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Stichflamme

Der Aufstieg des Phönix
von

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Böse Zungen

Mit einem Zauberstab im Ärmel sah die Winkelgasse gleich anders aus. Die Sonne schien kräftiger auf die Einkaufsstraße hinab, die Passanten lachten fröhlicher und Minerva fühlte sich endlich wieder wie ein Teil dieser Welt, anstelle einer bloßen Beobachterin. Die Anwesenheit des Stabes an ihrem Unterarm beruhigte sie – dabei hatte sie nur Minuten zuvor angenommen, dass ihr das Ausmaß des Verlustes längst bewusst gewesen war.

Anstatt den Blick auf die Pflastersteine gesenkt zu halten, wie noch auf dem Hinweg, besah sie nun die bunte Auslage der Geschäfte und überlegte, ob sie einen Abstecher zu Madam Malkins machen sollte. Ein frischer Umhang, dem nicht der Mief des Lestrange-Verlieses anhaftete, reizte sie sehr.

Ihr neugefundenes Interesse für die Winkelgasse ließ sich allerdings nicht gegen Elphinstones aufwiegen. Mit einem breiten Strahlen legte er einen Arm um ihre Schultern, während er ausführlich über die Preise in Halliburtons Herbologiehimmel herzog, den sie gerade passierten.

»Sieben Sickel für ein bisschen Substrat aus den Wäldern Transsilvaniens – da hat sich doch jemand bei den Preisen verschrieben! So wertvoll kann das bisschen Thestralkot darin gar nicht sein.«

Er gluckste leise und Minerva konnte nicht widerstehen, ihrerseits den Arm um seine Taille zu schlingen. »Auf einer Skala von T wie Troll bis O wie Ohnegleichen – wie sehr willst du diese besondere Erde für Miss Cuddles kaufen?«

»Ganz klar Troll, so einer muss man nämlich sein, um sieben Sickel dafür auszugeben.«

Minerva bohrte die Finger spielerisch in seine Seite und sah ihn mit ihrem besten ‚Minus zehn Hauspunkte‘-Blick an.

»Okay, okay ... ein solides E – wie ‚Elphinstone hat zu viel Geld‘ – ist es vielleicht doch. Aber auch nur das, ich habe ja nicht komplett den Verstand verloren.«

Schmunzelnd beschrieb Minerva eine Kehrtwende und dirigierte ihn zurück zu dem winzigen Laden, den man schon von Weitem riechen konnte. Als wenn das nicht reichen würde, war die Fassade in tiefem Dunkelgrün gestrichen worden, auf dem sich goldene Ranken wanden. Sprichwörtlich, denn die Malereien veränderten wie Schlangen immer wieder ihre Form.

Bei näherer Betrachtung handelte es sich bei dem Herbologiehimmel um einen schönen Laden – zumindest so lange, bis eine Pflanze nach Minervas Umhang schnappte. Warum das blütenlose Kraut ausgerechnet vampirartige Fangzähne sein Eigen nannte, konnte auch Elphinstone nicht erklären.

Minerva brachte sich und ihre Kleider vor hungrigen Mäulern in Sicherheit, indem sie Interesse an den Sukkulenten im Schaufenster vortäuschte, die deutlich friedlicher erschienen. In Wirklichkeit beobachtete sie allerdings das geschäftige Treiben in der Winkelgasse, während Elphinstone sich im hinteren Teil des Ladens in ein Verkaufsgespräch verwickeln ließ. Durch die Schaufensterscheibe – oder viel eher das kleine Glasstück, das nicht von den gigantischen Blättern einer Rankenpflanze in Beschlag genommen wurde – hatte Minerva perfekten Ausblick auf die zaubernde Kundschaft, ohne allzu offenbar zu starren.

Für einen Wochentag herrschte erstaunlich viel Verkehr in der magischen Einkaufsmeile. Da wurden riesige Tüten von Qualität für Quidditch vor sich hergetragen oder mitten auf dem Pflaster geschwätzt, als hätten die Leute alle Zeit der Welt und keine unerledigte Arbeit, die ihnen im Nacken saß ...

Minerva hielt die Luft an. Es handelte sich nicht um irgendeine Hexe, die dort in feinstem Zwirn stand und den Passanten mit ihren Gesprächspartnerinnen den Weg blockierte. Dieses blonde Haar, die sorgfältige Hochsteckfrisur, der elegante Umhang – das alles kannte sie. Es war Elladora Rosier.

Damit nicht genug: An ihrer Seite stand Druella Black, die Hand auf den Unterarm von Elphinstones ältester Schwester gelegt, ein schmales Lächeln im Gesicht. Die anderen zwei Hexen kannte Minerva nicht, allein ihre farbenfrohen Wollumhänge verrieten allerdings, dass sie eher nicht zum engeren Freundeskreis der beiden Reinblüterinnen – ganz standesgemäß in gedecktem Grau – gehörten. Dafür sahen sie einfach zu gewöhnlich aus.

Von weiter hinten im Dschungel des Herbologiehimmels hörte Minerva den Ladenbesitzer einen Vortrag über seine unterschiedlichen Erden halten, den Elphinstone mit zahlreichen Nachfragen durchbrach. Ohne sich umzudrehen, sah sie das altbekannte Strahlen auf Elphinstones Gesicht vor sich, allen Verwandlungszaubern darauf zum Trotz, während er stolzerfüllt von Miss Cuddles hohen Ansprüchen erzählte, denen das Substrat gerecht werden müsste.

Sie bräuchte sich nur räuspern, kurz seinen Namen sagen – vielleicht würde es bereits reichen, ihn anzusehen, damit er herkam und seine Schwester entdeckte. Und dann würde das Lächeln verschwinden. Obwohl Minervas Mund bereitwillig aufklappte, kam kein Ton heraus. So mussten sich die Raben fühlen, an denen ihre Schülerinnen und Schüler den Silencio-Zauber übten.

Egoistisch, sie war nichts als egoistisch, weil sie Elphinstones glückliche fünf Minuten nicht teilen wollte. Welches Recht hatte sie denn, ihm die Neuigkeit über die Haftentlassung seine Schwester zu verschweigen? Und doch tat sie genau das.

Schon ihr Ausflug an die Themse war viel zu schnell zu Ende gewesen. Nein, die Realität holte sie selbst auf Pumps rasch genug ein, das bewies das Paar Drachenlederschuhe an Elladoras Füßen. Also starrte Minerva reglos weiter auf die Straße hinaus und überließ Elphinstone seinen Preisverhandlungen.

Elladora hielt sich so gerade wie schon in der Arrestzelle, den Rücken durchgedrückt, das Kinn erhoben. Nichts an ihr erinnerte an die kurzzeitige Inhaftierung und Minerva kannte sie definitiv nicht lange genug, um beurteilen zu können, was sie eventuell hinter ihrer Fassade verbarg. Sie bemerkte allerdings, dass Elladora sich nicht regte, als Druella lachte und den anderen Hexen ein Pergament aus ihrer Handtasche reichte.

Wo Druella mit weitrechenden Gesten erzählte, stand Elladora steif wie ein Reisigbesen da, die Hände ineinander verschlungen, und trug nur das ein oder andere Nicken bei. Die fremden Hexen hingen ohnehin mehr an Druellas Lippen. Besonders die Größere von ihnen hatte ganz rote Wangen bekommen und kicherte immer wieder, woraufhin ihr ein mildes Lächeln zuteilwurde.

Sobald Druella die Hand hob, um sich von den beiden Gesprächspartnerinnen zu verabschieden, ging Elladora schnellen Schrittes die Gasse empor, aus Minervas Blickfeld. Eilig schloss Druella sich ihr an, die Lippen urplötzlich zu einem schmalen Strich gepresst.

Die anderen Hexen verharrten noch einen Moment, tuschelnd die Köpfe über Druellas Pergament zusammengesteckt. Eine hob die Schultern und machte eine wegwerfende Geste, doch die Größere schob das Blatt in ihr Einkaufsnetz. Ihr Blick zuckte noch einmal dorthin, wo Druella und Elladora verschwunden waren, dann folgte sie ihrer Freundin in die entgegengesetzte Richtung.

Einen Augenblick starrte Minerva nur auf das leere Kopfsteinpflaster. Fast kam es ihr vor wie ein schlechter Traum, dass Elladora dort gestanden hatte. Sie hatte nicht mal bemerkt, dass sie im Laufe der Beobachtung ihre Arme immer enger um den Oberkörper geschlungen hatte. Erst als sie nun geistesabwesend über eines der großen Blätter vor dem Fenster strich, wurde ihr bewusst, wie feucht und zerknittert der Umhangstoff unter ihren Fingern war.

Die Winkelgasse lag erneut friedlich vor ihr und Elphinstone diskutierte weiterhin über die Wirkung von Thestralexkrementen als Düngemittel. Wäre sie an seiner Seite geblieben, hätte sie nie mitbekommen, dass Druella nach wie vor ihr Unwesen trieb. Oder dass ihr Versuch, Elladora im Schutz des Ministeriums zu halten, fehlgeschlagen war. Aber die Welt wäre natürlich trotzdem nicht in Ordnung. Das würde sie so schnell nicht wieder sein.

 

Letztlich ließ Elphinstone sich nicht bloß um sieben Sickel, sondern gleich zwei schlappe Galleone erleichtern, weil er an irgendeinem Wundermittel für Wolllausbefall nicht vorbeikam. Irgendwer müsse ja Archies Topfpflanzen retten, murmelte er, sobald der Verkäufer ihm den Preis nannte.

Das zufriedene Lächeln auf Elphinstones Gesicht sorgte dafür, dass sich alles in Minervas Brust zusammenzog, als sie den Herbologiehimmel verließen. Voller Stolz klärte er sie über die unterschiedlichen Erden auf, zum ersten Mal seit langem wirklich unbefangen. Doch sie konnte nur daran denken, wie sie ihm am besten von Elladora berichten sollte.

Elphinstone war gerade dabei, seine Errungenschaften in die Manteltasche zu stopfen, da blieb Minerva ein zweites Mal innerhalb kurzer Zeit der Atem stocken. Keine zehn Meter entfernt kam ein anderer Bekannter das Kopfsteinpflaster hinaufgeschlendert.

Natürlich war Gideon Rosier nicht weit, wenn Elladora und Druella hier waren. In seiner ledernen Aktentasche trug er vermutlich genauso die Pamphlete für seinen Kult bei sich und lauerte nur darauf, diese arglosen Passanten unterzujubeln.

Minerva hatte ihren neuerworbenen Zauberstab schon zur Hälfte aus dem Ärmel gezogen, als sie erinnerte, dass Rosier sie gar nicht erkennen konnte. Erst vor dem Betreten der Winkelgasse hatte sie ihre Verwandlungszauber aufgefrischt. Mitsamt einer hellbraunen Kurzhaarfrisur und Sommersprossen sah sie mehr wie Robbies Frau Anne aus, während Elphinstones Haar deutlich dunkler und vor allem lockiger war. Sogar die Fluchspuren waren unter einer Schicht von Eileans Make-up verschwunden, nachdem sie sich nicht durch Magie verbergen ließen.

Trotzdem konnte Minerva das Gefühl nicht abschütteln, dass Rosier sie geradewegs anstarrte. Sie sah zu Elphinstone, der mit dem Rücken zu seinem Schwager stand, seine Hand in einer stummen Einladung nach ihr ausgestreckt.

»Min? Alles gut?«

Für einen Sekundenbruchteil überlegte sie ernstlich, ihn an sich zu ziehen und zu küssen, bis Rosier an ihnen vorbei wäre. Die Versuchung, sich in den verwirrenden Gefühlen Elphinstone gegenüber zu verlieren, war groß. Aber dann gewann ihre Beherrschung die Oberhand, sodass sie sich bloß bei ihm unterhakte.

»Rosier auf zwölf Uhr, hinter dir«, flüsterte sie.

Zum Glück besaß Elphinstone die Geistesgegenwart, sich nicht prompt umzudrehen. Er sah nur zu den Schaufensterscheiben neben ihnen, um einen Blick auf seinen Schwager zu erhaschen. »Der hat wohl auch nichts besseres zu tun, seit er Ella los ist ...«

»Ah Phin ...« Minerva kniff die Lippen zusammen und drückte seinen Arm fester. »Er ist nicht der Einzige, der hier ist. Als du eingekauft hast, habe ich Druella gesehen ... in Begleitung von Elladora.«

Etwas Dunkles glitt durch Elphinstones Augen. Zum Glück schaffte er es, seine Stimme trotz der Überraschung flach zu halten. »Ella ist ... frei?«

Minervas Herz brach ein Stück mehr. »Sieht so aus, als wären Galleonen ausnahmsweise stärker als Albus’ Argumente. Es tut mir so leid –«

»Nein. Du kannst nichts dafür. Aber lass uns nicht hier darüber reden.«

Das Lächeln schmolz von Elphinstones Zügen, doch er schlug wieder seinen Plauderton an, in dem er sie fragte, wohin sie als Nächstes wolle. Wie bei einem gewöhnlichen Paar, das alltägliche Einkäufe erledigte. Der Zauber eines unbeschwerten Tages war jedoch fort.

Sie gingen einige langsame Schritte, betrachteten die Schaufenster und warteten darauf, dass Rosier sie endlich überholte. Den Gefallen tat er ihnen allerdings nicht. Er näherte sich, bis er knapp zwei Meter hinter ihnen lief, aber da blieb er. Hartnäckig. Geschlagene zehn Minuten blätterte Minerva durch die Mängelexemplare vor Flourish & Blotts, während derer Rosier seinerseits die Angebote in der Magischen Menagiere nebenan studierte.

Nervös schlug Minerva ein von Doxys angeknabbertes Exemplar von Im Zauberbann der Saphiraugen – wer dachte sich bloß solche Schundtitel aus? – zu. »Bin ich wirklich nicht zu erkennen?«

Elphinstone drückte ihre Schulter. »Natürlich nicht. Da würde ich mir eher Sorgen machen, dass meine Verwandlungen nicht so stark sind. Wenn ich nicht aus jahrelanger Erfahrung wüsste, dass das deine kritische Stirnfalte ist, würde ich nie auf die Idee kommen, dass du vor mir stehst. Du weißt, dass du eine Meisterin deines Faches bist.«

Minerva seufzte, doch sie konnte nichts gegen das kleine Zucken ihrer Mundwinkel tun. »Danke. Aber deine Verwandlungen sind genauso gut. So gut, dass es etwas unheimlich ist, dich länger anzusehen.«

Sie wandte sich wieder den Büchern zu. In der Reflexion der Schaufensterscheibe dahinter sah sie Rosier, der abwechselnd sie und die zwei Zauberer auf der Bank vor einer Apotheke beobachtete. Sonst eilten nur zielgerichtete Passanten vorbei.

»Meinst du, er hält immer noch Ausschau nach neuen Rekruten für seine Sache? Ich habe vorhin durchs Fenster gesehen, wie Druella irgendeiner Hexe ein Pergament zugesteckt hat ...«

»Hmm ...« Elphinstone wiegte nachdenklich den Kopf. »Möglich, dass er und seine Spießgesellen sich jetzt darauf verlegt haben, die Leute direkt anzusprechen, nachdem das Ministerium – oder eher Mulciber – ihn offiziell abgemahnt hat. Wäre interessant zu wissen, was die neue Strategie ist. Vor allem, wenn er Ella da mit reinzieht ...«

Ausnahmsweise war es Elphinstone, der sich auf die Lippe biss. Minervas Herz fühlte sich an, als wäre das imaginäre Pflaster, das alle Risse darin zusammenhielt, ruckartig abgezogen worden.

»Ich helfe dir, sie da rauszuholen. Das ist ein Versprechen.«

Einen Moment sagte Elphinstone nichts, schluckte nur und sah auf den lädierten Einband eines Mängelexemplars hinab. »Vielleicht kriegen wir es ja hin, dass er uns anspricht. Ich will mich zwar wirklich nicht bei ihm anbiedern, aber wir sind ja gerade nicht wir selbst.« Er räusperte sich. »Es tut mir jetzt schon leid, was ich gleich sagen werde.«

Mit diesen Worten schnappte er den Schundroman aus ihrer Hand und blätterte zur Rückseite, wo ein bewegtes Porträt der Autorin prangte. Auf seinem Gesicht breitete sich ein grimmiges Lächeln aus.

»Unfassbar!«, verkündete er einen Tick zu laut. »Bald verkaufen die hier nur noch Bücher, die von Muggelstämmigen geschrieben sind! Dabei können die nicht einmal vernünftig schreiben. Hör dir das nur an: Edward hat Lyra verzaubert – obwohl er ein Muggel ist. Ein Blick aus diesen saphirblauen Augen und sie ist ihm verfallen.« Elphinstone schnaubte und warf das Buch dramatisch auf den Grabbeltisch. »Schund! Besser, das fliegt endgültig aus dem Sortiment, sonst geht unsere Gesellschaft noch den Bach hinunter.«

Minerva biss sich auf die Innenseite der Wange, um ein zittriges Auflachen zu unterdrücken. Wenn sie Elphinstone nicht so gut kennen würde, hätte die Überzeugung, mit der er den Choleriker gab, sie erschreckt. Er packte sie gar an der Hand und zog sie von der Auslage weg, in einem fort darüber meckernd, dass sie diesen Laden besser meiden sollten.

Das schien Rosier den nötigen Schubs zu verpassen, denn er löste sich von den Körben voller Eulenkekse vor der Menagerie und folgte ihnen erneut. Sie bummelten noch ein wenig durch die Gasse, ehe sie an einem kleinen Zeitungsstand Halt machten. Die aktuellen Schlagzeilen lieferten Elphinstone genügend Munition, ein paar weitere bedenkliche Aussagen anzubringen.

Es dauerte keine fünf Minuten, da hatte Rosier sich ebenfalls an die von bunten Titelseiten gepflasterte Hausfassade angeschlichen. Er hatte echtes Talent darin, sich wie zufällig neben Elphinstone zu stellen und die Fachzeitschriften zu studieren. Natürlich griff er zu derselben Ausgabe wie sein Schwager.

»Wirklich eine Schande, dass selbst Verwandlung Heute schon Artikel von Muggelstämmigen abdruckt«, murmelte Rosier halblaut, ohne Minerva oder Elphinstone eines Blickes zu würdigen. »Das ist doch wirklich ein Verrat am hohen Standard.«

Wie ein Niffler auf Gold sprang Elphinstone darauf an. »Mein Reden! Die haben einfach nicht dieselben Fähigkeiten, das liegt in der Natur der Sache, dass ihr magisches Potential kleiner ist. So jemand kann doch niemanden lehren!«

Erst jetzt hob Rosier den Kopf. Ein schmieriges Lächeln zierte seine Lippen. Am liebsten hätte Minerva ihren neuen Zauberstab an ihm ausprobiert. Ihn in einen Regenwurm verwandelt. Seine Zunge verknotet. Stattdessen lachte sie ebenso affektiert wie Druella.

»Ein Glück haben wir keine Kinder in Hogwarts! Dort zählt reines Blut auch immer weniger, unter Schülern wie Lehrern. Eine Schande. Aber was will man von Dumbledore auch erwarten, der alte Narr ist schließlich ein richtiger Muggelliebhaber.«

Es war ein Wunder, dass Minerva nicht über ihre eigenen Worte stolperte. Doch Rosier schien von ihrem inneren Ekel nichts zu merken. Vielmehr nickte er ihr bekräftigend zu.

»Wenigstens gibt es noch verständige Hexen und Zauberer, die vernünftig denken, so wie Sie. Wissen Sie was? Ich bewundere Ihren Mut, diese Gedanken auszusprechen. Zum Glück werden es jeden Tag mehr, die diese Ansichten teilen. Das Ministerium verschleiert gerne, wie das Volk wirklich denkt, und stellt es so hin, als wäre die Mehrheit pro Muggel eingestellt – aber wir wissen doch alle, dass das nicht die Wahrheit ist.«

»Ist das so?« Elphinstone zog die Stirn kraus. »Ich habe das Gefühl, man darf gar nichts mehr sagen. All die Proteste, die verboten wurden – sogar inhaftiert wurden einige! Darauf kann ich verzichten ...«

»Oh nein, nein, glauben Sie mir – Sie sind nicht alleine! Ganz davon ab, dass all diese Verhaftungen nicht vom Recht gedeckt sind, das sieht man daran, wie viele das Ministerium umgehend auf freien Fuß setzen musste. Die wissen genau, dass sie keine Handhabe haben. Also, falls es Sie interessiert, einmal die richtigen Leute kennenzulernen, hätte ich da vielleicht etwas für Sie.«

»Richtige Leute ...?«

»Diejenigen, denen auch etwas am Fortbestand unseres magischen – reinen! – Blutes gelegen ist. Die im Gegensatz zum Ministerium wirklich etwas bewegen können. Wenn Sie sich trauen ...«

An Minervas Rücken ballte Elphinstone eine Hand zur Faust, während er Rosier ein quälend falsches Lächeln schenkte. »Reden Sie von etwas Illegalem?«

»Mitnichten. Das Ministerium kann einen nicht dafür verhaften, sich eine Rede anzuhören. Und mehr müssen Sie ja gar nicht tun. Sie können einfach kommen und sich informieren lassen. Ganz unverbindlich. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie gehen.«

»Eine Rede? Von wem?«

In Rosiers Augen lag ein frohlockender Ausdruck. Er wusste, dass er den sprichwörtlichen Süßwasserplimpy an der Angel hatte. Schon beförderte er ein Pergament zutage. »Lord Voldemort wird allen Interessierten seine Vision für ein stärkeres magisches Großbritannien zeigen. Der Rest steht hier.«

Mit erhobenen Augenbrauen griff Elphinstone nach dem Blatt, doch Rosier ließ noch nicht los.

»Allerdings sollten Sie ... nicht den Falschen von diesem Treffen erzählen. Bewahren Sie es lieber wie ein Geheimnis. Sie wollen doch nicht, dass Verräter des Ministeriums unter den Gästen sind. Das könnte sonst unangenehm für Sie werden.«

Elphinstones Lachen war so ehrlich, dass Minerva nicht anders konnte und mit einfiel. Rosier hatte wirklich keine Ahnung, mit wem er redete.

»Würde uns im Traum nicht einfallen.«

»Gut, gut, das habe ich auch nicht erwartet.« Rosier nickte ihnen erneut zu. »Dann sehen wir uns hoffentlich bald.«

Ein ekelhafter Geschmack nach abgestandenem Zaubertrank huschte über Minervas Zunge und zusammen mit einer Verabschiedung schluckte sie ihn hinunter. Sobald Rosier außer Reichweite war, stieß sie erleichtert die Luft aus.

»Ich wünschte nicht. Das war schon unangenehm genug.«

»Mindestens«, seufzte Elphinstone. »Und falls wir versuchen, jemandem von dem Treffen zu erzählen – auf dem Pergament liegt ein Zungenfesselfluch. Das mit dem ‚unangenehm‘ meinte der Arsch also wirklich ernst.«

Er reichte ihr mit spitzen Fingern das Pergament, als wäre es genauso fangzähnig wie das Kraut im Herbologiehimmel. Darauf befanden sich kaum Informationen. Nur ein Datum in zwei Tagen und eine Flohadresse unter dem Zeichen des Totenschädels mit Schlangenzunge.

Ein eisiger Schauer rann Minerva über den Rücken. Alles daran schien ihr ‚Falle‘ zu schreien, doch Rosier hatte sie schließlich nicht erkannt. Sie müssten nur ihre Tarnung erhalten ...

»Wir gehen dahin, ja? Für deine Schwester.« Minerva räusperte sich. »Irgendetwas müssen wir tun. Das ist genauso wichtig wie alles andere.«

Unglücklich sah Elphinstone die Winkelgasse entlang. Minerva ahnte, dass er hoffte, wenigstens einen Blick auf Elladora erhaschen zu können. Mit Robbie empfand sie schließlich ebenso, aber diesem ging es in den Mauern von Gringotts mit großer Wahrscheinlichkeit besser als Elladora, eingekesselt zwischen ihrem jähzornigen Ehemann und dessen berechnender Schwester.

»Ich fürchte, ich sehe keinen anderen Weg«, murmelte Elphinstone. »Inzwischen sind wir ja echte Profis darin, auf die Schnelle einen riskanten Plan zu entwickeln ... und dieses Mal ist es persönlich.«



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