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Die Geister der Unterwelt

Wichtelgeschichte für Futuhiro
von

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Der Einlass

Eigentlich hätte man meinen sollen das an einem Silvester um diese Zeit nicht so viele Leute an der Universität unterwegs sein sollten. Dennoch gab es keinen guten Zeitpunkt, den sie hätten abpassen können, an denen die Bahnsteige leer gewesen wären. Sie hatten schon einen Zug abgepasst, gehofft, dass sich der Bahnsteig danach leerte, doch irgendwie geschah genau dies nicht. Und der Sicherheitsmann dahinten in seiner schwarzen Uniform behielt sie misstrauisch im Auge.

Olga schürzte die Lippe und sah zu Yefim, als würde der Fuchs ihr bei der Entscheidung helfen können. Selbst wenn er als Familiar etwas intelligenter war, als es wohl bei einem normalen Fuchs der Fall gewesen wäre, so verstand er die Regeln ihrer Familie ziemlich sicher nicht. Konnte sie einen kleinen Zauber wagen?

„Lass uns jetzt“, murmelte Vaska und stupste ihren Bruder an.

„Noch nicht“, warnte Olga. Sie schaute zum Sicherheitsmann hinüber, der sich ihnen langsam näherte. Er war ein Mann sicher schon um die fünfzig und mit einem dichten, grauen Schnauzer. Würde der Name ihrer Familie ihr helfen können? Sie wollte es nicht riskieren.

Vorsichtig griff sie an ihre Kette und löste eins der Amulette. „Auf mein Kommando“, meinte sie.

Ein Rauschen im anderen Tunnel verriet, dass sich dort eine U-Bahn näherte. Genau darauf wartete sie. Sie schloss ihre Augen, spürte das Amulett in ihrer Hand, spürte den darin schlafenden Zauber und die Energie, die sie mit Yefim verband. Aus dieser Energie nahm sie etwas, erweckte dem Zauber damit zu neuem Leben und ließ ihn genau in dem Moment aufflackern, als die andere Bahn einfuhr.

An sich war es ein simpler Zauber. Ein Zauber, der für einen Moment die Augen einfach über sie hinweg wandern ließ. Keine Unsichtbarkeit. Nicht mal ein richtiger Ablenkungszauber. Doch für einen Moment sollte der Wachmann vergessen, warum er eigentlich in diese Ecke starrte.

„Jetzt!“, flüsterte sie angespannt, als der Zauber sie umgab und tippte den beiden auf die Schultern. Dann hob sie Yefim hoch und kletterte auf die Gleise hinab, vorsichtig nirgendwo gegen zu kommen.

Die beiden Cousinen taten es ihr gleich, kletterten samt Familiare hinab und verschwanden gemeinsam mit ihr in den Metrotunnel hinein.

Nach wenigen Metern wurde die freie Laufstrecke am Rand der Gleise etwas breiter. Vielleicht war das der Grund, warum Vanyas Zauber sie hierlang führte. Es sah zumindest sicherer aus, als eine etwaige Alternative.

Der modrige Geruch der unterirdischen Tunnel war hier deutlicher zu vernehmen, als an den Bahnsteigen. Die Luft war warm und seltsam feucht. Kalk hatte sich an den rauen Wänden abgelagert, in die alle zwanzig Meter oder so eine Kerbe eingelassen war. Sicherheit für Leute, die wie sie hier herumschlichen.

Aus der Ferne wurde das Klappern der alten Züge zu ihnen getragen, die durch andere Tunnel fuhren. Dann hinter ihnen ein näherkommendes Klappern.

„Schnell“, scheuchte sie ihre beiden Schützlinge in Richtung einer Kerbe, wo sie die U-Bahn abwarteten.

Langsam reichte auch das Licht der Notlampen nicht mehr, brachte Olga dazu ein weiteres ihrer Amulette zu nehmen und aus diesem einen einfachen, leuchtenden Ball zu beschwören. Zumindest dies war ihnen unter dem Schutz Peruns ein leichtes.

Sie gingen weiter, dem Amulett folgend. Der Boden war nicht besonders leicht zu laufen und sie mussten hintereinander gehen. Aber am Ende fanden sie, wohin das Pendel zeigte: Eine Treppe am Rand des Tunnels, die zu einer Tür führte. Die baumelnde Münze zerrte nun deutlich in diese Richtung.

Noch einmal sah Olga sich um. So weit waren sie gar nicht gelaufen. Das Licht von der Station war noch sichtbar.

Nun gut.

Vanya rüttelte an der Tür, doch diese ließ sich nicht öffnen. Natürlich nicht.

„Und jetzt?“, fragte Vaska.

Vanya schenkte ihr einen kurzen verschrobenen Blick. „Auf sowas bin ich vorbereitet“, meinte er und zog einen einfachen, grob geformten Metallschlüssel aus der Tasche.

Der Schlüssel sah nicht aus, als sollte er passen, doch als Vanya ihn in das Schlüsselloch schob, ging er doch klackend in Position und blieb stecken. Der junge Magier schloss die Augen, ehe er den Schlüssel drehte und die Tür aufsprang.

„Ein Universalschlüssel?“, fragte Olga.

„Ein eigener Zauber“, grinste ihr Bruder.

Olga musterte ihn, kam aber nicht umher matt zu lächeln. Das war kein Zauber, der ihrer Familie gefallen sollte, aber definitiv eine interessante Idee. Allerdings wollte sie lieber nicht wissen, was Vanya damit nicht schon alles angestellt hatte.

Sie zogen die knirschende Tür ganz auf. Olga ging voran, leuchtete mit ihrem Zauber den dahinterliegenden Gang aus. Dieser war rechteckig, die Wände betoniert und grob belassen. Der Geruch von nassem Sand und rostigem Metall lag in der Luft. Viel mehr gab es jedoch nicht zu sehen, abgesehen von einem alten und deutlich angerosteten Schild an der Wand. „Zugang 2-41“, stand da und darunter eine Warnung, die jedoch nicht mehr gut zu lesen war.

Nun, hoffentlich keine Warnung vor giftigen Gasen oder vergleichbaren. Das konnten sie nun wirklich nicht gebrauchen.

Vaska und Vanya folgten ihr in den Gang und dann diesen entlang, während die Tür mit einem weiteren Knirschen zurück ins Schloss fiel.

Was auch immer das hier war: Es wirkte unfertig und verlassen. Der Gang war breit, was sie an einen Arbeiterzugang denken ließ. Auf ihrem Weg kamen sie an zwei Türen vorbei, doch das Amulett führte sie erst einmal voran.

Auch hier hörte man noch das Rattern der Metro, jedoch weit entfernter.

Der Gang weitete sich und dann sahen sie, was sie wahrscheinlich suchten: Da war eine Treppe – und ein Aufzug.

Vanya war der erste, der den oberen Treppenabsatz erreicht hatte. Er schaute hinab und verzog das Gesicht. Die Münze zeigte deutlich in die Richtung – schräg nach unten. „Das sieht nicht vertrauenserregend aus.

Als Olga neben ihn trat, erkannte sie, was er meinte. Die Treppe war nicht aus Beton gegossen, wie man vielleicht hätte meinen können, sondern aus Metall. Rostigem Metall. Es sah fast so aus, als hätte man hier eine Treppe bauen wollen und abgebrochen, bevor man zu weiteren Arbeitsschritten gekommen war.

Vorsichtig drückte sie den Knopf des Aufzugs, der in der Mitte der Treppe gelegen war. Nichts passierte. Wahrscheinlich hatte der Aufzug keinen Strom.

Was sollten sie jetzt machen?

Sie schaute zu Vaska und Vanya, als das Mädchen meinte: „Ich gehe vor.“

Olga seufzte. „Nein, wirst du nicht.“

„Ich bin die leichteste“, protestierte Vaska. „Und ich bin besser im Klettern als ihr.“

„Genau deswegen sollte jemand anderes vorgehen. Selbst wenn du runterkommst, wissen wir nicht, ob die Treppe uns trägt“, erwiderte Olga. „Und wenn du einbrichst haben wir keine Möglichkeit etwas zu machen, um dich zu retten.“

„Aber …“

„Ich gehe vor“, meinte Olga. „Wenn alles gut geht, kommt ihr nach.“

„Hältst du das für eine gute Idee?“, fragte Vanya.

Olga erwiderte nichts. Wenigstens gab es hier ein an der Wand befestigtes Geländer aus Seil. Zwar war dieses modrig und feucht, bot aber genug Halt, als dass sie an die Wand gedrückt und von Yefim gefolgt sich auf die ersten zwei Stufen vortasten konnte.

Das Metall unter ihr knarzte gefährlich, hielt sie aber.

Olga schluckte, machte dann den nächsten Schritt, dann den nächsten. Sie hielt sich an der Wand, wo sie sich besser am Seil festhalten konnte und wo – zumindest in der Theorie – die Stufen stabiler sein sollten.

Noch ein Schritt und noch einer … Sie beschritt einen langen Halbkreis auf der Treppe, ehe sie endlich wieder auf festem Boden trat.

Sie atmete auf. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, doch schien alles geklappt zu haben.

„Alles in Ordnung“, rief sie die Treppe hoch. „Ihr könnt herunterkommen. Aber bitte einer nach dem anderen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Futuhiro
2021-03-20T19:13:00+00:00 20.03.2021 20:13
Ich hätte mir ins Hemd gemacht, wenn ich in irgendwelchen baufälligen, verlassenen Tunneln rumklettern müsste. XD
Also weniger wegen der Baufälligkeit des Tunnels, sondern eher aus Angst, dort unten entdeckt zu werden und Ärger zu kriegen, weil ich da nix verloren habe. XD
Von:  Taroru
2021-02-03T17:54:25+00:00 03.02.2021 18:54
ui, so einen universal schlüssel hätte ich auch gerne :-D
damit könnte man alles mögliche anstellen XD


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