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Die Weiße Schlange

von

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Was vom Morgen übrig blieb...

Aurinia schmeckte Blut auf ihren Lippen, als sie an diesem Morgen zu sich kam.

Sie befand sich, an Händen und Füßen gefesselt, auf einem von Ochsen gezogenen Karren. Der hintere Teil der Kutsche war von einer Plane überdacht, die das Sonnenlicht nur durch zahlreiche Ritzen und Spalten in dem Stoff durchsickern ließ. Aber sie war nicht allein. Der Mann, Sayan Shigeru, lag neben ihr, ebenfalls gefesselt. Er befand sich in einem sehr viel schlimmeren Zustand als sie selbst. Sie sah in den Schatten innerhalb des Wagens nicht wirklich viel, aber sie glaubte erkennen zu können, dass zu den zahlreichen Schnitt- und Brandwunden, die seinen nackten, muskulösen Oberkörper verunzierten, noch einige weitere hinzugekommen waren, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.

Schwarz und abgrundtief wallte Zorn in ihr auf, als sie an die vergangenen Tage zurückdachte. Hijikata Toshizo... Ein äußerst grausamer Mensch, wenn es darauf ankam, sich immer neue Foltermethoden für seine Gefangenen auszudenken. Anfangs hatte die junge Yosei noch geglaubt, dass er sie quälte, um an Informationen zu kommen - aber irgendwann war ihr klar geworden, dass es ihm gar nicht darauf ankam etwas von ihnen zu erfahren. Es machte ihm einfach nur SPAß sie zu misshandeln.

Als sie in Hijikatas Gästehaus gebracht worden war, hatte Sayan Shigeru, Oberhaupt der Freiheitsbewegung, schon am Ende seiner Kräfte in den Ketten gehangen, die ihn an der Wand festhielten. ER hatte einen ungleich längeren Weg durch die Hölle Hijikatas zurückgelegt als Aurinia selbst. Sie hatte versucht Gespräche mit diesem so stark wirkenden, noch recht jungen Mann mit seinem gebieterischen Blick, der trotz der Folter ungebrochen war, zu beginnen. Aber Shigeru war kaum in der Lage eine längere Unterhaltung zu führen. Alles was sie von ihm erfahren hatte war, dass er die Gruppe der Restauratoren in Kyoto anführte und dass er Saito Hajime persönlich kannte. Das war jedoch genug um Aurinia zu dem Schluss kommen zu lassen, dass es sich bei ihm um eine für die Shinsengumi wertvolle Geisel handeln musste, die sie nicht so leicht töten würden.

Anders als sie selbst...
 

Bis zum Schluss, bevor man sie heute Morgen auf diesen Karren geworfen hatte, lebte sie mit der unterschwelligen Angst, dass man sie umbringen würde. Schließlich war sie nicht wirklich wichtig für die Shinsengumi. Aber Saito und Hijikata schienen das anders zu sehen. Saito hatte, wie er ihr eines Tages mitteilte, noch eine Rechnung mit dem Halbdämon zu begleichen - und was machte diesen handzahmer als die Gewissheit, dass sich "sein Mädchen" in den Händen des Feindes befand?

Aurinias Zorn auf Saito wurde nur noch durch den auf Hijikata übertroffen - jener Mann, der es gewagt hatte Hand an sie zu legen. Sie hatte sich wie eine Furie gewehrt - aber die eisernen Ketten, an die er die junge Frau gelegt hatte, waren selbst für die Yosei zu stark gewesen. Völlig unbeteiligt hatte sie dann das Unvermeidliche hingenommen, ließ Hijikata mit ihrer Gleichgültigkeit wissen, dass er es nicht wert war überhaupt wahrgenommen zu werden.

Zudem hatte sie feststellen müssen, dass in dem Wasser oder in der Nahrung, die man ihr verabreichte, irgendeine Droge sein musste, die ihre Reaktionen verlangsamte und ihre Kampfbereitschaft, sowie ihre Fähigkeit, ihren Körper mit Hilfe des in ihr symbiotisch lebenden Wesens zu verwandeln, außer Kraft setzte. Und sie war auf Nahrung angewiesen, wenn sie wirklich bei Kräften bleiben wollte. Sie musste wachsam sein, auf ihre Gelegenheit zur Flucht warten. Sie wusste, dass Yasha auf irgendeine Weise versuchen würde sie zu retten - aber darauf durfte sie nicht warten. Denn so langsam begann sie sich nun auch noch Sorgen um ihren hundeohrigen Freund zu machen. Dass Yasha so verhältnismäßig lange auf sich warten ließ konnte eigentlich nur bedeuten, dass er selbst - oder jemand, der ihm viel bedeutete - so schwer verletzt worden oder anderweitig in Schwierigkeiten war, dass sie noch gezwungen waren abzuwarten oder entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Oder sie warteten auf Verstärkung.

Sie hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Hier lief so einiges nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte...

Und Madoka... Das arme Mädchen. Was mochte sie über diese grausame Welt denken? Nein, so hatte sich Aurinia das wahrhaftig nicht vorgestellt...
 

Dann war der heutige Morgen angebrochen. Und alles wurde anders.

Wie sie mitbekommen hatte machte sich mit ihnen gemeinsam ein großer Trupp von Männern auf den Weg durch die Stadt. Warum man die Gefangenen mitnahm und was sie überhaupt vorhatten war Aurinia schleierhaft. Sie roch jedoch schon bald wo ihr Ziel liegen musste: Am Hafen.

Es roch nach salziger Seeluft, Fisch und Meeresfrüchten. Zudem hörte sie das Geschrei von Möwen durch das Stimmengewirr der Menschen rund um das geschäftige Hafenviertel herüberklingen. Was um alles in der Welt hatte die Shinsengumi am Hafen zu suchen?

Mit einem Ruck, der durch alle ihre Knochen ging, blieb der Karren abrupt stehen. Die Plane über dem Wagen wurde heruntergezogen, Männer sprangen auf die Ladefläche und zwangen Aurinia und Sayan aufzustehen. Zumindest Letzterem war es völlig unmöglich aus eigener Kraft zu stehen, daher hievten sie ihn nach kurzer Diskussion wie einen nassen Sack vom Karren hinunter. Die Yosei wurde grob vom Wagen heruntergestoßen. Sie taumelte und landete unsanft auf den Knien. Doch den Schmerz spürte sie kaum - hatte sie doch in den letzten Tagen sehr viel Schlimmeres erfahren müssen. Eine Menschenfrau wäre mit Sicherheit an alldem zerbrochen. Nicht so die junge Yosei. Alles, was sie durchlitten hatte steigerte nur noch ihre Wut und ihre Entschlossenheit, diese Verbrecher nicht ungestraft davonkommen zu lassen. Wenn die Drogen erst aufhörten ihre Kräfte zu lähmen...
 

Als sich Aurinia vorsichtig aufrichtete, jeden Moment darauf gefasst, erneut geschlagen zu werden, da konnte sie im blendenden Licht eines klaren Vormittags das durchaus hübsche Hafenviertel von Kyoto sehen. Kleine, gedrungene Fischerhütten und Verkaufsläden reihten sich aneinander so weit

man schauen konnte. Dahinter, auf dem Hügel inmitten der Stadt, konnte sie weithin sichtbar die große Pagode des ehemaligen Kaiser-Palasts ausmachen. Ein frischer Wind kündete vom nahenden Herbst und gab sein Bestes, den beißenden Fischgeruch, der über dem Hafenbecken lag, zu vertreiben. Marktschreier boten ihre Waren feil und viele Menschen drängten sich um die Stände, teilweise mit schwer beladenen Karren oder auch mit Netzen, in denen die frisch gefangenen Fische zappelten. Direkt am Kai schaukelten unzählige kleinere Kutter und auch größere Schoner auf den Wellen. Draußen auf See konnte sie die Schatten von noch mehr Schiffen ausmachen. Ein leichter Brandgeruch lag in der Luft. Vielleicht wurden hier auch Fische geräuchert. Denn jetzt, wo sie darauf achtete, konnte sie auch schwarze, dünne Rauchschwaden ausmachen, die über den kleinen Hütten

dahinzogen. In jedem Fall fiel der Karren der Shinsengumi überhaupt nicht auf in dem Durcheinander, das hier herrschte.

Zwei Männer drängten sich rücksichtslos durch die Menge und rempelten Aurinia unsanft an, als sie an ihr vorbeistürmten. Sie sahen nicht zurück. Ihr Gesichtsausdruck kündete von tiefstem Schrecken. Die Yosei sah ihnen irritiert hinterher.

Seltsam...

Wenn sie ihren Blick nun langsam über das Treiben auf dem langen, breiten Kai gleiten ließ, so bemerkte sie nun, da sie darauf achtete, dass mehr und mehr Menschen beinahe panisch die Flucht ergriffen. Sie kamen aus Richtung der äußeren Anlegestellen, die dem offenen Meer am nächsten lagen. Das bunte, geschäftige Gewimmel täuschte - etwas ging hier vor sich, das nicht zu dieser spätsommerlichen Idylle passte.
 

Während sie sich das lange, rot-schimmernde Haar aus dem Gesicht strich, mit welchem der Wind anscheinend zu gerne spielte, konnte Aurinia aber auch noch etwas anderes erkennen. Ein Stück weiter entfernt, nur mit Beibooten zu erreichen, lagen drei größere Segler vor Anker. Sie trugen allesamt kein Wappen und machten auch sonst den Eindruck, als wenn sie sich alle Mühe gaben nur ja nicht aufzufallen. Aurinia kniff die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen, konnte aber nicht mehr als schemenhafte Bewegung an Bord ausmachen. Ein paar kleinere Boote hatten sich um die mächtigen Schiffsrümpfe geschart, aber sie waren allesamt leer. Ihre Insassen mussten sich ebenfalls an Bord der großen Segler befinden. Sie glaubte zu ahnen, was die huschenden, wirbelnden Bewegungen auf den Decks bedeuteten.

"Mitkommen!", herrschte sie eine ungehaltene Stimme von hinten an, riss sie jäh aus ihren Gedanken - und Aurinia kam der Aufforderung zähneknirschend nach. Ihre Schritte waren unsicher, als sie mit unsanften Stößen in den Rücken in Richtung der äußeren Kais und Anlegestellen, welche den großen Seglern am nächsten lagen, getrieben wurde. Sie kamen um eine leichte Kurve - und jetzt konnte Aurinia auch sehen, woher der nun dichter werdende schwarze Rauch kam, den sie zuvor schon über dem Hafengelände bemerkt hatte.

An den unteren Kais wurde gekämpft! Momentan handelte es sich noch um nicht mehr als um ein größeres Handgemenge, in das allerhöchstens zwanzig Männer in den hellblauen Roben der Shinsengumi und die ungefähr doppelte Anzahl von unauffällig gekleideten Gegnern verwickelt waren und sie erkannte jetzt auch, dass ein, zwei Beiboote, die hier am Kai lagen, Feuer gefangen hatten, weil die Laternen im Heck der Boote umgestoßen worden waren. Die Übermacht jener fremden Kämpfer, in denen Aurinia richtigerweise kaisertreue Soldaten vermutete, würde nicht

lange halten - denn nun war die Gruppe von Männern, mit der sie selbst hierher gekommen war, heran. Augenblicklich warf sich der Großteil der Shinsengumi-Samurai ebenfalls in den Kampf, drängten die Männer zurück, die gerade an Land setzen wollten.
 

Lediglich drei Mann waren zu Aurinias und Shigerus Bewachung zurückgeblieben. Sie hatten sich zu den hier vorn beinahe verwaist dastehenden Hütten zurückgezogen. Passanten suchten entsetzt das Weite oder legten hastig mit ihren Booten ab. Schon gab es die ersten Opfer auf beiden Seiten zu verzeichnen.

Die Yosei sah ihre Chance zur Flucht gekommen. Wenn nicht jetzt, wann sonst? Sie machte sich bereit. Ihr athletischer Körper spannte sich und alle ihre Sinne waren geschärft. Sie wartete nur noch den passenden Augenblick ab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Schalmali
2007-03-19T18:18:47+00:00 19.03.2007 19:18
Aurinia auch mal wieder im Blickfeld des Geschehens. Arme Frau wenigstens ist sie ein Mensch und steckt es leichter Weg. Der eigentliche Anführer der Truppe von Takeo ist auch noch am Leben bleibt nur die Frage ob ers bleibt...
Von:  Rogue37
2006-12-11T15:03:13+00:00 11.12.2006 16:03
Nice, unsere kleine Auri-chan. Armes Wesen ... die Beschreibung des Hafens hat mir gut gefallen mit all den Häusern und den Gerüchen. Ich finds toll wenn jemand dran denkt, Gerüche mti zu beschreiben. Macht das alles realer.

Bin gespannt, wie es weitergeht ...

Ach und Hijikata (ist dir schon mal aufgefallen, dass manche Männer schon allein von Namen her Erotik versprühen, ich weit nicht, der Name zergeht doch echt auf der Zunge: HIIIJIIIKAAAATAAAAAA <grrr>) die Bösewichte halt. Ich mein sadistisch wie der Kerl ist aber irgendwie ... Hach ich bin echt unmöglich


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