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Was sie nicht wissen...

von

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Kapitel 5

Am Montag lief Natascha gut gelaunt zur Schule. Beim Warten auf den Lehrer, der den Unterrichtsraum aufschloss, holte Natascha ihr Handy aus der Tasche und las zum bestimmt hundertsten Mal Klaus‘ Nachricht.

Mach dir keine Gedanken. Ich fand es sehr schön, dich zu küssen. Und natürlich möchte ich dich auch weiterhin sehen und treffen.

Ein Lächeln trat auf ihre Lippen und dieses Lächeln verging auch nicht in der Chemiestunde, auch wenn ihr das Fach nicht unbedingt zusagte. Als sie in der großen Pause auf den Schulhof kam, warteten Lilli und Jana bereits auf sie. Doch durch das Gespräch, das folgte, wurde die gute Laune etwas getrübt.

„Was war das eigentlich für eine Aktion am Freitag?“, fragte Lilli, nachdem Natascha ihre Tasche abgestellt hatte.

„Was meinst du?“

„Erst erzählst du mir, dass ich dich nur zufällig mit Klaus beim Theaterstück gesehen habe und am Abend muss ich beobachten, wie ihr gemeinsam das Kino verlasst. Warum hast du mich angelogen?“

„Lilli, das wollte ich nicht. Ich dachte nur, ich sage dir lieber nicht, dass ich mit Klaus beim Theaterstück war, weil ich genau weiß, dass du ihn nicht leiden kannst und negativ darauf reagieren würdest. Es tut mir leid.“

„Du warst mit ihm verabredet?“, fragte Lilli mit entsetzter Stimme.

„Siehst du, ich wusste, dass du so reagieren würdest. Er hat mich eingeladen.“

„Ich kann einfach nicht glauben, dass er dich eingeladen hat. Es ist nun einmal Klaus!“

„Hat er aber und den Kinobesuch am Freitag hat er auch vorgeschlagen“, erwiderte Natascha.

„Hast du vielleicht schon einmal daran gedacht, dass er es nicht ernst meint? Es könnte doch sein, dass er mit seinen ach so tollen Kumpels eine Wette abgeschlossen hat. Wie lange er wohl brauchen wird, um dich ins Bett zu kriegen? Hast du an diese Möglichkeit gedacht?“, wollte Lilli wissen.

„So etwas würde Klaus nie tun. Er ist nicht so, wie du denkst. Er ist anders als Pascal oder Christian.“

„Das nehme ich dir nicht ab.“

„Aber Lilli…“

„Komm mir nicht so!“

„Hey Mädels!“, mischte sich Jana nun ein. „Kommt mal wieder herunter. Das ist doch kein Grund sich zu streiten.“

„Doch, das ist ein guter Grund!“, erwiderte Natascha, nahm ihre Tasche und ging.

„Das hast du ja wieder toll hinbekommen, Lilli.“

„Jetzt ist das meine Schuld, oder was? Sie hat mich doch angelogen.“

„An ihrer Stelle hätte ich wohl das Gleiche getan“, entgegnete Jana.

„Ich will sie doch nur vor ihm beschützen…“

Die zwei Freundinnen sahen aneinander vorbei und warteten stillschweigend auf das Pausenende.

 

Auch Klaus stand mit seinen Freunden auf dem Schulhof und wurde auf den Freitag angesprochen.

„Hey Alter, wo warst du am Freitag?“, fragte Pascal.

„Ich war verabredet, das habe ich euch doch erzählt.“

„Ich habe gefragt, wo du warst.“

„Im Kino.“

„Dann warst du es also wirklich. Wir haben dich nämlich gesehen“, warf Christian ein und nach einer kurzen Pause: „Zusammen mit Natascha.“

Klaus sah Christian geschockt an und verfluchte sich selbst für seine Dämlichkeit. Wie hatte er nur vergessen können, dass die Jungs ins Shining gehen wollten?

„Ja, das stimmt“, brachte er nur hervor.

„Was willst du denn von Natascha? Sie ist doch ein totaler Loser.“

„Christian hat recht. Die Kleine ist dir nicht würdig. Ich verstehe sowieso nicht, warum du mit Anne Schluss gemacht hast.“

„Wer sagt denn, dass ich mit Natascha zusammen bin? Sie hat mir bei meinem Deutschvortrag geholfen und ich habe sie als Dankeschön ins Kino eingeladen.“

„Sicher? Du hast ihre Hand gehalten“, erwiderte Pascal.

„Ja, ich bin mir sicher. Sie ist fast gestürzt und da dachte ich, bevor sie wirklich die Treppe hinunterstürzt, halte ich sie lieber fest“, erklärte Klaus.

„Du magst sie also doch.“

„Sie ist ganz nett, ja.“

„Oh man, diese Schreckschraube und nett. Im Leben hätte ich sie nicht angefasst.“

Klaus biss sich auf die Lippen, um ihnen nicht irgendwelche Widerworte an den Kopf zu werfen. Er konnte nicht glauben, dass seine Freunde so schlecht von Natascha dachten. Ihm war bewusst, dass sie eher zu den Partylöwen zählten und Natascha und ihre Freunde selten bis nie bei Veranstaltungen zu sehen waren, aber deshalb waren sie doch keine Loser.

„Lasst uns über ein anderes Thema sprechen. Die Pause ist zu kurz, um sich über Natascha zu unterhalten“, er krümmte sich innerlich für seine Worte, doch den Rest der Pause sprachen sie über das Fußballspiel vom Wochenende.

 

 

Natascha brauchte etwas frische Luft, der Vormittag hatte es in sich gehabt. Einerseits der Streit mit Lilli, andererseits die Nachricht von Klaus, ob sie sich am Nachmittag bei ihm treffen wollten. Es war ein Wechselbad der Gefühle.

Wie kann Lilli nur so schlecht über Klaus denken? Sie kennt ihn ja nicht einmal. … Er würde nicht mit mir spielen, dachte sie und klingelte wenig später an seiner Haustür.

Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis Klaus die Tür mit einem Lächeln im Gesicht öffnete.

„Hallo Tascha“, sagte er und gab ihr einen Kuss. „Komm rein.“

Er nahm ihre Hand und zog sie ins Haus, die Jacke wurde ihr abgenommen und an die Garderobe gehängt. Die Zwei traten in Klaus’ Zimmer und Natascha stellte ihre Handtasche auf dem Fensterbrett ab. Der Rechner lief und der Bildschirm zeigte an, dass Klaus gerade an einem Autorennen spielte. Er drückte auf eine Taste und das Spiel verschwand in die Taskleiste. Auf dem Desktop erschien ein Bild, auf dem eine Felsenlandschaft zu sehen war.

„Möchtest du ein Stück Kuchen? Meine Mutti hat gestern gebacken und es ist noch etwas übrig.“

„Was ist es denn für ein Kuchen?“, fragte Natascha.

„Schoko.“

„Na, dann sage ich doch nicht nein. Ich bin ein Schokoholic.“

Sie grinste ihn an und begleitete ihn dann in die Küche, wo er das Blech aus dem Ofen holte und auf den Tisch stellte. Etwa die Hälfte des Kuchens war noch da. Es war ein flacher Kuchen mit in der Decke eingearbeiteten Schokoraspeln. Klaus setzte mit dem Messer, das er gerade geholt hatte, zum Schneiden an.

„Ist so viel in Ordnung?“, fragte er.

„Das ist doch viel zu viel!“, protestierte Natascha.

„Ich dachte, du bist ein Schokoholic.“

„Schon, aber ich wollte nicht nach Hause rollen.“

„Na gut.“

Der Braunhaarige schnitt ein kleineres Stück aus dem Kuchen heraus und dann ein doppelt so großes für sich selbst.

„Was möchtest du trinken? Kakao, Tee, Kaffee, etwas Kaltes?“

„Kakao hört sich gut an.“

Er nahm das Kakaopulver aus dem Schrank und die Milch aus dem Kühlschrank, während letztere nach wenigen Handgriffen auf dem Herd stand, verteilte er die Kuchenstücke auf zwei Teller. Nicht ganz zehn Minuten später waren sie wieder in seinem Zimmer, aßen den Kuchen und sahen dabei fern.

„Hast du eigentlich schon die Mathehausaufgaben für morgen gemacht?“

 „Wir hatten Aufgaben auf?“, fragte Klaus völlig überrascht.

„Ja, im Buch auf der Seite, mhm ich glaube, 102, die Aufgaben 1 bis 3. Hast du dir das nicht aufgeschrieben? Herr Johann meinte noch, wenn wir die Aufgaben nicht ausrechnen können, dann hat das ganze erste Halbjahr seinen Sinn verfehlt.“

„Am Donnerstag, da war ich mit meinen Gedanken woanders“, meinte Klaus. Er sah sie an und ihr Gesicht trug einen fragenden Ausdruck. „Nämlich bei dir.“

„Du bist süß. Und wenn du willst, dann helfe ich dir beim Rechnen.“

„Ich glaube nicht, dass ich in Mathe Hilfe brauche, aber wenn du sie mir anbietest, werde ich sie bestimmt nicht ablehnen.“

Ein Glitzern war in seinen Augen, das ihn schelmisch wirken ließ.

Die Zwei rechneten schnell die drei Aufgaben durch und setzten sich dann auf Klaus’ Bett, um dem Fernsehprogramm weiterhin zu folgen. Es lief ein Teenager-Film, der typisch für das Ende der 1990er- und den Anfang der 2000er-Jahre waren. Die beliebte Sportskanone wettet mit seinen Freunden, dass er das Mauerblümchen der Schule zur Abschlussballkönigin machen kann.

„Meinst du es eigentlich ernst mit mir?“, fragte Natascha irgendwann und sah dabei betreten auf den Boden.

„Natascha! Hat irgendjemand etwas zu dir gesagt? Warum denkst du das?“ Sofort dachte Klaus an Christian und Pascal.

Sie holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen, um die nächsten Worte auch aussprechen zu können. „Naja, Lilli hat uns am Freitag gesehen und meinte, dass du bestimmt nur eine Wette mit deinen Freunden abgeschlossen hast, wie lange du brauchst, um mich rumzukriegen.“

Während Natascha sprach, drehte er sich zu ihr und zog sanft ihr Gesicht in seine Richtung, sodass sie ihn ansehen musste. „Hey. Wir sind doch nicht in einem amerikanischen Teenie-Film. Natürlich meine ich es ernst mit dir. Ich bin gern mit dir zusammen, du bist lustig, hilfsbereit, süß und einfach liebenswert. Ich denke, dass ich von vielen Jungs beneidet werde, weil ich mit dir zusammen bin und nicht sie. Ich meine es wirklich ernst!“

Seine dunkelgrünen Augen fixierten ihre hellgrünen, nahmen jeden noch so kleinen Fleck in ihrer Iris wahr.

„Vertraust du mir?“

Natascha konnte nur nicken, sie hatte einen Kloß im Hals. Klaus’ Worte hatten sie berührt und ihr einiges an Angst genommen.

 

Etwas später am Abend brachte der junge Mann seine Freundin nach Hause. Sie standen vor der Haustür und unterhielten sich noch.

„Wäre es schlimm für dich, wenn wir es geheim halten, dass wir zusammen sind?“, fragte Klaus und erwartete eine empörte Antwort.

„Nein, das würde ich sogar sehr gut finden. Wie schon erwähnt - ich hatte heute eine nicht sehr nette Diskussion mit Lilli, sie kann dich absolut nicht leiden und sie hat nicht einmal eine Erklärung dafür. Es wird vermutlich besser für unsere Freundschaft sein, wenn sie nichts von dem weiß, was zwischen uns ist.“

„Das gleiche Problem habe ich auch. Christian, Pascal und die Mädels haben uns am Freitag gesehen, als wir aus dem Kino gegangen sind. Sie wollten natürlich wissen, warum ich mit dir unterwegs war und brachten einige fiese Kommentare. Am liebsten hätte ich ihnen eine verpasst, aber ich habe dann einfach erzählt, dass du mir bei einem Vortrag geholfen hast und ich dich deshalb ins Kino einlud. Mir ist nichts anderes eingefallen.“

„Das ist doch ein guter Einfall gewesen.“

„Ich finde es schade, dass wir unsere Beziehung nicht offen gegenüber unseren Freunden zeigen können. Aber was sie nicht wissen…“

„… macht sie nicht heiß“, ergänzte Natascha den Satz.

Die Zwei sahen sich verschwörerisch an. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, dieses Geheimnis würde ihre Beziehung nur noch intensiver werden lassen.

 

***

 

Am nächsten Morgen hatte Natascha Kunst in der ersten Stunde. Sie war schon zeitig da, der Raum war noch leer. Sie packte ihre Zeichenutensilien aus, legte eine alte Zeitung als Unterlage auf den Tisch und holte ihre Zeichnung vom Stapel, der bereits auf dem Lehrertisch lag. Gerade hatte sie sich gesetzt, als Jana den Raum betrat. Die Braunhaarige setzte sich neben ihre Freundin und begann ebenfalls ihren Arbeitsplatz vorzubereiten.

„Ich habe gestern vergessen, dir die DVD vom Theaterstück zu geben. Thomas hat sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt.“

„Danke“, sagte Jana, nahm die Hülle mit der DVD und verstaute sie in ihrem Rucksack. „Ist eigentlich alles klar bei dir?“

„Ja. Warum auch nicht?“, erwiderte Natascha.

„Na ja, ich dachte vielleicht wegen gestern. Du bist schließlich einfach gegangen.“

„Ich bin nicht einfach gegangen. Das hatte seinen Grund!“

„Aber Lilli hat es doch nicht so gemeint.“

„Natürlich hat sie es so gemeint! Sie kann Klaus nicht leiden und gönnt mir mein Glück nicht.“

„Bist du also mit ihm zusammen?“

„Nein“, antwortete die Blonde und sagte es mit einer Überzeugung in der Stimme, durch die Jana nur glauben konnte, dass es stimmte.

„Hoffentlich vertragt ihr euch bald wieder, das ist schließlich kein Grund, sich zu streiten.“

Mit der Zeit kamen immer mehr Mitschüler in den Raum. Kurz vor Stundenbeginn betrat auch Anne den Unterrichtsraum. Natascha, die ganz vorn am Gang saß, hatte ihre Zeichenmappe und die Federtasche etwas über den Rand des Tisches platziert, um ausreichend Platz für die Zeichnung zu haben. Anne lief nun so dicht am Tisch vorbei, dass sie die Sachen streifte, wodurch sie herunterfielen. Alle Stifte verteilten sich auf dem Fußboden.

„Ach, das tut mir aber leid“, sagte Anne und sah Natascha mit wütend funkelnden Augen an, bevor sie ohne beim Aufsammeln zu helfen weiterlief. Der Sarkasmus in ihrer Stimme war nicht zu überhören gewesen.

 

„Was war das denn für eine Aktion?“, fragte Jana leise, als Natascha wieder neben ihr saß.

„Keine Ahnung. Aber so kennen wir unsere Lieblingszicke doch.“

„Hoffentlich hat sie dich jetzt nicht auf dem Kicker. Wenn du sagst, du warst mit Klaus beim Theaterstück, haben euch bestimmt auch ihre Freunde gesehen und es berichtet.“

„Ach, das war bestimmt nur Zufall“, winkte Natascha ab, war sich aber nicht sicher. Klaus hat ja gestern gesagt, dass seine Freunde uns auch am Freitag im Kino gesehen haben. Das letzte, das ich will, ist Stress mit Anne.

 

***

 

Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug. Die meisten Nachmittage unter der Woche verbrachten Klaus und Natascha gemeinsam, erledigten Hausaufgaben, lernten für Tests oder fragten sich gegenseitig ab.

Einen Tag des Wochenendes unternahmen sie etwas zu zweit, der Freitagabend und der zweite Tag des Wochenendes waren reserviert für Unternehmungen mit Freunden und Familie. Meist unternahmen sie etwas Sportliches, fuhren den Weg am Deich mit Inlineskates entlang oder probierten verschiedene Radwege aus. Kino- oder Barbesuche verlegten sie in die nächstgrößere Stadt, die nur zwanzig Fahrminuten entfernt war, um Begegnungen mit Freunden und Bekannten aus dem Weg zu gehen.

Wenn sie sich in den Pausen Nachrichten schickten, achteten sie stets darauf, dass sie mit dem Rücken zur jeweils anderen Gruppe standen. Es durfte nicht der Eindruck entstehen, dass sie miteinander kommunizierten.

„Mit wem textest du eigentlich die ganze Zeit?“

Christian warf einen Blick auf Klaus‘ Handy, doch der zog es hastig weg.

„Niemandem, den ihr kennt.“

„Mein Herz?“ Christian hatte den gespeicherten Kontakt erspähen können. „Hast du also doch eine Neue!“

„Was?“, brachte sich Pascal ein. „Warum wissen wir nichts davon?“

„Weil es noch ganz frisch ist…“ Klaus versuchte allgemeingültig zu antworten, ohne etwas preis zu geben.

„Hast du etwa Angst, dass sie dich nicht mehr will, wenn sie uns kennen lernt?“ Pascal und Christian lachten laut auf.

„Das sollte euch zu denken geben“, erwiderte Klaus und fiel in das Lachen mit ein.

 

In der Mathestunde hatten sie mehrere Aufgaben zum Lösen erhalten und sollten sich nun selbst durchschlagen. Partnerarbeit war dabei natürlich erlaubt. Natascha drehte sich zum hinteren Tisch herum und sah in Klaus‘ Augen. Sie versuchte ein neutrales Gesicht aufzusetzen und nicht zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd. 

„Sag mal, ich habe grad Probleme mit dem Ableiten. Wie gehe ich an dieser Stelle vor?“, fragte sie und deutete an die Stelle in ihrer Gleichung, die ihr Probleme bereitete.

Wie zufällig berührte Klaus‘ Finger den ihren, als er ebenfalls damit auf die Gleichung tippte und ihr erklärte, wie sie beim Ableiten vorgehen musste. Diese kleine Berührung reichte schon, um ihr Herz zum Rasen zu bringen.

„Danke schön. Ich glaube, nun komme ich allein weiter.“

„Gern. Frag einfach, falls wieder eine Schwierigkeit auftritt“, erwiderte Klaus und widmete sich wieder seiner Rechnung. Auch sein Herz schlug schneller als sonst und er freute sich schon jetzt auf den Nachmittag mit Natascha.

 

 

Am Nachmittag saßen Natascha und Klaus in der Küche und tranken mit seinen Eltern Kaffee. Sie hatten Natascha freundlich als neue Freundin ihres Sohnes aufgenommen, unterhielten sich offen mit ihr über alle möglichen Themen und hatten ihr nach kurzer Zeit bereits das Du angeboten. 

„Weißt du eigentlich schon, was du nach dem Abi machen möchtest?“, fragte Klaus‘ Vater.

„Ich dachte an ein Studium der Umwelttechnik. Es interessiert mich und wird in den nächsten Jahrzehnten ungemein gefragt sein.“

„Bist du technisch veranlagt?“

„Naja, mein Vater hat eine Autowerkstatt, da war ich als Kind oft und habe das ein oder andere gelernt.“

„Das ist dann natürlich praktisch“, meinte Klaus‘ Vater und nickte anerkennend.

„Und welche Uni wird es werden?“, wollte nun die Mutter wissen. Klaus verdrehte schon die Augen, für ihn glich es mehr einem Verhör als einer Unterhaltung.

„Ich hatte etwas recherchiert und im Ranking ist Hamburg ganz oben, gefolgt von Wuppertal und Stuttgart. Aber Hamburg könnte ich mir gut vorstellen“, antwortete Natascha. „Bewerben werde ich mich aber an allen Unis, um die Chancen der Annahme zu erhöhen.“

„Das ist vernünftig.“

„Hamburg würde auch zu meinen Plänen passen. Durch Airbus sind sie gut aufgestellt beim Studiengang Flugzeugbau“, warf nun Klaus ein.

„Na, das klingt doch gut.“ Seine Eltern warfen sich einen vielsagenden Blick zu, freuten sich über die Aussage ihres Sohnes. Für sie war Natascha die bessere Freundin für Klaus, mit Anne waren sie nicht warm geworden.

Nach dem Kaffee trinken verzogen sich die beiden in Klaus‘ Zimmer.

„Meinst du das ernst, dass du in Hamburg studieren willst?“

„Klar. Hamburg und Stuttgart stehen ganz oben für Flugzeugbau. Und beide Städte bieten auch deinen Studiengang an. Das würde doch super passen. Wir könnten in der gleichen Stadt sein“, antwortete Klaus.

„Das wäre schön, wenn wir uns nicht gleich zu Beginn unserer Beziehung wieder räumlich trennen müssten.“

„Ja, das wäre es.“

Klaus hatte sie auf seinen Schoß gezogen und mit einem intensiven Blick angesehen, bevor er anfing sie zu küssen. Seine Hände, die zunächst auf ihren Oberschenkeln gelegen hatten, glitten nun unter ihr Shirt und sanft den Rücken hinauf. Seine Hände waren wunderbar warm, trotzdem bekam Natascha eine Gänsehaut. Mit seinen Händen schob sich auch ihr Shirt weiter hinauf und bereitwillig hob sie die Arme, damit er es ihr über den Kopf ziehen konnte.

Während sie sich weiterküssten, lagen seine Hände auf ihren Hüften, doch langsam glitten sie wieder ihren Rücken hinauf und öffneten gekonnt den Verschluss ihres BHs. Er schob die Träger von ihren Schultern und als Natascha den BH abstreifte, zog sich Klaus sein Shirt über den Kopf. Er setzte sich aufrecht hin und zog Natascha zu einem erneuten Kuss an sich, wodurch sich sein Oberkörper gegen ihren presste und er ihre festen Brüste an seiner trainierten Brust spüren konnte. 

Als er ihre Hose öffnen wollte, griff sie nach seinen Händen und hielt sie fest. „Ich… ich möchte das nicht.“ Es war fast ein Flüstern. „Noch nicht.“ Natascha schloss ihre Augen und lehnte ihre Stirn gegen Klaus‘ Stirn. „Es tut mir leid.“

Er löste seine Hände aus ihren, griff nach ihrem Kopf und schob ihn etwas von sich weg. Grüne Augen mit ängstlichem Blick trafen auf grüne Augen mit liebevollem Blick.

„Du brauchst dich nicht entschuldigen. Wenn du noch nicht bereit dazu bist, weiter zu gehen, dann gehen wir nicht weiter. Natürlich möchte ich, dass unsere Beziehung auch körperlich wird, aber dafür musst du es auch wollen.“ Sein Blick fixierte sie. „Ich habe dich auch so lieb. Verstanden?“

„Verstanden“, wieder brachte Natascha nur ein Flüstern zustande. Trotz seiner lieben Worte ging ihr immer wieder ein Gedanke durch den Kopf. Anne hätte bestimmt nicht nein zu ihm gesagt.

 

Am Abend, Natascha war schon lange wieder zuhause, wurde dieser Gedanke immer quälender und ließ sie nicht einschlafen. Warum er wohl mit Anne Schluss gemacht hat? Sie sieht gut aus, viel besser als ich, und hat jede Menge Erfahrung mit Jungs. Zumindest wenn man den Geschichten glauben mag, die im Umlauf sind. Und jetzt traue ich mich nicht, mit ihm zu schlafen. Er wird bald genug von mir haben. Tränen stahlen sich in ihre Augen. Ich würde so gern mit Jana oder Lilli darüber reden und mir einen Rat holen. Lautlos liefen die Tränen über ihr Gesicht. Die Geheimniskrämerei war anfangs eine gute Idee gewesen, um sich vor allem auch nicht von den Freunden abzusondern durch die gegenseitige Antipathie, doch durch ihre eigene Unsicherheit fehlte Natascha damit ein Ansprechpartner mit dem sie darüber reden konnte. Ich kann doch Klaus nicht sagen, dass ich Angst habe, mit Anne verglichen zu werden und diesem Vergleich am Ende nicht standhalte.

 

***

 

Jana stand in der Mittagspause allein an ihrem Stammplatz. Natascha gesellte sich zu ihr und wollte nach einigen Minuten wissen: „Jana, darf ich dich was fragen?“

„Ja, na klar. Was ist denn los?“, fragte die Freundin sofort.

„Naja, also, wie war das mit Matthes und dir… also, woher wusstet ihr, dass ihr bereit seid für Sex beziehungsweise hat Matthes dich irgendwie gedrängt?“

„Wo kommt das denn plötzlich her? Mit so einer Frage habe ich nicht gerechnet.“

„Ist schon okay. Du musst mir nicht antworten“, erwiderte Natascha und ließ den Kopf sinken.

„Tascha, natürlich antworte ich dir darauf, ich habe nur nicht damit gerechnet, weil ich nicht wusste, dass du dich mit diesem Thema beschäftigst.“

„Okay. Danke“, Natascha raffte sich zu einem Lächeln auf.

„Also, wir waren so ungefähr drei Monate zusammen, als es zum ersten Mal kam. Ich wusste, dass Matthes bereits Erfahrung hat, aber er hat es mich nicht spüren lassen, dass er unbedingt mit mir schlafen möchte. Keine Ahnung, irgendwann kam es ganz spontan dazu. Wir haben uns geküsst und gestreichelt und es fühlte sich richtig für mich an, weiter zu gehen.“

„Kennst du denn seine Exfreundin?“

„Nein, sie ist an einer anderen Schule“, antwortete Jana.

„Und du hast nie darüber nachgedacht, wie sie so ist?“

„Du meinst, ob ich eifersüchtig auf sie bin?“

„Ja, irgendwie schon ein bisschen.“

„Darüber nachgedacht, wie seine Ex so ist, habe ich schon. Aber im Endeffekt ist sie seine Ex und es gibt Gründe dafür, warum Matthes nicht mehr mit ihr zusammen ist, sondern mit mir. Deshalb lasse ich diese Gedanken gar nicht weiter zu. Weißt du, was ich meine?“

„Ja.“ Natascha nickte zur Unterstützung. „Danke für deine ehrliche und offene Antwort.“

„Kein Problem, Süße. Darf ich fragen, weshalb du danach fragst.“

„Es ging mir so durch den Kopf“, versuchte sie ausweichend zu antwortend und Jana ging nicht weiter darauf ein.

„Du bist neben Lilli meine beste Freundin. Du darfst mich alles fragen. Okay?“

„Okay“, sagte Natascha und umarmte ihre Freundin spontan.

 

***

 

„Ich weiß auch nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Klaus nicht ehrlich zu uns ist. Ich kam gestern nach dem Training bei ihm vorbei und da habe ich Natascha und ihn an der Haustür stehen sehen. Ob sie doch zusammen sind?“ Christian warf seine Überlegung in den Raum.

„Oh shit.“

„Dann war das damals im Kino also doch ein Date“, schlussfolgerte Steffi.

„Und wir haben sie ja beim Theaterstück gesehen“, brachte Sabrina ein und Lydia nickte zustimmend.

„Das kann doch nicht sein Ernst sein. Ausgerechnet Natascha.“

„Man kann sich nun mal nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Wo die Liebe hinfällt und so“, versuchte Steffi zu beschwichtigen.

„Das ist doch Quatsch.“

„Wie haben sie sich überhaupt kennenlernen können? Ich meine, sie geht ja nicht auf Partys und zur Leistungskursfahrt war sie auch nicht bei uns dabei.“

„Vermutlich einfach durch den Unterricht. In Mathe vergleichen sie ständig ihre Ergebnisse.“

Pascal hatte ein nachdenkliches Gesicht aufgesetzt und war bisher nicht am Gespräch beteiligt gewesen. Nun fragte er: „Müssen wir das hinnehmen oder müssen wir seine Freunde sein und versuchen, sie auseinander zu bringen?“

Betretenes Schweigen trat in die Gruppe, die im Shining saß und die erste Cocktailrunde trank.

„Eigentlich können wir das nicht bringen. Es ist schließlich seine Entscheidung“, brach Steffi die Stille.

„Aber wir müssen ihn doch vor diesem Fehler bewahren.“

„Nur, weil wir denken, es wäre ein Fehler, muss es jedoch keiner sein, oder?“

„Und, selbst, wenn wir mit Klaus reden und ihm sagen, dass es ein Fehler ist, mit Natascha zusammen zu sein – ihr kennt ihn doch, er ist stur und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann bringt man ihn nicht so schnell davon ab.“

„Wer lässt sich so schnell nicht wovon abbringen?“ Anne war zu der Gruppe getreten, neben ihr stand Anton. Sie hatten sich in den letzten Wochen gelegentlich getroffen, vor allem im Roxx oder Shining.

„Wir meinten nur, dass Klaus ziemlich stur sein kann, wenn er will“, antwortete Pascal, während alle zusammenrutschten, um den beiden Neuankömmlingen Platz zu machen.

„Oh ja, davon kann ich ein Lied singen. Vor allem wollte er nie, was ich wollte“, meinte Anne und griff nach der Getränkekarte. „Was will er denn dieses Mal nicht?“

„Naja, es geht wohl eher darum, dass er vermutlich etwas will, das wir nicht für gut halten“, antwortete Sabrina ausweichend.

„Und das wäre?“, Anne ließ einfach nicht locker.

„Wir denken, dass er heimlich mit Natascha zusammen ist. Pascal hat sie gestern wieder zusammen gesehen.“

„Natascha?“ fragte Anton. „Natascha Schmidt?“

„Ja, kennst du sie?“, wollte Lydia wissen.

„Wir waren zusammen im Kindergarten und unsere Eltern sind befreundet, wir sehen uns gelegentlich“, berichtete Anton. „Soll ich sie fragen, ob sie einen Freund hat? Wir machen am Sonntag eine Radtour.“

„Das wäre super von dir.“

„Klar, kein Problem“, meinte Anton.

Die Clique lenkte das Gespräch nun auf ein anderes Thema, sie wollten Anton nicht zeigen, dass sie Natascha nicht mochten. Vielleicht konnte es noch helfen, dass sie ihn quasi als Insider hatten.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  CaveJohnson
2020-06-08T16:40:05+00:00 08.06.2020 18:40
Okay, wieder ziemlich viel los in dem Kapitel, fange ich mal an.

Die Gespräche am Anfang zwingen mich dazu, etwas Bestimmtes anzusprechen.
Das habe ich zwar schon öfter gesagt, aber ich denke, jetzt wird es mal Zeit, das hier noch mal zu erwähnen.
Ganze Zeit wird von der einen Seite gesagt, wie schlimm, die andere sei, aber wirklich Beweise gibt es dafür nicht. Die eine Seite sagt, Klaus ist schlimm, die andere sagt, Natascha ist schlimm.
Wenn beides stimmt, dann kann ich nicht verstehen, wieso ausgerechnet Klaus und Natascha zusammenkommen, angesichts der starken Gegensätze. Und dadurch, dass das der Hauptkonflikt der Geschichte ist, fällt das natürlich noch mehr auf.

Die ,,Fast-Sexszene“ auch wieder recht typisch, auch wenn es natürlich wieder irgendwie zum Charakter passt. Habe ich aber auf jeden Fall kommen sehen.^^

Die Szene mit Jana ist eine gute Idee, da so wenigstens eine Nebenfigur etwas mehr Charakter bekommt.
Vielleicht hätte man das auch als Chatverlauf machen können, weil das ja ein recht diskretes Thema ist, und das zu Natascha passen würde.

Zum Schluss muss ich mich mittlerweile dann doch schon fragen, wie alt diese Figuren eigentlich sind. 12?
Oder warum haben die nichts Besseres zu tun, als ganze Zeit ihre Freunde auszuspionieren.

Ich meine, hör dir das an:

Pascal hatte ein nachdenkliches Gesicht aufgesetzt und war bisher nicht am Gespräch beteiligt gewesen. Nun fragte er: „Müssen wir das hinnehmen oder müssen wir seine Freunde sein und versuchen, sie auseinander zu bringen?“

Als seine Freunde haben sie die Pflicht, die beiden auseinander zu bringen?
Es gab noch nicht mal einen Grund, dass man eine potenzielle Beziehung zwischen den beiden für gefährlich halten könnte. Wenn es da einen offensichtlich schlechten Einfluss gäbe, könnte ich das ja verstehen.

Oder auch hier wieder eine fragwürdige Stelle.

„Oh ja, davon kann ich ein Lied singen. Vor allem wollte er nie, was ich wollte“, meinte Anne und griff nach der Getränkekarte. „Was will er denn dieses Mal nicht?“

Ich meine, da fragt man sich doch, warum Anne überhaupt Freunde hat. Und dass Anton sich bei diesen Worten nicht sofort von ihr distanziert, kann ich nicht nachvollziehen.

Naja, gibt paar Sachen, die ich ein wenig seltsam finde, aber ich bin mal gespannt, wie sich das noch entwickelt.^^

Viele Grüße
CJ
Antwort von:  Atina
08.06.2020 21:07
Oh man, in meinem Kopf ist das immer alles total logisch. Aber scheinbar sind die grauen Zellen doch nicht richtig miteinander verknüpft. ^^
Das mit dem Konflikt, der nicht richtig aufgearbeitet ist, hatten wir bei "Amalia" auch schon - da habe ich tatsächlich eine Alternative gefunden, dei zwar das gesamte Ende verändert, aber mehr Erklärung gibt. Vielleicht finde ich für diese Geschichte auch noch etwas....

Nee, natürlich sind die nicht 12... aber ist ja kein Ausspionieren in dem Sinne, wenn man auf dem Nachhauseweg genau zum richtigen bzw. falschen Moment vorbeikommt, oder?
Das Problem der coolen Clique ist eben das Image.... Aber ja, hat natürlich wieder mit dem Konflikt an sich zu tun, der nicht ausgearbeitet ist. :( Oh man....

Das "Vor allem wollte er nie, was ich wollte" - das muss sich ja nicht auf ihre allgemeine Einstellung beziehen.

Danke für deinen Kommentar. :)
Antwort von:  CaveJohnson
08.06.2020 21:26
Aber so wie die sich da als Gruppe darüber besprechen, kommt mir das schon komisch vor. Und gerade wenn das so oft passiert, mit dem ,,richtigen/falschen Moment" halte ich das auch für keinen Zufall.

So wie sie das sagt, klingt es halt wieder sehr egozentrisch, zumindest für mich.^^


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