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Geburtstage am Heiligen Abend

24.12 Fanfiction-Adventskalender 2021
von

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Nachfeiern

Auch den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachte Martina alleine. Doch dieser war ihr bei weitem nicht so wichtig wie der Vorherige. Die meisten ihrer Freunde würden auch den heutigen Tag mit ihren Familien verbringen. Ihr Bruder hingegen würde ganz sicher ebenfalls ausschlafen, jetzt, wo er alleine zu Hause war. Für den Fall, dass er überhaupt zu Hause war, und nicht bei seinen Kumpels übernachtete.

 

Am 26. hingegen fuhr sie zu der neuen Kleinfamilie ihrer Schwester. Die Verteilung der Geschenke war bereits zwei Tage zuvor geschehen, doch Martina brachte ihren Nichten ebenfalls ein kleines Spielzeug mit, eingepackt in einer riesigen Schleife, die um ein Geschirrtuch befestigt war. Für ihre Nichten gab es somit nicht wirklich etwas zum Aufreißen. Während das Geschirrtuch ganz blieb, musste die Schleife dran glauben. Diese wurde in ihre Einzelteile zerlegt.

 

Direkt nach den Weihnachtsfeiertagen schickte Yasmin eine Nachricht an alle Cliquenmitglieder, mit Ausnahme von Martina. Sie wollte mit denen sprechen. Ihr ging die Tatsache nicht aus dem Kopf, dass sie alle Martina an ihrem Geburtstag alleine gelassen hatten. Und sie wollte gemeinsam mit den anderen eine kleine Überraschung für sie als Entschädigung planen. Daher informierte sie Martina explizit nicht bezüglich des Treffens.

 

Martina selber dachte über die letzten Tage nach. Sie war sich immer noch nicht sicher, was sie von ihren derzeitigen Bekannten halten sollte. Auch während der letzten Tage hatte sich keiner von ihnen bei ihr gemeldet, weshalb sie immer weiter davon Abstand nahm, die Gruppe als Freunde zu bezeichnen. Andererseits fasste sie auch einen anderen Entschluss. Sie wollte sich wieder öfter bei Benny melden, um diese Freundschaft zu pflegen.

 

Yasmin hatte die anderen zu sich nach Hause eingeladen, so dass sie nicht befürchten musste, zwischenzeitlich von Martina gesehen zu werden. Es war noch unauffällig genug, wenn ein Auto vor ihrer Wohnung parkte, das Martina einem aus der Clique zuordnen konnte. Außerdem wohnte sie in einer anderen Stadt. Wenn Martina hingegen alle zusammenstehend sehen würde, wüsste sie, dass nur sie nicht eingeladen worden war. Und dies empfand Yasmin insbesondere nach dem Geburtstagsdesaster als richtig mies.

 

Der Grund für dieses Treffen war schließlich auch, dass sie so in der Lage waren, eine Feier für Martina zu organisieren. Auch wenn alle innerhalb der Gruppe wussten, dass genau diese Person, um die es bei der Feier ging, bei den Vorbereitungstreffen nicht teilnehmen sollte, so hatten sie bisher nie den Fall eines Nachfeierns gehabt. Jedenfalls nicht innerhalb des letzten Jahres. Und selbst, wenn nachgefeiert wurde, fanden diese Vorbereitungstreffen immer vor dem eigentlichen Anlass statt.

 

Sie beschlossen, in den Silvestertag reinzufeiern. Viele Tage hätten sie eh nicht mehr zur Verfügung gehabt, wenn sie Martinas Geburtstag noch in diesem Jahr nachfeiern wollten. Das Datum zwischen Silvester und Neujahr wollten sie nicht nehmen, weil Martina Yasmin gegenüber angedeutet hatte, dass ihre Feier nichts mit einem anderen Feiertag zu tun haben sollte.

 

Nach diesem Treffen rief Yasmin Martina an und fragte sie, ob diese schon etwas an dem Silvesterwochenende vorhatte. Sie wollte sich mit ihr verabreden, um einmal ganz in Ruhe reden zu können. Und da sie die Weihnachtsschicht übernommen hatte, hatte sie am Silvester frei. Auch Martina hatte an dem Tag nichts vor, und die anderen sagten ihre jeweiligen Verabredungen ab. Das war zumindest der Plan.

 

Tatsächlich holte Yasmin Martina am Abend des 30. Dezembers ab. Martina wusste nicht, wo Yasmin sie hinbringen würde, und hatte sich auf einen längeren Spaziergang vorbereitet. Stattdessen kehrte Yasmin mit Martina in eine nahegelegene Gaststätte ein, in der sie einen kleinen Raum reserviert hatte.

 

Yasmin legte ihre Hände auf Martinas Augen, so dass diese nichts sehen konnte, als Yasmin sie in die Gaststätte führte. Martina ahnte aufgrund dessen schon, dass sie überrascht werden sollte. Offenbar hatten die anderen etwas für sie geplant. Sie konnte noch nicht sagen, um was genau es sich handelte. Doch sie ahnte, dass dies mit ihrem Geburtstag zu tun hatte, denn sonst würde Yasmin ihr nicht die Augen zuhalten.

 

Nachdem Yasmin Martina in den gemieteten Raum führte, nickte sie den anderen zu, während sie die Hände von Martinas Augen entfernte.

 

„Alles Gute nachträglich zum Geburtstag.“, wünschte die ganze Gruppe Martina im Chor.

 

Martina schaute sich um. Es war nicht ganz so ausgefeilt wie die anderen Geburtstage, die sie mit der Gruppe erlebt hatte. Aber in dem Raum gab es einiges an Spielmöglichkeiten, eine Bowlingbahn, einen Kicker, einen Billardtisch und eine Tischtennisplatte, alles bereits aufgebaut. Auf einem großen, langen Tisch stand in der Mitte ein Fonduekessel, umringt von kleinen Schüsseln Gemüsestücke, Baguette-Scheiben, bereits geschälte Mandarinen sowie Ananasstücke. Auf dem Billardtisch lag ein Hut mit Zetteln, vermutlich ihre Namen.

 

Eines der Sitzplätze, der am Kopf des Tisches, war für Martina reserviert. Die anderen saßen, oder standen, an verschiedenen Plätzen des Raumes. Alle Blicke waren auf Martina gerichtet.

 

„Das hier ist als kleine Entschädigung gedacht, weil wir alle an deinem Geburtstag keine Zeit hatten. Wir wissen, dass es nicht dasselbe ist, aber ich hoffe, es gefällt dir doch ein wenig.“, startete Yasmin mit ihrer kurzen Erklärung. Bei dieser kurzen Einleitung beließ sie es auch. Sie bemerkte Martinas umherschweifenden Blick und fragte stattdessen nur: „Und, was von dem möchtest du zuerst machen?“

 

Martina überlegte. Als Yasmin angerufen hatte, dachte Martina noch, dass Yasmin alleine mit ihr sprechen wollte. Sie war daher nicht auf eine Feier vorbereitet gewesen. Doch dies sollte sie in diesem Augenblick nicht stören. Am ehesten hatte sie jetzt Lust auf: „Billard“.

 

Auf einer Tafel schrieb Alexander die Namen aller Gruppenmitglieder untereinander auf. Sie wollten daraus einen kleinen Wettbewerb machen. Sie waren zu acht, also die ideale Zahl, um eine KO-Runde ähnlich der Fußball-Bundesliga zu starten.

 

Die erste Runde bestritten Martina und Alexander. Martina bekam als Geburtstagskind den Anstoß, und konnte somit bestimmen, ob sie die vollen oder die halben Kugeln spielen wollte. Vielmehr, sie hätte es bestimmen können, wenn sie in der Lage gewesen wäre, ihren Stoß entsprechend zu berechnen. Es war eher Zufall, dass die volle blaue Zwei in eines der Löcher verschwand.

 

Martina schaute sich das Spielfeld und die Positionen der Kugeln an. Durch das Versenken der blauen Zwei hatte sie die Vollen. Die weiße Kugel befand sich nahe einer Ecke, umringt sowohl von drei vollen wie auch zwei halben Kugeln. Die halben Kugeln störten aber bei dem Versuch, eine der Vollen anzuspielen, ohne die Halben zu berühren.

 

Zu allem Überfluss befand sich die weiße Kugel zwischen den Vollen und den Löchern, so dass sie keine Chance sah, eine weitere ihrer Kugeln zu versenken. Sie versuchte es dennoch, lehnte sich halb auf dem Tisch und stieß die Kugel mit dem Quere hinter dem Rücken an. Das Ergebnis wusste sie schon vorher. Die weiße Kugel traf die orange Fünf, ließ diese etwas rollen und blieb dann stehen, natürlich, ohne eine ihrer Kugeln einzulochen.

 

Somit war Alexander an der Reihe. Bevor er anfing, erfasste er die aktuelle Lage mit einem etwas ausschweifenden Blick auf dem Tisch. Daraus lässt sich was machen, dachte er, während er im Kopf die benötigten Winkel berechnete.

 

Die grüne 14 lag günstig. Sehr günstig sogar, weil diese kurz vor dem Loch lag, und die weiße Kugel freie Bahn hatte. Er setzte an, gab der weißen Kugel einen Schubs und lochte seine halbe Kugel ein. Durch den Abprallen traf die weiße Kugel auch die braune 15, und ließ diese näher an eines der Ecklöcher rollen.

 

Da sowohl die 15er Kugel wie auch die Stoß-Kugel günstig für das Einlochen der 15 lagen, versenkte er diese Kugel mit einem gekonnten Winkelstoß als nächstes. Nun lag die weiße Kugel aber nicht mehr so günstig. Er kam nicht mehr auf direktem Wege an eine seiner Kugeln ran. Über die Bande zu spielen, um eine seiner Kugeln einzulochen, schien auch unmöglich, da immer wieder eine von den vollen Kugeln im Weg stand. Aber vielleicht würde es ihm gelingen, eine seiner Kugeln in eine bessere Einlochposition zu versetzen. Er entschied sich für die neunte. Zwar schaffte er es, diese Kugel anzuspielen, aber sie wanderte nur leicht Richtung Loch.

 

Also war Martina wieder dran. Während Alexander seine Stöße ausgeführt hatte, hatte Martina jede einzelne Änderung der Kugeln genau betrachtet. Alexander hatte die weiße Kugel für sie günstig platziert, die orange Fünf lag fast in einer Linie zwischen der weißen Kugel und einem der Löcher. Diese wollte sie daher anspielen. Doch als sie zum Stoß ansetzte, was dieser zu stark, so dass die orange Kugel zwar das Loch erreichte, aber wieder zurückrollte und somit nicht versenkt wurde.

 

Während sie zu zweit spielten, merkten die anderen, dass es doch etwas unbefriedigend war, nur zuzuschauen nicht nicht mitzuspielen. Es waren zu wenige direkt an dem Spiel beteiligt. Und nur zuschauen machte weniger Spaß. Allerdings konnten sie das Thema nicht gerade dann ansprechen, wenn einer der aktiven Spieler den Stoß ansetzte.

 

Alexander schaffte es, zwei seiner Kugeln mit einem Schlag einzulochen, auch wenn er damit ebenfalls eine von Martinas Kugeln versenkte. Zwei weitere landeten in zwei verschiedene Löcher, bevor er einen Fehlstoß ausführte.

 

Thorben beschloss, das Thema mit dem nur Zuschauen nach diesem Spiel anzusprechen. Alexander war geschickt, was das Einlochen der Kugeln anging, so dass Thorben davon ausgehen konnte, dass Alexander das Spiel in Kürze für sich entscheiden würde.

 

So war es dann auch. Martina hatte keine Chance. Sie schaffte es zwar noch, eine ihrer Kugeln einzulochen, aber dann versenkte Alexander seine letzte Kugel, inklusive der schwarzen Acht.

 

Das zweite Match hätte zwischen Yasmin und Marina stattfinden sollen. Doch während sie das Spielfeld vorbereiteten, ergriff Thorben das Wort: „Hey, Leute, wollen wir dieses Spiel wirklich so durchziehen?“

 

„Warum? Was meinst du?“ Da Alexander bei dem letzten Spiel einer der aktiven Spieler war, konnte er nicht nachvollziehen, was Thorben meinte.

 

Auch Martina wirkte etwas verwirrt. Sollte sie als diejenige, deren Geburtstag gerade nachgefeiert wurde, etwa nicht bestimmen, was sie spielten? Und direkt nach dem ersten Spiel mischte Thorben sich ein? Aber sie wollte hören, was er diesbezüglich zu sagen hatte.

 

„Ich mein, wenn immer nur zwei von uns spielen, wird das für die anderen sechs recht langweilig. Daher könnten wir vielleicht auch ein anderes Spiel parallel spielen.“, erklärte Thorben seine Gedanken.

 

„Blöde Idee.“, meinte Martina. „Das ist dann so, als wenn wir gar nicht zusammen hier wären.“

 

Nach dieser Aussage war Thorben verdutzt. Er konnte es einfach nicht nachvollziehen. Daher fragte er verwirrt: „Was macht es für einen Unterschied, ob wir jetzt mit sechs Leuten zuschauen oder etwas anders spielen?“

 

Durch diese Frage kippte die Stimmung. Mareike und Phillip stimmten Thorben zu. Auch sie fanden es langweilig, nur zuzusehen.

 

„Einen Großen!“ Yasmin stand auf und stemmte ihre Arme in die Hüften. „Du bekommst dann die Gespräche teilweise nicht mehr mit.“

 

„Als wenn es innerhalb einer Gruppe nicht auch zeitweise mehrere Gespräche gleichzeitig gäbe. Oder glaubst du, du kriegst dann alle Gespräche gleichzeitig mit?“ Mareike stellte sich hinter Thorben, um demonstrativ zu zeigen, dass sie mit ihrer Meinung hinter ihm stand.

 

„Und wie oft war dies bei uns der Fall? So groß ist unsere Gruppe doch auch nicht.“ Mit acht Leuten gab es nicht allzu viele Kombinationen von mehreren zeitgleichen Gesprächen. Daher konnte Yasmin sich auch nicht an einen solchen Fall erinnern.

 

Mareike hingegen sehr wohl, weshalb sie begann, einige Situationen aufzuzählen: „Als wir das letzte Mal bei Phillip waren, als wir gemeinsam gekocht haben, oder im Biergarten, oder bei dem Ausflug im Park, oder...“

 

„Du hast dir das echt gemerkt?“, unterbrach Alexander Mareike fassungslos.

 

Martina klinkte sich aus dem Gespräch aus. Sie konnte es nicht fassen. Zuerst wollten sie gar nicht mit ihr feiern, und als sie sich dann doch dazu entschlossen hatten, ihren Geburtstag nachzufeiern, fingen sie auch noch an, zu streiten. So hatte sie sich die letzte Woche des Jahres nun wirklich nicht vorgestellt.

 

Sie ging alleine zu einem der Tische, bestellte sich eine Cola und wartete, bis entweder der Streit beendet war, oder die Kellnerin das Getränk lieferte. Während des Wartens überlegte sie, ob sie nicht einfach gehen sollte. Würden die anderen ihr Fehlen denn überhaupt bemerken?

 

Nachdem die Kellnerin die Cola brachte, begann Martina, das Gespräch der anderen zu überhören. Sie dachte weiterhin über die Punkte nach, die entweder für das Verschwinden von dieser Party sprachen, oder dagegen. Momentan konnte sie es sich nicht vorstellen, dass es den anderen auffiel. Aber spätestens, wenn sich die Gruppe für eine der beiden Varianten entschieden hatte, und sie sich wieder an den Grund erinnerten, fiel es auf.

 

Tatsächlich war es nicht so, dass alle anderen in der Gruppe Martinas Rückzug nicht bemerkten. Yasmin wurde stutzig, als alle anderen immer lauter wurden. Auch sie hatte sich zuerst an dem Gespräch beteiligt, dann aber den Eindruck gewonnen, dass es nichts bringen würde. Als ihr dieser Gedanke kam, suchte sie mit den Augen nach Martina, fand sie aber nicht mehr in dem Kreis. Sie ließ ihren Blick weiter umherschweifen, und bemerkte Martina am Rand eines der Tische sitzen. Dann ging auch sie zu dem Tisch hin.

 

„Interessant, dass nicht einmal M und M sich einig sind.“, versuchte Yasmin, Martina aus ihrem Gedankengang zu holen, während sie sich zu ihr setzte. Da Martina nicht reagierte, legte Yasmin Martina eine Hand auf deren Arm.

 

Martina zuckte zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, das jemand sie plötzlich berühren würde. Sie schaute zuerst zu der Hand, dann blickte sie nach oben und sah Yasmin direkt ins Gesicht. „Was ist?“

 

Yasmin sah, dass die Situation Martina absolut nicht gefiel. Sie verstand aber auch warum. Inzwischen konnte man kaum ein Wort verstehen, so laut war es. Sie sparte sich daher die Frage, ob sie kurz rausgehen sollten, und deutete diese Frage stattdessen mit einem Nicken zur Tür an.

 

Beide standen auf und gingen vor die Tür. Hier war es deutlich leiser, leise genug, um sich wirklich unterhalten zu können. Draußen wiederholte Yasmin die Frage, die sie zuvor schon gestellt hatte.

 

„Hab gar nicht darauf geachtet, wer welche Meinung vertreten hat.“ Martina war tatsächlich nicht aufgefallen, dass Marina und Mareike unterschiedliche Standpunkte einnahmen, so sehr hatte sie sich von dem Gespräch abgeschottet.

 

„Ich weiß auch nicht, was in Thorben gefahren ist. Aber was ist es denn genau, was dich gerade stört?“ Yasmin wollte Martina ihren Standpunkt erzählen lassen, bevor sie mit irgendwelchen Vorschlägen kam. Ganz besonders, weil sie gar nicht wusste, um was genau es Martina ging.

 

Martina atmete tief durch. Yasmin ließ ihr Zeit, zu antworten, auch wenn dies bedeutete, dass sie einige Minuten schweigend vor der Tür stehen würden. Und Martina brauchte tatsächlich eine halbe Minute, bevor sie mit ihrer Erklärung begann: „Sagen wir es mal so, das ist das erste Mal, dass wir meinen Geburtstag zusammen feiern. Aber irgendwie fühlt es sich nicht so an. Es ist nicht dasselbe, wenn die Feier an einem anderen Tag ist. Und dann fangen auch noch alle an, zu streiten. Ja, ich weiß, das ist ein ungünstiger Tag, um mit Freunden zu feiern. Aber dennoch. Früher ging das doch auch. Warum geht das jetzt nicht mehr?!“

 

Yasmin wartete noch, um Martina die Gelegenheit zu geben, weiterzureden. Doch nachdem diese nach einer Minute immer noch nichts sagte, antwortete sie: „Nun, wir wissen nicht, wie du dein Geburtstag früher gefeiert hast. Das hast du uns nie erzählt. Und, selbst wenn wir ähnlich feiern würden, wäre es etwas anderes. Ist das nicht dein erster Geburtstag außerhalb deiner Heimatstadt?“

 

„Ja, ist es.“ Martina machte eine kurze Pause, während sie über Yasmins Worte nachdachte. „Aber was macht es für einen Unterschied, ob dies jetzt meine Heimatstadt ist oder nicht? Immerhin wohnen wir alle in der Nähe.“

 

„Wir schon, aber unsere Familien teilweise nicht. Oder nicht mehr. Diesbezüglich ist dein Geburtsdatum wirklich etwas unglücklich, weil viele an dem Tag etwas anderes vorhaben. Mittags einkaufen und Abends mit der Familie feiern.“, erklärte Yasmin die Situation der anderen.

 

„Aber das trifft doch nicht auf dich und Phillip zu. Immerhin feiert ihr beide kein Weihnachten, und auch ihr hattet an dem Tag keine Zeit.“ Martina erinnerte sich an diese komische Anti-Weihnachtsfeier-Gruppe, zu der Phillip sie mitnehmen wollte.

 

„Ach, willst du mir jetzt vorwerfen, dass ich an deinem Geburtstag arbeiten musste? Und nach der Schicht total platt war?“, fragte Yasmin belustigt.

 

„Natürlich nicht. So war das nicht gemeint.“ Martina wusste anhand des leisen Lachens in Yasmins Stimme, dass die Frage nicht ernst gemeint war. „Aber den Geburtstag mit völlig Fremden zu verbringen ist auch kein schöner Gedanke. Und Phillips Plan hätte genau das bedeutet.“

 

„War die Variante, nicht mitzugehen, denn jetzt angenehmer, als wenn du mit einigen Fremden gefeiert hättest?“ Yasmin konnte sich dies kaum vorstellen. Für sie wäre es eindeutig, dass sie lieber mit Fremden feierte, als gar nicht.

 

„Kann ich nicht sagen. Allerdings hatte ich kein Bock darauf, mich dem auszusetzen.“, gab Martina zu.

 

„Das klingt ja fast so, als wenn du eine Strafarbeit aufbekommen hättest.“, lachte Yasmin. Mit Fremden feiern einer Strafarbeit gleichzusetzen war ein recht starkes Stück. Aber so angewidert, wie Martina von dieser Situation zu sein schien, erschien ihr dieser Vergleich durchaus angebracht. Inzwischen hatten sie dieses Thema ihrer Meinung nach abgehakt. Blieben noch andere mögliche Themen. „Gibt es noch etwas, was dich an der aktuellen Situation stört?“

 

„Seht ihr mich eigentlich als komplettes Mitglied eurer Clique?“, fragte Martina so unvermittelt, dass Yasmin sich beinahe an der Apfelschorle verschluckte.

 

„Wie kommst du darauf, dass wir das nicht tun?“, fragte Yasmin nach einem durch die Apfelschorle verursachten Hustenanfall.

 

„Nun, wenn ich daran denke, wie viel Mühe ihr euch für Nadines Geburtstag gegeben habt. Den ganzen Tag waren wir mit der Schnitzeljagd beschäftigt. Und abends haben wir dann in der Scheune gefeiert. Oder als wir gemeinsam mit allen zwei Tage lang im Phantasialand waren, um Phillips Geburtstag zu feiern. Wir haben immer so viel Zeit mit etwas verbracht, was dem jeweiligen viel bedeutet hat. Und wo derjenige auch viel Spaß hatte. Und bei mir? Hat keiner Zeit. Und dann sprech' ich auch noch mit Alex darüber, dass ich nicht von allen wegen dieser Anti-Weihnachtsfeier angesprochen werden will, und kaum danach rufen alle anderen an. So als wenn Alex allen eine Nachricht geschrieben hat und alle aufgrund dessen erst angerufen haben. So, als ob sie nicht von selbst an meinen Geburtstag gedacht haben, sondern erst durch Alex daran erinnert werden mussten. Das zeigt doch schon, dass ich kein vollständiges Mitglied der Gruppe bin.“ Nachdem Martina ihren Ärger Luft gemacht hatte, ging es ihr tatsächlich irgendwie besser.

 

„Alex hat tatsächlich eine Nachricht an uns geschickt.“, gab Yasmin zu. „Allerdings ging es dabei eher darum, dass wir nicht alle nachfragen, ob du mit Phillip unterwegs sein wirst. Alex wollte dir ersparen, dich ständig erklären zu müssen. Das war nicht böse gemeint.“

 

„Und das alle anderen direkt danach angerufen haben?“, fragte Martina nach.

 

„Kennst du das nicht, dass du zwar generell an etwas denkst, aber etwas dich explizit daran erinnert, und dich dazu veranlasst, dich bei jemanden direkt zu melden?“ Selbst Yasmin musste sich beim Stellen dieser Frage sehr konzentrieren.

 

„Warum ist deine Frage so kompliziert formuliert?“ Martinas Kopf war bei der Frage an irgendeinem Punkt ausgestiegen. Diesen Punkt konnte sie nicht einmal benennen. Das waren ihr eindeutig zu viele Nebensätze in einem Satz.

 

„Ach, vergiss es.“ Auch Yasmin war nicht mehr in der Lage, den Satz zu wiederholen. „Wollen wir wieder rein gehen? Mir wird es tatsächlich langsam zu kalt hier draußen, und vielleicht haben die anderen sich wieder beruhigt.“

 

Yasmins Ahnung war eingetreten. Als die beiden wieder zurück in den Partyraum kamen, war es wirklich deutlich leiser als zu dem Zeitpunkt, als sie diesen verlassen hatten. Offenbar hatte der Rest der Gruppe ihre Diskussion beendet.

 

Zwischenzeitlich war Marina aufgefallen, dass sie nur noch zu sechst waren. Sie schaute sich die aktuelle Gruppe genauer an. Thorben stand vor ihr, ihre Schwester Mareike und Phillip direkt neben ihm. Von der Gegenseite fehlte also niemand. Als sie dann auf ihrer Seite nach den fehlenden Gruppenmitgliedern schaute, fiel ihr auf, dass Martina weg war. Hatten sie also ausgerechnet derjenigen, deren Geburtstag sie nachfeiern wollten, die Laune verdorben? Nachdem dieser Erkenntnis stoppte sie die Diskussion und machte die anderen auf diesen Umstand aufmerksam. Dies führte dann dazu, dass sie gemeinsam nach einer Lösung suchten, statt gegeneinander. Da die Gruppe sich beruhigt hatte, sahen sie auch Martina und Yasmin, als diese wieder den Raum betraten.

 

„Wo wart ihr?“, fragten Mareike und Marina, die sich Martina gegenüber schuldig fühlten, die Party vermasselt zu haben.

 

„Draußen, hier war ja kein Gespräch mehr möglich.“, antwortete Yasmin, noch bevor Martina zu Wort kommen konnte. Sie hielt es für besser, wenn Martina sich nicht in Rage redete.

 

„Was haltet ihr davon, wenn wir etwas spielen, wo wir alle mitspielen können. Dann hat gar keiner mehr das Bedürfnis, etwas anderes zu spielen. Wir könnten alle zusammen bowlen oder Tischtennis spielen, also die um die Tischtennisplatte herumrennen-Variante.“, schlug Marina vor. Diesen Vorschlag hatten sie ausgearbeitet, nachdem ihnen klar geworden war, dass sie gerade die Feier ruinierten.

 

Sie gingen auf diesen Vorschlag ein und entschieden sich fürs Spaßbowlen, bei dem sie in Zweierteams gegeneinander antraten und es mit Schubkarren-Bowlen, Rückwärts-Bowlen oder Blindbowlen versuchten. Die Teams wurden der Einfachheit halber anhand der Gegenspieler beim Billard zusammengestellt. Sowohl beim Rückwärts-, wie auch beim Blindbowlen dirigierte der Partner die Richtung, während der Spieler die Kugel zu den Kegeln rollen ließ. Während des Bowlings gab es für die Gruppe viel zu lachen, so viel, dass sie sogar vergaßen, die Punkte aufzuschreiben.

 

Am einfachsten war das Schubkarren-Bowlen zu spielen. Ähnlich wie das Schubkarren-Laufen in der Schule hielt Marina Yasmins Beine, während Yasmin sich auf ihren Armen nach vorne hangelte. Die Bowlingkugel versuchte sie währenddessen langsam nach vorne zu schieben. Als sie dann mit den Händen vor der Linie stand, verlagerte Yasmin ihr Gewicht auf die linke Hand, während sie ihre rechte Hand langsam hob, die Kugel umfasste und ihr einen hoffentlich starken Schubser gab.

 

Die Kugel rollte. Sie rollte langsam, weil Yasmin deutlich weniger Kraft in den Stoß stecken konnte, als wenn sie diese auf beiden Beinen laufend auf dem Weg gebracht hätte. Aber die beiden hatten zumindest so viel Glück, dass die Kugel auf der Bahn blieb, und sie somit einen Kegel zu Fall brachten. Ihr zweiter Versuch hingegen endete sehr schnell neben der Bahn.

 

Damit waren die beiden noch recht gut dran, denn als Phillip und Nadine ihre Positionen einnahmen, landeten beide bei dem Versuch, die Bowlingkugel zu steuern, auf dem Boden. Genauer gesagt schaffte Phillip es nicht, Nadines Beine hochzuhalten, sodass zuerst Nadine komplett auf dem Bauch landete, und Phillip mit seiner Nase auf ihrem Hintern.

 

„Gehst du wohl von mir runter!“ Nadines Stimme klang leicht bedrohlich, weil ihr Versuch aufzustehen scheiterte, da Phillip immer noch mit seinem Kopf auf ihr lag. „Oder soll ich einen Furz loslassen, damit du mich wieder freigibst.“

 

Die Drohung wirkte. Phillip erinnerte sich daran, wo genau er lag, und wenn Nadine wirklich Luft aus ihrem Hinterteil fahren ließ, würde er es als Erster bemerken. Schnell rappelte er sich auf, sodass auch Nadine aufstehen konnte.

 

Anschließend waren Thorben und Mareike an der Reihe. Sie wollten es etwas klüger angehen als ihre Vorgänger. Auch sie entschieden sich dafür, dass der männliche Part die Schubkarre hielt, während der weibliche Part die Schubkarre darstellte. Allerdings hielt Thorben Mareikes Beine so hoch, dass Mareike es kaum schaffte, sich auf den Armen zu halten. Stattdessen rollte sie kopfüber auf die Bowlingbahn. Die Bowlingkugel hingegen wurde in die andere Richtung geschleudert.

 

Das letzte Team bildete Alexander mit Martina. Auch sie wollten möglichst viele Kegel abräumen. Allerdings gingen sie bezüglich der Rollenaufteilung anders vor als die anderen. Martina hielt Alexander an den Beinen, während er mit den Händen die Bowlingkugel dirigierte.

 

Alexander hatte deutlich mehr Kraft in den Armen als Martina. Daher konnte er sich besser auf den Armen halten. Seine Schritte nach vorne waren wesentlich koordinierter, und als er die Kugel mitten auf der Bowlingbahn platzierte und schubste, schaffte er es auch, sechs der Kegel umzustoßen. Der zweite Versuch brachte ihnen einen weiteren Kegel ein.

 

Als dann beim Blindbowlen alle Parteien den Ball in die Rinne rollen ließen, entschloss die Gruppe sich, jedem Spieler vier Versuche zu gewähren. Und nachdem Phillip statt auf seiner eigenen Bahn drei Kegel von der Nachbarbahn abräumte, beschlossen sie kurzerhand, alle Bahnen als die eigene zuzulassen.

 

Am Ende war dies doch ein lustiger Abend, auch wenn es zwischenzeitlich nicht so aussah. Nach einigen weiteren Bowlingrunden bestellten sie sich eine Blechpizza mit verschiedenen Belägen, so dass für jeden von ihnen etwas dabei war. Das Fondue und die dafür vorbereiteten Schälchen packen sie wieder ein. Diese würde sich am nächsten Abend genauso gut verputzen lassen. Auch während des Pizza-Essens spielte ein kleiner Teil sowohl auf der Bowlingbahn wie auch an der Tischtennisplatte. Spät am Abend fuhren oder gingen sie alle nach Hause.

 

Martina wusste immer noch nicht so richtig, was sie von dieser Gruppe halten sollte. Aber bei Yasmin war sie sich sicher, dass diese sie wirklich als Freundin ansah. Yasmin war es als einzige aufgefallen, dass es Martina auf ihrer eigenen Party nicht gut ging. Außerdem war sie die einzige, die an ihrem tatsächlichem Geburtstag einen guten Grund hatte, nicht mit ihr feiern zu können.



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