Zum Inhalt der Seite

Black Magic: Night Stallion

[NaLu, Stingue]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe es endlich geschafft und alles genug zusammengekratzt, um diese FF zu beginnen. War schon viel früher geplant, aber dieses Jahr ist schreibtechnisch ziemlich ... blöd, irgendwie kriege ich höchstens die Hälfte von dem hin, was ich eigentlich erledigen will. Ich kann darum noch nicht vorhersagen, wie es mit den Updates verlaufen wird, aber ich will mich natürlich um eine gewisse Regelmäßigkeit und Schnelligkeit bemühen. Anyway, ich dachte jedoch, dass es besser ist als gar nichts, darum hab ich mich endlich hingesetzt und das erste Kapitel unter Dach und Fach gebracht.

Das hier ist das Sequel von Black Magic: The Gaze of the Abyss und es wäre angebracht, zuerst das zu lesen, v.a. wenn man wissen will, was mit den Ereignisse an Halloween gemeint ist, das werde ich hier nicht weiter ausführen, aber es wird natürlich Referenzen geben. Beide Storys sind allerdings auch in sich abgeschlossen, darum ist es theoretisch möglich, erst hier einzusteigen.
Diesmal mach ich mir keine Obergrenze, was die Kapitel angeht, sonder eher eine Wortanzahl, wie lang diese sein sollen, soll heißen - kürzere Kapitel, aber es werden halt mehr.
Ich hoffe, ihr habt auch dieses Mal Spaß an der Sache. :)

Warnings: horror (ich versuche es zumindest...), violence, blood, gore, language, minor character death und mal sehen... Ich hab das Rating jetzt mal so hoch gesetzt, nur um sicher zu gehen. Kann sein, dass das übertrieben ist, aber was soll's. (Meiner Erfahrung nach schert sich hier eh kein Mensch darum. ^^")

Enjoy.
XD" Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Dark Clouds

Welches, denkst du, ist besser?“, fragte Lucy über ihre Schulter zurück, während sie abwechselnd die ausgewählten Kleidungsstücke auf den Bügeln vor ihren Körper hielt. Sie trug nur ein Handtuch, die Haare in ein weiteres gewickelt, und betrachtete sich und vor allem die Outfits kritisch im Spiegel.
 

Eines bestand aus einem gestrickten, weißen Rollkragenpullover aus feiner, weicher Wolle und einer einfachen Jeans, das andere aus einem blaukarierten Trägerkleid mit dünnem schwarzem Pullover. Beides ging eher in Richtung ‚süß und niedlich‘ anstatt ‚sexy und aufregend‘, aber genau das wollte sie auch.
 

Klar, es ging darum, dass sie ihren neuen Freund nach einer ganzen, ewig langen Woche endlich wiedersah, bei dem das spannende ‚gerade frisch verliebt und noch ist alles neu‘-Gefühl noch da war. Aber immerhin war sie auch Zuhause bei ihren Eltern, da durfte man nun wirklich nicht alles auffahren, sondern musste auch ein wenig Rücksicht nehmen.
 

Wenn sie es sich so recht bedachte, würde Natsu sich eh nicht dafür interessieren, was sie trug, dafür war er einfach nicht der Typ. Natürlich wusste er es stets zu würdigen, wenn sie sich so richtig in Schale warf, weil sowas selbst ihm auffiel. Aber eben nicht nur dann.
 

Einmal hatte er sie morgens beim Frühstück angesehen wie eine wundersame Erscheinung und ihr aus heiterem Himmel erklärt, sie wäre wunderschön, obwohl sie ohne Make-up und im völligen Schlabberlook herumgerannt war. Und das war schon etwas ganz Besonderes, etwas das ihr dieses spezielle, warme Gefühl im Bauch beschert hatte, mit dem man sich einfach gut und glücklich fühlte. Dan wäre so etwas nie eingefallen und auch keinem anderen, mit dem sie je zusammen gewesen war.
 

Aber warum dachte sie eigentlich noch an ihren Ex, wenn sie hier wichtige Dinge zu entscheiden hatte? Sie konzentrierte sich wieder auf ihr Spiegelbild, das ihr von einem antiken Standspiegel aus entgegensah. Rollkragenpulli oder Kleid?
 

Ganz egal, ob Natsu einen Unterschied bemerken würde oder nicht, das war eine wichtige Frage. Sie war es, die sich besser und vor allem sicherer fühlen würde, wenn sie das perfekte Outfit trug. Denn wenn sie es ehrlich zugab, war sie doch sehr nervös, denn immerhin würde ihr neuer Freund zum ersten Mal ihre Eltern treffen. Und das auch noch so kurz vor Weihnachten, das sie alle miteinander verbringen wollten…
 

Das barg schon ein gewisses Risiko, sie erinnerte sich noch gut an das Desaster, als sie letztes Mal diesen Versuch gestartet hatte. Das war damals völlig nach hinten losgegangen und ihre Mutter hatte sich nie mit Dan anfreunden können. Aber Natsu war ganz anders als ihr Ex, da konnte doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?
 

Erneut wechselte sie die Bügel und hielt sich das Kleid vor die Brust, grüblerisch das Gesicht verziehend. „Hm.“ Sie drehte sich zu ihrem Zuschauer um, der lang ausgestreckt gemütlich auf der rosa gepunkteten Tagesdecke lag, die ihr Himmelbett bedeckte. „Was denkst du, Tamino?“
 

Der rotgetigerte Kater, den sie damals am alten Bahnhof aufgegriffen hatte, starrte sie aus goldenen Augen an und miaute. Er war ein großes Tier mit seidenweichem Fell und dem natürlichen Selbstbewusstsein einer Kreatur, die wusste, dass sie an der Spitze der Nahrungskette stand und alles erreichen konnte.
 

„Du hast Recht.“, stimmte sie ihm zu, weil sie wusste, dass sie sich sowieso nie von allein entscheiden könnte. Eine Wahl war so gut wie die andere und warum nicht den Zufall entscheiden lassen? „Ich nehme das hier.“
 

Entschlossen hängte sie den Bügel mit Pullover und Jeans an die Tür, die in ihren begehbaren Kleiderschrank führte, und warf den anderen auf den großen, runden Korbsessel, um sich um ihre Unterwäsche zu kümmern. Da konnte sie alle Register ziehen und sie freute sich schon darauf, sie Natsu heute Abend vorzuführen. Sie grinste bei dem Gedanken, wie hervorragend sie darin aussehen würde. Ihm würden die Augen aus dem Kopf fallen!
 

„Das wird ihn aus den Socken hauen.“, erklärte sie ihrem Kater, doch der gähnte nur. Dann stand er auf und streckte sich ausgiebig, ehe er vom Bett sprang und mit erhobenem Schwanz zur offenen Tür stolzierte, die in das Vorzimmer führte. Von diesem konnte man fast alle Räume erreichen, aus denen die Zimmerflucht bestand, die sie bewohnte, wann immer sie in Heartphilia Manor weilte.
 

Lucy kümmerte sich nicht weiter um ihn, sondern schlüpfte in ihre Kleider und huschte dann kurz ins Bad, um einen Touch Make-up aufzulegen. Als sie auf dem Weg nach draußen erneut an dem Standspiegel vorbeikam, warf sie sich noch einmal ein strahlendes Lächeln zu. Sie musste ganz unbescheiden zugeben, dass sie phantastisch aussah.
 

Als sie ins Vorzimmer trat, traf sie auf Virgo, die gedankenverloren neben dem runden Beistelltisch stand und Tamino streichelte, der lang ausgestreckt darauf lag und einfach nur genoss. Sie war eine hübsche, junge Frau mit schulterlangem, pinkem Haar und einem herzförmigen Gesicht, das meistens einen ernsten Ausdruck trug. Eigentlich war sie eine selbstbewusste, aufgeräumte Person, aber im Moment sah sie niedergedrückt aus.
 

„Virgo?“, fragte Lucy vorsichtig und die Angesprochene zuckte zusammen, ehe sie sich umwandte. „Mi-Miss Lucy.“
 

Tamino richtete sich auf und starrte zu Virgo hoch, empört darüber, nicht mehr gestreichelt zu werden. Dann begann er, seine Pfote zu lecken, als sei das von Anfang an der Plan gewesen.
 

Lucy runzelte die Stirn. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Ist etwas passiert? Du siehst so mitgenommen aus?“
 

„Ach, es ist so…“, begann die Bedienstete und rang die Hände. „Erinnern Sie sich an Katie?“
 

Lucy musste einen Moment nachdenken, ehe ihr vage einfiel, von wem die Rede war. Katie war eine junge Frau aus dem nahegelegenen Dorf, die als Haushaltshilfe angestellt war. Lucy hatte ihr ein paar Mal dabei geholfen, die Wäsche zu hängen oder die Blumen zu gießen oder was sonst so angefallen war. Sie war eine stets fröhliche Person mit einfachem Gemüt, die davon gesprochen hatte, zu heiraten und Kinder zu kriegen, als wäre es ihr größtes Ziel im Leben. Sie hatte sich sogar bereits einen der Bauern aus der Gegend angelacht, von dem sie so lang erzählen konnte, wie man sie ließ. Lucy hatte sie noch nicht gesehen, seit sie vor drei Tagen in Heartphilia Manor angekommen war.
 

Langsam nickte sie. „Hat sie sich nicht vor kurzem verlobt?“
 

„Ja.“ Virgo lächelte bitter. „Sie ist heute Nacht gestorben.“
 

Lucy starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an und begriff für einen Moment nicht, was sie da gehört hatte. Sollte das ein Witz sein? Oder hatte sie sich verhört? Das kam so völlig aus heiterem Himmel! Und… und… Das konnte doch nicht sein! Einfach so!
 

„Wie… Was…?“, brachte sie dann heraus. „Hatte sie einen Unfall?“ Virgo würde niemals Scherze über solche Dinge machen, aber… Lucy konnte es einfach nicht glauben.
 

Doch das Dienstmädchen schüttelte nur den Kopf. „Nein, sie war… Es ist diese seltsame Krankheit, die seit einiger Zeit hier umgeht.“
 

„Oh.“, murmelte Lucy und suchte nach den richtigen Worten. Man hatte ihr nur ungefähr von diesen Vorfällen berichtet – nach dem, was an Halloween geschehen war, behandelten die meisten Leute sie immer noch mit Samthandschuhen. Dabei fühlte sie sich gut und es war schon über einen Monat her!
 

Ja, zugegeben, manchmal träumte sie schlecht und manchmal hielt sie einen zusätzlichen Schritt Abstand von allen Personen um sie herum und manchmal schweiften ihre Gedanken ungebeten ab. Außerdem hatte sie jemanden engagiert, der ihr Selbstverteidigung beibringen sollte. Bis jetzt klappte das eher schlecht als recht und bis Neujahr hatte sie sich da auch eine Auszeit genommen, aber das würde schon noch werden.
 

Und trotz allem war sie keine Porzellanpuppe. Ihr ging es gut! Man musste sie nicht vor allem Schlechten und Unangenehmen beschützen, das in der Welt geschah! Und eine Krankheit, so seltsam sie auch war, hatte ja wohl nichts mit Halloween gemein.
 

„Das tut mir leid.“, brachte sie schließlich heraus, obwohl Virgo nicht sehr viel mit der Verstorbenen zu tun gehabt hatte und das sowieso nur leere, bedeutungslose Worte waren. Sie würde ihrer Mutter oder noch besser, ihrem Vater davon berichten, der der Familie die Beileidsbekundungen zukommen lassen und vielleicht erfahren konnte, wann sie beigesetzt wurde.
 

Doch Virgo nickte nur, ihr Gesicht immer noch tief betrübt. Dann holte sie tief Luft und riss sich sichtbar zusammen. „Kann ich Ihnen mit etwas helfen?“
 

„Nein, ich…“ Lucy unterbrach sich. „Weißt du, wo meine Mutter ist?“
 

„Sie hat sich im Wintergarten hingelegt.“, war die prompte Antwort und Lucy nickte.
 

Das war einer der Orte, an denen sie als erstes nachgesehen hätte, einer von Laylas Lieblingsplätzen. Diese Stellen suchte sie stets auf, wenn es ihr schlecht ging, was in dieser Jahreszeit oft der Fall war, vor allem bei einem solchen Wetter. Trist und düster, der Himmel so verhangen von dunklen Wolken, dass man Licht anschalten musste, die Landschaft grau und braun.
 

Wenigstens hatte der Wetterbericht für die kommenden Tage und Wochen Schnee angesagt, der Layla immer aufheitern konnte. Zum Glück hatte Natsu sich für heute angekündigt, denn Heartphilia Manor und das nahegelegene Snowdrop Village wurden im Winter sehr schnell eingeschneit und waren dann nur noch schwer zu erreichen. Aber wenn man nirgendwo hinmusste, war der Schnee einfach nur wundervoll und Lucy freute sich schon auf Schlittenpartien und Spaziergänge.
 

„Danke. Ich geh sie mal suchen.“ Damit stieg sie in ihre Hausschuhe und verließ das Zimmer, noch immer etwas mitgenommen von der überraschenden Nachricht. Tamino folgte ihr hinaus und strich ihr beruhigend um die Füße, bis er eine Sprossentür entdeckte, die auf einen der Erkerbalkone hinausführte.
 

„Dich hält hier drin auch nicht vieles, oder?“, wollte sie von dem Kater wissen und öffnete ihm die Tür. Ein Schwall eiskalter Luft kam ihr entgegen, aber Tamino schien das nicht zu stören. Er schlüpfte durch den Spalt und sprang mit einem Satz auf die geschwungene Steinbalustrade, die eine hüfthohe Abgrenzung bildete.
 

Sie befanden sich im ersten Stock und von hier hatte man einen hervorragenden Blick über den kleinen Park hinter dem Herrenhaus. Zwei Freitreppen führten von einer Terrasse hinunter zu einem Labyrinth aus niedrigem Buchs, in dessen Mitte sich ein Brunnen mit Meerjungfrauenstatue erhob.
 

Dahinter erstreckte sich eine Wiese, die erneut in einer Abstufung nach unten endete. Dort konnte man noch die Gemüsegärten erkennen, zwei lange Gewächshäuser und die Pferdeställe. Immer wieder erhoben sich einzelne Bäume oder kleine Haine aus der gepflegten Fläche und Büsche und Beete säumten die gekiesten Wege.
 

Im Moment sah freilich alles ziemlich trist aus – die Blumenbeete waren größtenteils leer oder mit Reisig für den Winter abgedeckt, die Bäume hatten ihre Blätter verloren, das Gras wirkte schwächlich und matt, selbst die Erde schien eher grau zu sein als braun. Die Zeit zwischen den goldenen Tagen des Herbstes und dem ersten Schnee war Heartphilia Manor ein trostloser, ja geradezu bedrückender Ort.
 

Aber zu jeder anderen Jahreszeit konnte Lucy sich keinen schöneren Platz vorstellen. Sie verband so viele schöne Erinnerungen mit dem alten Anwesen, in dem sie groß geworden war, zu dem sie jedes Jahr aus dem Internat zurückgekehrt war und das auch jetzt noch ein Ankerpunkt in ihrer Welt war.
 

Sie war so glücklich darüber, dass sie ihn Natsu zeigen durfte! Das hier war ihr Zuhause und sie wollte es mit ihm teilen und ihm all seine Geheimnisse und kleinen Wunder zeigen. Die Gelegenheit war natürlich auch günstig, denn nachdem Lucy einmal nebenbei erwähnt hatte, dass Natsu die Feiertage wohl im Büro verbringen würde, hatte Layla kurzerhand vorgeschlagen, ihn über Weihnachten einzuladen. Er hatte freudestrahlend zugesagt.
 

Auch ein Stück entfernt von dem Balkon erhob sich ein alter Nussbaum, dessen Äste bis zu ihr herüberreichten, so dass Tamino sie benutzen, um hinunter auf den Boden zu steigen. Einen Moment später schoss er wie ein orangeroter Blitz durch das dürre Gras und verschwand unter einem immergrünen Schneeballbusch.
 

Sorgfältig schloss sie die Tür wieder, da das Gebäude durch ohne offene Fenster schnell genug auskühlte, und setzte ihren Weg fort. Der Kater würde schon irgendwie wieder seinen Weg herein finden – es gab genug Bedienstete, die ihn kannten, und mindestens die Hälfte der Hausmädchen war ihm längst verfallen. Einmal hatte sie sogar Spetto dabei beobachtet, wie sie ihm ein Stück Fisch zugesteckt hatte.
 

Außerdem hatte sie den Verdacht, dass er längst das eine oder andere Loch gefunden hatte, durch das er hereinkommen konnte, wie es ihm beliebte. Es war doch erstaunlich, wie schnell er sich hier zurechtgefunden hatte. Man könnte meinen, er wäre hier aufgewachsen, und sie würde schwören, dass er sich längst als König des Anwesens sah.
 

Mit einem kleinen Lächeln lief sie die Treppe hinunter, die von der Galerie in die große Eingangshalle führte, das aber schnell wieder verschwand. Die Nachricht von dem Todesfall hatte ihrer guten Laune einen gehörigen Dämpfer verpasst, wenn auch nicht ganz unterdrückt. Sie verdrängte das schlechte Gewissen, dass sie darum beschlich, und eilte den Flur zum Wintergarten hinunter, der durch ein kleines Teezimmer zu betreten war, in dem Layla gerne ihre Gäste empfing.
 

Er war auch einer von Lucys Lieblingsräumen im gesamten Haus und sie hatte kostbare Kindheitserinnerungen daran, auf dem alten Dielenboden, der unter jedem Schritt knarrte, ihre Autos und Holzpferdchen herumzuschieben, oder an die kleine Puppenstube in einer Ecke, während ihre Mutter auf einem der gemütlichen Diwane lag und las.
 

Hier grünte und blühte es stets, überall standen Pflanzen in bunten Töpfen herum, von denen manche so groß waren, dass zwei Männer sie nicht umfassen konnten. Ein Teil des Raumes war für die Blumen vorbehalten, die eigentlich auf der Terrasse standen, die man durch eine Sprossentür erreichen konnte, und im Moment war dort kaum ein Durchkommen.
 

Der Rest war eingerichtet wie das gemütlichste Wohnzimmer, das Lucy sich vorstellen konnte, mit idyllischen Fotographien an den Wänden, die Jude in diversen Urlauben gemacht hatte, Nippes an allen möglichen und unmöglichen Stellen, an denen Layla in eben diesen Urlauben nicht hatte vorbeigehen können, von Lucy in früheren Jahren selbstgemachtem Schmuck und diversen anderem Kram, der so nutzlos wie charmant war. Es gab sogar einen Kamin, in dem im Moment ein kleines Feuer brannte. Davor befand sich eine kleine Sitzgruppe aus geweißeltem Holz, mit bequemen Kissen in verschiedenen Pastelltönen.
 

Layla saß, ein zartrosa Poncho um die schmalen Schultern geschlungen, auf dem Diwan, eine dampfende Teetasse in den Fingern, die aus den langen Spitzenstulpen herausschauten. Ihr goldblondes Haar fiel ihr offen den Rücken herunter und ihre Haut war etwas zu blass und wirkte beinahe durchscheinend.
 

Vor ihr auf dem Tisch lagen ein Buch, dem Titelbild nach einer der Bodice Ripper-Romane, die sie so mochte, und ein Notizblock, die eng mit ihrer geschwungenen Handschrift beschrieben war. Daneben standen die Teekanne auf einem kleinen Stövchen und eine Schüssel voller Plätzchen, die direkt aus der Küche stammten.
 

Als Lucy sich näherte, blickte sie auf und warf ihrer Tochter ein Lächeln zu, das nicht ganz die Schatten in ihren rehbraunen Augen vertreiben konnte. „Wie ich sehe, hast du dich schon fertig gemacht.“, bemerkte sie neckend und Lucy fühlte, wie die Röte in ihr Gesicht schoss. War sie so leicht zu durchschauen?
 

Layla lachte leise. „Was glaubst du, wie lange ich zu meiner Zeit vor dem Kleiderschrank gestanden habe, als dein Vater mir den Hof gemacht hat? Ich kann das also gut nachvollziehen. Genieß dieses Gefühl so lange es anhält.“
 

Lucy lachte verlegen und ließ sich auf einen der Sessel sinken. „Ich will nur, dass alles perfekt ist.“, gab sie zu und strich sich eine lose Strähne hinter das Ohr. „Das ist mir wichtiger als bei allen vorher. Natsu ist…“ Sie suchte nach den richtigen Worten, brachte aber nur verträumt heraus: „… etwas Besonderes.“
 

Laylas sanftes Lächeln beruhigte ihre Nerven. „Das habe ich schon bemerkt und ich freue mich so für dich, dass du anscheinend endlich den Richtigen für dich gefunden hast. Aber du siehst trotzdem bedrückt aus. Machst du dir Sorgen, dein Natsu würde hier auf wenig Gegenliebe stoßen? Oder dass es ihm nicht gefällt?“
 

Hastig blickte Lucy auf. „Nein, ich…“ Natürlich machte sie sich ein wenig Sorgen um das alles, aber tatsächlich war dieses Thema etwas in den Hintergrund gerückt. Sie sagte sich immer wieder, dass Natsu eine Gabe hatte, alle Herzen im Sturm zu erobern. „Ich habe gerade mit Virgo gesprochen und sie hat mir von Katie erzählt. Ich… ich wusste gar nicht, dass das so schlimm ist.“
 

Laylas Blick wanderte zu ihrem Notizblock und sie nickte langsam. „Sie ist die dritte Tote in vier Wochen, aber als ich mich vorhin erkundigt habe, hat man mir gesagt, dass anscheinend noch fünf weitere Leute in diesem Koma liegen, das allem vorangeht.“ Sie seufzte. „Sheriff Sands hat berichtet, dass er vermutlich die Gesundheitsbehörde einschalten wird. Hoffentlich schicken die einen Experten, der mehr weiß.“
 

„Die Gesundheitsbehörde?“ Lucy zog beide Augenbrauen hoch. Anscheinend wusste man an den offiziellen Stellen weder ein noch aus.
 

Layla nickte und nippte an ihrer Tasse. „Gestern haben sie eine Fünfjährige eingeliefert.“
 

„… Oh.“, machte Lucy schwach und fühlte sich noch schlechter als bisher. Sie war hier und machte sich Sorgen darum, ob ihre Eltern und ihr Freund sich verstanden, während dort draußen Leute waren, die sich um ihre kleine Tochter Sorgen machen mussten, die in ein unerklärliches Koma gefallen war, das im Tod endete?
 

Sie seufzte schwer und Layla tätschelte ihre Schulter. „Ich bin sicher, sie werden eine Lösung finden. Mach dir keine Sorgen, sondern konzentriere dich auf dein Leben.“
 

„Aber…“
 

Lucy verstummte, als ihre Mutter ihr einen strengen Blick zuwarf. „Es hilft nichts, dir über Probleme den Kopf zu zerbrechen, die du nicht lösen kannst und die dich nur am Rande betreffen. Glaub mir.“ Das klang herzloser, als es war, und ganz sicher etwas, das ihre Therapeutin ihr erzählt hatte, wieder und wieder und wieder, bis sie es geglaubt hatte.
 

Lucy wusste ganz genau, dass es auch stimmte. Wenn die Ereignisse an Halloween ihr eines gezeigt hatten, dann das, dass das Leben weiterging. Dass selbst ein Todesfall, der nicht in ihrem direkten Bekanntenkreis oder ihrer Familie stattfand, sie nur geringfügig berührte und es danach… einfach weiterging, als sei nichts geschehen.
 

Erneut verdrängte sie ein schlechtes Gewissen und konzentrierte sich auf ein anderes Thema: „Wann kommt Papa heim?“
 

„Hoffentlich noch rechtzeitig. In der Firma gab es ein paar Probleme, die er sich unbedingt ansehen müsste. Man sollte meinen, der Konzern bricht zusammen, wenn er mal drei Tage weg ist.“ Layla schüttelte nachsichtig den Kopf und griff nach einer der umgedrehten Tassen, die auf einem Beistelltisch bereitstanden. „Willst du auch einen Tee? Und wann hast du gesagt, dass dein Natsu kommt?“
 

Erneut blubberte Lucy ein warmes Gefühl hoch und sie ließ zu, dass es alle niederdrückenden Gedanken vertrieb. Dein Natsu. Sie mochte den Klang davon und die Bedeutung dahinter und einfach… Vor lauter Begeisterung knuddelte sie eines der flauschigen Kissen und konnte gerade noch das alberne Kichern unterdrücken, das in ihr hochstieg. Selbst vor ihrer Mutter wollte sie sich nicht so gehen lassen.
 

„Er wollte zu Mittag losfahren. Also…“ Sie warf ein Blick auf die große Standuhr in der Nähe, die leise vor sich hin tickte. „In etwa einer Stunde.“
 

„Sehr schön. Aed hat einiges aufgefahren.“
 

„Das ist gut, denn Natsu kann eine Menge verdrücken!“ Das war eines der ersten Dinge, die Lucy über Natsu gelernt hatte, und sie wusste, sie sollte es nicht so niedlich finden, wie sie es tat. Aber was sollte sie tun? Er war einfach so… so toll und sie war hundertprozentig und absolut verliebt.
 

Da durfte sie ruhig ein wenig albern sein.
 


 

~~*~~★~~*~~
 


 

Aufgeregt reckte Lucy den Hals und spähte aus dem Fenster, von dem aus sie den besten Blick den langen, gekiesten Weg hinunter hatte, der direkt zum Haupttor des Anwesens führte. Umgeben von einer hohen Mauer war Heartphilia Manor abgeschottet von dem Wald, der es umgab. Nur die Schneise, die die nahegelegene Landstraße durch die Bäume zog, bildete eine Lücke in dem dichten Grün.
 

Der Haupteingang zum Gelände wurde abgeriegelt von einem schweren, schmiedeeisernen Tor, das meistens geschlossen war und kunstvoller aussah, als praktikabel schien. Das kleine Wächterhäuschen, das sich daneben befand, war in der Regel unbemannt – Lucy wusste nur von einem Zwischenfall, an dem Jude Bodyguards angeheuert hatte, als es ziemlich ernste Drohungen gegen seine Familie gegeben hatte. Sie selbst, damals erst zehn, hatte es nur am Rande mitgekriegt und für sie war das alles furchtbar aufregend gewesen.
 

Jetzt war sie froh darum, dass es nicht öfter notwendig gewesen war. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das in Zukunft änderte, war gering und das war ihr ganz recht so. Sie wollte ihre Ruhe haben, einmal entführt zu werden reichte ihr vollkommen, danke schön! Sie wollte ihre Weihnachten genießen und sich nur Sorgen darum machen, ob Natsu und ihre Eltern sich verstanden und die Geschenke, die sie mitgebracht hatte, auch allen gefielen.
 

Und sie wollte, wissen, wann genau Natsu endlich da sein würde! Er ließ sich ja ganz schön viel Zeit. Grummelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust, auch wenn sie wusste, dass es kaum seine Schuld war. Vermutlich hatte der Verkehr ihn aufgehalten oder er war spät losgekommen oder vielleicht hatte er sich auch verfahren, immerhin war es nicht ganz leicht, den Weg nach Snowdrop Village zu finden, und noch schwerer, die kleine Abzweigung nach Heartphilia Manor nicht zu übersehen.
 

Jude hatte bereits abgesagt, mit ihm war heute nicht mehr zu rechnen. Er hatte allerdings versprochen, dass er das doch schwerwiegendere Problem bis morgen beseitigen würde und dann für seine Familie Zeit bis ins nächste Jahr haben würde.
 

„Miss Lucy.“ Die tiefe, gelassene Stimme des Butlers ließ sie heftig zusammenzucken und herumwirbeln, eine Hand auf ihr wild schlagendes Herz gepresst.
 

„Erschreck mich doch nicht so, Capricorn!“, schimpfte sie und blickte dem hochgewachsenen, schlanken Mann entgegen, der gerade aus dem langen Flur trat, der den Haushaltstrakt hinunterführte. Sein silbergraues Haar und der schlohweiße Ziegenbart waren kurz und akkurat geschnitten und passten perfekt zu dem strengen, verschlossenen Gesicht mit den kantigen Zügen.
 

„Ich entschuldige mich.“, war die Antwort, ebenso kühl und stoisch. Manchmal glaubte Lucy, er wäre zu keiner anderen Tonlage fähig, obwohl sie ganz genau wusste, dass dies nicht stimmte. Aber der Butler, der schon, seit sie denken konnte, in Laylas Diensten stand, war stets beherrscht und gleichmütig und vermittelte seine Emotionen eher mit subtilen Gesten. Auf die meisten Leute wirkte er darum distanziert und kaltschnäuzig, aber Lucy, die mit ihm und in seiner Obhut aufgewachsen war, wusste, was für eine warmherzige Person er tatsächlich war. „Aber gerade hat dein Freund das Tor passiert. Er dürfe jeden Moment ankommen.“
 

„Was!“ Wie gestochen richtete sie sich gerader auf und rannte zur Haustür, die auf eine überdachte Veranda hinausführte, um sie aufzureißen und hinauszustürmen. Schlanke Säulen, an denen Efeu emporrankte, stützten das Dach und drei Stufen führten auf den gepflasterten Hof hinunter. In dessen Mitte lag eine kleine Grasfläche, aus der hoch eine uralte Weide wuchs. Die kahlen Äste hoben sich nur undeutlich von dem düsteren Himmel ab, der mit schweren Wolken verhangen war, die immer dunkler zu werden schienen.
 

Hastig schlüpfte Lucy in ihre quietschgelben Gummistiefel, die bei der Bank auf dem Boden lagen, und einen Moment später fuhr auch schon der rote Mustang auf den Hof, dessen Anblick Lucys Herz schneller schlagen ließ. Durch die Windschutzscheibe konnte sie Natsus vertrautes Profil erkennen und ihr Herz machte einen freudigen Hüpfer.
 

Er fuhr einen schwungvollen Bogen und reihte sein Auto neben der Limousine, mit der Layla sich herumfahren ließ, und dem Mercedes, den die Haushaltshilfen zum Einkaufen benutzten, ein. Er hatte kaum Zeit, auszusteigen, als sie ihm schon um den Hals fiel und sie hatte das Gefühl, dass ihr glückseliges Lächeln ihr das Gesicht sprengen würde, wenn es nur ein wenig weiter wäre. „Natsu! Ich hab dich vermisst! Ich freu mich so, dass du endlich da bist!“
 

Reflexartig fing er sie auf und erwiderte den heftigen Kuss, den sie ihm auf die Lippen drückte. Ihre Füße baumelten in der Luft, als sie sich endlich wieder voneinander lösten. „Wo soll ich denn sonst sein?“, fragte er zurück und grinste zu ihr hoch, ehe er sie wieder abstellte. Er redete schon weiter, ehe sie wieder zu Atem kommen konnte: „Ich hab aber gar nicht gewusst, dass du in einem Schloss aufgewachsen bist.“
 

„Das ist nur Heartphilia Manor.“, winkte sie seine Übertreibung ab. „Das ist schon ewig im Besitz der Familie meiner Mutter.“ Sie warf einen Blick zu dem alten Gebäude hinüber, das selbst gegen den dunklen Himmel einen beeindruckenden Anblick bot, wie selbst sie zugeben musste.
 

Vier Stockwerke, das Dachgeschoss nicht mitgezählt, lange Reihen von Fenstern, die größtenteils im Dunkeln lagen, die Aufbauten links und rechts, die ein wenig wie kleine Türme wirkten, die Dachgauben der obersten Etage, der Stuck und die Wasserspeier… Über der Veranda befand sich ein Balkon, hinter dem sich der große Tanzsaal des Hauses befand, und die Tiefe des Gebäudes ließ sich nur erahnen.
 

Natsu lachte und tätschelte ihren Kopf, ehe er ihr den Arm um die Taille schlang, nicht gewillt, sie wieder loszulassen. „Manchmal bist du echt lustig.“, stellte er glucksend fest und führte sie um sein Auto herum, um den Kofferraum zu öffnen.
 

„Was soll denn das bedeuten?“, wollte sie wissen, während sie zwischen Freude, Belustigung und Verdruss schwankte. Was meinte er denn damit?
 

„Dass du sowas“ er deutete auf das Haus „mit einem ‚ach, das ist doch nur‘ wegwischst, während die meisten Leute nur davon träumen können, ein solches Privathaus auch nur zu betreten.“ Er verdrehte die Augen, aber sein Lächeln zeigte, dass er es nicht böse meinte. „Ich meine, ich habe da hinten noch andere Gebäude gesehen. Und da auch!“
 

Er deutete in zwei verschiedene Richtungen und Lucy winkte erneut ab, diesmal bewusst übertrieben. „Ach, da unten sind nur die Ställe und das da hinten ist das Sommerhaus für die nervigen Familienmitglieder.“
 

Natsu schnaubte. „Siehst du? Ich hab nur eine Couch für Gäste und keine Familienmitglieder, die Gebrauch davon machen könnten. Kann ich mein Auto hier eigentlich stehen lassen?“
 

„Ja, klar. Oder du gibst Capricorn den Schlüssel, dann kann er es in eine Garage fahren. Es wird heute Nacht vermutlich schneien.“
 

Natsu folgte mit gerunzelter Stirn ihrer Handbewegung in die Richtung der Veranda, auf der der Butler mit hinter dem Rücken verschränkten Händen stand und zu ihnen herüberblickte. „Hm.“, machte er zweifelnd und blickte dann auf sie hinunter. „Wie gut kann er fahren? Ich kann mein Baby nicht irgendeinem dahergelaufenen Typen anvertrauen.“
 

Sie boxte ihm gegen die Schulter, aber sie senkte die Stimme, so dass nur er sie hören konnte: „Tu nicht so, als ob ich nicht vor ein paar Wochen hässliche kleine Goblins damit umgefahren hätte.“
 

„Und es hat immer noch Dellen!“, beschwerte er sich und sein Blick wanderte wieder zu Capricorn hinüber. Nein, stellte Lucy dann fest, nicht zu dem Butler, sondern zum Haus, um es scharf zu mustern. Und die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen gefiel ihr gar nicht. Doch dann glättete sein Gesicht sich schon wieder, fast, als hätte sie sich das nur eingebildet.
 

„Er fährt besser als ich.“, stellte sie klar und Natsu grinste gönnerhaft. „Das hat ja nicht sehr viel zu bedeuten, Miss ‚ich lass mich überall hinfahren‘.“
 

„Hey! Ich kann durchaus Auto fahren!“, beschwerte sie sich erneut. „Du kannst deine Tasche hierlassen, Capricorn kümmert sich darum.“
 

„Der kann wohl alles, was?“ Natsu wackelte mit den Augenbrauen, schwang seine Tasche aber trotzdem über die Schulter und schlug den Kofferraum wieder zu. Sie beschränkte sich darauf, dazu die Augen zu verdrehen, und nahm seine Hand, um ihn zum Haus zu führen.
 

„Hey.“, begann sie, als sie den halben Weg zurückgelegt hatten.
 

„Hm?“, machte er abgelenkt und riss den Blick von dem Haus los. Ehrlich mal! Sie hätte nicht gedacht, dass Natsu so interessiert an dem Gebäude sein würde! Vor allem nicht, wenn sie direkt neben ihm stand! Aber einen Moment später schon konzentrierte er sich wieder auf sie und seine Lippen zogen sich zu einem unwillkürlichen Lächeln nach oben.
 

„Du weißt schon, dass du nicht allein bist, oder?“, begann sie, nach den richtigen Worten suchend. Eigentlich war es doch noch viel zu früh für solche Liebesschwüre… Aber es kam von Herzen und sie wollte es unbedingt loswerden. Es fühlte sich richtig an. „Ich meine…“
 

„Das war ein Witz.“, winkte er ab. „Ich hatte noch nie eine große Familie, da gibt es nicht viel, das ich vermissen könnte. Und es ist ja nicht so, als ob ich Gray je wieder loswerden würde. Oder Cana.“
 

Sie schmollte zu ihm hoch, wohl wissend, dass bei ihm angekommen war, was sie ihm eigentlich damit hatte sagen wollen – dass er sich auf sie verlassen konnte – und er grinste herausfordernd zurück. Erneut boxte sie ihm gegen die Schulter und zog ihn dann die Stufen zur Veranda hoch.
 

„Capricorn, das ist Natsu.“, stellte sie ihn vor und wandte sich dann gleich zu ihm. „Natsu, Capricorn. Er ist der Butler hier; wenn du etwas brauchst, musst du nur ihn fragen, er kann alles.“
 

„Zu viel der Ehre.“, erklärte Capricorn trocken und deutete eine leichte Verbeugung in Natsus Richtung an. „Willkommen in Heartphilia Manor. Soll ich mich um Ihr Auto kümmern?“
 

Natsu starrte ihn verdutzt für einige Sekunden an. „Hey, man, nicht siezen bitte, da fühle ich mich immer so alt.“
 

„Wie du wünschst.“ Capricorns Tonfall war nicht anzuhören, was er von der Aufforderung hielt.
 

Doch Natsu nickte nur zufrieden und kramte seine Autoschlüssel aus der Hosentasche. Er zögerte, ehe er sie überreichte, und Lucy hatte den Verdacht, dass er es nur tat, weil der Butler von sich aus versicherte: „Ich werde gut auf es aufpassen.“
 

„Komm schon!“, begeistert packte Lucy wieder Natsus Hand und zerrte ihn hinter sich her. „Mein Vater ist im Moment wieder in Magnolia, aber meine Mama freut sich schon darauf, dich kennenzulernen!“
 

„Bis dann, Mann!“, winkte Natsu Capricorn zu und folgte seiner Freundin mit einem letzten Blick die Fassade hinauf – oder eher das, was er unter dem Dach der Veranda davon noch erkennen konnte – ins Haus. Jetzt mussten sie nur noch Layla finden; vielleicht war sie bereits in ihrem Teezimmer, in dem Spetto den Kaffeetisch angerichtet hatte, oder vielleicht war sie noch im Wintergarten oder vielleicht… kam sie gerade die Treppe aus der Galerie im ersten Stock herunter.
 

Um die Schultern trug sie noch immer ihren rosafarbenen Poncho, doch sie hatte sich inzwischen die Haare zu einem Knoten hochgebunden. Sie schenkte ihnen ein herzliches Lächeln und kam mit raschen Schritten auf sie zu. „Ich freue mich, dich endlich zu treffen, Natsu.“, begrüßte sie den Neuankömmling, kaum dass sie seine Hand ergriffen hatte. Dessen Tasche fiel mit einem leisen Plumps auf den Boden, als er die Geste erwiderte. „Meine Tochter hat mir schon viel von dir erzählt.“
 

„Hi!“, grinste der zurück und musterte sie kurz. „Lucy ist eben sehr redselig, das könnte ich nämlich auch sagen.“
 

„Ich denke nun mal oft an die Personen, die mir wichtig sind!“, verteidigte Lucy sich pikiert, doch niemand beachtete sie.
 

„Wie schön, dass wir uns jetzt persönlich kennenlernen können.“, sprach Layla einfach weiter. „Auch wenn die Einladung so kurzfristig war.“
 

„Kein Problem.“, wehrte Natsu mit einer leichtfertigen Handbewegung ab. „Ich habe gerade eh nichts zu tun. Über die Feiertage ist bei uns seltsamerweise immer ruhig und Gray hält im Büro die Stellung. Und Cana ist auch noch da.“
 

„Sie feiern auch nicht mit ihren Familien?“, entschlüpfte es Lucy überrascht. Inzwischen war sie natürlich auch mit Natsus Freunden vertrauter geworden, aber nicht so sehr, dass sie sie als ‚Freunde‘ bezeichnen würde. Noch nicht zumindest, aber es waren ja erst ein paar Wochen.
 

Natsu zuckte mit den Schultern. „Gray hat genauso viel Familie wie ich.“, gab Natsu zu und Lucy erinnerte sich daran, wie er erzählt hatte, dass ihrer beider Väter gleichzeitig verschwunden waren. „Und Canas Vater hat sich zwar angekündigt, aber er ist notorisch unzuverlässig.“ Er zuckte mit den Schultern. „Im Grunde hat bei uns nur Romeo eine richtige Familie.“
 

„Oh.“, machte Layla betroffen und Natsu zog einen Moment schuldbewusst die Schultern hoch.
 

„Aber das sind wir längst gewohnt und ich bin echt froh, hier sein zu können!“, versicherte er sofort. „Das ist übrigens ein schönes Haus, das ihr hier habt!“
 

„Unser Familiensitz.“, erklärte Layla stolz. „Ich bin auch schon hier großgeworden.“
 

Natsu sah sich in der großen Eingangshalle um, die sich über zwei Stockwerker erstreckte. Große Zimmerpflanzen brachten etwas Farbe in den hell vertäfelten Raum und ein großer Kronleuchter verbreitete sanft-goldenes Licht. Eine geschwungene Treppe, die mit einem einfachen Läufer bedeckt war, führte in die Galerie hinauf, deren Wände mit großen Bildern verziert waren. Die Tür in den Haushaltstrakt stand wie immer offen, doch die anderen beiden im Erdgeschoss waren geschlossen, da man die Räume dahinter nicht brauchte. Der Großteil des Lebens im Gebäude spielte sich im ersten Stock und im hinteren Teil des Anwesens ab.
 

„Ach ja?“, fragte Natsu und seine Stimme hatte einen seltsamen Unterton, den Lucy nicht zuordnen konnte. „Gibt’s hier viele Geister?“
 

„Geister!“, entfuhr es Lucy halb verdutzt, halb entsetzt und fragte sich, aus welcher Ecke das jetzt kam. Sie hatte ihren Eltern nicht erzählt, was an Halloween wirklich geschehen war, sondern nur das, was auch die Polizei, die Presse und der Rest der Welt erfahren hatten.
 

Ganz sicher würde sie ihren Eltern nicht die Bürde des Übernatürlichen auferlegen! Zum einen wollte sie sie natürlich nicht beunruhigen und zum anderen würden sie ihr, bei aller Liebe, nicht glauben. Und jetzt kam Natsu mit einer solchen Frage! Konnte er nicht ein kleines bisschen subtiler sein?
 

Auch Layla zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Nicht, dass ich wüsste.“, gab sie zu. „Wobei es natürlich ein paar Geschichten gibt. Eine Großtante von mir hat sie einmal gesammelt, ich bin sicher, ich habe ihre Notizbücher noch irgendwo. Capricorn wird es wissen.“
 

Natsu lachte. „Der weiß wirklich alles, was?“, wollte er wissen.
 

„Aber natürlich!“, stimmte Layla sofort zu und machte eine Handbewegung, dass sie ihr folgen sollten. Anscheinend hatte sie beschlossen, die seltsame Frage ihres Gastes höflich zu ignorieren. Oder sie dachte einfach, Natsu hätte ein eher ungewöhnliches Hobby. „Kommt, hier im Eingang ist es ungemütlich.“ Damit machte sie sich wieder an den Treppenaufstieg.
 

Natsu schob die Hände in die Hosentaschen und folgte ihr bummelnd, während er sich weiter umsah. Allzu sehr schien ihn die großartige Eingangshalle allerdings nicht zu beeindrucken, was eigentlich typisch er war.
 

Lucy riss sich einen Moment später aus ihrer Starre und warf ihre Gummistiefel von sich, um wieder in die Hausschuhe zu schlüpfen. Dann holte sie ihn rasch ein, um ihm einen Ellbogen in die Seite zu stoßen. „Geister!“, zischte sie ihm zu, als er ihr einen verdutzt-fragenden Blick zuwarf. „Was soll das!“
 

„Es ist nur eine Frage, komm runter.“
 

„Nein, ist es nicht.“, widersprach sie heftig, aber leise genug, dass ihre Mutter sie nicht verstehen konnte. „Ich kenne dich inzwischen gut genug! Mach meinen Eltern ja keine Angst! Und zieh sie gefälligst nicht damit rein!“
 

Natsu blickte sie für einen Moment schweigend an, doch sein Gesicht war ungewöhnlich ernst. „Du hast es nicht bemerkt.“
 

„Bemerkt? Was?“ Scharf fasste sie ihn ins Auge, als könnte sie ihn dadurch dazu bringen, alle seine Geheimnisse zu offenbaren.
 

Aber er zuckte nur mit den Schultern und fuhr sich durch die Haare. „Hier ist etwas seltsam. Ich meine, irgendetwas … Dunkles hängt über dem Anwesen wie eine Wolke.“
 

„Was?!“ Lucy starrte ihn mit offenem Mund an, doch er winkte ab. „Entspann dich. Vielleicht ist es gar nichts, nur ein paar Überreste vergangener Flüche oder sowas. Rate mal, warum ich nach Geistern gefragt habe.“
 

Lucy war nicht überzeugt und mit einem Mal fröstelte es sie. Ob es hier wirklich Gespenster gab? Ein kalter Schauer fuhr über ihren Rücken. Aber hätte in all den Jahren, in denen sie hier wohnten, nicht längst jemand etwas bemerken sollen?
 

„Kommt ihr?“, wollte Layla wissen, die bereits oben angekommen war, und ihre dunkle Stimme durchschnitt die angespannte Stimmung. „Aed, unser Koch, hat sich angestrengt und einiges an Kuchen aufgefahren. Wir wollen den Kaffee nicht kalt werden lassen.“
 

Natsus Gesicht hellte sich bei der Ankündigung sofort auf. „Kuchen!“ Er klang wie ein kleiner Junge, dem man das tollste Geschenk der Welt versprochen hatte.
 

Lucy schmunzelte, wie typisch für ihn. Na, wenn er sich so verhielt, konnte seine Ahnung nicht allzu schlimm sein und er machte sich sicher keine zu großen Sorgen über eventuelle Geister im Haus.
 

Oder?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sappy Lucy is sappy. Und hin und weg von Natsu.
Ich weiß übrigens auch nicht, was ich in diesem 'Verse mit Outfits/Lucys Aussehen habe, ist immerhin nicht das erste mal, dass da so ein Augenmerk drauf liegt. ^^" Vielleicht, weil es Lucy so wichtig ist?

Ich hoffe, die erste Szene war nicht zu ungelenk, irgendwie hab ich dieses Gefühl, dass ich die Ereignisse nicht richtig rübergebracht habe, wie ich das wollte. :/ Vielleicht bzw hoffentlich sind es nur Anlaufschwierigkeiten, so dass sich das mit der Zeit legt.

Ich freue mich natürlich wie immer über Feedback und hoffe, dass ihr dran bleibt!
Bis dann ^^~
Arian Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yosephia
2017-11-03T20:09:44+00:00 03.11.2017 21:09
Ich habe mich so sehr auf NS gefreut und jetzt ist es endlich da und das Warten hat sich mehr als nur gelohnt! *_______*

Im Großen und Ganzen ist in diesem Kapitel ja nicht wirklich etwas passiert, es setzt einfach erst einmal eine Grundstimmung für die Story (ganz ähnlich wie beim ersten Teil) - und die ist sehr zwiespältig. Auf der einen Seite glitzert der Text geradezu mit Lucys Verliebtheit (was ich megasüß finde!), aber auf der anderen Seite kündigen sich da auch schon düstere Probleme an. Dieser Balanceakt aus diesen beiden vollkommen gegensätzlichen Stimmungen ist dir wirklich gut gelungen!

Weil zur Handlung an und für sich kaum etwas zu sagen ist - außer dass es halt ein sehr passender Einstieg ist, Natsus Ankunft so explizit zu beschreiben -, versuche ich es mal in Stichpunkten:

- Der Vorfall mit Katie und allgemein mit der merkwürdigen Koma-Krankheit. Da wird einem ja schon ganz schön mulmig bei der ganzen Angelegenheit und es ist kein Wunder, dass Lucy sich darüber viele Gedanken macht. Gleichwohl ist es auch sehr passend, dass Layla versucht, Lucy zu beruhigen. Ihre pragmatische Sicht der Dinge, die gewiss auch sehr viel mit Selbstschutz zu tun hat, ist schon irgendwie logisch - denn Lucy ist ja keine Ärztin oder dergleichen, kann also tatsächlich nichts für die Betroffenen tun.

- Die Beschreibungen von Heartphilia Manor an den unterschiedlichen Stellen sind wirklich sehr schön eingesetzt. Sehr anschaulich und beeindruckend. Kein Wunder, dass Natsu es als Schloss bezeichnet. (Btw fand ich die darauf folgenden Frotzeleien sehr lustig XD)

- Capricorn rockt! Ich weiß auch nicht, irgendwie mag ich ihn einfach XD

- Katerchen! *~* Ich bin so gespannt darauf, noch mehr von Tamino zu lesen! *~*

- Layla hast du wirklich sehr, sehr gut getroffen. Ich kann's noch nicht einmal ganz konkret festmachen, aber es war einfach alles sehr stimmig bei ihr. Und meiner Meinung nach ist sie auch IC.

- Natsus Ankunft, die Neckereien zwischen Natsu und Lucy - purer Zucker! Ich liiiiiiiiiiiiiiiebe es! *~* Sowieso ist es so süß und erfrischend, wie viele Gedanken Lucy sich um Natsu macht und wie sehr sie immer wieder ins Schwärmen gerät. Wer könnte es ihr verdenken? Ich sicher nicht XD"

- Natsu und sein Auto - einfach *lol* XDDDD

- Natsu und Capricorn war irgendwie auch eine sehr witzige Begegnung. Ich kann mir vorstellen, dass Capricorn zunächst ganz schön skeptisch war, als er erfahren hat, dass Lucys Freund über Weihnachten da sein wird. Von Dan dürfte er auch keinen so guten Eindruck bekommen haben. Und dann kommt da Natsu daher, der gleich geduzt werden will und so locker drauf ist... bei Dan kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er sich von vorn bis hinten hat bedienen lassen, kaum dass er Heartphilia Manor betreten hat.

Okay, mehr fällt mir spontan nicht ein. Aber es war auf alle Fälle ein echt tolles Kapitel - und fast 6000 Wörter sind für mich nicht kurz XP
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel! *~*
LG
Yosephia

PS: Natsu hat seine Tasche in der Eingangshalle liegen lassen? XD"


Zurück