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Halo

von

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Im Bauch

„Ich fress‘ die Scheiße nicht.“

„Das steht überhaupt nicht zur Diskussion.“

„Oh wir müssen nicht diskutieren, ich fress das nicht und gut ist.“

„In erster Linie wird das bei Ihnen noch als ‚essen‘ bezeichnet, Sie sind kein Tier.“

„Ich ess den Dreck da nicht!“

Ein strenger Blick hinter langen, dünnen blonden Haaren traf Michael, welcher demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte und trotzig das Kinn nach vorne schob. Energische Schritte näherten sich, ein kratzendes Geräusch vom heran gezogenen Stuhl, dann nahm Bal neben ihm Platz und zog das Tablett zu sich, auf welchem eine einsame Banane lag.

„Wollt Ihr lieber an einer Nadel hängen?“

„Ja!“
 

Mit Abscheu blickte der rothaarige Engel auf das in seiner Schale ruhende Obst, zog die linke Seite der Oberlippe ein Stück nach oben und drehte das Gesicht fort. „Du kannst mich nicht zwingen, lass mich einfach in Ruhe.“

„Das habe ich schon viel zu lange. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie groß meine Sorge war? Als ich hörte, dass Ihr von einem fremden Mann hergebracht wurdet!“

„Mir egal, keiner zwingt dich zu so was.“

„Achtlos liegengelassen vor den Türen!“

„Ist ja gut…“ Er murrte, doch ihre sorgenvolle Stimme setzte an seinem schlechten Gewissen an und Michael löste die Verschränkung der Arme vor seiner Brust, blickte sie flüchtig an. Braune Augen starrten ihn an, die Brauen schlossen eine kummervolle Falte ein.

„Ohne jegliche Information, was genau passiert ist!“

„Ja es tut mir Leid es reicht jetzt auch!“

Ihr Gesicht glättete sich wieder – er hatte es geahnt! Eine Farce, sie wollte ihn nur weichkochen und ihren Dickkopf durchsetzen. Andererseits würde sie sonst vermutlich niemals mit den Zwillingen zurechtkommen können, hatte sie ihn und Luzifel doch seit Kindertagen betreut.
 

„Tut mir das bitte kein weiteres Mal an. Meine Sorge war wirklich groß. Ihr hättet zu mir kommen können.“

Ihre Stimme wurde weicher, während sie wie selbstverständlich die Banane schälte. Michael spürte Ekel in sich aufkeimen, doch in dem Krankenbett konnte er nicht zurückweichen und so stieg ihm schon der reife Duft in die Nase, was aus seiner Position nicht mehr als ein abartiger Gestank war.

„Du warst doch mit wichtigeren Dingen beschäftigt.“ Das sagte er nicht, um einen trotzigen Vorwurf anzubringen, es entsprach schlichtweg der Wahrheit; sie hatte sich in letzter Zeit oft verantworten müssen, zu größten Teilen vermutlich wegen Michael, dessen Vormundschaft ja nun einmal bei Bal lag. Dass er sie in solchen Zeiten nicht weiter belasten wollte, sprach für ein gewisses Maß an Zuneigung von seiner Seite. Sie war nicht seine Mutter, er kannte dieses Gefühl der elterlichen Liebe nicht, eben weil es nicht der Norm entsprach. Dennoch musste es irgendwie ähnlich dessen sein, was er bei Jungtieren beobachtet hatte; das kämpferische Verhalten der Eltern für ihre Brut.
 

Bals Finger hatten gestoppt und ließen einen Rest der Schale zurück an der Banane und als Michael aufblickte, traf ihn ein entrüsteter Blick in dem so vertrauten Gesicht.

„Michael-Sama!“ Egal, wie alt er war und welche rückblickend erniedrigenden Tätigkeiten sie schon für ihn durchgeführt hatte – Kinderkrankheiten pflegen, Toilettenübungen, Trotzattacken, die ja nun einmal zum Aufwachsen gehörten, jedoch gerne von der heranreifenden Partei verdrängt wurden – er würde vermutlich immer mit dem höheren Status angesprochen werden. Sowieso siezte sie ihn und Luzifel seit Anfang an und bisher hatte sie noch nie derart die Fassung verloren, dass es ihr misslang. Trotzdem schien sie gerade nah an solch einem Zustand zu sein. Ihre Hand krampfte sich zusammen und Michael wusste nicht ob er von Glück sprechen konnte, als die Banane zerquetscht wurde.
 

„Nichts – und das möchte ich noch einmal deutlich betonen – ist wichtiger als das Wohl von Euch und Eurem Bruder! Nicht der Hohe Rat, niemand außer Ihnen beiden setzt derartige Prioritäten bei mir! Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit, egal zu welchen Terminen – wenn Ihr mich braucht, dann ruft mich.“

Sie erhob sich und entfernte den Obstbrei von ihren Fingern, rang mit bebenden Schultern nach Beherrschung und atmete dann den Rücken zu Michael gewandt tief ein.

„Entschuldigt mich, ich bin sofort zurück.“

Dann verließ sie den Raum und ließ Michael mit einem zwiespältigen Gefühl zurück; es erfreute ihn, solche Worte zu hören. Dass er zwar gemeinsam mit Luzifel einen Platz in Bals Herzen teilte, jedoch auch auf gleicher Stufe mit ihm stand.

Dennoch hatte er gerade eine Standpauke erhalten und das schmeckte ihm nicht wirklich, aber das war nun bei aller Liebe nicht das erste Mal, er würde das schon verkraften.
 

„So, da bin ich wieder. Welch ein Glück, die Schwester hatte noch eine Banane übrig.“

„Willst du mich foltern oder was?!“

„Es sind Vitamine, Raphael-Sama sagte, Ihr könnt in Eurem jetzigen Zustand kaum genug davon bekommen. Ich möchte gar nicht wissen, wie es dazu kommen konnte“, schloss sie und setzte sich wieder, schälte erneut das weiche Fruchtfleisch frei. Ihr Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass sie es sehr wohl wissen wollte.

Als sie fertig war, legte sie die Schale betont langsam zur Seite, brach alles in kleine Stücke und schob Michael das Tablett wieder auf den Bauch, blieb natürlich am Bett sitzen.

„Vergiss es.“

„Guten Appetit.“

„Bis zum Verrecken nicht.“

„Und danach solltet Ihr Euch noch etwas ausruhen. Ihr seht noch sehr matt aus.“

„Hörst du mir überhaupt zu?“
 

Bal schwieg einen Moment, blickte dann zur Seite und somit unmittelbar aus dem Fenster. „Ich muss mir noch diesen Kerl verknüpfen, der Euch hier hat liegen lassen…“

Michael wusste nicht, wer genau ihn wenigstens bis zum Krankenhaus gebracht hatte aber selbst Berjael wünschte er dieses Schicksal nicht an den Hals. Oder doch? Eine interessante Theorie, wer wohl schlimmer sein konnte?
 

„Ihr habt ja noch immer nichts gegessen!“

Bal, eindeutig.

Sie stützte ihre Hände neben Michaels Kopf ab, beugte sich über ihn und schaute ihm dann in die Augen – diese ungewohnte Nähe zu ihr machte ihn wirklich nervös und sein sehnlichster Wunsch war es, Bal loszuwerden.

„Entweder Ihr esst selber oder ich besorge einen Löffel, zermatsche die Banane und werde Euch füttern. Wer von uns beiden dabei der größeren Peinlichkeit ausgesetzt ist, überlasse ich Euch.“

In einer fließenden Bewegung glitt sie zurück auf den Stuhl und ließ Michael mit seinem Ekel und der angestochenen Drohung zurück.

Widerwillig griff er nach einem der Stücke, drehte dieses in den Fingern und verzog angewidert das Gesicht. Dass Bal ihn beobachtete, machte die ganze Situation nicht besser und wenn er ehrlich war, würde er sie gern abwerfen. Es ging hier einfach um Konsistenz und Geschmack, er musste das ja wohl hoffentlich nicht begründen!
 

Gerade als Michael widerwillig den Mund öffnete, klopfte es an der Tür und Bal erhob sich, sprach ein „Herein“ aus. Dass Michael ein Stück Banane aus dem Fenster warf, entging ihr hoffentlich.

Die Tür wurde aufgeschoben und eine weitere Frau betrat den Raum, schob einen kleinen Wagen vor sich her. Eine der Schwestern, woraufhin Michaels Erzieherin nickte und noch einen letzten Blick auf ihren Schützling warf.

„Ruht Euch aus. Und das hab ich gesehen“, setzte sie mit einem Lächeln nach, deutete auf das Tablett auf Michaels Schoß, von welchem ein weiteres Stückchen Banane zum Fenster rausgeworfen wurde.

Dieser zog eine Grimasse, richtete dann seine Aufmerksamkeit widerwillig auf die Schwester und der ihr folgenden Ärztin. Ein Lächeln umspielte die Lippen der hochgewachsenen Frau, als sie sich dem Bett langsam näherte.

„Nun… wie geht es Ihnen?“

Ob er ihr nun wirklich antworten wollte, sei dahingestellt. Dennoch verlangte Bal wohl ein Mindestmaß an Etikette – sie würde sein Betragen so oder so erfahren – und ihre Sorge versetzte ihn in Verlegenheit, also ließ er sich zu einer Antwort herab: „Gut, kann ich gehen?“

Ein Lächeln ereilte ihn, das ‚Nein‘ brauchte sie nicht einmal aussprechen.

„Euer Bruder hat sich nach Euch erkundigt“, sprach sie ungeachtet der Antwort weiter und erinnerte Michael daran, dass Raphael ja diesen Namen gesagt hatte.

„Ach?“, brach er dann sein eigenes Vorhaben der Nicht-Konversation und wich vor der Schwester zurück, die nach einem der Verbände griff.
 

„Weitere Informationen sind mir nicht bekannt“, sprach die Ärztin weiter und zückte einen kleinen Glaskolben, an dessen Ende eine Nadel hing; Spritzen. Nicht, dass er Angst vor ihnen hatte. Es war einfach eine positive Abneigung, denn so sehr er den Zweck in ihnen erkannte und respektierte, wollte der junge Engel sie nicht in seiner Haut sitzen haben.

Wieder griff man nach ihm, dieses Mal konnte er nicht ausweichen und duldete, dass man ihm das Hemd wegschob und nach seiner Atmung lauschte.

Notizen, wieder lauschen, Notizen. Er ließ es sich nicht nehmen, dem Stethoskop ein ungeduldiges Murren zu schenken und blickte schließlich in die Augen der rothaarigen Ärztin. Sie hatte beinahe die gleiche Haarfarbe wie er, dazu wellige Strähnen und bewusst geschminkte Lippen. Ob sie wusste, dass sie damit einen nicht zu leugnenden Reiz ausstrahlte?
 

„Bettruhe ist in Ihrem Fall leider die einzig mögliche Option, so bedauerlich es auch sein mag. Wer auch immer Euch derart zugerichtet hat, wird sich diesen Umstandes durchaus bewusst sein. Mögt Ihr nicht vielleicht doch erzählen, was Euch passiert ist?“

Wieder bekam sie keine Antwort, denn Michael drehte stur den Kopf auf die Seite, schloss noch demonstrativ die Augen. Wenn sie nicht ohnehin durch Raphael von seinem Eintritt in die verdammte Armee wussten, würde er ihnen das auch nicht noch auf die Nase binden. Jeder Mitwissende war eine potenzielle Gefahrenquelle, denn damit stieg die Chance, dass Luzifel es erfahren würde.
 

Sie ging nicht weiter darauf ein und blätterte in der Akte herum, die über Michael angelegt wurde; er meinte, Raphaels Handschrift erkennen zu können, doch das konnte auch ein Irrtum sein.

„Über Ihr Untergewicht sind Sie weitestgehend informiert worden?“

„Hm-hm…“

Als würde er das nicht selber bemerken, die Kleidung von vor wenigen Wochen saß viel zu locker, rutschte schon teilweise ab und ehrlich gesagt fand Michael sich selbst auch nicht gerade lecker, wenn er halbnackt sein Spiegelbild erblickte, aber das war eben Situationskomik und gerade nicht zu ändern.

Er rollte mit den Augen, als sie mit der Spritze anrückte und mit einem kleinen Tuch ein Stück von seinem Oberarm desinfizierte, dann die Nadel herein stach.
 

Desinteressiert blickte er aus dem Fenster, diese Vitaminspritzen waren ihm herzlich egal; ehrlich gesagt materte der junge Engel sich den Kopf darüber, wie er aus dem Krankenhaus rauskommen würde, denn wenn er Raphael Glauben schenken durfte, würde das noch einige Zeit in Anspruch nehmen. So lange würde Berjael sich aber nicht gedulden, ehe er ihn wieder anklagend an der Backe hatte; wenn er sich das überhaupt nehmen lassen würde, nachdem der Rotschopf ja… zusammengebrochen war.
 

Ohne ein weiteres Wort an ihm zu verlieren zog die Ärztin mit ihrer Schwester ab, warf noch einen letzten Blick auf den jungen Engel im Bett.

Dieser seufzte, rieb sich ein Auge. Nun überkam ihn auch nich die Müdigkeit, als wäre seine Ausgangssituation für eine schnelle Flucht nicht schon erschwert genug.

Er könnte es in der Nacht versuchen, doch da war die Bereitschaft zur Aufsicht irgendwie höher; zumindest hatte er das so empfunden, als er sich vor ein paar Wochen mit Raphael in einem der Zimmer herumgetrieben hatte und seine Schulter verarztet wurde. Der ging es auch noch nicht ganz gut, aber wenn er wirklich bei jedem Wehwehchen kapitulieren würde, könnte er gleich austreten.
 

Nun, jetzt oder nie. Es kamen selten direkt nacheinander Personen in sein Zimmer und wenn er sich beeilte, war er noch vor Bemerken seines Aufbruchs zurück bei Berjael und den anderen; wie es da weiterging, würde die Zeit schon zeigen. Immerhin hatte bisher niemand mehr versucht, ihn in der Nacht von körperlicher Zuwendung zu überzeugen.
 

Michael schob seine Beine aus dem Bett und war gleichsam erstaunt, wie wenig Scham er inzwischen für diesen Krankenhauskittel empfand. Sein Kleidungsstil wandelte sich im Moment ohnehin, die kurzen Hosen, die er teils trug, ließen seine Beine etwas länger wirken; zumindest ließen die Zwergenwitze nach, die langsam aber sicher wirklich zu einem Störfaktor geworden waren. Außerdem empfand er mehr Wärme als früher, ob das am Feuer oder an dem Gefühl nützlich zu sein lag, sei dahingestellt.

Seine Kleidung wurde gewaschen und in den Schrank im Zimmer abgelegt, so würde er immerhin nicht mit blankem Hintern bei den Soldaten aufschlagen.
 

Den Kittel riss er sich vom Körper, warf ihn achtlos auf das Bett und sortierte sich in seine Kleidung herein, stand dann einen Moment unschlüssig herum; wenn er nun den Flur nahm, würde er in spätestens einer halben Stunde mit einem Schlafmittel im Arm sitzend wieder im Bett verweilen und die nächste Zeit nichts außer der Wand und dem Klo als malerische Abwechslung zu Gesicht bekommen. Wenn er nun allerdings flog…

Zögerlich biss sich der rothaarige Junge auf die Unterlippe; die Landung wollte ihm dann leider immer noch nicht gelingen, schade aber auch.

Allerdings war er auch nicht sonderlich erpicht darauf, in seiner Flucht am Fenstersims kauernd entdeckt und verfolgt zu werden, auf so knappe Geschichten würde er sich gar nicht erst einlassen; wozu ein knappes Entkommen, wenn man denn ganz entspannt die Flügel ausbreiten und durch die Luft taumeln konnte?
 

Also war die Sache entschieden, ein letzter Blick und er vergewisserte sich, dass wirklich nichts Wichtiges liegen blieb, dann stieß Michael das Fenster auf und blickte in den Hof. Dritter Stock, draußen liefen einige Schwestern herum, begleiteten Patienten für einen kleinen Ausflug oder waren auf dem Weg in ein Nebengebäude. Leider waren all diese Schwestern Engel und das bedeutete, sie hatten Flügel. Und fast jeder mit Flügeln konnte ihn einholen…

Wenn wenigstens ein kleines Gewitter aufziehen würde, aber der strahlend blaue Himmel lachte ihn an wie ein bösartiger Gegenspieler, zu allem Überfluss schien auch noch die Sonne.

Es würde eben auf einen Versuch ankommen und so schob er sich doch in das Fenster hinein, drehte einmal die Schulter etwas und fasste sich an den Oberarm, in welchen die Vitaminspritze getroffen hatte; deswegen mochte er sie nicht, man spürte die Wirkung erst nach dem eigentlichen Schmerz des Einstiches.
 

Langsam zog Michael sich nach draußen, konnte sich dort wieder aufrichten. Unter den schweren Sohlen spürte er den Fensterrahmen kaum, das könnte zu einem Absturz führen, wenn er nicht richtig aufpasste. Er brauchte eine Fläche, auf der er stehen und die Schwingen ausbreiten konnte; sich nun umzudrehen würde ausgerechnet ihm nicht helfen denn leider konnte er sich nicht im Flug drehen und dann den Aufschwung nutzen, dazu war die Distanz zum Boden doch zu gering.
 

Seine Hand suchte etwas verloren an der glatten Fassade der Außenwand, doch da war nichts. Also würde er springen müssen und hoffen, dass die nicht einmal zehn Meter reichen würden. Einmal atmete er noch tief durch, ließ dann los und stieß sich aus dem Fenster ab.

Die Luft an seinem Gesicht tat gut, doch würde sie ihn auch verraten; immerhin arbeitete Raphael hier und wenn der Wind ihn nicht verriet, wer dann? Als würde Raphael ihm die Stirn bieten können…
 

Er hörte das Rascheln schon nicht mehr, als sich die Flügel ausbreiteten; sein Fokus lag auf dem Boden, der nun in rasanter Geschwindigkeit näher kam. Gleich würde er aufschlagen und sich mehr als nur einen Knochen brechen.

Am liebsten würde der Erzengel nun die Augen schließen und den Aufprall abwarten, doch da erfasste er einen günstigen Moment und hob ab, streifte mit den Fingern die Schulter einer Patientin – sein Aufbruch blieb also nicht unbemerkt, Leute schrien und schienen wie er auch angenommen zu haben, dass er gleich zu einem Klumpen auf den Bodenplatten transformiert werden würde, allerdings hatten sie sich da getäuscht.

Ohne einen Blick nach hinten zu werfen stieg er höher, verschwand dann zwischen einigen Hochhäusern in unmittelbarer Nähe. Was Raphael kritisiert hatte, rettete ihn nun also: Die Stadt. Der Blonde wollte seine Patienten fern von all diesen lauten Einflüssen wissen, allerdings hatte er noch kein Mitspracherecht in diesen Dingen und so wurde Michael an einem Nachmittag damit belästigt.

„Komischer Vogel bist du“, murmelte er, zog die Arme an den Körper und schoss zwischen den Fassaden der Häuser hindurch. Es war unhöflich, eigentlich verzichtete man in der Stadt auf das Fliegen. Er hätte sich auch gleich nackt auf die Straße stellen können, das war eine ähnliche Geschichte; jeder konnte es, keiner tat es.
 

Allerdings konnte er im Moment keinen wirklichen Wert auf Etikette legen und so ignorierte er die empörten Blicke der anderen Engel, musste sich ein schräges Grinsen verkneifen; er war wieder da.
 

-
 

„Hast ganz schön lange gebraucht, der Boss dachte schon, du kommst gar nicht mehr wieder.“

„Schnauze!“

„Wollten dich doch nur begrüßen.“

„Stellst dich ganz …t an.“

„Du kannst mich mal, Erimites!“

Wunderbar, er war nass. Eine negative Art, es war wieder kalt, doch dieses Mal war nicht Berjael der Verursacher. Emhom schwang den Eimer in der Hand hin und her, grinste wieder breit.
 

„Komm, kriegst was zu Essen. Siehst dünn aus, Kleiner.“

„Der Boss hat …t dich vermisst …t.“

„Ach?“ Natürlich, er lag bestimmt in seinem Bett und klammerte sich sehnsüchtig an sein Einhornkissen.

„Ja, hat keinen zum …t ärgern.“

„Oh, toll. Fühl mich wie zuhause“, kommentierte Michael bissig, wrang sich das Haar etwas aus.
 

„Schön, so sollte es sein.“ Bei dieser Stimme wurde ihm direkt wieder kälter, er würde den Sprecher ja auch gern ignorieren aber leider war Berjael niemand, der einfach in der Menge unterging.

„Warum hat das so lange gedauert?“, blaffte er den jungen Kadetten an und verzog das narbige Gesicht. Michael würde nicht antworten, er würde ihn einfach direkt weiter nörgeln lassen denn jeder Protest wurde breit diskutiert und darauf hatte er nun wirklich keine Lust.

„Von dem bisschen Wasser, du bist ein Weichei! So wirst du nie abhärten!“

Ja, das hatte er sich gedacht. Das oder grundlose Schikane, eines musste zutreffen.
 

„Oder statt das Maul aufzumachen, wenn du seit Tagen auf dem Zahnfleisch kriechst!“

Wie bitte?

„Willst du mich verarschen?!“ Nun war er doch vorgetreten und wieder einmal bekamen beide somit unmittelbar die Aufmerksamkeit der Umstehenden; widerwillig, hinsehen wollte keiner. Es war allerdings wie bei einem Unfall: Man wollte nicht hinsehen, konnte aber nicht anders. Und wie bei einem Unfall fühlte sich keiner der Schaulustigen dazu verpflichtet, zur Hilfe zu eilen.
 

Der Größenunterschied der beiden Streithähne machte die Situation noch bizarrer, jedoch einfacher für Berjael, der Michael erneut am Kragen packte und hochhob, bis er auf dessen Augenhöhe hing. Das übriggebliebene Auge blitzte ihn aufgebracht an, während er den Atem auf seiner Haut spüren konnte.

„Du stinkst!“, fuhr er ihn unkluger Weise an und wurde wieder einmal geschüttelt, traf jedoch mit seinen Tritten dieses Mal gegen eines der beine des Kommandanten.

„Kann nicht jeder auf Blumen pennen“, knurrte er und Michael sah aus den Augenwinkeln, wie Emhom einen irritierten Blick mit Erimites wechselte.

„Kann dir welche pflücken“, murrte der Rotschopf, zerrte an den großen, viel zu festen Händen an seiner Kleidung.

„Kriegst Brennnesseln unter den Arsch geschoben, Mistkerl!“

„Zügle deine Zunge, Streichholz…“, zischte es vor seinem Gesicht und Michael bemerkte, dass das Auge Berjaels immer wieder von einer Ecke zur nächsten zuckte.
 

„Und warum sollte ich dir sagen, wenn es mir kacke geht?!“ Ja das war doch wieder der Ausgangspunkt ihrer Diskussion, anders würde er sonst wie lange hier hängen.

„Weil wir eine scheiß große, glückliche Familie sind“, murrte sein Boss vor ihm, ließ ihn dann wieder herab; achtlos fallen gelassen, wie auch sonst?

„Was machst du Köter dann im Haus? Raus in denen Zwinger, du…!“
 

„Boss!“

Michael spannte den Körper an; gleich würde das Messer in Berjaels Hand auf ihn zu sausen und vermutlich wichtige Körperteile von ihrem Ursprungsort trennen, doch einer der Soldaten kam ihm zuvor, stolperte durch die Halle.

„Angriff! Ein Angriff in Sektor 47! Dämonen!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mangacrack
2012-11-18T10:13:39+00:00 18.11.2012 11:13
Ich komme nicht über den Gedanken "Mika und Lu in Windeln" hinweg. Aber mir gefällt die Idee, denn diese Art von Beziehung ist privat. Sehr privat und wenn man bedenkt, dass irgendwann aus Bal Balbero wird, kann man sich vorstellen, was es für Michael bedeutet haben mag.

Irritiert hat mich ein wenig der Lesefluss.
Aber das mag an Animexx liegen.


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