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Rote Dämmerung

Wir sind, was wir waren
von

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Eine Hand voll Asche

Kommentar: Ich meine es wirklich ernst mit Michaels Beerdigung. Es kommt mir unwirklich vor, weil er in meinem Kopf sehr real herumhüpft und mich vorgestern gezwungen hat, eine der letzten Szenen der FF zu schreiben. Ansonsten: dieses Kapitel war verdammt schwer zu überarbeiten. Ich bin fast froh, dass ich bald die Kapitel komplett schreiben muss und nicht die älteren lediglich korrigieren. Wer sich übrigens die Hardcore Version antun möchte, der möge hierzu bitte Apocalitica’s “Farewell” anhören. Das kommt auch auf die Soundtrack Liste.
 

Viel Spaß Mut beim Lesen
 

mangacrack
 

xxx
 

::Kapitel 06 – Eine Hand voll Asche::
 

Mit einem unsanften Ruck kam das Luftfahrzeug zum Stehen, wenige Sekunden nachdem es auf der Landebahn aufgesetzt hatte. Raphael wurde nach vorne geworfen, sodass der Sicherheitsgurt ihm die Luft aus den Lungen presste, als er ihn davon abhielt aus dem Sitz zu fliegen. Die Maschine stoppte und das Brummen der Triebwerke erlosch schlagartig. Mit einem tiefen Atemzug lehnte sich Raphael in den Sitz zurück und schloss die Augen, um sein hämmerndes Herz zu beruhigen. Bei einer anderen Gelegenheit würde er dem Piloten sagen, dass dies kein Flugzeugträger war, bei dem die Startbahn knapp bemessen und derartige Landemanöver nötig waren.
 

Allerdings wurde er beim Aussteigen davon von der Umgebung abgelenkt, sodass der Pilot schlagartig aus seinen Gedanken verschwand. Sie waren in der sechsten Schale des Himmels angekommen und waren auf dem Gelände des alten Himmelspalastes gelandet.
 

Das riesige Gebäude erhob sich unverändert in die Höhe, am Ende der unendlichen Stufen der langen Treppe, die zu erklimmen war bis man zur offenen Säulenhalle gelangte. Raphael blieb am Fuße der Gangway stehen, während die Turbinen der Tragfläche ihm warme Restluft ins Gesicht blies. Schwermütig betrachtete er das Bauwerk, dass sich seit frühester Zeit in sein Gedächtnis gebrannt hatte. Einst hatte der Hohe Rat der Seraphin hier seinen Hauptsitz gehabt und nicht in der müden Kopie, die in der Hauptstadt in der unteren Schale errichtet worden war. Von hier aus hatte einst der Rat Schicksale entschieden und die Armee geleitet, sodass Scharen von geschäftigen Engeln lange Zeit diesen Ort belebt hatte. Inzwischen waren die Treppen und der Palast der Herrlichkeit leer und ausgestorben.
 

Im Ersten Großen Krieg war der Palast bei einem Angriff beschädigt und in späteren Zeiten aufgegeben worden. Mit der beständigen Entwicklung der Technologie war man zu dem Entschluss gekommen, dass es praktischer war einen neuen Regierungssitz zu bauen, als den alten Himmelspalast umzurüsten und spätestens seit Sevothtarte die Macht an sich gerissen hatte, war dieser Ort vergessen worden. Der weiße Diktator hatte neue Errungenschaften gerne als Fortschritt angepriesen und der Himmelspalast war in seinen Augen ein antikes nutzloses Relikt gewesen, das ihm in der Politik keinen Vorteil brachte.
 

Für Raphael hatte der Himmelspalast eine weitaus tiefere Bedeutung. Vor ihm stand ein Stück Geschichte, das älter war als er selbst und nicht von Maschinen errichtet worden war. Technologie war ihm neben dem wenigen hervorgebrachten Luxus zuwider.
 

Er war nicht Michael, der für seine Armee jeden Vorteil brauchte, den er kriegen konnte, denn anders als die Hölle produzierte der Himmel weniger Soldaten. Dämonen konnten sich rasend schnell vermehren, sodass die Himmelsarmee fast immer in der Unterzahl war. Jedoch hatte Michael und sein Stab oft bewiesen, dass mit der richtigen Strategie die Anzahl an Gegnern bedeutungslos war.
 

Die Armee. Raphael fragte sich, was jetzt wohl mit diesem Haufen passieren würde. Die Generäle waren die Kommandanten der Departements, wie der Luftwaffe oder der Bodentruppen.
 

Nur vor wem müssen sich jetzt die Generäle verantworten, überlegte Raphael, während die wenigen Passagiere aus der Maschine stiegen, um sich am Heck zu versammeln und darauf warteten, dass die Laderampe herunter gelassen werden würde. Vor Luzifel hatte die Armee dem Rat der Seraphin unterstanden, doch nach der Rebellion hat niemand einem anderen Politiker soviel Befehlsgewalt in die Hände legen wollen. Aus demselben Grund war die erlaubte Anzahl der Privatarmeen der Hohen Engel sehr beschränkt, damit sich nicht genügend Streitkräfte für einen möglichen Aufstand unter einer Person versammeln konnten.
 

Raphael erkannte griesgrämig: Immerhin das haben sie aus Luzifers Handeln gelernt, aber das löst das Problem des Machtvakuums noch nicht. Denn Michael hat sich nicht für den Posten beworben, die Armee hat sich unter ihm versammelt, als er gegen seinen Bruder in die Schlacht gezogen ist.
 

Michaels offenes Desinteresse an der Himmelspolitik hatte es dem Rat sehr einfach gemacht, Michael die Leitung der Armee zu übertragen. Jetzt würde diese Position wohl unbewacht bleiben. Mit Bedauern und einem heftigen Stich im Herzen erkannte Raphael, dass dies hieß, dass es nie wieder einen Fürsten des Himmels geben würde.
 

“Nie wieder jemanden, den wir verehren können”, murmelte Raphael und reihte sich in die Gruppe ein, als ein klackendes Geräusch ertönte und sich die Laderampe öffnete.
 

Neben ihm standen Jibril, Uriel und dahinter die Ratsmitglieder, während die Piloten, Wachmänner und ihre Berater in der zweiten Reihe Platz gefunden hatten. Ihnen gegenüber lagerten im Hintergrund große Schiffe des Militärs, die aber von der großen Anzahl an Soldaten verdeckt wurden. Diese Soldaten unterschieden sich offensichtlich sehr von jenen, die man in der Kathedrale vorgefunden hatte. Allein, dass sie nicht stramm dastanden und salutieren, war auffällig. Das augenscheinlichere Merkmal jedoch, die abgewetzte Kampfkleidung und die auffallenden Tattoos, die jeder dieser Krieger am Körper trug und trotz der Kälte hier oben zur Schau stellten.
 

“Es ist eine Frechheit”, wisperte Jibril so leise und unbemerkt, dass es fast an Gedankenübertragung grenzte. “Können die diese Vagabunden nicht Haltung annehmen?“
 

„Das tun sie“, flüsterte Raphael ähnlich lautlos zurück, sodass seine Worte eher eine Brise auf Jibrils Haut waren, als Töne in ihrem Ohr. „Auf ihre Art und Weise. Ihre Tattoos sind ein bindendes Merkmal der Zugehörigkeit. Ähnlich wie es Clans unter den Menschen tun.“
 

Obwohl Jibril nicht antwortete, weil die Laderampe nun auf dem Boden aufsetzte und die Schritte der Sargträger zu vernehmen waren, konnte er das ‚trotzdem’ vernehmen. Die dünne Linie ihrer Lippe sprach deutlich genug. Die Miene des Engels, der ihr gegenüber stand allerdings auch. Neben der zerrissenen Kleidung, den Löchern an den Knien und dem wilden schwarzen Haar zogen sich zwei sichtbare Tattoos über sein Gesicht. Der grimmige, fast bösartige Gesichtsausdruck wurde nicht nur von den dunklen Augen unterstrichen, sondern besonders dadurch, dass die Zeichnung des Tattoos jeweils links und rechts an der Stirn begann und sich an den Augen vorbei bis hinunter zu den Mundwinkeln zog.
 

Wäre der Zeitpunkt nicht denkbar ungünstig gewesen, hätte Raphael Jibril mit Gewalt davon abgehalten Meachuel mit Blicken heraus zu fordern. Die korrekt gekleidete Herrin des Wassers störte sich offensichtlich an dem Auftreten des anderen Engels, der abfällig in die Runde sah und sich wohl gänzlich provokativ auf sein Schwert stützte.
 

Zumindest nahm Raphael an, dass Jibril dies so sah und die Verletzung anhand seiner Haltung nicht abgelesen hatte.
 

Überhaupt störten sich die meisten Anwesenden an dem Militär. Er selbst war wohl der Einzige, der glaubte, dass der innere Kreis um Michael ein Recht hatte hier dabei zu sein, ganz gleich wie die Soldaten auftraten oder welchen Standes sie waren.
 

Traurig, dass ich der Einzige zu sein schein, der Sympathie für diesem armen Haufen zeigt.
 

Denn wer sonst, hatte noch mehr als den aller nötigsten Kontakt zur Armee? Allein Raphael kannte wohl durch seine Freundschaft zu Michael als einziger Außenstehender die Krieger gut genug, um zu wissen, dass sie nicht die vom Kampf berauschten Monster waren, die sie gerne vorgaben zu sein.
 

Wie kann man sie als Monster bezeichnen, wenn sie Schuld fühlen, fragte sich Raphael, als Michaels geschlossener Sarg nun an ihnen vorbei getragen wurde. Schuld darüber, dass eine einfache Schlacht an der Grenze Michaels Ende bedeutet hat?
 

Aber war das nicht auch richtig? Als Raphael schließlich sich hinter den Trägern des Sargs und Uriel einreihte, um neben Jibril herzuschreiten, fühlte er einen ähnlichen Ärger in sich aufsteigen. Hinter ihm schritten Meachuel und Varcan, zwei bekannte Generäle aus Michaels Armeestab, doch hatten sie das Recht bei dieser Prozession dabei zu sein, wenn es ihre Aufgabe gewesen war, Michael zu beschützen?
 

Hass qualmte in Raphael auf, doch der richtete sich nicht mehr auf seinen Ärger und die Schuldzuweisen, sondern nun auf den Hügel, wo der Himmel einst vor sehr langer Zeit Luzifel zum Heerführer gemacht hatte. Es war ein fauler Witz und Raphael fragte sich, wer das entschieden hatte. Ironisch, dass der Fürst des Lichts dort verbrennen sollte, wo der größte Verräter des Himmels einst seinen glorreichen Aufstieg gefeiert hatte. Raphael erinnerte sich gut, denn er war dabei gewesen. Als Element hatte er daran teilnehmen müssen, wenn er auch noch sehr unerfahren gewesen war.
 

Seine Erinnerung trügte ihn vielleicht, doch sein eigenes Aussehen musste dem eines Teenagers geglichen haben, während Michael noch ein Kind war.Dämonenkind hatte man ihn damals genannt, wirkte Michael doch mit seinen roten Haaren und den für einen Engel unnatürlichen goldenen Augen wie ein fremdes Wesen. Wie ein Abkömmling der Urdämonen aus der unbewohnbaren Hölle, deren Macht nicht einmal Luzifer je in Frage gestellt, sondern unter Shoel eingeschlossen hatte, um sich zum Herrscher der Unterwelt und der Finsternis zu machen.
 

Auf der Erhebung des Versammlungsplatzes vor dem Himmelspalastes kam die Prozession schließlich zum Halt, sodass die Trauergesellschaft sich schließlich in vollkommener Stille darum aufbaute. Eine merkwürdige Stimmung hatte sich in den letzten Minuten über die Anwesenden gelegt, denn als Michaels Sarg auf ein großes Steinpodest gehievt wurde, der nach Raphaels Meinung viel zu sehr nach einem heidnischen Opferalter aussah, schlich bei vielen wohl gerade erst jetzt die Erkenntnis ein, dass diese Zeremonie absolut real war.
 

Darüber nachzudenken, was Michaels Tod letztendlich für sie alle bedeuten würde, wollte allerdings niemand.
 

Während die Träger den Deckel und die Wände des Sarges entfernten, blickte Raphael zu Jibril. Ihr Rücken war so gerade, dass es aussah, als hätte sie einen langen Eiszapfen verschluckt. Starr stand sie da und hatte wütend die Fäuste geballt. In ihre eiskalten Augen wollte er jetzt nicht sehen müssen, daher war er froh, dass sie sich nicht zu ihm umdrehte und seinen Blick ignorierte.
 

Anders hingegen wirkte Uriel, fand Raphael mit einer Kopfdrehung auf die andere Seite. Der Engel der Erde und der Richter des Himmels umklammerte seine Sense und hatte das untere Ende tief in den Erdboden gestoßen. Die dunkle Kleidung und der schwere Mantel verdeckte es, aber Raphael sah Uriel zittern. Unter keinen Umständen wollte Raphael wissen, warum das so war. Ihm blieb die Hoffnung, dass dies die Trauer um Michaels Verlust war und nicht Wissen um den Zustand von Michaels Seele, das mit der Herrschaft über den Tod kam.
 

Schwer ertragbar wurde Uriels Anblick, als Raphael vernahm wie er die Melodie eines Liedes anstimmte. Der tiefe Klang seiner Stimme trug sich über die schweigende Versammlung und der Tod legte seine kalte Hand um ihre Herzen.
 

Unbestreitbarer Fakt war, dass niemand Michaels Tod gut aufnahm. Selbst die Gesichter der sonst unerschrockenen Kämpfer auf der anderen Seite des Altars zeigten nun tiefe Emotionen, als jetzt die Sargwände weggetragen wurden. Das Leid und der Verlust, dass in den Augen der Soldaten schimmerte, grub sich tief in Raphaels Gedanken, besonders weil er gut in Erinnerung hatte, wie diese Engel selbst bei dem Anblick von Satanen auf der anderen Seite des Schlachtfeldes noch unanständige Witze rissen.
 

Gequält schloss Raphael die Augen, weil er bezweifelte, dass er den Anblick von Michaels Leiche noch einmal ertragen würde. Dabei hatte die letzte Zeremonie noch nicht einmal begonnen.
 

Aufgebahrt auf dem großen Steinpodest lag Michael da und hinter ihm und seiner Armee ging die riesige, rote Sonne unter. Der Anblick zerriss Raphael innerlich. Man hatte Michaels Hände über seine Brust gekreuzt und zum ersten Mal, seit er Michael in diesem schrecklichen Sarg gesehen hatte, der ihm die scheußliche Wahrheit näher brachte, fand Raphael, dass Michael harmlos aussah. So wie er es in seinem Leben niemals gewesen war.
 

Raphael fühlte jetzt die Feuchtigkeit in seinen Augen. Wie lange würde er die Tränen zurückhalten können? Wann hatte er das letzte Mal geweint? Es war zahlreiche Jahrhunderte her, als er ein Engelskind nicht hatte retten können, dass ihm sehr nahe gestanden hatte. Damals hatte er sich in seinem Gemach verkrochenen und bittere Tränen geweint, dessen Tod er sein ganzes Leben lang bereut hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich versteckt, bis Michael irgendwann in sein Zimmer gestürmt und die Vorhänge ausgerissen hatte, um die Sonne rein zu lassen.
 

Jene Sonne, die nun hinter Michael am Horizont verschwand und den Himmel in ein tiefes Rot tauchte. Meachuels Gestalt verschwand nahezu darin. Auch die anderen Krieger waren in dem Licht kaum zu sehen. Auf diesem Dach der Welt würden sie Michael verbrennen und Raphael konnte nichts tun, um es zu verhindern. Sein elendig langes Leben hatte er Michael gekannt.
 

Was sollte er jetzt ohne ihn tun?
 

Am liebsten hätte Raphael diese Frage in den Abend hinaus geschrien, aber seine Stimme versagte und seine eigenen Worte brachten ihn zum Husten. Seine Lippen waren nun eine dünne versiegelte Linie, mit Gewalt zusammen gepresst um zu verhindern, dass aus seinem Mund ein Jammern ertönen würde.
 

„Wir werden jetzt beginnen“, sprach der eine Sargträger an die drei noch lebenden Elemente gewandt, „Oder möchten die Herrschaften ein letztes Gebet sprechen?“
 

Raphael schüttelte den Kopf und vernahm wie auch seine Freunde ablehnten. Keiner wusste, was sie hätten sagen sollen oder wie sie es ohne die Fassung zu verlieren, ihr Herz über die Lippen bringen sollen. Außerdem wollte jeder seine Gedanken für sich behalten.
 

„Dann beginnen wir jetzt“, sprach der Sargträger und entzündete eine Fackel.
 

Hinter ihm hörte Raphael wie Barbiel und die Ratsmitglieder ihre Positionen einnahmen und sich nieder knieten. Sie durften im Antlitz des brennenden Michaels nicht stehen bleiben. Würde jemand es wagen diese letzte Zeremonie zu stören oder Michaels Andenken zu entweihen, dann würde er sie persönlich mit seiner Windmagie zu Staub zerfallen lassen und sie Atom für Atom auseinander nehmen.
 

Nebenbei wurde Raphael gewahr wie sehr über ihm der Himmel rumorte. Vom Horizont hinter ihm bahnten sich dunkle Wolken an und Feuchtigkeit lag in der Luft. Offenbar hatte sich Jibril genauso wenig unter Kontrolle wie er selbst. Raphael massierte sich seine Schläfen, doch unterbrach es als sich die Sargträger Michael mit entzündeten Fackeln näherten. Aus jeder Himmelrichtung näherte sich jetzt ein Engel, vor sich eine große brennende Fackel in der Hand haltend. Keine einzige dieser Fackeln war mit Magie oder anderen Hilfsmitteln entfacht worden, sondern alle auf die gleiche altmodische Weise, in dem man trockenes Holz aneinander rieb.
 

Das Feuer musste so echt wie möglich sein, so nah wie möglich an dem von Michael heran kommen.
 

Sonst würde sich Michaels Geist nicht richtig lösen können oder seine Essenz des Elementes nicht aus seinem Körper entweichen können. Selbst Raphael wusste, dass es mehr als nur eine vage Theorie war, denn als Luzifer in seine alte Form zurück gekehrt war, hatte auch das Gefäß namens Sakuya Kira erst vollkommen zerbrechen und alles menschliche sterben müssen, um Luzifer die Freiheit zurück zu geben. In diesem Fall war es ähnlich, nur das Michaels Seele an einem anderen Ort war und nie wieder zurück kommen würde.
 

Jeder andere Engel würde vielleicht wiedergeboren werden, doch Michael war wie er selbst ein Element. Elemente starben nicht, trotz ihres Status als Engel. Sie waren nur die Manifestation dessen was auf Assiah im Übermaß vorhanden war. Der Schöpfer hatten ihnen nur vor Äonen Intelligenz und einen Gedanken geben, um sie zu Engeln zu machen.
 

Sie hatten alle gewusst, dass es im Falle ihres Todes keine Rückkehr gebe.
 

Menschen wurden wiedergeboren, um das Leben und Sterben aus Assiah in Balance zu halten. Engel kehrten hin und wieder zurück vom Tod, sofern ihre Seele an etwas gebunden war und sie sich einen neuen Körper aneignen, dessen DNA mit dem alten identisch war. Doch Elemente bleiben das was sie schon immer gewesen waren, egal welche Form sie nun hatten.
 

Die Elemente jedoch flossen von einem Aggregatzustand in den Nächsten und es gab kein Zurück. Es gab keinen Kreis, sondern nur den ewigen Weg nach vorne. Der verdammte Lauf der Zeit, an den die Elemente gebunden waren, als Ausgleich für ihre schreckliche Macht und der Kontrolle über die großen vier Urstoffe.
 

Das etwas von Michaels Geist überlebt hatte, wusste Raphael. Den Soldaten standen seine Ideale und Überzeugungen ins Gesicht geschrieben. Wortwörtlich in Meachuels Fall, ebenso wie bei den anderen Kriegern, die sich nach Michaels Vorbild ein Zeichen in die Haut gebrannt hatten.
 

Aber seine Persönlichkeit? Das, was ihn ausmachte?
 

Nein, das war unmöglich.
 

Dafür war der Zog des Todes und die Verlockung in seine wahre Form zurück zu kehren zu stark.
 

Ab der Unüberwindlichkeit des Todes konnten sie als Element in ihrer Natur nichts ausrichten. Das war der Preis dafür, dass sie theoretisch weiter und immer weiter existieren konnten. Weil Wind nicht sterben, sondern nur abflauen konnte. Warum Wasser lediglich versiegte und Erde bloß zerbrach, aber nicht verschwand. Feuer allerdings erlosch und Dunkelheit nahm seinen Platz ein.
 

„Engel des Himmels“, verkündete ein Fackelträger. „Macht euch bereit für das letzte Ereignis im Leben des großen Michael-samas.“
 

Etwas in Raphael schien seinen Magen mit scharfen Krallen zu packen und diese darin zu vergraben. Es war so heftig, dass er dachte, dass ihm wieder die Tränen kommen würden. Aber er konnte nichts dagegen tun. Gar nichts. Genauso wenig wie gegen die Schritte, die die Engel jetzt in Richtung Michael machten.
 

Alles in Raphael schrie, dass sie es nicht tun sollten.
 

Sie dürfen Michael nicht verletzten, rief Raphael entsetzt in seinen Gedanken und wollte nach vorne stürmen, die Krieger aufhalten.
 

Bevor er noch einen Schritt tun konnte, fühlte er wie ein starker, breiter Arm sich von hinten um seine Brust schlang und ihn aufhielt. Raphael stemmte sich dagegen, doch er kam nicht gegen die Kraft an, die ihn gefangen hielt. Stattdessen versuchte er sich loszureißen, aber es brachte auch nichts. Er wurde gegen Uriels Brust gepresst und der Erdengel musste nicht einmal seinen zweiten Arm dazunehmen. Das Gewicht auf Raphaels Brust war erdrückend.
 

„Raphael“, mahnte Uriel ihn. „Raphael, lass es sein.“
 

„Nein“, schrie Raphael heiser. „Sie dürfen Michael nichts tun. Sie dürfen ihn nicht verbrennen. Sie tun ihm weh!“
 

Trotzdem wurde Michaels Körper entzündet. Die Fackeln wurden gleichzeitig ausgestreckt.
 

Sie hielten ihre Fackeln gleichzeitig an den Körper und die Kleidung fing als erstes Feuer. Hell loderte sie auf, weil man Öl als Brandbeschleuniger benutzt hatte. Leder brannte so schwer, aber nun brachen die Flammen gen Himmel und erfassten nicht nur den Altar und Michaels Körper, sondern auch die vier Sargträger. Die Flammen lechzten nun nach Michaels Körper wie eine hungrige Horde, die rasend alles in einem riesigen Feuerball verschlang.
 

Auch die vier Sargträger, die gequält schrien und starben, weil sich keiner rührte, um ihnen zu helfen. Jeder starrte gebannt auf Michael und dachte sich, dass ein Tribut von vier Leben vielleicht angebracht war.
 

Denn Feuer war arglos. Es fraß alles, was es kriegen konnte. Es war immer hungrig und nie war es genug
 

„Nein“, rief Raphael verzweifelt und streckte die Arme nach Michael aus, um ihn aus dem Feuer zu ziehen. „Nein, Michael.“
 

Für ein kurzem Moment gewann Raphael an Boden, als er seine Beweglichkeit und kleinere Statur nutzte, um dem Griff zu entkommen. Aber genauso schnell ergriff Uriel ihn wieder und weigerte sich nun ihn loszulassen. Halb wurde sein Gesicht in Uriels Kleidung gedrückt, als der ihn zwang sich umzudrehen, damit er Michaels Einäscherung nicht mit ansehen konnte. An jedem anderen Tag hätte er diese Liebkosung nicht geduldet, sondern als erniedrigende Unterwerfung empfunden. In diesem Moment fühlte Raphael nur sanfte Berührungen und Spannung wich aus seinem Körper
 

Trotz dessen, dass Raphael seinen Widerstand aufgegeben hatte, blieben Uriels Arme wo sie waren. Finger strichen über seinen Nacken und tauchten unter seine Uniform, während sein Zopf wie eine Leine festgehalten wurde. Dies war nun weniger aus Vorsicht geschehen, sondern als Unterstützung.
 

Raphaels eigene Hände tauchen unter Uriels Mantel und suchten nach seinen Rippen, weil er nach dem Herzschlag fühlen musste. Nur die Versicherung, dass Uriel noch lebendig war, ließ Raphael den Fakt ertragen, dass Michael verbrannte.
 

Michael wird in die Flammen gerissen, dachte Raphael und versuchte diese Grausamkeit mit der Vereinigung des Gegensatzes von Himmel und Erde entgegenzuwirken.
 

Dennoch konnte Raphael fühlen wie etwas, dass ihn mit Michael verbunden hatte, vor Schmerz schrie. Das Ende einer Freundschaft. Alles was einmal an Michael lebendig gewesen war, wurde nun mit in den Strudel gezogen, der sich in den Flammen öffnete, als sie Michael fraßen. Schließlich verwandelten sie sich nach einer Ewigkeit dann zu schwarzem Rauch, der in den Himmel stieg und sich mit den dunklen Wolken traf, die vom Horizont her immer näher kamen.
 

Der Rauch und die restlichen Flammen verschluckten die untergehende Sonne am Horizont und hüllte die Krieger der Armee in ein feindliches Licht. Rot und gefährlich leuchteten die Tattoos als scheinbar einzige Lichtquelle in der hereinbrechenden Nacht. Meachuel stand der brennenden Leiche am Nächsten und für die Engel auf der anderen Seite wirkten seine Gesichtszeichnungen wie frische Narben, die man mit einem Brandeisen in seine Haut gedrückt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  VonArrcross
2012-06-21T14:25:33+00:00 21.06.2012 16:25
>>Wie lange würde er die Tränen zurückhalten können?<<
Diese Frage hatte ich mir damals auch gestellt. Wie lange würde ich das, was in mir mit aller Macht empor steigen wollte, zurück halten können?
Lange genug, war meine Antwort. Michael selbst, löscht die Trauer in mir.
Erneut sitze ich hämisch grinsend auf meinem Stuhl und stelle mir das Feuer vor. Das Feuer Namens Michael, welches sich nimmt was immer es zu erreichen vermag. Vier Engel sind eine angemessene Stärkung für den weiten Weg zum eigenen Urspung.

Für mich ist Michael nicht gestorben, er kehrt nur zu seinem Ursprung zurück. Damit ist er überall und zu jeder Zeit präsent. Die Wärme der Sonne, das Glühen des Feuers, die Macht der Lava. Michael wird zu dem woraus der Schöpfer ihn einst schuff.

Raphael jedoch scheint genau daran zu zerbrechen. Viel fehlt nicht mehr und von dem einst stolzen Raphael ist nichts mehr übrig, außer ein Körper. Ich wüsste auch nichts womit man das verhindern könnte. Und Azer wird es ganz sicher nicht sein.

Auf Jibril bin ich dagegen schon etwas sauer, ganz gleich welchen Status sie hat, Michaels Soldaten haben ein Recht darauf bei der Beerdigung ihrers Chefs dabei zu sein. Ganz gleich wie sie sich kleiden, immerhin gebären sie sich nicht wie sonst, sondern zeigen auf ihre stille Art ihren Respekt. Und bezüglich Raphaels kurzzeitigen Gedanken, so können die Männer nichts dafür, dass Michael eigene Verletzungen nicht für voll oder erst überhaupt nicht wahr nimmt. Michael ist quasi selbst Schuld an seinem Tod, so sehr es mich auch schmerzt dies zu sagen.

Ansonsten ist dieses Kapitel wirklich sehr gut geschrieben und das du die Beerdigung genau da vollziehen lässt, wo Luzifer geboren wurde, ist irgendwie geil. Diese Szene hat soviel Hohn, dass es weh tut und doch komme ich nicht drum herum zu sagen, dass es der einzig richtige Ort für die Zeremonie ist. Allerdings wollen mir keine Worte der Erklärung einfallen.

Sollte ich was vergessen haben, sei froh, wer weiß wie lange der Kommentar sonst noch geworden wäre. xD
Von: abgemeldet
2012-05-07T14:11:17+00:00 07.05.2012 16:11
Und jetzt ist er fort... Kein zurück.

Du hast die ganze Situation wirklich sehr gut dargestellt, denn ich konnte mir richtig gut vorstellen, was da passiert - so als ob ich dabei gewesen wäre.
Es ist aber auch einfach nur traurig.
Und Jibril sollte lieber dulden, wie sich die Engel vom Heer benehmen, denn diese erhalten ja wohl Michaels Wille am Leben, oder so... Hoff mal ist klar was ich damit meine^^
Rapahel tut mir einfach nur Leid, zum Glück ist ja Uriel da um irgendeine Kurzschlussreaktion zu verhindern. Denn das hätte ja richtig schief gehen können.
Der Ort wo Mika-chan verbrannt wird ist wirklich von Ironie geprägt... Dort wo Luzifel zu Luzifer wurde. Besser hätte man es nicht wählen können.

LG, Sunny



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