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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Dorian lernt fereldische Gastfreundschaft kennen. Komplett anzeigen

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Dorian

Der Regen schien sich zu seinem ständigen Begleiter zu entwickeln.

Fröstelnd zog sich Dorian die Kapuze seines Umhangs über den Kopf, als die ersten Tropfen vom Himmel fielen. Der kalte Wind, der stetig vom Calenhad-See herüberwehte, war gerade an der Grenze zur Unerträglichkeit, und er hoffte, dass sie ihr Ziel erreichten, bevor er bis auf die Knochen durchgefroren war.

Der Alte, der neben ihm auf dem Karren saß, warf ihm einen flüchtigen Blick zu.

„Nehmt mir die Bemerkung nicht übel, Serah“, sagte er, „aber ich bezweifle, dass Euch ein dünnes Stück Stoff vor der Kälte schützen wird. Ihr seid einfach nicht wettergerecht gekleidet.“

Dorian seufzte leise. Eines der ersten Dinge, die er über die Bewohner von Ferelden gelernt hatte, war, dass sie gnadenlos ehrlich und direkt waren.

„Sieht man mir das so sehr an? Dann wird es Euch sicher auch nicht überraschen zu hören, dass ich aus wärmeren Gefilden stamme“, entgegnete er trocken. „Mit einer solchen Kälte im Spätsommer hatte selbst ich nicht gerechnet, als ich für die Reise gepackt habe.“

Das war nur die halbe Wahrheit. Der andere Grund war, dass er schlichtweg nicht die Zeit gehabt hatte, mehr als ein paar Sachen in seinen Beutel zu stopfen, bevor er aus seinem Elternhaus geflohen war. Warme Kleidung für die schier unzumutbare Kälte Fereldens einzupacken hatte dabei mit Sicherheit nicht zu seinen obersten Prioritäten gehört.

Doch anstatt ihm die spitze Antwort übel zu nehmen, gab der Alte nur ein bellendes Lachen von sich.

Dann wandte er sich erneut Dorian zu, ein amüsiertes Funkeln in den hellen, blauen Augen.

„Ihr könnt ein paar meiner alten Sachen haben, wenn wir den Hof erreichen“, sagte er. „Sie werden Euch vermutlich etwas zu weit sein, aber sie dürften Euch eher vor der Kälte schützen, als das, was Ihr gerade am Leibe tragt.“

Dorian blinzelte überrascht.

„Das... würdet Ihr tun?“, fragte er. „Aber Ihr kennt mich noch nicht einmal.“

Der andere zuckte nur mit den Schultern. „Ihr habt die letzten Stunden neben mir auf dem Karren gesessen und geduldig das Gerede eines alten Mannes über seine Kühe ertragen. Ich denke, ich bin Euch etwas dafür schuldig.“

Dorian biss sich auf die Zunge, bevor er den Alten darauf hinweisen konnte, dass er ihm nur deshalb geduldig zugehört hatte, weil der andere so freundlich gewesen war, ihn überhaupt erst auf seinem Karren mitzunehmen. Doch er war klug genug, seine Gedanken für sich zu behalten.

Sie schwiegen eine Zeit lang, während der Karren weiter in gemütlichem Tempo über die Straße zuckelte.

„Hier, haltet das mal für einen Augenblick“, sagte der Alte nach einer Weile plötzlich und drückte Dorian die Zügel des Esels in die Hand. Dann öffnete er die obersten Knöpfe seiner dicken Wolljacke und zog eine Pfeife aus einer der Innentaschen. Aus einer anderen Tasche holte er einen kleinen Klumpen Tabak und begann, die Pfeife zu stopfen. Als er damit schließlich fertig war, knöpfte er die Jacke wieder zu und warf Dorian einen nachdenklichen Blick zu.

„Könntet Ihr vielleicht...?“

Dorian lächelte schwach. „Gewiss.“

Er streckte die Hand aus und eine kleine Flamme sprang von seiner Fingerspitze auf den Tabak über und entzündete ihn.

Mit einem zufriedenen Brummen zog der Alte ein paar Male an seiner Pfeife, bis das Kraut zu glühen begann.

„Ich danke Euch, Serah.“

Dorian nickte nur. Dabei fiel sein Blick auf den Namen am Handgelenk des Alten.

Anders als in Tevinter schien es in Ferelden üblich zu sein, dass verheiratete Paar offen ihre Seelennamen zeigten. Dorian vermutete, dass es daran lag, dass füreinander bestimmte Partner hier auch tatsächlich zusammenlebten, während Seelennamen in seiner Heimat kaum eine Rolle spielten und Ehen in erster Linie eine politische Angelegenheit waren.

Manchmal fragte sich Dorian, ob seine Eltern, die sich verachtet hatten, solange er denken konnte, tatsächlich glücklich gewesen wären, wenn sie mit dem Partner zusammengelebt hätten, der ihnen vorherbestimmt war.

Wie es wohl sein musste, einen Seelenpartner zu haben? Er hatte sich diese Frage oft gestellt, und sowohl seine Mutter als auch Felix, den er als einzigen außerhalb seiner Familie je in sein Geheimnis eingeweiht hatte, hatten ihm erklärt, dass das Band zum Partner stets spürbar war – wie eine fremde, aber nicht unwillkommene Präsenz, die im Kopf einer jeden Person saß und sie daran erinnerte, dass sie nicht allein war.

Es gab Tage, an denen Dorian sie für diese Gewissheit beneidete, während er an anderen Tagen wieder froh darüber war, dass er die Freiheit hatte, seinen Partner selbst zu wählen, ohne dabei daran erinnert zu werden, dass irgendwo ein anderer auf ihn wartete.

In den Jahren, in denen er Gereon Alexius‘ Schüler gewesen war, hatte er sich manchmal gewünscht, dass Felix sein Seelenpartner wäre. Doch obwohl Dorian ihn liebte, wie einen Bruder, und sie einen sehr innigen Umgang miteinander gepflegt hatten, wäre ihm nie eingefallen, ihn in sein Bett zu holen, und er war insgeheim doch froh darüber gewesen, dass Felix einen anderen Namen auf dem Handgelenk trug.

„Da vorne ist es“, riss ihn plötzlich die Stimme des Alten aus seinen Gedanken.

Sein Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Mannes und sah in einiger Entfernung einen Hof, hinter dem auf der Weide ein halbes Dutzend Kühe grasten. Da der Abend bereits dämmerte, schätzte Dorian, dass sie ihn bei Einbruch der Nacht erreichen würden.

Dann schweifte sein Blick über den Hof hinweg, und als er die Augen zusammenkniff, konnte er in der Ferne eine dunkle Silhouette ausmachen, die sich vom Blau des Sees abhob. Eine Burg womöglich, oder ein Schloss.

Der alte Mann bemerkte seinen Blick.

„Redcliffe“, sagte er. „Wenn ich mich recht erinnere das Ziel Eurer Reise...?“

Dorian nickte.

„Wenn die Gerüchte stimmen und dies der Ort ist, wo sich die Magier versammeln, dann werde ich meinen Freund dort finden“, entgegnete er.

„Dann wünsche ich Euch Erfolg“, meinte der Alte. „Redcliffe ist noch ungefähr einen Tagesmarsch entfernt. Wenn Ihr morgen in aller Frühe aufbrecht, könnt Ihr es am Abend erreichen.“

„Ich danke Euch für Eure Hilfe“, sagte Dorian. „Wenn wir den Hof erreicht haben, will ich Euch nicht länger stören. Nur falls Ihr für die Nacht noch einen Platz im Stall entbehren könntet, wäre ich Euch überaus–“

„Unsinn“, unterbrach ihn der alte Mann brummend. „Ihr könnt diese Nacht bei uns im Haus schlafen. Wir haben ein freies Bett für die Tage, an denen unsere Tochter uns besucht. Ihr dürft es gerne für die Nacht haben.“

„Ich...“ Dorian spürte, wie seine Kehle enger wurde. Es schien ein ganzes Zeitalter zurückzuliegen, dass er das letzte Mal in einem Bett geschlafen hatte.

„Ihr seid zu großzügig“, sagte er schließlich gerührt.

„Ich gestehe, ich konnte mich nie besonders für Eure Sorte begeistern“, meinte der Alte schulterzuckend und warf dabei einen vielsagenden Blick auf Dorians Stab. „Aber Ihr scheint das Herz am rechten Fleck zu haben, und außerdem seht Ihr so aus, als hättet Ihr in letzter Zeit mehr Nächte unter freiem Himmel verbracht, als Euch guttut.“

Dorian spürte Feuchtigkeit in seinen Augenwinkeln, aber das lag vermutlich am Regen.

„... danke“, wiederholte er, da es alles war, was er in diesem Moment sagen konnte.

Die Bewohner Fereldens mochten offen und direkt sein, doch zugleich waren sie auch die herzlichsten Leute, denen Dorian jemals begegnet war, und das versöhnte ihn wieder ein wenig mit diesem wilden, unerträglich kalten Land.

 

„Vielleicht solltet Ihr Euch der Inquisition anschließen“, sagte der Alte später, als Dorian mit ihm und seiner Frau, einer grauhaarigen, alten Zwergin, beim Abendessen in der kleinen Stube am Tisch saß.

„Verzeihung?“ Dorian hatte schon von der Inquisition gehört, aber es waren nur bruchstückhafte Informationen gewesen, zu wenig, um genau sagen zu können, was davon der Wahrheit entsprach, und was lediglich ein Gerücht war.

Der Alte warf seiner Gemahlin einen Blick zu und sie nickte.

„Mein Cousin ist ein Händler aus Orzammar, der oft nach Haven reist“, sprach die Zwergenfrau. „Bei seinem letzten Besuch erzählte er uns von der Inquisition. Er sagte, dass Andraste selbst ihre Heroldin geschickt hat, um das Loch im Himmel wieder zu versiegeln und die Dämonen, die es ausgespuckt hat, zu vernichten. Die Inquisition wurde ins Leben gerufen, um sie dabei zu unterstützen.“

Dorian sah nachdenklich auf sein Essen hinab. Die Beschreibung deckte sich mit dem, was er selbst bereits gehört hatte. Und er musste zugeben, dass der Gedanke verlockend war. Die Inquisition schien eine Institution zu sein, die jedem eine Heimat bot, der sie dabei unterstützte, die Welt zu retten, auch wenn es sich dabei wie im Falle von Dorian um einen verarmten Magier aus Tevinter handelte.

Er würde also nicht nur Schutz finden, sondern gleichzeitig die Gelegenheit bekommen zu zeigen, wozu ein Altusmagier fähig war.

„Ich werde darüber nachdenken“, entgegnete er schließlich. Dann wurde seine Stimme leiser. „Doch zuerst muss ich Felix finden. Er... er ist die einzige Familie, die ich noch habe.“

Die Zwergin schenkte ihm einen mitfühlenden Blick.

„Er muss ein ganz besonderer junger Mann sein, wenn Ihr halb Thedas durchquert, um ihn zu finden“, sagte sie.

„Das ist er.“ Dorian lächelte wehmütig.

Als er wieder den Kopf hob, bemerkte er, dass die Blicke der beiden Alten auf seinem Armband ruhten.

„Oh nein“, sagte er und lachte auf. „Oh nein, nein – ganz sicherlich nicht. Nein! Nicht Felix.“

„Wenn man erst mal lange genug gelebt hat, überrascht einen irgendwann nichts mehr“, meinte der Alte nur schulterzuckend.

„Wir wollten Euch nicht beschämen, Serah“, fügte seine Frau hinzu. „Wir freuen uns nur zu hören, dass dieser Felix einen solch loyalen Freund in Euch hat.“

Doch Dorian winkte nur ab.

„Es war eine gerechtfertigte Annahme“, erwiderte er. „Es gibt nichts, wofür Ihr Euch entschuldigen müsstet.“

Die beiden Alten tauschten einen amüsierten Blick, doch sie sprachen danach nicht weiter davon und das Gespräch wandte sich anderen Dingen zu.

 

Nach dem Essen zeigte ihm die Zwergin die Kammer, in der er schlafen konnte.

Dorian bedankte sich vielmals bei der Bauersfrau, bevor er sich auf das Bett setzte. Die Matratze war hart und das Bett insgesamt zu kurz für jemanden seiner Größe, doch verglichen mit den letzten Nächten, die er frierend unter freiem Himmel verbracht hatte, war es eine fast schon königliche Unterkunft. Er legte seinen Stab auf den Boden und daneben seinen Beutel, dann begann er, die zahllosen Knoten und Schnallen seines Oberteils zu öffnen, und streifte es sich schließlich über den Kopf. Er legte seine Armstulpen ab und zog die Ringe von seinen Fingern, und nachdem er sich auch seiner Hose entledigt hatte, ließ er sich mit einem Seufzen auf die Matratze sinken.

Seitdem der Himmel aufgerissen war, wurde er fast jede Nacht von Alpträumen geplagt, doch er war zu müde, als dass er den Schlaf noch länger hinauszögern konnte, und kaum hatte er die Decke über seine Schultern gezogen, war er auch schon eingeschlafen.

 

Er träumte auch in dieser Nacht, doch es war ein ruhiger Traum, in dem er allein durch weite, leere Hallen und kühle, schattige Wälder schritt. Als er am nächsten Morgen erwachte, war alles, woran er sich erinnern konnte, der ferne Ruf einer Eule und das Flattern von dunklen Schwingen am Himmel.

 

Die Bäuerin weckte ihn bei Sonnenaufgang und brachte eine Schale mit warmem Wasser und ein Handtuch mit. Dorian bedankte sich für beides, und wollte gerade anfangen, sich zu waschen, als die Zwergenfrau noch einmal zurückkam, eine dicke Tunika aus Wolle im Arm.

„Mein Mann erzählte mir, dass Ihr warme Kleidung benötigt, und da fiel mir ein, dass wir noch das hier haben“, sagte sie und hielt ihm die Tunika hin. Dorian nahm sie vorsichtig entgegen und befühlte den schweren, dunkelblauen Stoff.

„Meinem Mann passt sie nicht mehr, aber vielleicht könnt Ihr etwas damit anfangen?“

Dorian hielt die Tunika hoch und schätzte die Maße.

„Sie sollte passen, ja“, entgegnete er schließlich. Dann legte er sie wieder zusammen.

„Doch ich kann ein solches Geschenk nicht annehmen, Serah“, sagte er. Selbst auf einem der hiesigen Märkte würde der Verkauf des Kleidungsstücks wenigstens ein halbes Dutzend Silbermünzen einbringen – Geld, das die beiden alten Leute sicher selbst gut gebrauchen konnten.

„Nehmt ihn“, meinte die Zwergin beharrlich. „Wir haben keine Verwendung mehr dafür, und solltet Ihr Euch tatsächlich der Inquisition anschließen, werdet Ihr warme Kleidung für Eure Reise durch das Gebirge brauchen.“

Demütig nahm Dorian die Tunika schließlich an sich.  

„Ich danke Euch vielmals, Serah, und werde Euer Geschenk in Ehren halten“, erwiderte er.

„Findet Euren Freund“, sagte die Zwergin jedoch nur und lächelte. „Das wäre uns Dank genug.“

 

Nachdem er sich gewaschen und angezogen und ein kurzes Frühstück zu sich genommen hatte, verabschiedete sich Dorian schließlich von den Bauersleuten und dankte ihnen noch einmal überschwänglich für ihre Hilfe.

Der Alte lachte jedoch nur und wünschte ihm eine gute Reise, und ausgeruht und mit neuem Optimismus setzte Dorian seinen Weg fort, stets die ferne Stadt im Blick, wo er Felix finden würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-07T12:19:29+00:00 07.11.2016 13:19
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass ich das Kapitel beim ersten mal lesen wohl übersprungen haben muss Ô.Ô
(dass hat man davon, wenn man spät in der Nacht mit Handy Geschichten liest)
Hier hätten sich natürlich einige Fragen zu Felix beantwortet, aber schön, dass du mir trotzdem alles beantwortet hast. xD

Dorian ist ja schon ein Süßer, ich weiß noch, dass ich sehr enttäuscht darüber war, dass man nur mit ihn anbändeln konnte, wenn man einen männlichen Charakter spielt.

Das Kapitel gefällt mir gut, nicht nur weil es einige offene Fragen klärt, sondern weil man auch erkennt, dass Dorian doch ein lieber und vor allem intelligenter Kerl ist, der sich gern hinter seinen sarkastischen Äußerungen versteckt. (Auch wenn er hier aus Dankbarkeit seine Spitzen zurückhält.)
Antwort von: Morwen
08.11.2016 13:32
Bitte, bitte. Waren ja auch alles sehr berechtigte Fragen, die der Text nicht immer beantwortet hat. :)

Ich habe die drei Spiele damals am Stück als Mann gespielt, weil ich alle Slash-Optionen ausprobieren wollte, da kam mir Dorian sehr gelegen (den ich mir dann auch gleich ganz schamlos geangelt habe :D). Aber als Frau ist es schon ein bisschen enttäuschend, ja, gerade weil er am Anfang noch mit einem flirtet und einem Hoffnungen macht, die sich dann ja leider nicht erfüllen... uu

Danke schön! Es freut mich, dass Dorian auf diese Weise rüberkommt, denn genau das war auch meine Absicht. :)


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