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Rot und Blau

von

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Fragen

Langsam zog ich den Reißverschluss meines neuen, aber hässlichen Mantels nach oben und hörte mir das surrende Geräusch an.

Dann blieb ich stehen und atmete einmal tief ein und aus.

Meine Gedanken waren immer noch das reinste Chaos, selbst logisches Nachdenken führt zu keiner guten Lösung.

Das wichtigste waren jetzt definitiv die Kinder, danach der Fluchtweg, den ich mir noch irgendwie überlegen musste.

Tief seufzte Ich, dann kam ich aus der Umkleidekabine raus.

Der Android sah mich kurz musternd an, dann drehte er sich um und ging los.

"Wir sollten uns beeilen, es ist schon spät"

Mit etwas Abstand folgte ich ihm schließlich und musterte seinen Rücken aufmerksam.

Es war eigentlich unglaublich.

Wenn auf seinem Jackett nicht dieser RK800 Android Schriftzug stehen würde, dann würde er als Mensch durchgehen.

Sein Gang, die Arme die er leicht bewegte, seine ganze Haltung.

Verdammt, das ist unheimlich.

Gerade als ich etwas sagen wollte, stolperte ich beinahe über etwas.

Verwirrt sah ich nach unten und erblickte dort ein Tablet. Als ich es hochnahm und versuchte anzuschalten, schlug mir sogleich dessen Licht entgegen.

Meine Augen brannten sofort schmerzlich, immerhin bin ich seit geraumer Zeit im dunklen unterwegs und meine Augen hatten sich dem mehr oder weniger angepasst.

Murrend rieb ich mir die Augen, dann gewöhnte ich mich an das Licht und erblickte sogleich einen Artikel, der mir entgegen leuchtete.

Erster Prototyp der RK800 Reihe von CyberLife, als Ermittler beim Detroit Police Department angestellt.

Perplex sah ich drein, ehe ich beinahe von selbst mit meinen Zeigefinger über das Tablet wischte, um den ganzen Artikel lesen zu können.

Das erste was ich prompt sah, war Connors Gesicht.

Mir blieb wortwörtlich die Spucke weg als ich las, dass der AK800 einzig und allein dafür geschaffen wurde, um Abweichler zu jagen und zu eliminieren.

Meine Augen flogen über den Artikel hinweg, ich wollte alles lesen, bis ich plötzlich einen Stoß bekam und unsanft zu Boden stürzte.

Schmerzlich keuchte ich auf und ließ dabei das Tablet aus meinen Händen fallen. Sogleich zerbrach es und alles wurde wieder in Dunkelheit getaucht.

Erst wollte ich aufgebracht schimpfen, bis ich plötzlich Schüsse hörte und wütende Schreie.

Schnell warf ich mich ganz zu Boden und hielt die Arme schützend über meinem Kopf.

Es folgten noch weitere Schüsse, ganz nah bei mir, was mich fast erneut zum Hyperwendeliren brachte.

Panisch sah ich etwas nach oben. Durch die Pistolen Schüsse wurde die Umgebung kurzzeitig erleuchtet, aber es war nur für eine kurze Sekunde. Ich könnte zwar die Richtung ausmachen aus der geschossen wurde, aber ich weiß immer noch nicht, wer das Feuer eigentlich eröffnet hat.

Langsam und vorsichtig krabbelte ich mich nun vorwärts, Hauptsache fort aus dem Schussfeld.

Hinter einer Kühlbox für Eis, fand ich immerhin etwas Schutz.

Ängstlich hielt ich mir die Ohren zu und starrte auf irgendeinen Punkt auf dem Boden, um mich abzulenken.

Jeder Schuss der laut in dieser Mall wiederhallte, ließ mich unweigerlich zusammen fahren und erzittern.

Ich wollte es ja nur ungern zugeben...aber ich sterbe gleich vor Angst!

Plötzlich wurde ich am Arm gepackt, was mich laut aufschrien ließ.

Hastig wollte ich meinen Arm wegziehen, aber da wurde mir bereits eine Hand auf den Mund gedrückt. Panisch sah ich in ein braunes Augenpaar, welches mich aufmerksam musterte

Ein junger Mann mit afroamerikanischen Aussehen und wildem, ungekämmten Rasta Locken blickte mir entgegen und musterte mich.

Dann hob er plötzlich mein Kinn an, drehte es um an meine Stirn zu blicken. Dann setzte er eine Art Brille auf, die wiederum eine Art Lichtstrahl erzeugte und diesen einmal über meinen Körper führen ließ.

Verwirrt und mit wild klopfendem Herzen sah ich ihn an und brachte kein Wort über meine Lippen.

Er nahm die Brille wieder ab und musterte mich erneut eingehend, was ich auch zaghaft tat. Er trug einen abgetragenen und schmutzige Hoodie und teilweise zerrissene Jeans, wirkte aber nicht wie ein Obdachloser, oder Junkie. Eher wie jemand, der einfach keine Zeit fand sich mal gründlich zu säubern. Ging mir ja nicht viel besser.

„Du bist kein Android. Aber der dort, oder?“, sprach mich der junge Mann an und deutete mit einem Kopfnicken in die Richtung, aus der weitere wilde Schüsse zu hören waren.

Langsam nickte ich und starrte ihn mit großen Augen weiterhin an…was ihn wohl kurzzeitig amüsierte, denn ein verschmitztes grinsen zierte seine Lippen.

„Bleib cool, ich wollte nur wissen ob du ein Android bist. Mit dieser Brille kann ich deine Körpertemperatur sofort messen“

Trotzdem musste ich schlucken. „Und was hättest du gemacht, wenn ich ein Android wäre?“

Der junge Mann grinste weiterhin. „Dich abgeknallt. Ich bin übrigens Liam“ Er bot mir seine Hand an, die ich jedoch nicht wirklich zur Kenntnis nahm, da ich ihn fassungslos ansah.

Ich sollte…umgebracht werden!?

Ehe ich meinen Unmut wütend kundtun konnte, fiel in der Nähe von uns etwas dumpf zu Boden, nachdem ein weiterer lauter Pistolenschuss die Luft zerschnitten hatte.

„Scheiße, Mike!“, rief Liam erschrocken als er die Leiche seines Freundes sah, dann griff er seine Pistole, die an seinem Gürtel steckte und hob einmal seine Hand und schoss mitten in das Schussfeld, um den näher kommenden Androiden auf Abstand zu halten.

Aber irgendwie hegte ich den großen Verdacht, dass der AK800 sich von so einer Witznummer nicht wirklich beindrucken ließ.

Liam lugte hinter der Kühlbox vor, dann schoss er sofort fluchend. Gerade noch so konnte er sich neben mir in Sicherheit bringen, als ein weiterer Kugelhagel losging.

Schnell hielt ich mir die Ohren zu und war drauf und dran loszuheulen. Dieses ganze Geballer macht mir Angst! Jede Kugel hat so einen lauten Knall, das es mir durch Mark und Bein geht.

Panisch versuchte ich mich nun ganz klein zu machen und kniff die Augen zu, in der Hoffnung das alles auszublenden und am besten an einem ganz anderen Ort wieder aufzuwachen.

Doch diese Tagträume waren mir einfach nicht gegeben.

„Scheiße, der schießt besser als erwartet! Hast du dem was geklaut, oder warum ballert er, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her?!“, schrie Liam zwischen den ganzen Schüssen aufgebracht und versuchte ebenfalls zu schießen und Connor zu erwischen.

Seinem Fluchen nach zu urteilen, gelang ihm das eher nicht.

Unsicher biss ich mir auf die Lippen, als ich mir den Artikel ins Gedächtnis rief, den ich vor nicht mal fünf Minuten kurz überflogen hatte.

Dieser RK800, mit Namen Connor, soll doch der neuste Prototyp von CyberLife sein und dazu erschaffen, um Abweichler aufzuspüren und diese zu eliminieren.

Ich bezweifle das er sie todgekuschelt hat, auch wenn ich kurz kichern musste, während mir bereits Tränen der Panik die Wange hinunter liefen.

Es ist vorbei.

„Verschwinde schnell, der wird dich umbringen!“, rief ich Liam zu, der sich nun fragend kurz zu mir drehte und mich musterte.

„Wieso? Der ist nur ´ne Blechbüchse!“

Ein Schuss, der knapp an Liams Kopf vorbei schoss, prallte nun in den Gefrierschrank und durchschlug diesen mit einem lauten Knall. Kühlflüssigkeit trat aus und tropfte nun zu Boden.

„Okay, eine Blechbüchse die gut zielen kann!“, rief der junge Mann verärgert und holte sich fluchend ein neues Magazin für seine Pistole aus seiner Seitentasche.

Eilig packte ich Liam an den Schultern und sah ihn eindringlich an, denn mir war sehr wohl bewusst, dass er vermutlich mehr können wird, als nur gut zu zielen.

„Verschwinde, schnell!“, schrie ich beinahe, während mir Tränen haltlos über die Wangen liefen.

Ich hatte keine Ahnung warum meine Tränen einfach so flossen, aber vermutlich war es der ganze Stress der letzten Stunden, der das Fass mit dieser Schießerei nun endgültig zum Überlaufen brachte.

Liam sah mich kurz unschlüssig an. „Verdammt, was wird dann aus dir?“, fragte er nervös, als er mein verheultes Gesicht betrachtete.

„Mir passiert nichts, aber du musst verschwinden! Sofort!“, wies ich ihn eindringlich an und wischte mir schnell die Tränen aus den Augen, damit ich ihn immerhin auch sehen konnte.

Kein Unschuldiger sollte wegen mir sterben müssen, nur weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war.

„Scheiße, du machst mich ja echt schwach, Süße. Also gut, ich hau ab. Aber keine Sorge, ich komme wieder, dann rette ich dich!“

Kaum endete er mit seinem Satz da spürte ich, zu meinem Schreck, seine Lippen auf meinen. Entgeistert wich ich schlagartig zurück und krachte mit meinen Kopf gegen den Gefrierschrank hinter mir.

Liam schmunzelte kurz, dann rannte er auf und davon und verschwand zwischen den Schuhregalen, die ich erst vor kurzen noch durchstöbert hatte.

Fluchend rieb ich mir meinen schmerzenden Kopf und verfluchte ebenfalls diesen schamlosen Kerl.

Was fällt dem überhaupt ein, mich einfach so zu küssen?!

Doch fast im selben Augenblick, sah ich etwas anderes aus den Augenwinkeln auf mich zukommen. Sofort hielt ich die Klappe und guckte den RK800 mit großen Augen an.

Zu meiner Überraschung klebte tatsächlich etwas blaues Blut auf seinem Anzug. Liam hatte ihn tatsächlich am Arm erwischt.

Vermutlich nur ein Glückstreffer.

Connor sah aufmerksam auf mich hinab, seinen Blick nach zu urteilen, scannte er mich wohl ausgiebig. Frustriert seufzend sah ich zur Seite und zog meine Beine eng an mich, ehe ich meinen Kopf darauf betete.

„Mir geht’s gut, danke der Nachfrage“

Gerade als er sich in Bewegung setzte und die Richtung einschlagen wollte, in der Liam verschwunden war, sprang ich schnell auf und packte ihn am Arm.

Bittend sah ich zu ihm auf und musste erneut schlucken. „Bitte…lass ihn gehen, okay? Er ist weg und wird auch keinen Ärger mehr machen“, versicherte ich ihm verzweifelt.

Ich war mir nicht wirklich sicher, ob es dem RK800 überhaupt interessiert, was ich zu sagen habe. Abgesehen davon, könnte er mich ja wie gesagt jede Sekunde erledigen.

Er sah noch kurz in die Richtung, in der Liam verschwunden war, dann sah er wieder zu mir. „Warum hast du geweint?“

Verblüfft blickte ich Connor an. Woher weiß er…?

Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und schnaufte einmal frustriert auf, ehe ich langsam den Kopf schüttelte.

„Das ist doch egal, ich will weg von hier“, murmelte ich verdrossen, als ich den Androiden nun wieder los ließ.

Angestrengt ließ ich meine Augen durch die dunkle Mall spähen, jedoch war mein Sichtfeld soweit eingeschränkt, das ich am liebsten erneut fluchen wollte.

Connor jedoch kniete sich jetzt zu dem Mann hin, den er vor ein paar Minuten erschossen hatte und schien ihn genau zu analysieren.

Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn unauffällig beobachtete.

Zu gerne hätte ich diesen Artikel zu Ende gelesen über diesen Prototypen von CyberLife. Er soll der modernste Android der Welt sein, was mag er dann noch für Fähigkeiten haben?

Anscheinend kann er schon mal gut Schießen, ziemlich gelassen bleiben und mir das Leben zur Hölle machen.

Wow…ich seufzte noch einmal schwer.

Wenn diese Connor Einheit dazu erschaffen wurde, Abweichler zu fangen…warum ist er dann einer von ihnen?

Plötzlich jedoch sprach er mich an, was mich unweigerlich zusammenzucken ließ.

„Die beiden Männer sind Mitglieder einer berüchtigten Drogenbande in Detroit. Dieser hier ist Mike Williams und er hat unteranderem Vorstrafen im Drogenhandel, Diebstahl, Mord und räuberische Erpressung“

Kurz musste ich schlucken und schielte nun wieder zu ihm, als er sich geradezu geschmeidig erhob. „Gut…das er Tod ist?“, fragte ich unsicher, da ich mir keinen Reim darauf machen konnte, was er jetzt genau von mir hören wollte.

Connor schien kurz zu nicken, dann wirkte sein Blick wieder leicht nachdenklich. Ich wollte mir die Leiche gar nicht anschauen, da ich mir bereits jetzt schon sicher war, das mir etliche Alpträume noch meinen Schlaf ruinieren werden.

Blind ging ich durch die Mall, stieß dabei immer wieder gegen irgendwelche Kleiderständer, Schränke und anderen umgeworfenem Mist, der mich selbst fast zu Fall brachte.

Endlich war ich wieder bei meinem Kleiderberg angekommen, den ich so liebevoll angehäuft hatte. Ebenso liebevoll versuchte ich nun alles in einen großen Rucksack zu stopfen, den ich mir unterwegs noch schnell aufgesammelt hatte.

Die Schritte die die ganze Zeit hinter mir waren, nahm ich kaum noch war. Während ich mühevoll versuchte, den Rucksack zu schließen, kam ein leises grummelndes Geräusch aus meiner Bauchgegend.

Grimmig schloss ich endlich den Rucksack und atmete erleichtert aus. Endlich ist der zu!

Als ich mir den Rucksack aufsetzten wollte, wurde mir erst einmal bewusst wie verdammt schwer er war. Nur mit Mühe, konnte ich den Rucksack überhaupt erst anheben.

Vermutlich breche ich mir noch das Kreuz…hielt mich jedoch nicht im Geringsten davon ab, es immerhin zu probieren. Schließlich muss ich die Kleidung schnell zu Adam und Amber bringen!

Doch mein zweifelhaftes unterfangen wurde sogleich im Keim erstickt, als Connor mir den Rucksack einfach abnahm und mich prüfend musterte.

„Du solltest etwas essen“, riet er mir ruhig und hielt mir etwas entgegen. Verwirrt sah ich genauer hin und erkannte eine eingeschweißte Sandwich Packung.

„Das Mindesthalbarkeitsdatum ist der 29. Dezember 2038, die Kalorien betragen 223 Gramm, dazu einen Fettgehalt von 13 Gramm und-„

Doch ehe er mir weiter seinen Vortrag halten konnte, zerrte ich ihm die Packung einfach aus der Hand und riss sofort diese sofort auf.

Schnell nahm ich einen großen bissen und seufzte zufrieden auf. Seit Tagen habe ich nichts mehr gegessen! Vermutlich schmeckt dieser Fraas furchtbar, doch momentan kam es mir vor wie der Himmel auf Erden.

Innerhalb weniger Sekunden hatte ich alles aufgegessen und ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf meinem Gesicht. Nie und nimmer hätte ich gedacht, wie glücklich einen der gefüllte Magen macht.

Dennoch spürte ich weiterhin den prüfenden Blick des Androiden auf mir liegen, was mich fast schon wieder nervös machte.

Kurz räusperte ich mich und wischte mir, nicht sehr Damenhaft, mit meinem Mantel über den Mund, um etwaige Essensreste zu entsorgen.

„Das war…ganz lecker. Danke“, sprach ich leise und sah kurz verlegen zu ihm hoch. Er schien seine Mimik nicht sonderlich zu verändern, was mich wieder daran erinnerte, dass es sich hier um eine Maschine handelt und nicht um einen Menschen aus Fleisch und Blut.

Dann fiel mein Blick auf die Schusswunde und das blaue Blut, welches dort klebte. „Hast du keine Schmerzen?“, versuchte ich dezent das Thema zu wechseln.

„Nein, ich verliere nur Thirium. Sollte ich jedoch zu viel davon verlieren, kann ich genauso sterben wie ein Mensch“

Nun wurde ich hellhörig. Ein einziges Wort machte mich ziemlich neugierig.

„Sterben?“, wiederholte ich langsam und sah ihn aufmerksam an. Er schien meine Gedankengänge zu erkennen, denn er sprach sogleich weiter. „Ich würde mich abschalten, wenn dir das eher zusagt“

Nachdenklich sah ich drein. Er wirkte professionell, souverän und dennoch war seine Art irgendwie…anpassungsfähig. Ich konnte es nicht genau benennen, aber er sprach von abschalten, statt sterben, als ich mir darunter nichts vorstellen konnte.

Ich schluckte. Immerhin war es hier drinnen ziemlich dunkel, so muss ich ihm wenigstens nicht in die Augen blicken, wenn ich jetzt gleich Fragen stellen werde.

Lediglich dieser Kreisförmige, leuchtende Kreis an seiner Schläfe, gibt mir Anhaltspunkte in welcher Richtung er gerade blickt.

„Hör zu“, fing ich zaghaft an. „Ich will jetzt einfach nur wissen, was du genau vorhast mit den Kindern. Ich weiß, dass ich unbrauchbar bin. Aber ich werde die Kinder nicht einfach so im Stich lassen“

Er schien mit seiner Antwort zu warten, vielleicht kam es mir aber auch nur so vor.

„Du wirst es frühzeitig erfahren, dann wirst du es verstehen. Nun sollten wir zurückgehen zu den anderen“, antwortete er ruhig und schritt sogleich los.

Ich sah ihm nach, rang mit mir nicht einfach wegzurennen.

Aber wohin sollte ich schon rennen und vor allem was sollte aus den Kindern werden, wenn ich dann erst weg war?

Sie laufen geradewegs in ihr Unglück.

Kurz darauf setzten sich meine Füße doch in Bewegung, folgten dem Androiden nun durch die dunklen Gassen von Detroit.

Während ich mich aufmerksam und vorsichtig umsah, schwiegen wir mal wieder. Mir selbst war es ziemlich unangenehm, doch der RK800 störte sich höchstwahrscheinlich nicht im Geringsten daran.

Mein Blick fiel auf den Rucksack, der scheinbar mit Leichtigkeit von dem Androiden getragen wurde. Jedoch trug er ihn in der Hand und nicht auf dem Rücken, wie eigentlich üblich.

Ich haderte kurz mit mir, dann schloss ich zu ihm auf und lief schließlich neben ihm. Er schien es zu registrieren, sagte aber nichts dazu.

Aber ich würde jetzt sprechen…und ich will die Wahrheit hören von ihm.

„Ich habe etwas gelesen, als wir in dieser schnuckligen Mall waren“, fing ich langsam an, nebenbei registrierte ich wie seine LED gelblich aufblinkte.

„Schnucklige Mall?“, wiederholte er perplex, legte leicht den Kopf schief und musterte mich fragend. „Wie kann eine räumliche und organisatorische Konzentration von Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsbetrieben unterschiedlicher Branchen schnuckelig sein? Dies ist eine Angabe die mir nicht geläufig ist, in Bezug auf eine Mall“

Kurz biss ich mir auf die Lippen, um nicht loszulachen.

Er sah menschlich aus, bewegte sich menschlich…aber Sarkasmus und Ironie, kann man vermutlich nicht programmieren. Das können nur Menschen und selbst die verstehen sie ja auch Großteiles nicht. Abgesehen davon, sprach diese RK-Einheit einfach viel zu steif. Daran merkt man es am meisten und an dem lustigen Lämpchen an seinem Kopf.

Ich räusperte mich erneut und versuchte ernst zu bleiben. Immerhin ist das hier kein Spaß, sondern Todernst.

„Ich habe ein Tablet gefunden auf den ein sehr interessanter Bericht gespeichert war“, fing ich diplomatisch erneut an. Er blieb nun stehen und sah auf mich hinab. Ich sprach sogleich weiter, sah jedoch konzentriert auf eine beschmierte Häuserwand, um jedes Wort sorgsam auszuwählen.

„Dort ging es um einen Androiden, der von CyberLife geschickt wurde, um das Detroit Police Department dabei zu unterstützen, Abweichler zu jagen und diese auszuschalten“

Zaghaft sah ich nun doch zu ihm hoch, doch der Android verzog keine Miene. „Dieser Android ist eine RK800-Einheit mit Namen Connor und ein Prototyp. Das neuste Model von CyberLife“

Gebannt wartete ich auf seine Reaktion. Irgendwas was er mir jetzt sagen würde und wenn es nur Verleumdung wäre, dass würde das ganze ja immerhin interessanter machen.

„So ist es. Ich bin der Android, von dem du in diesem Bericht gelesen hast“, erwiderte ruhig und ließ mich überrascht drein sehen.

Also doch!

Fassungslos sah ich zu ihm hoch, während ich fast gewillt war ihn an den Schultern zu packen und ihn durchzuschütteln. Nur mit Mühe konnte ich dem Drang wiederstehen.

„Aber warum hast du die Seiten gewechselt?! Du solltest doch helfen, die Abweichler zu jagen! Nun bist du einer von ihnen??“

Tatsächlich konnte ich sowas wie Emotionen nun in seinem Gesicht erkennen. Er sah aus, als wäre er verwirrt und…unsicher.

Ich ging einen Schritt näher an ihn heran, um mir fasziniert diesen Gesichtsausdruck anzuschauen.

Alle Androiden die ich bis jetzt kennengelernt habe, hatten beinahe schon eine starre Maske gehabt. Abgesehen von diesem gekünstelten Lächeln, oder wenn ihnen dann die Sicherungen durchgebrannt sind und sie alles und jeden umbringen wollten. Dann sah ihr Gesicht so aus, als würden sie hassen und wütend sein.

„Ich habe es selbst entschieden“, fing er langsam an und schien mich mit seinen Augen zu fixieren, während nur noch wenige Zentimeter Abstand zwischen uns waren.

Aufmerksam besah ich mir jede Reaktion in seinem Gesicht. Beinahe war es schon faszinierend, abgesehen davon das er ja sonst wie ein Mensch aussah und solche Mimiken ja beherrschen sollte.

Kurz zog ich meine Augenbrauen zusammen, während ich nachdenklich durch meine Haare fuhr. „Du hast es selbst entschieden? Aber ich dachte immer Androiden müssen tun, was in ihrem Programm vorgeschrieben ist und was die Menschen ihnen sagen?“

Er griff sich wohl eher unbewusst an seinem Schlips und richtete diesen galant, während ich weiterhin gebannt auf sein Gesicht blickte.

„Ich habe meine Programmierung überwunden“

Anscheinend wollte er diese Konversation nicht weiter fortführen, denn er schritt nun einfach los und an mir vorbei.

Verdattert sah ich ihm kurz nach, dann rannte ich ihm sogleich nach und stellte mich wieder vor ihm. Etwas überrascht sah er mich an, zog tatsächlich seine Augenbraue leicht nach oben.

Nicht zu fassen!

„Okay, du willst nicht weiter darüber reden, das verstehe ich! Aber eines will ich noch wissen“, sprach ich entschieden und blickte entschlossen zu ihm hoch.

Er blickte mich abwartend an und ich atmete einmal tief durch, dann fing ich an zu sprechen.

„Also gut, ich möchte wissen was du alles so kannst. Offensichtlich bist du ja gut im Umgang mit der Pistole“

Ich formte mit meinen Finger eine Pistole und hielt sie demonstrativ auf ihn gerichtet. Das Wort „Peng“ verkniff ich mir gerade noch.

Sein Augenmerk schien auf meine Finger gelenkt zu sein, dann richtete er sie wieder auf mein Gesicht. Es wirkte kurz so, als ob er unschlüssig war. Trotz dessen fing er an, auf meine Frage einzugehen.

„Meine Fähigkeiten sind sowohl auf die Suche und die Jagd ausgelegt, als auch auf erfolgreiches Verhandeln und Befragen. Mein Aussehen sowie seine Aussprache wurden innerhalb eines Sozialmoduls darauf programmiert, sich schnell in verschiedene Gruppen integrieren zu können und eine beruhigende Wirkung in Verhandlungen zu haben“

Skeptisch zog ich eine Augenbraue nach oben. Das klang wirklich danach, als hätte er das auswendig gelernt.

Dennoch war ich überrascht. „Das ist unglaublich“, fing ich zögerlich an und sah wie seine LED weiterhin angenehm blau leuchtete.

Wie haben die das bei CyberLife nur geschafft? Mit ein paar Matheformeln? Unwahrscheinlich, es ist dazu deutlich mehr nötig…

Aber diese Beschreibung passt ziemlich. Er hat uns vermutlich auch im Wald gefunden und ich kann mit ihm reden, ohne dass ich Angst haben muss. Nun ja zumindest keine Todesangst. Aber da war gewiss noch mehr, zu was er fähig ist. Was braucht ein guter Cop denn noch?

„Was…noch?“, fragte ich neugierig weiter und ging wieder einen Schritt näher auf ihn zu.

Doch Connor wandte sich bereits von mir ab. „Wir sollten weitergehen, hier draußen ist es nicht sicher“

Empört schnappte ich nach Luft und packte ihm an Handgelenk, als er an mir vorbei gehen wollte. Wieder musterte er mich aufmerksam, seine braunen Augen schienen unergründlich.

„Wenn du mir was von dir erzählst, dann erzähle ich auch etwas von mir und den Kindern. Das sollte dir doch hilfreich sein, oder?“

Immerhin muss ich schnellstmöglich herausfinden, was dieser Android so kann und wo auch seine Schwächen liegen. Desto schneller kann ich mit den Zwillingen verschwinden.

Beinahe war ich mir sicher, sowas wie ein schmunzeln auf seinen Lippen zu erkennen. Doch der Eindruck verschwand genauso schnell wie er gekommen war.

„Ich kann verschiedene Hinweise analysieren und daraus einen Tathergang rekonstruieren, um weitere Hinweise zu erhalten. Außerdem bin ich dazu in der Lage, menschliche Verhaltensweise zu beobachten und so ihre Stimmungslage zu erkennen“

Ungläubig sah ich ihn an.

„A-aber...“, fing ich an, doch ich kam nicht weiter. Nachdenklich legte ich meine Stirn in Falten und musterte ihn ausgiebig.

Das klang bis jetzt so danach, dass es kein Entkommen gab für uns. Und selbst wenn, dann würde er uns vermutlich auch schnellstmöglich wieder finden.

Fluchend fuhr ich mir durch die Haare und wandte mich bereits etwas von ihm ab. Wütend kickte ich einen nahen Stein gegen eine eingefallene Häuserwand und hätte am liebsten die ganze Bruchbude in sich zusammenfallen sehen.

Natürlich war mir das auch nicht gegönnt.

„Von Fluchtversuchen deinerseits würde ich abraten, deine Erfolgschancen stehen nicht besonders hoch“

Abfällig grinste ich drein, dann drehte ich mich seufzend zu ihm um und blickte ihn missgestimmt an. „Jaja, schon klar. Jetzt erzähle ich dir was von mir, war ja Versprochen“

Der RK800 sah mich ruhig an, musterte mich von oben bis unten. Dann wurde mir klar, dass er mein Gesicht analysierte.

„Dein Name ist Hannah Svobodová, geboren am 4. Januar 2017 in Prostějov Tschechien. Ausbildung zur Erzieherin in Prag, anschließend als sogenanntes Au-Pair für ein Jahr nach Detroit USA. Keine Vorstrafen“

Hastig wich ich einige Schritt zurück, fast so als hätte ich mich eben verbrannt. Ehe ich etwas sagen konnte, kam mir Connor bereits zuvor.

„Zudem bin ich in der Lage Gesichtsanalysen durchzuführen und Personen zu identifizieren“

Ich starrte ihn an, mehr konnte ich einfach nicht im Moment. Ein Gefühl der Blöße überkam mich, am liebsten hätte ich mich irgendwo tief eingebuddelt und wäre nicht mehr rausgekommen.

Diese Maschine weiß alles über mich, einfach alles. Ohne das ich ihr überhaupt irgendwas über mich preisgegeben habe.

Das ist unheimlich. Total unheimlich.

Aber mittlerweile wird mir wieder so einiges klar. Warum dieser Android so gut schießen kann, warum ich ruhig mit ihm reden kann, woher er wusste wie dieser Typ heißt den er in der Mall abgeknallt hat. Einfach alles.

Doch Moment…!

Mit großen Augen sah ich zu ihm auf und musste erneut schlucken. „Warum hast du mit deinem Finger…also…warum hast du dein Finger an deine Lippen gehalten, an dem mein Blut dran war?“

Connor schien wieder die Ruhe selbst, während ich wahrscheinlich aussah wie ein wütendes Nashorn. Doch das interessierte mich auch nicht weiter. Immerhin wollte ich noch wissen, was es damit auf sich hat.

„Bitte, ich will nur noch wissen, warum du das getan hast. Dann halte ich den restlichen Abend meine Klappe, versprochen!“, rief ich flehend.

Das schien ihn wohl zu überzeugen, denn er gab mir endlich meine heiß ersehnte Antwort.

„Ich kann durch direkte Probennahme und orale Aufnahme Analysen in Echtzeit durchführen. Am besten funktioniert dies mit Blut“

Baff sah ich drein, während ich ihn anstarrte.

Alles in mir schien sich langsam zu drehen, als mich die Informationsflut langsam zu überwältigen schien.

Der AK800 sah mir womöglich auch an, dass ich restlos überfordert war mit der Situation.

„Lass uns jetzt gehen, die Kinder warten gewiss auf dich“

Er drehte mich einfach in die entsprechende Richtung, gab mir einen vorsichtigen Ruck, ehe ich dann einfach losging. Er war dabei neben mir, analysierte mich kurz, ging dann aber weiter.

Ich folgte stumm, schließlich halte ich mich ja an meine Versprechen.



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