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Fremde Welten: Das Schloss am Meer (#2)

Crimsons eigene Serie, yay!
von

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Verwandtenbesuch

Kapitel 14: Verwandtenbesuch
 

Crimson hatte gar nicht mitgezählt, wie oft er heute schon in seinen Turm und wieder hinunter gelaufen war. Das war sicherlich gutes Training für die Beine. Gerade lief er wieder nach unten, denn dieses Mal waren wirklich Dark und Blacky im Anflug. Als Schattensturm draußen landen wollte, brüllte Kanindra in ihrer normalen Größe ihm entgegen. Charoselle musste ihr Reittier beruhigen, damit nichts schiefging. Schattensturm knurrte den hasenohrigen Drachen bedrohlich an, während Blacky und Appi von seinem Rücken sprangen. Dark war mit seinen eigenen Flügeln geflogen.

Als Crimson den Neuankömmlingen entgegen ging, wurde er Zeuge der Begegnung von Sorc und Blacky. Der Chaoshexer war wohl noch mit seiner Mutter draußen gewesen, und der Schlossherr ärgerte sich, dass er daran nicht gedacht hatte. Er hätte die beiden bitten sollen, lieber im Schloss zu bleiben, aber er vermutete, dass Sorc absichtlich Cathys Einflussbereich verlassen hatte, um mit Charoselle unter vier Augen zu reden.

Während Crimson also schon ein Unglück befürchtete, waren die übrigen Personen völlig gelassen. Appi rückte seinen prall gefüllten Rucksack zurecht. Darks Flügel verschwanden, und er tätschelte Schattensturms Hals, aber der Drache blieb in seiner großen Gestalt, wie auch Kanindra, denn beide zischten einander nach wie vor an.

Sorc und Blacky machten synchron genau die gleiche Bewegung mit der rechten Hand. Es war nichts zu sehen, aber die Haare der beiden flogen wie im Wind, und Crimson bemerkte eine Druckwelle in der Luft. Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf.

Charoselle, Appi und Dark beobachteten den Vorgang ruhig und eher neugierig als besorgt. War denn niemand beunruhigt?

Blacky trug seine abgenutzte Freizeitkleidung und sah aus wie eine junge Version von Sorc, was ja auch nicht allzu abwegig war. Die beiden ließen alsbald ihre Hände sinken und schnauften wie nach einer großen Anstrengung, dann lachten sie, gingen aufeinander zu und klopften einander kumpelhaft auf die Schultern.

„Hab ich was verpasst?“ staunte Crimson.

Dark kam auf ihn zu und begrüßte ihn mit einem Handschlag auf Kriegerart. „Grüße von deinem Vater – wir haben dir ne Lieferung mitgebracht. Wegen Blacky und Sorc mach dir keine Sorgen, die kommen inzwischen ganz gut klar. Du kannst es nicht wissen, warst ja hier beschäftigt. Blacky hat Sorc öfter mal bei Lord Genesis besucht, ich glaube jede Woche oder so.“

„Wie jetzt? Ich dachte, das gibt ein Unglück, wenn die beiden aufeinander treffen!“

„Ach, nein,“ winkte Dark ab. „Blacky hat zunächst nichts dazu gesagt, weil wir ja auch noch bei Yugi zu Besuch waren. Aber nachdem Talimecros, der ihn ja immer gehasst hat, nun nicht sein Vater ist und er seinen richtigen Vater gefunden hatte, wurde er ziemlich nachdenklich. Schließlich ermutigte ich ihn dazu, auf sein Gefühl zu vertrauen und einfach mal hinzufliegen, damit er es nicht später bereut. Der Zirkel des Bösen hat ja eine Hinrichtung für Sorc in Erwägung gezogen. Blacky hätte es sich vielleicht nie verziehen, wenn sein leiblicher Vater gestorben wäre, ohne dass er sich mit ihm ausgesprochen hat. Doch ich muss zugeben, dass ich nicht mit diesem Ergebnis gerechnet hätte. Es ist wahrscheinlich Blackys Einsatz zu verdanken, dass die Entscheidung, Sorc in ein Rehabilitationsprogramm aufzunehmen, relativ gut durchgekommen ist.“

„Blacky hat sich für ihn eingesetzt? Soso...“ Crimson kam da ein Verdacht, den er im Moment aber für sich behielt.

Die beiden Chaosmagier gesellten sich zu der Gruppe und beendeten dafür ihr Vater-Sohn-Gespräch. Sorc stellte seine Mutter und die anderen einander vor.

Charoselle begrüßte alle höflich, hatte dann jedoch hauptsächlich Augen für ihren Enkel. „Ganz gut geraten... doch auch ein Kind des Chaos...“

„Sie denkt, der vorherige Herrscher der Eisigen Inseln, den sie vom Thron gestürzt hat, hätte ihre Nachkommen verflucht. Er war nämlich auch ein Anhänger des Chaos, und sie ja damals eine Kämpferin gegen solche Typen,“ erklärte Sorc. „Ich verstehe aber gar nicht, warum sie sich Sorgen macht, schließlich sind meine Geschwister 'normale' Magier.“

„Ja, aber Magier!“ Charoselle erhob mahnend ihren Zeigefinger. „Ich, eine Unterweltlerin, sollte eigentlich nicht drei Kinder haben, die Magier sind, von einem Mann, der ein Krieger ist! So wie es aussieht, wird der Erstgeborene auch immer ein Chaosmagier!“

„Dann ist es kein Problem,“ winkte Blacky ab. „Ich werde keine Kinder haben.“

„Das kannst du nie wissen!“ beharrte Charoselle. „Wenn es so sein soll, dann wird es geschehen!“

Blacky blieb unbeeindruckt. „Von mir aus...“

Die Lady verdrehte die Augen und schaffte es, dabei vornehm auszusehen. „Diese typische Einstellung zu den Dingen... Wie auch immer. Ich muss abreisen. Gehabt Euch wohl, Direktor...“ Sie verabschiedete sich förmlich von Crimson, Dark und Appi, umarmte Sorc herzlich und dann etwas zögerlich auch Blacky, als müsste sie das erst ausprobieren. Das elegante Kleid hinderte sie nicht daran, mit Stil ihren Drachen zu reiten, und nachdem Kanindra ein letztes Mal in Schattensturms Richtung gezischt hatte, flog sie ab.

Als die Gruppe das Schloss betrat, kamen ihnen Yugi und Yami entgegen, um die Neuankömmlinge stürmisch zu begrüßen. Crimson nutzte die Gelegenheit, um sich Sorc vorzunehmen, obgleich er dabei zugeben musste, spoiniert zu haben. Aber die Information war ihm wichtiger.

„Du weißt also von dem Trank... und gibst deiner Mutter einfach Lieferaufträge?“

Sorc sah nicht im Mindesten ertappt aus. „Aha, dann hast du also wirklich gelauscht, Direktor. Kam mir doch gleich so vor. Wenn du magst, schick trotzdem jemanden zum Schwarzmeer-Gletschergebiet, aber du kannst dir einen Arbeitsschritt sparen, wenn du die Kristalltrauben gleich fertig vergoren von den Eisigen Inseln liefern lässt. Sie werden dort kultiviert und sind genauso wirksam wie die wild wachsenden.“

Das konnte Crimson nicht abstreiten. Es war so, wie Charoselle vermutet hatte: Er wollte nicht das Risiko eingehen, dass er die Lieferung nicht rechtzeitig bekam. Aber als er die Notizen aufgeschrieben hatte, war ihm noch nicht klar gewesen, dass Sorc von den Eisigen Inseln stammte.„Wer hat dir erzählt, was ich mache?“

„Niemand, ich konnte es aus der Beschreibung an der Pinnwand schließen.“

Crimson runzelte ungläubig die Stirn. „Nur mit Hilfe dieser Zettelchen? Du nimmst mich auf den Arm!“

Der Hexer lächelte selbstgefällig. „Nicht jeder von uns ist von der Schule geflogen, weißt du. Ich hatte eine Eins ich Alchemie.“

„Was?!“

„Seit der dritten Klasse. Und davor gab es keine Noten.“

„Aber... Chaosmagier sind miserable Alchemisten!“

Sorc verschränkte die Arme und lachte. „Vorurteile! Man muss nicht du sein, um eine Eins in Alchemie zu haben. Dafür hast du ja, wenn man Olvin glauben darf, nie in Heilkunde aufgepasst, geschweige denn in Necromantie.“

Das wurde ja immer schöner! Hatte Olvin sich inzwischen mit Sorc verbrüdert?

„Er hat ab und zu über dich gesprochen, während du in meinem Kerker warst,“ klärte Sorc die Sache ungefragt auf. „Wusstest du, dass die Tattoofarbe, die wir benutzt haben, eine heilende Komponente enthielt? Das war Olvins Idee. Schließlich durftest du nicht verbluten. Malice habe ich dieses Detail allerdings verschwiegen und ihm statt dessen erzählt, dass die Farbe in den Wunden brennen wird. Aber das haben Heilmittel so an sich.“

Die Erinnerung daran wühlte Crimson wie immer sehr auf, deshalb vergaß er seinen Ärger. „Ja, das... das ist mir aufgefallen. Ich dachte, ihr hättet diese Farbvariante zufällig benutzt.“

„Nein, Olvin hat sie vorgeschlagen und auch hergestellt.“

Crimson fragte sich, ob er das dem Alten danken sollte oder nicht. Zweifellos hatte er sich darauf gefreut, seinen verhassten ehemaligen Schüler ohne Magie zu sehen. Hatte ja auch geklappt.

„Wie kommst du jetzt mit Olvin zurecht?“ erkundigte er sich.

„Er ist ganz sein spöttisches altes Selbst, im Großen und Ganzen hat sich sein Verhalten mir gegenüber nicht sonderlich geändert. Schon immer hielt er mich für einen Volltrottel und machte keinen Hehl daraus, aber er brauchte den Job und ich brauchte einen Necromanten.“ Sorc zuckte mit den Schultern. Zumindest musste man sich wohl keine Sorgen machen, dass die beiden sich bekriegten, obwohl Olvins Arbeit für Sorc ein Grund für den schlechten Gesundheitszustand des alten Magiers war.

Allerdings waren sie jetzt ziemlich vom eigentlichen Gesprächsthema abgekommen. Sorc und eine Eins in Alchemie? Pah! In der Theorie vielleicht, oder Charoselle hatte auch in der Schule mal ein Kästchen mit Edelsteinen stehen lassen. Crimson überlegte, das zur Sprache zu bringen, ließ es dann aber sein, schließlich hatte er die Bestechung angenommen. Warum auch nicht – es gab kein Problem damit, seine Seite der Abmachung einzuhalten. Wenn ihn also jemand für etwas bezahlen wollte, das er ohnehin getan hätte, konnte er ebenso gut einen Nutzen daraus ziehen und seine Berichte vielleicht noch etwas aufhübschen. Vielleicht musste er auch gar keine schriftlichen Berichte abgeben, jedenfalls wusste er davon bisher nichts.

Er musste noch herausfinden, wer das Kontaktformular ausgefüllt hatte. Als Crimson daran dachte, meldete sich sofort eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf, und die hatte nichts mit Cathy zu tun. Es war eine kleine, gehässige Stimme, die ihm sagte, dass er es doch dabei bewenden lassen konnte – schließlich hatte er Besseres zu tun im Moment und Sorc hatte den kleinen Schrecken im Prinzip verdient. Der Hexer war ohnehin viel zu glimpflich davongekommen mit seiner Strafe. Zustimmend verschob er die Sache auf unbestimmte Zeit später.

„Wenn du mich dann nicht mehr brauchst, Direktor, werde ich mich zurückziehen,“ sagte Sorc.

Crimson nickte das kurz ab und wandte sich dann seinem Besuch zu.

Yugi und Appi waren schon in eine angeregte Diskussion verstrickt. Anscheinend ging es um einen Zauber, den sie beide gelernt hatten. Yami indessen unterhielt sich mit Dark und Blacky über Duellstrategien.

[„Der Magier Namens Dark öffnet sich mir nicht,“] beschwerte Cathy sich telapathisch.

[„Ich werde ihn mal darauf ansprechen,“] versprach Crimson.

In dem Moment sah sein Cousin auf, als hätte er seine Absicht erkannt. „Crimson!“ Er legte Crimson brüderlich einen Arm um die Schultern und führte ihn mit Bestimmtheit ein, zwei Meter weg. Lächelnd, als wäre es nichts Ernstes, erkundigte er sich: „Diese ganzen Zutaten... was hast du damit vor? Onkel Shiro gab sich sehr verschlossen, aber er weiß es, oder? Und vor einigen Tagen war ja schon Eria bei uns und erzählte ein paar Sachen, dann dieser Endymion... Bist du in Schwierigkeiten?“

Es klang ehrlich besorgt, aber bei Dark war Crimson vorsichtig. Er war ebenfalls ein Schlossherr, aber einer von der sehr anständigen Sorte, und so jemanden verwickelte man besser nicht in illegale Angelegenheiten.

Crimson schüttelte den Kopf. „Ich habe alles unter Kontrolle.“

Dark sah ihn prüfend an. „Na gut... wie du meinst.“

„Wenn du behilflich sein willst, solltest du dich für mein Schloss öffnen. Ich kann jede Energiespende gebrauchen.“

„Oh... daran habe ich nicht gedacht.“ Der andere Magier schloss die Augen und konzentrierte sich, runzelte jedoch schon bald die Stirn. Es sah aus, als müsse er sich sehr anstrengen, um Cathy Zugriff auf seine Energie zu gewähren. Nach einigen Minuten schließlich gelang es ihm, jedoch floss von ihm die Kraft nur träge in Cathys Energiespeicher. „Ich werde versuchen, es zu verbessern, aber mehr kann ich im Moment nicht machen. Mein eigenes Schlossherz beansprucht alles für sich, obwohl – oder gerade weil – es im Moment gar keine Burg mehr hat. Ich bin sein einziger Spender, abgesehen von den Bauarbeitern, die Drachenfels wieder aufbauen.“

Für diese Aussage zeigte sich Cathy überraschend verständnisvoll. „Ist nicht so schlimm,“ winkte Crimson deshalb ab. „Zwing dich nicht dazu.“

Dark nickte mit einem entschuldigenden Lächeln. „Hey, Appi! Bevor du mit Yugi irgendwo hin verschwindest, gib Crimson sein Zeug.“

„Ah, ja, klar doch.“ Appi streifte den Rucksack ab und warf ihn Crimson zu.

„Vorsichtig damit!“ rief der Weißhaarige entsetzt. „Das sind wertvolle Substanzen!“

„Wir haben alles sicher verstaut,“ versicherte Dark. „Dein Vater hat noch einige Standardsachen mitgeschickt. Hat vielleicht gedacht, dass es dann weniger auffällt...“

„Danke. Ich bringe das nur mal eben hoch in mein Vorratslager.“ Und bei der Gelegenheit konnte er sich auch gleich der weiteren Befragung entziehen. Yami und Yugi gaben nicht zu erkennen, dass sie irgendetwas wussten, hoffentlich blieb das auch so. Im Zweifelsfall waren sie Dark und seinen Leuten gegenüber wohl loyaler als ihm.

Crimson ließ Cathy seine Besucher beobachten. Er lauschte nicht direkt, sondern verfolgte nur grob ihren Weg. Yami und Yugi zeigten ihnen das Schloss, aber sie mieden das Büro, wo noch immer die Pinnwand offen an der Wand hing. Nachdem sie sich alles ein wenig angesehen hatten, wollte Appi unbedingt das Bad nutzen. Also ließen Blacky und Dark die Jungs im Keller zurück und gingen zu Kuro in den Garten.

Inzwischen hatte Crimson seine Lieferung ausgepackt und einsortiert und die Zutaten, die er als nächstes brauchte, bereitgestellt. Er beeilte sich, denn er wollte nicht, dass Dark ihn hier besuchen kam und dann womöglich entdeckte, was er plante.

Cathy materialisierte sich, als der Schlossherr darüber nachdachte. „Ich sage Dark schon Bescheid, dass er hier nichts anfassen soll. Oder ich halte ihn schon vorher auf!“

Crimson lächelte. „Ja, ist gut. Ich denke, Dark würde wohl schon verstehen, warum ich es tue, aber ich will ihn nicht einweihen... wir sind Rivalen, und er ist ein verdammter Moralapostel. Außerdem will ich nicht, dass er mich für weich hält, weil ein alter Necromant mich dazu treibt.“

„Verstanden, Meister,“ sagte Cathy mit bedeutungsvoll klingender Stimme.

Das Schlossherz fing danach an, Dark zu überwachen, jedoch nicht im gleichen Maße wie Sorc. Er schaute nur ab und zu nach, wo der Magier sich befand.
 

Beim Abendessen trafen alle wieder zusammen. Außer Sorc und den Personen, die unterwegs waren, fehlte nur Blacky. Cathy fand schnell heraus, dass er sich zusammen mit dem anderen Chaosmagier in der Küche aufhielt und dort aß. Crimson gönnte es ihm. Er konnte nicht nachvollziehen, wie Blacky diesen Mann als seinen Vater anerkennen konnte, nach allem, was vorgefallen war, aber es war eben etwas anderes, wenn jemand nie einen guten Vater gehabt hatte. Blacky genoss die Unterhaltung offensichtlich. Sie sprachen über Magie und speziell die Möglichkeiten des Chaos. Crimson beobachtete die beiden eine Weile und bemerkte, dass Sorc wirklich eine nette Art an sich hatte, die er sonst nicht zeigte.

„Der Schlossherr belauscht uns wieder,“ meinte er schließlich, und beide fingen an zu kichern.

Crimson zog sich automatisch zurück, als er sich ertappt fühlte. Woran bemerkte Sorc seine Anwesenheit? Andere taten das doch auch nicht... hoffte er wenigstens.

Dark, der rechts neben ihm am Tisch saß, stieß ihm mit dem Ellenbogen an. „Es ist unhöflich, beim Essen geistig wegzutreten. Ich glaube, du musst mit Catherine noch etwas üben.“

Crimson tat verlegen und widersprach einfach mal nicht, denn Dark schien zu denken, dass er nur alltägliche Sachen gemacht hatte. „Ich, äh... hab mich gerade gefragt, ob du wohl gut damit zurecht kommst, dass Blacky jetzt so dicke mit Sorc ist,“ redete er sich heraus.

„Ach... das bemerke ich doch kaum,“ meinte Dark leichthin. „Allerdings muss ich zugeben, dass ich meistens nicht mitgegangen bin, wenn Blacky ihn besucht hat. Oder ich hab mich in der Zeit mit Lord Genesis unterhalten. Warum isst Sorc eigentlich nicht mit den anderen?“

„Es gab da ein paar... Zwischenfälle,“ druckste Crimson herum. „Nicht jeder kommt so mit ihm aus wie Blacky. Mava und dein Vater sind gelinde gesagt sehr misstrauisch. Eria hat regelrecht Angst vor ihm. Ihretwegen hat Sorc selber vorgeschlagen, ihr aus dem Weg zu gehen. Ich sehe ihn seither nur noch selten, was mir eigentlich ganz recht ist. Schließlich sind meine Erinnerungen, die ihn betreffen, auch nicht die schönsten.“

„Uhm... genau aus diesem Grunde habe ich es immer vermieden, ihm zu begegnen,“ gab Dark nun zu. „Er hat meine Burg zerstört und dabei fast Mava und Neo getötet. Mein Vater stand unter seiner Kontrolle... oder nein, ich glaube, das war das Werk von Malice. Aber da er und Sorc Partner in der Sache waren, ist es im Prinzip gleich. Vor allem aber hätte er fast Blacky auf dem Gewissen gehabt. Von all den anderen Dingen mal ganz zu schweigen. Ich glaube, jeder von uns hat ihm irgendetwas vorzuwerfen, und ich selbst kann nicht einfach alles vergessen, was vorgefallen ist. So vergebungsfreudig wie Yugi bin ich eben doch nicht.“

Crimson fand es zur Abwechslung ganz nett, dass Dark hier nicht auf Moral machte. Er predigte nicht, dass man dem Mann eine Chance geben sollte. Das machte ihn seinem Cousin ungemein sympathisch. „Ich bin eigentlich immer noch völlig überrumpelt von Sorcs Anwesenheit hier. Es gab andere Probleme, daher hab ich es einfach geschehen lassen...“

Das Gespräch der beiden wurde allgemein vom Lärm der übrigen Anwesenden übertönt, besonders von Appi, der für die Kinder ein paar Faxen machte. Wahrscheinlich hörte ihnen niemand zu. Aber es war ja nicht so, als wäre das Gesprächsthema geheim. Die beiden Magier hatten selten zusammen gegessen, es war eine nette Gelegenheit.

„Blacky vertraut Sorc,“ sagte Dark. „Nenn es naiv von ihm, aber ich verlasse mich auf sein Urteil. Er meint, Sorc hätte nur den falschen Partner gehabt und wäre zu loyal, um solche Verbindungen abzubrechen, sobald sie unbequem werden. Deshalb arbeitete er bis zum Schluss mit Malice zusammen und hielt selbst vor Gericht zu ihm. Er hat nie versucht, ihm die Schuld an allem zuzuschustern – allerdings hat er auch nicht die ganze Schuld auf sich genommen. Manchmal kam eine Frage auf, die Malice betraf, die beantwortete er sehr sachlich. Aber er kam nie von sich aus auf ihn zu sprechen, wenn er es vermeiden konnte.“

Crimson hob die Augenbrauen. „Du warst bei der Verhandlung?“

Dark nickte. „Ja – weil Blacky hin wollte. Er hat sich aktiv für Sorcs Verteidigung eingesetzt. Vor Beginn der Verhandlung hat Lord Genesis mir erklärt, wie der Zirkel des Bösen tickt. Ich verstand erst nicht, wozu er das tat, aber dann konnte ich Blacky helfen, sein Anliegen so zu formulieren, dass der Zirkel es akzeptiert.“

„Ah ja... sie sehen manche Dinge anders als der durchschnittliche Bürger des Schattenreiches.“ Das Thema fand Crimson interessant. „Wie habt ihr die Typen überzeugt, Sorc nicht hinzurichten?“

Dark blickte nachdenklich in seinen Trinkbecher und füllte ihn geistesabwesend nach. „Nun... es interessiert den Zirkel nicht, ob jemand dein Vater ist, der dir viel bedeutet. In diesen Kreisen kann die Familie deine größte Bedrohung sein. Deshalb hat Blacky hauptsächlich argumentiert, dass er von einem älteren, erfahreneren Chaosmagier noch viel lernen kann. Generell kam das Argument gut an, dass es schade um all die magische Kraft und das Wissen wäre, über die Sorc verfügt. Wir hatten den Eindruck, dass manche Mitglieder schon von Anfang an so dachten. Aber als es dann zu der Frage kam, wer denn mit der Aufgabe betraut werden könnte, diese Kraft zu bändigen und sich das Wissen zunutze zu machen, da kamst du ins Spiel, denn Genesis hatte eine Bewerbung für das Rehabilitationsprogramm von dir vorliegen.“

„Tatsächlich?“ Wieder einmal war Crimson überrascht. „Ich dachte schon, er hätte mich irgendwie in dieses Programm geschmuggelt... aber er hatte wirklich eine Bewerbung von mir?“

„Ja doch... er hat das Formular rumgereicht. Es war noch nicht offiziell bearbeitet und du warst noch nicht mit deinem Schloss in die Listen für die Stellen für Rehabilitanden aufgenommen worden. Aber Genesis meinte, das wäre ideal – ein junger Unternehmer, ein neues Schloss, ein neues Projekt. Jemand, der Sorc kennt, ein Magier, der sich gegen ihn durchsetzen kann. Er sprach in den höchsten Tönen von dir und war sehr angetan von deiner Teilnahme an dem Programm.“

Crimson hatte das Gefühl, dass er ein bisschen rot wurde. „Oh... wirklich? Gut, aber ich hab mich nicht angemeldet. Ich wusste nichtmal von dem Programm, bevor Sorc mir davon erzählte.“

„Ach... das ist seltsam, ich bin sicher, dass es deine Handschrift war.“

„Anscheinend ist die nicht allzu schwer zu fälschen,“ grummelte Crimson, der an das Kontaktformular dachte, das er ja auch nicht selber ausgefüllt hatte.

„Glaubst du, jemand hat das getan, um dich zu ärgern?“ erkundigte Dark sich.

Das wusste der Weißhaarige beim besten Willen nicht. „Keine Ahnung. Aber da er jetzt schon einmal hier ist, muss ich das beste draus machen. Seine magische Energie ist gut für das Schloss. Er scheint keine Hintergedanken dabei zu haben. Wie schätzt du ihn ein?“

Dark zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Während der Gerichtsverhandlung machte Sorc einen durchaus seriösen Eindruck, soweit man das von jemandem mit seiner Vergangenheit behaupten kann. Aber ich habe mich nicht mehr als nötig mit ihm persönlich befasst und bin natürlich auch voreingenommen. Du könntest Blacky fragen, aber der wird die Sache vermutlich etwas beschönigen. Mir fehlte bei Sorc ein wenig die Reue, aber andererseits stand er vor dem Zirkel des Bösen. Dort zählt ein selbstsicheres Auftreten und ein fester Character, das macht Eindruck. Diese Leute stört es ja nicht, wenn jemand hin und wieder Leben gefährdet oder Landschaft zerstört, denn das tun sie selber. Aber wenn das ganze Schattenreich bedroht ist, ändert sich der Fall. Für den Zirkel ist es vor allem wichtig, dass sich diese Sache nicht wiederholt.“

„Hmmm... das wird wohl nicht geschehen,“ murmelte Crimson, denn bei allem Misstrauen hielt er Sorc nicht für einen Intrigenspinner, der seine Zeit absaß, bis er wieder zuschlagen konnte. „Was ist eigentlich mit Malice, wo ist der?“

„Die Krieger haben ihn mitgenommen, aber was sie mit ihm gemacht haben, weiß ich nicht,“ antwortete Dark.

Paladia, die die beiden Magier in Ruhe gelassen und sich weiter weg mit den jüngeren unterhalten hatte, setzte sich nun auf der anderen Seite neben Crimson und lenkte so dessen Aufmerksamkeit auf sich. „Wenn meine Schwestern morgen nicht eintreffen, werde ich mit Eria allein aufbrechen,“ verkündete sie. „Wir wollen ja nicht, dass du deine Zutaten zu spät erhältst.“

Das wusste er zu schätzen, aber es machte ihn auch traurig. „Dann ist morgen auf jeden Fall Abschied angesagt. Ich werde euch besuchen kommen, sobald sich die Dinge hier beruhigt haben.“

Die Amazone gab ihm das Baby auf den Arm. Crimson zeigte es stolz seinem Cousin, der klein Scarlett dann auch mal halten durfte.

„Da hast du mir mal was voraus, Crimson,“ grinste der dunkelhaarige Magier.

„Im Vergleich zu dir habe ich einen Effekt, das wären dann schon zwei Sachen.“

„Aber ich habe dafür...“ Dark wurde unterbrochen, denn Catherine materialisierte sich neben ihnen.

„Ich habe einige große Vögel sichten können, möglicherweise die Amazonen. Sieht so aus, als wollten sie über Nacht bleiben,“ meldete das Schlossherz. „Bei der jetzigen Geschwindigkeit sind sie noch vor Sonnenuntergang hier, in etwa zehn Minuten.“

Paladia fing an zu kichern. „Das sieht ihnen ähnlich. Zweifellos wollen sie das Genmaterial sichten.“

„Uh, dann muss ich Blacky warnen, die waren letztens so hinter ihm her!“ witzelte Dark.

Cathy verschwand schon wieder, ohne dass Crimson ihn entlassen hatte, aber für den Schlossherrn war das schon in Ordnung. „Vielleicht kommt meine Mutter auch mit,“ überlegte er. Einerseits freute er sich darauf, aber auf der anderen Seite wollte er von ihr momentan nicht in Beschlag genommen werden. Da war es gut, dass er bereits an eine Amazone vergeben war und somit nicht als Ziel der anderen in Frage kam... hoffte er zumindest.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hikari-Yumi
2013-07-20T20:18:07+00:00 20.07.2013 22:18
Huhu...
Tut mir leid, das ich so spät dran bin.
Das Kapitel ist wunderschön.
Die Stimmung ist so toll lebendig.
Und wenn ich bedenke was später mit Sorc passiert... Traurig...
Darkist klasse!!!!
Antwort von:  Purple_Moon
20.07.2013 22:27
Hey... keine Spoiler!!! :D Warst du im Urlaub? Hab mich schon gewundert...^^
Von:  jyorie
2013-07-06T21:23:29+00:00 06.07.2013 23:23
Hey ^_^

ich freu mich total, das es weiter geht mit der Geschichte :D

Blacky und Dark sind zu Besuch, Crimson hat in der letzten Zeit wirklich nicht viel mit bekommen, wenn er von dem Vertragen und Gerichtsprozess von Sorc und Blacky noch nichts gewusst hat, krass, das die beiden sich so gut verstehen und das Blacky ihm einfach so vergeben konnte und sich vor dem Rat des Bösen für ihn eingesetzt hat. Schon eine eigenartige Gerichtsbarkeit, bei der eine feste Haltung mehr Zählt als Reue. – Aber es ist halt das Schattenreich und da darf (muss) ja alles auch ein bisschen anders sein.

Wow, Sorc überrascht immer mehr. Auch mit seinen Noten in Alchemie und das er aufgrund der Zettelchen errät, was Crimso da am brauen ist. Du hast ihn in diesem Kapitel wieder richtig schön sympathisch rüber gebracht :D

Die Idee, das das Schlossherz von Dark (fast) ausschließlich allein gespeißt wird fand ich gut, auch das Chaty es akzeptiert, das Dark deshalb nur wenig Energie abgibt. XD Schlossherzen müssen ja zusammen halten^^

Mir gefällt es auch, das Paladia zu Crimson ein scheinbar engeres Verhältnis hat, als es normalerweise für Amazonen üblich ist. Und das ihr der Abschied schwer fällt, so glaub ich werden sie vielleicht in Kontakt bleiben :D

Hat mir sehr gut gefallen dein neues Kapitel :D

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
21.07.2013 15:12
Diese eigentümliche Auffassung von Gerichtsbarkeit ist nicht dem ganzen Schattenreich zu eigen, sondern dem Zirkel des Bösen. Wäre Sorc bei den Kriegern gelandet, wäre er mit derselben Masche nicht durchgekommen. Insofern hat er Glück - es ist ja nicht so, als täte ihm das alles furchtbar Leid, nein. Er hat halt verloren und steht dazu.
Ich werde bei Gelegenheit noch ein bisschen über Sorcs Schlullaufbahn aufdecken. XD
Schlossherzen halten zusammen, ja... jedenfalls insofern, als dass sie die Bedürfnisse eines anderen respektieren, weil sie eine solche Situation verstehen können. Kann aber durchaus sein, dass Cathy ein anderes Schlossherz für eingebildet hält oder so.
Paladia und Crimson wurden schon dadurch zusammengeschweißt, dass sie zusammen Gefangene waren.
Freut mich, dass du es magst, danke sehr!^^


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