand auf, das Schiff begann zu wackeln, ehe es wieder in ruhigeren Bahnen flog; allerdings steil nach unten, wenn er der rauschend vorbeiziehenden Umgebung Glauben schenken durfte, in welche sich die Soldaten einzeln stürzten.
 

Die Tür zur Kommandobrücke flog krachend auf und Berjaels große Gestalt zwängte sich durch den Eingang; bequem sah es nicht im Cockpit aus, doch für solche Gedanken hatte Michael nicht wirklich Zeit. Er folgte als Letzter der Soldaten, hinter ihm nur noch Berjael selbst. Ausgerechnet vor diesem wollte er ungern fliegen, doch schon stieß sich der letzte Soldat in der Schlange vor ihm hinaus und Michael spürte den Wind im Gesicht, nichts unter den Kappen seiner Stiefel; er sprang heraus, hinter ihm ein flatterndes Geräusch; Berjael hatte die Flügel ausgebreitet und war direkt hinter ihm, zeigte den Soldaten mit einer ausladenden Handbewegung an, sich zu verteilen.
 

Michael breitete die Flügel aus, ließ sich wieder vom Aufwind erfassen – und spürte eine Hand am Fußgelenk, als er kurz nach oben getragen wurde. Berjael zog ihn zu sich heran, ließ erst auf unmittelbarer Augenhöhe den immer höher gegriffenen Körper los; letzten Endes war er wieder an seiner Kehle gewesen.

„Du bleibst bei mir, auf die Scheiße vom letzten Mal hab ich keine Lust!“

Warum auch nicht, Michael fühlte sich ohnehin nicht gut damit, die Schreie hören zu müssen. Berjael war kein angenehmer Zeitgenosse und er glaubte immer noch, dass dieser ihn mit Absicht angeschossen hatte, doch mit den anderen Soldaten würde er noch eher den Tod finden.
 

Sie neigten sich dem Boden entgegen und wie erwartet stolperte er einige Schritte nach vorn, kaum dass seine Füße den Felsen erreichten, fing sich aber noch ab.

„Erbärmlich“, kommentierte Berjael dieses Gehampel und ging neben ihm in die Hocke, verbarg seine Flügel. Michael tat es ihm gleich, antwortete nicht auf die Provokation.

„Streichholz! Nimm.“ Eine Schusswaffe landete in Michaels Händen, welcher diese mit der plötzlichen Sicherheit hielt, jemanden mit einer einzigen Fingerkrümmung töten zu können. Das wollte er nicht, keine Schusswaffe, keinen Mord. Die Augen huschten zu Berjael, dem er die schwarz glänzende Waffe wieder zustecken wollte, doch dieser schob sie nur mit der Hand wieder weg.

„Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass du ohne Töten durchkommst? Nimm sie mit sonst werf‘ ich dich den Dämonen zum Fraß vor. Jetzt reiß dich zusammen und komm mit!“

„Mach die Drecksarbeit allein!“, giftete Michael zurück und folgte Berjael in gebückter Haltung; sie hatten die Dämonen längst entdeckt, umgekehrt war das hoffentlich nicht der Fall.
 

Falsch gedacht, Blut überzeugte sie vom Gegenteil. Berjael glitt um die Ecke, Michael folgte ihm mit ungutem Gefühl in der Magengegend und dem dringenden Bedürfnis, sich zu übergeben, die Pistole an sich gepresst.
 

„Streichholz!“, zischte es vor ihm und zum ersten Mal fühlte er sich wirklich grundlos angegriffen von dieser Bezeichnung, sodass ein Grollen in seiner Kehle heranwuchs und er ernsthaft in Erwägung zog, Berjael zu beseitigen. Ein Schuss in den Nacken, in den Kopf… er würde schon treffen. Dann verflog der Zorn und Michael fragte sich, wie ihn dieses simple Wort vollkommen zusammenhanglos derart hatte ärgern können; war er es nicht inzwischen gewohnt, nie bei seinem Namen genannt zu werden?
 

Wer ist wie Gott glitt es ihm durch den Kopf und wenn es nicht um einige Leben – auch sein eigenes – gehen würde, könnte er über diese Übersetzung seines Namens nur laut lachen. Gott, ja. Was er von ihrem Schöpfer halten sollte, war die nächste Frage. Blasphemie war kein Thema, als Engel konnte er schlecht behaupten, dass es keine wie auch immer gearteten übernatürlichen Wesen gab aber dennoch wollte ihm der Schöpfungsplan nicht geläufig werden.
 

„Hörst du schlecht?!“

Eine massige Hand fasste Michael am Hals, zerrte ihn herüber und riss ihn so aus den Gedanken heraus, was einige Sekunden des Sammelns abverlangte.

„Wenn ich dich rufe, kommst du gefälligst, kapiert?“

„Dann merk dir doch endlich mal meinen Namen, vielleicht fühl ich mich dann auch angesprochen!“

„Namen sind unwichtig, Streichholz.“

„Verdammt ich heiße Michael! Merk dir das, Saftsack!“

Wütend stieß er Berjaels Hand von sich fort, was diesen zum Konter animierte; er langte wieder zu, Michael wehrte mit der Pistole ab, brachte einige Meter zwischen sie. Berjael hob die Faust, Michael entfaltete seine Flügel, versperrte dem Anführer der Heerscharen somit mit der gewaltigen Masse seiner gespannten Schwingen die Sicht. Das Weiß tat weh, es war derart hell, dass es im schlecht sehenden Auge brannte und doch hegte der fast blinde Engel keinen tieferen Wunsch, als die Federn herauszureißen.
 

Er machte einen Schritt nach vorn, die Flügel des jungen Erzengels raschelten, Funken stoben hervor – die Erde bebte.
 

„Lass das! Willst du, dass sie uns entdecken?!“

„Ich mach nichts, du Geisteskranker!“

Michael zuckte nach hinten, auch seine Flügel verschwanden wieder in der aufkeimenden Panik; sein Finger huschte zum Abzug, doch Berjael war schneller bei ihm, fasste ihn am Arm und zerrte ihn ohne weitere Mühe raus aus dem Geschehen, in eine kleine Nische hinein. Über ihnen der Schatten eines unförmigen Wesens, wie groß wurden diese Dämonen nur? Michael wusste ja, dass er klein war aber im Angesicht dieser Kreaturen fühlte er sich geradezu mickrig, schrumpfte noch etwas weiter in sich zusammen. Irgendwie kam ihm diese Situation auch sehr bekannt vor, hatte er nicht schon letztes Mal mit Berjael in einer Felsspalte gehockt…?
 

„Weiter, los!“

Warum nahm er ihn eigentlich mit? Michael fühlte sich wie eine Barriere, eine Belastung, ein Klotz am Bein. Ohne ihn käme Berjael viel besser klar – Michael ohne ihn im Übrigen auch. Wie sehr er eine Person verabscheuen konnte, war ihm bisher noch gar nicht bewusst gewesen aber Berjael verkörperte auf fast zwei Meter Senkrechte alles, was ihn regelrecht auf die Palme brachte.

Während er ihm nachschlich, wuchs der Wunsch nach brechenden Knochen im Körper vor sich, er würde so gerne ein paar Gelenke verdrehen und in neue Positionen biegen, doch das ließ die Situation einfach nicht zu.
 

„Die Luft ist rein, hier lang.“

„Warum machst du das?“ Er steckte die Waffe in seinen Gürtel hinein, folgte mit einigen Bemühungen und rutschte dann einen Felsen hinab, landete neben Berjael, der ihm keinerlei Beachtung schenkte und um die nächste Ecke spähte.

„Hey, krieg ich eine Antwort?“ Michael trat nach einem Stein, kickte diesen gegen den Stiefel des Soldaten und erntete einen indirekt scharfen Blick; es war das blinde Auge, das ihn milchig weiß betrachtete.

„Was?“, war schließlich die bissige Antwort und Berjael ging weiter, gefolgt vom Erzengel.

„Diese Versteckscheiße. Deine Leute kämpfen längst und du schleichst rum wie ein Kind was sich gleich in die Hosen scheißt.“ Inzwischen war ihm klar: Auf die mickrigen Konversationsgrundsätze, an die er sich mehr schlecht als recht gehalten hatte, konnte er verzichten. Am besten einfach sagen, was einem in den Sinn kam dann entstanden keine Missverständnisse und man hatte wirklich allen Grund dazu, jemandem die Fresse zu polieren.
 

„Deiner Meinung nach sollte ich also was genau machen?“

„Deinen Arsch nach oben bewegen und dich nicht am Boden drücken, dort oben lassen Männer ihr Leben, während ihr ach-so-toller Kommandant einfach wartet, bis es vorbei ist! Was willst du hier finden? Das Tor zur Unterwelt?“

„Erraten.“

Was? In Rage geredet hatte Michael sich auf mehr gefasst gemacht, sein Körper spannte sich bereits, doch nichts deutete auf eine physische Gegenweht Berjaels, der nun nur noch weitere Schritte machte; bei den kurzen Beinen musste der Feuerengel sich beeilen, um aufzuholen.

„Sie können unmöglich in diesen Sektor eindringen, ohne dass ihnen jemand eine Schranke geöffnet hat. Das kann vor Wochen passiert sein, Fakt ist aber: Im Himmel existiert ein Verräter, ein kleiner Spion und den werde ich finden, rupfen und in diesen gottverdammten Schlund schmeißen, wo der Bastard dann den Rest seiner scheiß Unsterblichkeit verbringen kann!“
 

Michael fühlte sich mit einem Schlag unheimlich leer; hier ging es um den prophezeiten Teufel, den dunklen Sohn, Übelbringer aller schlechten Taten.

Um ihn.

Allerdings hatte er keinerlei Erinnerung daran, sich diesem Ort je genähert zu haben
 

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Zwei Tage vergingen, bisher hatten sie immerhin kein Todesopfer zu verbuchen, allerdings auch keinerlei Erfolg erzielt.

Die Verwundeten lagen in Zelten, da das Luftschiff zu Beginn abgestürzt war, hatten sie kaum Ausrüstung dabei. Natürlich könnten sie sich zurückziehen, aber der Weg war weit und der Flug würde dauern. Zu lange für die Verletzten, zu viel Verantwortung für die Übrigen.
 

Dank Berjaels Herumgeschleiche hatte Michael keinen Schaden erleiden müssen, allerdings fühlte er sich von Tag zu Tag miserabler. Ob es an den schlechten Bedingungen der Grundversorgung lag – gar keine, weder Wasser noch Nahrung war anzufinden – oder aber der fehlenden Schlafstätte und dem ungewohnt harten Steinboden oder aber der Angst, ständig entdeckt zu werden, wusste er nicht.

Jeder Schritt aus einer entfernten Richtung ließ ihn aufhorchen, bereits drei Mal wurden sie überraschend angegriffen und konnten den Angreifer besten Falls in die Flucht schlagen, nie jedoch erlegen. Allmählich machte sich Paranoia in ihm bemerkbar, er fühlte sich verfolgt und befürchtete sogar beim Pinkeln getötet zu werden. Das tat ihm nicht gut aber da musste er nun durch.
 

Wenigstens ließ ihn dieser Quälgeist von Chef im Moment in Ruhe, er nagte ohnehin arg am eigenen Zustand, plagte sich mit kurzen Aussetzern. Man könnte es auf die absolute Abwesenheit von Wasser und Nahrung schieben, aber das wusste er besser: Es gab schon öfter Zeiten, in denen er sich Tage versteckt hatte, nur um einer ohnehin kommenden Strafe aus dem Weg zu gehen; nach Prügeleien oder Vandalismus. Da hatte er auch keine Nahrung oder Flüssigkeit. Gesund war das nicht aber es hatte ihn nie in solch einen Zustand versetzt. Momentan schob er es doch noch auf den ganzen Ärger und die übertriebene Angst.
 

„hey, Kleiner. Komm mal …t mit.“ Als Michael aufblickte, stand Erimites mit seinem eigenen Körperbau an einem kleinen Pass, der aus ihrem geschützten Lager führen würde, winkte mit der Hand, an der genug Gelenke für sieben weitere Finger waren.

Mühselig kam er hoch, tastete nach der Waffe in seinem Gürtel und hatte plötzlich gar nicht mehr so viel Bedenken, einen Dämon damit zu töten.
 

„Was?“

„Suchen jetzt Wasser, kann nicht so …ter gehen.“

Michael fragte gar nicht erst, warum ausgerechnet er mitkommen sollte, er war froh um jeden Ausbruch aus diesem Sterbelager; ob wirklich jeder durchkommen würde, stand in den Sternen und die sah man von hier leider nicht.

„Wo ist Berjael…?“

„Keine Ahnung, haut immer …t mal wieder ab. Sucht was.“

„Die Pforte zur Unterwelt…“

Sein Blick gen Boden erwies sich als Fehler, er stieß gegen Erimites‘ Rücken und blickte dann auf, war dieser doch abrupt stehen geblieben, drehte sich nun betont langsam zum Rotschopf.

„Was weißt du von …t diesem Ort?“
 

Michael zögerte, blickte sich dann doch noch einmal um und fand schließlich den Blick in die unkoordinierten Augen des Größeren. Etwa 50% von Erimites nahmen Haltung an und tadelten mit dem Wissen eines Erwachsenen, eine Antwort einzufordern.

„Hier findet der große Krieg statt, stimmt‘s? Der Teufel wird sich offenbaren…“

„Verdammt richtig! Und wenn der Mistkerl hier auftaucht, dann ….t wir ihm in den Arsch!“

„Und wisst ihr, wer…?“

Erimites blickte noch einmal scharf in das Gesicht des jungen Rekruten – was angesichts der überwältigenden Eigenaktivität seiner Augäpfel eine wahre Meisterleistung war – ehe er die Hand hob und ihm das Haar tätschelte. Allerdings so zögerlich, als fürchte er ihn zu zerbrechen.
 

„Werden ihn schon …t finden, okay? Mach dir keine Sorgen, Kleiner. Bist in …ten Ordnung.“

„Ja, bin ich wohl…“ Oder auch nicht, konnte er seinem Schicksal wirklich so einfach entfliehen? Wenn es doch wirklich zu Gottes Plan gehörte, wie konnte er sich schon dagegen auflehnen? Als Erzengel gehörte er ohnehin nicht zur allgemeinen Belustigung Gottes, sie waren noch weiter außerhalb angesiedelt und erfreuten sich ohnehin dem Status von Freaks, in die trotzdem übertrieben hohe Erwartungen gelegt wurden. Und das nur wegen den Naturelementen.
 

Natürlich bekam er das Gefährlichste ab, ihm war ja auch wunderbar zu trauen. Wenn er sich recht entsann, war Raphael bei kleinen Stürmen angelangt, also irgendwo bei Windstärke neun. Uriel setzte erste Krater in kleine Berge und Jibrils Wellen konnten kleine Inseln untermauern. Und er? Schaffte es mit Müh und Not, einer Kerze Feuer zu spenden, fürchtete sich vor seiner eigenen Kraft und hatte nicht unter Kontrolle, es rechtzeitig zu beenden.

Warum hatte auch er das Feuer bekommen und nicht Luzifel? Hinter seinem Rücken liefen diese Spekulationen ohnehin weiter, keiner traute ihm.

Er traute sich ja nicht einmal selbst, wie sollte er es von anderen verlangen? Oder hatten sie ihn erst in diese Richtung gesteuert? Ach, was wusste er schon…
 

„Hey, Bewegung!“

Verdammte Tagträumereien, er musste sich wirklich auf seine Umgebung konzentrieren! Schnell schloss Michael wieder zu Erimites auf, der sich mit seinem wirklich praktischen Körper durch die vielen Felsspalten kämpfte, nur kurz nach dem Feuerengel Ausschau hielt.

„Siehst …t du? Da hinten!“

Michael stellte sich auf die Zehenspitzen, blickte nach etwa vier Kilometern Fußmarsch weiter in die Ferne – schmutzig, brackig und voller Chemie, die sonst wo herkommen mochte.

Aber es war Wasser.
 

Michael sprang den letzten Vorsprung herab, ging dann langsamer an den sich schlängelnden Fluss heran, sah weder Quelle noch Endziel, doch interessierte ihn das gerade nicht; vor seinen Augen bildeten sich wieder Flecken und er war froh, wenn er dem mit Wasser entgegenwirken konnte. Erimites blieb in seiner Nähe, schien aber weitaus misstrauischer als der junge Engel, dem sein immenser Durst jetzt erst vollkommen bewusst wurde.
 

Als sie ankamen, kniete er sich nieder und bildete mit den Händen eine kleine Schale, tauchte sie vorsichtig in das Wasser hinein. Als er etwas schöpfte, bestätigte sich der Verdacht – schmutzig und unappetitlich, jedoch nass und damit reichte es seinen Ansprüchen vollkommen.

Er neigte den Kopf zu den Händen, rechnete jedoch damit, dass etwas aus dem Flussbett nach ihm greifen und ihn hineinzerren würde, wenn seine Lippen vom Wasser benetzt wurden – nichts. Er trank ein paar ekelerregende Schlucke, schöpfte noch einmal nach und merkte auch, wie Erimites neben ihm auf die Knie ging.
 

Michael hob die Hände wieder an den Mund – und ließ das Wasser plätschernd auf seine Hose fallen, griff sich an den Hals. Wieder schnürte sich ihm die Luft ab, das kam nun schon häufiger vor und seiner trockenen Kehle konnte er bestimmt nicht die Schuld dran geben. Hustend krümmte er sich, Sand geriet ihm in den Mund, als er zur Seite kippte und am Boden liegend nach Atem rang. Die knochige Hand von Erimites berührte ihn barsch an der Schulter, riss ihn herum und schüttelte ihn. Er sah sich selbst in den großen, nach außen liegenden Augen spiegeln; ein verängstigter Blick, sein blasses Gesicht verlor allmählich alle Farbe.

Erimites schlug ihm auf die Brust, woraufhin Michael hastig einatmete, wieder hustete und den in den Zähnen knirschenden Sand ausspuckte, sich leidig auf die Seite drehte. Verdammter Mist, er würde nicht schon wieder bei Raphael enden! Nicht nach seinem letzten Ausbruch, er hatte keine Angst vor dem blonden Heiler aber er wollte sich nicht mit ihm und vermutlich Luzifer, spätestens aber Bal auseinandersetzen müssen.
 

„Verdammt, Kleiner! Hast du …t mich erschreckt!“

Erimites stand auf, schüttelte tadelnd den Kopf – dann sackte er in sich zusammen, die Beine klappten weg, Blut verteilte sich auf dem Boden. Michael wirbelte herum, kniete auf dem schmutzigen Boden und starrte auf den anderen Engel, welcher einen markerschütternden Schrei von sich gab, als ihm die Kniesehnen durchtrennt wurden. Ein schwerer Stiefel trat mehrmals auf den Rücken, es knackte, knirschte – Erimites schrie wie ein gepeinigtes Tier und Michael war nicht fähig, seine Waffe zu ziehen.
 

Erstarrt vor Angst blickte er auf die Gestalt, um dessen Gesicht ein Tuch geschlungen war; groß, breite Schultern.

Verdeckte Augen glitten zum Feuerengel, welcher auf seinem Hosenboden sitzend am Boden kauerte, die wimmernde, zuckende Gestalt seines Kameraden vor sich. Dann verschwand der plötzliche Angreifer, hinterließ nichts als Scherben einer Existenz; Knochen stachen aus Stellen, wo sie nicht rausstechen durften, Blut färbte den Dreck.

Röcheln drang hervor, erst jetzt bewegte Michael sich wieder, kroch hektisch auf ihn zu und tastete nach dem Gesicht. Warum hatten sie ihn nicht gehört? Gespürt? Wie konnte er so nah kommen?
 

„M…M…“, begann Erimites, wurde vom Kopfschütteln des überforderten Kindes unterbrochen.

„Ich hol Hilfe“, wisperte er und bettete den fremden Kopf behutsam am Boden, blickte sich hektisch um.

„Hallo? Ist hier jemand?!“ Vermutlich Dämonen aber er suchte nach Rekruten. Wie sollte er sich um ihn kümmern? Allerdings wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, ihn hier liegen zu lassen und zu hoffen, dass die Kreaturen dieser Steppe diese praktische Mahlzeit verschmähten.

„Komm… wir gehen zurück. Alles wird gut, versprochen… komm schon…“ Einen Arm des viel größeren Engels angelte er sich über die Schulter, hob Erimites dann so weit es ging an, doch das würde nicht reichen. Er schleifte über den Boden und ihn mit beiden Händen tragen war für Michael nicht machbar, der sonst nicht die Felsen erklimmen könnte. Er könnte fliegen, aber…

„Was soll ich tun?“, flüsterte er den Tränen nahe, während das Blut des anderen Engels warm über seine Hände floss. Erimites gab keinen Ton von sich, schloss nur die Augen und stöhnte schmerzlich.
 

„Durchhalten“, murmelte Michael, wohl aber mehr zu sich selbst und zog ihn dann doch langsam zu einem Vorsprung, legte ihn dort nieder. „Du wartest hier, ich hol Hilfe… ich bin gleich zurück, bitte nicht gefressen werden!“

Sorgsam nahm er Abstand und kontrollierte, ob man ihn nicht doch von gewissen Blickwinkeln erspähen könnte. Das war egal, das Blut lockte reichlich hungrige Biester an, also musste er sich wirklich beeilen und da war der Flug die auffälligste aber schnellste Variante. Sie sollten hier nicht fliegen, das Weiß ihrer Schwingen verriet sie zu schnell aber Michaels Kopf rastete ein, er dachte nur noch von Tapete bis zur Wand und entfaltete seine Flügel, hob dann ab. Wenn nur seine Augen nicht immer wieder versagen würden aber dafür blieb ihm keine Zeit, er hatte eine ungefähre Idee von de richtigen Richtung und stieß in diese vor, blickte dabei immer wieder gen Boden, um eine mögliche Regung ausmachen zu können, sah ihn dann aber tatsächlich erst, kurz bevor er ihn selber vom Himmel pflücken würde; Berjael stieß wütend zu ihm auf, griff nach dem Kragen des kleinen Engels und holte Luft, um ihn scheinbar anzuschnauzen, als er sich des Bluts gewahr wurde. Ein Blick in Michaels Augen, die Sonne brach sich an ihnen vorbei.
 

Schimmerndes Gold sah ihn verzweifelt an.

Langsam ließ er ihn los, doch nun war es an Michael ihn am Kragen zu fassen und zu sich zu ziehen, hilflos das vernarbte Gesicht zu berühren.

„Hilfe, er stirbt! Schnell!“

Und schon wandte er sich ab, doch Berjael machte keine Anstalten, ihm zu folgen, hob eine noch halb vorhandene Augenbraue an.

„Wer?“

„Erimites! Wir wurden angegriffen, bitte!“

Wut keimte in Michael auf, warum folgte er nicht endlich? Es ging um ein Leben und nicht den verdammten Dickschädel des eigensinnigen Soldaten, welcher sich dann doch bequemte und Michael folgte – am Boden und der Rothaarige wurde sich darüber bewusst, dass er auch besser im Laufen beraten war.

„Kindischer Bock!“, fauchte er Berjael an, schlug mit der Hand nach hinten und schickte so einen kleinen Feuerstoß in seine Richtung, während er sich keuchend durch die vielen Felsen kämpfte, nun gefolgt von den seinem Tempo angepassten Schritten Berjaels, der ihm nachrannte.
 

Michael erreichte den Vorsprung mit ungutem Gefühl, dich Erimites lag noch dort, die Gesichtsfarbe irgendwo im Bereich einer mit Asche bedeckten Leiche ähnelnd, flach atmend.

Als er die Augen öffnete, stand dort Berjael, direkt neben dem kleinen, nach Luft ringenden Feuerengel, der einem Zusammenbruch nahe schien. Vermutlich würde er ihn bald erleiden.
 

Er wusste nicht, ob er erleichtert sein sollte aber Berjael kniete sich zum Soldaten herab, legte die Hand auf seine Brust und beugte sich zu seinem Mund. Er konnte sie nicht verstehen, doch beim Sprechen spuckte Erimites Blut, röchelte erbärmlich.

Dann plötzlich erhob sich der Anführer, wandte sich zu Michael – und schlug ihm die Faust ins Gesicht, woraufhin der kleine Körper auf den steinigen Boden prallte. Blut lief aus seiner Nase, die mal wieder gebrochen schien.

Er blickte auf, wurde jedoch bereits nach oben gezerrt und auf die Füße gestellt. Berjael fasste ihm an den Gürtel, zerrte die Waffe hervor und schob sie in eine Halterung an seiner eigenen Hose, dann zog er Michael zum zerschmetterten – und weniger war es einfach nicht – Körper des blutenden Engels, zwang ihn auf die Knie.
 

„Du beendest es.“

„Was?!“ Ja, was? Was sollte er beenden? Michael drehte sich auf den Knien, hatte Berjael doch tatsächlich hinter ihm Stellung bezogen, den Kleineren so zwischen sich und Erimites eingesperrt. Er kniete ebenfalls, allerdings tat das seiner massigen Gestalt keinen Abbruch. Wütend zog er die Augen zusammen, drehte Michaels Kopf mit Gewalt zurück, zwang ihn zu diesem Anblick.
 

„Du hast nicht reagiert, stimmt‘s? Hast zugesehen.“

„Nein, ich…“

„Lüg mich nicht an! Was bitte konnte ihn derart zurichten? Du bist vorbereitet, kein Dämon hier konnte das mit ihm anstellen, ohne ihn umzubringen also hättest du helfen können! Was also war derart schockierend, dass ein Kamerad durch dich seinen Tod finden muss?!“

„Aber…“

Wieder schlug er ihm ins Gesicht, dieses Mal fühlte sein Kopf sich an, als würde er von den Schultern gerissen werden und Michael fühlte sich benommen, hielt sich die Wange, doch da wurden seine Hände schon gepackt und nach unten gedrückt. Nein, das würde er nicht tun; niemals, er konnte nicht!
 

„Du bringst es zu Ende, er wird sich nicht zu Tode quälen“, zischte es an seinem Ohr und wieder liefen Tränen über die kindlichen Wangen, als seine Hände sich unter Begleitung der viel größeren Berjaels an den Hals vor ihm legten. Bitte nicht, er konnte das nicht tun. Es musste doch noch eine andere Möglichkeit geben!

„Wenn wir ihn zu Raphael…“

„Hervorragend“, höhnte es an seinem Ohr und jeder Buchstabe brannte wie ein Peitschenhieb.

„Sag mir doch, wie wir diese Strecke in wenigen Minuten bewältigen sollen weil sehr viel mehr Zeit bleibt ihm nicht. Jetzt sieh ihm in die Augen und verabschiede dich, Michael.“

„nein“, wisperte er, starrte dennoch in die Augen von Erimites, in denen er gerade keine Regung lesen konnte; Hass, Wut, Enttäuschung…

„Dumm… ter Junge“, spuckte er hervor, verzog den Mund zu einem verzerrten Lächeln – dann zog Berjael seine Hände in einer Schnelle Bewegung in entgegengesetzte Richtungen und das Genick vor ihm brach ohne weiteren Widerstand.
 

Schlagartig durchfuhr ihn ein bebendes Zittern, er wand sich aus der Umklammerung hinter ihm und stieß sich von den beiden Personen weg, wankte ein paar Schritte vor – und erbrach sich endgültig auf den Boden, während ein tiefes Wimmern in seiner Kehle steckte. Das Gefühl kam nicht von seinen Händen weg, er hatte einen Tod herbeigeführt – ob nun auf Befehl und unter gewaltsamer Beihilfe war ihm vollkommen egal und so taumelte er noch ein paar Schritte vor, sank jedoch auf die Knie und klammerte die krampfenden Arme um seinen Bauch.

Neben ihm fiel die Waffe in den Dreck, Berjael gab ein leises „Tz“ von sich und entfernte sich mit langsamen Schritten, blieb nur kurz stehen.
 

„Wir brechen das Lager ab, hilf beim Abbauen. Und dann erzählst du Emhom und dem Rest, was du getan hast.“

Nein, das würde er nicht. Er würde gehen, die Armee verlassen.

Und wenn das nur durch seinen Tod zu erreichen war, sollte es eben so sein.
 

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Woah fertig *-*

Ich hab so lange auf das Kapitel gewartet und jetzt ist es vorbei, verdammt XD aber jetzt geht der Spaß ja erst los tihihi :D
 

Na gibt es irgendwo da draußen trotzdem Berjael-Fans? Einen kenn ich, bei ihr steht sein gezeichnetes Bild auf dem Regal und ihr widme ich auch das Kapitel, weil ich ohne die vielen Popokicks nie in den Quark gekommen wäre
 

Danke, Mad-Panda

Monster

„Im Namen des Herrn, lasst ihn los!“

Hände, viel zu viele Hände waren da. An, unter und über ihm, griffen, zerrten, zogen.

Mit Ellenbogen und Knien bekam er wieder Platz zwischen sich und die hektischen Finger der anderen, bedeckte seine eigenen Hände mit viel zu viel Blut.

Der Schlag gegen das Ohr hatte gesessen, doch trotz des Rauschens im Kopf ließ er nicht los, presste die Beine fester um den viel größeren Körper, welcher sich unter ihm wand.
 

Bestimmend gruben sich Fingernägel in seine Schultern, dann endlich zog man ihn herunter und hielt ihn gleich zu mehreren fest, während der Mann am Boden ausspuckte, sich Blut von der Lippe wischte und die Nase rümpfte, dann wieder auf die Beine kam. Das braune Haar wurde mir zwei Fingern nach hinten gekämmt, dann drehte er sich um und lief festen Schrittes den Gang entlang.

Michael tobte vor Zorn, wurde jedoch von einem breiten Körper blockiert, ehe er kapitulierend die Schultern senkte, wütend auf den Boden trat.

Bestimmyt fasste man sein Handgelenk, dann wurde er weggezogen, hinein in einen Raum.

Die Tür fiel ins Schloss, er riss sich los und warf einen Stuhl um, schleuderte ihn viel mehr in eine entfernte Ecke.
 

Bal bebte, ließ sich jedoch nieder und gewährte ihm diese Zeit. Der Mann neben ihr beobachtete die Situation mit Argwohn, in seinem Gesicht spiegelte sich dennoch die vollkommene Selbstbeherrschung. Ihn nun anzubrüllen würde einen gegenteiligen Effekt auslösen und das konnte sie ausgerechnet mit Michael nicht gebrauchen.
 

Ob sie generell das Wort erheben sollte stand zudem in Frage; einen Effekt erzielte es in letzter Zeit bei zunehmender Problematik ohnehin nicht bei ihm.

Eher im Gegenteil, er schien viel eher dicht zu machen und sich zudem zunehmend angegriffen zu fühlen.

Dabei wollte sie doch genau das Gegenteil erreichen…
 

Persönliche Gedanken und Gefühle von Sorgen wurden mit einem Durchdrücken des Rückens bei Seite geschoben. Sie blieb sitzen, faltete die Hände vor sich auf dem Tisch.

Schließlich schien Michaels Toben abzuebben, er stand in etwa der Mitte des Raumes und hatte vor seinen Füßen Scherben, Splitter und Teile diverser Bücher verteilt, schnaufte ein letztes Mal.

Dann drehte er sich erst um und begünstigte Bal mit einem finsteren Blick.

„Ich gehe!“

„Das steht Euch frei…“

„Schön!“ Den Drang, wie ein wütendes Kind auf den Boden zu treten unterdrückte er mit bereits angehobenem Fuß, setzte diesen kritisch wieder ab. Ein Seitenblick an den noch immer stillen Mann im Raum, dessen körperliche Präsenz weitaus eindrucksvoller und bedrohlicher war, als Michael sich selbst fühlte.
 

Er rümpfte die Nase, zog an seinem Shirt und wischte sich jetzt, wo der Adrenalinpegel sank und er Zeit hatte es zu bemerken, das Blut von der Unterlippe.

Bal keines weiteren Blickes würdigend – daher auch mit einem schlechten Gefühl im Bauch – schritt er an ihr vorbei, legte seine Hand auf die Türklinke und drehte sich dann doch noch einmal um, zögerte.

Das ruhige Gesicht seiner Vertrauensperson löste ein Gefühl von Scham in ihm aus, die Wut geriet in Vergessenheit. Mit schlechtem Gewissen drückte er die Klinke doch durch, schob sich rasch durch den Spalt und schloss die Tür hinter sich, lief dann den Gang hinab, was in einem Rennen endete.
 

Bal lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, schloss für einen Moment die Augen.

„Öffne bitte die Tür…“

Der bisher noch recht schweigsame Mann regte sich, begab sich unter ihren ihm folgenden Blicken an besagte Tür und streckte die Hand aus – zuckte zurück, als er die glühend heiße Klinke berührte.

Bal, inzwischen stehend, nickte, griff nach der Hand und hielt ihre eigene darüber. Verbrannte Zellen entspannten sich, die Durchblutung wurde angeregt und allmählich wich der Glanz des Verbrannten.

„Seine Kraft wächst und wächst. Er fürchtet sich so sehr vor sich selbst, dass es ihn von innen her auffrisst. Ich weiß nicht, was aus ihm wird… aber er wird bald zum Opfer seiner eigenen macht, wenn die Angst vor dem Feuer nicht weicht. Sein Potenzial überfordert ihn, er ist wütend auf alle, die mit sich im Reinen sind. Leider steigt dabei auch der Zorn und mit dem wieder seine Kraft. Es ist ein Kreislauf, dem er nicht entkommen kann. Eine Flucht vor sich selbst.“
 

Sie machte eine Pause, ließ ihre Kräfte noch einmal wirken und strich über die neue Haut.

„Damit solltest du dennoch zu Raphael gehen, er wird auch die tieferen Schichten heilen können.“ Ein Lächeln huschte über ihre Züge.

„Sie haben so viel Kraft und sind trotz oder gerade wegen ihrer prophezeiten Zukunft so allein… sie sollten wenigstens untereinander zusammen halten, oder?“ Das war eine rhetorische Frage, sie wollte keine wirkliche Antwort, erhielt sie auch nicht.
 

Ihre Hand wickelte sie in ein Tuch, öffnete so die sich nur langsam abkühlende Klinke.

„Du weißt, warum ich dir dies alles erzählt habe?“

„Ja, Ma’am.“

Sie nickte, ging dann.

Im Nachhinein empfand Camael ihr Lächeln als traurig.
 

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„Fuck!“

Wütend schlug er seine Hand gegen eine Tür, drückte fast zeitgleich seine Stirn gegen diese und ließ die Anspannung absacken. Diese verdammte Wut loderte wie ein heißer Draht in seinem Körper, sie ließ ihn nicht los und provozierte immer mehr Probleme in sein Leben hinein. Spaß an den Prügeleien? Sicherlich, allerdings nicht an jenen, die aus spontanem Hass entstanden.

Provokation war eine Sache, aber das…
 

Warum war er nur zurückgekommen? Ob die Armee wirklich der größte Fehler der jüngsten Entscheidungen war, konnte er nicht einmal mehr wirklich sagen. Vielleicht war es viel schwerwiegender, dass er ihr den Rücken gekehrt hatte? Nach Lagerabbau und ohne ein Wort zu wechseln war er gegangen, die Blicke der Soldaten im Rücken. Emhom brauchte er über nichts zu informieren, dieser schien es ohnehin zu wissen – durch Berjael natürlich.

Wenn es ihm so recht war, würde Michael auch da keinen Einwand mehr erheben; seine Hände hatten ein Leben beendet. Eines, das bei Zeiten tatsächlich an ihn geglaubt hatte, was die ganze Sache nebst dem Tod für ihn persönlich noch viel schlimmer machte.
 

Langsam führten seine Schritte ihn tiefer in das Gebäude hinein; ausgerechnet hier ging er hin, dabei bestand keinerlei positive Bindung zu diesem Ort; ebenso fehlte allerdings auch der negative Aspekt, was im Gegensatz zu seinem Zuhause schon viel wert war. Dennoch wäre es kein Grund, gerade nun aufzutauchen. Was erwartete er schon? Dass Bal ausgerechnet heute hier anzutreffen war, verwunderte ihn nicht mehr. Nicht, nachdem er das Datum herausbekommen hatte, welches in den letzten Tage zur nebensächlichsten Angelegenheit überhaupt geworden war.

Generell hatte es einen mehr emotional aufgewühlten Grund, weshalb er hier aufgetaucht war und nun nichts mit sich anzufangen wusste.
 

Heute war die Abschlussfeier der Akademie, sie hatten ihr Jahr offiziell bestanden - verwunderlich war es jedoch nicht, dass Luzifel vor ihm damit fertig wurde. Der talentierte Überflieger hatte im Laufe ihrer Erziehung einige Kapitel übersprungen und sein Leben mit größeren Schritten in den Griff genommen.

Ob er selber überhaupt noch berechtigt war sich als Schüler betrachten zu können wusste Michael nicht einmal, die Regeln waren streng und er fehlte seit Wochen.
 

Wäre er nur nie hergekommen.
 

Um die Ecke und dann stieß er einen der kleinen Abstellräume auf, zwängte sich hinein und presste die Stirn nach einem zu Boden Gehen gegen die Knie, vergrub die Finger in den roten Haaren. Wenn er könnte, würde er sich selber in eine beruhigende Umarmung ziehen und sich erzählen, dass alles gar nicht so schlimm war. Es war in Ordnung, weil er hier saß und seinen Namen kannte und weil er nicht am staubigen Boden lag, weil ihm niemand die Hände an den Hals legte und sein Genick wie einen widerstandslosen Grashalm brach. Es war auch in Ordnung, weil es hier Wasser gab. Außerdem fehlten die Geräusche von Berjaels durchladender Pistole, die Schüsse und der Gestank in den Leichengruben.

Er musste keine Funken für Fackeln spenden, mit denen Haut, Federn oder was auch immer Dämonen über ihr Skelett spannten zu versengen, nur um an Informationen zu kommen.

Wenn doch diese verdammten Funken nicht gewesen wären…
 

Ein Funken, und wir fliegen beide in die Luft. Überleg es dir gut.
 

Er wollte missmutig Seufzen, doch es endete in einem kläglichen Fiepsen, was ihn die Beine enger an sich heranziehen ließ. Er war nicht so, eigentlich hatte er nichts für dieses schwache Verhalten übrig; bei anderen nicht und von sich selbst wollte er da gar nicht anfangen. Es waren ja nur Körper, Unwichtige.

Warum also veranlasste ihn die Platzwunde am Kopf dazu, einen Weg zu Raphael zu suchen?
 

Aufgestanden und raus aus dem Raum, er musste hier weg. Es war ein Versuch und er war gescheitert, die Akademie war kein Platz mehr für ihn; dann würde er vermutlich wieder in der Armee landen. Ob es das wert war? Es fühlte sich eigenartig an, nicht falsch – komisch. Leider nicht im Sinne von lustig, er konnte es eben nicht beschreiben.
 

Raus aus dem Gebäude, mit dem Fliegen hatte er sich noch immer nicht angefreundet aber es würde schneller gehen als den Weg umständlich zu Fuß zurück zu legen. Vor Raphael selber hatte er keine Angst, auch wenn er das Krankenhaus sang- und klanglos verlassen hatte, würde er sich nicht vor ihm ducken. Das würde er sowieso vor keinem mehr; weder Berjael noch seinem Bruder. Schon gar nicht vor Fremden.

Sie bestimmten zu sehr über ihn, Körper und Seele gehörten weniger Michael selbst als denen, die Schindluder damit betrieben. Wo sollte das nur hinführen?
 

Als er sich in die Lüfte erhob, war da dieses Gefühl vom Fehl-am-Platz-Sein, die Luft gehörte nicht ihm; doch er näherte sich dem, der sie beanspruchen konnte. Irgendwann, wenn sie erwachsen sind, werden sie über unvorstellbare Kraft verfügen, das wusste er. Und das Volk auch, daher begegneten sie ihnen mit Argwohn. Von wegen Schutzengel der Natur, sie waren unglücklich in eine Bestimmung geboren, die sie von Anfang an auf eine nicht zu meisternde Probe stellte.

Ob die anderen drei wohl auch so dachten? Oder war es wegen der Prophezeiung?

Michael schüttelte den Kopf, kollidierte daraufhin beinahe mit einem Wolkenkratzer und bog scharf nach links ab, rauschte durch die Luft. Er würde nicht ins Krankenhaus fliegen, der Ort gefiel ihm schlichtweg nicht. Etwas hatte sein Misstrauen erweckt, also würde er direkt bei Raphael aufschlagen – und das im wahrsten Sinne, eine missglückte Landung jagte scheinbar die Nächste und so verhalte er sich beim Aufkommen mit seinem Gestolpere, fiel flach auf den Bauch.
 

Fluchend kam er auf die Füße, rieb sich die Knie und umrundete das Anwesen, natürlich hatte er die falsche Seite anvisiert aber hier war der Platz zum Landen besser.

Wie auch immer man das Wort „Landung“ nun definieren mochte, er war nicht mehr in der Luft und allein das sollte reichen.
 

Spar dir den Atem.
 

Schnellere Schritte, dann endlich erreichte er die Tür vorne; zu, natürlich. Ein zaghaftes Klopfen, Lauschen – keiner da.

Dass Raphael seinem verdammten Pflichtgefühl immer nachkommen musste, so ein anstrengender Kerl!

Wütend trat Michael gegen die Tür, ehe er ein paar Schritte weiter links Stellung unter dem Vordach bezog, dort am Boden Platz nahm und den Kopf in den Nacken legte.
 

Schau nicht so dämlich!
 

Er fuhr sich mit der Hand über die Wange, fixierte einen Wassertropfen und beobachtete dessen Lauf an einer Fensterscheibe entlang.
 

Immer noch nicht am Heulen, was? Na warte…!
 

Ein grimmiges Lächeln zuckte über sein Gesicht, in seiner Hand hielt er einen flachen Stein, drehte diesen, ehe er ihn mehr aus einer Laune heraus gegen die Scheibe warf – Scherben splitterten zu Boden und der junge Feuerengel zuckte erschrocken zusammen, presste den Rücken an die Wand hinter sich.

Scheiße! So eine verdammte Scheiße aber auch!

Langsam stand er auf, näherte sich nur widerwillig. Dabei hatte er es nicht einmal beabsichtigt, er hatte gar nicht nachgedacht!
 

„Kacke“, murmelte er, besah sich das kaputte Glas. Ein sauberes Loch, von außen konnte er in den Flur hineinsehen, trat nervös von einem Bein auf das andere. Dass Raphael ganz alleine lebte, könnte er beinahe bewundern – tat es aber nicht, fremde Personen hätten ihn sich gar nicht nähern lassen und das hier wäre nicht passiert.
 

Ich sollte dir die Kehle rausreißen, du scheiß Katastrophe!
 

Widerwillig drückte er eine Hand an seinen Hinterkopf, wenn doch diese Gesprächsfetzen wenigstens ein Ende nehmen würden! Aber sie hämmerten sich immer wieder in den Vordergrund, die kleinste Geste reichte aus, um…
 

„Schwerer zu hüten als ein Sack Katzen im Wasser!“

Michael wirbelte herum, die Hand ausgestreckt und einen Stoß aus Feuer sendend – danach erstarrte er, erschrocken über sich selber.

Berjael war dem mit Leichtigkeit ausgewichen, kam nun betont langsam näher, ehe er die Fingerknöchel knacken ließ.

„Fängst du doch mit dem Feuer an, gut. Jetzt komm mir, ich bin nicht deine Amme.“

„Lass mich endlich in Ruhe, ich komm nicht mehr mit!“

Wieder wich er nach hinten aus, doch da waren dann die Wand und das kaputte Fenster, auf welches der Blick des Kriegers fiel.

Er sprach es nicht aus aber er stand dem missgünstig gegenüber, vermutlich rechnete er auch mit einer Flucht des Rothaarigen. Auf jeden Fall kam er Schritt für Schritt näher, ehe ihre geringe Distanz ein plötzliches Wegfliegen unmöglich machte, bedachte man Michaels Angst davor, in der Luft seine Flügel zu gebrauchen, da dies zwangsweise wieder zu einer Landung führen musste.
 

„Natürlich kommst du wieder mit“, beschloss der Größere, spannte seine Schwingen einmal. Michael wusste, dass er ihm imponieren wollte und doch blieb dieser Eindruck aus, denn zum ersten Mal sah er in Berjael nicht die große, bedrohliche Gestalt eines viel stärkeren Mannes sondern das, was sein Kopf sehen wollte: Schmutz in den Federn, kaputte, arme Kleidung. Ein fast blinder Engel, der sich hinter der Kraft seiner Schusswaffe verbarg und öfter den Rückzug angetreten war, als er selber zählen konnte.
 

Sein ganzes Leben musste er vor schwierigen Situationen geflohen sein, letzteres war der Tod von Erimites; er wusste, dass Michael keine Schuld traf. Er hatte unmöglich mit dem Angreifer rechnen oder ihn gar überwältigen können. Selbst der erfahrene Soldat wurde überrumpelt, wehrlos. Trotz der bemerkenswerten Anzahl von Gelenken und Knorpeln in seinem Körper konnte er kämpfen, das hatte Michael selber gesehen: Mit gespannten Flügeln in ein Feindesheer, in den Händen ein verbrauchtes Schwert und doch hatte ihm zuvor kaum etwas derartige Probleme bereitet, wie der Unbekannte.

Und trotzdem hatte Berjael, welcher als Anführer in Michaels Augen die alleinige Verantwortung für seine Truppe trug, dem Rekruten die Aufgabe des Mordens überlassen. Es war keine Erlösung, nicht so. Nicht mit einem gebrochenen Genick, einem Streit vor dem Sterbenden. Er hätte seine Waffe ziehen und ihn erschießen können, danach hätten Michael und er mehr Zeit als genug gehabt, um ihre zugegeben steigenden Differenzen zu klären – und wenn es mit einer Prügelei stattfinden müsste.
 

„Hau endlich ab“, antwortete er also endlich und machte einen Schritt zur Seite, fasste sich in den angespannten Nacken.

„Vielleicht hast du mich nicht verstanden“, drang die Stimme Berjaels wieder an seine Ohren und dieses Mal zuckte er nicht einmal mehr zusammen, als der große Engel neben ihm erschien und ihn am Hals packte.

„Aber wir sind eine große, glückliche Familie, vergessen? Aus einer Familie tritt man nicht aus. Verrecke, dann bist du frei.“

„Dann kann ich Erimites ja beneiden, was?“
 

Der Schlag ins Gesicht hatte gesessen, aber er gewöhnte sich allmählich an diese wüste Behandlung, sackte dieses Mal nicht weg und nahm auch keinen weiteren Abstand ein, nachdem er losgelassen wurde.

„Du weißt ganz genau, dass du ihn umgebracht hast, nicht ich. Hast du wirklich so wenig Selbstwertgefühl um dein Ego an mir aufzumotzen? Verpiss dich einfach dann haben wir beide Ruhe!“

„Es geht hier nicht um Ruhe“, murrte der Angesprochene, blickte noch einmal zum Fenster.

„Es geht darum, dich kennen zu lernen damit ich weiß wie ich dir später in den Arsch treten kann, solltest du der prophezeite Unglücksbringer sein. Ich tendiere zu Wasser. Bisher.“

Das war gelogen, das wusste Michael. Die Prophezeiung war kein Geheimnis und auch, dass im Gegensatz zu Luzifel er der verkorkste Bruder war, konnte jeder deutlich erkennen.

„Also bildest du lieber weiter einen potenziellen Feind aus statt mir jetzt schon den Kopf abzuhacken?“

„Richtig.“
 

Michael bekam für einen Moment den Mund nicht zu, vergaß sogar den Schmerz im Gesicht und ließ es zu, dass Berjael wieder an ihn heran trat.

„Ich hab wirklich die Schnauze voll, dir hinterherrennen zu müssen.“

„Dann unterlasse es doch.“

Luzifels Stiefel schlugen lautlos auf dem Boden auf, die vier weißen Schwingen raschelten verheißungsvoll, als er sie verschwinden ließ.

Den Wolken näher

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kamikaze!

„Komm her ich hau dir auf die Fresse!“

„Große Töne spucken kannst du später.“

„Tu nicht so, als würd dir dein Arsch nicht auf Grundeis sinken!“

„Du langweilst mich, Streichholz.“

„Könnt ihr mal anfangen?!“

Emhom platzte letzten Endes der Kragen und auch wenn sie dazu geraten waren Abstand zu halten und nicht zu stören, hatte sich die Einheit doch versammelt und richtete ihre zweifelhaft geteilte Aufmerksamkeit auf Ihren Anführer und dessen persönliche Plage, die er jedoch selber zu verschulden hatte. Emhom erinnerte sich nicht, dass Berjael derart oft wegen eines Rekruten die Beherrschung verloren und diesen trotzdem nicht zur lebenden Zielscheibe gemacht hatte. Irgendwie schien ihm was an dem Jungen zu liegen und leider konnte er sich auch nicht davon frei sprechen. Anstrengend, zickig und stur, so hatte Michael sich im Laufe der Jahre entwickelt.

Dennoch war der Rotschopf zu einer wichtigen und auch sehr interessanten Person herangereift, denn inzwischen - nach mehr als 400 Jahren - konnte er…
 

„Ducken, heiß!“

… vorwarnen, ehe er Gliedmaßen und Einrichtung verbrannte. Wo ein weiterer Aspekt hinter steckte: Er benutzte Feuer. Das hatte er zuvor schon getan, doch sie hatten ihn ehrlich gesagt auch mit seinen einmaligen Kräften nicht sehr ernst genommen, da er sich vor sich selber am meisten gefürchtet hatte.

Dann aber kam aus heiterem Himmel der Umschwung: Etwas in dem Jungen hatte sich verändert, als er damals vom Boss zurückgebracht wurde. Kurz nachdem Erimites gestorben war, nach dem Michael eigentlich nicht mehr kommen wollte.

Sie hatten ihn nicht darauf angesprochen, doch das kindliche Gesicht wurde von Zeit zu Zeit von dunklen Schatten heimgesucht, die mit einer Erinnerung verbunden sein mussten. Es war seine Sache, aber er schien was auch immer es war irgendwie überwunden zu haben oder zumindest für sich abgeschlossen. Ob man ihm etwas angetan hatte? Emhom wusste vom scheiternden Verhältnis zum Bruder, doch auch das ging ihn nichts an.

Schade nur, dass der Kleine irgendwie nicht wachsen wollte.

Dafür taten es seine Kräfte auf beinahe bestialisch rasante Weise.
 

Im Moment war ihm der kurze Körper und seine Gelenkigkeit von Vorteil und Emhom bereute seine abschweifenden Gedanken, da er nun Berjael sah, wie dieser sich das Kinn rieb. Ein Soldat neben ihm stieß in seine Hüfte und grinste vergnügt: „Hast du gesehen? Aus der Drehung voll ins Gesicht! Krass, ist der gut geworden!“

Hatte er leider nicht, so ein Dreck!

Emhom fluchte leise, richtete seine Aufmerksamkeit nun wirklich auf die beiden Kämpfenden.
 

Es war nur ein Training doch Michael wusste, dass sie sich nichts schenken und liebend gern gegenseitig ernsthaft verletzen würden. Daher war Vorsicht geboten, der kleine Flammenstoß hatte Berjael abgelenkt und ihm einen Treffer ermöglicht, aber er war ihm dabei kritisch nahe gekommen. Zu nahe, wie sein blutender Innenschenkel zeigen sollte.

Erschrocken bog er sein Bein und tastete an der nackten Haut entlang; sein ganzes Hosenbein war weg! Nun das nicht aber es hing auf dem Stiefel.

„Du Wahnsinniger! Meine Hose!“ Er wischte sich hektisch das Blut weg und schüttelte den Stoff vom Fuß, während ein kurzes Grinsen über das Gesicht des Anführers huschte.

„Tragisch, das hässliche Ding zu zerschneiden.“

„Willst du halbblinde Kröte mir jetzt Modetipps geben? Guck dir deine Lumpen an, du Lappen!“ Ein Messer kam geflogen, was Michael eher ruhig zur Kenntnis nahm und den Kopf auf die Seite drehte, um nicht getroffen zu werden.
 

Im Laufe der Jahre hatten sie viel – wahrscheinlich zu viel – Zeit miteinander verbracht und als ihnen beiden das gegenseitige Piesacken während des Gruppentrainings scheinbar zu wenig geworden war, hatten sie mit direkter Konfliktbewältigung begonnen. Ganz blöd gesagt hatten sie sich geprügelt, was sich nun zu einer Art Hobby entwickelt hatte. Offiziell nannten sie es „Training“ doch das war so sehr verbogen und im Endeffekt doch gelogen, dass Michael sich dessen eigentlich gründlich schämen müsste.
 

„Reiß das Maul nicht so weit auf, ich kann dich immer noch unter meinem Stiefel zerquetschen, du Made!“

„Wer von uns spuckt jetzt große Töne, häh?“

Michael ließ ein hastiges „Fuck!“ vernehmen – auch eine Angewohnheit der letzten Jahre – und drehte sich dann hastig um, spannte noch während er sich abstieß die Flügel und begab sich mit einem einzigen Schlag weit in die Lüfte, um Berjaels heranschießendem Körper zu entkommen. Hinter ihm rauschte Wind durch fremde Schwingen, in der Luft hatte er den ganz klaren Nachteil. Fliegen schön und gut, inzwischen hatte er seine Flügel auch als wichtigen Zusatz für sich entdeckt, doch von der praktischen Erfahrung befand er sich im Gegensatz zu Berjael auf dem Status eines taumelnden Kleinkindes, während der Größere einen Marathon rennen könnte – und alle anderen Teilnehmer auf niederträchtigste Art unterwegs beseitigte, indem er Beine oder Knochen entfernte.
 

Der Wind rauschte in seinen Ohren und in den Fingerspitzen sammelte sich das kribbelnde Gefühl der in ihm züngelnden Flammen; sie wollten raus, ihr Ziel kam unaufhaltsam näher – und warf wieder ein kleines Messer, das nur knapp Michaels Ohr verfehlte. Er drehte sich im Flug und schleuderte eine unförmige Masse Flammen herab.

„Wie viel Waffen hast du noch bei dir!?“
 

Die Frage erübrigte sich, ohne zu zögern schoben sich die schon so oft verwundeten Finger wieder in den großzügigen Ausschnitt des losen Hemdes; gut, sei es drum. Michael schnaufte spöttisch, drehte sich dann betont langsam zur Seite und legte sein Gewicht in den Flug, auch die Flügel wurden angezogen – so sauste er in die Tiefe und vermied nur knapp ein Stoßgebet an wen auch immer, nun bitte nicht auf Konfrontation mit dem Boden zu gehen. Knapp an ihm vorbei das nächste Messer; dieser Wahnsinnige hatte mehr Auswahl als ihr gesamtes Lager.
 

Knapp, aber er konnte die Flügel noch aufspannen und einen direkten Aufprall vermeiden; sein Knie kam weniger glücklich davon und in einer einzigen Explosion aus beschreibenden Begriffen offenbarte sich ein Schmerz, der für ihn mehr als unpraktisch kam. Die Sicherheit im Flug geriet ins Wanken und so auch sein Körper, aber trotzdem – als würde Berjael sich als gnädig erweisen und eine Chance verpassen, dem jungen Erzengel mehr Knochen als überhaupt vorhanden zu brechen.
 

Der kam auch wieder angerauscht, immerhin glänzte kein weiteres Messer in den Händen. Michael startete einen neuen Versuch und schleuderte ihm einen netten Gruß entgegen; Feuer zischte durch die Luft, verfehlte das Ziel nur knapp.

Wieder dieses überflüssige Grinsen in dem vernarbten Gesicht, welches Michael mit Vorliebe und zu gegebenen Zeiten immer wieder neu gestaltete; eine gebrochene Nase hier, eine aufgerissene Lippe da…

Sein rechtes Knie war auch wirklich nicht zu benutzen, wie er bei seiner Flucht aus der direkten Ziellinie bemerkte; nutzlos hing sein Bein im Flug herunter und machte einen irgendwie… ekelhaften Eindruck.
 

Immerhin entging er mit seinem Aufstieg erneut Berjael – eine reine Flucht, er hatte eben nicht richtig aufgepasst und mehrere Chancen verstreichen lassen.

Mit den Zähnen knirschend starrte er herunter, ob er es noch einmal mit dem Feuer versuchen sollte…? Den Kampf beendete er nicht allein, das wusste er. Bisher hatten sie immer gegenseitig und wortlos anerkannt, den anderen das nächste Mal zu Brei zu schlagen und sich wortlos wieder in Ruhe gelassen.
 

„Du schwächelst, Streichholz.“

„Oh nein…“

Wo kam der nun her? Michael drehte sich, stand ihm quasi in der Luft gegenüber und blickte auf die vielen Narben. Das nutzlose Auge verweilte ruhig in eine gerade Richtung, während das andere ihn verschwommen musterte. Inwiefern dies überhaupt möglich war, sei fraglich.

„Guck nicht so dumm du siehst doch eh nichts mehr…“

Ein falsches Grinsen kräuselte sich auf den Lippen, als er die Hand wieder hob und betont langsam zum Ausschnitt seines Hemdes schob. Michael spannte seinen Körper an, verfluchte nebenbei seine Kniescheibe oder was auch immer sich dort gerade gegen ihn stellte und war dazu bereit, Berjael einfach an Ort und Stelle zu rösten.
 

Dieser ließ jedoch den Arm sinken und zuckte die Schultern, sank dann langsam herunter, immer unter Begleitung von Michaels misstrauischem Blick, ehe auch er langsam gen Boden sank.

„Schwache Leistung, Streichholz.“

„Verreck!“

„Nicht, wenn du dich nicht mehr anstrengst. Geh zum Arzt so brauch ich dich nicht.“

Ja das musste er ihm nun wirklich nicht sagen, er stand auf dem linken Bein und hatte Zaphikel als Stütze auserwählt, schlug ganz argumentativ seine Fingernägel in dessen Schulter. Der Schwarzhaarige riss sich zusammen und gab sich möglichst desinteressiert, litt derweil jedoch stumm vor sich hin, als bereits das Blut durch den Stoff sickerte. Man sollte nicht meinen, dass ein Soldat sich nicht die Fingernägel schneiden konnte. Oder sie überhaupt auf so eine Länge bekam, ohne dass sie ihm bei jeder Möglichkeit zerbrachen.
 

Michael murrte noch einmal in sich hinein, überschlug dann im Kopf seine Möglichkeiten; alleine zu Raphael fliegen und auf einem Bein durch die Gänge des Krankenhauses hüpfen, jemanden mitnehmen und sich helfen lassen oder Raphael her argumentieren. oder es einfach lassen und sich an den Folgeschäden ärgern…
 

Nun, da gab es noch eine letzte Variante und ehrlich gesagt hatte diese sich als durchaus akzeptabel erwiesen; zumindest der Blonde beschwerte sich nicht. Nicht mehr.

Resignation, er spannte die Flügel und erhob sich wieder in die Lüfte, schlug eine scharfe Kurve ein und verschwand in Richtung Osten. Ob Zaphikel gesehen hatte, dass er sich das Blut vom Finger geleckt hatte?
 

-
 

„Ich bin da mach mich heile!“

Und tschüss, massive Wand aus Beton und Stahlsachen, die irgendwie immer dort verarbeitet wurden.

Michael sah es aus einer rein praktischen Sicht: Er belüftete Raphaels Behausung und da dieser chronische Unterversorgung an Sauerstoff beklagte, tat er ihm einen Gefallen. Demnach durfte der Arzt ihn nun brav heilen, weil er auch das in all den Jahren perfektioniert hatte. Zumindest saßen sie nicht mehr heimlich im Krankenhaus und leuchteten mit einer Taschenlampe herum.
 

Tatsächlich befand sich Raphael auch in seinem die Jahre über immer schrecklicher eingerichteten Schlafzimmer – Brokatvorhänge, war das ein Witz? – und blickte aus großen Augen auf den Kleineren, welcher die Landung in Zusammenhang mit der Sprengung etwas unterschätzt hatte und sich nun von einigen Trümmern befreite, dann auf eine herrlich helle Art zu ihm empor grinste.

„Michael, bist du in Ordnung?“

„Klar, zu 95% zumindest.“ Er zog sich an der Wand empor und vermied einen direkten Kontakt mit seinem Fuß und dem Boden, blickte sich dann heimlich um; Raphael hatte das Mitbringsel wirklich entsorgt, welches er ihm mitgebracht hatte. Gut, dann würde er eben weiter ausweiden und plündern, was seine Opfer hergaben. Irgendwann würde er sich schon freuen. Zumindest in letzter Zeit wirkte der Heiler – ja, den Status hatte er erreicht – weniger aufgeschlossen für solche harmlosen Scherze wie demolierte Einrichtung oder gebrochene Knochen.
 

„Was sind die fünf Prozent, wegen denen du mich wahrscheinlich besuchst?“

Er schob einen Stuhl heran und gebot Michael, sich auf diesen zu setzen, zog ihn dann etwas weiter ins nun großzügige Licht und setzte sich davor, besah sich das offensichtliche Übel schon vor der Erklärung, die er auch nicht erhielt.

„Wie hast du…?“

„Schwer zu beschreiben“, meinte der Kleinere und kratzte sich ganz ungeniert am Haar; Raphael meinte, einige verdächtige Krümel herabfallen zu sehen.

„Sind das Flöhe?“

„Ich denke nicht.“

„Du denkst…?“

Man möge es als Berufskrankheit bezeichnen, aber der Blonde zog Latexhandschuhe aus einer kleinen Schublade und streifte sie sich über, richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf das zerschmetterte Knie.
 

„Ich geh nicht wieder in das scheiß Krankenhaus, deine dreckige Ärztin hat mich vergiftet!“

„Belial? Ich weiß, das hat sie bei einigen versucht…“ Teilweise hatte sie damit sogar einen recht erträglichen Erfolg erzielt, dafür verschwand sie allerdings auch und ward bisher nicht wieder gesehen.

„Ich krieg dich schon heile aber du solltest trotzdem wissen, dass deine Kniescheibe eigentlich hingerichtet ist. Vollkommen zerstört.“

„Aber uneigentlich machst du es wieder heile?“ Das war weniger Frage als eine tatsächliche Drohung an sein leibliches Wohl, also – und um ihrer verqueren Freundschaft wegen – legte Raphael seine Hand auf das Knie und unterdrückte nur schwer den Drang, denn Kopf zu schütteln; alle Nerven schrien nach Hilfe, es pulsierte förmlich und wie auch immer er hergekommen war… er beließ es dabei, die 400 Jahre hatten auch nichts an dem nachlässigen Zustand geändert, mit dem Michael sich pflegte.
 

Michael war zufrieden, als die heilenden Kräfte auf das lädierte Knie einwirkten und bewegte es ganz behutsam, was einen strafenden Blick von Raphael mit sich zog; gut, würde er eben stillhalten.

„Du willst wirklich nicht erzählen, was los war?“

„Nö warum sollte ich?“

Ein Moment des Schweigens, Raphael blickte weiter hinab auf das Knie und nahm dann langsam die Hand herunter.

„Michael… wir sind doch Freunde?“

„Was willst du?“
 

Raphael blickte auf und schaute in die ihn fixierenden Augen, fühlte sich dabei mit einem Mal sehr unwohl.
 

Und der Rabe rührt' sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer

[…]

und in seinen Augenhöhlen eines Dämons Träume schwelen… [1]
 

Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter, deswegen winkte Raphael einfach ab und zuckte mit den Schultern.

„Ich wollte nur fragen.“

„Dann sind wir es nicht, wenn du erst danach fragen musst. Also lass die Scheiße.“

Als er sich erhob, ging gerade die Sonne unter; bald würde der Raum in ein kühles Blau getaucht werden. Und dann kamen wieder die Schatten, die seit geraumer Zeit durch den Himmel huschten; schon sein Erimites‘ Tod hatte Michael sich diesen Vorfällen immer wieder stellen müssen. So auch andere, die im Schutz der Dunkelheit die Grundfeste ihrer Heimat untergruben.
 

„Raphael…“

„Hm?“ Der Versuch, nun Trümmer zu räumen wurde von ihm direkt aufgegeben.

„Wie würdest du es nennen, wenn ein Kampf mehrere Personen betrifft?“

„Idiotie. Ich halte nichts davon.“

„Abgesehen davon.“

Er näherte sich und Michael hörte Kleidung rascheln, ehe man ihm eine Zigarette vor die Nase hielt. Stumm entzündete er sie und starrte ins Nichts dieser riesigen Stadt. Irgendwo da draußen…

„Welche Personen?“, fragte der Heiler nach einem Zug an der Zigarette und versuchte, dem leeren Blick des Feuerengels nicht entgegenwirken zu wollen.

„Alle. Ob Mann oder Frau, egal. Kinder, Wissende, Unbeteiligte… und das über einen quälend langen Zeitraum.“

„Du meinst Krieg?“

Ein Moment des Schweigens, dann nickte er.
 

„Ich befürchte, wir befinden uns im Krieg.“

Schweigen.

„Wie kommst du darauf?“

Schweigen. Nichts mehr.
 

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[1] Edgar Allan Poe – Der Rabe

Letzte Strophe, Teilausschnitt
 

Jawohl, es hat gedauert. Ja, ich hab sehr viel anderes hochgeladen und ja, es kommt noch mehr. Ich hasse diese Texte am Ende, mir fällt nie etwas ein und pseudo-tiefsinnige Worte liegen mir nicht.

So, nach zehn Kapiteln kann ich sagen: Die Story fängt an :‘D

... an Solaris

„Ungeklärte Todesfälle, Experten ratlos“
 

Das war die Zeile, die irgendwo klein und beinahe versteckt in der Tageszeitung stad. Danach folgte ein winziger Text über die vier Engel, die aus irgendeinem Grund den Tod fanden. Wie, wurde der allgemeinen Bevölkerung verschwiegen.

Berjael schnalzte mit der Zunge, warf die Seiten dann auf den Boden und vor die Soldaten.

Über ihm donnerte das herannahende Gewitter.
 

Michael hatte es gesehen, doch wie den meisten Dingen um sich herum weniger Beachtung geschenkt. Noch war er nicht betroffen und Tote tauchten immer wieder auf. Warum ausgerechnet die nun ihr Aufmerksamkeit verdienten, war fraglich.
 

„Der hohe Rat mag uns nicht, das ist euch sicherlich nicht neu.“

Murmeln ging durch die Reihen, selbstgefälliges Grinsen einiger Soldaten, andere wirkten desinteressiert.

„Natürlich ist uns das egal, denn wir mögen sie auch nicht“, fuhr ihr Chef fort und ging langsam vor ihnen auf und ab. Nun lachten wenige und sahen sich verstohlen an.

„Trotzdem gibt es unsere Truppe nur, weil es den hohen Rat gibt. Und der will nicht, dass wir uns einmischen. Zu auffällig, sagen sie. Tatsächlich sind nun aber wir dran, den Himmel zu schützen.“
 

Diese Aussage stieß auf unerwartete Gegenwehr, der Wohlfühlfaktor wich und einige spotteten entweder mit Blicken oder direkt missmutigen Lauten; keiner von ihnen wollte sein Leben für etwas riskieren, was sie nicht wollte.
 

Michael blickte neben sich, Sariel starrte stur nach vorne auf Berjael, ballte eine Hand zur Faust. Auch ihm schmeckte es nicht, sein Leben für den so oft betitelten Sauhaufen aufs Spiel zu setzen.

Besorgt nagte der Feuerengel auf seiner Unterlippe herum und vermutlich würde er dafür Schläge kassieren, aber kippende Stimmungen zu retten und die Truppenmoral nach oben zu ziehen lag Berjael nicht. Er würde sie nur anschreien oder gehen.
 

Schnell schob sich der Kleinste der Soldaten zwischen den anderen durch, trat dann auf die Fläche, die zwischen ihrem Anführer und dem ganzen Trupp frei geblieben war. Bereits jetzt funkelte das noch funktionierende Auge ihn warnend an, doch ihn konnte er nicht beachten.

„Der Himmel ist nicht das, als was wir ihn verkaufen.“

Einige Soldaten zogen Augenbrauen in die Höhe, verschränkten die Arme. Dass der Rotschopf der heimliche Liebling des Bosses war, war kein Geheimnis. Allerdings kassierte auch niemand außer ihm derart viel Schläge, das sorgte für aus ihrer Sicht ausgleichende Gerechtigkeit.
 

Ungerührt fuhr Michael fort, ging dabei wie zufällig schnell weiter, wenn Berjael sich ihm näherte.

„Die Ratten an den großen Tischen haben keine Ahnung, was wir eigentlich leisten und was sie ohne uns wären.“

Zustimmendes Gemurmel.

„Sie würden ihre Ärsche nie aus den Sesseln erheben und sich die Finger schmutzig machen. Ihr Leben riskieren, Freunde verlieren.“
 

Er war so lange hier, es war so einfach. Was sie hören wollten und wie sie funktionierten; tatsächlich deckte sich dies auch zum größten Teil mit dem, was er selber dachte.

Meistens.

Regentropfen fielen auf den staubigen Boden und entwickelten sich schnell zu einem an Kraft zunehmendem Schauer.
 

„Ich will ehrlich sein, all die Jahre hier habe ich die vielen Schattenseiten des Himmels erfahren und mich oft gefragt, warum ich noch hier bin und mich für diesen Drecksstaat in den Kampf werfen soll. Trotz allem bin ich aber nicht so naiv zu glauben, dass wir durch viel Arbeit und Pflichterfüllung aufsteigen werden. Ihr wusstet, was die Armee für einen verdammten Ruf hat. Ihr wusstet, dass ihr euch zu nicht mehr als einem Stück Dreck verpflichtet.

Wenn ihr jetzt den Schwanz einzieht nur weil euch niemand den Arsch abpudert und die Schulter klopft, könnt ihr gleich gehen und Stiefel lecken bei den Vorsitzenden. Scheiße, dann sind wir ihnen eben egal, na und?“
 

Er machte sich unbeliebt, Kritik vertrugen die Soldaten nur schwer aber es war an der Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen.
 

„Was erwartet ihr? Einen Auftrag, danach der Heldenzug durch die Stadt? Es mag korrupte Schweine im Himmel geben, aber seit wann beugen wir unsere Rücken vor einer großen Masse? Lassen wir Männer im Stich, wenn wir auf dem Schlachtfeld stehen? Jeder einzelne ist es wert, umzukehren und ihn aus dem Dreck zu ziehen, aus dem er selber nicht raus kann. Es ist unsere scheiß Pflicht, denen zu helfen die es nicht selber können. Die wie wir unter dem Stiefelabsatz der Regierung zermalmt werden. Sie werden uns nie in Ruhe lassen aber interessiert uns das? Ist uns etwa wichtig, was diese gefiederten Affen von uns denken!?“
 

Inzwischen lief er auch ohne Berjael im Nacken, jetzt kamen erste Zusprüche aus den Reihen der Soldaten; Michael erhaschte aus den Augenwinkeln Othriel, wie er seine Haltung versteifte und die Hand auf seine Brust legte, sein Herz bedeckte. Er wusste, dass Fenels Verlust eine tiefe Wunde in den Engel gerissen hatte und er wusste auch, dass sie gemeinsam in Sünde gelebt hatten.

Sie hatten sich geliebt.

Blitze zuckten hervor, Donnerschläge rollten über das sonst so trockene Land.
 

Michael schluckte, befeuchtete die trockenen Lippen kurz mit der Zunge.

Ruhiger als noch gerade eben fuhr er fort: „Im Himmel – unserer Heimat – leben Verräter. Irgendwo sammeln sie sich. Die Zeichen sind so deutlich, dass nur ein Narr sie abstreiten würde. Morde, Entführungen, Vergewaltigungen. Unser heiliges Zuhause allein bietet keinen Schutz, aber dafür gibt es uns. Wir werden nicht ruhen, bis wir sie zur Strecke gebracht haben. Wir werden sie finden, um sie zu töten. Um die zu schützen, die ohne uns dem Tode geweiht sind. Und um die zu rächen, die wir geliebt haben und es noch heute tun.“
 

Er tat es Othriel gleich, legte seine Hand über dem Herzen ab und spannte die Flügel, streckte sie zu ihrer vollkommenen Größe auseinander. Trotz des kleinen Körpers, in dem er sich wohl nie willkommen fühlen würde, hatten seine Schwingen ein gewaltiges Ausmaß. Das Weiß der Federn blendete, selbst an diesem tristen Tag.
 

Die Soldaten brachten Abstand zueinander in die Masse, das Geräusch von endlosen, sich entfaltenden Flügelpaaren verdrängte die akustische Kulisse des Gewitters.

Neben Michael tat auch Berjael es ihnen gleich, legte den Kopf n den Nacken und ließ den Regen auf sein Gesicht fallen. Der junge Erzengel folgte diesem Beispiel und blickte in die dunklen Wolken. Seinen Arm streckte er nach oben empor, öffnete die geballte Faust und antwortete der Dunkelheit damit, dass er einen Riss in die Wolkendecke erzwang.

Licht.

Die Sonne war auf ihrer Seite. Ganz gleich, wer ihr Gegner war: Er würde sie alle verbrennen.
 

-
 

Die Standpauke oder gar Bestrafung für sein Einmischen blieb aus, entweder zeigte Berjael Gnade – was schwer vorstellbar schieb – oder aber er hatte den Wink wirklich als Hilfe und nicht etwa Blamage empfunden. Jedenfalls hatte er Michael nicht mehr darauf angesprochen und so saßen sie – der Trupp im Gesamten, was inzwischen mehrere hundert Engel waren – in der Kaserne verstreut in diversen Gruppen zusammen. Einige berieten sich und sprachen über die jüngsten Vorfälle, andere behielten diese nur im Hinterkopf und waren dankbar um jedes Mittel der Ablenkung.
 

Michael hatte ein Auge auf Zaphikel geworfen, dessen Entwicklung interessant und aus seiner Sicht bedenklich vorangegangen war. Im Gegensatz zu ihm selbst waren seine Mitauszubildenden von damals nämlich erwachsen geworden – ein Umstand, den er erst nicht begriffen hatte und ihn noch jetzt nicht verinnerlichen wollte. Um ihn herum hatten sie alle einen stattlichen Körperbau entwickelt; breite Schultern, lange Beine und kantige Gesichter. Aus ihren Augen sprachen Reife und Verstand, während er selbst kaum erwähnenswert nur zwei Zentimeter geschafft hatte – zwei verdammte Zentimeter! Er war kleiner als die meisten Frauen, kaum größer als 1,50m.
 

Das kam vor, es war aber sehr selten – also warum gerade er? Er war schon immer kleiner als Luzifel gewesen, doch plötzlich musste er selbst zu Jibril empor sehen. Die Erklärung, dass seine Kräfte ihren Höhepunkt erreicht hatten, schmeckte Michael keines Falls; zu der Zeit traute er sich kaum, mit seinem Feuer umzugehen.
 

Sei es drum, Michael hatte… nun, schlagfertige Argumente, ihn mit seiner Größe in Ruhe zu lassen und so glitt er gedanklich wieder zum schwarzhaarigen Mitstreiter, dessen kämpferisches Talent sicherlich beeindruckend war. Dennoch waren ihm Geschichten zu Ohren gekommen, die…
 

„Ey, Michael!“

Ah wie er es hasste, mitten im Gedanken unterbrochen zu werden!

Ein Soldat mit blondem Haar und diversen Ohrringen winkte ihn zu sich rüber und der Umstand der Langeweile trieb ihn dazu, dem nachzukommen.

„Was?“

„Lust auf ein Spiel gegen die Langeweile?“

Bei ihrem letzten Spiel hatte er zwei Finger und einen Teil seines Ohrs verloren. Raphaels Gesicht war einmalig…
 

„Klar warum nicht…“

Das war absurd. Vor wenigen Stunden hatte er noch eine Motivationsrede an die Soldaten gerichtet und nun gingen sie eines der endlosen, bescheuerten Spiele spielen, für die nicht einmal sie selber Verständnis hatten.

Es war auch keinerlei freudige Erwartung in ihm zu finden, gelangweilt trottete er dem anderen nach – und machte dann abrupt Halt, verdrehte die Augen und wandte sich schon zum Gehen um, als man ihn an der Schulter hielt.

„Was? Komm mal runter von deinem Jungfrauentrip, ist doch nichts dabei.“

„Das hat mit Jungfrauentrip gar nichts zu tun“, antwortete er knirschend und drehte seine Schulter aus der fremden Hand weg.

„Ich hab nur keinen Bock auf Gruppenwichsen.“
 

„Du hast auch keinen Bock auf Solowichsen wie du dich aufführst… das ist wirklich ein Spiel. Guck, da.“

Ne, ganz sicher würde er nicht gucken, die nackten Hintern hatten ihm schon gereicht. Und genug zwischen den dort stehenden Männern hatte er von der anderen Seite auch sehen können; das war eben der Vorteil eines Kreises, jeder konnte jeden sehen. Und nachteilig… konnte eben jeder jeden sehen, so auch der Außenstehende Michael, der noch immer stur seinen Rückzug plante.
 

Der ihm im Übrigen mit Namen nicht bekannte Soldat seufzte und setzte wieder an: „Da liegt ein Keks und wer am Ende nicht trifft, muss das vollgesiffte Ding essen.“

„Oh spannend, nein danke. Ich mach eine Eiweißdiät.“ Ne, also wirklich. Was war das bitte für ein Spiel?

„Stell dich nicht so an, ist doch nichts dabei! Komm.“ Als er ihn wieder packte und den Männern zudrehte, setzte für einen kurzen Moment die Beherrschung des Rotschopfes aus, welcher in einer einzigen Bewegung seinen Körper drehte und den gewonnen Schwung für einen Tritt gegen das Knie des Blonden nutzte.

Ein hässliches Geräusch, dann sackte der Größere in sich zusammen und wand sich am Boden.
 

„Fass mich nie wieder an.“ Damit verschwand Michael, ließ die längst nicht mehr mit ihrem Spiel beschäftigten Männer mit sich alleine.

Ekel durchströmte ihn und löste den Impuls aus, sich entweder ausgiebig zu waschen oder aber jemandem die Haut vom Körper zu schälen, doch beides wollte ihm nicht vergönnt sein; der Auftritt ihres zweifelhaften Anführers war unerwartet laut und heftig – denn im Schlepptau befand sich niemand Geringeres als Luzifel persönlich.
 

Michael erstarrte und die vielen Engel, die sich zu Teilen am Boden sitzend unterhalten hatten, erhoben sich ob der Anwesenheit des inzwischen zum Fürsten des Lichts ernannten Würdenträgers.

Doch mit einer Verneigung brauchte er hier nicht rechnen, es war eher eine grundlegende Feindseligkeit, die ihm entgegen sprang; auch Luzifel gehörte zu denen, die aufgrund ihres Status nicht ein Wort an die Armee verloren.

Schließlich blieb Berjael stehen und drehte sich mit einer einzigen, ruckartigen Bewegung zu dem Schwarzhaarigen um, dessen strahlende Anwesenheit erst deutlich machte, wie heruntergekommen sie hier hausten.
 

„Wenn Euer Hochwohlgeboren jetzt seinen Arsch aus meiner Kaserne bewegen möge, würden wir gerne unsere Feier zum Untergang des Parlamentes einleiten.“

War Michael nun ein Fan von Berjael oder sollte er sich lieber verkriechen? Seinem Bruder war er Jahre nicht so nah gewesen wie jetzt; es machte ihn nervös.

Das kalte Lächeln auf den Lippen richtete sich jedoch an den Engel der Waffengewalt – Berjael. Dessen Gesichtsausdruck verriet etwas zwischen tiefer Abscheu und einem Plan der Erniedrigung.
 

„Mir liegt fern, deine Behausung länger als tatsächlich notwendig aufzusuchen. Dennoch wünsche ich, dass mein Anliegen hier und jetzt eine Lösung erfährt.“

„Oh, kein Problem“, drückte sich der Soldat weniger geschwollen aus und verschränkte die breiten Oberarme vor der Brust. Man konnte Luzifel wirklich mit Lob ersticken, aber an den beeindruckenden Körperbau reichte er keines Falls heran.

„Abgelehnt, verpiss dich.“

„Dein persönlicher Groll mir gegenüber in allen Ehren, aber das ist leider eine nicht zu erfüllende Option.“

„Natürlich ist sie das. Zaphikel, Othriel – geleitet unseren werten Gast doch bitte hinaus. Tretet ihm in den Arsch, wenn es nicht schnell genug geht.“

Die beiden Angesprochenen traten hervor, doch Michael bemerkte das Zögern in ihren Augen; sie kämpften mit Vorliebe, allerdings war Luzifel ein anderes Kaliber. Er war mächtig, mächtiger als vermutlich die Hälfte der hier anwesenden Soldaten und sich ihm so ganz offen anzubieten… nun ja, sie könnten sich auch direkt auf einen Grill legen.
 

„Du scheust Konfliktbewältigungen ganz einfach, indem du gewaltsam dagegen vorgehst? Bitte, ich hatte mehr von dir erwartet.“

„Ich bin ganz zufrieden mit meiner asozialen Art“, schnalzte Berjael und wandte sich ab, begegnete dabei Michaels Blick. Für einen Moment blickten sie sich in die Augen und wenn ihn nicht alles täuschte, sah er einen kurzen Augenblick lang Klarheit. Das blinde Auge wirkte ungewohnt wach und richtete sich direkt auf ihn. Michael straffte die Schultern, verschränkte dann die Arme fest vor der Brust. Sein eigener Herzschlag drängte sich bis gegen die geballte Faust.
 

Luzifel sah nicht einmal zu ihm herüber, dabei stand er – wie gewohnt – in der vordersten Reihe. Seine Haarfarbe stach derart aus dieser Tristesse heraus, dass er ihn unmöglich hatte übersehen können.

„So ist das“, schloss Luzifel dann plötzlich scheinbar mehr für sich aus dem Gespräch und nickte knapp, lächelte wieder dieses Lächeln ohne eigentliche Emotionen. Auf dem Absatz kehrt gemacht schritt er heraus, ließ auch die beiden gerufenen Engel einfach stehen.
 

Einen Moment lang herrschte Schweigen, ehe der Mann hinter Michael es als erster brach: „Was im Namen des Herrn sollte dieser Auftritt?“

Ihr Anführer schaute über die Menge – wieder der trübe Blick – und bewegte die Finger, als wolle er etwas fassen.

„Luzifel stellt eine Armee auf. Schnauze, sofort!“

Doch wer konnte es ihnen verübeln? Aufgebrachte Stimmen schrien durcheinander, Bewegung geriet in die Menge und einige spien Beschimpfungen aus.
 

„Wozu leben wir als Abschaum, wenn jetzt was Besseres kommt? Mit einem besseren Anführer?!“

„Als würde noch jemand an uns denken, wenn Luzifel eine Streitmacht aufstellt!“

Michael verstand es sogar. Er ballte die Hände zu Fäusten und starrte zu Boden; was hatte sein Bruder im Militär zu suchen? Wenn ihm die Kontrolle über dieses Gebiet zu Teil wurde, hatte er ihn vollkommen in der Hand; er würde sogar vollkommen legal über ihn herrschen. Ein unausstehlicher Gedanke, der heißen Zorn durch den Körper des jungen Engels jagte.

Warum hatte er sich vor all der Zeit hierfür gemeldet, wenn nun doch alles von ihm niedergetreten wurde? Nur diese eine Sache gab es für Michael und die würde er sich von Luzifel nicht nehmen lassen.
 

„Du brennst, man!“

Der Eimer Wasser gehörte inzwischen zur Grundausstattung und so schrie der erschrockene Engel kurz auf, ehe es nass gen Boden tropfte.

„Reißt euch endlich zusammen und lasst mich aussprechen!“

Berjael hatte immerhin die Freundlichkeit besessen, nicht das Waschwasser zu benutzen und so schmiss er den Eimer in die nächste Ecke.

„Er wollte uns nicht abwerben, das schlagt euch aus dem Kopf. Denkt nicht, er erkennt euren Wert. Er kam, um mich darüber in Kenntnis zu setzen und…“

Ein Moment der Pause, doch Michael bemerkte es: Er hatte kurz zu ihm gesehen, die Augen dann schnell weiterschweifen lassen.
 

„Was? Was hat das mit mir zu tun?“

„Nichts, es dreht sich nicht alles um dich. Schnauze, nerv nicht.“

„Lüg doch nicht so schlecht, du Scheißkerl!“

Ein wütender Blick an den Kleineren, dann winkte er nachlässig mit der Hand.

„Dich wollte er auch nicht haben. Er fordert deinen Austritt, du schadest dem Ansehen seines Plans.“

Michael hatte es erwartet; dass dies kommen würde. Trotzdem brodelte in ihm Scham auf. Bevor er wieder explodieren konnte, fuhr Berjael fort:

„Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Wir befinden uns im Krieg. Große Gruppen sind öffentlich aufgetreten. Sie werden uns töten. Jeden Einzelnen.“

Satanshimmel

Geschichten über Wesen weit über dem eigenen Potenzial existierten seit jeher. Götzenbilder, Gotteskinder. Der Naivität des Menschen ist zu Last zu legen, dass er als einzige Rasse wirklich zu dieser Art Verehrung greift; Religion. Religion als Lebensweiser, als Licht in dunklen Stunden und als einzige Aussicht auf Frieden nach einem gescheiterten Leben. Darstellungen und Ausrichtungen unterscheiden sich hierbei ebenso wie die Anhänger als solche; warum glauben, wenn Generationen auf ein Zeichen warten? Er hatte sie gesehen, Bilder und Skulpturen. Geflügelte Menschen, zu ihren steinernen Knöcheln lagen die Erbauer im Staub und beteten.
 

Engel.
 

Ein kleines Wunder, eine spontane Krise – man möge ihnen helfen. Die Geflügelten als Hoffnungsschimmer, wenn schon das Bild Gottes nicht als solches vertretbar schien. Sie lagen gar nicht so falsch mit ihren Vermutungen; ein Mensch mit Flügeln, der dem Himmel nahe schien – empor fliegen und den Schöpfer grüßen, ein Leben fern vom Abfall ihrer Welt, die doch eigentlich zivilisationstechnisch noch in Kinderschuhen steckte. Es gab auch unterschiedliche Auffassung von Engeln; Flügel auf dem Rücken, Flügel statt Arme, Flügel am Kopf.
 

Nur eines hatten sie gemeinsam: Die strahlende Farbe der Unschuld. Nirgends würde sich das Abbild eines Engels zeigen, dessen Flügel nicht strahlend weiß ins Blickfeld stachen.
 

Michael hatte den Gegenbeweis zu seinen Füßen liegen. Im Moment beneidete er die naive Menschheit um ihre einfache Art; wenn er doch nur an etwas glauben könnte. Dabei war ihm nicht einmal die höhere Entität „Gott“ von Bedeutung; er stürzte sich auf weitaus einfachere Dinge.
 

Vertrauen, Zuneigung, emotionale Stabilität.
 

Sicherheit wäre auch ganz schön, aber die hatte er vor Jahren verloren. Nicht, dass der Himmel als solcher je ein sicherer Ort war. Von der Erwartung mussten schon viele Abstand einnehmen, denn kaum ein Ort war strenger und konsequenter. Oder klingt ein Flügelschlag besonders sicher?
 

Vor dem hatte er zwar keine Angst – zur Not lebte er eben in Abgeschlagenheit irgendwo in einem Wüstenteil, jeder Eindringling würde von ihm persönlich erledigt werden – doch brachen die anderen Säulen seines Lebens in mehr und mehr Einzelteile.
 

Er fühlte sich wie eine unwichtige Nebenrolle in einer Geschichte, als er mit den anderen Soldaten aufmarschierte und zum Ausgang ihrer Kaserne steuerte; eine Nebenrolle, die kurz erwähnt sterben würde. Die letzten Jahre hatten deutlich gezeigt, dass all die kindischen Prügeleien nichts weiter waren als Kinkerlitzchen; er wünschte es nicht einmal seinem zu Kindertagen größten Widersacher – so ein Knilch, der ihm ständig seine Apfelstücke geklaut hatte und dafür ordentlich mit dem Kopf in das Laufgitter gepresst wurde – von Berjaels Faust erwischt zu werden. Wenn er nicht vollkommen schief lag, würde Michael auch heute noch Schrauben an den Fingerknöcheln beteuern.
 

Dass ihr Boss sich mit dem ein oder anderen mechanischen Teil ausgestattet hatte, war kein Geheimnis. Man sah es ja auch deutlich, denn eine Brusthälfte wurde durch eine Platte aus Metall ersetzt. Nun… der Rothaarige war ja nicht sonderlich eitel, aber darauf konnte er ehrlich gesagt verzichten. Wie schön, dass er mit Raphael inzwischen einen persönlichen Heiler gefunden hatte.
 

Er seufzte und schüttelte den Kopf; ein Heiler konnte ihn aber auch nicht mehr zusammensetzen, wenn er erst einmal zu Brei püriert wurde.
 

„He.“
 

Neben ihm straffte sich an langer Körper, die schwarzen Haare reichten ihm zu den Schultern und in den Augen glänzte eine Gefahr weit außerhalb des Schlachtfeldes; Mordlust war nie ein guter Begleiter, denn sie griff auch irgendwann auf die eigenen Reihen über. Auf Zaphikel sollten sie ein Auge haben.
 

Michael antwortete ihm nicht, starrte hingegen auf den breiten Rücken des Soldaten vor ihm. Sie würden nicht die einzigen Kämpfer sein, dazu war die Armee viel zu klein. Wenn tatsächlich ein Großteil ihrer Brüder kämpfen würde, war jeder Mann von Bedeutung. Jede Frau, jedes Kind.
 

Sektor 47 war Unsinn, das hatten sie im Laufe der letzten… Atemzüge bemerkt. Der Tod wartete vor ihrer eigenen Haustür. Es war nicht der erste Kampf, den sie bestritten. Viele Jahre tauchten Engel auf, deren Schwingen nichts weiter als tiefe Schwärze bildeten. Einige konnten sie besiegen, doch Massen flohen und suchten einen Unterschlupf auf, der bisher leider geheim für jene blieb, die sich gegen sie stellten. Das Motiv war unklar, doch eines war ihnen bewusst: Es musste einen Drahtzieher geben. Jemand, der all diese Engel lenkte und ihnen die Kraft gab, weiterzumachen.
 

Es war zum verrückt werden! Nervös kaute der Rothaarige wieder und wieder auf seiner Unterlippe herum, etwas war ihnen entgangen. Etwas Wichtiges, das sich bisher vortrefflich aus der Öffentlichkeit rausgehalten hatte.
 

„Besuch für dich.“
 

Zaphikels Stimme war schneidend, abwertend. Wieder riss er ihn aus Gedanken hervor und nun blickte Michael tatsächlich auf, allerdings in die andere Richtung. Genervt verdrehte er die Augen, auf Diskussionen hatte er gerade wirklich keine Lust und so drehte er ab und marschierte von ihrer Truppe weg, die sich nach und nach in viel zu viele, aufbrechende Gesichter verwandelte, von denen er einen Großteil nie wieder sehen würde.
 

Jemand fasste ihn an der Schulter und als er sich mit einem Ruck losreißen wollte, folgte noch eine Hand; viel größer als die andere du auf der anderen Seite.
 

„Zieht ab ihr nervt!“
 

„Wir sind gekommen, um dich abzuholen.“
 

Uriel ließ ihn los, straffte sich und warf somit einen riesigen Schatten auf den viel kleineren Engel nieder, welcher eine regelrechte Antipathie gegen diesen Unterschied entwickelt hatte. Mehr noch, es war Hass.
 

„Nett, danke. Eure Party muss ohne mich steigen.“
 

„Mach es bitte nicht so kompliziert, dafür haben wir nun wirklich keine Zeit.“
 

„Schnauze, Uriel!“
 

Wenn es ihn pikierte, ließ sich der Erdengel nichts anmerken. Er trug diese bescheuerte Maske, mit der er sich selber besser unter Kontrolle zu haben glaubte, doch die Wutausbrüche nahmen immer weiter zu. Sympathisch, dass außer ihm noch jemand etwas zerstörte.
 

Jibril schien sich schon mehr am Tonfall des Feuerengels zu stören; sie passte nicht in diese Gegend. Er wusste, dass sie kein kleines, schwaches Weibchen war, aber das Kämpfen lag ihr fern. Es missfiel ihr schlichtweg.
 

„Ich sagte doch, dass er nicht mitkommen wird.“

Pazifist Nummer zwei, Raphael. Er schaute nicht auf Michael, sondern fixierte die anderen beiden Elementare.
 

Ob er für eine Seite Partei ergreifen würde? Wohl kaum, Raphael war feige. Er schlug sich meist auf die Seite, deren Erfolgsaussichten am Größten waren. Doch trotz dessen, dass sie ihn zu dritt sicher niederringen und mitschleifen könnten, war da noch der unglückliche Umstand mit dem Feuer. Der Heiler hatte Kostproben davon bekommen, was dieses wilde Element in dem oft so zornigen Körper anstellen konnte und er war ehrlich gesagt nicht erpicht darauf, sich selbst behandeln zu müssen. Und das nur, weil sein Arm in ein Stück Presskohle verwandelt werden würde.
 

„Raphael…“
 

Das klang schon wieder bedrohlich und der Blonde wusste auch, dass Michael ihn seiner Angst wegen bewusst persönlich ansprach.
 

„Ich habe ein neues Spiel auf dem Schlachtfeld entwickelt…“
 

„Ist das so?“
 

Er wollte es ja gar nicht wissen, das merkte Michael klar und deutlich. Umso befriedigender war es, dass er den Augenkontakt mit Jibril nicht brach, dafür den Windengel neben sich ins Schwitzen brachte.
 

„Ich dachte einfach, dass ich mal nett sein sollte. Meinst du nicht? Weil doch dauernd eine Hand abfliegt oder ein Bein vom Körper getrennt ist… ich brenn jedem, der sich mir in den Weg stellt, seine scheiß Initialen in seine scheiß Knochen, Körperteil für Körperteil. Natürlich ist da etwas Fleisch im Weg, aber…“
 

„Wage es nicht, mir zu drohen“, zischte Jibril und verlor für einen kurzen Moment die Beherrschung fasste sich jedoch wieder schnell.
 

„Wir haben etwas für dich. Aber nicht hier. Ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann“, gab sie schließlich ruhiger zu und schaute ihn auf diese nervige, mitfühlende Art an; wie eine Schwester ihren kleinen Bruder eben anschaute.
 

„Außerdem möchte Bal dich sehen“, legte Raphael schnell nach und nutze so die Atmosphäre der Versöhnung.
 

Michael brummte unzufrieden, legte dann den Kopf in den Nacken und starrte nach oben. Viel zu lange schon war der Himmel grau.
 

-
 

Eigentlich hatte er gar keine Zeit für diesen ganzen Schund und insgeheim fühlte er sich auch hintergangen; sein Misstrauen war einfach zu groß um zu glauben, dass sie ihn wirklich widerstandslos ziehen lassen würden. Aber ob er sie verletzen konnte, war die andere Frage; das hier war eine Art Familie. Zumindest mehr, als seine wirkliche es je für ihn war.
 

„Dass ich mich um dich sorge, ist dir sicherlich egal.“
 

„Richtig.“
 

Als einzige Frau hatte Jibril es gewiss nicht leicht unter den Elementaren, doch sie hatte sich einen Status geschaffen und zudem recht Glück, dass zwei der drei Männer sich in Zurückhaltung üben konnten; Raphael rauchte eine Zigarette und Uriel beobachtete stumm das Geschehen.
 

„Du bist viel zu dünn. Entschuldige“, setzte sie nach dieser kurzen Anmaßung hinterher und legte die Hände auf ihrem Kleid ab.
 

„Kann ich dir nichts anbieten, Michael? Ein Getränk, etwas zu essen… Kleidung?“
 

Michael knurrte: „Du gehst zu weit, Fräulein 'Der durchsichtige Stoff verdeckt meine Schultern und alle anderen Reize genug', okay?“
 

Er ließ ich auf einem Sessel fallen und bereute dies direkt; all die gepolsterten Möbel waren nicht mehr unbedingt das, was er selber bevorzugen würde.
 

„Wenn du bitte zum Punkt kommst… sobald Berjael meine Abwesenheit bemerkt, erschießt er mich an Ort und Stelle wegen Fahnenflucht.“
 

„Du hast doch keinen Vertrag unterschrieben?“
 

Natürlich, Bürokratie konnte alles regeln; sie kannte den Engel mit der Waffe nicht. Der setzte zur Not das Staatsarchiv in Brand und sonnte sich in Unschuld.
 

„Wir sind eine große, glückliche Familie“, intonierte Michael und wiederholte damit bewusst die Worte, die man ihm damals schon entgegengespuckt hatte.
 

Jibril taxierte ihn und ließ die Augen unverhohlen über seinen Körper wandern. Michael wusste, an welchen Stellen sie bewusst stockte: Sein Bauch war nicht bedeckt. Er trug Waden hohe Stiefel mit einer höheren Sohle, seine Hose bedeckte gerade so viel, wie Unterwäsche es eigentlich tat und um seine Hüfte war ein Halfter, in dem mehrere kleine Messer und Wurfgegenstände steckte.
 

„Ihr benutzt Waffen?“, fragte sie eigentlich vollkommen desinteressiert und erhob sich wieder, verzichtete allerdings auf ein Umrunden.
 

„Wieso sollten wir das nicht?“
 

„Ich dachte, das wäre gegen die Ehre.“
 

„Die Ehre ist die scheißegal, wenn ein Wurfmesser dir deinen Arsch retten kann.“
 

Sie überging den vulgären Ton, atmete dann einmal tief ein und drehte sich weg.
 

Uriel rührte sich. Wechselten sich nun alle ab, um ihm Vorwürfe zu machen?
 

„Pass auf… dir steht es frei, jederzeit zu gehen. Dennoch solltest du dir anhören, was… wie soll ich sagen… was rausgefunden wurde?“
 

„Komm zur Sache, Uriel…“
 

Es reichte ihm, auch Michael stand wieder auf und steuerte dabei deutlich das Fenster an; das ging schneller und ihm war herzlich egal, was die anderen darüber dachten.
 

„Luzifel ist Teil der Revolte.“

Raphael sprach es aus, ohne weiter nachzudenken. Nun sah er hingegen aus, als würde er jedes Wort auf der Stelle unter höchst möglichen Schmerzen zurücknehmen wollen, denn Michael war erstarrt.

Es war ja nicht so, dass man ihm seine Gefühle nicht ansehen konnte. Wenn es darum ging, war er ein offenes Buch. Wut, Trauer, Freude, Missgunst – nie hatte Raphael jemanden gesehen, dem dies so frei ins Gesicht geschrieben war wie dem Feuerengel selbst.
 

Michael drehte den Kopf langsam und wieder starrten diese Augen in Raphaels. Der konnte dem nicht Stand halten, löste sich von der Wand und schritt im Raum umher. Uriels Mimik blieb hinter der Maske verschlossen, doch er hatte sich aufgerichtet und schien bereit, jeden möglichen Schaden mit seinem Körper abzuwenden. Jibril hatte noch immer die Hände auf dem Kleid gefaltet, doch sie krampfte sie ineinander und schenkte dem Heiler einen undefinierbaren Blick.
 

Dieser wandte sich von ihnen ab und drehte sich wieder zum Kleinsten in ihrer Runde.
 

„Was soll das lange Herumreden? So oder so bleibt es die gleiche Information.“
 

Er pausierte, doch es folgte keine Antwort.
 

„Wir haben Beweise“, meldete Jibril sich wieder zu Wort und löste damit vermutlich eine hohe Dankbarkeit in Raphael aus, nicht als Einziger in Schussrichtung zu stehen.
 

„Späher, Spione in seinen Rängen, Aufzeichnungen. Michael, wir wollen dich nicht verletzen, wir wollen dir helfen, in Ordnung? Lass uns dir bitte helfen, du musst das nicht alleine…“
 

Sie verstummte abrupt, als er die Hand stumm hob und ihr damit Schweigen auferlegte. Langsam drehte er sich um und blickte in die Gesichter dieser drei Engel, an die er für den Rest seines Lebens gebunden war.
 

„Wir lassen dich nicht einfach gehen“, fing Jibril wieder an und machte einen Schritt auf ihn zu. Ihre Stimme klang hohl, besorgt. Sie machte sich aufrichtige Sorgen: Nie war sie eines der Mädchen gewesen, die sich ihren Tränen ergaben doch jetzt standen sie ihr in den Augen; ob sie auch fließen würden, entschied die Hüterin des Wassers selber.
 

Auch, wenn sie es nicht zugeben würde; sie war nervös und das machte ihre Angst nur noch schlimmer. Krampfhaft schloss sie beide Hände um die Schultern des Kleineren, grub dabei ihre Fingernägel bebend in sein Fleisch.
 

Michael wäre gerne eine jener Personen, die mit Ruhe auf erschütternde Nachrichten reagiert, doch leider war dem keines Wegs so. Mit einer schnellen Bewegung des Oberkörpers zog er sich aus Jibrils Griff heraus und bemerkte nur nachlässig die tiefen Kratzer, welche sie hinterlassen hatte. Natürlich könnte das eine wilde Geschichte sein, aber ausgerechnet sie wussten, was das in ihm auslöste. Also wollten sie ihn entweder in den Tod schicken oder aber sprachen die Wahrheit, an die er nun einfach glaubte.
 

Als er gerade zum Fenster rausstürmen wollte, drehte er sich noch einmal ruckartig um.
 

„Wo ist Bal?!“
 

„Bleib doch hi-“
 

„Wo ist Bal, verdammt?!“
 

Jibril verstummte, schaute ihn offensichtlich verzweifelt an. Er spie aus, schlug die Scheibe mit dem Ellenbogen kaputt und nahm den direkten Weg nach drau0ßen. Hinter ihm rief Raphael seinen Namen, doch für ihn hatte er keine Zeit.
 

Luzifel… warum sollte sein Bruder sie hintergehen? Er, der in den Stand des Morgensterns erhoben worden war. Er hatte alles, das gab man nicht einfach auf. Wenn er genau darüber nachdachte… hatte Michael nicht das Gleiche getan? Von heute auf morgen sein Leben über den Haufen geworfen und riskiert, auf keiner Seite Fuß zu fassen?
 

Dennoch, er hatte nicht ihre Heimat verraten, er war ja immer noch da.
 

Bal fand er schnell, ihren Herzschlag zu finden war leicht und so landete er mit einem Blick in ihr ängstliches Gesicht. Das lange, helle Haar fiel ungeordnet von ihrem Kopf weg und auf dem Gesicht zeigte sich Sorge und Angst.
 

„Michael-Sama… Ihr seid verletzt.“
 

Mit zitternden Fingern griff sie nach seinem Arm, doch Michael schüttelte sie ab und brachte Abstand zwischen sie, indem er einen Schritt nach hinten tat.
 

„Wusstest du es?“
 

Sie ließ die Hände sinken, starrte ihn dann für einen Moment sprachlos an, nickte schließlich.
 

„Seit Kurzem.“
 

„Und?“
 

Er wurde unruhig, tigerte von einer Ecke in die andere und blieb immer wieder stehen, um sie anstarren zu können.
 

„Ist da was dran?
 

„Ich befürchte, es ist wahr. Glaubt mir, ich habe es selbst nicht realisieren wollen…“
 

„Schön. Ja, toll. Ich geh dann jetzt.“
 

„Wartet!“
 

Dieses Mal riss er seinen Arm direkt außer Reichweite und drehte sich nicht zu ihr um, doch er hatte einen Entschluss gefasst.
 

„Wollt Ihr Euren eigenen Bruder töten?“
 

Diesen Satz würde er nie wieder vergessen, denn damit bewahrheitete sich dieser Verdacht und schlug mit aller Gewalt zu; Luzifel als solchen gab es nicht mehr.
 

„Sei still! Ich werde ihn töten, niemand sonst!“
 

Genau das würde auch geschehen – außer ihm hatte niemand das Recht, diesen Verrat zu beenden. Nicht Zaphikel, nicht Sariel, nicht Berjael. Ganz besonders Berjael nicht.
 

„Dann nehmt mich mit! Ich habe geschworen, mein Leben lang bei Euch zu bleiben! Ich will es mit eigenen Augen sehen!“
 

Jetzt wandte er sich ihr wieder zu, straffte die Schultern. Was sollte er es auch verbieten? Bal hatte schon immer ihren eigenen Kopf gehabt, ihn nun um Erlaubnis zu bitten war absurd, sie würde es doch eh tun. Eine reine Formsache.
 

„Mach, was du willst.“
 

Seine Schwingen entfalteten sich und beförderten Michael schnell in die Höhe. Während des Fluges kämpfte er mit Wut und Enttäuschung.
 

-
 

„Ich sollte dir die Zähne ausschlagen!“
 

„Ich bin da, man!“
 

Natürlich blieb sein Verschwinden nicht unbemerkt, aber das konnte ihm nun auch herzlich egal sein. Die Ernüchterung kehrte ein, die Information keilte sich fest und drückte sein Gesicht in eine kalte Lache aus Hass und verdrängter Einsamkeit; jetzt würde er wirklich nicht mehr an ihn herankommen. Die Ewigkeit kam ihm viel zu kurz vor, um ein Leben in anderen Bahnen aufzubauen.
 

Bal fiel nicht auf, generell hätte Michael an jeder Stelle landen können, denn Kilometer um Kilometer hatten sich Kämpfe gebildet; hohe Engel, niedere Diener, Verräter. Blut und Körper säumten den Boden.
 

Zwischen ihnen all die Fremden, unter den Leichen viele Freunde.
 

Berjael packte ihn an der Hand und zum ersten Mal bemerkte Michael, dass er anders aussah. Zerstörter.
 

Eines der Augen war ihm herausgerissen worden und er tropfte aus hunderten kleiner Wunden, grinste ihn schief an.
 

„Wenn ich den Bastard finde der das hier alles zu verantworten hat, ramm ich ihn meine Pistole ins Herz.“
 

„Mein Bruder ist einer von ihnen.“
 

Er musste es aussprechen, damit er nicht alleine mit dieser Erkenntnis war. Der viel größere Engel kniete am Boden, stützte sich dort ab und starrte zu Michael hoch, noch immer seine Hand fest haltend.
 

„Weiß ich.“
 

Die Mimik des Rothaarigen geriet außer Kontrolle, er versuchte, seine Gefühle mit Bewegungen des Mundes zu verarbeiten doch es wollte ihm nicht gelingen. Wusste denn jeder außer ihm, dass Luzifel ein Verräter war?
 

„Von Anfang an schon geahnt. Aufgeblasener Affe, hat man doch gesehen. Immerhin darf ich ihm jetzt offiziell in den Arsch treten. Was ist? Wollen wir ein paar Verräter sterben lassen?“
 

Er zog sich ungefragt an Michael hoch und kam wieder auf die Beine, wischte sich über die blutende Augenhöhle.
 

„War eh das Blinde“, murrte er kurz, riss sich dann etwas von dem dreckigen Stoff ab, den er mit dem Wort 'Kleidung' beleidigte.
 

Dann zog er vollkommen desinteressiert den fehlenden Augapfel hervor und drehte ihn in den Händen, schnalzte mit der Zunge.
 

„Wartet!“
 

Das war Bal, deren kleine Hände in die Pranke des irritierten Berjaels griffen und sein Auge an sich nahmen. Michael vergaß für einen Moment, dass er sich betrogen fühlte und beobachtete fasziniert und angewidert zugleich, wie die heilenden Kräfte seines Kindermädchens Berjael überforderten und ihm sein Auge zurückgaben – voll funktionstüchtig.
 

„Verdammte Heiler“, knurrte er und blinzelte, schaute sich dann mürrisch um. Ja, Dankbarkeit war eben Luxus.
 

Als sein Blick auf Michael hängen blieb, kam dieser wieder in der Realität an; der Lärm und das Geschrei vermengten sich mit dem Geruch des Todes und er wollte aufbrechen, doch wieder hielt ihn Berjael fest.
 

„Man ich hab kein Bock auf Händchen halten, klar?! Glückwunsch, endlich siehst du mal was und nun Arsch hoch!“
 

Der Große zog seine Pistole und ließ den Lauf zwei Mal gegen die Stirn des Feuerengels stupsen.
 

„Erinnerst du dich an Sektor 47?“
 

„Fresse man!“
 

„Erinnerst du dich an den Scheiß Sektor?!“
 

„Ja da kommen die Drecksdämonen her, jetzt lass mich los!“
 

Er wurde nah an die Brust des anderen gerissen, sah die Metallplatte vor sich glänzen und hörte den Herzschlag Berjaels.
 

„Ich hab gesagt, ich töte den Scheißkerl. Weißt du noch?“
 

Die Stimme ein Beben, er sprach leise. Nur für ihn.
 

Michael nickte und fühlte sich mit der Waffe an der Schläfe wirklich nicht wohl. Er spannte den Abzug.
 

„Hat dir schon mal jemand erzählt, was du für Augen hast, Streichholz?“
 

Er wollte ihn auslachen, doch die Situation war zu ernst. Wieder ein langsames Nicken; neben ihnen erstarrte Bal und blickte ihn ängstlich an.
 

„Was sagen sie so über deine Augen? Praktisch, wenn man plötzlich sehen kann.“
 

Er murmelte leise, dann erhöhte sich der Druck um sein Handgelenk, dass es zu bersten drohte.
 

„Lauter.“
 

„Dämon…“
 

Er schloss sie, diese Dämonenaugen, die ihn schon von Anfang an verraten hatten. Er würde ihn erschießen, an Ort und Stelle töten, wegen dieser verdammten Farbe.
 

„Ich habe nie viel von unserer Gesellschaft gehalten.“
 

Der Griff lockerte sich und Michael schaute wieder auf, rechnete mit dem Lauf einer Waffe vorm Gesicht, doch er sicherte sie wieder und steckte sie weg, rang sich ein schiefes Grinsen ab.
 

„Du bist das Licht… Michael.“
 

Irritiert runzelte der Angesprochene die Stirn, als diese ungewohnten Worte ihm entgegen schlugen. Und die Gesichtszüge entglitten ihm, als er ihn aufmarschieren sah; die vier schwarzen Schwingen auf dem Rücken gefaltet.



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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  Akiko_22
2013-10-23T06:38:00+00:00 23.10.2013 08:38
Sooo, jetzt habe ich deine ganze FF gelesen und kann hier auch einen Kommentar hinterlassen.
Ich finde die Idee sehr schön, die Entwicklung des Himmels aus Michaels Sicht zu beschreiben. Ich finde es toll wie du die einzelnen Charaktere beschreibst und auch deine eigenen Figuren sind mir mehr ans Herz gewachsen. Besonders Berjael hat es mir angetan. Ich bin gespannt wie es weiter geht und freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Akiko
Von:  mangacrack
2013-08-31T18:45:24+00:00 31.08.2013 20:45
 Du hast zwar gesagt es passiert nicht viel, aber unwichtig war die Entwicklung auf keinen Fall. Es baut langsam Spannung auf und langsam bringt es uns die einzelnen Positionen der Charaktere. Besonders da dies das vorletzte Kapitel ist, war es wichtig noch mal die Randfiguren zu Wort kommen zu lassen. Die ersten Andeutungen wie die Elemente später zusammenarbeiten werden. 
Zu Berjaels Ende: Ich hätte ihn nicht ernst genommen, wenn er überlebt wäre. Sein Tod verleiht seinen Worten gewicht. Besonders da er offenbar zum ersten Mal die Welt in Farbe betrachtet (ich dachte er wäre bloß auf einem Auge blind gewesen?). Sehr schöner symbolischer Zug, weil er unterschwellig Michael als den Engelsfürsten betrachtet, die Engelsgesellschaft aber verrottet betrachtet. Es ließe sich jetzt darüber streiten, ob Michaels (neuer) Status Anlass zur Hoffnung oder Anlass zur Sorge ist.

*sich auf das nächste und letzte Kapitel freut*

mangacrack
Von:  mangacrack
2013-05-27T20:03:10+00:00 27.05.2013 22:03
Schon ein neues Kapitel? Ich sollte dich öfters Sonntags alleine lassen *_*

Besonders wenn so ein Ergebnis dabei herauskommt. Es soll nicht als Beleidigung rüberkommen, aber die Schreibweise nach der eingelegten Pause ist besser als davor. Vielleicht weil es jetzt endlich dem Krieg losgeht und der sich einfacher beschreiben lässt. Tote Engel, yay!

Michaels anregende Rede ist schon fast klassisch. Vor allem, weil sie funktioniert. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass Michael so sehr auf Propaganda zurückgreifen würde. Aber man merkt, dass er gereift ist. Und zwei verlorene Finger einfach wegsteckt, damit Raphael sie wieder anheftet? Oder relativ erwachsen das Keksspiel meidet :3

Nur warum duzt Luzifel Berjael? Ich dachte zwischenzeitlich er redet mit Michael O.o ... Aber die Art wie Berjael sämtlichen Respekt vergisst und über Luzifel herzieht ist herrlich. Dagegen ist sein Umgang mit Michael ja richtig liebenswürdig. Selbst die Sache mit dem Wassereimer passiert inzwischen wie nebenbei. Ob Berjael das auch mal bei Uriel gemacht hat, weil er es von Michael gewöhnt war?
Antwort von:  Inzestprodukt
27.05.2013 22:28
Mir war so langweilig, das war schon derbe uncool XD'

Mit seiner Rede hab ich mich sehr schwer getan, ich kann niemanden motivieren und gehofft, dass es am Ende passt.

Und Luzifel hat einfach zwischenzeitlich jeden Respekt verloren - geheuchelt oder nicht.
Mir ist aber auch aufgefallen, dass ich anders schreibe xD'
Von:  mangacrack
2013-05-26T07:30:59+00:00 26.05.2013 09:30
Du kannst hier doch nicht enden ;_;
Aber ich bin ja schon froh, dass es weitergeht. Also beschwere ich mich nicht.
Denn inzwischen gefällt mir auch die Beziehung zwischen Michael und Berjael. Richtig süß die Zwei. Aber man sollte meinen sie wären so intelligent einen Militärarzt zu besitzten. Das Zaphikel das Blutlecken gesehen hat, will ich doch mal bitte hoffen, eh. Der nimmt sich doch ein Beispiel daran.

Ansonsten ... was ist mit dem Zeilenabstand passiert?
Das ist mein einziger Kritikpunkt. Außer zu zählst den falschen Umbruch hinter der ersten Zeile des Zitats dazu.
Von:  mangacrack
2013-02-10T11:06:22+00:00 10.02.2013 12:06
Fehlendes Rape, nun jetzt nicht mehr. Gefällt mir sehr gut :)
Besonders wie Berjael und Luzifer sich gegenüber stehen und Berjael verkündet, dass jemand in Luzifers Arsch treten wird. Einfach herrlich anmaßend und so wahr. Ähnlich wie der letzte Satz. Jetzt zeigt Michael das instinktive Fluchtverhalten, dass Engeln durch ihre Flügel angeboren ist. bedenklich finde ich, dass ein Teil von Michael sich lieber vergewaltigen lässt als seine Kräfte zu benutzten. Aber da er noch nicht weiß, dass das Feuer ihn nicht verletzten kann, ist es vielleicht verständlich. Aus Michaels eigner Sicht. Aus der Sicht der Lesers ist es verwirrend ... oder zumindest irreführend im ersten Moment, weil dadurch die Ausmaße von Michaels Potenzial erst deutlich werden.

mangacrack
Von:  mangacrack
2013-02-05T17:39:03+00:00 05.02.2013 18:39
Scheiße Man, ich glaube es ja nicht! 
Musst du das Kapitel hier beenden? Ò_ó 

Luzifels Auftauchen ist ... zeitlich gut getimt. Trotz dessen, dass er nur so kurz auftaucht, bringst du ihn gut rüber. Oder vielleicht gerade, weil er nur so kurz auftaucht. Er passt zu seiner ausweichenden und schwer fassenden Persönlichkeit. 
Ohne Zweifel, dass er Berjael überwacht und das Gespräch mit angehört hat. 

Persönlich muss ich sagen, dass die Rape Referenz nicht als solche erkannt hätte, hätte ich nicht davon gewusst. Es existieren nur Hinweise darauf, dass Michael von den Soldaten in die Mangel genommen wurde, nachdem Erimites Tod bekannt wurde. Merkwürdig, dass es mir jetzt fehlt, nachdem ich zuerst dagegen war. Allerdings ermöglichen die dezenten Hinweis es, dass sich der Leser das selbst ausmalt. 

Es ist nur abzuwarten, ob oder was für Folgen das hat. Entweder für Mika persönlich (was schwer ist, nachdem wir kein Gesicht oder einen Angreifer gesehen haben) oder für die Armee. Bzw. deren jämmerlichen Zustand. 

Was mich letzten Endes wieder auf Berjael bringt.Dass er sich nicht sicher ist, wer der Teufel sein wird. Wundern tut mich seine Skepsis nicht: er hat zuviele Bastarde bekämpft, als er Luzifel nicht als solchen erkennt.

Ps. Einzug entfernen. Jede 2. Zeile ist eingerückt. *da pingelig ist* X)
Von:  mangacrack
2013-01-06T10:53:03+00:00 06.01.2013 11:53
Michael ;_; ... es ist rührend zu sehen, wie er nicht töten will.
Aber er wird und er muss. Ich bewundere dich! Nur frage ich mich wie er von dieser Einstellung zu der kommt, dass Engel zum kämpfen geschaffen wurden (wobei er ja Recht hat). Auch nett zu sehen ist, dass Michael den Umgang mit Waffen nicht im Blut hat.
Dennoch ... jetzt wo es einen Verräter im Himmel gibt (und Michael denkt es sei ER SELBST) werden eines Tages seine Kräfte erwachen *sich vorstellt wie Michael Berjael niederbrennt*
Die Zwei haben echt Kommunikationsschwierigkeiten.
Von:  mangacrack
2012-11-18T10:13:39+00:00 18.11.2012 11:13
Ich komme nicht über den Gedanken "Mika und Lu in Windeln" hinweg. Aber mir gefällt die Idee, denn diese Art von Beziehung ist privat. Sehr privat und wenn man bedenkt, dass irgendwann aus Bal Balbero wird, kann man sich vorstellen, was es für Michael bedeutet haben mag.

Irritiert hat mich ein wenig der Lesefluss.
Aber das mag an Animexx liegen.
Von:  mangacrack
2012-10-15T06:48:10+00:00 15.10.2012 08:48
Bei dem Gespräch am Anfang musste ich an „Die Pinguine aus Madagaskar“ denken. Es gibt eine Folge wo King Julien genau dasselbe sagt. Jetzt höre ich das „Höre aus mich anzusch’hen in seiner Stimme XD ....
 
Gut, wirklich gut gefallen hat mir das Satz „so trennte ihn nur der Tod von seinen Diensten im Militär.“ Das nenne ich fast eine literarische Meisterleistung.  Außerdem ist es eine geniale Andeutung für den Leser, dass nicht alle Gesellschaften so liberal sind, wie es die unsere ist. Es ist ein Extrem und bedeutet, dass man nicht einfach „aufhören“ oder „ehrenhaft entlassen“ werden kann. Ich glaube, ich muss mir die Idee aufschreiben und in abgeänderter Form verwenden. Sie lässt mir schon jetzt keine Ruhe.
 
Die Wasser Tortur ist einfach nur hart. Besonders für Michael, aber vielleicht gefällt sie mir deswegen so sehr. Berjael ist einfach ein Arschloch, auch wenn ich mich Frage, ob ein besorgter Luzifel sehr anwaltsmäßig dies als Körperverletzung oder versuchten Mord auslegen würde. Ich freue mich schon sehr auf das nächste Kapitel mit ihm.
Von:  mangacrack
2012-09-16T12:06:31+00:00 16.09.2012 14:06
Ich liebe dich so sehr für diese Geschichte, aber das weißt du ja.
Luzifer ist dir gut gelungen finde ich. Diese angespannte und merkwürdige Atmosphäre zwischen ihm und Michael wirkt richtig echt. Ich schaffe es nie die zwei an ihren Problemen der zwischenmenschlichen Kommunikation scheitern zu lassen. Raphael ist da schon besser drin, weswegen er auch Luzifer angerufen hat. Irre ich mich oder war der enttäuscht, dass Michael nicht zu ihm gekommmen ist? Er hat also doch Gefühle.

Sorgen machen wegen der Szene mit dem Übergriff brauchst du nicht, ich finde sie genial. Vor allem weil der Unbekannte nicht mal einen Namen oder ein Gesicht bekommt. Es konzentriert sich alles auf Michael. Ob die anderen Soldaten ihn jetzt zu Recht fürchten? Versuchen werden sie es auf jeden Fall nicht mehr so schnell.

Bleibt nur noch die Frage zu klären, wo Raphael so das Wasser herbekommen hat. Ich erinnere mich, dass im Manga Uriel ähnlich wieder zur Besinnung gebracht wurde. Das scheint also eine weit verbreitete Erscheinung zu sein.

mangacrack


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