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Geschenk der Unsterblichkeit

von

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Die Grenze zwischen Licht und Dunkelheit

Lass mich los, Lysander“, sagt Lilith kühl.

Ich weiß, sie meint es nicht so. Ich stehe hinter ihr und habe meine Arme um sie gelegt. Etwas fester als geplant, zugegeben, doch sie sträubt sich sehr. Nun legt sie ihre Hand auf meine. Sie ist wirklich sehr süß.

„Aua!“, rufe ich aus und lasse Lilith los. Sie hat ihre Fingernägel in meinen Handrücken gebohrt.

„Hörst du mir eigentlich zu?“, faucht sie mich an. Ihr Temperament ist durchaus bemerkenswert.

„Lilith, ich bitte dich. Wir beide wissen, dass...“, beginne ich so gediegen wie möglich, doch sie fällt mir ins Wort:

„Was?! Was wissen wir? Dass du ein Ignorant bist? Oder dass du mir unangenehm bist? Sag’s mir!“

Ihre Art sich zu artikulieren hat sich wirklich verbessert, seit sie in unsere Kreise aufgenommen wurde. Ihr Feuer ist jedoch keinesfalls erloschen. Es scheint mit jedem Tag weiter angefacht zu werden.

Lilith blickt so böse, wie sie es vermag zu mir hinüber. Ihr Gesichtsausdruck belustig mich, ich muss einfach lächeln. Lilith rollt genervt mit den Augen.

„Ich gehe jetzt“, sagt sie erzürnt und schreitet an mir vorbei.

Sie ist noch so jung; ihr Gebären ist wirklich sehr niedlich. Sie war der Schützling von Sven, der ebenfalls mein Lehrmeister war. Nach seinem Tod habe ich mich Lilith’ angenommen. Vielleicht auch, weil sie so süß ist. Man vermag es kaum zu glauben, doch dieses blutjunge Kind hat bereits selbst einen Schützling. Das entspricht natürlich nicht unseren Gesetzen, doch der Rat scheint gnädig gestimmt.

Ich wende meinen Kopf, um Lilith nachzusehen, doch zu spät. Sie hat mein Blickfeld bereits verlassen. Auch gut, dann werde ich mich nun ganz und gar der Jagd widmen.
 

Ich renne durch die verlassenen Straßen der Stadt; der Mond verbirgt sich hinter einer dicken Wolkenwand. Ich bin auf dem Weg nach Hause, Sean wartet dort auf mich. Ich kann mich kaum darauf konzentrieren, was ich tue. Lysanders Visage geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Die langen, blonden Wimpern, das markante Gesicht und diese stechend blauen Augen. Einer von den Vampiren, denen man nicht im dunkeln begegnen möchte. Welch Ironie.

Ich bleibe stehen. Als ich den Friedhof verlassen habe, um bei Lysander meine Schulden zu begleichen, habe ich Sean versprochen etwas Essbares mitzubringen. Na schön, dann eben doch nicht auf direktem Wege nach Hause.

Ich muss nicht lange gehen, um ein kleines Waldstück zu erreichen. Einige Minuten streife ich ziellos umher, bis ich ein Rascheln im Gebüsch wahrnehme. Zur Gänze verschmelze ich mit der Dunkelheit.

Nach einigen Sekunden des Wartens stürzte ich mich auf den zitternden Busch. Da scheint etwas wirklich großes drinzustecken, genug für Sean und mich. Noch im Sprung erkenne ich, dass es sich um ein Rehkids handelt. Blitzschnell breche ich dem Tier das Genick. Schnell und schmerzlos – wie Sven es mich gelehrt hat. Nun packe ich das Reh und werfe es mir über die Schulter. Ich hätte gerne schon jetzt gekostet, doch dann würde sicher nichts für Sean übrig bleiben. Und so schleppe ich den leblosen Leib des Tieres durch die Gassen, in der Hoffnung, niemand würde mich bemerken.

Und tatsächlich ist mir das Glück hold. Ich erreiche meinen Friedhof ohne Aufsehen zu erregen und steige in die Gruft hinab. Ein modriger Geruch steigt mir entgegen. Gewöhnungsbedürftig, sehr gewöhnungsbedürftig.

„Lilly?“, weht mir Seans Stimme entgegen.

„Ja, ich bin’s“, antworte ich und nehme eine Kurve, nach der ich Sean auf einem Sarg sitzen sehen kann.

„Wo warst du so lange?“, fragt Sean vorwurfsvoll.

Ich reiche ihm zunächst das Reh; der jüngere trinkt immer zuerst. Auch wenn er nur eine Woche jünger ist, als ich. Es gehört sich so.

Sean entblößt seine Eckzähne und gräbt sie in den Hals des Rehs.

„Aber lass mir was übrig“, ermahne ich ihn.

Als Sean seinen Durst gestillt hat, reicht er mir das tote Tier.

“Also: Wo warst du?“, wiederholt Sean seine Frage.

„Bei Lysander“, antworte ich.

Schnell versenke auch ich meine Zähne in dem Reh. Nur nicht schnell genug um Seans vorwurfsvollem Blick zu entgehen.

„Wieso gehst du da immer wieder hin?“, bohrt er weiter nach.

Es dauert einige Minuten, bis ich antworte. Ich genieße das noch warme Blut des Rehs, das meine Lippen benetzt. Ehrlich gesagt dauert es, bis das Reh keinen Tropfen Blut mehr zu bieten hat.

Nun hebe ich den Kopf, lecke mir über die Lippen und zucke die Achseln.

„Ich bin mir nicht sicher“, seufze ich.

Das ist sogar die Wahrheit. Um etwas Zeit zu gewinnen und über diese Frage nachzudenken, packe ich das Reh und bringe es aus der Gruft. Ich vergrabe es in der Nähe des Friedhofs in einem Blumenbeet, eine dumme Angewohnheit.

Wieso hole ich immer bei Lysander Ratschläge ein, obwohl ich sie so teuer bezahlen muss? Vielleicht weil er ebenfalls ein Schützling von Sven war. Lysander ist praktisch mein Bruder, deshalb vertraue ich ihm. Doch das ist Selbstbetrug. Alle Vampire sind untereinander verwandt. Ich bin Seans Mutter und Geliebte zugleich. Das mag abstrakt klingen, ist in unseren Kreisen jedoch völlig normal..

Ich hänge noch einige Minuten meinen Gedanken nach, bis mich jemand von hinten umarmt. Einen wirren Augenblick lang denke ich, es sei Lysander, doch diese Umarmung ist anders als seine. Sie ist sanft und schützend, nicht hart und fordernd.

Ich wende den Kopf und erblicke Sean; ich muss ihn einfach anlächeln. Er erwiedert mein Lächeln jedoch nicht. Sein besorgter Blick streift mich und ich schaudere.

„Ist etwas passiert?“, frage ich, obwohl ich mir sicher bin, dass es nicht so ist.

„Nein“, bestätigt Sean meine Vermutung, „Gehen wir wieder rein?“

Ich nicke: „Die Sonne geht bald auf.“
 

Ich stehe neben Kagami und beobachte sie. Sie liest einen Artikel am Schwarzen Brett und ich kann sehen, wie sich ein schon fast an Wahnsinn grenzendes Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitet.

„Minachi-san?“, wendet sie sich an mich.

Kagami ist vor ein paar Monaten aus Japan hergezogen. Ich finde, sie spricht dafür erstaunlich gut Deutsch. Sie wendet den Kopf zu mir um. Wiedereinmal fällt mir auf, dass sie ihr schwarzes Haar stets hochgesteckt trägt.

„Ja?“, antworte ich etwas verspätet.

„Heute Abend findet ein privater Empfang in unserer...“, sie zögert kurz. Anscheinend ist ihr ein Wort entfallen.

„Sporthalle?“, helfe ich ihr weiter.

Ich habe schon so eine Gewisse Ahnung, worauf sie anspielt.

Kagami nickt strahlend: „Es findet ein Empfang in unserer Sporthalle statt.“

„Naja... Ja und?“, frage ich gespielt unwissend und wende mich ab.

Kagami lässt nicht locker. Sie holt mich mit einigen schnellen Schritten wieder ein.

„Du hast mir doch erzählt, dass deine Freundin bei so einer Veranstaltung verschwunden ist. Wie heißt sie?“, strahlt Kagami weiter.

Ich blicke sie finster an.

„Lilith. Und ja, so ungefähr“, setze ich hinzu.

„Ich habe dir doch erzählt, was ich nachts so treibe“, flüstert sie mir zu, „Willst du dich nicht rächen?“

„Nein!“, rufe ich ihr unnötig laut entgegen.

Kagami zuckt die Achseln.

„Überlege es dir noch einmal. Ich habe jetzt...“, wieder bricht sie ab. Ich werfe einen Blick auf ihren Stundenplan.

„Philosophie“, ergänze ich.

Kagami ist in meiner Parallelklasse. Wieder nickt Kagami begeistert. Das mit der Umgangssprache hat sie noch nicht richtig drauf.

„Dann werde ich jetzt in meinen Klassenraum gehen. Wir sehen uns nach dem Unterricht“, lächelt sie und verschwindet in einem Gang.

Tief seufze ich. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine solche Aktion wirklich starten will. Auf dieser Veranstaltung werden wieder Hunderte von ihnen sein. Mein Kopf sagt mir, dass es viel zu gefährlich ist, aber mein Herz ist da ganz anderer Meinung. Auf was soll ich hören?

In Gedanken versunken habe ich nicht auf den Weg geachtet und wäre fast mit Julian, einem Jungen aus meiner Klasse, zusammengestoßen.

„Pass doch auf wo du hinlatschst, fette Sau“, beleidigt er mich.

Ich beantworte diesen Spott mit vielsagendem Schweigen und biege in den Klassenraum ein, in dem bereits Tara und Marceline auf mich warten. Wenigstens sie kann ich noch zu meinen Freunden zählen, jetzt, da Lilith nicht mehr bei mir ist. Die Englischstunde kann beginnen...

Ich stehe vor der Schule und blicke ungeduldig immer wieder auf meine Uhr. Wo bleibt Kagami? Es ist schon fünf nach halb 12. Ich seufze. Darauf hätte ich mich nicht einlassen sollen...

Doch da kommt sie schon um die Ecke gebogen. Sie trägt einen langen Mantel und schon von weitem kann ich sehen, dass sie bis an die Zähne bewaffnet ist. Kagami grinst mir entgegen, als wäre das alles das reinste Vergnügen für sie. In Gedanken schüttele ich den Kopf.

„Minachi-san!“, winkt sie mir entgegen.

„Hallo“, erwiedere ich den Gruß; jedoch mit viel weniger Enthusiasmus.

Wir gehen um das Schulgebäude herum und zu einer Hintertür der Sporthalle, genauso wie ich es vor einem halben Jahr mit Sean getan habe. Doch seitdem habe ich ihn und Lilith nie wiedergesehen.

Ich schaudere unwillkürlich, als Kagami den Türgriff hinunterdrückt.

„Closed“, sagt sie verblüfft.

„Abgeschlossen?“, will ich wissen und vergewissere mich selbst. Tatsächlich. Die Tür lässt sich nicht öffnen. Jetzt wären mir Sean und seine Dietriche wirklich sehr gelegen gekommen.

„Dann benutzen wir den Vordereingang“, erklärt Kagami unverzagt und wir gehen auf die andere Seite der Turnhalle.

Dieses Mal nehme ich mich der Tür an.

„Abgeschlossen“, entfährt es mir.

„Da ist ein Zettel“, stellt Kagami fest und weist auf einen gelben Hinweiszettel, der von innen an die Scheibe geklebt worden ist und auf dem folgendes steht:

Liebe Gäste,

Man hat uns einen Hinweis auf Spionage zukommen lassen. Aus diesem und einigen weiteren Gründen, die ich hier nicht kund tun möchte, findet unser Treffen an diesem Tage im Gasthaus zum Blutmond statt.

Mit freundlichen Grüßen

Die Unterschrift ist zu verschnörkelt, um den Namen entziffern zu können.

„Zum Blutmond. Wo soll das sein?“, frage ich mich laut.

Kagami hebt hilflos die Schultern: „So lange wohne ich hier noch nicht. Aber das kriegen wir schon heraus. Nur nicht verzagen!“

‚Verzagen’ ist Kagamis Lieblingswort. Bei diesem Gedanken muss ich grinsen.
 

Lilith stößt die alte Holztür der Gaststätte auf. „Gaststätte“ ist kaum das richtige Wort, „Spillunke“ trifft es eher. Aber das heutige Treffen findet zur Abwechslung wieder einmal hier statt. Über was man uns dieses Mal unterrichten wird?

Widerstrebend folge ich Lilly in den abgedunkelten Schankraum. Man das stinkt. Und zwar nach einer üblen Mischung aus Blut, Alkohol und Verwesung. Angewidert rümpfe ich die Nase.

Ich setze mich an die Theke und sehe mich um. Hier wimmelt es von Vampiren mit niedrigem Rang.

„Hey Sean“, werde ich von hinten angequatscht.

Ich drehe mich wieder herum und blicke in das Gesicht des Wirts. Sein Rang kann nicht höher als acht sein aber er ist schon verdammt lange dabei. Ich sehe es an seinen Augen.

„Mh?“, mache ich, „Hallo John. Was gibt’s?“

„Blutwodka gefällig?“, fragt mich der Wirt.

Ich hatte vor einigen Wochen das „Vergnügen“ Bekanntschaft mit ihm zu machen. Ich blicke mich nach Lilith um; sie hasst es, wenn ich trinke. Und doch reizt es mich in diesem Moment.

„Na, hast du deinen Anstandswauwau mitgebracht?“, feixt John und stützt sich auf der Theke ab.

„Na aber hallo“, lache ich.

„Komm schon, geht aufs Haus“, grinst John. Sein fettiges Haar rutscht ihm über die Schulter.

„Ne, lass mal“, gebe ich zurück, „Gib mir ’nen Softdrink.“

John schüttelt verständnislos den Kopf, macht sich dann jedoch schnell davon um mir etwas zu Trinken zu besorgen.

Währenddessen vertreibe ich mir die Zeit, indem ich mich zu einer Gruppe der Kleinen setze. Die Vampire vom zehnten bis zum achten Rang werden von den hochrangigen Vampiren abwertend so bezeichnet.

Schon nach ein paar Minuten – noch nicht einmal mein Getränk ist inzwischen bei mir angekommen – legen sich dünne Arme von hinten um meinen Hals.

„Ärger die Kleinen nicht“, sagt Lilith. Ich kann ihr Gesicht zwar nicht sehen, doch ich weiß, dass sie grinst, denn sie hat es nicht geschafft den Spott vollends aus ihrer Stimme zu verbannen.

Ein paar der Vampire an meinem Tisch werfen ihr zornige Blicke zu, sagen jedoch nichts. Lilith ist immerhin ein Vampir vom dritten Rang; ich bin sehr stolz auf sie. Sie ist mit Sicherheit der höchstrangigste Vampir in dieser Spillunke. Die Vampire vom dritten bis ersten Rang haben nämlich die Angewohnheit sich stets zu verspäten. Diese ungeschriebene Regel versucht Lilith zu durchbrechen, doch ich glaube nicht, dass es ihr gelingen wird.

Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet wieder in eine der dunklen Ecken. Ich wüsste zu gern, was sie da treibt.

Endlich kommt mein Getränk. John stellt es direkt auf mein Herzas, was ich ihm ziemlich übel nehme.

„Was gibt’s?“, stöhne ich genervt.

„Was ist mit meiner Bezahlung?“, fragt John zornig.

Wenn es um Geld geht, ist mit ihm nicht zu spaßen.

„Ich denke, der geht aufs Haus?“, fragte ich bitter und ziehe mein As unter dem Glas hervor.

Es ist vom Schwitzwasser, das an dem Glas herabgetröpfelt ist, schon ganz durchnässt. Verdammt, ich war gerade am Gewinnen.

John lacht: „Nur der Blutwodka.“

„Dieses Angebot kann ich unmöglich ablehnen“, kommt der gediegene Kommentar von einem Vampir, der gerade zur Tür hereingekommen ist.

Ich blicke in stechend blaue Augen. Natürlich habe ich ihn sofort erkannt, es ist Lilith’ Bruder Lysander. Ich hasse dieses überhebliche Lächeln und jede einzelne Strähne dieses langen Blondhaars. Fast unbewusst entblöße ich die Zähne meine Fangzähne.

„Sean. Ich habe dich nicht bemerkt“, lügt Lysander, „Guten Abend.“

Lilith kommt auf uns zu und erspart mir die Antwort, die natürlich ebenfalls nicht der

Wahrheit entsprochen hätte.

„Guten Abend Lysander“, begrüßt sie ihren Bruder abweisend.

Diese Haltung gefällt mir sehr. Um sie für ihre Meinung zu belohnen, lege ich meine Arme um Lilith’ Hüften und ziehe sie auf meinen Schoß. Mit Genugtuung sehe ich fest, wie Lysanders falsches Lächeln schwindet und einem zornigen Stirnrunzeln weicht. Doch habe ich nicht die Zeit mich ausgiebig damit zu beschäftigen. Wieder schwingt die alte Tür auf und ein Mädchen tritt ein. Ich glaube ich kann meinen Augen keinen Glauben mehr schenken.
 

Ich schließe die Tür hinter mir. Kagami hat mich angewiesen, vorzugehen und sie kennt sich schließlich mit solchen Situationen aus. Ich bin mir allerdings trotzdem nicht mehr so sicher, dass die Idee sie zu begleiten wirklich gut gewesen ist.

Ein übler Geruch schlägt mir entgegen und als ich bemerke, dass sämtliche Blicke an mir haften, muss ich unwillkürlich schaudern. Unsicher mache ich ein paar Schritte in den Raum. Der Wirt hinter der Theke kommt auf mich zu; ich blicke ihn fragend an.

„Na Kleine, hast du dich verlaufen?“, höhnt er.

Viele lachen.

Ich schließe einige Sekunden die Augen und funkele ihn dann zornig an: „Ich glaube ich bin hier goldrichtig.“

Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie ein Mädchen in einem Kapuzenmantel ihrem Begleiter mit dem Ellenbogen in die Rippen stößt und auf mich deutet. Zugleich zieht sie die Kapuze tiefer ins Gesicht. Interessiert wende ich den Kopf. Welch ein Fehler. Während ich kurz nicht Acht gebe, packt mich der Wirt am Kragen und zieht mich in die Höhe.

„Lass mich runter!“, rufe ich ihm unnötig laut zu.

Wieder erklingt lautes Gelächter um mich her. Nur eine kleine Gruppe macht sich nicht über mich lustig und zwar das Mädchen mit dem schwarzen Umhang, ihr Begleiter und ein blonder Typ mit scharfen Gesichtszügen. Sie scheinen sich zu streiten, doch durch das Gelächter verstehe ich kein Wort.

„Was ist hier los?“, hallt eine herrische Stimme durch den Raum.

Dieser Satz war nicht besonders laut und doch reicht er, um die Vampire um mich her verstummen zu lassen.

„Lass sie runter, John“, befielt ein schwarzhaariger Vampir in einem langen, roten Mantel.

Er ist es auch gewesen, der für Ruhe gesorgt hat, ich erkenne seine Stimme.

Ich will mich bei ihm bedanken, doch ehe ich auch nur den Mund öffnen kann, hat er sich von mir abgewandt.

„Was ist hier los?“, wiederholt der Vampir im roten Mantel, diesmal an die drei gewandt, die vorhin nicht über mich gelacht haben.

„Dieser Mensch ist freiwillig in unsere Reihen gekommen, Herr“, erklärt der Blonde.

Wieso nennt er den Anderen „Herr“?

„Dann behandelt sie wie einen Gast“, herrscht der Vampir im roten Mantel seinen Gegenüber an, „Zu wem gehört die Kleine?“

Einige endlose Sekunden senkt sich drückende Stille über die Vampire, doch dann seufzt das Mädchen mit dem Kapuzenumhang.

„Sie gehört zu mir“, sagt sie so leise, dass ich es nur erahne; ihre Stimme kommt mir merkwürdig vertraut vor.

„So so“, sagt der anscheinend höhergestellte Vampir und legt den Kopf kaum merklich schräg, „Ich möchte dein Gesicht sehen.“

Das Mädchen zieht die Kapuze vom Kopf und blickt in die Augen des anderen Vampirs empor. Erschreckt fahre ich zusammen. Ich kenne nicht nur die Stimme dieses Vampirs, ich kenne auch ihr Gesicht - die blauen Augen und das lange Blondhaar.

„Lilly!“, rufe ich überrascht aus.

Wieder ein Fehler, denn nun wird mir wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als mir lieb ist.

„Verzeiht, es war ein Versehen“, erklärt Lilith dem Vampir mit dem roten Mantel und senkt demütig den Kopf, „Kann ich sie mitnehmen?“

„Nein“, antwortet ihr Gesprächspartner schlicht.

„Blaise“, spricht der blonde Vampir mit dem scharfkantigen Gesicht überrascht aus.

„Bitte bleib, denn ich denke, du könntest heute einen Rang aufsteigen“, beendet der Vampir in dem roten Mantel, der offensichtlich Blaise heißt, ungerührt seinen Satz.

Ich kann sehen wie Lilith leicht rot wird und den Blick abwendet. Ich frage mich wieso.

„Dann können wir ja wieder zur Tagesordnung übergehen“, nickt Blaise zufrieden.

Weit gefehlt. Schon wieder fliegt die Tür auf. Ich wende mich genau wie alle um. In der Tür steht Kagami, bis an die Zähne bewaffnet. Das habe ich total vergessen.

„Vampirjäger!“, kreischt ein Vampir, den ich noch nie gesehen habe.

Als wäre das ein Zeichen, beginnt Kagami zu schießen – mit einer Pistole in jeder Hand. Ich spüre, wie mich jemand zu Boden reißt. Als ich nun aufblicke, erkenne ich Lilith. Sie springt jedoch sofort wieder auf, als der erste Kugelsturm vorbei ist und Kagami nachladen muss. Blaise packt sie dabei von hinten und Lilith schlägt ihr heftig ins Gesicht. Leider scheint Blaise nicht fest genug zugepackt zu haben. Kagami befreit sich rasch und schießt ohne lange zu fackeln auf Lilith.

Ich schreie auf.

Lilith krümmt sich zusammen und hält ihren linken Arm. Blut sickert unter ihrer Hand hervor. Für einige Sekunden scheint das Geschehen eingefroren zu sein, doch dann stürzt sich Lilith blitzschnell auf Kagami. Ich kann außer rauschender Luft und Blut nichts wahrnehmen. Lilith ist für mich wie ein rasender, blutroter Teufel. Doch nur wenige Sekunden später ist es wieder ganz ruhig. So ruhig, dass die Stille auf meine Ohren zu drücken scheint, nur durchdrungen von Lilith’ keuchendem Atmen. Die Luft scheint von Dunkelheit durchtränkt und es stinkt so stark nach Blut, dass ich es fast schmecken kann. Was ist geschehen, wieso ist es so still?

Lilith wendet sich langsam um und verlässt den Raum. Niemand folgt ihr.

Erst jetzt spüre ich, dass ich am ganzen Leib zittere. Ich versuche aufzustehen, doch meine Beine wollen mich nicht tragen. Immer noch herrscht diese eisige Stille. Sie macht mir Angst.

Ich kann sehen, dass einige Vampire die Köpfe gesenkt haben.

Wieder betritt jemand den Raum, doch dieses Mal stumm wie ein Schatten. Es ist ein weiblicher Vampir, der auf mich einen ungeheuer mächtigen Eindruck macht. Sie bleibt mitten im Raum stehen und betrachtet einige Sekunden eine Blutlache an der Wand.

Dann wendet sie sich Blaise zu: „Diese Dunkelheit... Was ist geschehen?“

„Wir haben einen unserer stärksten Kämpfer an die Dunkelheit verloren, Mylady.“, antwortet Blaise leise.

Der weibliche Vampir verengt die Augen zu Schlitzen.

„Verdammt“, flüstert sie, „Sag mir, wer ist es dieses Mal?“

„Lilith aus dem 3. Rang“, antwortet der blonde Vampir mit den scharfen Gesichtszügen an Blaise’ Stelle, „Meine Schwester.“

Der weibliche Vampir blickt die beiden einige Sekunden an.

„Tötet sie“, sagt sie schließlich schlicht und in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet, „Und schafft mir dieses Menschenkind aus den Augen.“

Damit muss ich gemeint sein. Blaise und der blonde Vampir nicken stumm. Der Blonde kommt zu mir herüber und streckt mir seine Hand entgegen. Ich ergreife sie dankbar und er zieht mich auf die Beine.

„Ich bitte um Erlaubnis, mitgehen zu dürfen. Lilith ist – ich meine war – meine Lehrmeisterin“, sagt der Vampir, den ich vorher als Lilith’ Begleiter eingestuft habe.

Erst jetzt erkenne ich ihn; es ist Sean. Er hat sich in der kurzen Zeit sehr verändert. Ich hätte nie gedacht, dass er auch ein Vampir geworden ist.

„Erlaubnis erteilt“, nickt der hochrangige, weibliche Vampir, „Und nun eilt euch!“
 

Die Welt hat sich verändert. Ich sehe keine einzige Farbe, alles ist mit einem dumpfen Grauschleier überzogen.

Ich lege die Stirn in Falten und versuche mich angestrengt zu erinnern, warum ich hier bin und was bis vor fünf Minuten geschehen ist. Nicht ein Erinnerungsfetzen zu finden; kein farbloses Bild, kein Satzfetzen, kein Anhaltspunkt. Wie ist mein Name? Habe ich einen Namen?

Ich stütze den Kopf in die Hände, doch ich fühle ihn nicht. Lebe ich noch? Wer hat diese kalte und gefühllose Welt erschaffen?

Jäh strömt das erste Gefühl auf mich ein. Es ist so schwach, dass ich es kaum wahrnehme und doch ist es da: Das Gefühl nicht allein zu sein. Ich hebe den Kopf und spähe durch das Zwielicht. Etwas kommt auf mich zu. Es ist dunkler als die Nacht um es her, von so einem tiefen Schwarz, wie ich es noch nie gesehen habe.

„Willkommen Lilith“, sagt es.

Sagen ist das falsche Wort, denn es dringt Laut durch die zähe Dunkelheit um mich her. Viel mehr spüre ich diese Worte, als würden sie mit einem Messer in meinen Leib geschnitten.

Ich zucke zusammen und versuche die Dunkelheit, die diese Kreatur umgibt mit meinen Blicken zu durchdringen. Es gelingt nicht.

„Lilith“, wiederholt das Wesen und wieder flammt ein heißer Schmerz in mir auf, doch ich weiß nicht, woher er kommt. Da ich die Botschaft verstanden habe, erlischt der Schmerz so jäh, wie er gekommen ist.

Lilith. Ja, das ist mein Name. Ich erinnere mich an meinen Namen!

Das stimmt mich zuversichtlich. Ich stehe auf und gehe durch den scheinbar endlosen Raum auf die schwarze Kreatur zu. Ein erneuter Schmerz lässt mich inne halten. Dieses Mal hält er länger an.

„Ich werde dir einen Diener schicken, Lilith. Deine Verwirrung wird bald ein Ende haben. Du wirst mir dienen dürfen.“

Der Raum um mich her verschwimmt. Als er wieder klare Umrisse annimmt, bin ich an einem anderen Ort. Ich liege auf dem Boden und der Geruch von vermodertem Holz steigt mir in die Nase. Als ich nun die Augen öffne, werde ich wieder von Zwielicht empfangen. Doch dieses mal können meine Augen es spielend leicht durchdringen. Ich richte mich auf und gehe auf die Tür zu, doch ein mir unbekanntes Gefühl lässt mich jäh erstarren.

„Rühr dich nicht vom Fleck“, sagt mir mein Gedächtnis, doch ich wüsste nicht, wann mir das je gesagt worden wäre.

Jedes Mal, wenn ich auf die Tür zugehe, vernebelt dieser Satz meine Gedanken: „Rühr dich nicht vom Fleck“.

Schwindelnd lasse ich mich in einer Ecke des Raumes nieder.
 

Ihr könnt sie nicht ernsthaft umbringen wollen!“, protestiert der kleine Sean aus dem fünften Rang. Ich konnte für ihn in seiner Person noch nie Sympathie empfinden, doch heute ist es anders. Was soll man sagen, geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid.

„Was sagst du dazu Lysander?“, wendet sich Blaise an mich.

Es ist ungewohnt von einem Vampir aus dem ersten Rang etwas Ernsthaftes gefragt zu werden. Nur leider ist dies zugleich die erste Frage, auf die selbst ich keine Antwort zu geben vermag.

Blaise seufzt tief und geht weiter voran; er kennt den Weg. Es wird gesagt, Vampire des ersten Ranges sähen die Welt mit anderen Augen als normale Lebewesen. Das könnte der Grund sein, aus dem man nicht durch Kämpfe in den ersten Rang aufgenommen werden kann, wie es sich mit den anderen Rängen verhält.

„Wie ist dein Name?“, frage ich das Menschenkind, das neben mir hergeht.

„Minachi“, antwortet sie knapp.

Ich befrage sie nicht weiter. Blaise führt uns durch zahlreiche verlassene Gassen hindurch zu einem baufälligen Gebäude. Die Fenster des ehemaligen Wohnhauses sind mit Brettern vernagelt worden und auf der Haustür prangt ein Schild mit der Aufschrift „Betreten auf eigene Gefahr“.

„Was soll hier sein?“, fährt Sean Blaise und mich an.

Blaise schüttelt mit gerunzelter Stirn den Kopf und zieht es vor zu schweigen. Er geht die Auffahrt zur Haustür hinauf.

Gerade, als er den Arm nach der Türklinke ausstreckt, fährt Sean erneut dazwischen: „Ich denke es heißt Ladys First.“

„Wer ich?!“, platzt Minachi los und versieht Sean mit einem besonders giftigen Blick.

Aus dem Augenwinkel nehme ich verwundert wahr, wie ein leises Lächeln um Blaise’ Lippen spielt.

„Das Ladys First Gesetz gilt nicht, wenn es sich um einen Raum oder ein Gebäude handelt, in dem eventuell Gefahr lauern könnte. Ausnahmeregelung des First Lady Gesetzes Paragraph 243, Absatz 12, Verordnung von 1782“, erklärt Blaise langsam und korrekt wie je.

Das Lächeln, das ich eben noch vernommen zu haben glaubte, ist wie weggewischt.

„Puh“, gibt Minachi erleichtert von sich.

Wieder dieses kaum merkliche Lächeln auf Blaise’ Lippen. Bilde ich mir das ein?

Ich mustere Minachi von oben bis unten; ein ganz normales Menschenmädchen. Schlicht gekleidet, vollkommen uninteressant. Vielleicht als Nahrung gut zu verwenden, aber ansonsten vollkommen uninteressant.

Verwirrt lege ich die Stirn in Falten, bis Sean mich unwirsch in den Rücken stößt.

„Verdammt“, fluche ich und wende zornig den Kopf um nach hinten zu blicken.

„Wir verpassen noch den ganzen Spaß“, gibt dieser bitter zurück und ruckt mit dem Kopf in Richtung des baufälligen Hauses.

Peinlich berührt muss ich feststellen, dass Blaise bereits eingetreten ist. Wo habe ich nur meinen Kopf?
 

Ich betrete das alte Haus als letzte, so wie es Blaise bestimmt hat. Und darüber bin ich auch froh. Ich sollte mich langsam daran gewöhnen, doch der vermoderte Geruch, der mir nun in die Nase steigt, verschlägt mir den Atem. Ich kann die Hand vor Augen nicht sehen und laufe schon bald auf irgendjemanden auf. Ich kann nicht einmal erkennen, wer es ist. „Tschuldigung...“, murmele ich leise.

Ich bin fast sicher, mein Vordermann hat es nicht gehört.

„Soll ich die Tür zumachen?“, frage ich unsicher in die Stille hinein.

„Um Gottes Willen, nein“, ertönt es von weiter vorne.

Ich kann die Stimme nicht zuordnen.

„Um Gottes Willen?“, frage ich verblüfft.

Wie kann ein Vampir, der sich schon alleine mit der Tatsache, dass er ein Vampir IST gegen Gott auflehnt so etwas wie „Oh mein Gott“ sagen?

„Klappe!“, kommt es wieder von vorne.

Es ist jemand anders, als der, der mir geraten hat die Tür offen zu lassen. Ich glaube Sean. Da

mir klar ist, dass ich jetzt sicher keine Antwort auf meine Frage erhalte, tue ich wie geheißen.

Ich spüre wie sich mein Vordermann von mir entfernt und folge ihm einige Schritte in den düsteren Raum; das morsche Holz des Fußbodens knarrt bedrohlich unter meinen Füßen. Ich bin so darauf konzentriert in die undurchdringliche Dunkelheit vor mir zu starren, dass ich nicht mehr darauf achte, wo ich hintrete. So stolpere ich über ein loses Brett und bereite mich schon auf den Schmerz vor, doch er bleibt aus.

„Hoppla.“

Jemand hat mich aufgefangen. Mir steigt ein leicht süßlicher Männerduft in die Nase, der mir einen Schauder über den Rücken laufen lässt. So etwas kann auch nur mir passieren. Wie peinlich!

Meine Augen suchen in der Dunkelheit nach dem Gesicht meines Retters, um ihn zu identifizieren. Im sanften Lichtschein, der noch durch die offene Tür hereinfällt, funkeln mich grüne Augen an. Mein Gehirn verbindet sie sofort mit einem roten Mantel. Blaise also. Auch das noch, ich muss ausgerechnet einem so hochgestellten Vampir in die Arme fallen.

Hastig richte ich mich auf und schaue in die entgegengesetzte Richtung, um nicht mit Blaise reden zu müssen, doch ich bin mir fast sicher, dass seine Augen die Dunkelheit sehr wohl durchdringen und er somit das leichte rosa, das mir ins Gesicht gestiegen ist, längst bemerkt hat.

„Hey, da vorne ist was!“, ruft jemand verwirrt zu uns herüber.

Ich bin ganz froh für die Ablenkung. Einige Sekunden muss ich nachdenken, wieso wir überhaupt hier sind, doch dann fällt es mir siedensheiß wieder ein: Lilith.

Wieder spüre ich, wie sich die Vampire von mir entfernen und so gehe ich vorsichtig noch weiter in den Raum.

Kaum, da ich ein paar Schritte getan habe, wird der Raum in sanftes Goldlicht getaucht. Im weichen Lichtschein kann ich sehen, wie die Vampire vor mir aufgescheucht die Arme vor die Augen heben, um sich vor dem Licht zu schützen. Sean hat sich die Mühe nicht gemacht, er hat einfach die Augen zugekniffen.

Mit einem dumpfen Geräusch fällt die offen gelassene Tür ins Schloss.

In den Sekunden, die meine Begleiter brauchen, um sich an das Licht zu gewöhnen, sehe ich mich ein wenig um. Der sanfte Lichtschein geht von kleinen Feuern in Bleischalen aus, die eben grade entzündet worden zu sein scheinen. Es gibt ein halbes Dutzend dieser Feuerschalen. Mir scheint es, als wurden sie systemlos im ganzen Raum verteilt. Ein Glück, dass niemand hineingetreten ist. Ich zum Beispiel!

Mit Ausnahme der Lichtquellen ist der Raum völlig leer. Nur an der gegenüberliegenden Wand gibt es eine vernagelte Holztür.

Erst als ich schon fast desinteressiert meinen Blick weiterwandern lasse, entdecke ich das Etwas, das Sean schon in der völligen Dunkelheit zuvor ausgemacht hat. Und es ist gewiss kein Etwas; es ist ein Jemand. Jemand, der zusammengekauert in einer Ecke zu schlafen scheint. Es könnte Lilith sein, fährt es mir durch den Kopf. Ich bin mir jedoch nicht sicher. Lediglich das lange Blondhaar ließ mich auf diesen Gedanken kommen.

Aus einem mir unerklärlichen Grund kann ich die Gestalt in der Ecke nur verschwommen wahrnehmen. Kurzer Hand beschließe ich, etwas näher heranzugehen. So schreite ich also an den Vampiren vorbei, die immer noch unvermittelt im Raum herumstehen. Mein Blick haftet wie gebannt auf der verzerrten Gestalt in der Ecke und meine Beine scheinen sich von alleine zu bewegen.

Ich bin schon fast angekommen und kann immer noch nicht mehr erkennen. Die Luft scheint dicker zu werden, so als hätte sie plötzlich die Konsistenz von Wasser. Nur viel düsterer...
 

Haltet das Mädchen auf!“, befielt uns Blaise.

Da Lysander näher bei Minachi steht als ich, erledigt er diese Aufgabe. Er packt sie am Arm und zieht sie zurück.

Ich begreife überhaupt nicht, was hier vorgeht. Was um alles in der Welt macht Minachi da und wieso soll sie es nicht tun?

Verwirrt blicke ich zwischen Lysander und Blaise hin und her. Minachi scheint sich immer noch in einer Art Trance zu befinden. Sie hat scheinbar nicht einmal bemerkt, dass sie nicht mehr vorwärts kommt, denn ihre Beine bewegen sich immer unablässig. Erstaunt beobachte ich, wie Lysander Minachi bei den Schultern packt, sie zu sich herumdreht und ihr eine Ohrfeige verpasst, die sich gewaschen hat.

Was mich jedoch noch mehr verwirrt ist die Tatsache, dass Minachi nicht aufschreit oder sich auch nur beschwärt. Doch der verträumte Ausdruck in ihren Augen verschwindet und sie hört auf, davonlaufen zu wollen. Verwirrt schüttelt sie den Kopf. Ihre Wange ist inzwischen rot angelaufen. Sie hebt die Hand und hält sich die schmerzende Stelle.

„Was hast du mit mir gemacht?“, fährt Minachi Lysander an.

„Wie bitte?“, gibt Lysander konfus zurück.

„Hast du mich geschlagen? Ich schlag dich auch gleich!“, schimpft Minachi weiter.

Was für eine Furie. Doch inzwischen sind ihr Tränen in die Augen getreten; der Schmerz scheint wieder in den Bereich des Wahrnehmbaren zu rücken.

„Es ist nicht so, wie du denkst“, versucht sich Lysander galant rauszureden.

Klappt natürlich nicht. Minachi verschränkt die Arme und dreht uns den Rücken zu. Lysander führt eine hilflose Geste in Richtung Minachi aus, doch da ihn keiner zu verteidigen gedenkt, schüttelt er nur genervt den Kopf und ignoriert sie mit einem leisen und sehr abwertend klingenden: „Menschen.“
 

Lähmende Kälte umfängt mich und nur mit Mühe schaffe ich es, mich aus meinem trägen Schwebezustand zu befreien. Als ich nun endlich die Augen öffne, erschrecke ich vor meiner eigenen Aura, denn sie ist so schwarz wie die Nacht und so böse, dass es mir Schauder über den Rücken jagt. Und dann vernehme ich noch etwas anderes; ich scheine nicht allein zu sein. Um mich herum kann ich nur eine Wand aus schwarzem Nebel erkennen und doch spüre ich eine Anwesenheit. Nicht räumlich - eher in mir; es ist als teilte ich meinen Körper mit einer anderen Seele.

Ich versuche aufzustehen, doch meine Glieder wollen mir nicht gehorchen. Es ist fast, als hätte mein Gehirn vergessen, wie man die Muskeln betätigt.

Zornig über meine eigene Unfähigkeit durchsucht mein Geist mein Inneres. Auf der Suche nach dem richtigen Mechanismus, um mich zu bewegen, treffe ich auf etwas Anderes, etwas Grausames. Ich wäre zusammengezuckt, wüsste ich nur wie!

Meine ganze Empfindung verringert sich und kehrt sich nach innen um weiter an dem Dunklen neben meiner Selbst zu tasten. Allmählich entgleitet mir die Wirklichkeit vollends, ich nehme nicht einmal mehr den Raum um mich her wahr.

Jäh finde ich das schwarze Etwas wieder. Meine Empfindung streift es nur ganz sacht und doch scheint es sich heftig zu wehren. Ein bisher ungekannter Schmerz durchfährt meinen Körper. Nun wird mir auch klar, wieso ich mich nicht mehr rühren kann; die zweite Seele scheint sich meiner Glieder ermächtigt zu haben. Mit all meiner Willenskraft versuche ich die Dunkelheit aus mir zu vertreiben, doch es will mir nicht gelingen. Das wundert mich jedoch gar nicht, ich bin mir ja noch nicht einmal sicher, wie ich das zu bewerkstelligen habe.

Plötzlich erhebe ich mich. Was geht hier vor? Ich fühle mich, als wäre ich eine Marionette, die an ihren Fäden emporgezogen wird.

Lass mich in Ruhe, verschwinde!
 

Sie ist aufgestanden! Es ist wirklich Lilly!“, teile ich den Vampiren um mich her freudig mit.

Ich weiß auch, sie haben es längst bemerkt, aber irgendjemand musste es ja aussprechen. Fast hätte ich diese bodenlose Unverschämtheit des blonden Vampirs vergessen. Wie heißt er doch gleich? Hat er ihn mir überhaupt schon verraten? Ach was soll’s, das ist mir vollkommen gleichgültig.

„Das ist schlecht“, kommentiert Blaise meine Feststellung.

Ich verstehe überhaupt nicht, was daran schlecht sein soll und blicke den Vampir mit dem roten Mantel verständnislos an. Dieser jedoch scheint mich vollkommen ausgeblendet zu haben, was mich wirklich knickt. Doch schon als ich den Blick zurück auf Lilith gerichtet habe, erfahre ich den Grund für das mangelnde Interesse an meiner Person.

Über Lilith’ Kopf ist ein Wesen erschienen, ich kann es einfach nur in die Schublade ‚Wesen’ stecken. Dieses Ding hat Flügel wie ein Engel und doch wirkt es ganz und gar böse. Außerdem sind seine Flügel nicht fedrig und weich, wie man es sich bei Engeln vorstellt; sie scheinen eher aus Klingen zu bestehen. Diese Erkenntnis begeistert mich nicht gerade und ich muss krampfhaft schlucken und kurz bis zehn zählen, bevor ich mich wieder dem Wesen zuwenden kann.

Das geflügelte Wesen hat nussbraune Haut und ähnelt einem gewöhnlichen Menschen sehr. Nur sein Haar kommt mir merkwürdig vor; es ist dunkelgrün und scheint in dicken, rankenhaften Strähnen aus seinem Kopf zu wachsen.

Instinktiv trete ich einen großen Schritt zurück, der mich hinter die drei Vampire befördert. Ich will nicht an erster Stelle stehen, was immer dieses Vieh mit uns vorhat!

Blaise ist ganz starr geworden. Er steht mit so geradem Rücken da, als wäre er gerade von der Armee boykotiert worden. Seine Augen sind jedoch zu schmalen Schlitzen verengt, was jeden Gedanken, dieses Wesen sei eine Autorität, zunichte werden lässt.

„Wer bist du?“, fragt der Vampir mit dem langen Blondhaar kalt, wobei er seine Worte an das geflügelte Wesen richtet.

„Ha! Du kennst mich nicht? Ich bin der Bote der Finsternis, ich suche die neuen Mitglieder auf und wache über die dunklen Seelen“, faucht das Geschöpf, wobei es immer noch in der Luft schwebt.

Ich verstehe nicht worum es geht und lasse den Blick verwirrt über die Vampire schweifen. Sean wirkt wie ein Schaf unter Wölfen, fährt es mir durch den Kopf.

„Was für Mitglieder?“, will der blonde Vampir wissen. Ich hätte es mir nie zugetraut einem solchen Geschöpf in aller Seelenruhe solche Fragen zu stellen!

Der Bote der Finsternis, wie sich das Geschöpf vorgestellt hat, lacht schallend auf, es klingt jedoch überhaupt nicht belustigt.

„Herr Keith hält nichts davon, wenn seine Gefolgsleute plaudern“, erwidert der Bote der Finsternis grimmig.

„Also der schon wieder“, flucht Blaise so leise, dass nur ich es hören kann. Insgeheim wundere ich mich über die wenig galante Art, mit der er sich gerade ausgedrückt hat, aber immerhin weiß ich jetzt, dass Blaise diesen Keith kennt und wahrscheinlich auch das ganze Geschehen hier versteht. Wieso um Himmels Willen unternimmt er dann nichts?

Der Bote der Finsternis, der immer noch direkt über Lilith schwebt, richtet die Handflächen auf sie. Jäh schnellt ihr Kopf in die Höhe.

Vor Schreck hätte ich um ein Haar laut aufgeschrieen. Nun beginnt das Wesen die Finger zu bewegen, als spielte er mit einer Marionette. Lilith macht langsame Schritte auf uns zu...

„Wenn ihr sie gegen uns einsetzt werde ich sie vernichten“, stellt Blaise gleichgültig und an den Boten der Finsternis gerichtet klar.

Ich kann einfach nicht glauben, was ich da höre! Nicht aus seinem Mund... Und doch... Ist es vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver, ein Trick?

Der Bote der Finsternis zumindest unterbricht sein Fingerspiel für einige Sekunden und Lilith’ Kopf sackt wieder auf ihre Schulter und das, obwohl sie noch aufrecht steht.

Doch zu früh gefreut. Stattdessen richtet das Wesen seine Handflächen auf uns und das Nächste, das geschieht, vermag ich kaum zu beschreiben. Es fühlt sich an, als ob mir heiße Luft entgegengeschleudert wird, nur dass diese Luft dunkel und dickflüssig zu sein scheint und außerdem gähnende Löcher in meine schöne Jeans reißt. Und damit nicht genug, auch meine Haut wird in Mitleidenschaft gezogen. Schmerzerfüllt heule ich auf und hebe den Arm vors Gesicht. Doch schon im nächsten Augenblick kann mein Körper dem Gegenwind nicht mehr Stand halten und ich werde hart an die Wand hinter mir geschleudert. Vollkommen erschöpft und schmerzerfüllt sinke ich zu Boden.

Hier unten erreicht mich der beißende Wind nicht mehr, doch den Vampiren scheint es da ganz anders zu gehen. Auch sie haben die Arme vor die Gesichter gehoben und schon nach wenigen Sekunden reißt es auch Sean von den Füßen. Er knallt gut zwei Meter von mir entfernt an die Wand, wobei er so hart mit dem Kopf aufschlägt, dass er das Bewusstsein verliert. Kaum liegt Sean unbeweglich da, beginnt eine weiß bis durchsichtige Schicht seinen gesamten Körper zu überziehen. Ich könnte schwören, es handelte sich um Eis. Doch was hat das zu bedeuten, wieso friert Sean ein? Entgeistert starre ich auf meinen reglosen Freund, der vor kurzer Zeit noch mein Partner gewesen ist, mein Verbündeter.

Ich muss einige Tränen wegblinzeln, doch ich bin sicher, ich kann nichts für ihn tun. Also wende ich meine Aufmerksamkeit tapfer den beiden verbliebenen Vampiren zu.

Blaise hat ein Schwert mit kristallenem Griff gezogen. Wo um alles in der Welt hat er das so schnell her?

Er hält das Schwert dem schneidenden Wind entgegen und die Klinge scheint diesen zu spalten und ihn an Blaise vorbeizulenken, der dadurch unversehrt bleibt.

Der andere Vampir hingegen müht sich sichtlich ab gegen den Sturm zu bestehen. Ich kann hören wie Blaise ihm irgendetwas zuruft, doch durch das starke Rauschen des Windes in meinen Ohren verstehe ich kein Wort.

Sofort lässt sich der blonde Vampir zu Boden fallen. Dort erreicht ihn der jähzornige Wind nicht - genau wie mich. Allerdings ist er jetzt wohl auch nicht mehr in der Lage Blaise zu unterstützen. Ich kann einen leichten Stich im Herzen spüren, als ich mir ausmale, Blaise könne nicht gegen den Boten der Finsternis bestehen. Eine Sekunde Frage ich mich, ob der Schmerz Blaise oder Lilith gilt, doch ehe ich zu einem Ergebnis kommen kann, zerberstet direkt neben mir die Tür..
 

Mich aus dem Kampf herauszuhalten ist mit Abstand der demütigendste Befehl, der mir je erteilt wurde. In mir brodelt eine so tiefe Wut, dass ich meine Fangzähne hervorträten spüre. Doch dem Befehl eines Vampirs aus dem ersten Rang muss ich Folge leisten, also kauere ich nun vollkommen nutzlos auf dem Boden, als mich das Geräusch von splitterndem Holz zur Tür hinüberblicken lässt.

Neben der Tür hockt das Menschenmädchen. Es muss wohl erst einmal seine Wunden lecken. Einige Meter entfernt von ihr ruht Sean. Es wundert mich nicht, dass er so schnell besiegt wurde, immerhin ist er gerade einmal im fünften Rang.

In der zerborstenen Tür steht ein weiblicher Vampir mit roter Robe. Sie muss auch dem ersten Rang angehören, denn uns niederen Vampiren ist es nicht gestattet rote Mäntel oder Umhänge zu tragen. Ja selbst über einen roten Pullover kann eine größere Schlägerei ausbrechen, falls man das in unseren Kreisen als Schlägerei zu bezeichnen vermag.

Der Vampir des ersten Ranges ist regelrecht winzig. Ich denke selbst das Menschenmädchen ist ihr einen halben Meter über den Kopf gewachsen. Und doch kann ich nicht behaupten, sie wäre noch ein Kind gewesen, als sie starb. Sie scheint etwa zwanzig gewesen zu sein.

Es wundert mich jedoch nicht, dass ich ihren Namen nicht kenne; es ist bereits eine große Ehre überhaupt einen der Vampire des ersten Ranges zu kennen und sich mit ihm unterhalten zu haben.

Der fremde Vampir hebt die Arme vors Gesicht, als sie den Raum betritt und schafft es sich mit raschen Schritten neben Blaise aufzubauen. Ihr rabenschwarzes schulterlanges Haar wird von dem schneidenden Energiesturm, den uns der Bote der Finsternis entgegenschleudert, nach hinten geweht.

„Méridia!“, höre ich Blaise freudig aufkeuchen.

Méridia heißt die Kleine also. Und dieses kleine harmlos wirkende Geschöpf hat seine Eckzähne vollkommen entblößt und die Krallen ausgefahren. Dieser Anblick ist durchaus respektheischend, Größe hin oder her.

Jäh erinnere ich mich daran, dass ich erst vor Kurzem gelernt habe, diese altbewehrte Kampfposition einzunehmen. Um das Ausfahren der Fänge und Krallen steuern und beherrschen zu können, muss man sehr große Willenskraft aufbringen. Und diese Willenskraft sammelt sich erst im Laufe der Jahre oder Jahrhunderte an.

Noch während ich diesen Gedanken angestellt habe, hat sich Méridia auf den Boten der Finsternis gestürzt und ihn aus der Luft gerissen. Es ist mir ein Rätsel, wie ein so kleines Wesen derart hoch springen kann.

Der schneidende Energiestoß erlischt auf der Stelle und ich kann mich gefahrendlos aufrichten.

Méridia faucht den Boten der Finsternis gerade wütend und achtungheischend an, er solle sich nicht rühren oder sie würde ihm die Kehle zerreißen. Das sagt sie nicht wirklich, sie faucht einfach nur, aber ich kann in ihren Lauten die Absicht klar erkennen.

Blaise nimmt sein Schwert herunter und geht auf seine Kollegin und den am Boden liegenden Feind zu. Doch ehe er die beiden erreichen kann, zuckt Lilith’ Kopf erneut nach oben und sie stürzt sich mit ausgefahrenen Krallen auf den höherrangigen Vampir.
 

Töte ihn“, flüstert eine alt bekannte Stimme in meinem Kopf, „Bring ihn um!“

Wieder spüre ich diese Worte eher, als das ich sie höre. Der Schmerz, der sie begleitet, lässt mich leise wimmern.

Ehe ich mich versehe, habe ich mich schon auf eine von gleißend hellem Licht umwaberte Gestalt gestürzt, doch ich kann mich nicht erinnern auch nur einen Finger gerührt zu haben.

Sicher, das wird das Werk der zweiten Seele gewesen sein. Aber wen oder was greife ich da an?

Ehe ich es nicht weiß, bin ich nicht bereit dich gewähren zu lassen, tut mir Leid!

Mit aller Macht konzentriere ich mich darauf, der fremden Steuerung meines Körpers entgegenzuwirken. Erschüttert spüre ich, wie sich meine Krallen in weiches Fleisch graben.

Nein, ich muss wissen wem ich gegenüberstehe!

Ich fauche erzürnt auf und schaffe es meinen Körper zum Stillstand zu bringen. Dafür muss ich allerdings auch mit einem stechenden Schmerz im Herzen bezahlen, der so stark ist, dass meine Beine einfach wegknicken und ich zu Boden sinke.

Jäh klärt sich der Nebel um mich her. Es ist, als würde eine Droge aufhören zu wirken. Die Welt beginnt allmählich wieder klare Konturen anzunehmen und schon bald kann ich erkennen, wen ich angegriffen habe.

Blaise steht mit entblößten Fängen vor mir, die linke Hand auf den rechten Arm gepresst. Unter ihr sickert Blut hervor.

Mein Gott, ich habe einen Vampir aus dem ersten Rang angegriffen. Und dazu ist es auch noch Blaise. Er sieht meinem Lehrmeister Sven so verblüffend ähnlich... Es ist fast, als hätte ich ihn verletzt und nicht tatsächlich Blaise, der vor mir steht.

Ich schlage die Hände vors Gesicht und spüre jäh, wie die fremde Seele wieder die Kontrolle über meinen Körper zu erlangen sucht.

Ich beiße die Zähne zusammen und nehme die Hände vom Gesicht. Das darf ich nicht zulassen!

Während ich mit mir selbst ringe, nehme ich die Umgebung kaum noch wahr, doch als ich eine Bewegung vor mir bemerke, konzentriere ich mich darauf. Blaise hält ein Langschwert in Händen und richtet es auf mich. Er wird mich töten, er wird mich wirklich töten... Natürlich, was habe ich erwartet? Immerhin ist er eine Autoritätsperson, es ist seine Pflicht. Er wird mich töten...
 

Erschreckt schreie ich auf und schlage dann die Hände vor den Mund. Blaise hat tatsächlich vor Lilith zu töten. Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe gerade angefangen ihn zu mögen, ihn wirklich sehr zu mögen...

Ich schaffe es kaum die eben so rasch aufeinander gefolgten Ereignisse zu verarbeiten. Das plötzliche Auftauchen des kleinen Vampirmädchens, der Sturz des Boten der Finsternis und Lilith’ Angriff auf Blaise. Allmählich scheint mir dies alles so unwirklich, als wäre es nur ein Traum. Vielleicht muss ich einfach nur die Augen schließen damit ich erwache.

Doch diese These bewahrheitet sich nicht. Genau genommen wird sie schon zunichte, bevor ich die Augen schließen kann, denn der aufdringliche Schmerz, der meinen Körper in einzelnen Wogen durchzuckt, macht mir klar, dass es sich in keinem Fall um einen Traum handeln kann. Wieso passiert so etwas auch immer nur mir?

Blaise hebt das Schwert. Nein, das kann ich unmöglich zulassen!

Ich rappele mich, meine Schmerzen missachtend, rasch auf, renne auf Blaise zu und packe seinen Arm, ehe er mit dem Schwert zuschlagen kann.

„Minachi“, keucht dieser verblüfft, „Du verstehst das völlig falsch!“

Wieso sagt mir heute laufend jemand, ich würde etwas falsch verstehen? Ich denke nicht, dass diese Situation auf irgendeine Weise missverständlich ist!

„Du darfst Lilly nicht umbringen!“, schreie ich ihn an.

Nur knapp eine Sekunde später spüre ich, wie mir eine erste Träne über die Wange rollt und dann durchzucken heftige Schluchzer meinen ganzen Körper. Ich kann mich nicht erinnern je so verzweifelt gewesen zu sein. Ich kann mich nicht zwischen Blaise und Lilith entscheiden und ich will es auch gar nicht.

Mit einem sanften aber gut gezielten Stoß trennt mich Blaise von seinem Arm. Ich stürze zu Boden und lande einfach auf dem Po. Diese rüde Geste gibt mir den Rest und ich kann nur noch weinen. Auch ich kann nicht immer stark sein, oder? Auch ich habe ein Recht auf Trauer, Melancholie und Selbstmitleid!

Ich schluchze noch heftiger.
 

Es hat mich einige Überwindung gekostet, Minachi von mir zu stoßen, doch darf ich jetzt nicht daran denken. Ich muss mich voll und ganz auf meine Aufgabe konzentrieren, schließlich bin ich ein Vampir des ersten Ranges. Die Vampire sollen zu mir aufblicken und deshalb kann ich mir keine Fehler leisten. Ich werde Lilith befreien.

Ich hebe mein Schwert erneut und lasse es konzentriert und mit viel Schwung zirka zwanzig Zentimeter vor ihrem Körper Entlangschwingen. Das wohl schärfte Schwert in dieser Stadt zertrennt die Luft und lässt einen silbrigen und gebogenen Streifen in ihr zurück. Dieser Streifen bewegt sich nun zielstrebig auf Lilith’ Brust zu und fährt durch ihren Körper hindurch.

Man mag es kaum glauben, doch dies alles geschieht in nur wenigen Sekunden. Lilith bäumt sich auf und wirft den Kopf in den Nacken. Mit dieser Geste löst sich ein Schmerzensschrei aus ihrer Kehle.

Langsam lasse ich das Schwert sinken und schiebe es zurück in die dafür vorgesehene Einrichtung an meinem Gürtel. Dieses von Gott gegebene Schwert hat den praktischen Nebeneffekt, sich in seinem Volumen auf die Hälfte reduzieren zu können.

Seufzend betrachte ich Lilith Körper, der leblos am Boden liegt. Doch ich kenne das bereits, ich weiß, dass ich jetzt nichts für sie tun kann. Ihre helle und ihre dunkle Seele kämpfen zu dieser Sekunde um die Herrschaft über den einen Körper und ich kann nichts weiter tun und abzuwarten. Ich wünsche mir, Lilith’ gute Seele siegt, denn dann wird sie in den ersten Rang aufgenommen werden. Wir nehmen nur Vampire bei uns auf, die nur noch eine Seele besitzen und diese muss in jedem Fall eine Gute sein. Kehrt die böse Seele in Lilith’ Körper zurück, werde ich ihr Leben auslöschen müssen. Mein Blick wandert zu Boden. Ich habe sie eigentlich sehr lieb gewonnen, diese Lilith.

Ein leises Wimmern erinnert mich an Minachi und ich wende mich so schnell es geht zu ihr um. Langsam knie ich neben ihr nieder und ziehe ihr die Hände vom Gesicht.

„Ich wollte Lilith nicht töten“, versichere ich ihr so liebevoll, wie es ein Dreihundertjahre alter Vampir zu Stande bringen kann.

Verwirrt blinzelt Minachi zu mir auf. Immerhin weint sie jetzt nicht mehr.

Ich spüre den Anflug eines erleichterten Lächelns auf meinem Gesicht, doch ich schaffe es gerade noch das Lächeln zu verbergen. Gefühle zu zeigen ist schwach, Blaise, wirklich schwach.

„Was ist mit ihr?“, will Minachi zittrig wissen.

Eine Sekunde spiele ich mit dem Gedanken dieses Menschenmädchen einfach an mich zu ziehen und sie in den Arm zu nehmen, doch auch diesen Reflex unterdrücke ich. Ich bin ein Vampir des ersten Ranges, ich kann mich nicht mit gewöhnlichen Menschen einlassen. Außerdem hätte Minachi wahrscheinlich wild nach mir geschlagen, so wie ich sie einschätze. Sie hätte wohl gedacht ich wollte sie beißen. Apropos... Mein Blick wandert langsam von Minachis Augen ihr Gesicht hinab und bleibt an ihrem Hals kleben. Wie schön weich er scheint.

Schon wieder so ein unmöglicher Gedanke. Heute ist wirklich nicht mein Tag. Rasch richte ich meinen Blick wieder auf Minachis Gesicht.

„Ihre beiden Seelen ringen um die Oberhand“, erkläre ich ihr leise, als redete ich an jemandes Sterbebett. Als Minachi mich nur noch verwirrter anblickt, hole ich weiter aus, als ich es einem Menschen gegenüber dürfte: „Jeder Mensch - jedes Wesen beherbergt in seinem Körper zwei Seelen. Von diesen Seelen ist die eine gut und die andere böse. Ich weiß nicht, ob du weißt, was das bedeutet.“ Ich mache eine kleine Pause um zu sehen, ob sie es weiß.

„Was bedeutet es denn?“, will Minachi leicht verwirrt wissen. Ich glaube das, was ich ihr erzählt habe, ist schon fast zu viel für sie. Natürlich, das alles geht über das Sichtfeld eines Sterblichen hinaus.

„Eine Seele in dir hat Spaß am Töten und die andere liebt es in die Kirche zu gehen und allen zu helfen“, erkläre ich also, wobei ich mir ein Grinsen nicht verkneifen kann. Diese sehr vereinfachte Erklärung klingt wirklich zu albern.

„Diese beiden Seelen bilden den Charakter eines Menschen. Je nach dem wie stark die böse Seele gegenüber der Guten ist, hat er einen guten oder auch einen schlechten Charakter. Wenn die böse Seele sich allerdings durch Einfluss von außen gegen die Gute auflehnt, kommt es zu Konflikten innerhalb des Körpers, an denen ein gewöhnliches Lebewesen zerbricht. Lilith hat sich sehr gut geschlagen mit diesem Zwiespalt in sich. Ich habe nun mit meinem Schwert die beiden Seelen aus ihrem Körper gelöst: Sie fechten eine Art Kampf und nur der Gewinner kehrt in Lilith Körper zurück“, fahre ich so langsam und vereinfacht wie möglich fort. Ich bin mir trotzdem nicht sicher, ob ein Mensch in der Lage ist, so etwas zu begreifen.

Eigentlich hätte ich es ihr nicht erzählen dürfen. Doch nun ist es geschehen. Es muss an ihren funkelnden Augen liegen, in denen sich so viel Trauer verbirgt.

„Was ist das bloß für ein Schwert?“, ist wider Erwartens Minachis erste Frage.

„Gott gab es mir, als ich in den ersten Rang der Vampire aufstieg. Nur die Vampire, die nur noch die gute Seele in sich tragen, steigen in den ersten Rang auf. Stärke allein genügt nicht. Und davon gibt es weiß Gott nicht viele Vampire. Bisher nur vier in diesem Land. Wie dem auch sei. Jede gute Seele, die sein böses Ebenbild besiegt, berührt für einige Sekunden die Welt auf ‚der anderen Seite’. Dabei berührt sie auch Gott und dieser verleiht dem Besitzer dieser Seele eine Tierform und ein weiteres Geschenk. Natürlich nur Vampiren. Aber mir ist auch nicht bekannt, dass ein anderes Wesen etwas vergleichbares durchlebt hat, ohne daran zu zerbrechen“, lächele ich sanft und lasse es mir nicht nehmen Minachi ganz rasch übers Haar zu fahren. Ich glaube es hat niemand gesehen.

„Ein Geschenk von Gott“, sagt Minachi langsam, „Und was ist eine Tierform?“

Ich räuspere mich. Diese Frage hat mich daran erinnert, dass ich ihr eigentlich gar nichts davon hätte erzählen dürfen.

„Ich kann es leider nicht verantworten dir diese Frage zu beantworten“, sage ich wieder in meiner schroffen Art, die ich immer auflege, wenn ich andere Wesen als Vampire des ersten Ranges um mich habe.

Minachi schenkt mir einen zutiefst verwirrten Blick und ich muss rasch aufstehen und mich abwenden um nicht noch etwas unüberlegtes zu tun. Mir fällt einiges ein, das ich unüberlegter Weise hätte tun können: Ihr die Frage beantworten, sie beißen oder sie gar küssen und der gleichen sicher mehr, wenn ich nur die Zeit hätte länger darüber nachzudenken. Doch jetzt zieht Méridia meine Aufmerksamkeit auf sich: „Ich glaube sie kommt zu sich!“

„Was... Was passiert mit ihr, wenn die gute Seele nicht gesiegt hat?“, ruft mir Minachi hinterher.

Ich senke den Kopf und antworte nicht.

„Du hast ihr doch nicht etwa davon erzählt? Du bist echt UNMÖGLICH!“, faucht mich Méridia von unten herauf wütend an.

Ich zucke langsam aber an mir selbst zweifelnd die Achseln. Doch dann habe ich nicht mehr die Zeit mir über meine Stellung und die Loyalität den Herrschern gegenüber den Kopf zu zerbrechen, denn Lilith’ Augenlieder flattern.
 

Langsam öffne ich die Augen und nehme zunächst alles verschwommen wahr. Wo bin ich hier? Doch viel wichtiger: Wer beugt sich da über mich?

Mein Blick schärft sich langsam und ich erkenne Blaise über mir. Vor Schreck wäre ich fast wieder ohnmächtig geworden.

Doch da ist noch jemand. Ein kleine ziemlich kleinwüchsige Lady mit rabenschwarzem Haar. Sie trägt ja einen roten Umhang! Oh mein Gott, zwei Vampire des ersten Ranges auf einem Fleck...

Langsam richte ich mich auf. Mir schmerzen sämtliche Glieder, doch ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern wieso. Oh, da sind ja noch mehr Leute! Ich kann Lysander ziemlich unbeteiligt in der Gegend stehen sehen: Schöner Bruder ist der mir. Und da ist auch Minachi. Sie kauert auf dem Boden und sieht ziemlich fertig aus, doch ich bringe es nicht über mich aufzustehen und zu ihr zu gehen. Ich glaube nämlich nicht, dass mich meine beine tragen können.

Doch da entdecke ich noch jemanden...

„Sean!“, keuche ich und reiße mich nun doch hoch. Ich schwanke leicht und will auf Sean zurennen, doch Blaise packt mich ziemlich fest am Arm und auch die kleinwüchsige Vampirdame mustert mich mit kalten Augen.

„Lasst mich los!“, fauche ich Blaise halb verzweifelt an.

„Ich glaube du kannst sie jetzt loslassen“, grinst der weibliche Vampir des ersten Ranges.

„Oh, natürlich“, gibt Blaise leicht verwirrt von sich.

Nun will ich mich endlich zu Sean begeben, doch nur eine Sekunde später werde ich von Minachi überfallen, die sich schwer an meinen Hals hängt.

„Du bist wieder da!“, schluchzt diese in meinen Mantel hinein.

Ich kann nichts weiter tun als sie verwirrt anzustarren. Was ist geschehen?

Hör doch auf zu weinen, das macht mich ganz traurig...

Ich lege die Arme um Minachi und spreche mein Stoßgebet nun laut aus: „Ach Minachi, hör doch auf zu weinen.“

Für diesen Satz handele ich mir eine Ohrfeige ein, die sich gewaschen hat. Verwirrt lasse ich Minachi los und halte mir die Wange.

Minachi baut sich vor mir auf und hält mir eine Standpauke, die sich gewaschen hat. Ich erfasse nicht jedes einzelne Wort, da ich nicht begreife wovon sie redet. Ich höre nur ‚Was fällt dir eigentlich ein?’ und ‚Wir haben uns solche Sorgen gemacht!’. Wobei ich nicht sicher bin, wie sie ‚wir’ definiert.

Auf meine Verwirrung folgt haltlose Wut. Wieso schreit sie mich so an? Ich habe überhaupt nichts getan! Und das tue ich nun auch kund. In einer Lautstärke, dass es wohl noch zwei Blocks weiter zu hören ist.

„Jetzt ist nicht die Zeit zum Streiten“, fährt Blaise ruhig dazwischen, wobei er sich zu meinem Erstaunen und auch meiner Bestürzung neben Minachi stellt.

Ich balle wütend die Fäuste, wiedersetze mich dem unmittelbaren Befehl jedoch nicht. Minachi funkelt mich über Blaise’ Schulter hinweg böse an.

Ich seufze leise und plötzlich fällt mir Sean wieder ein. Ich stürze auf ihn zu knie neben ihm nieder: „Was ist mit ihm?“

„Der ruht nur“, grummelt mein lieber Bruder, als täte ihm die Tatsache Leid, dass er nicht gestorben ist! Ich werfe ihn einen hasserfüllten Blick zu.

„Er wurde schwer verletzt und hat seinen Schutz aktiviert um sich schneller heilen zu können. Ein schlauer Bursche. Für einen Vamp aus dem 5. Rang zumindest“, erklärt mir die fremde Vampirdame. Ich frage mich, woher sie das alles über ihn weiß.

„Wann wacht er auf?“, frage ich besorgt und streiche über Seans gefrorene Wange.

„Sollte wohl bald so weit sein“, flucht Lysander. Diese Freundlichkeit!

Aber tatsächlich. Schon eine Minute später zieht sich die Eisschicht, die sich auf Seans Haut gebildet hat zurück und er schlägt die Augen auf. Zu meinem Erstaunen vollkommen gesund. Stürmisch umarme ich ihn.

„Lilith, du zerdrückst mich“, ist der erste Satz meines Liebsten. Ich muss unwillkürlich grinsen und ich habe das Gefühl, auch er erinnert sich nicht mehr an das, was vorgefallen ist. So stehe ich immerhin nicht allein da.

Mein blick fällt auf ein Wesen, das gefesselt auf der anderen Seite des Raumes liegt: „Was... Wer ist das?“

Das Wese hat harte Schwingen und dunkelgrünes, rankenhaftes Haar. Dieser Anblick befremdet mich doch sehr.

„Angeblich der Bote der Finsternis. Er scheint für Keith zu arbeiten. Vielleicht kriegen wir noch einiges aus ihm heraus. Zum Beispiel, wo sich diese vermaledeiten Dunklen Vampire aufhalten. Wir werden ihn mit in die Villa nehmen. Und dich auch Lilith. So ist doch dein Name?“, fragt mich der Vampir des ersten Ranges.

„Ja, ich bin Lilith. Und wer seid Ihr? Wieso soll ich in eine Villa? Und überhaupt..:“, doch ich kann meinen Satz nicht beenden, denn etwas Merkwürdiges geschieht. Ein eisiger Windhauch weht durch den Raum und zerrt an meiner Kleidung. Dabei vernehme ich ein leises Klingeln wahr, das mir wohl beim Laufen zuvor nicht aufgefallen ist, da ich mich so um Sean sorgte. Ich taste an mir hinab und finde ein kleines Glöckchen, das mir um den Hals gebunden ist. Wohl so etwas, das man Katzen umbindet, damit sie keine Vögel erwischen. Das wundert mich zwar sehr, doch habe ich nicht die Gelegenheit länger darüber nachzudenken, denn mir dem auftauchen des Windes löst sich der sogenannte Bote der Finsternis einfach in nebeligen Dunst auf.

„Das mit der Befragung wird wohl nichts“, bemerkt Lysander schadenfroh.

Doch mir macht Blaise viel größere Sorgen. Er verengt die Augen zu Schlitzen: „Er ist hier... Keith ist hier:“
 

Rauch scheint durch die Ritzen im Fußboden in den Raum zu dringen. Rauch oder Nebel. Im nu verpufft mein ganzer Zorn auf Lilith und weicht Sorge und Angst. Waren das nicht genug Ereignisse für eine Nacht? Ich bin inzwischen hundemüde und könnte einfach im Stehen einschlafen!

Der Nebel nimmt in der Nähe der mir gegenüberliegenden Wand langsam eine Gestalt an und dann verwandelt sich der Nebel einfach in einen Menschen! Nein, das ist kein Mensch. Dieser Mann ist ein Vampir und er jagt mir wirklich fürchterliche Angst ein. Sein schwarzes Haar fällt bis zum Fußboden hinab und bildet einen krassen Kontrast zu seiner weißen Haut. Aus seinen Augen scheinen Funken zu sprühen.

Erschreckt weiche ich hinter die Vampire zurück an die zerstörte Tür und hoffe, der Vampir würde mich nicht sehen, was natürlich purer Selbstbetrug ist. Das muss also dieser Keith sein... Dunkle Vampire... Gute und Böse Seelen… Das alles ist so verstrickt und kompliziert.

Vampire, die nur noch die gute Seele besitzen steigen in den ersten Rang auf. Heißt das Vampire mit nur der bösen Seele werden Dunkle Vampire? Ja, so muss es sein. Und bevor das geschieht müssen diese Vampire scheinbar getötet werden...

Ein kalter Schauder läuft mir über den Rücken, als ich mir vorstelle, wie Blaise Lilith tötet. Ein wirklich grauenhaftes Bild! Ich schüttele es schnell ab.

„Keith, was willst du?“, faucht Blaise den anderen Vampir an.

„Ich möchte dich nur daran erinnern, dass es uns noch gibt. Und das solltest du nicht so schnell wieder vergessen“, sagt dieser Keith, lächelt gekünstelt und verbeugt sich.

Wieder löst er sich in Nebel auf und verschwindet durch die Ritzen der Dielenbretter.

Was ist das denn bloß gewesen? Laufen so Auseinandersetzungen zwischen Vampiren? Doch ich bin einfach zu müde um weiter darüber nachzudenken... So müde...
 

Blaise streckt den Arm aus und fängt Minachi, die so eben einfach nach hinten gekippt ist. „Was ist mit ihr?“, frage ich bang.

„Sie ist eingeschlafen“, teilt mir Blaise mit, der ebenso verblüfft aussieht, wie ich mich fühle.

„Na gut“, sage ich langsam während Blaise Minachi auf den Arm nimmt, „Könnte mir jemand erklären, was hier vorgefallen ist?“

„Zu nächst einmal: Mein Name ist Méridia. Das wolltest du doch wissen, oder?“, grinst die kleinwüchsige Vampirdame.

Ich nicke dankend.

„Du bist soeben in den ersten Rang aufgestiegen und wirst somit bei uns in ‚der Villa’ wohnen. Du wirst schon sehen, was es mit diesem Haus auf sich hat. Natürlich kannst du uns jetzt duzen. Wenn du nichts dagegen hast würde ich Minachi gerne mit in ‚die Villa’ nehmen, bis sie sich erholt hat“, teilt mir Blaise mit.

Ich nicke wieder. Das alles ist ziemlich verwirrend, doch ich bin körperlich und geistig zu erschöpft um viele Fragen zu stellen. Nur eins liegt mir wirklich noch auf dem Herzen: „Was ist mit Sean?“

Méridia und Blaise werfen sich vielsagende Blicke zu.

„Ich fürchte er kann nicht mitkommen“, erklärt mir Blaise vorsichtig.

„Dann komme ich auch nicht mit“, fauche ich und lehne den Kopf an Seans Schulter. Dieser ist inzwischen aufgestanden und legt die Arme um mich.

Blaise seufzt tief: „Na schön aber nur für diese Nacht.“

Darauf hin zieht er ziemlich viele gehässige Blicke Méridias auf sich, doch das ist mir egal. Das sollen die beiden unter sich ausmachen.

Sean, Minachi und ich, wir würden bei den Vampiren des ersten Ranges einziehen. Minachi wieder bei mir zu haben ist ein ungeheurer Trost. Immerhin habe ich keine Ahnung was mich erwartet und nicht einmal, was überhaupt geschehen ist.

Blaise übergibt Minachi kurz an Méridia und streift sich den roten Mantel von den Schultern. Dann hält er ihn mir so hin, dass ich hineinschlüpfen kann. Natürlich ist der Mantel viel zu groß, doch alleine sein Rot reicht aus, mir die Kraft für das kommende zu geben.

Ich schenke Blaise ein schüchternes Lächeln und verlasse zusammen mit ihm, Méridia und meinen Freunden das Haus, in dem viele dunkle Dinge geschehen sein mochten.
 

Verschlafen öffne ich die Augen und erkenne Blaise’ Gesicht über mir. Er trägt mich! Sofort werde ich rot, doch ich er hat den Blick geradeaus gerichtet und bemerkt glücklicherweise nicht, dass ich wach bin. Ich kann seinen männlichen Geruch deutlich wahrnehmen und lasse mich ganz in ihn zurücksinken.

Doch jäh sehe ich ein Mädchen in einer Seitengasse, das mit dem Rücken flach an die Wand gepresst dasteht und uns mit Blicken folgt. In ihren Händen glänzt eine Feuerwaffe auf. Ich weiß nicht, ob ich schon wieder halb in das Land der Träume hinübergeglitten bin, doch ich könnte schwören es handelt sich um Kagami.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2007-08-11T00:19:09+00:00 11.08.2007 02:19
wow krass das wird ja immer spannender!!!mach schnell weiter!!
Von:  Karopapier
2007-02-06T19:42:30+00:00 06.02.2007 20:42
Wow, ich hab's durch! Erstaunlich, wie schnell so eine Geschichte vorbei sein kann je spannender sie ist ... ^^
Die einzelnen Sachen habe ich dir wie letztes Mal auch angestrichen, nur folgendes wollte ich dir noch so sagen/ dich fragen:
Warum gerinnt das Blut der Beute nicht, wenn Vampire jagen gehen? Der Weg zu ihrem Grab muss unglaublich kurz sein wenn es sich noh nicht mal andeutungsweise Blutgerinnsel gebildet haben, und die verstopfen ja bekanntlich Arterien.
Dann, als Frage im Nachhinein: War Lilly von Anfang an schon Vampir oder war sie es erst, als sie das Blut von Hr. Obscurité getrunken hat? Das ist etwas verwirrend ... auch die Reaktion von Minachi ist sehr konfus, zuerst hat sie nichts dagegen dass Lilly scheinbar schon ein Vampir ist, dann aber, als sie auch offiziell einer ist (also auf jeden Fall) kommt sie damit nicht klar. War Lilly nur süchtig nach Blut? Wie schafft sie es dann, die Ader an Minachis Hals aufzubeißen? Warum muss sie kein Messer nehmen? Oder war es ein Rückblick, was danach kam?
Und als dritter Kritikpunkt: Wenn du die einzelnen Charaktere beschreibst (z.B. aus Sicht von Lilly) haben alle einen leicht zu unterscheidenden Charakter. Aber wenn du immer wieder die Perspektive wechselst merkt man nur an den Umständen, wer gerade erzählt. Du solltest die einzelnen Charas also noch ein Stück besser ausarbeiten oder immer aus der gleichen Perspektive schreiben, was das Ganze leichter macht.
Ach ja, und noch eine Kleinigkeit: Du solltest dich nicht selbst parodieren. Ich habs dir in der überarbeiteten Version angestrichen. ^^

Und wenn ich schon alles Negative aufgelistet habe, dann auch noch was Positives: Ich finde, die Geschichte ist (wie schon erwähnt) sehr gut geschrieben. Sie gefällt mir supergut. ^^ *Fähnchen schwenk* Es kommt nicht oft vor, dass ich so lange Geschichten bzw so lange Kapitel so schnell durchbekomme. Was ich auch sehr beeindruckend finde, ist, dass man (zumindest meistens) merkt, wer gerade erzählt. Ich kenne ein paar Leute, bei denen ist das anders. Um genau zu sein fast alle, die das ausprobiert haben.
Irgendwie klingt das böse: So viel Platz für schlechte Kritik verbraucht und so wenig für gute ... Na ja, ich hoffe, man merkt trotzdem dass es mir gefällt. ^^

Bis dann,
southern_____
Von:  Punk_PANSY_Pueppchen
2006-11-11T22:26:20+00:00 11.11.2006 23:26
...ich hab an dem kapitel leider auch ein ganz klein wenig rumzunörgeln...
der wechsel der charaktere is mir nen bissl zu schnell...
man hat nich genug zeit sich in die charas reinzuversetzen da kommt auch schon der nächste
ansonsten hat mir das kapitel recht gut gefallen^^
Von:  Drachenwind
2005-12-28T18:43:12+00:00 28.12.2005 19:43
Also, jetzt geht es langsam wirklich zur Sache und man kann es viel flüssiger lesen, als das erste (auch wenn es daran liegen kann, dass ich einfach keine Lust hatte diesmal eine Liste zu erstellen). Also:
Irgendwie stimmt entweder mit meinem Computer etwas nicht, oder alle Sonderzeichen sind in diesem Kapitel durch andere Zeichen ersetzt.
Die Vampire sind zwar immer noch nicht wirklich würdevoll, dafür aber ein wirklich interessanter Verein, der sich etwas besser vorgestellt hat. Allerdings ist es schwer zu verdauen, dass Gott etwas mit diesen Vampiren zu tun hat, immerhin töten sie Menschen (oder haben sie getötet) und deswegen... stelle ich mir das problematisch vor. Aber es liest sich eigentlich wirklich gut.
Von:  Saraz
2005-10-25T07:41:38+00:00 25.10.2005 09:41
Hey du^^

Jetzt hab ich mal das Kapitel fertig und geb mal ein Kommi ab,dann fang ich mit dem dritten an ^^. Mir hat dieses Kapitel echt gut gefallen, vorallem war es einfach dauernd spannend und man musst einfach immer weiterlesen.

"Wer ich?!", platzt Minachi los und versieht Sean mit einem besonders giftigen Blick.
>>Oh Gott, ich liebe dieses los platzen...ich verwende in solchen Situationen immer herausplatzen, aber das hier ist einfach was eigenes^^

"Das Ladys First Gesetz gilt nicht, wenn es sich um einen Raum oder ein Gebäude handelt, in dem eventuell Gefahr lauern könnte. Ausnahmeregelung des First Lady Gesetzes Paragraph 243, Absatz 12, Verordnung von 1782", erklärt Blaise langsam und korrekt wie je.
>>*kaputtlach* das ist genial, aber ich hätte wie immer geschrieben, nicht wie je... das hört sich irgendwie...falsch an

"Hast du mich geschlagen? Ich schlag dich auch gleich!", schimpft Minachi weiter.
>>Hehe, das kann ich mir richtig geil bildlich vorstellen

Der Bote der Finsternis, wie sich das Geschöpf vorgestellt hat, lacht schallend auf, es klingt jedoch überhaupt nicht belustigt. Man, es hat wirklich einen verdammt langen Namen.
>>Hmpf? Wieso Namen? Das wirkt irgendwie komisch

>>Der ganze Teil, wo sie Lilith suchen und bekämpfen ist total spannend. Ich will gar nicht zum lesen aufhören, es ist einfach nur ur geil!!!

>>Toll wie du beschreibst, dass das Schwert einen silbernen Strich in der Luft zurücklässt. Ich kann mir das wirklich vorstellen!!!

>>Da war noch was, was ich ur gut fand:
Mit dieser Geste löste sich ein Schmerzensschrei aus ihrer Kehle.
>>Das hört sich einfach toll an...mehr kann ich dazu nicht sagen ^^

>>Es hat mir ur gut gefallen, wie Blaise sich immer wieder einredet, das er stark sein muss und dass ihn Minachi so verwirrt, allerdings fand ich folgendes etwas übertrieben: "Da steht der Mann deines Lebens über deiner besten und liebsten Freundin und will ihr ein Schwert in den Körper treiben. Das ist einfach nicht fair..."
>>Wie kann sie schon wissen, dass er der Mann ihres Leben ist...sie kennt ihn doch grad mal zwei Stunden...

>>Etwas was ich nicht verstehe: Gott? Ich dachte Vampire wenden sich von ihm ab? Wird das noch erklärt?

>>Ein Tippfehler( glaub ich mal): Darauf hin zieht er ziemlich viele gehässige Blicke Méridias auf dich, doch das ist mir egal. Das sollen die beiden unter sich ausmachen.
Den Blick auf sich ziehen...nicht auf dich oder?

>>Wer ist Kimiko??...


So,das war im allgemeinen das, was mir so aufgefallen ist. Mir hat nur ein Kampf zwischen den Seelen gefehlt (aba, als ich ins nächste Kapitel reinschnupperte hab ich gesehen, dass es dort gleich am Anfang steht ^^). Ich war ur geschockt,dass sich Minachi und Lilith streiten und Lilly nicht einsieht, dass sie verschwunden ist und sich ihre Freundin natürlich Sorgen machte...mhm

Ok, das wars jetzt wirklich ^^

Cu!!!!
Von:  kasukasu
2005-10-01T14:15:27+00:00 01.10.2005 16:15
ja genau...der meinung bin ich auch...^^
Von: abgemeldet
2005-05-28T17:58:43+00:00 28.05.2005 19:58
Hi. Ich finde die Story total spannend. Schreib schnell weiter!
Von:  KaeAskavi
2005-05-14T17:05:56+00:00 14.05.2005 19:05
schreib weiter !!


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