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100-Storys

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95 Vater (eigene Serie)

Es war lange her, dass ich zu Hause bei meinen Eltern gewesen war. Aber irgendwie hatte mir die Zeit gefehlt mich in den Flieger zu setzen und von Amerika zurück nach Europa zu fliegen. Eigentlich hatte ich aber wohl auch einfach nicht den Mumm dazu mich meinem Vater gegenüber zustellen.
 

Damals, als ich entschieden hatte, im Ausland zu studieren, hatten wir uns im Streit getrennt und seit dem kein Wort mehr miteinander gesprochen. Anfangs hatte ich ein oder zwei mal in der Woche mit meiner Mutter telefoniert, doch auch das war mit der Zeit zur Seltenheit geworden, bis es ganz wegfiel. Irgendwann hatte es mich aber auch nicht mehr gestört.
 

Heute war ich nun nach langer Zeit wieder einmal zurückgekehrt. Eigentlich nur aus reiner Höflichkeit, war ich überhaupt vorbeigekommen. Immerhin war ich in der Nähe und Mutter würde sich sicher freuen. Bei meinem Vater war ich mir da nicht ganz so sicher.
 

Langsam schlurfte ich die Einfahrt endlang. Wie oft war ich sie in meiner Kindheit nach der Schule hinauf gerannt, nur um meiner Mutter mitzuteilen, dass ich bei einem Freund zu Mittag essen und ich erst später heim kommen würde. Mein Vater war dann oft nicht zu Hause, manchmal kam er ja sogar noch nach mir daheim an, obwohl ich meistens auch nicht gerade früh dran war.
 

Eigentlich hatte mein Vater allgemein nicht sehr viel von meiner Kindheit mitbekommen. Oft war er viel zu lange auf der Arbeit oder wegen irgendetwas anderem nicht zu Hause. Die Familie war ihm nie wirklich wichtig. Erst als es darum ging, wo und was ich studieren sollte, wurde ich auf einmal interessant, doch bis dahin hatte ich schon längst meinen eigenen Kopf und ließ mir gerade von ihm gar nichts sagen. Wegen der Frage, auf welche Uni ich gehen sollte, haben wir uns dann zerstritten und bis jetzt nicht versöhnt. Ich wollte dazu einmal den ersten Schritt tun.
 

Ich drückte auf die Klingel und hoffte sehr, dass nicht unbedingt gleich mein Vater öffnen würde. Meine Gebete wurden scheinbar sogar erhört. Denn als die Tür aufging, war es meine Mutter, die dort stand. Verwirrt sah sie mich an, als ob sie ihren eigenen Sohn nicht erkennen würde.
 

„Mark, was machst du denn hier?“

Ja, unser Abschied damals, war nicht unbedingt so perfekt verlaufen, wie er verlaufen hätte können. Aber war dass dann die richtige Begrüßung?
 

„Ach Gottchen, tut mir Leid… Komm doch erst mal rein…“

Es wunderte mich etwas, dass Vater nicht schon längst wissen wollte, wer den an der Tür wäre. Aber womöglich war er – einmal mehr – nicht zu Hause. Eigentlich war er schon längst über siebzig, aber das hielt ihn wohl nicht davon ab, noch fleißig anderen bei der Arbeit zu helfen. Schon früher hielt ihn nichts ab, irgendwo mit zu arbeiten.
 

Ich durfte es mir in der Küche bequem machen, an meinem alten Platz neben dem Kamin. Gut konnte ich mich noch an die kalten Winter erinnern, wenn schön warm eingeheizt war. Dann war das hier der beste Platz.
 

Doch irgendetwas stimmte nicht. Nur konnte ich einfach nicht feststellen, was es war.
 

„Möchtest du ein Glas Orangensaft? Ganz frisch gepresst“, fragte mich meine Mutter und blickte mich mit ihren treuen Augen an. Aber auch an denen Stimmte etwas nicht. Irgendwie lag eine gewisse Trauer darin.
 

„Gerne“, antwortete ich, während ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ. Nichts wirkte verändert.
 

„Wo ist denn Vater?“, wollte ich schließlich wissen, als mir meine Mutter das Glas Saft hinstellte. Sie blickte mich an, als ob sie ein Gespenst gesehen hätte.
 

„Deine Schwester hat doch gesagt, sie wollte dir bescheid sagen…“ - Ich sah, wie Tränen über ihre Wangen hinunterliefen. – „Bist du deswegen nicht zur Beerdigung gekommen?“
 

Ich war verwirrt. Könnte es sein, dass…? Nein. Das würde er mir nicht antun! Zwar hatten wir nie so ein gutes Verhältnis, wie ich und meine Mutter, aber so grausam wäre er nicht zu mir. Er würde doch nicht einfach sterben, ohne dass wir uns verziehen hätten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  TommyGunArts
2012-02-05T11:28:42+00:00 05.02.2012 12:28
Zu Anfang mag ich sagen, dass mir die Geschichte an sich gut gefällt. Die Idee ist traurig, aber irgendwie sehr realitätsgetreuen, weil man oft nicht die Chance hat, sich mit einem Menschen auszusprechen, bevor er stirbt. So ist das leider oft. Deshalb ist es auch gerade so wichtig für mich, mich nie im Streit von jemandem für länger zu entfernen, wenn ich ihn eigentlich sehr gerne habe.
Denn schließlich können wir nie sagen, wie lange wir noch haben...

Soo, jetzt aber zum Schreibtechnischen! Leider finden sich sehr viele Fehler im Text. Ich habe jetzt nur zusätzlich noch die rausgeschrieben, die Joker nicht genannt hat:
Wie oft war ich sie in meiner Kindheit nach der Schule hinauf gerannt, nur um meiner Mutter mitzuteilen, dass ich bei einem Freund zu Mittag essen würde und ich erst später heim kommen würde.
-> Hier reicht das würde am ende des Satzes. Das nach essen kannst du weglassen.

daheim
-> Ich glaube Daheim schreibt man groß.

wie er verlaufen hätte können
-> wie er hätte verlaufen können klingt besser^^

Nicht wirkte verändert.
-> hier hast du ein s vergessen ;)

Auch die vielen Absätze sind etwas störend, weil man Absätze eigentlich dann macht, wenn im Text auf etwas neues Bezug genommen wird. Hier würden ein paar weniger Absätze besser passen ;)
Dennoch gefällt mir dein Schreibstil an sich und die Art, wie du Sätze formulierst.
Auch die Geschichte insgesamt gefällt mir gut und reißt mich auf jeden Fall mit, gerade weil du so nah an der Realität schreibst.
lg
E. Ternity
~present for you~
Von:  _-THE_JOKER-_
2012-02-04T16:35:30+00:00 04.02.2012 17:35
Toll,
ehrlich gut.
Die Idee finde ich sehr schön, auch wenn ich es mir schon die ganze Zeit dachte und es nicht überraschend war ist es echt wunderbar.
Ich habe für diese Art von Geschichte einfach was übrig, da hast du genau meinen Geschmack getroffen.

So und nun zu den Fehlern:

Anfangs hatte ich immer einmal mit meiner Mutter telefoniert,

Immer einmal was, am Tag, im Monat oder Jahr? Das solltest du noch ergänzen.

Eigentlich nur aus reiner Höflichkeit heraus, war ich überhaupt vorbeigekommen.

Lass das heraus weg, klingt ohne besser. Am besten stellst du den Satz auch um, etwa so:
Eigentlich war ich überhaupt nur aus reiner Höflichkeit vorbeigekommen.


Oft war er viel zu lange in der Arbeit oder wegen irgendetwas anderem nicht zu Hause.
Auf der Arbeit nicht in.

Aber jetzt muss ich nochmal was zum Ende sagen, denn das ist einfach der Wahnsinn, da hast du wirklich super abgeschossen und dabei klingt es wirklich als würde es aus dem Leben stammen und es nimmt eine mit.

Sehr gute Arbeit,
bis jetzt das beste was ich von dir gelesen habe,
lg joker
~present for you~
Von: abgemeldet
2011-06-04T10:00:58+00:00 04.06.2011 12:00
So banal wie manchmal das leben verläuft und doch so voller Gefühl.
Es muss furchtbar sein, sich nicht von seinem Vater oder anderen geliebten Menschen nicht verabschieden zu können, und einfach grausam, wenn man sich das letzte Mal im Streit getrennt hat.
Mir tut der Protagonist sehr, sehr leid.

Schön und gefühlvoll geschrieben.

Nur eine kleine Anmerkung, auf der ersten Seite ist STREIT falsch geschrieben.
Sonst aber nichts zu meckern:)


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