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Herz aus Stein

von

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Erdbeerbrei und Kartoffelgau

X. Erdbeerbrei und Kartoffelgau
 

Cedric spitzte die Ohren. Da unten sprach jemand… nicht jemand, Kunibert. Führte er etwa Ferngespräche von seinem Anschluss aus? Nein, das Telefon war im Arbeitszimmer, in dem nicht gearbeitet wurde, im Obergeschoss – und da war das lange Elend nicht gewesen. Wenn der nur einen Zeh auf seine Treppe stellte, dürfte die knirschen wie eine marode Hängebrücke, das hätte er wahrscheinlich mitbekommen.
 

„Hör zu! Ich kann hier jetzt nicht weg!“ schnauzte Kunibert auf Deutsch in sein Handy. „Nein… hör zu, ich muss wirklich über die Sache nachdenken. Uns beide. Du hast mir nicht gerade viel Grund in letzter Zeit gegeben, dir zu vertrauen – und ich bin nicht paranoid! … Zumindest Ehrlichkeit kann ich von dir erwarten! Oder sind dir meine Gefühle und meine Gesundheit so scheißegal, dass du lieber einfach alles leugnest, davon geht es aber nicht weg! … Jakob, ich bin nicht bescheuert! Erzähl das deiner Großmutter. Oder, lieber nicht, ich mag deine Großmutter… Ich weiß, das ist in letzter Zeit nicht so optimal mit uns gelaufen, und das ist gewiss nicht nur deine Schuld. Aber wir sollten uns darüber klar werden, was wir wollen. Ob wir „uns“ noch wollen. Aber – beides geht nicht. Entweder ich, oder du tobst durch die Betten, wenn dir das lieber ist, wenn es das ist, was du aktuell brauchst. Aber ich mache hier nicht einen auf gehörnten Idioten, vergiss es! Und ich bin mir gerade auch nicht sicher, wie ich überhaupt zu „uns“ noch stehe. Aber so, wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen! Werde dir klar, was du willst – und ich auch. Ich bin hier noch eine Weile… Nein, ich habe keinen Neuen! Und du bist auch nicht fett, hör gefälligst auf mit dieser Scheiße! Wie häufig soll ich dir das denn noch sagen! Oder fickst du deshalb rum?! Nimmst du mir das etwa nicht ab?! Was soll ich denn noch tun?!... Das ist doch überhaupt nicht das Kriterium!... Jakob, das bringt nichts, jetzt, am Telefon... Das haben wir doch alles schon durchgekaut… Nein, ich komme nicht nach Hause, um das zu klären, ich habe hier zu tun, und solange wir uns sowieso nur im Kreis drehen, bringt das wenig! … Okay, ich denke nach, du denkst nach, und dann sehen wir weiter… Jakob, bitte… Glaubst du etwa, mich macht das glücklich? Vier Jahre, Mann… Nein, ich will das nicht einfach wegwerfen, ich denke nur, dass es besser wäre, wenn wir jetzt erst einmal beide wieder einen klaren Kopf bekommen, ohne uns dabei in einer Endlosschleife zu zanken wie ein altes Ehepaar… Ja, mir tut es auch leid… Grüß deine Mutter…“
 

Cedric machte eine halbwegs elegante Kurve gen Küche, von wo ihm bereits verführerischer Kaffeeduft in die Nase drang. Kein Kaffee für ihn hatte der Arzt gesagt, Mist. Er ließ sich an den Frühstückstisch sinken. Als Kunibert forschen Schrittes kurz danach hinein gesaust kam, war eher er es, der sich erschrak. „Mo…Morgen“, stammelte er.
 

„Momorgen“, erwiderte Cedric. Kunibert sah ziemlich aufgewühlt aus. Das hatte man eben davon, wenn man einen auf schwules Eheglück machte, dieselben Scheiß-Probleme wie die Heten. Etienne und er waren da anders gewesen, wozu Eifersucht, wenn man gemeinsam spielen konnte, mit alles und jedem…? Aber fast jedes Spiel kannte Verlierer – und das waren nicht selten auch die Favoriten.
 

„Äh… Pfefferminztee?“ bot Kunibert an, brav auf Abstand bleibend.
 

Cedric murmelte zustimmend, obwohl ihm ein Kaffee bedeutend lieber gewesen wäre. Kunibert machte sich stumm ans Werk, dann trat er zurück, die dampfende Tasse auf der Theke hinterlassend.
 

Cedric sah ihn an, die Tasse, sich – und kam sich plötzlich wie ein ziemlicher Trottel vor. Dann wie ein Trottel von einem Trottel, dass er mit dem Gedanken spielte… dann wie der König der Trottel, dass er das schon wieder dachte…
 

Er räusperte sich. „Du kannst… äh… sie mir rüberbringen“, murmelte er.
 

„Danke, Euer Gnaden“, nuschelte Kunibert, schnappte sich die Tasse und schlurfte im betont zufälligen Schneckentempo damit zu ihm rüber, sie ihm mit spitzen Fingern auf die Ecke des Tisches stellend, als füttere er einen bissigen Tiger. Er trug heute Morgen ein verwaschenes T-Shirt mit Bedruck vom „Roskilde Rock-Festival“, schien nicht gerade ein Fan aserbaidschanischen Jazzes zu sein. Rasieren könnte er sich auch mal wieder, sonst würde ihn noch eine Crew Wikinger zwangsrekrutieren.
 

Cedric zwang sich zu einer halbwegs freundlichen Miene. „Ist schon okay!“ stellte er klar. „Es… geht.“
 

„Ich will nur keine Bissspuren in der Hand!“ zögerte Kunibert.
 

„Keine Panik, obwohl der Zahnarzt meine Beißerchen schon ganz ordentlich wieder hin bekommen hat“, beruhigte ihn Cedric halbherzig.
 

„Die sind unecht? Hab mich schon gewundert, warum die so gerade und weiß sind“, erwiderte Kunibert und ließ sich langsam auf den ihm gegenüber stehenden Stuhl möglichst weit weg von der Tischkante entfernt sinken.
 

„Wie nett. Nein, ohne die Wunder der modernen Zahnchirurgie sähe ich den Steinen jetzt wahrscheinlich deutlich ähnlicher. Ich habe mehr Metall und Kunststoff in der Fresse als ein durchschnittlicher Borg“, klärte Cedric ihn auf.
 

„Solange du keinen klingonischen Zahnanspitzer brauchst…“, erwiderte Kunibert. „Ich hab auch einen falschen Schneidezahn… eins der Pferde meiner Schwester“, erklärte er und tippte sich gegen den Übeltäter.
 

„Huftiere scheinen dich ja echt zu mögen“, entgegnete Cedric und pustete in seinen Tee.
 

„Oh, eigentlich schon, aber manchmal reagieren sie schreckhaft, wenn ich um die Ecke komme“, erläuterte Kunibert und nippte unter Cedrics neidischen Blicken an seiner Tasse.
 

„Die denken, du setzt sich auf sie drauf – und dann sind sie platt?“ vermutete Cedric.
 

Kunibert lachte ein wenig gequält. „Das trifft es wohl ganz gut. Sag mal… Ich würde gerne ein wenig arbeiten, das Babyfon hat ordentlich Reichweite und ich bleibe nah am Haus, wenn etwas ist, okay?“
 

„Mmm, sicher, ist ja dein Tag. Vielleicht setzte ich mich nachher auch raus, wenn es geht, auf die Steine direkt am Haus“, stellte er in Aussicht.
 

„Apropos widerspenstiges Viehzeug. Was ist eigentlich mit deinen Bienen…?“ fragte Kunibert etwas ängstlich.
 

„Die kommen allein klar“, meinte Cedric.
 

„Du bist doch sonst jeden Morgen…?“ fragte Kunibert verwirrt.
 

„Mmm, das hat andere Gründe. Außerdem bin ich allergisch“, entgegnete Cedric.
 

„Äh… okay. Du züchtest Bienen, obwohl du allergisch bist?“ fragte Kunibert verwundert, erhob sich und schnappte sich irgendetwas neben dem Kühlschrank. Der Geruch verriet, was es war: der verdammte Brei… Aber er hatte schon Hunger… Und nach Steak war ihm auch nicht gerade…
 

„Nur ein bisschen. Die haben meinem Großvater gehört, ich habe sie… geerbt. Da ist Honig von ihnen oben im Küchenschrank, kannst dich gerne bedienen, mir quillt das Zeug schon zu den Ohren raus. Habe sogar etwas davon im Internet verscherbelt, mit dem Postholservice ging das, um nicht endgültig dran zu ersticken“, erzählte Cedric. Komisches Gefühl mit jemandem zu reden… hier… beim Frühstück… der ihm Breilein kochte… konnte er schon mal üben fürs Altenheim… da wollte er aber eine Einzelzelle!
 

„Honig ist lecker und gesund – und gelb!“ dozierte Kunibert. „Danke, ich nehme mir. Und ich geh nachher zum Bäcker, dein Instant-Brot, nichts für ungut, ist ekelhaft. Soll ich noch was mitbringen?“
 

„Nein, Breilein ist aktuell schon okay. Aber nächstes Mal bitte Erdbeere“, forderte Cedric.
 

„Du magst Erdbeeren?“ wollte Kunibert wissen.
 

Von Etienne lecken… einst… „Lieber als Bananen“, antwortete er kurz.
 

Kunibert hielt inne, dann grinste er. „Rot steht dir aber nicht!“ behauptete er mit einem gewissen Mutwillen in der Stimme. „Darin siehst du aus wie eine Monstertomate voll Blattläuse!“
 

Cedric schluckte. So ein rotzfrecher…
 

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Kunibert erspähte ihn gegen Mittag in einigem Abstand auf einem der umgekippten, sonnenbeschienen Steine nahe dem Haus. Das Babyfon hatte ihn mutmaßen lassen, dass Cedric vormittags drinnen gelesen hatte, ab und an war neben dem Atmen auch ein Rascheln zu hören gewesen – oder ein Plätschern gefolgt von der Klospülung, aber leider kippte man gerade im Bad gerne um. Naja, auf öffentlichen Toiletten war da deutlich weniger Diskretion angesagt. Gesprochen hatte Cedric kein Wort, wäre auch eine arg einseitige Konversation gewesen. Jetzt lag er da, ausgerüstet mit Decke und Kopfkissen, in der Sonne und starrte über das Feld, über das er wahrscheinlich deutlich lieber gelaufen wäre. Ab und zu schien er einzunicken.
 

Gegen fünf näherte sich Kunibert ihm langsam. Cedric war wach und blickte ihm mit unbewegter Miene entgegen. „Soll ich ins Haus?“ fragte er ihn zögernd. „Damit du noch ein wenig allein hier sein kannst?“ Cedric nickte unmerklich, und er verdrückte sich. Es machte ihm nichts aus. Cedric war krank in mehr als einer Hinsicht. Während aus jeder Warze normalerweise ein Riesendrama gemacht wurde, wurde mit psychisch Kranken noch immer recht ruppig umgegangen. Sie galten als verrückt oder verweichlicht, weil man ihre Wunden nicht sah – oder sehen wollte. Und das, was Cedric hatte, war wahrscheinlich wie ein hochkompliziertes bösartiges Geschwulst, das fest mit ihm verwachsen war. Dennoch war Cedric nicht wirklich wahnsinnig, fand Kunibert – das, was er machte, hatte irgendwie durchaus Sinn und Ursachen. Einen anderen Sinn, aber Sinn. Er spähte über seine Schulter. Eine zarte Gestalt, übergossen von einem Meer von Sommersprossen und mit trotzigem Blick, provozierend, aber vielleicht auch für jemanden, der mit der wortwörtlichen Keule kam, ein leichtes Opfer. Cedrics Mutter hatte erahnen lassen, dass er aus einem Umfeld stammte, das auf Status und Kultiviertet viel gab, jedenfalls unter Ihresgleichen. Wie mochte es auf ihn gewirkt haben, wenn ihn irgendein Barbar wirklich geschlagen hatte und Schlimmeres? Cedric war, objektiv betrachtet, wirklich sehr hübsch. Zwar gar nicht sein Typ, aber einen „Typ“ wie Cedrics gab es wahrscheinlich gar nicht, und momentan bescherte ihm Jakob genug Kopfschmerzen - außerdem war er kein Hallodri, der immer die Antennen draußen hatte, aber Cedric mochte auf so manchen sehr anziehend gewirkt haben. Zu anziehend? So anziehend, dass ihm jemand seinen Willen aufgezwungen hatte? Für Frauen, denen das geschah, war es grauenhaft, aber bei Männern war es obendrein noch hochgradig tabuisiert und wurde als soziales Stigma wahrgenommen, auch in der sich so offen und tolerant wähnenden westlichen Gesellschaft. Als würden Männer immer die Sieger sein und immer oben liegen. Scheiß-Klischees. Aber welche Hilfe, welches Verständnis hatte man zu erwarten, wenn einem so etwas passiert war? Null, vermutlich. Man war nicht nur verletzt, gedemütigt, traumatisiert, sondern auch noch das Allerletzte, ein Schwächling, dem der Stempel aufgedrückt worden war, und, weil man seine Mannesehre nicht hatte verteidigen können – schuld. Egal, ob das totaler Schwachsinn war oder nicht. Auch ihn könnte man, groß hin oder her, von hinten niederschlagen, knebeln und fesseln und sonst was mit ihm machen – wer war davor schon sicher, wenn das wirklich einer mit einem tun wollte? Wer rechnete mit so etwas?
 

Er nicht. Und Cedric hatte das gewiss auch nicht getan. Und es wäre eine logische Erklärung für Cedrics Verhalten, ein immer wieder kehrendes Motiv in seinen Reaktionen. Wer hat Angst vorm großen Mann? Cedric. Der kleine, freche, hübsche Cedric. So sehr, dass er ihn unterm Bett, hinter jedem Stein, in jedem Geräusch, in der Dunkelheit – und in ihm - wähnte.
 

Und er war hier einfach so rein gelatscht…
 

Aber irgendetwas tat sich hier. Was ihn betraf, schien Cedrics zwischen Aggressivität und Fluchtinstinkt schwankende Panik langsam zu schmelzen, wenn sie auch sehr wohl noch vor sich hin köchelte. Er war hier rein marschiert in dieses Katastrophenszenario wie Hans im Glück. Und auch, als es sich abgezeichnet hatte, war er einfach weiter. Er war nicht Cedrics Vergangenheit, das schien diesem irgendwie langsam zu dämmern. Aber vielleicht war er der Stachel in seinem Fleisch, der ihn da etwas raus zerrte, weil er sich durch irgendeinen Zufall und sein verdammtes Bauchgefühl darin verhakt hatte.
 

Er wollte Abstand von Jakob - und die Steine wollte er auch. Nun, hier bekam er reichlich davon. Und etwas, um das er nicht gebeten hatte und das ihm auch ein wenig unheimlich war… aber er konnte hier etwas bewirken. Für einen völlig verstörten jungen Mann, der ihm auch nicht gerade herzlich begegnet war – aber wie hätte er auch. Hoffentlich irrte er da nicht, aber er war in üblicher Manier schon mittenrein geflutscht.
 

Und jetzt hatte er Cedric Kalteis am Hals, genauso wie der ihn.
 

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Die Sonne verschwand langsam hinter den Wipfeln der Bäume, der Mond zeichnete sich bereits als fahle Sichel ab und das ferne Summen der Bienen wurde immer schwächer, als Cedric sich etwas fröstelnd wieder aufraffte. Ihm ging es zwar nach wie vor ziemlich mau, aber er brauchte den freien Himmel über sich, keine Stadt, keine Mauern und Decken und Gedröhn und Gebrüll.
 

Kunibert war drinnen verschwunden, sortierte wahrscheinlich irgendetwas oder briet irgendwelche fettigen Köstlichkeiten, die der wahrscheinlich mit links wegsteckte, ohne anzudicken. Sein Freund schien da ja Komplexe zu haben, aber wer hätte die nicht neben so einem Bilderbuch-Hünen? Nun gut, er nicht. Zum einen war das nicht mehr seine Welt – zum anderen musste er sich gewiss vor einem wie dem nicht verstecken. Die ganze Pariser Szene war auf den Knien vor ihm gerobbt, und das nicht nur wegen seiner gelegentlichen Charme-Attacken, die er wie Köder oder Belohnungen verteilt hatte als seien sie Hunde. Waren sie in gewisser Weise für ihn ja auch gewesen.
 

Aber jetzt stand die Welt Kopf, schon allein beim Gedanken an Sex, Berührungen, bekam er Kotzkrämpfe, und der Bilderbuch-Hüne war nicht zum Ficken da, sondern zur Pflege. Echt wie im Altersheim. Er bewegte sich auch schon ganz wie ein Opa, so wie er hier voran schlurfte. Eines Tages würde er das auch sein, dann wären alle anderen längst tot oder vergessen. Irgendwann würde er abkratzen, und dann würde irgendwer viel später seine mumifizierte Leiche finden. Aber das konnte ihm dann auch scheißegal sein.
 

Es roch gut, als er eintrat. Ohne groß nachzudenken raffte er sich gen Küche auf. Ein weiträumiger Raum mit unverputzten Wänden aus pittoreskem Bruchstein, eigentlich für eine Großfamilie gedacht, den er technisch auf den neusten Stand hatte bringen lassen. Doch in diesem Format gab es keine Single-Küchen, eigentlich war viel zu viel von allem da. Ebenso wie von dem, das sich in seiner nie benutzten Auflaufform befand. Kunibert stand andachtsvoll vor ihrem qualmenden Inhalt und blickte hingerissen darauf hinab.
 

„Wasn das?“ fragte Cedric, dass der andere kurz zusammen zuckte. Himmel, war der schreckhaft – er war doch nicht der mit dem paranoiden Verfolgungswahn! Oder doch? Ach, Quatsch, der hatte nur schlechte Ohren und war etwas memmig. Oder vielleicht waren seine Ohren auch zu weit oben, um das, was unten vor sich ging, mit zu bekommen. Oder er verwechselte ihm in einem seiner eingebildeten Killerhamster, weil der für ihn dasselbe Format hätte…
 

„Kartoffelbreiauflauf mit Kapern, Muskat und mit Käse überbacken!“ verkündete Kunibert stolz.
 

Das Zeug war doch schon wieder gelb… langsam übertrieb der das wirklich… oder war das Zufall?
 

„Leicht verdaulich und super lecker!“ schwor er.
 

Was der wohl für „nicht gut verdaulich“ hielt? Ein kandiertes Kamel?
 

„Kannst du das schon essen? Ansonsten habe ich dir auch Erdbeerbreilein mitgebracht – lecker, lecker…“, lockte Kunibert.
 

„Nein! Kein Brei! Ich nehme diesen Kartoffelgau! Wo hast du denn kochen gelernt?“ fragte Cedric, sich auf seinen Stuhl am Esstisch senkend. Das waren alles seine Stühle, korrigierte er sich. Ein anderer war nur zeitweise anderweitig okkupiert.
 

„Papa“, erwiderte Kunibert.
 

„Dein Vater kocht…?“ bohrte Cedric in einem Anfall von Neugierde.
 

„Ja. Meine Mutter würde sich eher den Arm abhacken, das passt nicht in ihr emanzipatorisches Weltbild“, erklärte Kunibert und löffelte auf.
 

„Ist dein Vater… auch so ein Klopper wie du…?“ fragte Cedric, allmählich auf den Geschmack gekommen.
 

„Nö“, erwiderte Kunibert und servierte im Stil eines Schiffskochs, „mein Vater ist nur ein wenig größer als du. Ich komme nach meiner Mutter.“
 

Vor Cedrics innerem Auge erschien eine Walküre mit Flügelhelm, blonden Zöpfen wie Seilen und Kettenrüstungskleid. Da kochte man doch besser als Heten-Ehemann, statt sich mit der anzulegen… Wahrscheinlich hatte sie ihn mit gezogenem Schwert zum Jawort gezwungen, nachdem sie ihm auf einer Plündertour auf dem Rücken tragend verschleppt hatte…
 

„Wie… groß bist du eigentlich…?“ fragte Cedric vorsichtig.
 

„Ohne Stöckelschuhe eins siebenundneunzig“, erwiderte Kunibert und kramte nach Besteck. Der war mal sauber dreißig Zentimeter größer als er… jeder im Kino würde den hassen.
 

„Guten Appetit!“ verkündete Kunibert und machte sich über seine Ladung her, die auch für einen mittelgroßen Elefanten gelangt hätte. Kein Wunder, dass dieser Jakob gefrustet – und verfettet – war.
 

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Als Cedric nach dem Klogang ziemlich satt mit nach wie vor dröhnender Birne ins Wohnzimmer trat, hatte sich Kunibert bereits rund um den Kamin breit gemacht. Eine riesige, verwitterte Karte des Steinfeldes von anno Schnee lag vor ihm, sein Laptop surrte, und er starrte in sein grässliches Notizbuch.
 

„Wo ist der Stein hin? Wo ist der Stein hin?“ murmelte er weggetreten vor sich her.
 

Cedric kippte aufs Sofa und ließ ihn murmeln. War ein wenig wie die Bienen, auch wenn Kunibert ein ziemlich fetter Brummer war. Aber farblich kam das meist auch hin.
 

Mit dem Bild von Kunibert in schwarz-gelbem Biene Maja-Outfit wurde er zunehmend schläfrig. Er trat sich, hier konnte er kaum bleiben – und Marx und Engels wollten mit Rattenfutter für ihre Dienste entlohnt werden.



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