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Die letzten ihrer Art [Teil 2] Buchvorstellung, Umweltschutz

Autor:  halfJack

Douglas Adams und Mark Cawardine
Die letzten ihrer Art
Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde

Beim letzten Mal haben wir erfahren, dass es Drachen wirklich gibt, warum das Weiße Rhinozeros nicht heller ist als seine Artgenossen und was Spechte damit zu tun haben, dass die Finger der Aye-Ayes so lang sind.

Beschäftigt man sich mit aussterbenden Tierarten, von denen viele einzig in bestimmten Regionen und vor allem auf Inseln vorkommen, wird man früher oder später mit den Begriffen "endemisch" und "exotisch" konfrontiert. Endemische Arten oder Endemiten sind Lebewesen, die nur in einer bestimmten Region vorkommen und sich dort natürlich entwickelt haben. Exoten hingegen sind solche, die dort ursprünglich nicht heimisch waren, sondern in den meisten Fällen vom Menschen irgendwann angesiedelt wurden. Zu diesen exotischen Arten zählen insbesondere Ratten, Katzen, Hunde oder Hasen. Das ist deshalb so entscheidend, weil vor allem Inseln fragile Systeme sind, auf denen weit weniger Arten ums Überleben kämpfen als auf dem großen Festland. Diese endemischen Arten haben sich unterschiedlich differenziert und angepasst. Insofern sie nicht durch Verlust des Habitats oder Jagd bedroht sind, können sie allein durch das Eindringen von Exoten massiv gefährdet sein, zumindest solchen Arten, die fast überall auf der Welt existieren und sich schneller an Umgebungen anpassen, da sie aggressiver sind und eine höhere Fertilitätsrate aufweisen. Diese Exoten haben oftmals keine natürlichen Feinde in der neuen Umgebung. Sie werden selbst zu Fressfeinden zum Beispiel für die heimischen Vögel oder treten in Konkurrenz bei der Nahrungssuche.
Ist man in Neuseeland im Dschungel oder den Wäldern unterwegs, muss man sich nicht die Frage stellen, was zu tun ist, sollte man einem Bären oder Wolf begegnen. Solche Raubtiere gibt es auf Neuseeland nicht. Aus diesem Grund konnte sich die dortige Vogelwelt auf einzigartige Weise entwickeln.
 


Quelle

Der Kakapo oder Eulenpapagei auf Neuseeland war der Auslöser dafür, dass ich mir das Buch von Douglas Adams überhaupt komplett angehört habe. Seine Geschichte ist die wohl witzigste, absurdeste und positivste im ganzen Buch. Dieser große, flugunfähige Papagei galt zwischenzeitlich als ausgestorben und tatsächlich ist er das auf den beiden Hauptinsel von Neuseeland auch, da mit dem Menschen neue Feinde wie Opossums oder Ratten auf die Inseln kamen. Der Kakapo war nie mit Raubtieren am Boden konfrontiert und besitzt daher keinen Fluchtinstinkt. Wenn etwas auf ihn zuschleicht, bleibt er einfach sitzen. Diese Erstarrung wäre bei Gefahr aus der Luft nicht die schlechteste Strategie, aber am Boden ... Kein Wunder also, dass er nahezu ausstarb.
In den 70er Jahren wurden ein paar Kakapos entdeckt. Sie leben heute lediglich auf wenigen Inseln vor Neuseeland und gehören zu den am besten überwachten Tieren der Welt. Ihre Population war leider zu Beginn des Schutzprogramms so klein, dass die fehlende Vielfalt des genetischen Materials zu einer schlechten Fruchtbarkeit führte. Abgesehen davon, dass der Kakapo eher einer schwerfälligen Henne als einem Papageien ähnelt, hat er noch dazu sehr ungünstige Paarungsgewohnheiten.
Er ist ein Einzelgänger und begegnet bloß äußerst selten seinen Artgenossen, erst recht jenen des anderen Geschlechts. Das Männchen trifft jedes Jahr ab Oktober alle Vorbereitungen, um ein Weibchen anzulocken. Er putzt aufs Penibelste eine Stelle und den umliegenden Weg dorthin. Dann fängt der Kakapo mit seinem Balzgesang an.

Dieser Gesang ist ... ziemlich vielfältig und merkwürdig.

Er besteht aus Pfeiftönen (zu denen auch einige andere Papageien fähig sind) und einer Art Zwitschern (dem "chinging"); dann ein stockendes Brummen, Knattern, Grunzen, Keuchen und Kreischen, was stellenweise klingt wie ein Esel oder eine extrem langgezogen und laut quietschende Schaukel aus einem alten Horrorstreifen (Antwortschreie); und zuletzt noch das für den Kakapo charakteristische kurze Brummen oder Summen (sogenanntes "booming", das sich durch seine tiefe Frequenz anfühlt wie ein Herzschlag). Was auch immer diese ganzen Geräusche sein sollen, wie ein Vogel klingt es jedenfalls oft nicht.

Der Ruf, besonders das "booming", ist kilometerweit zu hören, einer der weitreichendsten überhaupt im Vogelreich. Doch leider ist er auch in einer so tiefen Tonlage, dass er sich schwer orten lässt. Das Weibchen kann diesen Gesang demnach wahrnehmen, aber dummerweise nicht lokalisieren. Außerdem hat sie meistens kein Interesse daran. Dass sich das Weibchen nämlich zur Paarung bereit erklärt, hängt davon ab, ob die neuseeländischen Rimu-Bäume Früchte tragen, was nur aller zwei bis vier Jahre der Fall ist. Während das Kakapo-Männchen also an seinem schick gemachten Platz sitzt und komisch singt, läuft das Kakapo-Weibchen, insofern sie das Werben nicht komplett ignoriert, oft tagelang herum und sucht nach ihm. Bis zu 20 Kilometer kann sie dabei zurücklegen. Und wenn sie ihn dann gefunden hat, heißt das noch nicht, dass sie sich darauf einlässt. Entspricht das Männchen nicht ihren Vorstellungen, zieht sie wieder von dannen. Der dicke Papageienmann hat demnach oft umsonst bei seinem wochenlangen absurden Gesang die Hälfte seines Gewichts eingebüßt. Er frisst sich ein paar Pfunde an und versucht es nächstes Jahr erneut.
Was hat sich die Natur bloß dabei gedacht? Andererseits geschieht auch nichts in der Natur ohne Grund. Der Kakapo mag groß und schwerfällig wirken, doch da er einfach nicht mehr auf das Fliegen angewiesen war, wurde diese Fähigkeit zugunsten seiner Reserven aufgegeben. Er ist robust und langlebig, seine Lebenserwartung übersteigt 60 Jahre, angeblich soll er sogar 100 Jahre alt werden können, womit er einer der ältesten Vögel der Welt ist. Die Population auf Inseln darf nicht überhand nehmen, damit sich eine Art nicht aus Nahrungsmangel selbst auslöscht. Das Fehlen von natürlichen Feinden würde sonst zu einer rapiden Vermehrung führen. All dies stellt den Kakapo als ideal angepasst heraus. Bis eben zu dem Moment, an dem das Gleichgewicht gestört wird.
Ohne die Hilfe des Menschen wäre der Kakapo bereits ausgestorben. Heute hat sich die Population von dem Tiefststand von unter 50 Vögeln auf über 200 erholt.
 


Quelle

Der Jangtse-Delfin, auch Chinesischer Flussdelfin oder Baiji, hatte nicht so viel Glück wie der Kakapo. Wie sein Name schon sagt, lebt er im Jangtsekiang, dem längsten Fluss Chinas. Dieser Fluss ist eine wichtige Schifffahrtsstraße für sämtlichen Güter- und Personenverkehr, er ist mit Stauseen und Hebewerken versehen, mit Turbinen und Generatoren zur Stromerzeugung, es werden Schadstoffe und Abwässer in ihn hineingeleitet und er spült von allen Flüssen auf der Welt das meiste Plastik ins Meer. Der ökologische Zustand des Jangtse macht es den endemischen Arten sehr schwer, unter anderem dem Baiji.
Ein auffälliges körperliches Merkmal des Baiji sind seine weit oben stehenden, verkümmerten Augen. Er ist fast blind und orientiert sich per Echo, ähnlich wie Fledermäuse. Abgesehen von den Schadstoffen im Jangtse, die den Baiji gesundheitlich angreifen, so macht ihm die starke Schifffahrt und Lärmverschmutzung zu schaffen. Er verlor oftmals die Orientierung und geriet beim Auftauchen in Schiffsschrauben oder versuchte sich am Rand des Flusses zu halten und verfing sich dabei in Fischernetzen.
Als Adams und Cawardine sich nach dem Delfin auf die Suche machten, war die Bedrohung des Baiji längst erkannt. Er wurde von der Volksrepublik China unter Schutz gestellt, die Jagd auf ihn verboten, es sollte ein Reservat für ihn am Jangtse eingerichtet werden und er sollte sogar als Touristenattraktion vermarktet werden. Sämtliche Bemühungen waren umsonst. Der Baiji gilt heute mit hoher Wahrscheinlichkeit als ausgestorben. Alle Sichtungen ab 2007 sind vermutlich Verwechslungen mit Finnenlosen Schweinswalen. Damit wäre der Baiji die erste in historischer Zeit ausgestorbene Walart.
Ein ähnliches Schicksal ist vielleicht auch dem Vaquita bzw. Kalifornischen Schweinswal beschieden, dem kleinsten Wal der Welt, der mit seiner ungewöhnlichen Gesichtsmusterung an einen Panda oder Clown erinnert. Er ist massiv durch die eigentlich verbotenen Stellnetze zum Fischfang von Totoabas bedroht, da er sich unbeabsichtigt darin verfängt und ertrinkt. In diesem Jahr sollen noch knapp 20 Vaquitas gesichtet worden sein.
 


Quelle

Der Rodrigues-Flughund auf Mauritius war die letzte Station von Adams und Cawardine, obwohl sie sich mit ihm weit weniger beschäftigten als mit der einheimischen Vogelwelt. Denn diesem Flughund geht es von den hier genannten Arten noch am besten. Es gibt einige hundert Exemplare, die auf Rodrigues, einer Insel vor Mauritius, endemisch sind. Sie sind bedroht durch Verlust ihres Habitats und durch Bejagung. Anders als die in Deutschland lebenden knapp 25 Arten Fledermäuse, die ausschließlich von erjagten Insekten leben, so ernähren sich die weit größeren Flughunde meist von Früchten. Der Rodrigues-Flughund erreicht eine Flügelspannweite von fast einem Meter.

Sehr viel bekannter ist jedoch ein anderes Tier, das auf Mauritius lebte und in der ganzen Thematik eine Sonderstellung einnimmt: der Dodo. Dieser flugunfähige Vogel hatte mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie der Kakapo. Er war den eingeschleppten Raubtieren schutzlos ausgeliefert. Seine Eier wurden, da er am Boden nistete, zur leichten Beute. Zudem fingen Seefahrer ihn oftmals ein, um ihn als Proviant auf Schiffen zu halten, auch wenn er nicht besonders gut schmeckte. Keine 100 Jahre nach seiner Entdeckung wurde der letzte Dodo vermutlich von Menschen totgeschlagen, ohne dass diese sich groß Gedanken darüber machten. Es existierte kein richtiges Verständnis dafür, dass eine Art nicht für immer da sein würde, dass sie auch einfach aussterben konnte. Flora und Fauna wurden als von Gott geschaffen und unveränderlich wahrgenommen. Darwin lag noch in der Zukunft. Es brauchte wiederum zwei Jahrhunderte, bis der Dodo durch Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" traurige Berühmtheit erlangte. Heute ist er zum Symbol für das Artensterben an sich geworden.

Zumindest mit den Tieren, die im Buch von Adams und Cawardine behandelt werden, sind wir damit am Ende angelangt. Ich schließe dem noch einen dritten Teil mit Ergänzungen an, die sich nicht mehr so sehr auf das Buch beziehen.

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Datum: 22.10.2020 21:24
Ein höchst interessanter Beitrag, danke fürs Teilen :D
Ich hatte schon FREUNDE, da gab es noch kein FACEBOOK!


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