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Kapitel 1

Vom Rauswurf gestern sind meine Ellenbogen wund. Weil mir die Zeit ausgeht, Blutflecke sich aber auf einem weißen Hemd nicht gut machen, schnappe ich mir beiläufig zwei Pflaster aus der Flurkommode. Diese springt bei meinem Glück sofort aus den Scharnieren und fliegt krachend zu Boden.

»Scheiße!«, brülle ich und trete wutentbrannt gegen das kaputte Teil, dessen Inhalt sich jetzt auf meinem süffigen Linoleum breitmacht. Das zersprungene Holz zeigt mir, dass hier einfaches Reinschieben nicht mehr helfen würde. Eine Reparatur, für die ich nicht das Geld besitze, muss also irgendwie her.

»Klappe da unten, du Miststück!«, brüllt es eine Etage über mir zurück. Mein liebevoller Nachtbar nimmt wohl den Besen und klopft auf dem Boden herum, sodass der alte Putz von meiner Decke bröckelt und auf meine Haare regnet. Zähneknirschend wuschele ich durch meine berieselten Strähnen, bis ich es einfach aufgebe, mir den Schlüssel schnappe und nach draußen stürme. 

Vor dem Haus reiße ich meinen alten Gefährten namens Fahrrad, bestehend aus Rost und Sekundenkleber, vom Ständer und springe auf, damit ich nach Leibeskräften in die Pedale treten kann.

Das ist mein alltäglicher Morgen. Nix mit Frühstück oder einem Kaffe zum Wachwerden. Wenn ich um fünf Uhr eine SMS bekomme, dass meine Kollegin ausgefallen ist, rase ich aus der Wohnung und springe sofort ein, damit ich die extra Stunden bezahlt bekomme. Selbst wenn ich nur drei Stunden geschlafen habe, bin ich froh darüber, weil ich jeden Penny so lange umdrehen muss, bis mir ganz schwindelig davon wird.

Den frühen Stau umgehe ich geschickt mit dem Fahrrad und bewege mich zielstrebig auf das Winstor-Acher-Hotel zu, derweilen mein Arbeitsplatz. Ich könnte es jetzt schön ausschmücken oder versuchen von der Realität abzulenken, aber ich bin eine Putze ohne Abschluss, ohne Ahnung, ohne Geld... Wie wunderbar das Leben doch sein konnte.

»Jesse«, höre ich eine Frauenstimme, nachdem ich vor der prunkvollen Anfahrt mit den Flaggen und roten Teppich abgebogen bin und nun beim Personaleingang halte.

»Bin... Bin schon da!«, keuche ich außer Puste, während ich vom Fahrrad stolpere und dieses achtlos in die Ecke werfe. Sofort prüfe ich das Hemd in meiner schlichten schwarzen Hose und das Namensschild an der Brust, dann trete ich zu Courtney, die mich ungeduldig heranwinkt. Als ich bei ihr ankomme, schnappt sie sich das Erstbeste, in diesem Fall mein Arm, und zieht mich hastig hinein.

»Diese doofe Tussi hat krank gemacht. Gut, dass auf dich Verlass ist. Heute kommt immerhin die Gruppe von dem großen IT Unternehmen. Das hätten wir nicht ohne dich geschafft«, erzählt Courtney ohne Punkt und Komma. Sie führt mich gleichzeitig in den Vorbereitungsraum, wo ich mir den Putzwagen schnappe und mit ihr auf die oberen Etagen fahre, damit die Arbeit beginnen kann.

»Mr Johnson war schon ganz aufgebracht. Er hat sogar eine der Vasen nach mir geworfen«, erzählt meine Kollegin von unserem Chef. Seufzend denke ich daran, dass er wirklich der letzte ist, den ich jetzt sehen will. Aber weiter kann ich meine Gedanken nicht spinnen. Wir kommen in unserem Aufgabengebiet an und teilen uns mit einem Kopfnicken, damit wir einen größeren Bereich abdecken können.

Die Arbeit einer Reinigungskraft ist denkbar simpel. Betten machen, Zimmer wischen, den Boden saugen, die Fenster putzen und das Bad reinigen. Simpel heißt aber nicht einfach, zumindest nicht, wenn ein Zimmer in weniger als zwanzig Minuten fertig werden muss und das nach festgelegten Standards.

Ich rase in meinen gewohnten Schrittfolgen durch den Raum, eine Hand voll mit Lappen, Schwämmen und Putzmittel, während ich mit der anderen den Staubsauger hineinschleppe. Und dann geht der große Spaß los.

Die Sonne wirft ihre ersten Strahlen über den Horizont. Allmählich hüllt der Himmel sich in sanftes Orange. Beim Putzen vergeht die Zeit wie im Flug - Viel zu schnell möchte ich sagen. Denn wenn ich nicht genau nach Stoppuhr fertig werde, gerät der gesamte Ablauf durcheinander und verzögert sich, sodass die Gäste nicht ins Zimmer können.

Eine Knochenarbeit, die ich jederzeit mit einem ruhigeren Job tauschen würde, hätte ich eine Berufsausbildung oder einen Schulabschluss. Aber nein, mein junges, unerfahrenes Ich hat alles besser wissen müssen und sowas spießiges nicht benötigt.

Erst wenn zweiundzwanzig Zimmer gesäubert wurden, kann ich erschöpft ins klebrige Sofa des Mitarbeiterraums fallen. Für wenige Sekunden erlaube ich mir sogar die Augen zu schließen und die kurze Stille zu genießen.

Plötzlich spüre ich eisige Kälte auf meiner Stirn. Ich schrecke hoch. Courtney grinst schelmisch und wackelt mit der Dosencola vor mir herum, mit der sie mich überrascht hat. Ich fange sie ungeschickt auf, als sie diese zu mir wirft, doch ich zögere nicht, sie zu öffnen und gierig einen Schluck zu kosten. Stöhnend falle ich zurück. »Du bist meine Rettung.«

»Und du meine«, erwidert Courtney. Dann setzt sie sich neben mich, um selbst von ihrem Getränk zu probieren. »Der Chef hätte mich einen Kopf kürzer gemacht, wenn du nicht eingesprungen wärst. Ich hätte niemals die ganze Etage allein geschafft.«

Wenn sie Cole Johnson nur erwähnt, wird mir schlecht. Zum Glück ist dieser Kerl nicht hier, sondern schleimt die Gäste mit seinem falschen Lächeln voll. Abermals seufzend trinke ich einen weiteren Schluck.

»Du bist zwar schon eingesprungen und so... aber ich dachte, ich sollte es erwähnen«, beginnt Courtney und wendet mir ihren Blick zu. »Sie suchen jemanden, der beim Bankett heute Mittag hilft. Ich weiß ja, dass du gerne etwas mehr arbeitest, deshalb wollte ich es nur ansprechen.«

Ich fasse Courtney bei den Schultern, die mich überrascht anblinzelt. »Das ist super! Das ist perfekt!«, rufe ich und füge innerlich noch an, dass mir das vielleicht doch noch Essen für diesen Monat bescheren könnte. Ich lasse alles liegen und verabschiede mich bei Courtney, damit ich diesen Job ergattern kann. 

Eilig laufe ich durch die Gänge des Personals, doch dann werde ich mit jedem Schritt langsamer, bis ich gänzlich stehenbleibe. Auf einmal bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich diesen Auftrag wirklich annehmen will. Das würde bedeuten, dass ich unweigerlich mit Cole in Kontakt treten muss und der ist... schwierig.

Ich lasse die Schultern hängen und laufe weiter, weil es alles nichts bringt. Dieses Geld brauche ich dringender als Würde. Deshalb stehe ich kurze Zeit später vor Coles Büro und werde nach meinem Klopfen hereingebeten. Zögernd trete ich ein und schließe die Tür hinter mir.

»Hi«, sage ich kurz, wodurch sich Coles Kopf mit der geeligen Schmalzlocke hebt. Ein Lächeln erscheint auf seinen Lippen. Er legt den Kugelschreiber nieder, dann steht er hinter seinem Schreibtisch auf, um zu mir zu kommen.

»Guten Morgen, was kann ich für dich tun, Jesse?«, flötet er lieblich, doch von mir kommt ein tödlicher Blick, der ihn vorwarnt, auch ja genug Abstand zu halten.

»Das Bankett, ihr sucht noch Leute, richtig?«, ringe ich mich durch und drücke meinen Rücken gegen die geschlossene Tür, weil Cole sich weiter nährt.

»Du gehörst zu einer völlig anderen Abteilung. Eigentlich endet so ein Durcheinander schlecht«, meint Cole, der sich neben mich an die Wand lehnt.

»Ich habe das schon mal gemacht. Erinnerst du dich an letztes Jahr Weihnachten? Es hat wunderbar funktioniert. Bitte, ich kann das Geld echt gut gebrauchen«, versuche ich meinen Chef zu überzeugen, der mir, seinem abwesenden Blick zufolge, nicht zuhört.

»Mal schauen. Für dich lässt sich sicherlich was einrichten« Auf einmal spüre ich eine Hand zu meinem Hintern schleichen. Mein innerer Alarm kreischt los und ich reiße meine eigene Hand hoch, um Cole eine deftige Backpfeife zu verpassen, die seinen Kopf zur Seite reißt. Während ich drei Meter Abstand nehme und angewidert das Gesicht verziehe, fasst er an die anlaufende Wange. 

»Was ist nun?«, fahre ich ihn an und schüttle mich, weil eine kalte Gänsehaut meinen Körper erfasst. Im Moment will ich einfach so schnell wie möglich hier raus.

»Na schön. Mach was du willst«, gibt er mir zu verstehen, dass ich den Job bekommen habe. Ich bin bereits dabei aus dem Raum zu stürmen, da werde ich am Handgelenk gepackt und zurückgezogen. Cole lächelt weiterhin. Seine glühenden Augen zeigen mir hingegen, wie gerne er mir selbst eine verpassen würde. Leise raunt er: »Denke an deinen Platz. Mich kostet es nur ein kurzes Gespräch mit dem Geschäftsführer und jemand ist weg vom Fenster. Du bist brav und hältst schön die Klappe, klar?«

Meine Augen verengen sich zu Schlitzen. »Glasklar.«

Ich reiße meinen Arm von diesem dreckigen Kerl los, damit ich endlich raus kann. In der gesamten Abteilung ist bekannt, was für ein ekelhafter Schürzenjäger Cole Johnson ist. Gleich welches Geschlecht oder Alter - Seit ich hier arbeite, kann er seine Finger nicht bei sich behalten. Einige Mitarbeiter kündigen, wenn sie es mitbekommen, aber die meisten haben wie ich keine andere Möglichkeit, als das durchzustehen und hin und wieder ein paar Ohrfeigen auszuteilen.

Bevor ich zur Restaurantküche laufe, übermannt mich die Entscheidung einen Abstecher zur Toilette zu machen. Und wenn ich vor dem Waschbecken stehe, überprüft habe, dass auch niemand in den Kabinen ist, schalte ich schnell das Wasser an, damit ich mein jämmerliches Schluchzen nicht hören muss, das mir entweicht. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, wische langsam über die pochende Stirn, meine Augen entlang. Aus ihnen lösen sich vereinzelte Tränen , die herunterfallen und auf dem Keramik aufschlagen.

Bleib stark, irgendwann kommen bessere Zeiten - Wie oft habe ich das schon zu mir selbst gesagt, aber geändert hat sich doch nichts?

Ich gebe mich der Vorstellung hin, selbst Gast im fünf Sterne Winstor-Acher Hotel zu sein und nicht die Klos schrubben zu müssen. Dann würde Cole zu mir bestellt werden. Er müsste sich in den Dreck werfen und meine teuren Schuhe küssen.

Mein Blick legt sich auf den Spiegel, auf das arme Bild darin. Die Realität sieht anders aus als mein Wunschdenken. Dort steht ein dummer Junge, der nicht für sich sorgen kann. Kein reicher Mann, der genug Macht besitzt, damit sich die Welt vor ihm verbeugt. Ich fasse an meine Haare und lasse eine Strähne zwischen meinen Fingern gleiten. Der Staub von der Wohnungsdecke klebt noch an ihr. Bestimmt würde mir nach der Arbeit heute wieder nicht die Zeit bleiben, die Haare gründlich zu waschen.

»Märchenwunder... wo bleibst du...?«, flüstere ich, bevor meine Beine nachgeben. Ich sinke auf die Knie, lausche dem laufenden Wasser und wünsche mit, nicht mehr stark sein zu müssen.

 

Der Tag ging wie erwartet erneut bis neunzehn Uhr, weil das Bankett sich nach hinten verschoben hat. Vollkommen durch mit dem Leben, trete ich aus dem Hinterausgang und begebe mich zum Fahrrad. Doch das scheiß Teil will sich allen Ernstes nicht lösen. Ich stoße verschiedene Todesflüche aus und trete gegen das Rad. Ironischerweise lässt sich das Schloss daraufhin lösen. Das gute, alte Draufhauen, was?

»Wenn ich es mir leisten könnte, wärst du nur noch Schrott, der zusammengepresst und zerquetscht wird, so sieht's aus«, beginne ich das Gespräch mit meinem Fahrrad. Langsam machen mich die Überstunden wirklich verrückt. »Irgendwann ist es soweit, dann werde ich dich genussvoll entsorgen, da kannst du drauf wetten.«

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich zwei Männer in schwarzen Anzügen. Sie stehen auf der anderen Straßenseite hinter einem verdunkelten Van und starren zu mir. Wenn sie erkennen, dass meine Aufmerksamkeit auf ihnen liegt, nicken sie sich zu, um dann ins Auto zu steigen und loszufahren. Anscheinend haben schon die Leute mitbekommen, wie ich durchdrehe. Wen wundert's, bei diesen Arbeitsbedingungen?

Seufzend besteige ich mein wackeliges Gefährt und fahre zu einem Discounter, da ich gestern beim Einkaufen gestört wurde. Wenn ich wie tags zuvor durch die Gänge streife, ist es, als würde sich alles drehen. Der Boden steht Kopf, bevor er zu verschwimmen beginnt. Ich muss mich sogar am Regal festkrallen, um nicht umzukippen. Mir fehlt eindeutig Schlaf. Und Nahrung.

Diesmal kann ich netterweise sogar bezahlen, ohne rausgeschmissen zu werden. Mit meinem kleinen Beutel verlasse ich den Laden und schmeiße ihn in das Körbchen auf dem Fahrrad. Doch wenn ich aufsteigen will, lässt mich ein merkwürdiges Kribbeln im Nacken, wie das Gefühl beobachtet zu werden, nochmal herumfahren. 

Ich stutze. Auf dem Parkplatz steht der gleich Van, der auch vor dem Winstor-Acher Hotel gehalten hat. Zwar kann man nicht durch die Scheiben blicken, aber wie groß ich die Wahrscheinlichkeit, zwei solcher verschleierten Wagen an einem einzigen Tag zu treffen? Erst habe ich angenommen, sie wären Gäste im Hotel, doch warum sollten diese beim Discounter einkaufen?

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Um nicht weiter darüber nachzudenken, fahre ich los. Zu Hause würde lauter schmutzige Wäsche und staubige Regale auf mich warten. Im Gegensatz zu meinem Beruf, ist meine Wohnung ein einziges Chaos, was größtenteils dem enormen Zeitmangel geschuldet ist. Wie schaffen es andere nur, den Haushalt und Job unter einen Hut zu bringen?

Allerdings muss ich hart schluckend feststellen, dass auch der Van sich zeitgleich in Bewegung setzt, wenn ich antrete. Sicherlich nur Zufall, rede ich mir ein, solange, bis der Wagen auch an der Kreuzung rechts abbiegst, auch die Einbahnstraße benutzt und auch an der Ampel zum Stadtinneren hält. Mein Blick wandert über die Schulter nach hinten, während ich weiterfahre und verbissen wiederhole: Kein Grund sich Sorgen zu machen. Das ist die Müdigkeit, die lässt dich schon Geister sehen. 

Die Sonne geht ebenso schnell unter, wie sie sich morgens am Himmel erstreckt. Und zu beiden Zeiten leuchtet die Stadt durch die Fenster der Hochhäuser, die Kinos, Casinos, durch das wilde Leben der Metropole. Leute kommen von der Arbeit, oder treffen sich mit Freunden. Doch ich bin gerade völlig auf das Fahrzeug konzentriert, das einfach nicht von mir ablassen will.

Niemand wird auf offener Straße verfolgt, oder?, rasen meine Gedanken. Aber langsam bin ich mir sicher, dass es kein Zufall mehr sein kann. Der Van folgt ununterbrochen. Mir bricht der Schweiß auf der Stirn aus. Zurzeit schulde ich niemanden Geld. Aber Cole kann doch nicht so weit gehen, um seinen Willen zu bekommen...

Plötzlich kommt die Erinnerung an gestern Abend wieder. An den eleganten Mann, der mich gegen das Geländer gedrückt und mit tiefer Stimme gesprochen hat. Mir war sofort klar gewesen, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Diese schwarz gekleideten Männer vorhin haben die gleiche Ausstrahlung wie der Fremde gehabt.

Doch gerade, als ich völlig in Panik ausbrechen will, weil ich mich anscheinend doch in Scheiße geritten habe, biegt der Van an einer Kreuzung ab. Tief hole ich Luft und stoße sie langsam wieder aus. Puh... Also doch nur Einbildung. Dabei habe ich gerade angenommen, dass ich jetzt ein Tuch auf den Mund gedrückt bekomme, um in einem Roman-gleichen Szenario erschossen zu werden. Ah... Damit sollte ich keine Scherze machen.

Nach einer aufregenden Fahrt komme ich zu Hause an. Ich befreie mich direkt von all den lästigen Sachen, verfrachte das steife Hemd in den Wäschekorb und ziehe mir ein paar lockere Sachen über. Dann mache ich mich erstmal daran, die schmutzige Kleidung im Becken einzuweichen, während ich gleichzeitig das Wasser für meine Fertignudeln ansetze. Und nachdem ich mir eilig die ungesunde Nahrung reingestopft habe, bleibt mein Augenmerk an der kaputten Schublade hängen, die sich nach ausgiebiger Begutachtung als unbrauchbar herausstellt. Zu sehr ist das Holz auseinander gebrochen und die Scharniere verbogen, als dass sie weiterverwendet werden kann. Also krame ich das Zeug in einen anderen Schrank und werfe das zertrümmerte Teil in den Müll. Danach mache ich mich daran, den abgebröckelten Putz aus dem Flur zu wischen, bis ich mir schließlich für wenige Sekunden erlaube, in meinem Sessel niederzulassen und die Augen zu schließen... 

Aber natürlich nur für ein paar...

 

»Scheiße! Ich hab verschlafen!«, kreische ich aus vollem Hals, wenn ich am nächsten Tag im Wohnzimmer aufwache und schon eine Stunde über der gewöhnlichen Zeit liege.

Meine Erkenntnis wird durch ein liebevolles: »Halt die Schnauze, du Wichser!«, eine Etage über mir unterstrichen. Zu allem Überfluss ist meine Wäsche, die ich gestern beim Einweichen im Wasser habe liegen lassen, nicht trocken.

Mir bleibt also nur übrig, meine alten Klamotten überzuziehen und damit zur Arbeit zu hasten, auf der sich das ganze Schauspiel meines kümmerlichen Lebens in Endlosschleife wiederholt. 

Abrackern bis zum Umfallen. Sexuelle Belästigung meines Chefs. Überstunden, die unter dem Strich auch keine schwarzen Zahlen schreiben und dieser... dieser verdammte Van ist wieder da, wenn ich mit der Schicht fertig bin! Die schwarz gekleideten Männer mustern mich aufmerksam vom Straßenrand, wobei sie es heute nicht mal für nötig halten, sich zurückzuziehen, habe ich sie erst dabei erwischt.

Das darf nicht wahr sein! Habe ich jetzt Stalker, oder was?, rasen meine Gedanken auf der Fahrt nach Hause. Wieder verfolgt mich das Auto. Selbst als ich zur Bank muss, parkt es vor der Filiale und fährt zeitgleich mit mir los. Das geht solange, bis ich bei meinem heruntergekommen Häuserblock bin, wo mir der Gestank von Rauch und Müll von weitem entgegenschlägt. Auch heute biegen sie ab und lassen mich mit einem mulmigen Grummeln im Bauch zurück.

Der Tag neigt sich dem Ende zu, der nächste bricht an. Erneut vollziehe ich dieselbe Routine wie seit zwei Jahren, mit Ausnahme des gruseligen schwarzen Vans, der allem Anschein nach einen Narren an mir gefressen hat. 

Ist das alles nur Einbildung? Mir pocht der Schädel, wenn ich daran denke. Es kommt mir vor, als würden sie mir folgen, aber dann biegen sie doch ab, drehen sich meine Gedanken seitdem im Kreis. Selbst nach zwei weiteren Tagen ändert sich am Ablauf nichts. Erst, als es Samstagabend ist und ich meine Schicht beende, muss ich teils überrascht, teils dankbar feststellen, dass der schwarze Van nicht mehr vor dem Hotel steht.

Ich seufze tief. Danach begebe ich mich das erste Mal erleichtert nach Hause. Also doch nur Gäste, die abgereist sind. Vielleicht waren es Ausländer, die mal in den Alltag von Ansässigen schnuppern wollten? Was weiß ich, Hauptsache, sie lassen mich in Ruhe!

Mir liegt ein leises Lied auf den Lippen, das ich gedankenverloren vor mir her summe. Ich schließe mein Fahrrad ab und gehe an der Gruppe Jugendlicher vorbei, die sich vor dem Haus versammelt haben, um irgendwelche Dinge austauschen. Vor meiner Wohnung krame ich den Schlüssel aus der Tasche, trete ein, stelle meine Schuhe an die Seite... und bemerke auf einmal, dass das Licht brennt. Dabei bin ich mir sicher, dass es ausgeschaltet war, als ich aufgebrochen bin. Darauf achte ich genauestens, weil es viel Geld kostet.

Scheiße, schießt es mir durch den Kopf. Und während mein grummelnder Bauch bereits verstanden hat, was vor sich geht, kommt mein Gehirn nicht nach. Ich schleiche zum Wohnzimmer, spähe vorsichtig um die Ecke.

Meine Augen weiten sich. Mein Herz setzte einen Schlag auf. Ich lasse meinen Rucksack fallen.

Dort stehen zwei Männer am Sofa. Sie sehen zu mir, als sie mich bemerken. Zwei schwarz gekleidete Männer in strengem Anzug und mit kaltem Blick. Sie richten ihren muskulösen Köper auf und kommen langsam zu mir.

Auf der Stelle wirbele ich herum und will aus der Wohnung stürmen, doch da ist es zu spät. Eine Hand packt meine Schulter und hält mich mit eisernem Griff fest. Ich versuche sie von mir loszureißen, doch der große Mann ist zu stark. Seine Hand bewegt sich keinen Millimeter.

»W-Was...«, keuche ich ängstlich. Meine Lippe zittert. »Was suchen Sie in meiner Wohnung?«

Der zweite Mann kommt zu uns in den Flur und verschränkt die Arme vor der Brust. Seine blauen Augen wirken wie pures Eis, das einen Schauer durch meinen Körper jagt.

»Jesse Carter, 21 Jahre alt, ledig. Geschäftstätig als Haushaltskraft beim Winstor-Acher Hotel. Variable Schichten. Monatliches Einkommen 900 Dollar. Trifft das auf Sie zu?«, rattert der Mann, mit seiner festen Hand auf meiner Schulter, herunter wie ein Lexikon.

»W-Woher wissen Sie...« Meine Stimme überschlägt sich. Heißt das, sie haben mich wirklich verfolgt und beschattet, um an diese Informationen zu gelangen? Ich versuche den harten Kloß im Hals herunterzuschlucken.

»Wir müssen Sie jetzt bitten, mit uns zu kommen.«

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zurück!

Super, dass ihr bis hierher drangeblieben seid! Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt und genauso viel Spaß macht wie mir beim Schreiben! ^^

Ich möchte mich auf die 6 Empfehlungen bedanken, die ihr dem Prolog bisher gegeben habt. Das war eine schöne Überraschung und hat mich echt glücklich gemacht. -^^-

Übrigens, das neue Kapitel bei „Vernascht - Wie ich mich in einen Prostituierten verliebte“ wird höchstwahrscheinlich Anfang nächster Woche kommen!

Seid doch ich beim zweiten Kapitel wieder mit dabei!
Bis dahin!

Liebe Grüße


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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  yinyin084
2023-02-02T04:53:25+00:00 02.02.2023 05:53
Ohaa Krass jetzt wirds unheimlich...und weiter geht's? 😉🫣
Von:  Arya-Gendry
2020-11-15T15:17:36+00:00 15.11.2020 16:17
Huhu^^
Also der Anfang gefällt mir schon mal gut. Und ich freue mich schon auf weitere Kapitel.
Lg.
Antwort von:  Farbenmaedchen
15.11.2020 16:54
Dankeschön für deinen Kommentar! ^^

Ich freue mich sehr, dass es dir gefällt und dass du gespannt auf mehr bist!
Solltest du auch auf der Seite FanFiktion.de angemeldet sein, würde ich mich ebenfalls sehr freuen, wenn du dort mal vorbeischaust. Dort habe ich auch meine anderen Geschichten veröffentlicht. -^o^-

Liebe Grüße


Farbenmaedchen
Antwort von:  Arya-Gendry
15.11.2020 19:01
Okay
Ja bin auch dort. Werde da auch mal vorbei schauen. ;)


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