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Die Weiße Schlange

von

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Das Blut an meinen Händen

Die frühe Morgensonne, die durch die geschlossenen Läden schien, zeichnete Muster auf ihre Decke und Madokas nackte Haut. Ihre regelmäßigen Atemzüge verrieten Takeo, dass sie wieder eingeschlafen war. Er stütze sich auf einen Ellenbogen und beobachtete sie. Hätte ihn in diesem

Moment jemand gesehen, so hätte dieser Jemand niemals geglaubt, wenn man ihm sagte, dass dies einmal der gefürchtete "Rote Schatten" gewesen war - ein Mörder und unbarmherziger Schwertkämpfer. Ganz sacht strich er mit den warmen Fingerkuppen seiner rechten Hand über die feinen Härchen auf ihrer Schulter - und drehte diese Hand dann herum, sah sie so eingehend an, als würde er sie das erste Mal überhaupt bewusst wahrnehmen. An dieser Hand, an seinen BEIDEN Händen, klebte so viel Blut. Er konnte es beinahe sehen.

Er schloss gequält die Augen.
 

Wie konnte sie ihn lieben? Wie hatte sie es geschafft, in nur wenigen Tagen nicht nur hinter seine Fassade zu blicken, sondern auch noch so vollkommen sein Herz einzunehmen, dass es bei jedem Schlag, während sie nicht bei ihm war, mehr weh tat als sämtliche Wunden, die ihm jemals eine Waffe hätte zufügen können?

Sie hatte tatsächlich ALLES erträglicher werden lassen. Er konnte nun mit seiner dunklen Vergangenheit umgehen, damit, was er einmal getan hatte. Zumindest hatte ihre Liebe ihn Geduld gelehrt - auch und gerade im Zusammenhang mit sich selbst. Er akzeptierte seine Vergangenheit und blickte, vielleicht das erste Mal seit Jahren überhaupt wieder, zuversichtlicher auf das was kam. Die Augen Takeos hatten sich verändert, sein Blick, seine gesamte Sichtweise, hatte sich in dieser einen, langen, wundervollen Nacht komplett gewandelt. Das musste Liebe sein.

Er strich zärtlich eine lange, dunkle Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Sie seufzte leise, wachte jedoch nicht auf.
 

Nachdem sie sich in den frühen Morgenstunden nochmals geliebt hatten – allen halbherzigen Protesten Madokas zum Trotz - war auch er kurz eingeschlafen. Doch es lag in seiner Natur bereits beim ersten Sonnenstrahl wach zu werden - unabhängig davon, wie spät er eingeschlafen sein mochte. So hatte er nur sehr wenig, allerhöchstens zwei bis drei Stunden geschlafen. Doch das machte ihm seltsamerweise nicht zu schaffen. Er fühlte sich so ausgeglichen und ruhig wie nie zuvor in seinem Leben.

Mit Kanoe war es anders gewesen. Er hatte nicht übertrieben als er tags zuvor gesagt hatte, dass sie ihn nach Strich und Faden verführt hatte. Aber das, was er mit Kanoe gehabt hatte, war einfach nur Sex gewesen. Heiß, wild, hungrig - und nichts weiter. Was ihn mit Madoka verband... ging so viel tiefer. Sicher, auch sie wollte er berühren, sich mit ihr vereinigen und sie bis zur Erschöpfung lieben. Aber er wollte DIESES Mädchen NIEMALS wieder loslassen. Da war eine schwarze, abgrundtiefe Leere in ihm, wenn sie nicht bei ihm war. Er wollte für sie da sein, sie beschützen und mit ihr alt werden. In der Tat waren dies genau seine Gedanken.

Und wieder kehrten seine Überlegungen zu etwas zurück, was ihm am Vortag schon bewusst geworden war: Wenn er auf den Schwertkampf verzichtete, KONNTE er alt werden. Aber... würde sie nicht früher oder später in ihre Welt zurückkehren? Aus welchem Grund sollte er dann noch alt werden wollen?

Und er beschloss, dass er hier und jetzt lebte, nicht in der Zukunft (die sollte nur kommen), nicht in der Vergangenheit, mit der er abgeschlossen hatte, sondern JETZT - und dass er sie hier und heute lieben wollte. Er musste das beste daraus machen. Er würde sie jetzt und für ein ganzes Leben lieben.

Und wenn das nicht reichte, würde er eben als Engel zu ihr zurückkehren.

Er lächelte. Nicht im Traum wären ihm solche Gedanken früher gekommen. Aber es waren angenehme, tröstliche Gedanken. Er beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Nasenspitze. Dann arbeitete er sich aus den Decken empor und stand leise auf.
 

~~~oOo~~~
 

Als er die Treppe ins Erdgeschoss hinabging, immer noch damit beschäftigt, den Knoten seiner Hakama zu binden, hörte er schon lautes Stimmengewirr aus dem Speiseraum herüberklingen. Obwohl es noch recht früh war, schienen viele der Gäste bereits auf den Beinen zu sein. Nun, dachte Takeo bitter, an einem solchen Tag war es auch schwer die nötige Ruhe für tiefen Schlaf zu finden - es sei denn, man hatte sich auf irgendeine Art und Weise sehr verausgabt. Er schüttelte die Erinnerung an Madokas an ihn geschmiegten, warmen Körper ab und trat in den großen Saal ein.

Yasha, der an einem der vorderen Tische gehockt hatte, kam ihm sofort entgegen.

"Ich wollte dich schon wecken gehen. Hast du Madoka gesehen? Sie war die ganze Nacht nicht..."

Und wie am Vortag bei Madoka, begann er nun an dem jungen Samurai herumzuschnüffeln. Dann begann er vielsagend und äußerst anzüglich zu grinsen. Seine Ohren zuckten verspielt. Takeo starrte ihn irritiert an.

"Was soll das?"

"Nichts, nichts. Jedenfalls nichts Schlimmes - nur... Du hättest das Mädchen schon viel früher haben können, weißt du? Sie..."

"Halt deinen Mund, Hundejunge! Ich dachte, wenn es nach dir ginge, hätte ich sie niemals anrühren sollen!"

Yasha lachte, ein wenig missglückt, aber er lachte. ,Hundejunge' war er nicht zum ersten Mal genannt worden. Und nicht jeder konnte das ungestraft ihm gegenüber tun... Er verdrängte diesen Gedanken. "Tja, es GEHT aber nicht nach mir - wie man sieht. War es schön?"

Takeos Blick war vernichtend. Er würdigte ihn keiner Antwort und ging hinüber zu dem Tisch, an dem auch Shido-san saß und ihm mit leicht besorgter Miene entgegensah.

"Alles in Ordnung, Takeo? Wie geht es dir heute Morgen?", begrüßte dieser seinen Freund kurz darauf.

"Es ging mir nie besser.", antwortete der junge Mann kurz angebunden. Auf Shidos ungläubigen und vielsagenden Blick in Richtung auf seinen Verband nickte Takeo nur bekräftigend.

"Glaub es, oder lass es sein. Ich fühle mich sehr gut. Ich bin bereit für den Kampf."

Shidos Blick wurde eindeutig säuerlich. Wenn er geglaubt hatte, dass sein Freund vielleicht über Nacht zur Vernunft gekommen war, dann sah er sich nun wohl getäuscht. Er hatte noch immer nicht verwunden, dass Takeo tatsächlich alle Ratschläge in den Wind schlagen und mit in den Kampf ziehen wollte. Er war auch immer noch ein wenig sauer. Er knallte eine mit dampfendem Reis gefüllte Schüssel viel unsanfter als notwendig vor Takeo auf den Tisch und zog es vor, woanders hinzublicken.

Yasha hatte sich wieder zu ihnen gesellt und sagte feixend: "Iß, Takeo! Du musst nach dieser Nacht sicher erstmal wieder zu Kräften kommen."

Und während Shido-san fragend, beinahe einfältig, von einem zum anderen blickte begannen sich Takeo und der Halbdämon bereits wieder lautstark zu streiten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rogue37
2006-11-21T11:39:27+00:00 21.11.2006 12:39
Mann, Yasha hat aber auch keinerlei Anstand in seinem Körper. Das gibts doch nicht. Aber egal ...
Takeos innerer Kampf fasziniert mich auch weiterhin. Blut an den Händen ist ein äußerst treffender Titel für ein Kapitel dieser ARt. Und im übrigen mal ein Kompliment für die Titelwahl. Ich mag es wenn man sich die MÜhe macht Kapitel zu benennen. Ist nämlich gar nicht so einfach das immer passend zu betiteln.


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