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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Da dieses Kapitel etwas kürzer ist, gibt's diese Woche wieder ein Zwischen-Update... das nächste kommt aber wie gehabt am Sonntag. :) Komplett anzeigen

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Cullen

Wieder bei Kräften und in eine goldbestickte Uniform gekleidet hatte Ellana Lavellan nur noch wenig mit der verängstigten jungen Frau gemeinsam, die wenige Tage zuvor aus dem Riss gefallen war.

Sie trug ihr langes, kupferrotes Haar nun in einem Zopf, der auf ihrem Hinterkopf hochgesteckt und mit goldenen Spangen verziert war. An ihrem Gürtel hing ein Langschwert aus Silberit, das sie von der Quartiermeisterin erhalten hatte, und von ihrer Körperhaltung bis hin zu der Selbstverständlichkeit, mit der sich ihre Hand auf den Schwertgriff legte, wies alles darauf hin, dass Lavellan nicht zum ersten Mal eine solche Waffe trug. Cullen zweifelte keine Sekunde lang daran, dass die junge Frau tödlich sein konnte, wenn sie es wollte, ungeachtet der Tatsache, dass sie einen Kopf kleiner war, als er.

„Kommandant... Cullen, richtig?“, fragte sie, als sie zu ihm trat, während er den Rekruten bei ihren Schwertkampfübungen zusah. In ihren dunklen, grünen Augen flackerte für einen Moment Unsicherheit auf.

„Das ist korrekt“, entgegnete Cullen und schenkte ihr ein offenes Lächeln. Augenblicklich wich die Anspannung aus ihren Schultern und ein Ausdruck der Erleichterung huschte über ihr Gesicht.

„Ihr glaubt gar nicht, wie gut es tut, das zu hören“, sagte sie und erwiderte das Lächeln. „In den letzten Stunden habe ich so viele neue Gesichter gesehen, dass ich vermutlich noch Wochen brauchen werde, um mir die dazugehörigen Namen zu merken. Schön, dass wenigstens ein paar davon schon hängengeblieben sind.“

„Dann sollte ich mich wohl geehrt fühlen, dass der meine einer davon ist“, meinte Cullen und rieb sich den Nacken – eine unbewusste Geste.

Hör auf damit, du Narr, wisperte sein Unterbewusstsein, und verlegen ließ er die Hand wieder sinken, als er merkte, was er tat.

„So...“, sagte Lavellan, nachdem sie den Blick über die Rekruten hatte schweifen lassen. „Ein ehemaliger Templer als Kommandant der Inquisitionsarmee... Wie ist das passiert?“

Cullen verschränkte die Arme vor der Brust. „Nun, eine populäre Theorie unter den Rekruten ist, dass Lady Cassandra mich persönlich nach Haven geschleift hat...“

„Was für ein Bild“, meinte Lavellan und lachte auf. Cullen mochte ihr Lachen, es war tief und warm und erfrischend ungezwungen.

„Sie war in der Tat nicht ganz unbeteiligt“, fuhr er mit einem Schmunzeln fort. „Genau genommen war sie diejenige, die mich gebeten hat, das Kommando über die Streitkräfte der Inquisition zu übernehmen. Also kehrte ich dem Templerorden in Kirkwall den Rücken und stieg an Bord des nächsten Schiffs nach Ferelden.“

„Geht das so einfach?“, fragte sie und sah ihn aufmerksam an. „Den Templern den Rücken zu kehren, meine ich.“

Cullens Blick wanderte zum Riss hinüber, dessen grüner Mahlstrom bedrohlich in der Ferne über den Berggipfeln flackerte.

„Es geht, wenn eines Tages plötzlich der Himmel über unseren Köpfen aufreißt und Dämonen ausspuckt, die die Welt ins Chaos stürzen“, sagte er leise.

Mit einem Kopfschütteln wandte er den Blick wieder ab.

„Außerdem gab es nichts, was mich in Kirkwall hielt. Dies...“ Er machte eine Geste, die das ganze Lager und Haven einschloss. „... ist wichtiger. Hier kann ich helfen. Darum fiel mir die Entscheidung nicht schwer.“

Was auch immer Lavellan für eine Antwort erwartet hatte, seine Worte schienen sie zu berühren, denn ihre Miene wurde mit einem Mal sanft.

„Ihr seid ein ehrenvoller Mann, Cullen“, meinte sie. „Wir können uns glücklich schätzen, Euch zu haben.“

Dieses Mal konnte Cullen den Impuls, sich vor Verlegenheit den Nacken zu reiben, nicht unterdrücken.

„Ihr schmeichelt mir“, murmelte er und räusperte sich dann. „Vor allem, wenn man bedenkt, was Ihr, die Ihr unfreiwillig in diese ganze Sache hineingezogen worden seid, selbst schon alles geleistet habt.“

„Ah.“ Ihre Wangen röteten sich, während sie auf ihre Hand hinabsah, die in einem schwachen Grün leuchtete. „Ihr meint das hier.“

Sie schenkte ihm ein selbstironisches Lächeln. „Nun, ich habe sicher nicht damit gerechnet, eines Tages aus dem Nichts zu fallen und zu einer Symbolfigur zu werden, die Risse zwischen den Welten schließt und Dämonen bekämpft, das ist wahr... Aber wie meine Mutter immer zu sagen pflegte, als ich noch klein war: was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker. Damit bezog sie sich zwar eher auf Mückenstiche oder aufgeschlagene Knie, aber irgendwie erscheinen mir ihre Worte auch in der derzeitigen Situation nicht ganz unpassend.“

Dieses Mal war es Cullen, der lachen musste. Es war unmöglich, die junge Frau mit ihrer offenen Art und der Bodenständigkeit, die sie sich trotz der Ereignisse der letzten Tage bewahrt hatte, nicht ins Herz zu schließen.

„Eure Mutter war in der Tat eine weise Frau“, entgegnete er.

„Oh, wer allein ein Kind im Armenviertel von Denerim großzieht, der eignet sich früher oder später ein paar Lebensweisheiten an“, meinte sie nur, ohne ihn dabei anzusehen.

„Denerim?“ Cullen hob überrascht die Augenbrauen. „Ich dachte, Ihr wärt–“

„Dalish?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nur zur Hälfte. Mein Vater war Dalish, während meine Mutter in der Stadt geboren und aufgewachsen ist. Sie liebte ihn sehr, doch sie musste eine kranke Mutter und einen Säugling pflegen und konnte sich den Luxus nicht leisten, ihr bisheriges Leben für meinen Vater aufzugeben. Sie verbrachten nur zwei Sommer miteinander, bevor er mit seinem Clan weiterzog und sie ihn nie wiedersah.“

Ihre Stimme war immer leiser geworden, während sie sprach, und als sie schließlich verstummte, herrschte eine fast unangenehme Stille zwischen ihnen. Die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, war so persönlich, dass Cullen nicht wusste, was er dazu sagen sollte.

Schließlich war es Lavellan selbst, die die Stille durchbrach.

„Verzeiht mir“, sagte sie. „Ich wollte Euch nicht meine Lebensgeschichte aufdrängen.“

Sie atmete tief durch und hob dann mit einem zurückhaltenden Lächeln den Kopf, um ihn anzusehen.

„Bei Andraste, mir scheint, ich bin noch immer völlig durcheinander. Vielleicht sollten wir einfach noch mal von vorn anfangen...?“

Sie hielt ihm ihre Hand hin.

„Ellana Lavellan“, sagte sie. „Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen.“

Was für eine seltsame Frau, dachte Cullen nicht ohne Zuneigung, während er beschloss, auf das Spiel einzugehen, und nach ihrer Hand griff.

„Cullen Rutherford“, entgegnete er und deutete eine Verbeugung an. „Die Freude ist ganz meinerseits.“

Sie sahen sich an und mussten plötzlich beide leise lachen, wie zwei Kinder, die gemeinsam Äpfel im Nachbargarten gestohlen hatten und nur knapp dem Zorn des Besitzers entkommen waren.

„Es freut mich zu sehen, dass Ihr Euren Humor nicht verloren habt“, hörten sie plötzlich eine Stimme hinter sich. Hastig ließ Cullen Lavellans Hand wieder los, bevor sie sich beide zu dem Neuankömmling herumdrehten.

„Solas“, sagte Cullen und nickte dem Elf zu, als er nähertrat. Er traute dem abtrünnigen Magier zwar noch immer nicht besonders, doch er respektierte sein Wissen und seine Erfahrung und schätzte seine Unterstützung im Kampf gegen die Kreaturen des Nichts. „Was gibt es?“

Lavellan war mit einem Mal sehr still geworden, und Cullen entging nicht, wie sie nervös an dem geflochtenen Armband an ihrem Handgelenk zupfte, während ihr Blick ruhelos umherirrte und alles zu streifen schien, nur nicht den kahlköpfigen Elf, der vor ihr stand.

Oh...?, dachte Cullen. Und dann, als er zu ahnen begann, was der Grund für ihr Verhalten war: OH!

Konnte es etwa sein, dass Lavellan-? – Aber wie groß war die Wahrscheinlichkeit...?

Er fragte sich, ob Solas das seltsame Benehmen der Heroldin ebenfalls aufgefallen war, doch der Gesichtsausdruck des anderen Mannes war wie immer unergründlich.

Dann wandte sich Solas an Lavellan.

„Ihr hattet mich um meine Einschätzung der Gefahr gebeten, die von eurem Mal ausgeht, und mir erlaubt, es noch einmal näher zu untersuchen“, sagte er geduldig, bevor das Schweigen sich noch länger ausdehnen konnte.

„Ja, das habe ich wohl“, murmelte Lavellan, die ihn immer noch nicht ansah, mit hochrotem Gesicht. Dann verstummte sie wieder.

An dieser Stelle hob Solas eine Augenbraue und warf Cullen einen fragenden Blick zu.

Doch Cullen war ebenso verwirrt, wie er. Wenn Lavellan tatsächlich Solas‘ Namen auf dem Handgelenk trug, dann bedeutete das, dass Solas umgekehrt ihren Namen trug. Und man musste keine Gedanken lesen können, um zu verstehen, weshalb die junge Frau sich plötzlich so unwohl fühlte. Solas‘ ausbleibende Reaktion war Cullen deshalb in diesem Moment völlig unbegreiflich. Entweder hatte der Mann keine Gefühle, oder er hatte sich sehr gut unter Kontrolle und trennte persönliche Beziehungen klar von seiner Arbeit für die Inquisition.

Doch was auch immer der Grund für Solas‘ Verhalten war, Lavellan würde ihm nicht ewig ausweichen können, und so berührte Cullen nur sanft ihre Hand und nickte ihr aufmunternd zu, als sie ihn ansah.

„Geht nur“, sagte er. „Wir sehen uns später wieder.“

Ich denke, ihr habt einiges zu besprechen.

Er sprach die Worte nicht aus, aber Lavellan schien sie dennoch zu hören, und sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln.

Dann straffte sie die Schultern und hob das Kinn.

„Lasst uns gehen.“ Mit diesen Worten schritt sie an Solas vorbei in Richtung des Stadttores, ohne noch einmal zurückzublicken.

Solas warf Cullen einen undeutbaren Blick zu, bevor er sich wortlos umdrehte und ihr folgte.

Während er den beiden Elfen nachsah, schlossen sich Cullens Finger unbewusst um sein eigenes Handgelenk. Er hatte in den letzten Wochen kaum einen Gedanken an den Namen darauf verschwendet, da seine Arbeit ihn zu sehr in Anspruch genommen hatte. Doch für diesen Abend nahm er sich vor, nach dem täglichen Gebet das historische Archiv der Kirche von Haven zu durchstöbern.

Mit etwas Glück würde er vielleicht auf den Ursprung des Familiennamens „Pavus“ stoßen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-07T11:55:33+00:00 07.11.2016 12:55
Also Cullen erinnert mich ja schon ein bisschen an Anders, beide haben diese ruhige Aura und beide sind Beobachter. Und bei beiden muss ich irgendwie an Katzen denken :D

Auch schön, dass man das Aussehen, sowie die Hintergrundgeschichte von Lavellan erfährt. :)
Antwort von: Morwen
08.11.2016 13:14
Stimmt. :D
Anders wäre für mich dann mehr so die mit allen Wassern gewaschene Straßenkatze, während Cullen eher die edle Großkatze wäre... vielleicht so Tiger oder Löwe.

Danke! :)


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