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Tora's (Big) Bang Theory

von

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Kapitel 5

 

 

 

Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass Sex mit Reita mich verblödete. Zweimal mit ihm zu schlafen, schien mir wirklich den letzten Rest an Verstand geraubt zu haben.

Denn als er an dem Tag meine Wohnung fluchtartig verließ, hatte ich wirklich keine Ahnung, was mit ihm los war.

Dabei waren doch alle Zeichen gut zu erkennen gewesen, oder nicht?

 

Reita war betrunken gewesen,

hatte mich im Suff verführt,

hatte mit mir Sex gehabt – immer noch gut angeheitert, versteht sich,

und war am nächsten Tag mit dröhnendem Schädel und knallender Tür aus meiner Wohnung geflohen.

 

 

Allerdings hatte er nicht nur fluchtartig mein Apartment verlassen.

In der ganzen nächsten Woche schien er sehr darum bemüht zu sein, mir aus dem Weg zu gehen. Wenn er meine Anrufe mal entgegennahm, war er noch kürzer angebunden als sonst. Und Zeit hatte er erst recht keine. Er war mit Aoi und Uruha saufen, mit Kai reden oder mit Ruki essen.

 

 

Es ist ein seltsames Gefühl von einer Person grundlos abgeschoben zu werden, wenn diese eigentlich immer ohne Rücksicht auf Verluste ihre Meinung rausposaunte.

Ich versuchte, mir nicht zu sehr den Kopf über das Verhalten meines besten Freundes zu zerbrechen. Versuchte mir einzureden, dass alles so war wie sonst und mich mit anderen Sachen abzulenken. Schließlich war Reita nicht mein einziger Freund!

 

Nur leider schien er mein einziger Freund zu sein, der gerne mehr als einen Abend in der Woche mit mir verbrachte...

 

Als ich nämlich Saga an zwei aufeinanderfolgenden Tagen fragte, ob er etwas mit mir machen wolle, stöhnte dieser nur ungehalten auf.

„Wir haben doch gestern etwas unternommen“, meinte er gequält, während wir uns vor unserem Raum die Beine in den Bauch standen.

Nao hatte uns mal wieder rausgeschmissen, weil wir ihm nicht konzentriert genug gearbeitet hatten. Jetzt durften wir hier warten, bis unser Leader sich wieder beruhigt hatte.

 

Ich verschränkte gekränkt die Arme vor der Brust und versuchte, bei den nächsten Worten nicht wie ein beleidigter Schuljunge zu klingen. „Übertreib mal nicht so. Ich bitte dich schließlich nicht darum, mich zum Zahnarzt zu begleiten oder meine Wohnung neu zu renovieren.“

„Nein, aber gestern hast du mich dazu gezwungen, den wohl schwachsinnigsten Film aller Zeiten anzuschauen!“

Jetzt war ich wirklich gekränkt. „Crank ist nicht schwachsinnig! Das ist Kult!“

„Der Film ist genau das, was der Titel verspricht“, gab der Bassist von sich. „Nur zu gut, dass der Typ am Ende des Filmes gestorben ist. Noch so einen könnte ich mir echt nicht antun.“ Gerade wollte ich Saga darüber aufklären, dass Crank sehr wohl einen zweiten Teil hatte, als etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Beziehungsweise: jemand anderes.

 

Aus dem Gazette-Zimmer spazierte nämlich tatsächlich mein verschollener bester Freund.

Als der Blonde uns erblickte, stoppte er und sah uns erschrocken an.

Er schien sich kurz zu überlegen, wieder zurück in den Raum zu gehen, ließ es dann aber doch bleiben. Ich sah, wie Saga neben mir skeptisch eine Augenbraue in die Höhe zog. Seine Reaktion war verständlich. Es sah schon eigenartig aus, wie Reita da am anderen Ende des Flures stand und uns wie ein verschrecktes Reh musterte.

 

Allerdings schien er aus seiner Angststarre zu erwachen und kam dann auf uns zu.

„Hi“, meinte er leise, wobei ich nicht wusste, ob er mich oder Saga meinte. Schließlich starrte er währenddessen den Boden an.

„Hi“, antwortete Saga skeptisch.

„Hey“, meinte ich. Immer noch von seinem Verhalten verwirrt, so wie die letzten paar Tage. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drückte sich der Blonde an uns beiden vorbei und verschwand dann um die nächste Ecke.

 

Saga sah ihm noch eine Weile stumm hinterher, bevor er sich wieder an mich wendete.

„Was ist hier los?“

Ich seufzte. Was sollte ich sagen? Ich wusste es ja selbst nicht. Der einzige, der darauf eine Antwort hatte, war gerade aus unserem Blickfeld verschwunden und hatte anscheinend das Sprechen verlernt.

 

Ich wusste, dass ich Saga einfach alles hätte erzählen können. Saga kannte sich, anders wie ich, gut mit zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Wahrscheinlich hätte er mir sofort sagen können, weshalb Reita sich so dämlich verhielt.

Aber ich wollte es nicht erzählen. Es ging ihn nichts an.

 

Also machte ich das, was ich am besten konnte: Ich stellte mich noch dümmer als ich bereits war.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, sagte ich scheinheilig. Natürlich ließ sich Saga davon nicht überzeugen. Ich war einfach ein verdammt mieser Lügner.

„Ach komm schon. Sonst seid ihr immer ein Herz und eine Seele und jetzt schaut ihr euch nicht mal gegenseitig in die Augen!“

„Reita und ich waren noch nie ein Herz und eine Seele!“

Saga schnaubte.

„Sag mir, wenn ich falsch liege, aber habt ihr euch nicht mal eine Woche lang bei dir zu Hause eingeschlossen und habt die Wohnung kein einziges Mal verlassen?“

„Das verstehst du nicht. Wir mussten das Spiel einfach durchzocken.“ Ich redete nicht weiter. Saga verstand mich wirklich nicht. Der einzige, der das verstehen konnte, war nun einmal Reita.

 

Schließlich war es seine Idee gewesen, uns zusammen mit der Play Station bei mir zu verbarrikadieren und die Wohnung erst wieder zu verlassen, wenn wir das gesamte Spiel durchgespielt hatten. Als der Endgegner dann besiegt war, fielen wir beide in einen wohlverdienten Zwei-Tage-Schlaf.

Die darauf folgende Woche hatte ich schreckliche Kopfschmerzen gehabt. Außerdem hatte ich meine Daumen nicht mehr richtig bewegen können, was dazu geführt hatte, dass mir Nao noch mehr Kopfschmerzen bereitet hatte – schließlich hört sich Gitarre spielen ohne Daumen echt beschissen an.

Aber alles im allem war das schon eine geile Erinnerung.

 

 

Wieder sah ich den Flur entlang, aus dem Reita entschwunden war.

Zum ersten Mal in dieser Woche musste ich zugeben, dass ich wirklich Angst hatte. Ich hatte Angst davor, einen unglaublich guten Freund zu verlieren, ohne genau zu wissen, was ich falsch gemacht hatte.

 

 

„Tora, noch anwesend? Hattet ihr Streit?“, fragte mich Saga mit einfühlsamer Stimme. Das war falsch. Man musste bei mir nicht einfühlsam sein, wenn es um Reita ging. Das hatte man noch nie gemusst. Aber man hatte mich auch noch nie gefragt, ob wir Streit hatten. Und wenn, dann hätte ich darauf sicher eine präzise Antwort gehabt. Hatte ich aber nicht. Irgendwie lief gerade alles aus dem Ruder.

 

„Ich glaube nicht“, beantwortete ich seine Frage also wahrheitsgemäß. Der Bassist sah mich skeptisch an. Ich hatte keine Lust das Gespräch weiterzuführen.

„Und? Was ist nun mit heute Abend?“ Der Blonde überlegte nicht lange.

„Ich bin um acht bei dir.“ Seine Entscheidung verwunderte mich nicht sehr.

 

Wahrscheinlich durfte ich mich den ganzen Abend mit Fragen über Reita löchern lassen, aber das würde ich aushalten. Ein hinterhältiges Grinsen schlich sich auf mein Gesicht als mir einfiel, welchen Film wir heute Abend sehen konnten.

Crank 2 würde Saga sicher gefallen...

 

 

~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~

 

Crank 2 hatte Saga doch nicht gefallen. Was für eine Überraschung.

Als Jason Statham zum ersten Mal auf dem Bildschirm in meinem Wohnzimmer erschien, hatte der Blonde nur den Fernseher angestarrt. Danach hatte er mich 10 Minuten lang mit einem Kissen verprügelt. Außerdem weigerte er sich den nächsten Abend wieder mit mir zu verbringen. Ich hatte ihm zwar hoch und heilig versichert, dass es keinen dritten Teil gab, aber sein Vertrauen in mich schien mächtig angeknackst zu sein. Als ich dann nicht einmal gewillt war über Reita und unsere „Probleme“ zu reden, zog Saga beleidigt von dannen.

 

 

So kam es, dass ich am nächsten Abend alleine auf meiner Couch saß.

Eigentlich hatte ich Nao dazu überreden wollen, mir ein Teil seiner kostbaren Freizeit zu schenken, doch der hatte sich mit Kai verabredet, um mit ihm zusammen Papierkram durchzugehen. Blöde Leader. Er hatte zwar gemeint, ich könnte ruhig mitkommen, doch da verzichtete ich. Lieber verbrachte ich den Abend alleine als mir Nachhilfe in Projektmanagement geben zu lassen. Obwohl alleine auch ziemlich beschissen war, wie ich schnell feststellen musste.

 

Gelangweilt zappte ich durchs Fernsehprogramm. Mir fiel wieder ein, was das letzte Mal passiert war, als Reita und ich gelangweilt auf die Mattscheibe geglotzt hatten. Ich musste grinsen. Mein Blick fiel auf mein Handy. Das Grinsen war wieder weg.

Was war nur mit Reita los? Ja, wir hatten miteinander geschlafen, aber beim ersten Mal hatten wir danach doch auch nicht solche Probleme gehabt. Wieso ging er mir aus dem Weg?

 

Ohne lange nachzudenken, griff ich nach meinem Handy und machte etwas, was ich sonst nie machte.

Etwas, das furchtbar peinlich und demütigend war, aber ich sah keinen anderen Ausweg.

Ich rief Reita an.

 

Mit unterdrückter Nummer.

 

In Gedanken verfluchte ich den Blonden dafür, dass er mich zwang, mich wie ein verschmähter Lover aufzuführen. Natürlich verfluchte ich auch mich, dass ich mich überhaupt auf so ein Niveau herabließ.

Wahrscheinlich würde er gar nicht abnehmen. Er würde sich sicher denken können, dass ich es war und...

 

„Hallo?“

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Idiot.

„Hallo?“, fragte Reita erneut am anderen Ende der Leitung.

„Hey Rei. Hier ist Tora.“ Stille.

„Hi... deine Nummer wurde gar nicht angezeigt.“ Mein Grinsen wurde noch breiter.

„Tatsächlich? Eigenartig. Dann muss ich mein Handy wohl mal zur Reparatur bringen“, flötete ich ihm scheinheilig entgegen.

„Ja, musst du wohl“, brummte es zurück. Dann war es wieder still.

 

Ein Teil von mir hatte gehofft, dass er mich jetzt einladen würde und dass alles nur ein großes Missverständnis war. Aber da kam von seiner Seite aus nichts.

„Und was machst du heute noch so?“, hakte ich nach.

„Ich treff mich gleich mit Kai. Wir wollten ins Kino. Ich muss dann jetzt auch los. Man sieht sich.“

 

Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, war Reitas Stimme schon einem nervigen Tuten gewichen.

Verwundert starrte ich mein Handy an. Der Idiot hatte doch tatsächlich aufgelegt!

Reita war noch nie sehr höflich gewesen, aber so ging man doch nicht mit seinem besten Freund um.

Selbst wenn er mit Kai verabredet war, hatte er kein Recht mich einfach abzuwürgen.

 

Beleidigt verschränkte ich die Arme. Jetzt war ich nicht nur einsam, sondern auch noch angepisst. Ganz super. Vielleicht sollte ich doch mit Kai und Nao mit. Nur um auf andere Gedanken zu kommen...

 

 

Wahrscheinlich ist es euch schon aufgefallen, aber mich beschlich erst hier das Gefühl, dass irgendetwas falsch war. Eine geschlagene Minute lang zermarterte ich mir noch das Hirn, bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel.

 

 

„Der hat mich angelogen!!“, schrie ich entrüstet in die Leere meines Apartments.

Zwar war das reichlich bescheuert und meine Nachbarin hielt mich jetzt wohl für völlig verrückt, aber anders konnte ich meiner Empörung nicht Luft machen. Denn wenn Kai nicht vorhatte seinen Stapel Rechnungen mit ins Kino zu nehmen, um sich da mit Reita einen seiner heißgeliebten Splatter-Filme reinzuziehen, dann war das nun einmal die Wahrheit:

 

Der Arsch hatte mir ganz dreckig ins Gesicht gelogen.

 

Naja, vielleicht nicht wortwörtlich ins Gesicht, aber er hatte dazu ja auch keine Gelegenheit. Schließlich flüchtete er immer, bevor wir ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht führen konnten.

Zwar hatte ich es bis zu diesem Punkt verdrängt, aber jetzt war es ganz offiziell: Reita ging mir aus dem Weg. Und ich wusste nicht wieso!

 

Ich überlegte mir, ob ich ihn nochmal anrufen sollte, doch wahrscheinlich würde er nicht zweimal auf den Trick mit der unterdrückten Nummer reinfallen. Reita war vielleicht ein Idiot, aber so blöde war nicht einmal er.

Was sollte ich aber sonst tun? Eigentlich war ich ja meistens der Typ, der auf beleidigt machte und die ganze Wut in sich reinfrass, doch das würde in diesem Fall auch nichts bringen. Wahrscheinlich würde Reita dann nur denken, er könnte mich weiterhin an der Nase herumführen.

 

„Wenigstens hab ich eine!“, rief ich in meine leere Wohnung ohne darauf eine Antwort zu bekommen. Warum sollte sie mir auch antworten? Schließlich wollte ich nicht sie, sondern Reita beleidigen.

 

Der andere Grund war natürlich, dass meine Wohnung nicht sprechen konnte, doch in dem Moment war ich so aufgebracht, dass diese Tatsache in meinem Kopf nur eine Randnotiz bekam.

 

Aber was sollte ich sonst machen? Noch einmal anrufen war sinnlos, ignorieren würde er gar nicht mitbekommen und ich war noch nicht tief genug gesunken, um ihm eine Hass-Email zu schreiben. Also blieb mir nur eine Möglichkeit.

 

 

Entschlossen stand ich auf und schnappte mir meinen Autoschlüssel. Reita konnte ja ruhig versuchen, mich zu ignorieren, wenn ich vor seiner Wohnungstür stand!

 

 

~~*~~*~~*~~*~~*~~*~~

 

Zu meinem Glück schaffte ich es tatsächlich bis vor Reitas Tür.

Ich hatte schon Angst davor gehabt, dass die Haustüre geschlossen sein würde und ich mich über die Sprechanlage mit ihm unterhalten musste.

 

Allerdings war auf Reitas schlampige Nachbarn verlass und so stand die Haustür auch an diesem Tag weit offen und erlaubte somit auch ungebetenen Gästen – so wie mir – den Zutritt. So stand ich nun vor Reitas Wohnung und fischte seinen Ersatzschlüssel unter der Fußmatte hervor.

 

Ich hatte ihm schon tausendmal gesagt, dass er den Schlüssel nicht an dem einen Ort platzieren sollte, an dem Mörder, Diebe und Fans als erstes nach ihm suchen würden, doch heute war ich ihm für seine Sturheit sehr dankbar.

 

Zufrieden darüber, dass alles so gut geklappt hatte, schloss ich auf und betrat die Wohnung des Blonden. Leise zog ich meine Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer.

 

Reita war nirgends zu sehen.

Verwundert setzte ich mich an den Esstisch. Vielleicht war er ja wirklich unterwegs. Zwar waren alle Lichter an und auch der Fernseher lief, aber das hatte bei Reita nicht sonderlich viel zu bedeuten.

 

Mir wurde etwas unwohl.

Wenn er tatsächlich nicht zu Hause war, war ich nichts weiter als ein Einbrecher und ein Stalker noch dazu. Damit hatte Reita sogar das Recht, gerichtlich dafür zu sorgen, dass ich ihm nicht mehr zu nahe kam.

 

Gerade wollte ich mich wieder aus dem Staub machen, bevor ich eine einstweilige Verfügung riskierte, als ich eine Tür zufallen hörte.

Kurz darauf kam Reita ins Wohnzimmer getappst mit einer Tüte Chips im Arm, deren Inhalt er sich gleich handweise in den Mund stopfte.

 

Als der Blonde mich erblickte, blieb er wie erstarrt stehen. Es erinnerte sehr an das Verhalten, das er schon am vorigen Tag gezeigt hatte – mit dem Unterschied, dass er jetzt nicht einfach weglaufen konnte.

 

„Wie...“, begann er die Frage, schloss dann aber doch wieder den Mund, bevor er seinen gesamten Fußboden mit Chipskrümeln übersäte. Zwar war ich aus reiner Verzweiflung persönlich bei ihm vorbeigekommen, doch jetzt genoss ich meinen Triumph.

„Ersatzschlüssel“, entgegnete ich nur überheblich lächelnd.

„Du weißt genau, dass der nur für Notfälle is“, brummte es zurück. Ich verdrehte die Augen. So ein „Notfall“ trat zum Beispiel ein, wenn Reita gerade Play Station spielte und nicht an die Tür gehen konnte aus Angst sonst seinen „flow“ zu verlieren.

 

 

Ja, das ist wirklich seine Begründung und bis zum heutigen Tage weiß ich nicht, ob er das mit dem „flow“ ernst meint, oder nur zu faul ist aufzustehen. Vieleicht weiß er auch einfach nicht, wo auf dem Controller der Pauseknopf ist...

 

 

„Ich dachte, du wolltest weggehen?“, hakte ich nach. Reita beäugte mich misstrauisch.

„Woher weißt du, dass ich nicht weggehen will?“ Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und betrachtete meinen Gegenüber demonstrativ skeptisch.

Reita konnte mir mit seinem Pokerface ja viel erzählen, doch dass er in Jogginghose und total ungestylten, wirren Haaren ins Kino ging, nahm ich ihm nicht ab. Anscheinend hatte auch der Blonde gemerkt, dass seine Taktik nicht sehr glaubwürdig war.

 

„Ich habs mir anders überlegt“, brummte er vor sich hin und sah mir dabei nicht in die Augen.

„Super, was machen wir dann heute?“ Mein gespielt fröhlicher Tonfall ließ Reita wieder misstrauisch schauen. Er überlegte sich wohl gerade, ob ich wirklich so blöd war und nicht bemerkte, dass er mich nicht hier haben wollte, oder ob ich nur blöd tat.

 

„Ich hol uns erstmal n Bier“, gab er dann von sich. Vielleicht half ihm der Alkohol ja bei seiner Entscheidung über meinen Geisteszustand.

„Warte, ich komm mit.“ Schon ging ich neben dem Kleineren her Richtung Küche. Reita blieb stehen. Wieder der misstrauische Blick.

„Wieso?“

„Naja, du hast in der Küche schließlich ein Fenster. Nicht, dass du aus dem flüchtest.“ Ich klang immer noch fröhlich, weil ich ganz genau wusste, dass meine Worte sonst recht schnippisch rüberkommen würden. Reita grummelte und lief dann weiter.

 

„Man kann das Fenster nur kippen“, war seine Antwort auf meinen Vorwurf.

Ich betrat nach ihm die Küche und überlegte mir ernsthaft, mit welchem seiner Küchengeräte ich ihn am besten erschlagen konnte.

Es war doch unglaublich! Da hatte ich ihm noch einmal unmissverständlich klar gemacht, dass ich wusste, dass er mir aus dem Weg ging, und er ignorierte die Tatsache völlig.

 

Ich sah ihm dabei zu, wie er stumm zwei Bier aus dem Kühlschrank nahm und mir eins davon reichte. Das war doch zum Verrückt werden! Warum tat er plötzlich so, als wär alles wie immer? Als hätte ich mir die letzte Woche nur eingebildet?

 

„Warum gehst du mir aus dem Weg?“, fragte ich dieses mal ganz direkt.

Der Blonde hielt in seiner Bewegung inne. Kurz hatte ich schon Angst davor, dass er sich dumm stellte.

Er sah mich an. Schien kurz davor, etwas sagen zu wollen. Und nahm daraufhin einen großen Schluck aus seiner Flasche. Stumm wartete ich, bis er das Bier wieder absetzte. Er sah mich erneut an. Sein Mund öffnete sich. Und schloss sich wieder. Der Blick huschte zu seinem Küchenfenster.

 

„Reita?“, fragte ich erwartend. Hätte ich den Blonden nicht so gut gekannt, hätte ich mir eingebildet, es wäre ihm zu peinlich mit mir zu reden. Ich schüttelte den Gedanken ab. Reita war so schnell schließlich nichts peinlich.

Der Bassist sah immer noch aus dem Fenster. „Ich überlege, ob ich es schaffen würde, mich durch den gekippten Fensterspalt zu quetschen“, gab er etwas benommen von sich.

„Das wird eng, aber du könntest die Scheibe auch einschlagen. Nur ist deine Wohnung im siebten Stock“, gab ich zu bedenken, worauf mein Gegenüber nur nickte.

 

 

Kennt ihr diese Menschen, denen ihr nie wirklich böse sein könnt? Die ihr in einem Moment noch an die nächstbeste Häuserwand schleudern wolltet und plötzlich verpufft der ganze Ärger in euch? Reita war bei mir so ein Mensch.

 

Ich weiß, dass ich eigentlich furchtbar sauer auf ihn gewesen war. Und das auch zu Recht! Der Idiot hatte mir eine volle Woche lang die kalte Schulter gezeigt! Doch glaubt mir, wenn der Blonde dann wirklich vor einem steht und die Verlegenheit in Person ist, kann man ihm einfach nicht mehr böse sein!

 

 

„Was ist los, Reita?“, fragte ich viel rücksichtsvoller, als der Andere es verdient hatte.

Der Blonde seufzte und setzte sich dann auf seine Küchentheke.

Eine typische Angewohnheit. Wenn Reita die Möglichkeit dazu hatte, setzte er sich einfach überall hin. Einmal hätte er sich bei mir zu Hause fast auf eine heiße Herdplatte gesetzt.

 

Ich musste bei der Erinnerung leicht lächeln. Reita hatte mich danach zur Sau gemacht, wieso denn bitte schön der Herd an wäre, ich ihm aber nichts zum Essen kochen würde.

 

Wo war nur dieser Reita hin? Wo war mein bester Freund, der Macho, geblieben?

 

 

Vor mir sah ich nur einen eingeschüchterten Kerl, der scheinbar nicht die richtigen Worte fand. Ich ließ ihn noch eine Weile überlegen. Er schien schließlich gewillt zu sein, sich mir mitzuteilen, nur schien ihm der Ansatz zu fehlen.

 

„Letzte Woche“, begann er dann endlich nach einer halben Ewigkeit an Stille. „Da war ich soo... und dann hatten wir Sex und dann warst du am nächsten Morgen soo... und dann hab ich irgendwie Panik bekommen, verstehst du?“ Er sah mich erwartend an, doch leider verstand ich nichts.

Er seufzte erneut. Raufte sich die Haare. Suchte wieder nach Worten.

Ich betete, dass sein zweiter Versuch mehr fruchtete als der erste.

 

„Ich war betrunken und das, was ich zu dir gesagt habe... Ich meine... Ich war betrunken!“

Zwar war diese Aussage auch nicht sehr viel besser als die erste, doch wenigstens konnte ich mir dieses Mal zusammenreimen, auf was er hinauswollte.

„Du meinst, es geht darum, was du an dem Abend zu mir gesagt hast?“ Der Andere antwortete nicht, doch manchmal war keine Antwort eben auch eine.

 

Ich erinnerte mich daran, wie eigenartig es sich angefühlt hatte, als Reita mir so völlig offen seine Gefühle mitgeteilt hatte. Anscheinend war ich nicht der einzige, der das im Nachhinein eigenartig fand.

 

Trotzdem verstand ich Reitas Reaktion nicht. Zwar hatte er sich mit seinem kleinen Geständnis vor mir die Blöße gegeben, doch das war lange kein Grund, mir eine Woche lang aus dem Weg zu gehen!

 

„Du hast mich also deshalb eine Woche lang ignoriert?“, fragte ich ihn leicht verärgert. Konnte der Idiot nicht nur einmal seinen Stolz hinten anstellen?!

„Ja. Nein“, gab Reita von sich, raufte sich erneut die Haare, bevor er seufzte und endlich die Katze aus dem Sack ließ.

„Ich hab gerne Sex mit dir, aber aus uns wird doch niemals etwas Ernstes.“

 

Stille.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Goesha
2018-06-07T20:33:58+00:00 07.06.2018 22:33
Aww, irgendwie hab ich ja schon Mitleid mit Tora. Aber Liebes-Beziehnungs-Kram ist eben nicht einfach... nicht mal für Reita.
Ich fand es witzig, wie Tora sich lautstark in seiner Wohnung aufgeregt hat! Er hat wenigstens eine... Nase. XD Aber irgendwie muss der Frust ja raus!
Von:  Kyo_aka_Ne-chan
2018-05-29T09:13:27+00:00 29.05.2018 11:13
Jaaa, jetzt hast du ihn Tora, gut eingekesselt! Und jetzt wirf den Pokeball :D
Aber Mann, dass Reita jetzt so einen Spruch loslässt... also mir tat es weh, ich möchte nicht wissen, wie es Tora jetzt geht QQ Ich hoffe, Tora kann iwo auch mal das Ruder rumreißen, bisher ist er der Dumme in der Geschichte und Reita hat iwo immer das Sagen oder kommt mir das nur so vor? (Na gut, außer im Bett natürlich, wo Tora OBEN ist, ätsch! xD)
Jedenfalls bin ich jetzt gespannt, was Tora dazu sagt und was es in ihm anstellt... wie du merkst, bin ich voll in der Geschichte drin xD
Von:  MaiRaike
2018-05-03T18:49:24+00:00 03.05.2018 20:49
Nein? wirklich nicht? Ich glaube du irrst dich Reite :D Harharhar
(freue mich auf das nächste)
Antwort von:  korai-chan
20.05.2018 19:37
Vielen lieben Dank für dein Kommentar! Hoffe, die Story gefällt dir auch weiterhin ^^


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