Das Gehör und der Kaffee
In meiner Uni findet derzeit eine dreitägige Tagung statt. Nicht im bereich Chemie, das würde ich wissen. Der gesamte Hauptflur ist voller Stehtische mit netten Dekosachen, Fressalien, Getränken, dazwischen lauter sehr professionelle Firmenstände. Eine Tagung, wie sie im Buche steht und das sehr gut organisiert und sehr hochwertig. Man sieht auch, dass die Firmen viel Geld haben und auf ihr Image Wert legen. Die Teilnehmer sehen auch alle sehr gebildet und Buisnessclass aus.
Nun, was ist das vom Thema her für eine Tagung? Wenn man so von Stand zu Stand zu Stand geht, bekommt man langsam eine Vorstellung, um was es gehen muss: Kaffee. Jeder Stand hat einen eigenen Kaffeevollautomaten und bietet Kaffee an. Dabei fällt auch auf, dass die Vollautomaten alle unterschiedlich sind, d.h. es würde passen, dass es konkurrierende Firmen für Kaffeevollautomaten sind. Der eine Stand hat sogar ein Upgrade zur Saftbar. Der eine Stand mit dem aufwenigsten selbstleuchtenden Riesenaufsteller hat sogar auf diesem eine Abbildung von ein paar Businessleuten, die Kaffee trinken. Zusammen, auch wieder passend optisch (Becher + Automat) zum real davorstehenden Automaten.
Aber macht das Sinn? In einer Universität eine Werbeveranstaltung für Kaffeevollautomaten zu machen? Nein, natürlich nicht. Man muss schon bis nach hinten durchgehen, um zu erfahren, worum es wirklich geht. Da stehen Wände mit wissenschaftlichen Postern, die Forschungsarbeiten vorstellen. Da ist plötzlich kein Kaffee mehr und es dreht sich alles nur noch um die physikalische Disziplin "Akustik". Mit diesem Wissen sieht man zwischen all den Kaffeeautomaten auch hier und da mal ein kleines Hörgerät.
Da frage ich mich zwei Dinge:
- Ist Kaffeekonsum unabdingbar für die Fähigkeit zu hören?
- Ist das Thema an sich entweder zu langweilig oder zu schlecht zu bebildern, sodass man lieber Kaffee abbildet/aufstellt?
Ich war schon auf einigen Konferenzen, aber bisher konnte man immer erkennen, dass es nicht um Kaffee geht. Und ich halte Akustik für ein auch visuell gut darstellbares Thema, sodass ich das Ausweichen zum koffeinhaltigen Heißgetränk sehr befremdlich finde. Zumal ich auch diverse Leute kenne, die mit Kaffee direkt Ekel verbinden, weil sie ihn als so schlecht schmeckend empfinden. Ich hätte Bedenken, mein Unternehmen also nur damit zuzupflastern.
Irgendwie sind Konferenzen dann aber doch immer gleich, wenn man da hin guckt, wo man nicht hinschauen sollte. Buisnessmänner in unbequemen Anzügen, die sich hinter einen Aufsteller einen Stuhl stellten und komisch hockend auf ihrem iPad die Zeit vertreiben. Frauen, die auf ihren unbequemen Absatzschuhen von einem Fuß auf den anderen treten. Leute, die sich am Hals kratzen, weil das Eintrittskartenband irgendwie mit der Haut reagiert. Leute, die sehr absetzts zusammen an einem Tisch stehen und nichts sagen, weil die Langeweile stärker ist als der Drang, etwas dagegen zu unternehmen. Leute, die mit dem Fuß wippen, weil sie zu viel Kaffee getrunken haben.
Ich bin so froh, dass meine nächste Veranstaltung erst im August ist! Ich habe jetzt schon keine Lust mehr.