Zum Inhalt der Seite

Unlimited

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 2

»Mitkommen? Wohin mitkommen? Ich will nicht!«, keuche ich verzweifelt. Die Versuche, mich vom klammernden Griff zu befreien scheitern kläglich. Ich habe nicht den Hauch einer Chance.

»Adrian, das ist mir zu anstrengend«, sagt der blauäugige Mann, verdreht die Augen und nimmt eine Faust in die andere, um sie knacken zu lassen. »Warum überzeugen wir ihn nicht einfach?«

Ich ziehe instinktiv den Kopf ein und stolpere einen Schritt zurück, der mir kaum Abstand verschafft. Kurz löst sich der Blick dieses Adrians von mir, damit er sich auf seinen Begleiter legt. Dann antwortet er monoton: »Der Boss hat Gewalt ausdrücklich verboten. Wir sollen ihn unversehrt und bei Bewusstsein bringen.«

Bei Bewusstsein? Es gibt auch eine andere Variante?, schießt es mir durch den Kopf, wobei ich versuche, meine Gedanken zu ordnen und mich auf die wichtige Frage zu konzentrieren, wie ich hier wieder herauskomme. Soll ich nach Hilfe schreien? Nein, wer wird schon kommen? Meine Nachbarn sicherlich nicht. Damit würde ich die beiden höchsten provozieren. Und dann? Ich weiß es nicht. Warum sind sie hier? Was wollen die von mir? 

»Würden Sie uns bitte folgen?«, sagt der Mann namens Adrian, als sich seine Aufmerksamkeit wieder auf mich legt.

»N-Nein! Natürlich nicht! Lassen Sie mich los! Verschwinden Sie aus meiner Wohnung!«, wüte ich und versuche mich krampfhaft gegen den festen Griff zu stemmen. Aber auch jetzt scheint es ihm keine Mühen zu kosten, mich festzuhalten.

»Das ist so nervig. Warum mussten wir jetzt eine Woche hinter diesem Balg herschleichen?«, jammert der andere Mann. Er will zum weiteren Protest ansetzen, aber als Adrian ihm einen kalten Blick zuwirft, verdreht er nur erneut die Augen und bleibt still.

»Warum soll ich mitkommen? Was für ein Boss? Was wollen Sie von mir?«, frage ich zittrig. Adrians Blick gleitet zur Wanduhr, danach legt er sich wieder auf mich. Es bleibt wohl keine Zeit mehr, mich zu retten.

»Mr Carter, es gibt genau zwei Möglichkeiten, wie diese Situation gelöst wird. Entweder Sie kooperieren, oder wir werden Sie dazu bringen, mit uns zu kommen«, erklärt der völlig in schwarz gekleidete Adrian mit dem breiten Kreuz und den starken Händen.

»A-Aber...«, entweicht mir, doch ich rufe mein rasendes Herz zur Ruhe. Das Wichtigste ist jetzt einen kühlen Kopf zu behalten. Deshalb schaue ich schnell im Raum umher, wo ich meinen Rucksack in der Ecke neben meinem kaputten Regal erfasse. »Okay, aber meine Sachen kann ich zumindest mitnehmen, oder?«

»...Natürlich.« Das erste Mal lässt Adrian los. Ich gebe dem Bedürfnis nach, über meine kribbelnde Schulter zu reiben. Er geht um mich herum zur Tür, dann sieht er mich auffordernd an.

Keine Ahnung, was für ein Mist hier abläuft, aber das Wichtigste ist, dass ich mein Smartphone dabei habe. Dann kann ich um Hilfe bitten, denke ich angestrengt nach, während ich mich unter den wachsamen Blicken der beiden Männer zu meinem Rucksack begebe und ihn auf meinen Rücken werfe.

Gerade als der Plan aufzugehen scheint, packt mich Adrian erneut bei der Schulter, während sein Kollege hinter mich tritt und mit einem groben Ruck den Reißverschluss öffnet. Er wühlt lieblos darin herum, bis er findet was er sucht. Dann landet das Handy krachend auf den Boden und bekommt einen gewaltsamen Tritt, sodass der Bildschirm zerspringt und das Aluminium absplittert.

Hart schluckend sehe ich zu meinem kaputten Telefon, für das ich ein halbes Jahr hatte sparen müssen. Scheiße, die meinen es echt ernst. Ich will nicht mitkommen. Was soll ich nur tun? 

»Mr Carter«, werde ich daran erinnert, dass mir wohl keine Wahl bleibt als zu folgen, wenn ich nicht wie mein Handy enden will. Deshalb ziehe ich schnell meine Schuhe an und trete brav an Adrian vorbei, der mir die Tür aufhält. Dann läuft er vor, sodass ich von den beiden angsteinflößenden Männern eingekesselt bin. Jeder Schritt die Treppe herunter ist wie auf Stacheln. Keiner im Haus würde mir helfen, wenn sie nicht längst wussten, was hier vor sich geht. Das einzige was mir bleibt, ist zu hoffen, dass der Boss, wer auch immer das sein mag, nur gerne mit neuen Bekannten Kaffee trinken möchte.

Das ist Wahnsinn, denke ich. Die Jugendlichen stehen immer noch vor der Haustür, weshalb mir kurz die Idee kommt, sie auf meine Situation aufmerksam zu machen.

»Ich bitte Sie, keine Dummheiten anzustellen«, kommt es von Adrian, wenn wir nach draußen treten, als kann er meine Gedanken lesen. Meine letzte Hoffnung erstirbt im Keim. Die kleine Gruppe interessiert sich nicht mal für uns, wenn ich zum verdunkelten Van gebracht werde. 

Doch kurz bevor wir ankommen, reicht es mir. Wer dort einsteigt, kommt wahrscheinlich nie wieder zurück. Deshalb passe ich den Moment ab, in dem sich Adrian zur Fahrzeugtür beugt, um meine Beine in die Hand zu nehmen und planlos loszulaufen. 

»Scheiße«, höre ich es hinter mir rufen, doch ich renne nach Leibeskräften weiter. Inzwischen liegt auch die Aufmerksamkeit der Jugendlichen auf uns, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Es zählt nur, so schnell wie möglich abzuhauen. 

Meine eigenen Schritte vermischen sich mit den lauten meiner Verfolger, wenn sie hinter mir herjagen. Ich biege an der Ecke rechts ab, schaue nicht wohin mich meine Beine führen. Der Weg schlängelt sich wie ein endloser Spiegel, den man unmöglich durchbrechen kann. Ich rase an Fußgänger vorbei, die aufschrecken und gleich ein weiteres Mal, wenn die Männer hinzukommen. Mir geht die Puste bereits nach wenigen Metern aus, das bin ich nicht gewöhnt. Doch der Rausch des Adrenalin ist zu stark, um die Kraft zu verlieren.

Die Schritte werden lauter. Das Keuchen wird lauter. Sie müssen näherkommen, sie sind schneller als ich. Plötzlich reißt mich etwas am Shirt zurück, sodass ich nach hinten kippe und auf dem Hintern lande. Bevor ich überhaupt begreife, dass ich eingeholt wurde, werde ich wie ein kleines Kind gepackt und über die Schulter geworfen. Wildgeworden trete ich aus, schlage mit den Fäusten gegen den festen Rücken meines Entführers. Allerdings scheint es ihm nicht mehr auszumachen, als der Stich einer Mücke.

»Ich knall ihn ab, das verspreche ich dir«, raunt die Stimme des Mannes, als er mich ohne Mühe den ganzen Weg, der meine Freiheit bedeuten sollte, zurück zum Auto trägt. Adrian taucht in meinem Sichtfeld auf. Obwohl ich ihm einen tödlichen Blick zuwerfen, verzieht er nicht mal das Gesicht.

Ich höre nicht auf um mich zu treten und zu wüten, sodass ich meinen Entführer im Gesicht treffe, der Todesflüche ausstößt und mich zur Strafe weiter über seine Schulter nach hinten schiebt, sodass ich mir jetzt eher wie ein Sack Kartoffeln vorkomme.

»Ich bring ihn um. Oh ja, ich bring ihn um«, murmelt es, während ich lieblos in den Van geschmissen werde. Die Türen schlagen zu und verriegeln sofort. Nicht mal mein panisches Reißen daran ändert etwas. Die beiden Männer in Schwarz steigen vorne ein und kaum sitzen sie, fährt das Auto auch schon an.

»Ich würde Ihnen raten, sich anzuschnallen, Mr Carter«, sagt Adrian von vorne, doch ich will noch nicht aufgeben, weshalb mein Zerren an den Türklinken zunimmt. »Das wird Ihnen nichts bringen. Lassen Sie es einfach bleiben.«

Erschöpft falle ich im Sitz zurück. Ist es jetzt aus, soll ich so also sterben, entführt und erschossen?, rasen meine Gedanken. Draußen zieht die Straße vorbei, die Häuser der Metropole und so viele unterschiedliche Menschen, die alle keinen Schimmer haben, dass gerade eine Entführung stattfindet.

»Was haben Sie mit mir vor? Wo bringen Sie mich hin?«, frage ich, wenn ich einsehe, dass mir das Kämpfen nichts bringt. Adrians braune Augen blitzen durch den Rückspiegel. Eine Gänsehaut erfasst mich.

»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen«, meint er.

»Ich hätte da ein paar Vorschläge«, mischt sich Adrian unbekannter Kollege ein. »Von grausam bis unvorstellbar schmerzhaft ist alles dabei.«

»Halt doch einfach den Mund, Elliot.«

Nie zuvor kam mir eine Autofahrt dermaßen lange vor, wie am heutigen Tag. Adrian fährt in Richtungen, die mir nicht bekannt sind. Eigentlich habe ich angenommen, in zwielichtige Gassen mit Ratten und blutbeschmierten Ziegelsteinen gebracht zu werden. Stattdessen weiten sich meine Augen, wenn wir nicht aus der Stadt, sondern immer tiefer hineinfahren - direkt ins Nobelviertel. Unbedeutende Individuen, wie meine Person, haben hier in der Regel nichts verloren, werden bestenfalls noch weggejagt. 

Doch kaum fahren wir in dieses Gebiet, klingelt plötzlich ein Handy. Elliot kramte es aus seiner Jackentasche hervor, dann nimmt er ab. »Ja? ...Hm... Was? Warum das denn? ...Nein, das geht nicht!«

»Was ist?«, fragt Adrian neben ihm, bekommt aber nur ein wütendes Winken ab.

»Jetzt gerade?«, fragt - oder brüllt allmählich - Elliot ins Telefon. »Fuck, du bekommst nichts hin, oder!? ...Scheiße, die auch noch? ...Zehn Minuten.« Er legt auf und schmeißt das Handy aggressiv zurück in die Tasche. Dann sagt er an seinen Kumpanen gewandt: »Wir müssen zur 19ten.«

»Wie?«, rutscht es Adrian heraus. Er sieht nicht sehr erfreut aus, den zusammengezogenen Augenbrauen und den kräuselnden Lippen zufolge.

»Der Boss ist auch da.«

»Warum gehen nicht die Anderen hin?«

»Scheiße Mann, die sind nicht in der Nähe!«

»Also zur 19ten«, seufzt Adrian, sieht durch den Rückspiegel und wendet einfach an einer roten Ampel. Daraufhin erhält er tosendes Gehupe der umstehenden Autos und ich kralle mich in das Polster des Sitzes. Aber das scheint ihn nicht zu stören.

»Und was machen wir mit dem beschissenen Balg hinten?«, zischt Elliot, wirft mir einen mörderischen Blick zu, den ich mich traue zu erwidern.

»Wenn keiner in der Nähe ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn mitzunehmen«, erklärt Adrian vollkommen ruhig, während sein Kumpane gleichzeitig das komplette Gegenteil darstellt.

»Fuck, das ist doch echt Scheiße!«, brüllt Elliot und tritt, dem lauten Krachen zufolge, gegen das Handschuhfach. Dann ballt er die Faust und schlägt gegen das Fenster.

»Könntest du bitte das Auto nicht zerstören?«

»Fick dich.«

Ich sacke auf meinem Sitz zusammen. Also machen wir gerade auch noch einen großen Umweg, bevor ich in meinen Tod geführt werde? Meine Lippe muss herhalten, wenn ich nervös auf ihr kaue. 

»Wo fahren wir jetzt hin?«, hake ich nach, bekomme aber keine Antwort. Deshalb mache ich weiter. »Was meinen Sie mit der 19ten? Wo ist das? Was ist passiert?«

»Halt dein Maul, oder ich stopfe es dir!«, droht Elliot. Bei seiner miesen Stimmung gebe ich lieber nach und warte ab, wohin ich diesmal gebracht werde.

Wie fahren ein gutes Stück zurück, kommen sogar an meiner Wohnung vorbei, der ich einen sehnsüchtigen Blick zuwerfe. Aber ich muss hilflos mitansehen, wie ich mich wieder von ihr entferne, diesmal in die entgegengesetzte Richtung. An einer großen Kreuzung biegen wir rechts ab und fahren allmählich aus der Stadt heraus. Jetzt dämmert es mir auch, wo wir genau sind - Am Anfang des Industriegebiets, neben dem Fluss und dem Supermarkt, aus dem ich vor einer Woche wegflogen bin.

Nervös rutsche ich auf meinem Platz herum und klammere mich an die Klinke der Tür. Die Straßen sind hier nur noch spärlich durch abgenutzte Lampen beleuchtet, doch vom Fluss leuchten weiterhin die Partyschiffe.

So langsam begreife ich auch, dass ich wohl gar nicht so daneben gelegen habe, mit der Vermutung, wer der Boss meiner Entführer ist. Denn hier habe ich ihn wohlmöglich das erste Mal getroffen.

Was wollen wir hier nur? Ist das hier sowas wie ihr Revier? Um alles in der Welt, ich will da nicht mit hineingerissen werden!, schießt es mir durch den Kopf. Meine Augen liegen auf dem Supermarkt, an dem wir nun vorbeifahren. Werden sie gleich mit Drogen handeln oder jemanden exekutieren, wie in den alten Mafia-Streifen? Schmeißt mich doch einfach hier raus! Ich will nicht mit!

Wir fahren nur noch ein kleines Stückchen, dann halten wir in einer Seitengasse. Kaum ist das Auto zum Stehen gekommen, springt Elliot wutentbrannt noch draußen. Doch Adrian dreht sich zu mir und meint: »Bitte warten Sie hier, Mr Carter. Es wird nicht lange dauern.« Dann lässt auch er mich sitzen und biegt mit seinem Kumpanen um die Ecke ab.

Das Erste was ich mache, wenn sie außer Reichweite sind, ist, an den Türen zu zerren und zu reißen. Doch die regen sich weiterhin kein Stück. Hastig sehe ich mich im Wagen um. Wie haben sie die Türen verriegelt? Eine Art Kindersicherung? Wenn es nicht klappt, muss ich das Fenster einschlagen. Aber wie macht man das? Ich brauche was Hartes.

Ich krabbele nach vorne, was kein großes Problem darstellt, weil ich schlank genug bin, um durch die Lehnen zu passen. Dann sitze ich auf der Fahrerseite. Der Schlüssel steckt natürlich nicht mehr und die Technik ist ausgeschaltet. Meine Hände finden an jeden Ort, der für sie zugänglich ist. An den Rückspiegel, in das kleine Schubfach am Dach, in das Handschuhfach, unter dem Sitz und sogar in den Zigarettenanzünder.

Erschöpft falle ich zurück, weil ich nichts finde, das die Türen entriegeln könnte. Also doch einschlagen. Was soll ich da nehmen? Mit meinem Ellenbogen schaffe ich das nicht. Aber hier liegt auch nichts rum. Haben Kriminelle nicht immer ein Brecheisen irgendwo rumzuliegen? Klischee, wo bleibst du, wenn man dich braucht?

Mein Blick liegt auf vielen Knöpfen bei der Flaschenhalterung. Weil ich nicht weiterweiß, drücke ich einfach auf den Knopf mit der Schneeflocke. Es tut sich nichts. Doch als ich den mit einem Schloss drücke, ratscht plötzlich etwas, als wäre eine Verriegelung aufgehoben wurden. Sofort überprüfe ich die Türen und muss mit Tränen in den Augen feststellen, dass sie sich öffnen lassen!

Ich flüchte heraus, nehme Abstand und sehe dann mit Herzrasen zum verdunkelten Van. Vielleicht solltet ihr euren Schließmechanismus nicht dort platzieren, wo eure Opfer herankommen. Naja, es war wohl auch nie geplant, sie alleine zu lassen...

Plötzlich lässt ein markerschütternder Schrei die Erde beben. Mein Blick rast automatisch zu der Hausecke, an der meine Entführer eingebogen sind. Es hat sich nach einer Frau angehört, die große Schmerzen haben muss.

Was machen die da?, denke ich ängstlich. Meine Hände werden ganz feucht. Es hilft nicht, wenn ich sie an meiner Hose abwische - Sie werden gleich wieder nass vom kalten Schweiß. Die quälen doch nicht eine unschuldige Frau oder ein vielleicht sogar ein junges Mädchen...? Was, wenn die sie...

Mein Kopf dreht sich von einer Seite zur anderen - Von meiner Freiheit hin zu meinem Verderben. Ich müsste nur die Beine in die Hand nehmen und schon hätte ich nichts mehr zu befürchten. Aber wenn sie jemanden überfallen, kann ich doch nicht einfach wegsehen...

Ich atme zittrig aus, dann nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und schleiche zu der Ecke, von der dieser Schrei gekommen war. Dann weiten sich meine Augen.

»Irgendwelche letzten Worte?«

Das ist er. Ihr Boss. Der Mann von Montag.

Ich bin mir absolut sicher, niemand hätte mir diese Meinung ausreden können. Wie er dasteht, die Brust gereckt und trotzdem lässig mit den Händen in den Hosentaschen... Obwohl Hände nicht stimmt. Eine von ihnen hielt eine Pistole, die auf eine verletzte Frau am Boden gerichtet ist. Sie drückt angestrengt auf eine Wunde an ihrem Bauch, aus der das Blut läuft und unter ihr eine Lache bildet.

Mir wird schlecht, denke ich und halte mich gezwungenermaßen von einem Würgen ab. Aber mein Bauch dreht sich mehr als zweimal um. Haben sie ihr das angetan? Wie kann man so herzlos sein?

»Du wîrst niemals bekômmen, wonach du dich sêhnst«, quält die Frau mit einem französischen Akzent über ihre aufgeplatzten Lippen. Sie trug ein nachtblaues Kleid, die dunklen Haare offen und wirr. Neben ihr stehen auch Adrian und Elliot, beide genauso unbeeindruckt wie ihr Boss. Obwohl... Elliot eine kleine Verletzung am Bein zu haben scheint, dem Riss an der Wade zufolge.

»Kleines, ich habe längst, was ich will«, raunt der Boss. Es ist die gleiche Stimme, die auch eine Woche zuvor mit mir gesprochen hat. Dunkel, rau... und eiskalt. Auf einem Kopf liegt ein schwarzer Hut, der sein Gesicht verdeckt. Trotzdem bin ich mir absolut sicher, dass er nicht eine Mine verzieht.

»Nach mîr wêrden weitere kômmen. Mein Ôpfer ist für meinen Clân«, zischt die Frau giftig, dann schließt sie Augen und ein kleines Lächeln erscheint auf ihren Lippen. »Ich wêrde mit Würde gêhen. Schîeß nur.«

Er hebt den Arm weiter an. Fast wie in Zeitlupe sehe ich die Regung seines Fingers am Abzug. Und bevor ich nachdenken kann, stürze ich zu der verletzten Frau.

Der Schuss brüllt durch die Luft.

Ich fahre zusammen, klammere mich an die schmutzigen Klamotten der Frau, weil meine Muskeln verkrampfen. Eine Sekunde vergeht. Die zweite folgt.

Bin ich tot? Ich fühlte keinen Schmerz..., denke ich nach. Verunsichert schlage ich meine zugekniffenen Augen auf. Dann sehe ich direkt in die kalten, blauen Augen des geheimnisvollen Mannes. Und für einen flüchtigen Augenblick glaube ich eine Regung in ihnen zu entdecken. Überraschung... Bedrängnis...

Auf einmal springt die Frau hinter mir auf. Ich kann gar nicht so schnell schauen, da schießt etwa aus ihrer Hand, das wie eine Scheibe mit Zacken aussieht. Das flache Messer durchschneidet surrend die Luft und bohrt sich direkt in den Arm des mysteriösen Mannes, der verhalten keucht.

»Boss!«, brüllt Elliot und die beiden wollen heranstürmen. Doch ihr Boss deutet mit einem zornigen Nicken zu der flüchtenden Frau, die sich aus dem Staub macht. Sie verstehen sofort und jagen ihr hinterher, biegen ab...

Wieder treffen unsere Blicke aufeinander. Es ist auf einmal so still, nicht mal die Schritte der Verfolgungsjagd kann man hören. Ganz langsam drehe ich mich um und starre zu dem Loch in der Wand - Der Schuss hat uns verfehlt, war nur knapp über unsere Köpfe gezogen. 

Er hat mich nicht getötet. Ich lebe, schießt es mir durch den Kopf. Plötzlich erklingt ein angestrengtes Zischen, das mich herumwirbeln lässt. Der Mann lehnt sich an die Hauswand und presst sich, wie die Frau zuvor, eine Hand auf seine blutende Wunde. Er mahlt mit dem Kiefer.

Erneut denke ich nicht nach, sondern stehe auf und trete zu ihm. Gerade ist er dabei das zackige Messer aus seinem Arm zu ziehen. Es fällt klirrend zu Boden und aus der Wunde läuft mehr Blut.

»Das ist nicht gut!«, rufe ich, weshalb der Mann zu mir blickt. Mein Herz schlägt mit einem Mal wieder schneller. Doch er lässt mich schweigend an sich herantreten.

Ich werfe einen Blick auf die Wunde unter dem zerfetzten Anzugärmel. Dann packe ich meinen eigenen und reiße ihn mit einem kräftigen Ruck ab.

»Was tust du da?«, werde ich monoton gefragt.

»Das muss verbunden werden, sonst verlieren Sie zu viel Blut«, antworte ich ganz ruhig, obwohl es in meinem Inneren nur schreit und klirrt. Ein Sturm aus Gefühlen.

Er lässt es zu, dass ich seine Hand von der Wunde nehme. Sofort hüllen sich meine eigenen Finger in das dunkle Rot seines Blutes, aber ich schüttle diese Gedanken ab und presse meinen provisorischen Verband auf die Wunde. Dann wickle ich den Stoff so fest wie möglich um den Arm. Ich spüre, wie jede meiner Regungen genauestens beobachtet wird. Dennoch lasse ich mich nicht abbringen.

Tief atme ich ein, wenn ich fertig mit verbinden bin und mir meine amateurhafte Arbeit ansehe. Wann hatte ich begonnen, den Atem anzuhalten?

»Wir müssen einen Krankenwagen rufen«, sage ich und will mich wegdrehen, um zurück zum Supermarkt zu laufen, damit ich nach Hilfe fragen kann. Aber der gesunde Arm des Mannes schnellt vor, packt meinen eignen.

»Untersteh dich...«, raunt er gefährlich tief. Allerdings lässt er mich gleich darauf wieder los. 

Ich schlucke zittrig und blicke schweigend in seine Augen, die mich unnachgiebig mustern. Er ist einen ganzen Kopf größer als ich und mir kommt es vor, als wäre er auch doppelt so breit.

»S-Sie... s-sind der Boss, oder?«, frage ich scheu.

»Und du bist Jesse Carter.«

»Woher...«, will ich beginnen, doch seine Untergebenen haben mich ja die ganze Woche lang beschattet. Da ist es klar, dass er alles über mich weiß.

»Ich will gehen«, sage ich, als würde meine Meinung einfach so akzeptiert werden. »Ich werde niemandem etwas verraten.«

Der Mann verengt seine Augen. »Nein. Du wirst nie wieder gehen können. Du gehörst jetzt mir.«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zurück! ^^

Super, dass ihr bis hierher dabeigesessen seid! ich hoffe, ihr seid auch wieder mit dabei, wenn ich das nächste Kapitel hochlade, was wahrscheinlich heute noch oder morgen der Fall sein wird.

Liebe Grüße


Farbenmaedchen Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  yinyin084
2023-02-11T04:35:58+00:00 11.02.2023 05:35
Krasse Story fast wie im Krimi😍😍
Von:  Arya-Gendry
2020-11-25T11:52:35+00:00 25.11.2020 12:52
Huhu^^
Wieder ein gutes Kapitel. ;)
Das er sich verteiligt und nicht freiwillig mitkommen will das ja wohl klar. Mal sehen ob, er auch gut behandel wird? Oder ob, es am Anfang doch nicht so einfach für ihn sein wird.
Lg.
Antwort von:  Farbenmaedchen
25.11.2020 13:33
Dankeschön für deinen Kommentar! ^^

Ich freue mich, dass es dir gefallen hat. Vielleicht lade ich heute noch das aktuellste Kapitel hoch. Das hatte eine kleine Verzögerung, aber jetzt möchte ich das wieder aufholen. -^w^-

Seine Entführer und „der Boss“ sind wahrscheinlich nicht gerade Leute, die gerne mal über das Wetter plaudern... Aber sie haben ihm bisher nichts getan. Was diese Personen wohl von ihm wollen...?

Ich habe deine Antwort vom letzten Mal leider nicht mitbekommen. Es gab keine Benachrichtigung oder ähnliches. Deshalb nochmals Dankeschön für deine Unterstützung auch auf FanFiktion.de.! -^-^-

Liebe Grüße


Farbenmaedchen


Zurück