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Katatonia Sleep

Darkfiction
von

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Vorwelt

Blut. – Überall Blut.

Meg wusste nicht, ob es sein Eigenes war, aber der singende Schmerz in seinem Kopf hatte sich verstärkt.

Für eine kurze Zeit war Meg sich nicht sicher, wo er sich befand, aber eines war ihm klar: Der Dämon musste ihn betrogen haben. Er hatte ihn hier unten alleine gelassen.

Irgendwie war das ja typisch. Eine kurze Zeit verfluchte Meg sich selbst, denn so etwas geschah ihm jedes Mal ohne, dass er es kommen sah, oder sich dagegen wehren konnte.

Er wischte sich erneut ein rotes Rinnsaal aus dem Gesicht, dass wie eine Träne sein Kinn herab lief. Nicht nur die Kopfschmerzen störten jetzt. Meg fühlte sich generell elend. – In jeder Hinsicht.

Alles war zu einem schwarzen Nebel verschwommen und Erinnerungen streiften Megs Geist.

Was war, wenn er schon tot war?

Sein Kopf schmerzte höllisch bei diesem Gedanken, also konnte es wohl nicht so sein. „Tote fühlen keinen Schmerz.“ Immer wieder versuchte Meg sich das ein zu reden, aber es beruhigte ihn nicht wirklich.

Ob es sich wohl so anfühlen mochte, wenn man ungebremst eine lange Treppe hinunter fiel? Wieso dachte er so plötzlich an solch unwichtige Kleinigkeiten?

Meg schloss die Augen und hörte seinen eigenen beschleunigten Atem und das Blut in seinem Kopf rauschen. Er hatte bisher viele Einbildungen gehabt, aber er wollte sich nicht einreden, dass diese Gefühle und Eindrücke ebenfalls Illusion sein konnten. Er lebte. Er musste einfach leben. Er musste seinem Vater beweisen, dass er kein Verlierer war. Das war er sich selber schuldig.

„Könntest du seinen Anblick nach all dem, was geschehen ist überhaupt noch ertragen? Oder den deiner Mutter?“, kam es Meg in den Sinn und er schüttelte sich, um die Echos in seinem Kopf ab zu wehren.

Es war vermutlich gut so, dass ihm das nun wieder deutlich besser gelang. Vielleicht, weil ihr Flüstern in dieser Welt nun wieder verstummt war.

Als Meg die Augen öffnete, befand er sich wieder in jenem Keller. Er hatte viele Stunden seines Lebens hier unten verbracht, sodass er nicht erst eine klare Sicht auf die grauen Wände aus abgesplittertem Beton brauchte, um den Ort wieder zu erkennen. Der Geruch nach uraltem Staub und Chitin reichte vollständig aus.

Wieso der Duft hier dermaßen einzigartig war, wusste Meg nicht. Aber er wusste, dass es aus diesem Raum kein Entrinnen geben würde, solange „er“ es nicht wollte.

Meg würde hier bleiben – eingesperrt, wie ein kleines Kind - und kauerte sich auf den Boden, der nur teilweise gefliest war und größtenteils dick mit Erde und grauen Staubmäusen bedeckt war.

Hier brannte nur eine einzige flackernde Lampe, die den Keller dann und wann in ein elektrisches Zwielicht tauchte, als würde die Bühnenbeleuchtung einer Diskothek in Zeitlupe arbeiten.

Meg konnte nichts anderes tun, als warten. Es war zwecklos die grob gebaute, hölzerne Treppe hinauf zu steigen. Die Tür war abgeschlossen. – Er brauchte sich nicht extra zu vergewissern.

Er fuhr mit den Händen vor sein Gesicht und wippte leicht mit dem Oberkörper vor und zurück.

Hier unten. – Genau hier unten hatte jenen Teil seines Verstandes gelassen, der für diesen Alptraum verantwortlich war.

Blut tropfte Mittlerweile aus seinen Fingernägeln, aus seinen Augen und aus seinem Mundwinkel. Meg spürte es kaum.

Er hob den Blick und sah die Holztreppe hinauf, die seltsam farbig gegen die graue Wirklichkeit des Kellers erschien.

Komischerweise fühlte Meg sich hier unten halbwegs sicher. Hier spürte er den nagenden Terror in seiner eigenen Seele, aber er war sicher vor allen Einflüssen von außerhalb.

Auf eine gewisse Art und Weise machte das diesen Ort friedlich und beinahe heilig. Es war die Kathedrale seines eigenen Schmerzes.

Alles war voller Staub. Hier unten war das allerdings in Ordnung. – Der Staub gehörte einfach hier hin. Hier gab es keine Monster. Oder doch?

Es war im Prinzip egal, da Meg sich sicher war, dass der Schattendämon ihn genau hier hatte hin führen wollen. Hier unten war er sicher.

Er hatte sich den Wünschen seiner Dämonen zumindest einstweilen gefügt. Nun blieb nur noch ab zu warten, was sie weiter mit ihm vorhaben mochten.

Er hatte es in jedem Fall verdient. Hier musste er für seine Sünden bezahlen.

Wie oft hatte sein Vater ihn hier eingesperrt? – Es war eigentlich gleichgültig. – Es war schon in Ordnung. Er hatte ihn genau so oft hier unten deponiert, wie er ihn geschlagen hatte. - Das war schon okay.

Jeder Vater schlug seinen Sohn dann und wann. Nur so konnte man Stärke erlangen.

Die Blutlache, die über den abschüssigen Boden direkt auf die Treppe zulief, hatte mittlerweile eine beträchtliche Größe angenommen und Meg bemerkte, dass er nun nicht mehr weinte.

Die Angst war einem Gefühl der Leere gewichen. Der Schmerz in seinem Kopf einer lähmenden Taubheit. Meg stand auf und sah sich weiter um.

Er betrachtete die Wände, die dann und wann im Licht der Lampe aufflackerten und auf denen noch nach Jahren die Spuren seiner eigenen Fingernägel zu sehen waren.

Es war lange her, dass die Dunkelheit Panikattacken bei ihm ausgelöst hatte. Hier unten war das etwas Anderes. – Hier unten waren die Schatten lebendig.

Meg fuhr mit einer Hand die feinen Kratzer ab, die mittlerweile viel zu klein für seine eigene Hand waren.

War das alles wirklich schon so viele Jahre her? Er konnte sich kaum noch an die Gesichter aus jener Zeit erinnern. Mit einem leichten Schauer fiel Meg auf, dass er nicht einmal mehr in der Lage war sich das Gesicht seines eigenen Vaters in seinen Einzelheiten vor zu stellen.

Er legte die Hand auf den warmen Felsen, der ihm vorkam, wie ein lebendiges Tier.

Dann war plötzlich ein lautes Klicken im oberen Stockwerk zu hören.

Auch heute noch kannte Meg das Geräusch des Kellerschlüssels, der sich im Schloss drehte und der die feine Barriere zurückschob, die ihn hier unten hielt.

Es hatte ihn bis in seine Träume hinein verfolgt und es bedeutete Erlösung.

Meg schloss die Augen und wartete eine Weile, wie er es immer getan hatte. Er wollte seinem Vater nicht ins Gesicht sehen, sobald er den Keller verlassen hatte. – Nicht, nachdem er schon wieder gegen ihn verloren hatte.

Dies war der Schmerz und er war real. Es war der Weg den er selbst gegangen war. Dieser Weg war der Verlust seiner Kindheit.

Meg betrachtete erneut die Blutlache. Er würde sie überwinden müssen, wenn er nach oben wollte.

Er hatte Blut noch nie unangenehm empfunden. – Ganz im Gegenteil. Lange Zeit hatte er eine seltsame Faszination für Blut und Wunden empfunden. Er hatte sicherlich mehr Splatter-Filme in seinem Regal stehen, als jeder Durchschnittmensch. Wenn Andere schon fast nicht mehr hinschauen konnten, lachte er immer noch.

Er hatte sich lange genug selbst geritzt und sich lange genug Spritzen gesetzt, um die scheu vor echtem Blut zu verlieren.

Trotzdem stand er nun hier und zögerte. Er wusste nicht, wieso das so war. Dieses Blut hier hatte eine bestimmte Bedeutung, an die er nicht denken wollte.

Langsam und bedächtig setzte Meg einen Fuß vor den Anderen und das leicht angetrocknete Blut blieb an seiner Schuhsohle kleben, als er den ersten Fuß auf die Treppe setzte.

Er atmete tief durch. – Dann ging er die Stufen der Treppe hinauf ohne sich um zu blicken. Er hinterließ dabei blutige Fußstapfen in Jahrzehnte altem Staub. Da kein Geländer vorhanden war, tastete Meg sich mit einer Hand suchend an der Wand entlang.

Als er die oberste Stufe erreicht hatte, hielt er noch einmal kurz inne und legte seine Hand auf den Türgriff. Ein Kribbeln im Nachen, verriet nichts Gutes. Etwas hier stimmte ganz und gar nicht. Meg wandte sich noch einmal um.

Am Fuße der Treppe war die Blutlache beinahe geronnen und an ein paar Stellen konnte man die Klumpen des getrockneten Blutes im zuckenden Licht erkennen, wie dunkle Felsen in einem schwarzen See. – Aber was viel schlimmer war, war die Tatsache, dass sich dort eine schwarze menschliche Gestalt befand, deren Glieder unnatürlich verrenkt im Blut lagen.

Meg kniff die Augen zusammen.

Die Kreatur ähnelte ihm. Es hätte der Schatten sein können. Vielleicht.

Langsam hob das Wesen einen Arm aus der Lache und legte die knöchrige Hand auf die unterste Treppenstufe. Dann zog es die Andere nach und gab einen seltsamen gutturalen Ton von sich, als habe es große Schmerzen bei diesen Bewegungen.

Meg war wie fest gefroren, als das Wesen den Blick hob und ihm direkt in die Augen sah.

Meg kannte dieses Gesicht. Er kannte diesen Körper, wenn er auch jetzt schwarz und entstellt war. Vor allem aber kannte er die eisblauen Augen, die er selbst jeden Morgen im Spiegel sah.

Seine Mutter hatte einmal behauptet, sie seien das einzig Schöne, dass Meg von seinem Vater geerbt hatte und die Kreatur, die mit seltsam spinnenhaften Bewegungen die Treppe hinauf gekrochen kam, war sein Vater.

„Nein.“, flüsterte Meg und schaffte es kaum seine erstarrte Hand hinunter zu drücken, um die Kellertür zu öffnen, während das schwarze Wesen seine Geschwindigkeit noch erhöhte.

- Einmal aus der Erstarrung befreit, rannte Meg.

Er rannte durch den kleinen Flur des Hauses 128 in der Pine-Street, dem Haus seiner Kindheit, und hörte kurze Zeit später das infernalische Knallen der Kellertür, die von der Kreatur aus den Angeln gerissen worden sein musste.

Meg riss auf seinem Weg Jacken und Schals von dem Kleiderhaken, der kurz vor der Wohnungstür seit jeher angebracht war.

Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass die Kreatur ihn verfolgte. Er musste nicht stehen bleiben, um zu wissen, dass es sein Tod wäre, wenn es ihn erwischte.

Meg kam sich viel zu langsam vor, während er auf die Glastür des Eingangs zuhielt. Nun hörte er hinter sich bereits das wütende Schnauben des gequälten Wesens.

Die Tür war abgeschlossen. Verdammt! Meg schlug blind vor Wut gegen den Metallrahmen, während seine andere Hand immer und immer wieder die Klinke herunter drückte.

Nichts bewegte sich. Bald würde sein Vater hier sein.

Meg schloss die Augen, holte tief Luft und warf sich mit dem Ellenbogen voraus gegen die Tür. – ein ohrenbetäubender Knall. Dann spürte Meg, wie einzelne Glassplitter durch seinen Arm schnitten. Es schmerzte weniger, als er erwartet hätte. „Zu viel Adrenalin.“, schoss es ihm durch denn Kopf. Dann stolperte er durch die Tür auf die Straße. Zumindest glaubte er, dass er durch die Tür dort hin gelangen musste, doch er war nicht auf der Straße. Hinter ihm war auch nicht mehr das Haus seiner Familie.

Als Meg den Blick zurück warf, sah er hinter sich die schwarze Kreatur durch einen schneeweißen Schulkorridor kriechen. Sie bewegte auf allen Vieren und zog dabei ein Bein in einer verdrehten Art nach, die es beim Vorwärtskommen eher behinderte.

Als die Kreatur Megs Blick spürte, hob auch sie den Blick und hielt kurz inne.

Meg erwartete ein Wort, ein Fauchen, irgendetwas, aber der Blick blieb vollkommen versteinert auf ihn gerichtet.

Wozu sollte das Wesen ihm noch das Unvermeidbare klar machen? Es würde ihn umbringen. Das war auch ohne große Gesten vollkommen klar. Meg schoss durch den Kopf, dass auch ein Raubtier kaum das erbarmungswürdige Beutetier bedrohen würde, das im Begriff war von ihm gefressen zu werden.

Meg war nicht in der Lage sich zu wehren. Er drehte sich um und rannte. Über ihm schossen die hellen Neonlichter seiner alten Schule hinweg, dann verloschen auch sie. Es wurde dunkel.

Meg lief durch eine schwarze Wand und tastete sich an der Wand des Korridors entlang, wie ein Blinder. Irgendwo hörte Meg das Stöhnen und Atmen der Kreatur.

Er konnte nur hoffen, dass sie noch hinter ihm war. Vielleicht hatte sie ihren Weg geändert und schnitt ihm nun von vorne den Weg ab. Meg musste seine letzte Kraft aufbringen, um über diesen Gedanken nicht wahnsinnig zu werden.

Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er sah die Schatten von Bücherregalen und zugenagelten Fenstern. Hatte seine Schule nicht vor ein paar Jahren den Dienst eingestellt. Dies hier waren nur die Ruinen der Vergangenheit. Hier gab es nichts mehr, als Erinnerungen und Geister.

Vollkommen unvermittelt wurde Meg von hinten gepackt. Scharfe Fingerspitzen bohrten sich in seinen Hals und schnitten ihm die Luft ab.

Dann wurde er zu Boden geschleudert. Im Halbdunkel sah Meg die Augen seines Vaters leuchten. Er spürte einen Schlag im Gesicht und im selben Moment lockerte sich die Hand an seinem Hals, da die Kreatur offensichtlich all seine Aufmerksamkeit in den schlagenden Arm gerichtet hatte. Meg nutzte die unvermutete Gelegenheit, um beide Arme mit aller Kraft vor zu stemmen.

Das Wesen taumelte zurück. Vielleicht hatte es nicht mit Gegenwehr gerechnet. Leise zischend hielt es kurz inne, während Meg keine Sekunde verlor, um weiter zu fliehen. – Er rannte einfach weiter auf das Licht zu, dass sich zunächst sachte und schließlich immer deutlicher im Gang vor ihm abzeichnete. Vorbei an Zimmer 123... 124... 125 und weiter dem hellen Schein entgegen von dem Meg instinktiv wusste, dass es seine Rettung sein würde... 126...

Die Schatten erschienen ihm wie die Dämonen der Schüler aus längst vergangenen Tagen, sein zerschnittener Arm brannte mittlerweile höllisch und Blut sickerte durch den schwarzen Stoff seines Pullovers. ...127...

Das Licht. Es umschloss ihn. – Umstrahlte ihn. Alles wurde gleißend weiß.

Meg wusste nicht, was ihn dahinter erwarten mochte, aber kurz glaubte er das Quietschen von Autoreifen zu hören. Vielleicht war er gestorben. 128.

Ilone. – Es wäre so schön gewesen, sie noch einmal sehen zu können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  DemonhounD
2010-10-27T20:00:53+00:00 27.10.2010 22:00
niarharharharhar. ^^ Ich weiß noch, dass ich eigentlich nur eine ganz vage Vorstellung hatte, wie das Ende in seinen EINZELHEITEN geschehen sollte, deswegen ist es hier vielleicht interessant zu sagen, dass mir erst, als ich dieses Kapitel geschrieben habe erst wirklich bewusst geworden ist, wie genau sich das Ganze abgespielt hat.
- Erst wollte ich ja, dass Meg seinen Vater einfach stumpf kalt gemacht hat. Ich bin froh, dass ich einen anderen Weg gefunden habe den Vater-Sohn-Aspekt auf die Spitze zu treiben, denn der erstere Weg wäre etwas zu "klassisch" gewesen. (Ich denke, so wäre es in "Silent Hill" gewesen.)

hehehe^^ Das mit den Verfolgern war allerdings wieder eine Silent-Hill-Adaption.
Ich habe während ich dies geschrieben habe "Shattered Memories" gespielt und da tut man eigentlich die ganze Zeit über nichts anderes, als vor übermächtigen Monstern weglaufen. ^^

Mhm... den Exorzisten kenne ich nicht (Lücke in der Allgemeinbildung!!!) ^^ Aber du hast bestimmt Recht.
Von:  freddy
2010-05-30T18:23:21+00:00 30.05.2010 20:23
Dass du den Gedanken an das hinab stürzen einer Kellertreppe so geschickt hier rein geschrieben hast ist prima. Beim ersten Mal lesen „überliest“ man das eigentlich oder macht sich zumindest keine Gedanken darüber. Aber wenn man das Ende schon kennt wird einem erstmals richtig bewusst wie geschickt du die Andeutungen in den Kapitel verteilt hast. Respekt!

Und schon wieder schreibst du so was grusliges. Also wirklich. Als Meg's Vater mit verrenkten Gliedern die Treppe hochkommt musst ich kurz an den Exorzisten denken - obwohl es da ja eine Frau ist und sie die Treppe runter kommt.
Und dann dieser typische Alptraum. Man wird verfolgt und rennt und rennt und rennt aber der Verfolger scheint einfach schneller zu sein.
Du hast wunderbar die Spannung aufgebaut. Man fiebert schon richtig mit. Ich zumindest. XD


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