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Halo

von

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Alles oder alles

So das ist nun eines der Kapitel, auf das ich lange gewartet habe. Wirklich, die vorherigen haben mich teilweise etwas genervt, weil ich unbedingt diesen Part schreiben wollte.
 

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Allgemeine Aufbruchspanik. Warum ausgerechnet Sektor 47 solch eine fatale Bedeutung zu haben schien, konnte Michael nicht sagen aber um ihn herum liefen Soldaten in einem geordneten Chaos umher; Chaos für ihn, Ordnung für sie. Jeder fand auf Anhieb seine Ausrüstung, welche nun genauer betrachtet aus nicht mehr als simplen Messern bestand. Oder eben Schusswaffen, von denen Michael noch immer etwas Abstand einnahm; generell hatte er sich noch gar nicht um solche Dinge wie Waffen gekümmert, eben weil er nicht an das Verletzen dachte. Es war vielleicht etwas naiv und sicherlich könnte man ihm auch den Vorwurf machen, nicht ausreichend nachgedacht zu haben.

Dennoch sah Michael sich im Moment ohnehin nicht dazu in der Lage, jemanden ernsthaft zu verletzen. Oder gar zu töten. Natürlich, er hatte sich gerauft und anderen Schmerzen zugefügt aber da ging es nicht um Dinge wie das Erhalten von Körperteilen. Stand die Armee nicht für Schutz? Dass sie diesen zwangsläufig nicht anders erreichen konnten war ja schön und gut, dennoch musste er bis hierhin noch nicht der Verursacher für vergossenes Blut sein.
 

„Öffnet die Tore! Alle Mann ins Schiff! Beweg dich“, zischte es nach den laut gerufenen Befehlen und Michael erhielt von Berjael einen Stoß in den Rücken, fand Anschluss bei Zaphikel und Sariel, welche weitaus professioneller die Haltung wahrten. Zumindest gingen von ihnen keine hektischen Blicke aus, die Michael gerade noch in der Halle verstreute als sich die Luke des Flugschiffes hinter ihm schloss. Wie auch das letzte Mal hatte er eigentlich nicht vor, ausgerechnet mit Sariel und Zaphikel einen Raum zu teilen aber ihm blieb keine andere Wahl; dass sie bei Berjael im Schiff gelandet waren, verbesserte ihr Schicksal nicht.
 

Michael setzte sich mit einem unguten Gefühl im Bauch auf den Boden und beobachtete die weiteren Soldaten um sie herum. Wirklich, er fühlte sich nicht gut. Diese Situation drückte ihm auf den Bauch und er hatte das Gefühl, Schluckbeschwerden zu entwickeln; die Angst des Versagens kroch durch seine Venen und koppelte an den Erlebnissen des letzten Einsatzes an. Er sollte sich wirklich im Fliegen trainieren, das hatte letztes Mal unheimlich viel für zumindest ihn selbst gekostet. Warum ihm auch jedes Mal die Landung missglückte, war ohnehin die Frage. Er konnte mit seinen Schwingen nicht umgehen, sie waren zu groß für den kleinen Körper aber ob das als Grund genügte? Immerhin teilte er sich die sechs Flügel mit Luzifel, warum auch immer sie ungerecht aufgeteilt waren…
 

Ein Ruck ging durch das Flugschiff, einige Soldaten stolperten übereinander weg und hielten sich an Kameraden fest, Michael rutschte nur einen Meter weiter nach rechts, hielt sich dann an einem Stahlträger fest und zog die Beine wieder zu sich, verzog das Gesicht. Nein, ihm war wirklich nicht gut.
 

„Was ist an Sektor 47 so besonders?“, sprach dann doch der junge Rekrut mit der Augenklappe aus, was Michael gerade mit dankbarer Zurückhaltung quittierte. Nun musste er wenigstens nicht nachfragen und sparte sich die dummen Blicke, die ihn ohnehin auf Schritt und Tritt verfolgten. Dass Sariel und Zaphikel es nicht annähernd so schwer hatten, war ihm schon aufgefallen aber die Meinungen über mögliche Gründe gingen bei ihm weit auseinander. Entweder lag es an seinem Verhalten – was ja nun nicht sehr fügsam war – oder aber an dem Gewicht seines Namens; hochrangige Engel waren unbeliebt und als ‚kleiner‘ Bruder des großen Luzifel war er ohnehin mit Spott gesegnet.
 

Einer der Soldaten blickte auf Sariel, ließ die Augen dann zu Zaphikel und schließlich bis zu Michael wandern, an dessen Gesicht er hängen blieb. Warum ausgerechnet er nun wieder etwas verbrochen hatte, war ihm schleierhaft.

„Ist halt ein wichtiges Gebiet. Dämonen bedeuten Ärger, wir töten alle davon. Klappe jetzt.“

Ob das der Wahrheit entsprach, wagte Michael zu bezweifeln aber gewaltsam Informationen zu erzwingen war auch keine Option; sie würden es schon herausfinden.
 

„Wir schwärmen aus, die Flugschiffe werden aufgegeben. Bereit zum Abflug.“

Berjaels Stimme klang durch einen Lautsprecher in den Raum, ehe sie vom Rattern der sich öffnenden Luke abgelöst wurde; da wären wir wieder beim Thema Fliegen, doch es würde sich ja eh nicht vermeiden lassen.

Michael stand auf, das Schiff begann zu wackeln, ehe es wieder in ruhigeren Bahnen flog; allerdings steil nach unten, wenn er der rauschend vorbeiziehenden Umgebung Glauben schenken durfte, in welche sich die Soldaten einzeln stürzten.
 

Die Tür zur Kommandobrücke flog krachend auf und Berjaels große Gestalt zwängte sich durch den Eingang; bequem sah es nicht im Cockpit aus, doch für solche Gedanken hatte Michael nicht wirklich Zeit. Er folgte als Letzter der Soldaten, hinter ihm nur noch Berjael selbst. Ausgerechnet vor diesem wollte er ungern fliegen, doch schon stieß sich der letzte Soldat in der Schlange vor ihm hinaus und Michael spürte den Wind im Gesicht, nichts unter den Kappen seiner Stiefel; er sprang heraus, hinter ihm ein flatterndes Geräusch; Berjael hatte die Flügel ausgebreitet und war direkt hinter ihm, zeigte den Soldaten mit einer ausladenden Handbewegung an, sich zu verteilen.
 

Michael breitete die Flügel aus, ließ sich wieder vom Aufwind erfassen – und spürte eine Hand am Fußgelenk, als er kurz nach oben getragen wurde. Berjael zog ihn zu sich heran, ließ erst auf unmittelbarer Augenhöhe den immer höher gegriffenen Körper los; letzten Endes war er wieder an seiner Kehle gewesen.

„Du bleibst bei mir, auf die Scheiße vom letzten Mal hab ich keine Lust!“

Warum auch nicht, Michael fühlte sich ohnehin nicht gut damit, die Schreie hören zu müssen. Berjael war kein angenehmer Zeitgenosse und er glaubte immer noch, dass dieser ihn mit Absicht angeschossen hatte, doch mit den anderen Soldaten würde er noch eher den Tod finden.
 

Sie neigten sich dem Boden entgegen und wie erwartet stolperte er einige Schritte nach vorn, kaum dass seine Füße den Felsen erreichten, fing sich aber noch ab.

„Erbärmlich“, kommentierte Berjael dieses Gehampel und ging neben ihm in die Hocke, verbarg seine Flügel. Michael tat es ihm gleich, antwortete nicht auf die Provokation.

„Streichholz! Nimm.“ Eine Schusswaffe landete in Michaels Händen, welcher diese mit der plötzlichen Sicherheit hielt, jemanden mit einer einzigen Fingerkrümmung töten zu können. Das wollte er nicht, keine Schusswaffe, keinen Mord. Die Augen huschten zu Berjael, dem er die schwarz glänzende Waffe wieder zustecken wollte, doch dieser schob sie nur mit der Hand wieder weg.

„Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass du ohne Töten durchkommst? Nimm sie mit sonst werf‘ ich dich den Dämonen zum Fraß vor. Jetzt reiß dich zusammen und komm mit!“

„Mach die Drecksarbeit allein!“, giftete Michael zurück und folgte Berjael in gebückter Haltung; sie hatten die Dämonen längst entdeckt, umgekehrt war das hoffentlich nicht der Fall.
 

Falsch gedacht, Blut überzeugte sie vom Gegenteil. Berjael glitt um die Ecke, Michael folgte ihm mit ungutem Gefühl in der Magengegend und dem dringenden Bedürfnis, sich zu übergeben, die Pistole an sich gepresst.
 

„Streichholz!“, zischte es vor ihm und zum ersten Mal fühlte er sich wirklich grundlos angegriffen von dieser Bezeichnung, sodass ein Grollen in seiner Kehle heranwuchs und er ernsthaft in Erwägung zog, Berjael zu beseitigen. Ein Schuss in den Nacken, in den Kopf… er würde schon treffen. Dann verflog der Zorn und Michael fragte sich, wie ihn dieses simple Wort vollkommen zusammenhanglos derart hatte ärgern können; war er es nicht inzwischen gewohnt, nie bei seinem Namen genannt zu werden?
 

Wer ist wie Gott glitt es ihm durch den Kopf und wenn es nicht um einige Leben – auch sein eigenes – gehen würde, könnte er über diese Übersetzung seines Namens nur laut lachen. Gott, ja. Was er von ihrem Schöpfer halten sollte, war die nächste Frage. Blasphemie war kein Thema, als Engel konnte er schlecht behaupten, dass es keine wie auch immer gearteten übernatürlichen Wesen gab aber dennoch wollte ihm der Schöpfungsplan nicht geläufig werden.
 

„Hörst du schlecht?!“

Eine massige Hand fasste Michael am Hals, zerrte ihn herüber und riss ihn so aus den Gedanken heraus, was einige Sekunden des Sammelns abverlangte.

„Wenn ich dich rufe, kommst du gefälligst, kapiert?“

„Dann merk dir doch endlich mal meinen Namen, vielleicht fühl ich mich dann auch angesprochen!“

„Namen sind unwichtig, Streichholz.“

„Verdammt ich heiße Michael! Merk dir das, Saftsack!“

Wütend stieß er Berjaels Hand von sich fort, was diesen zum Konter animierte; er langte wieder zu, Michael wehrte mit der Pistole ab, brachte einige Meter zwischen sie. Berjael hob die Faust, Michael entfaltete seine Flügel, versperrte dem Anführer der Heerscharen somit mit der gewaltigen Masse seiner gespannten Schwingen die Sicht. Das Weiß tat weh, es war derart hell, dass es im schlecht sehenden Auge brannte und doch hegte der fast blinde Engel keinen tieferen Wunsch, als die Federn herauszureißen.
 

Er machte einen Schritt nach vorn, die Flügel des jungen Erzengels raschelten, Funken stoben hervor – die Erde bebte.
 

„Lass das! Willst du, dass sie uns entdecken?!“

„Ich mach nichts, du Geisteskranker!“

Michael zuckte nach hinten, auch seine Flügel verschwanden wieder in der aufkeimenden Panik; sein Finger huschte zum Abzug, doch Berjael war schneller bei ihm, fasste ihn am Arm und zerrte ihn ohne weitere Mühe raus aus dem Geschehen, in eine kleine Nische hinein. Über ihnen der Schatten eines unförmigen Wesens, wie groß wurden diese Dämonen nur? Michael wusste ja, dass er klein war aber im Angesicht dieser Kreaturen fühlte er sich geradezu mickrig, schrumpfte noch etwas weiter in sich zusammen. Irgendwie kam ihm diese Situation auch sehr bekannt vor, hatte er nicht schon letztes Mal mit Berjael in einer Felsspalte gehockt…?
 

„Weiter, los!“

Warum nahm er ihn eigentlich mit? Michael fühlte sich wie eine Barriere, eine Belastung, ein Klotz am Bein. Ohne ihn käme Berjael viel besser klar – Michael ohne ihn im Übrigen auch. Wie sehr er eine Person verabscheuen konnte, war ihm bisher noch gar nicht bewusst gewesen aber Berjael verkörperte auf fast zwei Meter Senkrechte alles, was ihn regelrecht auf die Palme brachte.

Während er ihm nachschlich, wuchs der Wunsch nach brechenden Knochen im Körper vor sich, er würde so gerne ein paar Gelenke verdrehen und in neue Positionen biegen, doch das ließ die Situation einfach nicht zu.
 

„Die Luft ist rein, hier lang.“

„Warum machst du das?“ Er steckte die Waffe in seinen Gürtel hinein, folgte mit einigen Bemühungen und rutschte dann einen Felsen hinab, landete neben Berjael, der ihm keinerlei Beachtung schenkte und um die nächste Ecke spähte.

„Hey, krieg ich eine Antwort?“ Michael trat nach einem Stein, kickte diesen gegen den Stiefel des Soldaten und erntete einen indirekt scharfen Blick; es war das blinde Auge, das ihn milchig weiß betrachtete.

„Was?“, war schließlich die bissige Antwort und Berjael ging weiter, gefolgt vom Erzengel.

„Diese Versteckscheiße. Deine Leute kämpfen längst und du schleichst rum wie ein Kind was sich gleich in die Hosen scheißt.“ Inzwischen war ihm klar: Auf die mickrigen Konversationsgrundsätze, an die er sich mehr schlecht als recht gehalten hatte, konnte er verzichten. Am besten einfach sagen, was einem in den Sinn kam dann entstanden keine Missverständnisse und man hatte wirklich allen Grund dazu, jemandem die Fresse zu polieren.
 

„Deiner Meinung nach sollte ich also was genau machen?“

„Deinen Arsch nach oben bewegen und dich nicht am Boden drücken, dort oben lassen Männer ihr Leben, während ihr ach-so-toller Kommandant einfach wartet, bis es vorbei ist! Was willst du hier finden? Das Tor zur Unterwelt?“

„Erraten.“

Was? In Rage geredet hatte Michael sich auf mehr gefasst gemacht, sein Körper spannte sich bereits, doch nichts deutete auf eine physische Gegenweht Berjaels, der nun nur noch weitere Schritte machte; bei den kurzen Beinen musste der Feuerengel sich beeilen, um aufzuholen.

„Sie können unmöglich in diesen Sektor eindringen, ohne dass ihnen jemand eine Schranke geöffnet hat. Das kann vor Wochen passiert sein, Fakt ist aber: Im Himmel existiert ein Verräter, ein kleiner Spion und den werde ich finden, rupfen und in diesen gottverdammten Schlund schmeißen, wo der Bastard dann den Rest seiner scheiß Unsterblichkeit verbringen kann!“
 

Michael fühlte sich mit einem Schlag unheimlich leer; hier ging es um den prophezeiten Teufel, den dunklen Sohn, Übelbringer aller schlechten Taten.

Um ihn.

Allerdings hatte er keinerlei Erinnerung daran, sich diesem Ort je genähert zu haben
 

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Zwei Tage vergingen, bisher hatten sie immerhin kein Todesopfer zu verbuchen, allerdings auch keinerlei Erfolg erzielt.

Die Verwundeten lagen in Zelten, da das Luftschiff zu Beginn abgestürzt war, hatten sie kaum Ausrüstung dabei. Natürlich könnten sie sich zurückziehen, aber der Weg war weit und der Flug würde dauern. Zu lange für die Verletzten, zu viel Verantwortung für die Übrigen.
 

Dank Berjaels Herumgeschleiche hatte Michael keinen Schaden erleiden müssen, allerdings fühlte er sich von Tag zu Tag miserabler. Ob es an den schlechten Bedingungen der Grundversorgung lag – gar keine, weder Wasser noch Nahrung war anzufinden – oder aber der fehlenden Schlafstätte und dem ungewohnt harten Steinboden oder aber der Angst, ständig entdeckt zu werden, wusste er nicht.

Jeder Schritt aus einer entfernten Richtung ließ ihn aufhorchen, bereits drei Mal wurden sie überraschend angegriffen und konnten den Angreifer besten Falls in die Flucht schlagen, nie jedoch erlegen. Allmählich machte sich Paranoia in ihm bemerkbar, er fühlte sich verfolgt und befürchtete sogar beim Pinkeln getötet zu werden. Das tat ihm nicht gut aber da musste er nun durch.
 

Wenigstens ließ ihn dieser Quälgeist von Chef im Moment in Ruhe, er nagte ohnehin arg am eigenen Zustand, plagte sich mit kurzen Aussetzern. Man könnte es auf die absolute Abwesenheit von Wasser und Nahrung schieben, aber das wusste er besser: Es gab schon öfter Zeiten, in denen er sich Tage versteckt hatte, nur um einer ohnehin kommenden Strafe aus dem Weg zu gehen; nach Prügeleien oder Vandalismus. Da hatte er auch keine Nahrung oder Flüssigkeit. Gesund war das nicht aber es hatte ihn nie in solch einen Zustand versetzt. Momentan schob er es doch noch auf den ganzen Ärger und die übertriebene Angst.
 

„hey, Kleiner. Komm mal …t mit.“ Als Michael aufblickte, stand Erimites mit seinem eigenen Körperbau an einem kleinen Pass, der aus ihrem geschützten Lager führen würde, winkte mit der Hand, an der genug Gelenke für sieben weitere Finger waren.

Mühselig kam er hoch, tastete nach der Waffe in seinem Gürtel und hatte plötzlich gar nicht mehr so viel Bedenken, einen Dämon damit zu töten.
 

„Was?“

„Suchen jetzt Wasser, kann nicht so …ter gehen.“

Michael fragte gar nicht erst, warum ausgerechnet er mitkommen sollte, er war froh um jeden Ausbruch aus diesem Sterbelager; ob wirklich jeder durchkommen würde, stand in den Sternen und die sah man von hier leider nicht.

„Wo ist Berjael…?“

„Keine Ahnung, haut immer …t mal wieder ab. Sucht was.“

„Die Pforte zur Unterwelt…“

Sein Blick gen Boden erwies sich als Fehler, er stieß gegen Erimites‘ Rücken und blickte dann auf, war dieser doch abrupt stehen geblieben, drehte sich nun betont langsam zum Rotschopf.

„Was weißt du von …t diesem Ort?“
 

Michael zögerte, blickte sich dann doch noch einmal um und fand schließlich den Blick in die unkoordinierten Augen des Größeren. Etwa 50% von Erimites nahmen Haltung an und tadelten mit dem Wissen eines Erwachsenen, eine Antwort einzufordern.

„Hier findet der große Krieg statt, stimmt‘s? Der Teufel wird sich offenbaren…“

„Verdammt richtig! Und wenn der Mistkerl hier auftaucht, dann ….t wir ihm in den Arsch!“

„Und wisst ihr, wer…?“

Erimites blickte noch einmal scharf in das Gesicht des jungen Rekruten – was angesichts der überwältigenden Eigenaktivität seiner Augäpfel eine wahre Meisterleistung war – ehe er die Hand hob und ihm das Haar tätschelte. Allerdings so zögerlich, als fürchte er ihn zu zerbrechen.
 

„Werden ihn schon …t finden, okay? Mach dir keine Sorgen, Kleiner. Bist in …ten Ordnung.“

„Ja, bin ich wohl…“ Oder auch nicht, konnte er seinem Schicksal wirklich so einfach entfliehen? Wenn es doch wirklich zu Gottes Plan gehörte, wie konnte er sich schon dagegen auflehnen? Als Erzengel gehörte er ohnehin nicht zur allgemeinen Belustigung Gottes, sie waren noch weiter außerhalb angesiedelt und erfreuten sich ohnehin dem Status von Freaks, in die trotzdem übertrieben hohe Erwartungen gelegt wurden. Und das nur wegen den Naturelementen.
 

Natürlich bekam er das Gefährlichste ab, ihm war ja auch wunderbar zu trauen. Wenn er sich recht entsann, war Raphael bei kleinen Stürmen angelangt, also irgendwo bei Windstärke neun. Uriel setzte erste Krater in kleine Berge und Jibrils Wellen konnten kleine Inseln untermauern. Und er? Schaffte es mit Müh und Not, einer Kerze Feuer zu spenden, fürchtete sich vor seiner eigenen Kraft und hatte nicht unter Kontrolle, es rechtzeitig zu beenden.

Warum hatte auch er das Feuer bekommen und nicht Luzifel? Hinter seinem Rücken liefen diese Spekulationen ohnehin weiter, keiner traute ihm.

Er traute sich ja nicht einmal selbst, wie sollte er es von anderen verlangen? Oder hatten sie ihn erst in diese Richtung gesteuert? Ach, was wusste er schon…
 

„Hey, Bewegung!“

Verdammte Tagträumereien, er musste sich wirklich auf seine Umgebung konzentrieren! Schnell schloss Michael wieder zu Erimites auf, der sich mit seinem wirklich praktischen Körper durch die vielen Felsspalten kämpfte, nur kurz nach dem Feuerengel Ausschau hielt.

„Siehst …t du? Da hinten!“

Michael stellte sich auf die Zehenspitzen, blickte nach etwa vier Kilometern Fußmarsch weiter in die Ferne – schmutzig, brackig und voller Chemie, die sonst wo herkommen mochte.

Aber es war Wasser.
 

Michael sprang den letzten Vorsprung herab, ging dann langsamer an den sich schlängelnden Fluss heran, sah weder Quelle noch Endziel, doch interessierte ihn das gerade nicht; vor seinen Augen bildeten sich wieder Flecken und er war froh, wenn er dem mit Wasser entgegenwirken konnte. Erimites blieb in seiner Nähe, schien aber weitaus misstrauischer als der junge Engel, dem sein immenser Durst jetzt erst vollkommen bewusst wurde.
 

Als sie ankamen, kniete er sich nieder und bildete mit den Händen eine kleine Schale, tauchte sie vorsichtig in das Wasser hinein. Als er etwas schöpfte, bestätigte sich der Verdacht – schmutzig und unappetitlich, jedoch nass und damit reichte es seinen Ansprüchen vollkommen.

Er neigte den Kopf zu den Händen, rechnete jedoch damit, dass etwas aus dem Flussbett nach ihm greifen und ihn hineinzerren würde, wenn seine Lippen vom Wasser benetzt wurden – nichts. Er trank ein paar ekelerregende Schlucke, schöpfte noch einmal nach und merkte auch, wie Erimites neben ihm auf die Knie ging.
 

Michael hob die Hände wieder an den Mund – und ließ das Wasser plätschernd auf seine Hose fallen, griff sich an den Hals. Wieder schnürte sich ihm die Luft ab, das kam nun schon häufiger vor und seiner trockenen Kehle konnte er bestimmt nicht die Schuld dran geben. Hustend krümmte er sich, Sand geriet ihm in den Mund, als er zur Seite kippte und am Boden liegend nach Atem rang. Die knochige Hand von Erimites berührte ihn barsch an der Schulter, riss ihn herum und schüttelte ihn. Er sah sich selbst in den großen, nach außen liegenden Augen spiegeln; ein verängstigter Blick, sein blasses Gesicht verlor allmählich alle Farbe.

Erimites schlug ihm auf die Brust, woraufhin Michael hastig einatmete, wieder hustete und den in den Zähnen knirschenden Sand ausspuckte, sich leidig auf die Seite drehte. Verdammter Mist, er würde nicht schon wieder bei Raphael enden! Nicht nach seinem letzten Ausbruch, er hatte keine Angst vor dem blonden Heiler aber er wollte sich nicht mit ihm und vermutlich Luzifer, spätestens aber Bal auseinandersetzen müssen.
 

„Verdammt, Kleiner! Hast du …t mich erschreckt!“

Erimites stand auf, schüttelte tadelnd den Kopf – dann sackte er in sich zusammen, die Beine klappten weg, Blut verteilte sich auf dem Boden. Michael wirbelte herum, kniete auf dem schmutzigen Boden und starrte auf den anderen Engel, welcher einen markerschütternden Schrei von sich gab, als ihm die Kniesehnen durchtrennt wurden. Ein schwerer Stiefel trat mehrmals auf den Rücken, es knackte, knirschte – Erimites schrie wie ein gepeinigtes Tier und Michael war nicht fähig, seine Waffe zu ziehen.
 

Erstarrt vor Angst blickte er auf die Gestalt, um dessen Gesicht ein Tuch geschlungen war; groß, breite Schultern.

Verdeckte Augen glitten zum Feuerengel, welcher auf seinem Hosenboden sitzend am Boden kauerte, die wimmernde, zuckende Gestalt seines Kameraden vor sich. Dann verschwand der plötzliche Angreifer, hinterließ nichts als Scherben einer Existenz; Knochen stachen aus Stellen, wo sie nicht rausstechen durften, Blut färbte den Dreck.

Röcheln drang hervor, erst jetzt bewegte Michael sich wieder, kroch hektisch auf ihn zu und tastete nach dem Gesicht. Warum hatten sie ihn nicht gehört? Gespürt? Wie konnte er so nah kommen?
 

„M…M…“, begann Erimites, wurde vom Kopfschütteln des überforderten Kindes unterbrochen.

„Ich hol Hilfe“, wisperte er und bettete den fremden Kopf behutsam am Boden, blickte sich hektisch um.

„Hallo? Ist hier jemand?!“ Vermutlich Dämonen aber er suchte nach Rekruten. Wie sollte er sich um ihn kümmern? Allerdings wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, ihn hier liegen zu lassen und zu hoffen, dass die Kreaturen dieser Steppe diese praktische Mahlzeit verschmähten.

„Komm… wir gehen zurück. Alles wird gut, versprochen… komm schon…“ Einen Arm des viel größeren Engels angelte er sich über die Schulter, hob Erimites dann so weit es ging an, doch das würde nicht reichen. Er schleifte über den Boden und ihn mit beiden Händen tragen war für Michael nicht machbar, der sonst nicht die Felsen erklimmen könnte. Er könnte fliegen, aber…

„Was soll ich tun?“, flüsterte er den Tränen nahe, während das Blut des anderen Engels warm über seine Hände floss. Erimites gab keinen Ton von sich, schloss nur die Augen und stöhnte schmerzlich.
 

„Durchhalten“, murmelte Michael, wohl aber mehr zu sich selbst und zog ihn dann doch langsam zu einem Vorsprung, legte ihn dort nieder. „Du wartest hier, ich hol Hilfe… ich bin gleich zurück, bitte nicht gefressen werden!“

Sorgsam nahm er Abstand und kontrollierte, ob man ihn nicht doch von gewissen Blickwinkeln erspähen könnte. Das war egal, das Blut lockte reichlich hungrige Biester an, also musste er sich wirklich beeilen und da war der Flug die auffälligste aber schnellste Variante. Sie sollten hier nicht fliegen, das Weiß ihrer Schwingen verriet sie zu schnell aber Michaels Kopf rastete ein, er dachte nur noch von Tapete bis zur Wand und entfaltete seine Flügel, hob dann ab. Wenn nur seine Augen nicht immer wieder versagen würden aber dafür blieb ihm keine Zeit, er hatte eine ungefähre Idee von de richtigen Richtung und stieß in diese vor, blickte dabei immer wieder gen Boden, um eine mögliche Regung ausmachen zu können, sah ihn dann aber tatsächlich erst, kurz bevor er ihn selber vom Himmel pflücken würde; Berjael stieß wütend zu ihm auf, griff nach dem Kragen des kleinen Engels und holte Luft, um ihn scheinbar anzuschnauzen, als er sich des Bluts gewahr wurde. Ein Blick in Michaels Augen, die Sonne brach sich an ihnen vorbei.
 

Schimmerndes Gold sah ihn verzweifelt an.

Langsam ließ er ihn los, doch nun war es an Michael ihn am Kragen zu fassen und zu sich zu ziehen, hilflos das vernarbte Gesicht zu berühren.

„Hilfe, er stirbt! Schnell!“

Und schon wandte er sich ab, doch Berjael machte keine Anstalten, ihm zu folgen, hob eine noch halb vorhandene Augenbraue an.

„Wer?“

„Erimites! Wir wurden angegriffen, bitte!“

Wut keimte in Michael auf, warum folgte er nicht endlich? Es ging um ein Leben und nicht den verdammten Dickschädel des eigensinnigen Soldaten, welcher sich dann doch bequemte und Michael folgte – am Boden und der Rothaarige wurde sich darüber bewusst, dass er auch besser im Laufen beraten war.

„Kindischer Bock!“, fauchte er Berjael an, schlug mit der Hand nach hinten und schickte so einen kleinen Feuerstoß in seine Richtung, während er sich keuchend durch die vielen Felsen kämpfte, nun gefolgt von den seinem Tempo angepassten Schritten Berjaels, der ihm nachrannte.
 

Michael erreichte den Vorsprung mit ungutem Gefühl, dich Erimites lag noch dort, die Gesichtsfarbe irgendwo im Bereich einer mit Asche bedeckten Leiche ähnelnd, flach atmend.

Als er die Augen öffnete, stand dort Berjael, direkt neben dem kleinen, nach Luft ringenden Feuerengel, der einem Zusammenbruch nahe schien. Vermutlich würde er ihn bald erleiden.
 

Er wusste nicht, ob er erleichtert sein sollte aber Berjael kniete sich zum Soldaten herab, legte die Hand auf seine Brust und beugte sich zu seinem Mund. Er konnte sie nicht verstehen, doch beim Sprechen spuckte Erimites Blut, röchelte erbärmlich.

Dann plötzlich erhob sich der Anführer, wandte sich zu Michael – und schlug ihm die Faust ins Gesicht, woraufhin der kleine Körper auf den steinigen Boden prallte. Blut lief aus seiner Nase, die mal wieder gebrochen schien.

Er blickte auf, wurde jedoch bereits nach oben gezerrt und auf die Füße gestellt. Berjael fasste ihm an den Gürtel, zerrte die Waffe hervor und schob sie in eine Halterung an seiner eigenen Hose, dann zog er Michael zum zerschmetterten – und weniger war es einfach nicht – Körper des blutenden Engels, zwang ihn auf die Knie.
 

„Du beendest es.“

„Was?!“ Ja, was? Was sollte er beenden? Michael drehte sich auf den Knien, hatte Berjael doch tatsächlich hinter ihm Stellung bezogen, den Kleineren so zwischen sich und Erimites eingesperrt. Er kniete ebenfalls, allerdings tat das seiner massigen Gestalt keinen Abbruch. Wütend zog er die Augen zusammen, drehte Michaels Kopf mit Gewalt zurück, zwang ihn zu diesem Anblick.
 

„Du hast nicht reagiert, stimmt‘s? Hast zugesehen.“

„Nein, ich…“

„Lüg mich nicht an! Was bitte konnte ihn derart zurichten? Du bist vorbereitet, kein Dämon hier konnte das mit ihm anstellen, ohne ihn umzubringen also hättest du helfen können! Was also war derart schockierend, dass ein Kamerad durch dich seinen Tod finden muss?!“

„Aber…“

Wieder schlug er ihm ins Gesicht, dieses Mal fühlte sein Kopf sich an, als würde er von den Schultern gerissen werden und Michael fühlte sich benommen, hielt sich die Wange, doch da wurden seine Hände schon gepackt und nach unten gedrückt. Nein, das würde er nicht tun; niemals, er konnte nicht!
 

„Du bringst es zu Ende, er wird sich nicht zu Tode quälen“, zischte es an seinem Ohr und wieder liefen Tränen über die kindlichen Wangen, als seine Hände sich unter Begleitung der viel größeren Berjaels an den Hals vor ihm legten. Bitte nicht, er konnte das nicht tun. Es musste doch noch eine andere Möglichkeit geben!

„Wenn wir ihn zu Raphael…“

„Hervorragend“, höhnte es an seinem Ohr und jeder Buchstabe brannte wie ein Peitschenhieb.

„Sag mir doch, wie wir diese Strecke in wenigen Minuten bewältigen sollen weil sehr viel mehr Zeit bleibt ihm nicht. Jetzt sieh ihm in die Augen und verabschiede dich, Michael.“

„nein“, wisperte er, starrte dennoch in die Augen von Erimites, in denen er gerade keine Regung lesen konnte; Hass, Wut, Enttäuschung…

„Dumm… ter Junge“, spuckte er hervor, verzog den Mund zu einem verzerrten Lächeln – dann zog Berjael seine Hände in einer Schnelle Bewegung in entgegengesetzte Richtungen und das Genick vor ihm brach ohne weiteren Widerstand.
 

Schlagartig durchfuhr ihn ein bebendes Zittern, er wand sich aus der Umklammerung hinter ihm und stieß sich von den beiden Personen weg, wankte ein paar Schritte vor – und erbrach sich endgültig auf den Boden, während ein tiefes Wimmern in seiner Kehle steckte. Das Gefühl kam nicht von seinen Händen weg, er hatte einen Tod herbeigeführt – ob nun auf Befehl und unter gewaltsamer Beihilfe war ihm vollkommen egal und so taumelte er noch ein paar Schritte vor, sank jedoch auf die Knie und klammerte die krampfenden Arme um seinen Bauch.

Neben ihm fiel die Waffe in den Dreck, Berjael gab ein leises „Tz“ von sich und entfernte sich mit langsamen Schritten, blieb nur kurz stehen.
 

„Wir brechen das Lager ab, hilf beim Abbauen. Und dann erzählst du Emhom und dem Rest, was du getan hast.“

Nein, das würde er nicht. Er würde gehen, die Armee verlassen.

Und wenn das nur durch seinen Tod zu erreichen war, sollte es eben so sein.
 

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Woah fertig *-*

Ich hab so lange auf das Kapitel gewartet und jetzt ist es vorbei, verdammt XD aber jetzt geht der Spaß ja erst los tihihi :D
 

Na gibt es irgendwo da draußen trotzdem Berjael-Fans? Einen kenn ich, bei ihr steht sein gezeichnetes Bild auf dem Regal und ihr widme ich auch das Kapitel, weil ich ohne die vielen Popokicks nie in den Quark gekommen wäre
 

Danke, Mad-Panda



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mangacrack
2013-01-06T10:53:03+00:00 06.01.2013 11:53
Michael ;_; ... es ist rührend zu sehen, wie er nicht töten will.
Aber er wird und er muss. Ich bewundere dich! Nur frage ich mich wie er von dieser Einstellung zu der kommt, dass Engel zum kämpfen geschaffen wurden (wobei er ja Recht hat). Auch nett zu sehen ist, dass Michael den Umgang mit Waffen nicht im Blut hat.
Dennoch ... jetzt wo es einen Verräter im Himmel gibt (und Michael denkt es sei ER SELBST) werden eines Tages seine Kräfte erwachen *sich vorstellt wie Michael Berjael niederbrennt*
Die Zwei haben echt Kommunikationsschwierigkeiten.


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