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Geschenk der Unsterblichkeit

von

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Das Echo der Schatten

Eine unsichtbare Macht zerrt an meiner Seele und reißt sie aus meinem Körper. Vor Schreck schreie ich laut auf, doch ich empfinde keinen Schmerz. Ich werde in ein endloses Wolkenmeer empor getragen. Die weißen Wogen sind angenehm kühl und erwecken meine Sinne zu neuem Leben. Immer höher werde ich getragen und schon bald entdecke ich über mir ein gleißendes Licht. Eigentlich ist Licht das falsche Wort. Es ist ein weißer heller Schein, der weder Licht noch Dunkelheit zu sein scheint. Ich tauche in den Schein hinein und stehe nun recht fest auf einer Wolke. Vor mir erhebt sich ein Schatten, dunkler als alles, das ich je gesehen habe. Und doch ruft dieser Schatten Erinnerungen wach...

"Wer bist du?", frage ich den Schatten mir gegenüber.

"Ich bin du", antwortet der Schatten, "Doch es kann uns nur einmal geben."

Mit diesen Worten stürzt der Schatten auf mich zu und direkt durch mich hindurch. Er hinterlässt nur einen tiefen Schmerz, den ich fast Körperlich spüren, jedoch nicht genau erfassen kann. Ich krümme mich zusammen und bemerke, wie ich mich selbst in einen Schatten verwandle - einen Schatten aus gleißend hellem Licht. Kein Licht wie jenes, in dem ich mich befinde, nein, sondern strahlend gelbes Licht, wie das der Sonne.

Ich weiß kaum wie mir geschieht, doch schon habe ich zum Angrifft auf den dunklen Schatten angesetzt. Ein wildes Durcheinander aus Wellen von purem Schmerz und Willenstärke brechen über mir zusammen und schließlich zieht sich der dunkle Schatten zurück. Ich hingegen sinke schmerzerfüllt und scheißnass auf die Knie.

"Ich werde dich finden! Mein Name ist Shade, merk ihn dir gut!", knurrt der Schatten.

Dann bricht die Wolke unter meinen Füßen und ich stürze...

Mit einem Schrei schrecke ich aus dem Schlaf. Ich halte mir den Kopf und winkele die Beine an. Was für ein Traum. Er ist mir so real vorgekommen...

Jemand klopft an meine Zimmertür.

"Alles in Ordnung, Lilith?", fragt eine sanfte Mädchenstimme durch die Tür hindurch.

"Alles klar", erwiedere ich und sinke in meine Kissen zurück. Ich verbinde diese Mädchenstimme sofort mit braunem Haar und ebenso braunen Augen. Es muss sich also um Claire handeln, einen Vampir des ersten Ranges, genau wie ich einer bin. An diesen Gedanken kann ich mich nur schwerlich gewöhnen.

Ich lasse den Blick durch mein noch recht neues Zimmer schweifen. Es handelt sich um kein gewöhnliches Zimmer. Dieses ganz besondere Zimmer spiegelt immer den Zustand der Seele seines Besitzers wieder. Darum ist es auch strikt untersagt das Zimmer eines anderen Vampirs in diesem Haus ohne Beisein des Vampirs oder gar ohne seine Erlaubnis zu betreten.

Um mich her herrscht eine trübe Stimmung gepaart mit einem Spritzer Schrecken. Eine Friedhofszenerie hat sich um mich aufgebaut und wird durch einige vermoste Grabsteine unterstützt. Mein Bett ist ziemlich hart und hat ein schlichtes Drahtgestell, das hier und dar bereits Rost ansetzt. Dazu regnet es in Strömen. Der magische Regen scheint direkt unter der Zimmerdecke zu entspringen und auf das ganze Zimmer niederzuprasseln, wobei jedoch weder ich noch meine Möbel etwas davon abbekommen; gerade so, als wären wir von einem unsichtbaren Schutz umgeben. Nur auf dem erdigen Boden um die Grabsteine herum sammeln sich allmählich Pfützen aus Regenwasser.

Ich seufze und zwinge mich, aufzustehen. Mit den Gedanken immer noch bei meinem Traum öffne ich meinen Kleiderschrank (der jetzt ebenso vermodert wie der Rest dieses Zimmers ist) und ziehe einen dicken Pullover und eine Jeans heraus. Über diese gewöhnliche Kleidung ziehe ich meinen roten Mantel. Die Herrscherin hat ihn extra für mich anfertigen lassen, sodass ich mich nun nicht mehr von den anderen Vampiren des ersten Ranges unterscheide. Unsere roten Mäntel haben nämlich alle die ein oder andere Besonderheit. Meiner ist recht schlicht vorne mit Knöpfen verschlossen, die an zwei ineinanderhakende Kreuze erinnern. Zu meinem Bedauern verfügt er über keine Kapuze. Ich kann es nicht leiden, wenn mich jeder sofort erkennt, doch das wird aufgrund der roten Farbe des Mantels wohl sowieso unvermeidlich sein.

Ich verlasse mein Zimmer und trete auf den Flur hinaus. Sofort fröstele ich. Hier im Flur wird nie geheizt. Die meisten Vampire stören die Temperaturen nicht im Geringsten, doch ich bin bei solchen Dingen immer noch etwas Zimperlich.

Gedankenverloren drücke ich die Tür zum großen Wohnzimmer auf. In diesem gemütlichen, mit Kerzen beleuchteten Raum treffe ich auf Blaise, der mit gerunzelter Stirn in ein Buch vertieft ist, und Claire, die mit geschlossenen Augen auf dem Boden sitzt und meditiert, das lange braune Haar glatt über die Schultern fallend.

"Guten Abend", grüße ich die Beiden.

Blaise gibt ein Brummen von sich, das mir zeigen soll, dass er registriert hat, wie ich den Raum betreten habe. Claire antwortet mir überhaupt nicht. Das wird wieder eine sehr unterhaltsame Nacht werden...

Ich bewohne die ,Villa' wie dieses Haus genannt wird, gerade einmal seit einer Woche. Ich hatte kaum Zeit seine Bewohner kennen zu lernen oder allgemeine Fragen zu stellen. Das einzige, das ich bereits erfahren habe, ist, dass die Vampire des ersten Ranges ganz anders sind, als sie sich in der Öffentlichkeit geben. Dieses sinnlose ,Versteckspiel' gefällt mir überhaupt nicht, doch ich werde mich wohl oder übel anpassen müssen.

Und natürlich weiß ich über die Eigenschaften der Zimmer jedes einzelnen Vampirs Bescheid. Das hat mir Blaise gleich in der ersten Nacht eingebläut.

Ich lasse mich in einen flauschigen Sessel nahe des Kamins sinken und starre Claire interessiert an. Noch hatte ich keine Gelegenheit sie zu fragen, was sie eigentlich ganze Nächte lang, auf dem Fußboden sitzend, tut.

Leise seufze ich und denke an Sean. Er hatte nur eine nacht in ,der Villa' verbringen dürfen und ich kann ihn nicht so oft besuchen. Ich vermisse ihn richtig, auch wenn mir die kleine Méridia bereits mehrmals erklärt hat, dass dieses verhalten für Vampire mehr als untypisch ist. Blaise hatte jedoch entgegen gehalten, dass es der Welt wirklich an außergewöhnlichen Vampiren fehlt. Dafür bin ich ihm ziemlich dankbar. Ich glaube, er ist der einzige der Vampire des ersten Ranges, der wirklich glaubt, dass ich für diesen Job geschaffen bin.

Wieder muss ich seufzen.
 

Vorsichtig öffne ich die Tür zum Wohnzimmer. Hinter ihr erblicke ich Lilith, Claire und Blaise, die alle drei in ihre Arbeit vertieft scheinen. Leise will ich die Tür wieder schließen und mich davonstehlen, als Blaise den Kopf hebt und mich über den Rand eines erstaunlich dicken Buches hinweg anblickt.

"Guten Abend Minachi", grüßt er mich und winkt mich zu sich her.

Gehorsam betrete ich das Wohnzimmer, schließe die Tür hinter mir und gehe zu ihm hinüber, während er ein unscheinbares Lesezeichen in sein Buch schiebt und es bei Seite legt.

Ich blicke zu Lilith hinüber, die in einem gemütlichen Sessel kauert, doch sie hat die Augen geschlossen und scheint zu schlafen.

"Gibt es etwas Bestimmtes, das du mir sagen willst?", fragt Blaise freundlich, doch in einem leicht geschäftsmäßigen Tonfall, den er immer anschlägt, wenn wir nicht alleine sind.

"Ich hatte nur Hunger und dachte, ich schaue kurz vorbei", weiche ich seiner Frage aus.

Das ist nicht die ganze Wahrheit. Ich habe in Blaise' Zimmer wach gelegen und bemerkt, wie es sich um mich herum verändert hat, strahlender geworden ist. Da ich weiß, dass die Zimmer dieses Hauses mit seinen Bewohnern eng verbunden sind, habe ich mich gefragt, was Blaise so erheitert hat.

"Ich lese gerade einen Roman über Vampire, den ein Mensch geschrieben hat", grinst Blaise, als hätte er meine Gedanken gelesen. Mir fällt auf, dass er momentan keine vampirtypischen Fangzähne aufweist. Das beruhigt mich ungemeint, da ich das Gefühl habe, er verbirgt sie, wenn er nicht hungrig ist - hungrig auf Blut.

"Aber ich werde bald mit Lilith aufbrechen und ihr die ,Zentrale' zeigen. Das heißt, ich werde wohl bis zum Morgen wegbleiben", fährt Blaise fort. Ich finde, er redet schon so, als habe er sich mir gegenüber zu irgendetwas verpflichtet und sei es auch nur Anwesenheit.

"Was ist die ,Zentrale?", will ich sofort wissen. Meine Neugierde ist und bleibt unverbesserlich.

"In der ,Zentrale arbeiten die Gesetzeshüter der Vampire", erklärt Blaise mit einem freundlichen Lächeln, wie ich es selten bei ihm gesehen habe. Es lässt mir einen lauwarmen Schauder über den Rücken laufen, der jedoch nicht unangenehm ist.

"Und was tut so ein Polizist unter Vampiren?", frage ich weiter, da Blaise momentan sehr aufgeschlossen zu sein scheint.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Lilith interessiert den Kopf hebt. Sie schläft also gar nicht. Unverschämtheit!

"Eigentlich tun sie nicht viel anderes, als eure Gesetzeshüter auch. Ich bin mir aber nicht sicher ob ,Polizei' wirklich eine geeignete Berufsbezeichnung ist. In der ,Zentrale' gibt es mehrere Abteilungen, in denen jeder Hüter seine eigene Aufgabe hat", erklärt Blaise. Als er mich verdutzt gucken sieht, kann er ein Grinsen nicht unterdrücken: "Ja, die heißen wirklich so."

Woher er schon wieder weiß, dass ich über die Bezeichnung ,Hüter' gestutzt habe? Ich finde Hüter klingt eher, als würde jemand ein Geheimnis bewahren oder einen Tempel beschützen. Irgendwie so etwas, etwas mystisches.

"Die Hüter erledigen wie gesagt verschiedene Aufgaben. Zum Beispiel..:" Doch Blaise kommt nicht mehr dazu den Satz zu beenden, denn die Wohnzimmertür wird mit einem lauten Krachen aufgestoßen. Hätte ich nicht so rasch einen Sprung zur Seite gemacht, wäre sie mir ins Kreuz geschlagen.

Ich wende mich zur Tür um und sehe in ihr den wohl kleinsten Vampir stehen, den ich je gesehen habe. Méridia ist bestimmt einen Kopf kleiner als ich und ich habe nie zu den wirklich großen Menschen gezählt. Doch ihr wutentbrannter Gesichtsausdruck lässt mich wie bereits vor gut einer Woche zusammenzucken. Sie mag vielleicht klein sein, doch habe ich von allen Vampiren aus dem ersten Rang vor ihr den meisten Respekt.

Méridia stampf an mir vorbei, darauf bedacht die Füße besonders hart auf dem Steinfußboden aufschlagen zu lassen und mich zu ignorieren - wie sie es übrigens immer tut.

"Wie kommst du dazu unsere Geheimnisse Menschen gegenüber auszuplaudern?!", faucht Méridia Blaise an, der die Augen zu Schlitzen verengt hat.

Mit ,Menschen' bin offensichtlich ich gemeint. Es ist bereits das zweite Mal, dass mir Blaise unerlaubterweise Vampirgeheimnisse anvertraut. Ich sehe das als Vertrauensbeweis - in der letzten Woche bin ich Blaise näher gekommen, als ich je zu träumen gewagt hätte - doch für Méridia scheint es nichts als Ketzerei zu sein.

Blaise seufzt schwer und erhebt sich aus seinem Sessel: "Komm Lilith, ich will dir nun die ,Zentrale' zeugen."

Und schon folgt Lilith ihm aus dem Raum.
 

Die Nachtluft duftet nach Regen und ich lege den Kopf in den Nacken, um in den Sternenhimmel empor zu blicken.

Ich frage mich, wo diese ,Zentrale' liegen mag, zu der mich Blaise führen will. Sie muss auf jeden Fall weit weg sein, denn wir sind bereits eine gute Viertelstunde unterwegs.

Jäh kommt mir mein Traum wieder in den Sinn. Ich habe das Gefühl, ich sollte Blaise von ihm erzählen. Es wiederstrebt mir etwas, meine Fantasien vor Blaise kund zu tun, da ich mich in seiner Nähe immer noch nicht sehr wohl fühle. Es liegt nicht nur daran, dass er mich so an meinen alten Lehrmeister, Sven, erinnert, es stört mich auch, dass ich niemals weiß, was er gerade denkt. Er ist vollkommen undurchsichtig und für mich daher unberechenbar. Manchmal ist er einfach nur sachlich und auf seine Arbeit konzentriert, aber schon in der nächsten Sekunde lacht er zusammen mit den anderen in der ,Villa' oder kehrt seinen Verpflichtungen vollends den Rücken, indem er Minachi von Geheimnissen der Vampire erzählt. Trotzdem, ich glaube einfach, ich muss ihm dringend von diesem Traum berichten.

Ich räuspere mich verlegen.

"Mh?", macht Blaise neben mir ohne mich anzusehen.

"Ich wollte...", beginne ich, breche dann jedoch ab. Aus einer Seitenstraße auf unserem Weg biegt ein Junge, der um die Zwanzig zu sein scheint. Unwillkürlich bleibe ich wie erstarrt stehen. Auf meinen nächtlichen Streifzügen bin ich noch nie jemandem begegnet.

Der Junge geht dicht an mir vorbei, ohne mich anzusehen und als er mir so nahe ist, erkenne ich, dass es sich um einen Vampir handelt.

Ich blicke ihm nach. Wieso hat Blaise ihn nicht gegrüßt?

Der fremde Vampir wendet im Gehen den Kopf und blickt über die Schulter zu mir herüber. Er hat eine wirklich untypische Erscheinung. Sein hellblondes Haar ist kurz und nach neuestem Modetrend stachelartig nach oben gegelt und in seinem linken Ohr befinden sich vier kleine Silberringe. Er grinst mir zu und ich kann sehen, wie er seine Eckzähne ein Stück ausfährt. Was er mir damit wohl beweisen will? Doch dann dreht er sich schon wieder um und beschleunigt seine Schritte, die nun, da Blaise irritiert stehen geblieben ist, laut durch die verlassene Straße hallen.

"Was ist denn?", will Blaise wissen. Er hat es nicht geschafft den ungeduldigen Unterton vollends aus seiner Stimme zu verbannen.

"Dieser Vampir... Wieso hast du ihn nicht gegrüßt?", will ich wissen und wende den Blick mühsam von dem fremden Vampir ab. Beinahe hätte ich "Ihr" gesagt, es ist wirklich ungewohnt Blaise zu duzen.

"Du hast ihn dir wohl lange genug angesehen, um das zu wissen", gibt Blaise leicht säuerlich zurück.

Ich rufe mir das Bild des fremden Vampirs erneut ins Gedächtnis. Er war über und über mit Kreuzen geschmückt. Sehr ungewöhnlich. Ich habe zwar noch keinen Vampir getroffen, der Gott verachtete, aber einen, der Gott verehrt, habe ich auch noch nicht gesehen. Dazu hat der fremde Vampir eine Kutte getragen, die mich stark an die Kleidung eines Kirchenmannes erinnert. Schwarz mit rotem Rand. Vor allem passt das ganze Bild überhaupt nicht zu seinen vielen Zuhälterkettchen, die sich alleine schon mit der langen Kreuzkette gebissen haben.

Verwirrt richte ich den Blick auf Blaise.

"Das war ein Dunkler", erklärt Blaise mir sachlich, als er nach längerer Zeit des Wartens keine Antwort von mir erhält.

"Ein Dunkler Vampir?", frage ich verblüfft und mache ein paar schnelle Schritte um Blaise einzuholen, der inzwischen seinen Weg fortgesetzt hat.

"Allerdings", nickt Blaise. Seine Miene ist recht missbilligend.

"Sehen die etwa alle so aus?", will ich verblüfft wissen und denke an die Kreuze.

"Zum Glück nicht", gibt Blaise zurück und rümpft die Nase, "Die meisten von denen erkennst du nur am Geruch oder an den Augen. Man sieht es in den Augen eines Vampirs, wenn er nur noch eine Seele besitzt. Aber scheinbar hatte dieses Exemplar noch beide Seelen."

Ich ärgere mich, dass ich nur so wenig über die Welt der Vampire weiß. Nach Svens Tod hätte ich die Chronik der Vampire aus seinem Haus holen sollen, denn ich habe nicht einmal einen Bruchteil dieses Werkes gelesen. Doch zu dieser Zeit hatte ich wirklich Anderes im Sinn...

"Was wolltest du mir vorhin berichten?", fragt Blaise mit einem leisen Lächeln, das ich nicht als echt einstufen kann..

"Ach ja", murmele ich. Eigentlich habe ich es mir fast schon wieder anders überlegt, aber nun muss ich wohl mit der Sprache raus.

"In meinem Traum flog ich gen Himmel, hinauf zu den Wolken. Dort begegnete ich einer schattenhaften Gestalt, die behauptete, sie sei ich. Dann kämpften wir miteinander, der Schatten unterlag. Doch er schwor, mich zu finden", schildere ich Blaise den Kern des Traumes ohne Umschweife.

Blaise legt die Stirn in Falten und ich werfe ihm einen verwirrten Blick zu.

"Und was geschah dann?", will er nach einigen Sekunden des Schweigens von mir wissen.

"Nichts. Ich stürzte durch die Wolken und erwachte", gebe ich achselzuckend zurück, doch Blaise' Miene verfinstert sich nur noch weiter, sodass ich schließlich unsicher lächelnd einlenke: "Es war ja nur ein Traum."

Natürlich habe ich genau das Falsche gesagt. Blaise starrt mich nun mit hochgezogenen Brauen an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. Als ich ihn nur weiter verwirrt mustere, begreift er scheinbar, dass ich wirklich keine Ahnung habe, worum es eigentlich geht und so erklärt er: "Wir träumen nicht."

"Bitte?", ist das einzige, was ich von mir geben kann.

"Vampire träumen nicht. Wenn wir in unserer Schlafphase - falls man das bei uns so nennen kann - Bilder sehen, handelt es sich dabei niemals um Fiktion. Meistens sind es wahrhaftig durchlebte Augenblicke, die unser Hirn verdrängt hat und über die uns unsere Seele versucht aufzuklären. Manchmal handelt es sich auch um vergangene Geschehnisse oder die Zukunft anderer Vampire oder Menschen. Bei dir scheint es sich jedoch um Ersteres gehandelt zu haben", erklärt mir Blaise das ganze sachlich und immer noch mit nachdenklicher Miene.

Ich starre ihn einfach nur an. So etwas soll wirklich passiert sein? Von den vielen Fragen, die sich vor mir auftun, beschließe ich die Folgende zu stellen: "Wann?"

"Den Tag vor gut einer Woche, an den du dich nicht erinnern kannst, würde ich meinen. Wir..." Damit meinte Blaise offensichtlich auch die anderen Vampire des ersten Ranges ...haben dir bereits einiges über diesen Tag erzählt, doch es gibt Dinge, die nur du selbst wissen kannst. Wir haben alle etwas Ähnliches erlebt und bei dieser Gelegenheit unsere dunkle Seele verloren, doch wie sich herausgestellt hat, läuft dieses Geschehen bei jedem anders ab."

Viel haben sie mir nicht über besagten Tag berichtet. Nur, dass ich die Kontrolle über mich verloren hätte, fortgelaufen und von dem Herrscher der Dunklen Vampire, Keith, in ein altes Gemäuer gelockt worden sei, in dem ich dann schließlich auch aus meiner Trance erwacht bin.

"Aber Lilith", fährt Blaise mit schwerer Stimme fort, wendet sich zu mir um und legt mir seine Hände auf die Schultern. Von der unerwarteten Berührung erschreckt, zucke ich unwillkürlich zusammen, "Unsere dunklen Seelen existieren nicht mehr, wir haben sie getötet. Deine ist nur geflohen, das heißt, sie wird dich suchen, um sich an dir zu rächen. Und das wiederum bedeutet, dass du eigentlich gar nicht im ersten Rang aufgenommen werden durftest. Du bist nicht vertrauenswürdig, da wir nicht voraussehen können, ob du eines Tages von deiner Dunklen Seele beherrscht wirst und Keith ohne es zu wissen unsere Geheimnisse ausplauderst."
 

Lilith starrt mich einfach nur stumm an und das beunruhigt mich mehr, als wenn sie mich angeschrieen hätte. Ich kann in ihren Augen die verschiedensten Gefühle lesen, doch alle sind sie negativ. Ich glaube, sie fragt sich gerade, wo sie nun wohnen wird. Leider kann ich ihre Gedanken nicht lesen, da die Denkstrukturen der Vampire sich von denen der Menschen unterscheiden. Wir können nur die Strukturen der Menschen entschlüsseln.

Ich habe ein wirklich schlechtes Gewissen bei der ganzen Sache. Nicht nur, dass Lilith bereits in ,der Villa' lebt, sie musste auch ihren Geliebten fortschicken und wie ich diesen Taugenichts einschätze, hat er sich bereits eine neue Lady gesucht, statt eine Woche auf seine Angestammte zu warten.

Langsam ziehe ich die Hände von Lilith' Schultern und warte ihre Reaktion ab, doch sie bleibt aus.

Ich seufze kaum hörbar und gehe dann einige Schritte voraus. Als Lilith mir nicht folgt, gebe ich ihr ein unmissverständliches Handzeichen, wodurch sie sich langsam in Bewegung setzt.

Ich lenke meine Schritte in Richtung eines mittelgroßen Pubs, in den regelmäßig eine stattliche Anzahl Vampire einkehrt. So vieles muss ich ihr noch erklären. Vor allem, wie es jetzt weitergehen soll, obwohl ich mir darüber selbst noch nicht im Klaren bin. Doch ich will das Alles nicht auf der Straße besprechen. Es ist ohnehin besser, wenn Lilith meine, Ausführungen sitzend Gehör schenkt. Ich kenne sie noch nicht lange genug, um ihre Reaktion abschätzen zu können. Uns wird ohnehin viel Zeit bleiben, denn in die Zentrale führen, kann ich sie nun unmöglich.

Der kleine Pub ist, wie immer um diese Zeit, reichlich besucht. Ich kann die vielen durcheinanderredenden Stimmen schon einige Meter vor dem Gebäude hören und auch eine Wand aus den verschiedensten Gedanken schlägt mir entgegen. Heute Abend scheinen viele Menschen im Pub zu sein.

Lilith wirft mir einen verwirrten Seitenblick zu: "Das hier soll die Zentrale sein?"

Ich versuche mich an einem vorsichtigen lächeln und erwiedere: "Nein, aber ich denke, wir sollten uns vorher unterhalten."

Natürlich steckt in dieser Behauptung eine kleine Lüge, denn Lilith wird die Zentrale nicht besuchen. Nicht heute und wahrscheinlich auch nicht in absehbarer Zeit.

Ich drücke die Tür zum Pub auf und bitte Lilith vor mir einzutreten. Diese kleine Geste anerkennt sie mit einem kurzen Kopfnicken und huscht an mir vorbei in den Schankraum.

Wie ich erwartet habe, ist der Pub so voll, dass wir erst einmal unschlüssig stehen bleiben und uns nach einem freien Tisch umsehen müssen. Schon nach kurzer Zeit entdeckt Lilith einen freien Tisch in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes, weist mich auf ihn hin und kämpft sich einen Weg durch das Gewühl trinkender Menschen und Vampire frei.

Etwa auf der Mitte des Weges bleibt sie so abrupt stehen, dass ich fast auf sie aufgelaufen wäre. Verwundert blicke ich mich nach dem Grund dieser jähen Abbremsung um und entdecke ihn auch den Bruchteil einer Sekunde später. Ihr Geliebter, Sean, sitzt an einem der Tische und spielt Karten, ein kleines Vampirmädchen auf seinem Schoß.

Dezent ziehe ich mich einige Schritte zurück
 

"Sean, du bist am Zug", weißt mich ein breitschultriger Kerl auf die Spielsituation hin, doch ich ignoriere ihn. Das, was ich nun vor mir stehen sehe, verschlägt mir den Atem. Lilith hat sich vor mir aufgebaut. Ich glaube ich habe sie nie zuvor so gerade stehen sehen. Doch ihre Augen sind leer und sie lässt die Arme nutzlos an ihren Seiten baumeln.

Sofort stoße ich das blonde Vampirmädchen von meinem Schoß.

"Aua, Sean, was soll denn das?", fragt Isabelle verständnislos. Ich habe sie wohl etwas zu hart weggestoßen.

"Lilly, schön dich zu sehen. Ich dachte schon wir sehen uns gar nicht wieder, so lange warst du fort", lächele ich vollkommen Uneffektiverweise.

"Das sehe ich", gibt Lilith tonlos zurück und starrt zweifelnd in meine blauen Augen, als versuche sie in ihnen einen plausiblen Grund für diese Situation zu finden.

"Ach, jetzt tu nicht so, als hättest du dich die letzte Woche der Männerwelt enthalten", grummele ich beschwichtigend.

"Du wirst es sicher nicht nachvollziehen können, aber ja, das habe ich!", ihre Stimme hat inzwischen gewaltig an Aggressivität zugelegt.

Ich verstehe nicht, was sie eigentlich will. Schließlich wollte sie nicht mehr mit mir zusammen wohnen und dass sie sich eine Woche nicht mehr bei mir blicken lässt, war auch nicht meine Idee!

"Du amüsierst dich eine Woche unter deinen Rangesgenossen und lässt mich in einer kalten Gruft schlafen und jetzt beschwerst du dich auch noch, dass ich mir ein warmes Plätzchen gesucht habe?", fahre ich sie an.

"Ach, du wohnst auch noch bei ihr?", schreit Lilith und macht eine unwirsche Geste in Richtung Isabelle. Zuvor hat sie noch mehr oder weniger in sachlichem Tonfall diskutiert, doch auch diese Fassade lässt sie jetzt fallen und das ist mir nur recht.

"Ja, das tu ich!", schreie ich zurück. Ich bemerke kaum, dass ich aufstehe.

"Was willst du jetzt tun? Mich schlagen? Wieso nicht, nur zu! Mehr Schmerzen kannst du mir sowieso nicht zufügen!", brüllt Lilith noch eine Spur lauter als zuvor.

Ich verenge meine Augen zu Schlitzen und ziehe Isabelle an mich heran.

"Sie lässt mich kleine Woche auf der Straße sitzen.", erwidere ich eisig. In diesem Moment will ich nichts mehr als Lilith weh zu tun. Für die letzte Woche und überhaupt für alles, was ich bisher mit ihr erlebt habe. Wieso kann sie nicht einmal normal sein, wie alle anderen? Als Mensch war sie immer eine Ausnahme und jetzt als Vampir ist sie das immer noch. Wahrscheinlich macht ihr das auch noch Spaß, aber mir ist es einfach nur lästig! Niemals kann man mit ihr ein geruhsames Leben führen!

"Dann kannst du ja bei ihr bleiben!", schreit Lilith noch einmal. Leicht erstaunt sehe ich Tränen in ihren Augen aufblitzen. Dann wendet sie sich ab und stürmt durch die Tür hinaus in die Nacht.

Es war nicht richtig sie für alles verantwortlich zu machen, das wird mir jetzt erst klar. Doch was soll mir das? Ich bin ohne sie besser dran! Oder...?
 

So schnell mich meine Beine tragen stürme ich durch die verlassenen Straßen der mir unbekannten Stadt. Immer mehr Tränen füllen meine Augen und verschleiern meinen Blick. Vor Schmerz und Tränen halb blind stürze ich und falle der Länge nach auf den harten Asphalt. Ich bringe nicht die Kraft auf, mich wieder aufzurichten und so bleibe ich einige Minuten einfach schluchzend liegen.

Es beginnt zu nieseln und dann mittelstark zu regnen. Die Nässe und die Kälte, die sie mit sich bringt, lasse mich erschaudern und endlich richte ich mich auf. Mein roter Umhang ist schmutzig und ich habe mir die Ellenbogen aufgeschlagen.

Tief geknickt und den Blick gen Boden gerichtet setze ich meinen Weg langsam fort. Die Wunden, die ich mir bei meinem Sturz zugezogen habe, sind schon fast geheilt, doch der Schmerz in meinem Herzen hält weiter an.

Ich weiß nicht, wie lange ich so durch die Straßen gezogen bin, doch irgendwann erreiche ich einen kleinen Friedhof, der einen sehr gepflegten Eindruck macht. Wie magisch angezogen durchschreite ich die kleine Friedhofspforte und lasse mich auf einem horizontal liegenden Grabstein nieder, der sich etwa in der Friedhofsmitte befindet. Es regnet immer noch, doch nicht mehr so stark wie zuvor. Verzweifelt vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Meine Tränen sind versieht, doch sie haben eine unendliche Leere in mir zurückgelassen. Ich kann kein Vampir aus dem ersten Rang mehr sein und Sean will mich nie wiedersehen. Vielleicht hätte ich ihm erzählen sollen, dass ich nun auch kein Zuhause mehr habe, doch wahrscheinlich hätte er mich nur ausgelacht oder mir mitgeteilt, dass es mir recht geschieht.

Eine Kälte, die so eisig ist, dass sie unmöglich von Wind und Regen stammen kann, umgibt mich. Alarmiert hebe ich den Kopf und entdecke einen dunklen Schatten, der mich umgibt. Ich will aufspringen, doch meine Glieder sind wie festgefroren.

"Gefunden!", lacht der Schatten um mich her höhnisch.

Daraus kann ich mir keinen Reim machen.

Zu meiner Erleichterung zieht sich der Schatten kurze Zeit später von mir zurück und schwebt einige Meter neben mir auf und ab. Ich fröstele immer noch, doch kann ich mich endlich wieder bewegen.

Ich lasse meinen Blick über den Friedhof schweifen und entdecke den Grund für den jähen Rückzug des Schattens: Auf der Friedhofsmauer sitzt ein Vampir mit blondem, nach oben gegeltem Haar. Ich erkenne ihn sofort wieder, die vier kleinen Silberringe in seinem linken Ohr sind unverkennbar, es handelt sich um den dunklen Vampir, der Blaise und mir vor höchstens ein paar Stunden über den Weg gelaufen ist.

Der dunkle Vampir hebt seine Oberlippe und entblößt seine Eckzähne ein kleines Stück, genau wie bei unserer letzten Begegnung. Er hat mich also ebenfalls wiedererkennt.

Ehe ich mich versehe ist der fremde Vampir wie von Geisterhand verschwunden. Irritiert wende ich den Kopf nach rechts und links und schrecke zusammen, als er direkt neben mir aus dem Nichts erscheint. Ich kann nichts weiter tun als ihn anzustarren. Was geht hier vor?

Doch nun ist auch der unheimliche Schatten wieder aktiv. Er scheint sich auf den Vampir zu stürzen und ihn zu verschlucken.

„Schnell, wie ist sein Name?“, kann ich eine Stimme aus dem Nebel vernehmen. Sie klingt ruhig aber zugleich drängend.

„Was meinst du?“, rufe ich verwirrt, da ich denke, die Stimme gehört zu dem dunklen Vampir. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich durch die zähflüssige schwarze Masse hören kann.

„Der Name des Schattens. Denk nach! Du musst ihn kennen, er entstammt deinem Selbst“, ist die Antwort.

Was kann er nur meinen? Aus meinem Selbst, ein Schatten...

Vor meinen Augen beginnt mein Traum Revue zu passieren. Ein Wolkenmeer, ein Kampf, ein Gegner. „Ich werde dich finden“

„Shade!“, schreie ich unnötig laut. Meine Hände zittern und in meinem Kopf rasen die Gedanken. Das war kein Traum.

„Schatten der Seele, SHADE!“, vernehme ich erneut die gebieterische Stimme. Für mich klingt es, als spräche der Vampir eine Art Beschwörung.

Der Schatten zieht sich zusammen und weitet sich danach wieder aus. Durch die schnelle Wiederholung des Vorgangs wirkt es auf mich, als würde er zittern. Immer noch vibrierend zieht sich der Schatten einen guten Meter zurück und dort, wo er sich eben befand, kann ich den blonden Vampir wieder erkennen.

Ein heftiger Ruck durchfährt den schwarzen Nebel und er beginnt sich zu verformen, festere Konturen anzunehmen. Aus dem Schatten formt sich ein Mädchen in meinem Alter mit fahler Haut, schwarzen Augen und langem schwarzem Haar. Auch sie scheint ein Vampir zu sein, denn sie entblößt erzürnt ihre Eckzähne. Doch lange kann ich mich mit Shades Erscheinung nicht befassen, denn schon scheinen ihre Umrisse erneut zu zerfließen. Der blonde Vampir hat ein Einmachglas hervorgezogen, in das sich der Schatten langsam zurückzieht. Als sich der gesamte schwarze Nebel in dem Glas befindet, schraubt der Vampir einen Deckel darauf und hindert ihn somit am Entfliehen. Ich kann meinen Blick nicht von dem wabernden Nebel in dem Glas abwenden.

„Wer bist du?“, hauche ich halb ehrfürchtig. Was immer gerade vorgegangen ist, der fremde Vampir hat die Macht es zu kontrollieren und das Zeugt von einem hohen Rang.

„Gabriel“, ist seine schlichte Antwort.

Durch seine Stimme aufgeschreckt wende ich meinen Blick wieder ihm zu. Seine Art zu stehen fasziniert mich. Er steht entspannt, fast lässig da, mit leicht gekrümmtem Rück, die Hände in den Hosentaschen. Dazu betrachtet er mich abschätzend, was kombiniert für mich einen solchen Widerspruch ergibt, dass es mich einfach fasziniert.

„Was hast du mit ihr gemacht?“, frage ich frei heraus, was mich die ganze zeit innerlich beschäftigt. Ich rede von Shade, das weiß er.

„Ich habe den Schatten gefangen. Auftrag von Keith“, antwortet Gabriel geduldig. Nach kurzem Zögern fährt er fort: „Wir sammeln alle freigewordenen dunklen Seelen, um sie Keith zu bringen. Er sucht nach einer bestimmten Seele.“

„Du kennst doch Keith?“, setzt er hinzu, als ich nicht reagiere.

„Der Herrscher der Dunklen“, murmele ich mehr zu mir selbst als zu dem Vampir.

„Wie ist dein Name?“, fährt Gabriel mich jäh unwirsch an.

Durch den plötzlichen Sinneswandel seinerseits erschreckt, zögere ich einige Sekunden, bevor ich antworte: „Lilith.“

„Du besitzt nur noch eine Seele, Lilith. Ich kann dir helfen, deine alte Seele zurückzubekommen. Doch dazu musst du dich zu Keith’ Anwesen begeben und dort arbeiten. Du wärest eine von uns“, erklärt mir er wieder sachlich.

Ein Dunkler Vampir? Eine Gesetzesbrecherin? Ich?

Ich will gerade etwas erwidern, als Gabriel erneut zu sprechen beginnt: „Vielleicht seid ja ihr die „Dunkeln“ und unsere Gerechtigkeit, ist wahre Gerechtigkeit.“

Ich zögere. Aus diesem Blickwinkel habe ich das ganze noch nie betrachtet. Was, wenn er Recht hat, wenn er tatsächlich Recht hat? Was ist mir nicht schon alles wiederfahren!

Ein Rascheln im Gebüsch außerhalb der Friedhofsmauer lässt mich zusammenfahren und Gabriel wendet irritiert den Kopf.

„Überlege gut“, fordert er mich mit gedämpfter Stimme auf.

Gerade als jemand oder etwas über die Friedhofsmauer auf Gabriel zuspringt, wird dieser Eins mit der Nacht und ist verschwunden.
 

Keuchend komme ich neben Lilith zum Stehen und schiebe mein Schwert zurück in seine Scheide. Ich handele mir einen halb bestürzten Blick ihrerseits ein, ich habe sie wohl erschreckt.

„Das war doch der Dunkle, den wir vorhin getroffen haben“, knurre ich. Immer wenn ich an die Dunklen denke, füllt sich meine Brust mit blankem Zorn, „Was wollte er von dir?“

Ich warte einige Sekunden ab, erhalte jedoch keine Antwort. Lilith’ glasiger Blick ruht auf meinem Gesicht und lässt mich unwillkürlich schaudern. Nie hat mich jemand so abwesend angesehen.

Jäh macht Lilith’ einen ungeschickten Schritt nach hinten und sinkt dann in sich zusammen. Ich schaffe es gerade noch, sie vor dem Aufprall auf dem Boden zu bewahren, indem ich sie an mich ziehe.

„Lilith! Kannst du mich hören?“, frage ich mit leicht bebender Stimme und rüttele ihre schmalen Schultern, doch erhalte keine Reaktion. Panik strömt in mir auf. Sie ist gerade erst zu uns gestoßen und jetzt so etwas. Wie soll ich mich verhalten?

Mein Pflichtgefühl der Vampirgemeinschaft gegenüber sagt mir, ich kann sie nicht mit zurück in die Zentrale nehmen, doch mein Gewissen ist anderer Meinung. Genauso wenig kann ich sie hier liegen lassen. Ihre Haut ist fahl, vermutlich hat sie zu lange kein Blut mehr zu sich genommen. In diesem Fall kann sie sich nicht aus eigener Kraft hoch raffen und wenn die Sonne aufgeht, ist sie verloren, sie ist zu jung, zu unerfahren, zu unbehelligt.

Ich nehme Lilith auf den Arm und verlasse den Friedhof. Was habe ich für eine Wahl? Ich werde den anderen Vampiren des 1. Ranges nichts von Lilith’ Traum erzählen, bis sie wieder bei Kräften ist.
 

Als ich die Haustür ins Schloss fallen höre, setzte ich mich sofort auf. Bis eben habe ich in Blaise' Bett gedöst.

Ich weiß genau, dass niemand außer er und Lilith die 'Villa' verlassen haben, also bin ich schon fast an der Zimmertür, um die beiden zu begrüßen, als mir der Widersinn der Sache bewusst wird. Die beiden sind erstaunlich schnell wieder hier - ich würde fast sagen zu schnell.

Mit gerunzelter Stirn entscheide ich mich nun doch die Türklinke hinunterzudrücken und öffne die Tür einen Spalt breit. Ich kann nun in den Flur blicken und erkenne tatsächlich Blaise im Dämmerlicht des Gangs. Erfreut verlasse ich nun endgültig sein Zimmer und will ihm enntgegenlaufen, als ich im Fackelschein seinen Gesichtsausdruck erkenne. Seine Augen funkeln ausdruckslos und seine kaum merklich in Falten gelegte Stirn lässt mir einen Schauder über den Rücken laufen. Erst nach dieser Feststellung bemerke ich Lilith auf seinen Armen. Was um alles in der Welt soll denn das werden? Eine wirklich bodenlose Unverschämtheit!

"Minachi", stellt Blaise sehr trocken fest, was mich zu einer weiteren Erkenntnis bewegt: Lilith scheint bewusstlos zu sein.

Die Wut, die sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in meiner Brust zusammengeballt hat, löst sich mit einem Mal auf und hinterlässt eine gähnende Leere, die nach meinem Herzen auch meinen Kopf zu füllen scheint.

"Blaise, ihr seid schon wieder da?", vernehme ich eine Mädchenstimme, die ich noch nicht sehr oft gehört habe. Sie gehört Claire, die sich nun auch von einer seitlich vom Gang abgehenden Tür in mein Sichtfeld schiebt. Ich hätte sie beinahe nicht erkannt. Alles erscheint mir so vernebelt, so unwirklich...

Doch schon im nächsten Moment werde ich aus meiner Trance gerissen: "Was steht ihr denn alle im Flur rum? Geh mal beiseite, Menschenkind."

So etwas kann zweifellos nur die kleine Méridia von sich geben, die mich nun auch unwirsch beiseite schiebt und genau wie Claire mitten im Gang stehen bleibt, scheinbar nicht sicher was zu sagen, was zu tun ist.

Claire schüttelt den Kopf und hebt die Hand an die Stirn, als würde sie verzweifelt versuchen sich einzureden, dass sie träumt. Und nach dieser kleinen Geste wagt sie sich nun auch endlich wieder zu Wort: "Was ist passiert?"

"Lange Geschichte", würgte Blaise jegliche Fragen, die sicherlich allen auf der Zunge lagen, trocken ab, "Sie braucht Blut."

Claire und Méridia werfen sich fragende, vielleicht auch entgeisterte Blicke zu. Ich kann ihre Gesichter im Halbdunkel nicht genau erkennen. Doch mir jedenfalls ist spätestens jetzt das Herz in die Hose gerutscht. zwar habe ich lange nicht mehr viel mit Lilith geredet und ich fühlte mich von ihr auch halb betrogen, doch die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit als gewöhnliche Teenager ist einfach zu schön und zu lang um sie zu verdrängen.

Hinter mir höre ich eine Tür leise quietschend aufgehen. Erschreckt zucke ich zusammen. Wie ist das möglich? Wir sind doch alle im Flur. Wer...?

Feines Silberhaar streift meine Schulter und beschert mir eine Gänsehaut, als der langhaarige Mann an mir vorbei und auf Blaise zugeht. Ich habe ihn noch nie gesehen, und doch muss er zu den Vampiren des 1. Ranges gehören: Er trägt einen roten Umhang.

"Silencius...", sagt Blaise halb erstaunt, halb erfreut.

Ohne ein Wort zu sagen durchschreitet der Vampir - sein Name ist offensichtlich Silencius - den Gang und nickt Blaise zu. Dieser scheint zu verstehen und legt Lilith vorsichtig auf dem Boden ab, wo sich Silencius neben ihr niederkniet.

Gerade als ich mich beginne zu fragen, was das werden soll und mir panische Gedanken durch den Kopf rasen, die mir erzählen wollen, wo ich Blut für Lilith herbekommen kann, ohne mein eigenes zu verwenden, ritzt der silberhaarige Vampir mit einem langen Fingernagel eine kleine Wunde in sein Handgelenk. Fragend blicke ich zu Blaise hinüber, der sich etwas zurückgezogen und an die Haustür gelehnt hat, doch seine Augen sind geschlossen. Ich glaube er versucht sich zu beruhigen, vielleicht auch einfach nur wegzuträumen, denn aufgeregt war er auf jeden Fall. Auch wenn ich ihn immer noch nicht ganz durchschauen kann, so erkenne ich doch seine starken emotionalen Regungen, egal wie verzweifelt er auch versucht, sie zu verstecken. Ich frage mich sowieso, wieso er das immer tut...

Silencius hat inzwischen seinen Arm zu Lilith' Mund geführt und scheint ihr sein Blut in den leicht geöffneten Mund tropfen lassen zu wollen. Ich wusste nicht, dass Vampire auch das Blut von anderen Vampiren trinken können!

Schon nach kurzer Zeit kann ich Lilith' Lippen zucken sehen und etwas später scheint sie Silencius' Blut schon selbst zu trinken.

Ich bemerke erstaunt, dass ich die einzige Zuschauerin bin. Blaise hat immer noch die Augen geschlossen, Méridia hat sich abgewandt und Claire starrt auf ihre Schuhe, als seien sie unendlich interessant. Jäh fühle ich mich, als dürfte auch ich nicht zusehen, obwohl ich nicht weiß, was es damit auf sich hat.

Ehe ich weiter darüber nachdenken kann, sehe ich Lilith' Augenlider flattern. Der Vampir mit dem langen Silberhaar hebt Lilith' nun hoch und wendet sich zu mir um. Er hat so stahlblaue Augen, dass mir augenblicklich kalt wird. Auch Lilith' Augen sind einen Spalt breit geöffnet und sie lächelt mich matt , was mir auf eine seltsame Art ein schlechtes Gewissen bereitet.

Nun blickt Silencius auf Lilith herab. Diese nickt und der silberhaarige Vampir öffnet die Tür zu ihrem Zimmer und durchschreitet sie.

Ich starre noch einige Seknunden lang weiter auf die geschlossene Tür, gehe dann zu Blaise hinüber und berühre ihn vorsichtig am Arm. Er öffnet die Augen und schenkt mir ein Lächeln, das mich traurig macht. Es sieht so niedergeschlagen aus. Ich seufze und lasse mich von Blaise an Méridia und Claire vorbei, die uns beidenn keine Beachtung schenken, in sein Zimmer führen.
 

Gedankenverloren lasse ich mich in meinem Zimmer auf das Bett fallen und starre die Decke an, von der ununterbrochen Regen fällt, der jedoch nie den Boden erreicht. Eine Bewegung der Matraze verrät mir, dass sich Minachi neben mich auf die Bettkannte gesetzt hat. Als ich ihr den Kopf zuwende, kann ich sie kaum erkennen, das Zimmer ist voll mit weißem, kalten Nebel.

"Was hast du?", fragt sie mich und starrt mich durch die Dunstschleier hinweg mit einem typisch menschlichen Blick an, der mich schmunzeln lässt.

"Nichts", lüge ich.

"Nichts?"

"Gar nichts"

"Und was ist dieses 'Nichts'?"

Wieder bringt sie michh zum Schmunzeln. Sie ist klug und wortgewandt und egal was ich mache, ich komme doch nicht an ihr vorbei. Vielleicht ist es das, was mich an ihr so fasziniert.

Ich setze mich auf und stütze den Kopf in die Hände. Ungewollt entweicht mir ein leises Seufzen, das Minachi sicher gehört hat. Zumindest taxiert sie mich mit einem Blick, der noch ein Stück besorgter wirkt, als der erste. Ich will sie nicht mit meinen Sorgen belasten und doch werde ich wohl nicht darum herumkommen.

Ich lächele matt, eine schlechte Angewohnheit von mir, und beginne ihr zu berichten. Nach einigen Sätzen bemerke ich kaum noch, dass ich mit ihr rede; ich scheine in einer Art Zeitschleife noch einmal durch diesen Tag zu wandern, noch einmal Lilith entgeistertes Gesicht zu sehen, noch einmal den Dunklen Vampir in die Flucht zu schlagen. Die Worte sind nun keine Worte mehr, sie sind Bilder, Gefühle. Umso verwirrter bin ich, als ich geendet habe unnd jäh Stille um mich herrscht. ich spüre Minachis Hand auf meiner Schulter.

"Warum belastet dich das so?", fragt sie ernst.

Ich scheine ihr das Ganze wirklich erzählt zu haben, Detail für Detail.

"Lilith' ist noch so jung. Sie hat keinen Lehrmeister mehr; als Anführer der Vampire des ersten Ranges ist es meine Pflicht auf sie aufzupassen."

Erschreckt über mich selbst verfalle ich wieder in tiefes Schweigen. Habe ich doch noch nie mit jemanden über solche Dinge gesprochen - über Gefühle...

Minachi öffnet schon wieder den Mund, um etwas zu fragen. Doch ich will keine Fragen mehr hören, nicht jetzt. Ehe sie aussprechen kann, was sie denkt, habe ich sie an mich gezogen und mich mit ihr ins Bett zurückfallen lassen.

Gemeinsam blicken wir nun zur Zimmerdecke empor, auf der sich der Himmel langsam lichtet - schweigend.
 

Ich erwache und fühle mich zu schwach auch nur die Augen zu öffnen. Kein Glied mag sich rühren, ich fühle mich wie an den Untergrund, auf dem ich liege, gekettet. Als mir Aufgrund dieses unangenehmen Gefühls ein leises Stöhnen entfährt, spüre ich wie sich jemand in meiner Nähe bewegt. Ein Umhang raschelt.

Vielleicht ist es Blaise? Doch ich scheine mich nicht mehr auf dem alten Friedhof zu befinden, es ist zu warm und der Untergrund ist zu weich. Was ist geschehen?

Mit Mühe schaffe ich es endlich die Augen zu öffnen und erblicke einen dunkelgrauen Himmel. Ist es für dieses Wetter nicht viel zu warm? Natürlich, ich muss in meinem Zimmer sein - zumindest in einem Zimmer der Vampire des 1. Ranges. Ein düsterer Himmel und doch diese angenehme Wärme - ja, anders kann es nicht sein.

Jemand beugt sich über mich und ich erschrecke.

"Wer seid Ihr?", habe ich fragen wollen, doch ich bbringe die Worte nicht über meine Lippen. Zu anstrengend der Versuch, zu schwer meine Lippen.

Der Fremde starrt mich aus stahlblauen Augen an, die mich zu durchbohren scheinen. ich weiß nicht wieso, doch ich fühle mich als gäben seine Augen eine Antwort auf meine ungestellte Frage. Doch das ist nicht möglich. Vampire können die Gedankenstrukturen anderer Vampire nicht entschlüsseln. Und doch beruhigt mich dieser Blick. Er sagt mir, dass dieser Vampir rechtens hier ist und dass er mir nur Gutes will.

"Wie bin ich hier hergekommen? Wieso kann ich mich nicht bewegen?", schaffe ich es endlich zu sagen. Meine stimme klingt krächzend und überhaupt nicht nach mir.

Einen Moment lang denke ich, der fremde Vampir will mich nur weiterhin stumm anstarren, doch dann spricht er zu mir: "Blaise hat dich hergebracht."

Seine Stimme lässt mir einen warmen Schauder über den Rücken laufen. Er spricht mit einem sanften, kaum merklichen Akzent und seine Stimme ist die zarteste, die ich je gehört habe; sie scheint jede Sekunde zerbrechen zu können.

"Mein Name ist Silencius", fügt er nach einigen Sekunden noch eine Spur leiser als zuvor hinzu.

Ich versuche mit der Bewegung meiner Augen ein Nicken anzudeuten und bringe ihn dabei zum schmunzeln. Er sieht wirklich sehr nett aus, wenn er lächelt. Zuerst hat er auf mich einen kalten, fast schaurigen Eindruck gemacht - vielleicht liegt das an seinem langen Silberhaar und seinen so blauen Augen.

Jäh tritt Silencius aus meinem Sichtfeld. Aus Neugier blicke ich ihm nach und schaffe es dabei tatsächlich den Kopf zu wenden.

"Wohin geht Ihr?", frage ich. Diese Frage mag ihm unhöflich erscheinen, doch sie entsprang nur reinem Interesse und vielleicht auch dem Wunsch jetzt nicht allein zu sein.

Doch Silencius scheint sein Pensum an Gesprächigkeit für den heutigen Tag ausgeschöpft zu haben, denn als Antwort erhalte ich wieder nur einen seiner tiefgründigen Blicke, bevor er durch die Tür verschwindet. Ich bleibe in tiefer Stille zurück, die mich zum Nachdenken verleitet. Blaise hat mich also hier hergebracht. Aber wieso? Was ist geschehen? Ich lege die Stirn in Falten. Die karge Wand, auf die ich starre, seit Silencius den Raum verlassen hat, nehme ich kaum noch war. Verzweifelt versuche ich mich zu erinnern. Wieso passiert so etwas immer nur mir? Es ist bereits das zweite Mal, dass ich einen ganzen Tag einfach vergesse.

Durch meine Verzweiflung angespornt, konzentriere ich mich stärker auf den vorigen Tag. Kälte und Schmerz.... Ich bin diesem schwarzen Vampir begegnet – wie war sein Name? Gabriel! Aber wieso? Natürlich, Blaise wollte mir die Zentrale zeigen aber... Mein Traum. Wegen diesem Traum ist das alles passiert. Ich habe Sean getroffen. Sean...

Mein Herz scheint einige Sekunden auszusetzen. Das Bild von Sean und einem mir fremden Mädchen brennt sich erneut in meinen Kopf.

Ein Klopfen an der Tür schreckt mich auf und lässt mich alles zuvor gedachte vergessen.

„Wer ist da?“, frage ich mit meiner kratzigen Stimme, an die ich mich wohl werde gewöhnen müssen.

Die Tür wird einen Spalt breit aufgedrückt, sodass ich eine von rotem Stoff bedeckte Schulter und ein paar silberne Haarsträhnen erkennen kann.

„Kommt rein“, sage ich heiser, nachdem ich Silencius erkannt habe.

Wie geheißen betritt dieser den Raum und schließt die Tür hinter sich. Im Arm hält er einen Hasen, den er mir nun reicht. Überrascht greife ich nach dem Tier und erlebe eine weitere Überraschung: Meine Arme lassen sich bewegen – wenn auch nicht ganz schmerzfrei.

Silencius war also auf der Jagd.

Gedankenverloren streiche ich durch das Fell des toten Tiers. Ich weiß nicht wieso, doch ich muss in diesem Moment an meinen Lehrmeister Sven denken. Das erste Wesen, dessen Blut ich getrunken hatte, ist ein Hase gewesen. Ich muss lächeln, als ich mich daran erinnere, wie ich Sven gebeten habe, den Hasen zu begraben.

Erst jetzt bemerke ich Silencius' Blick, der abschätzend auf mir ruht und mir wird klar, wieso ich mich nicht so gut bewegen kann. Meine Adern brennen, es ist mir kaum aufgefallen. Wie lange habe ich kein Blut mehr getrunken?

Ich schüttele den Kopf und damit auch meine Gedanken ab, entblöße meine Eckzähne und durchtrenne damit das zarte Hasengewebe.

Nach einiger Zeit hebe ich den Kopf und wische mir mit dem Handrücken einen Bluttropfen von den Lippen. Fragend blicke ich Silencius an, doch dieser schüttelt den Kopf. Er hat diesen Hasen also nur für mich mitgebracht. Ohne weiter darüber nachzudenken, versenke ich meine Zähne erneut in dem Tier und trinke, bis kein Tropfen Blut mehr übrig ist.

Ein angenehmes Gefühl durchfährt meinen Körper. Es fühlt sich an, als würden meine brennenden Adern mit der warmen Flüssigkeit gelöscht werden. Meine Sinne scheinen sich zu Überschlagen und warme Dunkelheit empfängt mich.
 

Schnaubend lege ich das Buch zur Seite, in dem ich eigentlich nicht einmal ernsthaft gelesen habe.

„Claire?“, frage ich, die Stirn in Falten.

Claire, die vor mir auf dem Boden sitzt und meditiert, hebt den Kopf.

„Méridia?“, ist ihre trockene Antwort.

„Wie sollen wir so gegen die Dunklen Vampire bestehen? Jeder kümmert sich nur noch um seinen eigenen Kram! Lilith ist viel zu jung für eine solche Aufgabe und Blaise? Der kümmert sich nur noch um dieses Menschenkind und vernachlässigt seine Pflichten. Das ist sowieso das letzte! Ein Menschenkind in der 'Villa'! Was soll das?“, entrüste ich mich.

Ich bin kein Mensch, der seine Gedanken gerne für sich behält. Vielleicht halten mich deshalb viele für unsympathisch, aber das ist mir egal.

„Ich weiß nicht“, ist Claires Antwort, die mich fast zur Weißglut bringt.

„Und es scheint dir ja auch ziemlich egal zu sein!“, fahre ich sie an.

Claire wendet den Kopf ab und antwortet nicht. Diese Reaktion ist das letzte, was ich erwartet habe. So kenne ich sie gar nicht.

„Claire?“, hake ich dieses mal etwas sanfter nach, warte jedoch keine Antwort ab. Ich rutsche von dem Stuhl, auf dem ich gesessen habe, sodass meine Füße nun endlich wieder den Boden berühren und gehe ein paar Schritte auf sie zu, um mich dann neben ihr auf dem Boden niederzulassen.

Was ich nun erblicke, erstaunt mich mehr als alles, was ich in den letzten Wochen in diesem verrückten Haus erlebt habe. Claire hat die Augen geschlossen, doch ihre Wangen schimmern feucht. Eine Strähne ihres braunen Haares fällt ihr vors Gesicht und ich streiche sie weg.

„Claire? Weinst du?“, frage ich vorsichtig und sehr leise.

Blitzschnell schlägt sie die Augen auf und funkelt mich aus feuchten Augen halb verzweifelt, halb zornig an: „Wieso hat er ihr von seinem Blut gegeben?!“

Ich verschränke die Arme.

„Weil er der einzige von uns ist, der mächtig genug ist“, gebe ich schlicht zurück.

„Das ist nicht Recht!“, braust Claire erneut auf.

„Es schafft tiefe Bänder zwischen den Herzen...“, fügt sie wesentlich leiser und bedrückter hinzu, „Er hätte das nicht tun müssen – niemand hätte ihn gezwungen!“

Und damit springt sie auf, verlässt den Raum und schlägt die Tür geräuschvoll hinter sich zu.

Ich bleibe zurück und hänge meinen Gedanken nach. Bevor Lilith dem 1. Rang beigetreten ist, gab es nie Probleme. Die Vampire des 1. Ranges waren immer eine Einheit, die sich gegenseitig unterstützt und die sich nicht um Außenstehende geschert hat. Das hat uns stark gemacht. Was ist nur geschehen? Was ist los mit diesem Haus?
 

Als ich erneut erwache, stelle ich erstaunt fest, dass meine Glieder mir ausnahmslos zu gehorchen scheinen. Erfreut schlage ich die Augen auf und blicke mich um. Silencius ist nicht gegangen, während ich geschlafen habe. Er hat sich einen Stuhl an mein Bett gerückt und ist mit dem Oberkörper auf der Matratze ebenfalls eingeschlafen. Sein langes Silberhaar ist wie ein Fächer aus feiner Seide auf dem Laken ausgebreitet und glitzert im Mondlicht, das von der Zimmerdecke herabscheint.

Ich lege den Kopf leicht schräg und strecke die Hand aus, um dieses schimmernde Haar zu berühren, halte jedoch ein. Wie Silencius so darliegt, erscheint er mir so anmutig und zerbrechlich wie ein Einhorn, wie eine Blume, die welkt, wenn man sie berührt.

Schon im nächsten Augenblick frage ich mich, wieso mir Silencius' Anwesenheit nicht unangenehm ist, wieso ich – die ganze Zeit schon - auf ihn reagiere wie auf einen alten Bekannten, nicht wie auf einen Fremden.

Ich winkele die Beine an und umschlinge sie mit meinen Armen, den Kopf lege ich auf meine Knie. So wache ich über Silencius' Schlaf, bis er erwacht.
 

by Lilly Hidomi

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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-08-11T00:59:17+00:00 11.08.2007 02:59
boahh!!!so spannend !!!mach schnell weiter!
Von: abgemeldet
2007-07-27T12:24:28+00:00 27.07.2007 14:24
*sniff* Irgendwie liebe ich diese Geschichte... ich hoffe du schreibst sie bald weiter!! Es ist echt spannend... am liebsten würde ich jetzt weiterlesen. Naja, wieder ein paar kleine Tippfehlerleins:

>"Komm Lilith, ich will dir nun die ,Zentrale' zeugen."

Hier muss es "zeigen" heißen ^^

>"Sie lässt mich kleine Woche auf der Straße sitzen.", erwidere ich eisig.

"keine Woche"

>Meine Tränen sind versieht, doch sie haben eine unendliche Leere in mir zurückgelassen.

Ich glaube eher "versiegt"

>Er hat mich also ebenfalls wiedererkennt.

"wiedererkannt"

>Er steht entspannt, fast lässig da, mit leicht gekrümmtem Rück, die Hände in den Hosentaschen.

"leicht gekrümmtem Rücken"

>Auch Lilith' Augen sind einen Spalt breit geöffnet und sie lächelt mich matt , was mir auf eine seltsame Art ein schlechtes Gewissen bereitet.

"und sie lächelt mich matt an"

>Ich starre noch einige Seknunden lang weiter auf die geschlossene Tür, gehe dann zu Blaise hinüber und berühre ihn vorsichtig am Arm.

"Sekunden"

>Ich seufze und lasse mich von Blaise an Méridia und Claire vorbei, die uns beidenn keine Beachtung schenken, in sein Zimmer führen.

"die uns beiden keine Beachtung schenken"

>Wieder bringt sie michh zum Schmunzeln.

"mich"

>"Wer seid Ihr?", habe ich fragen wollen, doch ich bbringe die Worte nicht über meine Lippen.

"doch ich bringe ..."

>Der Fremde starrt mich aus stahlblauen Augen an, die mich zu durchbohren scheinen. ich weiß nicht wieso, doch ich fühle mich als gäben seine Augen eine Antwort auf meine ungestellte Frage.

Satzanfang groß

>Meine stimme klingt krächzend und überhaupt nicht nach mir.

"Stimme"


Etwas mehr diesmal. Am Anfang kamen weniger Fehler vor, aber diese sind ja auch nicht so schlimm. Am besten ist es trotzdem wenn alles richtig ist. ^^
Also das war das erste Kommentar. Irgendwie bin ich heute schon dazu gekommen. Ich hoffe das hilft dir ein bisschen weiter. Schreibst du mir ne ENS wenn das nächste Kapitel fertig ist?

MFG
Minni
Von:  Lematique
2007-06-20T10:01:37+00:00 20.06.2007 12:01
Hallo ^^
Hab gerade alles an einem Stück durchgelesen und habe mir einige Notizen gemacht ö.ö *das sonst alles vergisst*

Zuerst: es gibt ein paar Grammatik- und Rechtschreibfehler, aber es hält sich im Rahmen.
Und eine Frage: Warum schreibst du am Anfang, und dann auch nur ein einziges Mal: Vampyr?
Was mich auch irritiert hat, war die Zeitangabe 15 vor 10 o_O also bei uns sagt man sowas nicht *drop* hört sich nicht schön an wie ich finde

Die Geschichte ist an sich ganz gut, aber dein Schreibstil sagt mir nicht so zu. Meiner Meinung nach schreibst du manchmal einfach zu viele kurze Sätze. Bei der Stelle mit dem neuen Lehrer fand ich es mehr als nervend o_O wenn du das als Stilmittel eingesetzt hast, war es, meiner Meinung nach, zu viel des Guten.
Und allgemein hast du einzelne Wörter zu oft hintereinander wiederholt.
Auch wenn ich durchaus gemerkt habe, dass die Geschichte nicht vor Jahrhunderten vor Jahren spielt, stört mich diese Umgangssprache, die du zwar nur teilweise eingesetzt hast, was aber, glaube ich, durch deinen Schreibstil auf mich einfach permanent so gewirkt hat. (Ich verabscheue Umgangssprache Oo nur so nebenbei)

Was mich auch verwundert hat, ist die "ganze Vampirsache" *es sich so notiert hat* xD
Ich meine, ganz am Anfang beißt Lilith ihre Freundin. Demnach müsste sie sterben. Lilith könnte nicht in die Schule (Tageslicht) und sich auch nicht schminken, denn Vampire haben kein Spiegelbild.
Das ist alles ziemlich verwirrend und wenn du, was ich durchaus verstehen könnte, dir dabei gedacht hast "in meiner Geschichte haben sie halt ein Spiegelbild", aber dann hättest du, finde ich, das sagen sollen. Zum Beispiel in irgendeinem beiläufigen Satz von Lilith, dass diese Sagen über Vampiren nur Humbug sind, etc.

Was ich ziemlich belustigend fand, war die Tatsache, dass Sean und Minachi einfach so in die Sporthalle marschieren konnten und kein Vampir das bemerkt, obwohl sie doch so extrem ausgeprägte Sinneswahrnehmungen haben. Oder genau so mit dieser Stelle:

„Was für Mitglieder?“, will der blonde Vampir wissen. Ich hätte es mir nie zugetraut einem solchen Geschöpf in aller Seelenruhe solche Fragen zu stellen! - sie verhält sich doch auch seelenruhig mitten unter Vampiren ôo
Diesen Übergang, dass sie ein gewisses Vertrauen gegenüber den Vampiren spürt, hast du übersprungen. In meinen Augen hätte da einfach mehr kommen müssen.

Aber wie gesagt, von der Story her ist es ganz gut ^^; und selbstverständlich nichts von der Kritik als persönlichen Angriff verstehen o_O"

Liebe Grüße,
Diddelmaus
Von:  RaMonstra
2007-01-23T18:11:00+00:00 23.01.2007 19:11
hi
also ich bin endlich fertig und es hat mir wirklich gut gefallen
kritik hab ich trotzdem (sry)

die perspevtiven haben immer ziemlich schnell gewechselt, manchmal wusste ich nicht genau, wer jetzt gerade dran ist. ist mir vorallem im 1. kapitel aufgefallen und ,

was mich persönlich gestört hat, ist das du zb. geschrieben hast 'ich verlasse mein zimmer' und nicht 'ich verließ mein Zimmer', du hast immer genau das beschrieben, was sie in genau diesem moment gemacht hatte.

das hat mich im lesefluss behindert. aber das ist deine stil, da kann ich nur meine persönliche Meinung zu geben.

lg Sile'
Von:  Punk_PANSY_Pueppchen
2006-11-14T22:04:22+00:00 14.11.2006 23:04
also dieses kapitel hat mir am besten gefallen^^
ich hoffe du schreibst bald weiter,jetzt wos richtig spannend zu werden scheint ?!

*knuffs* da chem^^
Von:  Minachi
2006-09-25T16:06:38+00:00 25.09.2006 18:06
hach, ist schon toll sich selbst zu lesen.. und das du meinen Chara nachwievor so perfekt triffst liebes X3~
*kicher*
Ja, ich mag die Story ja sehr.. ^o^~
und das ich mal einen Mann abkriegen soll find ich ja noch viel besser xD
Von:  HarukalovesMichi
2006-07-19T22:53:02+00:00 20.07.2006 00:53
Die Story ist voll spannend mach bitte weiter!!

LG HLM
Von:  Chocokatze
2006-03-03T09:31:38+00:00 03.03.2006 10:31
Schreib weiter! Das ist echt gut! Und außerdem will ich wissen, was mit diesem Dunklen Vampir los ist. Ich kann dir aber echt nur empfelen ,weiter zu schreiben.
Von:  Drachenwind
2005-12-28T19:53:10+00:00 28.12.2005 20:53
Tut mir leid, der Server ist abgestürzt, deswegen weiß ich auch keine Einzelheiten mehr.
Allerdings: Zunächst riskiert Sean fast alles, um wieder mit ihr zusammen zu sein und dann fragt er sich, ob sie ihn etwas bedeutet?
Die Beziehung zwischen den Freundinnen ist echt komisch. Dann iritiert auch, dass ein mensch in der Villa sein darf, ein anderer Vampir aber nicht.
Warum entscheidet er sich bezüglich der Zentrale um? Lügt er etwa?
He, den Titel des Kapitels finde ich gut. Jetzt wird das Ganze viel unwegbar und unberechenbar. Ich finde, die Story wird immer besser, auch wenn sich einige Ungereimtheiten langsam zu einem wahren Berg auftürmen ;)

PS: Ich bin bekannt für Nörgellein und Kleinlichkeit, es ist also durchaus nicht als ein persönlicher Angriff in irgendeiner Form zu verstehen. Ich war in den letzten beiden Kapiteln zu faul die Fehler alle gesondert herauszusuchen (und auch beim Ersten habe ich mir nur beschränkt Mühe gegeben). Was aber eigentlich nur zeigt: es ist so spannend geworden, dass ich dafür keinen Nerv hatte...
Von:  Saraz
2005-10-25T10:58:36+00:00 25.10.2005 12:58
Hey du^^

Hier mein Kommi, zu dem bis jetzt geschriebenen Teil des Kapitels. Erst mal was mir beim Lesen aufgefallen is:


"Alles in Ordnung, Lilith?", fragt eine sanfte Mädchenstimme durch die Tür hindurch.
"Alles klar", erwiedere ich und sinke in meine Kissen zurück
>>erwidere heißt es ;)

>>Die Idee mit den Zimmern, die sich nach der Gefühlslage der Vampire richten, ist echt lieb...

Leise seufze ich und denke an Sean. Er hatte nur eine nacht in ,der Villa' verbringen dürfen und ich kann ihn nicht so oft besuchen. . Ich vermisse ihn richtig, auch wenn mir die kleine Méridia bereits mehrmals erklärt hat, dass dieses verhalten für Vampire mehr als untypisch ist.
>>Tippfehler^^ Nacht und Verhalten groß geschrieben


Das beruhigt mich ungemeint, da ich das Gefühl habe, er verbirgt sie, wenn er nicht hungrig ist - hungrig auf Blut.
>>Tippfehler: ungemein

Blaise seufzt schwer und erhebt sich aus seinem Sessel: "Komm Lilith, ich will dir nun die ,Zentrale' zeugen."
>>hehe....da kommst du sicher selber drauf ^^

>>Der Teil wo Blaise plötzlich meint, dass sie nicht träumen hat mich zum schmunzelt gebracht, obwohls eigentlich ernst sein sollte... gut gemacht ^^

Lilly, schön dich zu sehen. Ich dachte schon wir sehen uns gar nicht wieder, so lange warst du fort", lächele ich vollkommen Uneffektiverweise.
>>letztes Wort klein^^

"Sie lässt mich kleine Woche auf der Straße sitzen.", erwidere ich eisig.
>>Keine Woche

Zum Inhalt: ich bin echt begeistert. Wegen der Trennung von Lilith und Sean: Ich hebe meinen Hut, dass du so ne Szene als Mädchen aus der Sicht von Sean schreiben kannst. Allerdings hätte ich fast geheult *...*
Ich denk mir schon Sachen aus, wie es wohl weitergeht und das ist bei mir echt ein Anzeichen dafür, dass du mich mind. genauso gefesselt hast, wie ich dich mit meiner Ff *hihi*
Dein Stil hat sich wirklich immer mehr verbessert. Moment...ja, dieser Ausdruck: Meine Tränen sind versieht; das hört sich total schön an.
Was mich ein bisschen irritiert ist die Beziehung von Minachi zu Lilith und umgekehrt...sie verhalten sich in keiner weise mehr wie beste Freundinen. Ist das Absicht?
Es ist wirklich gut und ich kann dir nur empfehlen weiterzuschreiben ^^

Lg Sachy


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