Zum Inhalt der Seite

Tora's (Big) Bang Theory

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 9

 

Wenn mich die beiden Küsse auf die Wange schon verwirrt hatten, dann muss ich wohl gestehen, dass mich die Tage danach in ein völliges Chaos stürzten. Denn es geschah… nichts. Wir machten weiter wie bisher, doch Reitas Lippen berührten mein Gesicht kein einziges Mal. Ich war schier am Verzweifeln.

Es brauchte fünf Tage bis ich den Mut aufgebracht hatte, ihn von mir aus zu küssen. Eigentlich ein ziemliches Armutszeugnis für einen erwachsenen Mann.

Reita hatte mich abends mit dem Auto nach Hause gefahren, weil ich früh zu einem Photoshoot musste und es so in Strömen geregnet hatte, dass ich mir wahrscheinlich während einer Heimfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von seiner Wohnung zu meiner eine Lungenentzündung geholt hätte.

 

Im Übrigen hat mich Rei in früheren Zeiten NIE mit dem Auto nach Hause gefahren. Da hätte die Welt untergehen können! An dem besagten Abend hatte er sogar darauf bestanden, mich zu fahren! Vielleicht habe ich auch daher meinen Mut genommen.

Aber zurück zum Thema…

 

Ob mich jetzt die nette Geste ermutigt hatte oder ich einfach nur diese Spannung, die sich in mir aufgebaut hatte, loswerden wollte, weiß ich nicht genau. Jedenfalls hatten sich meine Lippen plötzlich auf Reitas Wange wiedergefunden. Nur ganz kurz. Eigentlich nicht der Rede wert. Trotzdem fühlte es sich extrem an. Ich murmelte noch einen kurzen Abschiedsgruß, bevor ich den Wagen verließ. Zwar traute ich mich nicht Reita in die Augen zu schauen, doch ich glaubte ein Grinsen in seiner Stimme zu hören, als er mir eine Gute Nacht wünschte. Und auch auf meinem Gesicht breitete sich ein kleines Schmunzeln aus, während ich meine Haustür aufschloss.

 

Mein kleiner Gute-Nacht-Kuss schien für Reita ein Zeichen gewesen zu sein. Vielleicht hatte er sogar die ganzen Tage auf diese Art von Bestätigung gewartet. Jedenfalls schienen wir damit ein stilles Abkommen getroffen zu haben, unser Repertoire an Zärtlichkeiten zu erweitern. Natürlich hört sich das verrückt an. Schließlich hatten wir inzwischen Sex auf so gut wie jedem Möbelstück in meiner Wohnung gehabt und ich machte eine große Sache daraus, dass wir uns ab und zu auf die Wange küssten.

 

Aber irgendwie war es auch anders. Reitas Oberkörper mit meiner Zunge zu verwöhnen, war geil. Doch ihn sanft auf die Stirn zu küssen, erfüllte mich mit einer unbeschreiblichen Wärme. Verdammt, die Vorstellung, wie er in gespielter Empörung seine Nase krauszieht, wenn ich sie küsse, bringt mich sogar heute noch zum Lächeln!

Es war eine unschuldige Art der Zuneigung, die einfach neu war.

 

 

~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~

 

Es geschah bei Reita zu Hause.

Wir standen in seinem Wohnzimmer und hatten uns beide schon unserer Oberteile entledigt. Auf dem Couchtisch standen zwei Flaschen Bier, die wir nicht einmal angerührt hatten.

 

Anfangs hatten wir einen sehr hohen Alkoholkonsum gehabt. Nicht unbedingt, um uns Mut anzutrinken, sondern eher aus dem Grund, dass man eine etwas zu zärtliche Berührung oder einen etwas zu schmachtenden Blick immer sehr gut auf den Alkohol schieben konnte. Nach einiger Zeit hörten wir auf, uns etwas vorzumachen. Naja, zumindest in dieser Hinsicht.

 

Die Hände des Blonden wanderten rastlos über meinen Rücken, doch ich merkte, dass seine Aufmerksamkeit nicht meinem Oberkörper galt. Fast zaghaft küsste er sich meinen Hals empor und drückte seine Lippen dann zart auf meine Wange. Ich zog ihn etwas näher an mich. Küsste seine Stirn. Er tat es mir gleich. Erst die Stirn, dann wieder die Wange. Dann war ich wieder dran. Zuerst wenig Küsse und dann immer mehr. Es muss furchtbar dämlich ausgesehen haben. Zwei erwachsene Männer, die ihre Gesichter gegenseitig mit Küssen bedeckten. Aber ich konnte nicht damit aufhören. Ich wollte mehr, mehr, mehr! Und ich bekam mehr.

Es geschah.

 

Natürlich hatte ich damit gerechnet. Wir beide hatten es. Und ich bezweifel auch, dass es tatsächlich ein Unfall war, so wie wir es beide dargestellt hatten.

Es kam, wie es kommen musste. Meine Lippen landeten genau auf der Stelle in Reitas Gesicht, die ich noch nie geküsste hatte, über die ich aber schon am häufigsten nachgedacht hatte.

 

Unsere Lippen berührten sich nur eine Sekunde lang.

Es war genug Zeit, um mein Herz ein Trommelsolo veranstalten zu lassen.

Genug Zeit, um Reitas wild pochendes Herz auf meinem Oberkörper zu spüren.

Genug Zeit, um zu registrieren, wie wir beide uns instinktiv noch stärker gegeneinander drückten, um den Kontakt weiter zu intensivieren.

 

Und dann erreichte die Information das Gehirn.

 

Als hätten wir einen Stromschlag bekommen, sprangen wir auseinander. Der Vergleich ist ziemlich treffend, denn der Moment hatte wirklich etwas Elektrisierendes gehabt. Spannung lag in der Luft. Ich sah Rei in die Augen. Der Blonde atmete schnell. Unregelmäßig. Er sah irgendwie geschockt aus. In anderen Momenten wäre ich schadenfroh gewesen, ihn so aus der Fassung zu sehen, doch mir war bewusst, dass es nicht nur sein Pokerface war, welches Risse bekam. Es war unsere gemeinsame Fassade, die anfing zu bröckeln.

Alles war anders.

 

 

~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~

 

„Ihr habt euch also geküsst?“, fragte Saga aufgeregt. Ich nickte gespielt lässig. Im Inneren war ich genauso aufgeregt wie mein Kollege. Eigentlich hatte ich die Info für mich behalten wollen.

Der Vorsatz hatte einen halben Tag lang angehalten.

 

„War es romantisch? Oder eher heiß? Wie lange hat es gedauert? Was hast du gesagt?“

„Naja, das ist alles schwierig zu beantworten. Es ging ziemlich schnell und…“

Saga unterbrach mich skeptisch: „Wir reden hier doch von einem Zungenkuss, oder?“

 

Meine Augen weiteten sich überrascht und ich versuchte mein Bestes, um nicht rot zu werden. Natürlich hatte ich schon darüber nachgedacht. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich davon sogar auch schon geträumt hatte. Aber zu hören, wie jemand die Worte laut aussprach, ließ mein Herz einen Tick zu schnell schlagen. Ich atmete einmal tief durch und versuchte mich wieder zu fangen. Es war ja schon peinlich genug, Saga überhaupt von dem Kuss zu erzählen! Ich konnte dabei ja wenigstens versuchen, mich cool zu verhalten.

 

Also erzählte ich dem Bassisten in einem möglichst neutralen Ton, was vorgefallen war.

Kurz herrschte Stille.

„Soll das heißen, dass nichts weiter passiert ist als ein kurzer Lippenkontakt?“

Ich nickte verlegen.

„Willst du mich verarschen?“, sprudelte mein Kollege drauf los. „Ihr schlaft miteinander und dann ist ein kurzer Kuss auf die Lippen für dich eine große Sache?! Ich küsse meine Schwester so zur Begrüßung!“

 

Ich war schon kurz davor Saga an den Kopf zu werfen, dass ich mir an seiner Stelle Sorgen machen würde, wenn er für seine Schwester die gleichen Gefühle hatte wie ich für Reita. Doch dann schluckte ich die Aussage lieber herunter. WAS für Gefühle hatte ich denn bitte für Reita? Klar, der „Wir sind wie Brüder!“-Zug war schon lange abgefahren.

Aber welche war dann unsere Schiene? Eine Stimme in meinem Inneren schrie mir gleich panisch das Wort „Freundschaft!“ entgegnen. Sie war laut, als wolle sie etwas anderes übertönen und ich ließ sie das in dem Moment auch machen. Ich achtete gar nicht weiter auf die vielen flüsternden Stimmen, die mich nur verwirren wollten.

Freundschaft. Punkt.

 

„Glaubst du für Reita war der Kuss eine genauso große Sache wie für dich?“, fragte Saga als er sich dann wieder abgeregt hatte. Ich war froh darüber, dass er keine Antwort von mir verlangte, was den Kuss für mich so besonders machte. Er nahm es einfach hin. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb ich es gar nicht erst bestritt. Ich dachte kurz über seine Worte nach. Plötzlich hatte ich wieder Reita vor Augen. Die unregelmäßige Atmung. Der überraschte Blick.

 

Ich nickte. Ja, in dem Moment ging ich davon aus, dass der Kuss auch in Reita etwas bewegt hatte. Ich ging davon aus, dass wir uns auf derselben Wellenlänge befanden.

Jeder irrt sich mal.

 

„Habt ihr darüber gesprochen?“

„Was?! Nein! Natürlich nicht!“, rief ich gleich aus. Nur die Vorstellung, wie Rei und ich uns über unsere Gefühle unterhielten, war absolut lächerlich.

„Über was sollten wir bitte reden?“

„Vielleicht darüber, dass ihr beide euch endlich eingestehen solltet, dass ihr eine Beziehung führt?“

„So ein Unsinn!“, bestritt ich sofort. Ich versuchte dabei angenervt zu klingen.

„Oder darüber, das Reita total in dich verknallt ist?“, flötete Saga grinsend weiter und erreichte damit, dass ich rot anlief.

„Wie kommst du denn auf die Idee?“ Ich grummelte die Worte nur und blickte an die gegenüberliegende Wand. Der Bassist musste nicht die Neugier in meinen Augen sehen oder gar das kleine Fünkchen Hoffnung in meiner Stimme hören.

 

Es war keine rhetorische Frage. Ich wollte wirklich wissen, wie Saga darauf kam!

Und zum Glück bekam ich darauf auch eine Antwort: „Ach komm, schon allein die Art, wie er dich ansieht, wenn ihr euch im PSC-Gebäude begegnet, reicht völlig aus! Das glückliche Funkeln der Augen, das liebevolle Lächeln. Und glaub bloß nicht, ich hätte nicht die zärtlichen, aber völlig zufälligen Berührungen zwischen euch beiden gesehen!“

 

Ich grummelte als Antwort nur vor mich hin, doch Saga wusste in diesem Moment sicher auch, dass das nur Show war. Er wusste, dass mir die Vorstellung gefiel, dass Rei auf mich stehen könnte. Natürlich nur weil das meinem Ego schmeicheln würde! Das war der einzige Grund, weshalb mir die Idee so zusagte! Das hatte nichts damit zutun, dass ich mit Reita zusammen sein wollte!

 

 

Saga war gerade dabei zu seinem nächsten Argument auszuholen, als meine Wohnungstür laut aufging.

„Hallo!“, rief es uns laut entgegen.

„Wenn man vom Teufel spricht“, nuschelte Saga grinsend, bevor er Reita ein lautes „Hallo“ entgegenrief. Auch ich lächelte dem Blonden zur Begrüßung entgegen, als dieser mein Wohnzimmer betrat. Der Gazette-Bassist würdigte meinen Gast und mich keines Blickes, sondern lief direkt auf mein Schlafzimmer zu.

 

„Das mit den Manieren musst du deinem Freund aber noch beibringen“, merkte Saga trocken an, worauf ich ihm nur ein „Er ist nicht mein Freund, also sei still!“ entgegenzischte.

Es war eine Sache darüber zu reden, wenn Reita nicht da war, aber der Blonde musste diese Gespräche nicht unbedingt mitbekommen!

„Hast du meine schwarze Hose gesehen?“, rief es mir aus dem Schlafzimmer entgegen, was mich seufzen ließ. Scheinbar hatte er Sagas Kommentar nicht mitbekommen.

„Die is in der Wäsche“, antwortete ich laut.

„Was? Wieso??“ Der Blonde marschierte gehetzt aus dem Schlafzimmer ins Bad, indem der Wäschekorb und die Waschmaschine standen. Ich machte mir gar nicht die Mühe, ihn daran zu erinnern, dass er die Hose vor zwei Tagen selbst in den Wäschekorb geworfen hatte.

 

Natürlich erst nachdem ich mich darüber beschwert hatte, dass sein Scheiß inzwischen in meiner ganzen Wohnung verteilt war. Er hatte sogar schon zwei Fächer in meinem Kleiderschrank belegt. Das alles hatte nur rein praktische Gründe. Sagas wippenden Augenbrauen nach zu urteilen, schien er das praktische eines platonischen gemeinsamen Wäschekorbs nicht zu begreifen. Ich wollte gerade zu einem fiesen Kommentar ausholen, als Reita seinen Kopf ins Wohnzimmer steckte.

 

„Du hast ja meinen Lieblingsweichspüler gekauft!“, antwortete er wie ein kleines Kind bei seinem ersten Weihnachten. Ich hätte sein strahlendes Lächeln nur zu gerne erwidert, doch mit Sagas bohrendem Seitenblick war das gar nicht so einfach.

„Seinen Lieblingsweichspüler? Wie romantisch!“ Auch wenn ich ihm für sein gespieltes Augengeklimper gerne eine reingehauen hätte, war ich froh, dass Saga mit dieser Aussage gewartet hatte, bis Reita wieder im Bad verschwunden war.

 

„Er mag das Zeug halt und mir is scheiß egal, womit ich meine Wäsche wasche“, erwiderte ich böse, auch wenn das nicht die volle Wahrheit war. Ich benutzte schon seit Jahren denselben Weichspüler. Doch wenn Reita den blauen wollte, kaufte ich eben den blauen. Doch das war nichts, was ich Saga auf die Nase binden musste.

 

„Alles klar. Maschine läuft“, informierte uns Reita, als er ins Wohnzimmer gestiefelt kam und sich gleich daran machte, meine Spielekonsole einzuschalten.

„Ich hoffe für dich, dass du nicht wieder meine hellen T-Shirts zusammen mit deiner dunklen Hose reingeschmissen hast.“

„Glaub mir, den Fehler mach ich nur einmal“, entgegnete der Blonde. Ja, was meine Klamotten anging, war ich eben ein bisschen empfindlich.

„Wozu brauchst du die schwarze Hose denn?“

„Wir haben morgen ein wichtiges Managertreffen und Ruki meinte, ich soll mich dafür anständig anziehen. Und seiner Meinung nach ist die schwarze Hose die einzige, die als anständig durchgeht“ Der Bassist rollte bei den Worten die Augen, während er sich neben mich auf die Couch fallen ließ.

 

Allerdings wusste ich genau, was der Gazette-Sänger meinte.

„Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du dir neue Klamotten kaufen musst! Du kannst nicht ständig wie ein Penner rumlaufen.“

„Jaja.“

„Nichts „jaja“! Nächstes Wochenende gehen wir einkaufen!“

Reita antwortete auf diese Drohung nicht, was ich als eine Zusage interpretierte. Ich lächelte leicht. Schließlich kam es selten vor, dass ich unsere Diskussionen gewann.

 

Mein Triumphgefühl verschwand aber sofort wieder, als mein Blick Sagas traf. Ich hatte völlig vergessen, dass mein Kollege noch da war! Sein Grinsen sprach Bände und ich rekapitulierte mein Gespräch mit Reita. Es war schwierig zu bestreiten, dass wir uns wie ein altes Ehepaar anhörten, also konnte ich Saga nur einen Todesblick schenken. Dieser zuckte nur die Schultern und sah dann weg. Auch gut.

 

Leider blieb sein Blick dann an meinem und Reitas Bein kleben, was ihn noch breiter grinsen ließ. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich der Blonde genau neben mich gesetzt hatte. Und zwar so nahe, dass sich unsere Seiten berührten. Nichts, worüber ich mir unter normalen Umständen Gedanken gemacht hätte. Doch eigenartig war es schon.

Schließlich war auf der Couch noch genug Platz und trotzdem saß Reita so dicht bei mir. Als würde er meine Nähe suchen.

Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen. Dieser dämliche Saga! Musste der mich dazu bringen, in jede von Reitas Gesten etwas herein zu interpretieren?

 

Vorsichtig rutschte ich ein kleines Stück von dem Blonden weg. Ich hatte keine Lust auf Sagas Blicke. Keine Lust auf diese Gedanken. Doch kaum hatte ich mich einige Zentimeter entfernt, rutsche Reita mir nach. Jetzt saß er sogar noch enger an mich gedrückt als vor einigen Sekunden.

 

Verwundert sah ich den Bassisten neben mir an. Dieser starrte allerdings nur gebannt auf den Fernsehbildschirm, auf welchem er gerade irgendein Spiel begonnen hatte. Scheinbar hatte er gar nicht gemerkt, wie er mir nachgerutscht war. Vielleicht war an Sagas Vermutungen etwas Wahres dran und Reita suchte wirklich meine Nähe?

Erst das leise Kichern meines Kollegen, ließ mich meinen Blick von Reita lösen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er die Szene ziemlich genau verfolgt und konnte einfach nicht mehr an sich halten. Selbst Reita schien durch das Geräusch kurz von seinem Spiel abgelenkt. Skeptisch blickte er zwischen Saga und mir hin und her.

 

„Was is denn los? Warum redet ihr eigentlich gar nicht?“, fragte er leicht verwirrt. Ich gab meinem Kollegen noch einen drohenden Blick, dass er sich zusammenreißen sollte, doch es half nichts. Auf Reitas Gesicht breitete sich bereits ein eingebildetes Lächeln aus. „Redet ihr etwa nicht weiter, weil es um mich gegangen ist? Awww, das ist aber süß!“

Ich spürte nur, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss. Ertappt. Ein Glück war Saga ein so viel besserer Lügner als ich.

 

„Es dreht sich nicht immer alles um dich“, entgegnete mein Kollege schon fast hochnäsig, „Wir waren nur von deiner Unfreundlichkeit kurzzeitig überrumpelt.“

„Geeeenau“, antwortete der Blonde und grinste mich noch einen Moment an. Vielleicht hatte er Saga die Antwort nicht voll abgekauft, doch wenigstens widmete er sich jetzt wieder seinem Spiel.

 

Saga hingegen fing an, über die heutige Probe zu reden, worüber ich ganz froh war. Schließlich mussten wir so tun, als ob wir ein voriges Thema wieder aufgreifen würden. Tatsächlich schaffte ich es nach einiger Zeit, mich gedanklich von unserem eigentlichen Gespräch zu lösen und unterhielt mich eine Weile mit meinem Kollegen über unsere neusten Kompositionen.

 

Irgendwann meldete sich aber doch mein schweigsamer Nebensitzer zu Wort: „Euer kleines Alibi-Gespräch in allen Ehren, aber sobald ich mit dem Spiel hier fertig bin, falle ich über IHN her.“ Rei zeigte mit dem Finger auf mich. „Weshalb DU dann auch verschwunden sein musst“, fuhr der Blonde unbeirrt fort und zeigte bei „DU“ auf Saga. Dann wendete er sich wieder dem Bildschirm zu.

Saga starrte den anderen Bassisten eine Weile an und schenkte dann mir einen empörten Blick. Ich zuckte grinsend mit den Schultern. Schließlich kann ich nichts für Reitas Dreistigkeit. Außerdem war Sagas Blick echt Gold wert.

 

Als ich genauer über die Aussage nachdachte, verflog meine gute Laune allerdings wieder. Die Probe an diesem Tag war besonders hart gewesen und eigentlich war ich gar nicht in der Stimmung für weitere körperliche Aktivitäten. Allerdings hatte ich bis jetzt noch nie „Nein“ zu Rei gesagt. Das war zu diesem Zeitpunkt auch nie nötig gewesen. Entweder wir hatten Sex – was meistens der Fall war – oder es handelte sich beim Treffen um eine Zockerrunde. Dass einer von uns wollte und der andere nicht, war meines Wissens noch nie vorgekommen. Ein Problem, das ich gern mit Saga diskutiert hätte, doch das ging im Moment schlecht.

 

Außerdem machte der sich 15 Minuten nach Reis Ankündigung eh vom Acker.

 

 

Etwas betreten ging ich zurück ins Wohnzimmer, nachdem ich Saga bis zur Tür begleitet hatte. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt zu Rei sagen sollte.

„Na endlich ist der weg!“, rief der Blonde mir fröhlich entgegen. Ich schluckte schwer und setzte mich wieder neben Reita aufs Sofa. Bevor ich aber etwas sagen konnte, wurde mir schon ein Controller in die Hand gedrückt. „Bereit?“, wurde ich anstandshalber noch gefragt und schon hatte der Blonde das Kampfspiel auf 2-Player-Modus umgeschalten. Schweigsam begann ich zu spielen. Reita schien vergessen zu haben, dass er mich vor nicht einmal 20 Minuten noch hatte bespringen wollen, und ich würde ihn garantiert nicht daran erinnern.

 

„Und? Was habt ihr denn jetzt so über mich geredet?“, fragte der Blonde mich irgendwann grinsend. Ich verdrehte die Augen. Es war klar gewesen, dass er das Thema noch einmal ansprechen würde und keine Ausrede der Welt hätte ihn in dem Moment davon überzeugt, dass er nicht Thema in Sagas und meinem Gespräch gewesen war. Also wieso weiter bestreiten? Ich hatte eine viel bessere Idee.

 

„Saga meinte, wir sollten nicht mehr miteinander schlafen“, meinte ich möglichst neutral. Nach einer kurzen Pause fand ich den Mut um weiterzusprechen: „Er geht nämlich davon aus, dass du Gefühle für mich hast, was die ganze Sache verkompliziert.“

 

Ich starrte weiter auf den Bildschirm und versuchte, meine Atmung ruhig zu halten. Das war eine gewagte Aussage gewesen und nicht ganz das, was Saga zu mir gesagt hatte, aber das war mir egal. Ich wollte einfach nur Reitas Reaktion sehen. Das würde mir doch sicher Klarheit verschaffen, oder?

 

Einen Moment war es still.

Auf dem Bildschirm kämpften unsere Charaktere weiter gegeneinander. Alles nur Standardattacken. Alles nur Show, um davon abzulenken, dass wir ein wichtiges Gespräch führten.

Aus meiner Sicht zumindest.

 

„Ich weiß jetzt nicht, was das Saga zu interessieren hat. Selbst wenn ich in dich verliebt bin, ist das immer noch meine Angelegenheit“, erwiderte der Blonde murmelnd.

 

Mein Kopf drehte sich sofort in seine Richtung und ich starrte ihn an. Mit dieser Antwort hatte ich wirklich nicht gerechnet. Der Blonde sah kurz unsicher zu mir, doch konzentrierte sich sofort wieder auf den Bildschirm. Seine Miene ließ mich nicht erahnen, was er in dem Moment dachte.

 

Ich konnte mein Herz in meinen Ohren pumpen hören. Mein Blut rauschen.

Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Ich wollte, dass er mich ansah.

Nur ein einziger Blick. Nur ein kurzer Augenkotakt und ich hätte gewusst, was das alles zu bedeuten hatte.

Aber er sah mich nicht an.

 

„Hah!“, rief Reita aus und ich zuckte bei dem Laut zusammen. Ich sah auf den Bildschirm, wo gerade in Zeitlupe eine Wiederholung von dem Vernichtungsschlag lief, den Reitas Charakter meinem zugefügt hatte.

„Tora, Tora… wo warst du denn mit deinen Gedanken? Ich hab dir voll eine verpasst und das ganz ohne Gegenwehr!“

Ich nickte. „Ganz ohne Gegenwehr“, dachte ich mir, während auf meinem Fernsehgerät groß die Buchstaben „GAME OVER“ erschienen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Goesha
2018-06-10T21:34:39+00:00 10.06.2018 23:34
Also das mit den überall im Gesicht küssen war schon Zucker! Und dann kriegen die sich wegen einen Kuss auf die Lippen nicht mehr ein! Aber okay, bei dem ersten auf der Wange war das auch nicht besser. Da kann ich Sagas Verwunderung voll verstehen! Und hey, Reita wohnt schon praktisch da! Also von einer Beziehung ist es nicht mehr allzu weit weg. XD
Antwort von:  korai-chan
11.06.2018 20:59
Vielen lieben Dank für deine Kommentare! Ich freue mich sehr darüber, dass ich es von der To-Do-Liste bis hierher geschafft habe und du deinen Spaß daran hast ^__^ Außerdem bringt mich das selbst zum Grübeln, weil ich mich nochmal zurückerinnern muss, was nochmal in welchem Kapitel passiert ist XD Es ist auch sehr toll, dass du dir die Zeit nimmst und die Kapitel einzeln kommentierst! Vielen Dank dafür!
Ich hoffe, du hast auch noch mit den letzten Kapiteln deine Freude!
LG
korai
Antwort von:  Goesha
11.06.2018 23:39
Na klar, mach ich doch gerne! Es hat mich auch von ersten Kapitel gleich mitgerissen, da musste ich eins schreiben und dann noch eins und noch eins. XD
Von: abgemeldet
2018-05-29T15:44:57+00:00 29.05.2018 17:44
Also momentan scheint alles darauf hinauszulaufen, dass Rei tatsächlich etwas für Tora empfindet. Aber da du ja die ganze Zeit mit dem Verhängnis im Nacken erzählst, kann's nur schlimmer werden...
Ich bin generell überrascht, dass mir die Geschichte immer noch so gut gefällt. Denn mit dem Wissen auf ein Unhappy End höre ich normalerweise auf, eine Geschichte zu lesen, weil ich da eben nicht der Fan von bin ^^; Die Tatsache, dass dieser Fall hier nicht eintritt, ist also ein sehr gutes Zeichen ;)
Antwort von:  korai-chan
03.06.2018 23:26
Oh ja, ich weiß, was du meinst. Ich hab auch meine "Nopes", bei denen ich das Lesen abbreche. Also weiß ich das Kompliment sehr zu schätzen, dass du weiterhin dranbleibst! Ich hoffe, es lohnt sich für dich bis zum Ende ^_^
LG
korai
Von:  Kyo_aka_Ne-chan
2018-05-29T09:41:51+00:00 29.05.2018 11:41
Oh je oh je *mir die Augen zuhalt*
Wieso hab ich das gelesen... wieso hab ich das jetzt gelesen und nicht gewartet, bis du alle 12 Kapitel on hast? Das ist voll der Monster-Cliffhanger und ich will und muss doch so dringend wissen, wie das weitergeht.
Saga hat echt Recht, Tora und Rei benehmen sich wie in einer Beziehung. Und hey, zwei Schubladen hat Rei schon, das heißt, er ist quasi eingezogen xD Aber ich finde Toras Versuch, Saga vorzuschieben, um über die Beziehung zwischen ihm und Rei zu reden, ein bisschen komisch. Er macht sich doch selbst Gedanken und jetzt setzt er Reita die Pistole auf die Brust und dass dieser was dazu sagen soll. Die Antwort hat mich umgehauen, genauso wie Tora glaub ich xD
Mach bitte schnell weiter, ich halt´s nicht aus xD (daher wundere dich nicht, dass du jetzt bei jedem Kappi einen Kommi hast xD).

LG
Kyo
Antwort von:  korai-chan
03.06.2018 23:22
Abend!
Vielen lieben Dank, dass du dir die Zeit genommen und die ganzen Kommentare geschrieben hast! Das freut mich wirklich sehr ^__^
Ja, manchmal tut mir Tora in der Story auch Leid... (naja, aber ich habe sie selbst geschrieben, was mich ein wenig sadistisch macht XD). Allerdings habe ich auch versucht ganz extrem aus Toras Sicht zu schreiben, der auf die Ereignisse zurückblickt und vielleicht auch ein wenig Selbstmitleid hat und deshalb noch mehr wie der Verlierer wirkt... Aber keine Sorge, im nächsten Kapitel hat unser Verlierer auch ein paar schöne Momente ;)
LG
korai
Antwort von:  Kyo_aka_Ne-chan
04.06.2018 08:34
Ja, schöne Momente... das kann man wohl sagen xD *schon gelesen habs*
Machst du vielleicht die Story nochmal aus Reitas Sicht? Würde zu gern wissen, was er denkt und ob er hinter seiner coolen Fassade wohl halb ausflippt xD

LG
Kyo


Zurück