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Herz aus Stein

von

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Burg Kalteis

X. Burg Kalteis
 

Mit einem leichten Würgen in der Kehle versuchte Kunibert sein Bestes, sich auf die Straße zu konzentrieren. Cedric saß in der von ihm am weitesten entfernten Ecke der Rückbank und hielt eine Plastiktransportbox in der Hand, in der es entsetzlich rumorte. Der Herr der Steine, da saß er, die halbe Portion, ziemlich bleich um die Nase mit einem fetten Kopfverband und ins Leere starrenden Giftaugen. Trotz seines arg angeknacksten Zustands hatte er es sich nicht nehmen lassen, sich mit bezahnter Munition auszustatten. Cedric hatte schon vom Krankenhaus aus im Zooladen alles geordert, so dass die Verkäuferin ihnen einfach die Biester und Ausstattung ins Auto hatte reichen können, auch wenn die sich wahrscheinlich nicht schlecht gewundert hatte. Der Rest des Rücksitzes wurde vom neue erworbenen Käfig, einem Strohsack und Rattenspielzeug sowie –futter eingenommen. Das, was da raschelte, waren nach Cedrics Auskunft zwei Farbratten. Schon allein der Gedanke an diese ekelhaften fleischigen langen Schwänze… Hoffentlich büchsten die nicht aus! Cedric wirkte auf ihn auch nicht gerade wie der Heimtierkönig… Warum tat er sich das nochmal an? Ach ja, Cedric helfen… sich helfen zu lassen. Und Ratten waren eventuell besser als die Axt im Schädel, die Cedric schlimmstenfalls vielleicht auch zu bieten hatte… Nein, Cedric war nicht irre in dieser Form, er hatte bloß Angst… tausendmal mehr Angst vor den Schatten seiner Vergangenheit, als er vor den Ratten… und vor den Zeichen der Zukunft, die ihm auch noch seine Selbstbestimmung rauben wollten. Da konnte er auch mal diese grässlichen Viecher ertragen, wenn das Cedric ein wenig Sicherheit und Kontrolle vermittelte. Dennoch… Ratten! Trotzdem nicht besonders vernünftig – aber das war seine Faszination für die Hinterlassenschaften längst vergessener Kulturen auch nicht im landläufigen Verständnis. Und Cedric und die Steine… sie hingen irgendwie zusammen für ihn. Außerdem brachte ihn diese merkwürdige Erscheinung ein ums andere Mal zum Staunen, wie so etwas überhaupt möglich war. Cedric war wie eine Zeichnung von Escher – unglaublich detailreich, irgendwie surreal und nach den normalen Naturgesetzen eigentlich gar nicht möglich. Und bei Escher… gingen Treppen ins Leere, über Kopf, verschlangen sich illusorisch zu unmöglichen Kreisen, über die unermüdliche Armeen ziellos schlurften… so erschien ihm Cedric. Aber nichtsdestotrotz war er real, auch wenn er in seiner eigenen Welt zu leben schien. Ein Labyrinth ohne Eingang, ohne Ausgang, in das es ihn geworfen hatte. War er einmal gewesen wie seine kalte Mutter? Wer weiß… jetzt war er es nicht mehr.
 

Das Auto war voll beladen, er hatte eine billige Matratze besorgt, Gott sei Dank litt er nicht an Rückenproblemen, und Babyfone, ein paar Nahrungsmittel – Cedric war noch auf Schonkost. Es war gegen elf Uhr vormittags, als sie schließlich den Pfad zum Haus einschlugen.
 

Ein Auto, ein teurer dunkelblauer Mercedes, parkte bereits vor der verschlossenen Eingangspforte, die Cedric jetzt mit einer Fernsteuerung in seiner Tasche öffnete. Kunibert fuhr langsam hinein, fast hätte er erwartet, einen mit Drachen vollgestopften Burggraben zu Gesicht zu bekommen.
 

Als er ausstieg, hörte er, wie leichte Schritte sich näherten. Er drehte sich um und erkannte Madame Kalteis, auch heute ein Abbild gediegener Eleganz. Kunibert trat diskret zurück, ohne gänzlich zu verschwinden, während der angeschlagene Cedric mit der Rattenbox in den Händen auf die Beine kam. Es mochte zwar angebracht erscheinen, ihm zu helfen, aber ihn anzufassen eher nicht. Er musste schleunigst wieder ins Bett, ein ungünstiger Zeitpunkt für eine Konfrontation.
 

„Cedric, mein Liebling!“ sprach sie ihn an. Etwas Flehentliches lag in ihrer Stimme, so dass Kunibert sie fast doch wieder mochte. Völlig am Arsch vorbei ging ihr ihr Sprössling keineswegs.
 

„Nein!“ sagte er nur etwas kraftlos ohne sie direkt anzusehen. „Nein!“
 

Dann drehte er sich um und schleppte sich zur Eingangstür.
 

„Cedric, sei doch vernünftig! Du brauchst Hilfe! Lass dir helfen, bitte! Lass es heilen…“, versuchte sie, hilflos die schlanken Arme ausbreitend.
 

„Nein!“ wiederholte er nur, ohne sich umzudrehen. „Was war, war. Es gibt keinen Weg zurück. Lasst mich in Ruhe, wenn euch an mir gelegen ist. Es geht mit gut hier, begreift das endlich.“
 

„Und wer hilft dir jetzt? Der da etwa?“ wollte sie wissen und deutete nicht gerade herzlich auf Kunibert, der das elegant an sich abprallen ließ und stattdessen den hoch fliegenden Schwalben zuguckte.
 

„Ja“, antwortete Cedric kurz angebunden, während er begann, zittrig das Schloss zu öffnen.
 

„Das ist ein Fremder! Und deine eigene Familie verstößt du! Lernst du denn gar nicht aus deinen Fehlern?“ rief sie ihm hinterher.
 

Ganz kurz drehte er sich noch einmal um. „Du doch auch nicht“, erwiderte er nur, bevor er im Halbdunklen des Hauses verschwand.
 

Sie blieb wie angewurzelt stehen. Dann fuhr sie ruckartig zu Kunibert um. „Wenn Sie ihm etwas antun!“ zischte sie. „Bringe ich Sie um!“
 

Kunibert merkte, wie sich die Härchen an seinen Unterarmen aufstellten. Das meinte die bierernst. Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich weiß nicht, was hier geschehen ist“, sagte er langsam. „Und es geht mich auch nichts an. Ich will nur helfen. Und er lässt mich, zumindest ein bisschen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“
 

„Sie haben es auf sein Geld abgesehen!“ beschuldigte sie ihn.
 

War Cedric reich? Okay, ihm gehörte das Land, und er arbeitete auch nicht… „Ich bin kein armer Schlucker“, sagte er einigermaßen würdevoll, obwohl „reich“ auch etwas anderes war. Er brauchte ja auch nicht viel. „Und ich bin auch nicht sein neuer Freund, falls Sie das denken. Ich bin einfach nur… da.“
 

Sie fixierte ihn, dass Kunibert kurz überlegte, ob es jetzt angemessen sei, sich in Stein zu verwandeln. Vielleicht war das das Geheimnis der Steine… die Vorfahren der Kalteis‘ hatten hier Leute erstarren lassen, die ihnen nicht passten… Dann griff Sie in ihre exquisite Handtasche, zog etwas hervor. „Wenn etwas seien sollte… rufen Sie mich an!“ orderte sie, ihm ihre Visitenkarte in die Hand drückend.
 

Er nickte verhalten.
 

„Gnade Ihnen, wenn Sie meinem Sohn etwas antun. Er hat genug gelitten“, flüsterte sie, bevor sie sich grußlos fort drehte. Mit dem Grüßen schien es Familie Kalteis wirklich nicht so zu haben.
 

Er seufzte innerlich, leicht den Kopf schüttelnd, um wieder halbwegs klar zu sehen, dann schritt er langsam in Richtung der Eingangstür, während irgendwo hinter den Bäumen das Auto verschwand, das sich nach ziemlich vielen Pferdestärken anhörten. Die ließen sich offensichtlich auch nicht gerade lumpen.
 

Er trat ein und wurde fast von der grellen Beleuchtung geblendet. Cedrics Stromrechnung wollte er nicht haben, reichte wahrscheinlich für einen mittelgroßen Freizeitpark. Das Haus war in der Tat riesig, karg möbliert und vollgestopft mit Leuchtkörpern und Büchern. Schon allein das Wohnzimmer, in das er jetzt hinein linste, jede freie Wand war voll gepflastert mit Regalen, selbst auf dem Boden türmte es sich. Einen Fernseher gab es nicht, jedenfalls nicht hier. Cedric hatte Literatur studiert… aber sonderlich wählerisch schien er nicht zu sein. Das absonderlichste Zeug lag hier herum, kitschige Liebesschnulzen und Werke der Weltliteratur völlig wahllos übereinander getürmt. Es gab Bücher auf Französisch, Deutsch und Englisch, aber auch andere Sprachen tauchten ab und an auf, Italienisch, Spanisch… ob er das alles konnte? Das also trieb Cedric in den eigenen vier Wänden: Er hortete Bücher, eventuell las er sie sogar. Das würde er wohl schon noch erfahren.
 

„Groß… aber mein“, kommentierte Cedric und ließ sich aufs Sofa sinken. Er sah scheiße aus, die Stippvisite seiner Mama dürfte ihn auch nicht gerade aufgeheitert haben. Irgendwie konnte Kunibert sie auch verstehen. Es musste grässlich sein, so vom eigenen Kind zum Teufel gejagt zu werden. Gab Cedric ihr irgendeine Schuld? Oder konnte er einfach nichts und niemanden ertragen, der ihn an sein altes Leben erinnerte? Das würde natürlich erklären, warum er hier war – im Gegensatz zu Madame Kalteis.
 

„Soll ich dir… was holen?“ fragte er ein wenig planlos.
 

„Wasser“, seufzte Cedric. „Die Küche ist gleich gegenüber. Ich bin müde…“
 

„Dann bleib kurz sitzen, sammel dich und dann geh pennen, ich sortier solange meine Unterlagen hier drüben, ist das okay?“ fragte er ihn.
 

„Mmm“, murmelte Cedric. Er sah aus wie eine Marionette, der man die Fäden durchgesäbelt hatte und der mittlerweile fast alles egal war. So ungefähr dürfte er sich auch fühlen. „Kannst dir auch dein Zimmer einräumen…“
 

„Mmm, nachher, erst mal Ruhe“, antwortete Kunibert. Cedric hatte sein Schlafzimmer im ersten Stock, der für Kunibert tabu war, es sei denn, der Notfall trat ein. Wahrscheinlich würde ein solcher, via Babyfon ausgelöster Rettungseinsatz Kuniberts Ende bedeuten, eventuell hatte Cedric den Flur mit vietnamesischem Buschfallen vermient. Außerdem gab es noch so einen gruseligen Panik-Raum direkt im Flur. Aber ein Fremder erschien Cedric vertrauenserweckender als die eigene Sippe, erschreckend. Und es gab garantiert noch mehr davon als die Mutter…
 

„Ich bin oben… Muss erst den Rattenkäfig fertig machen“, murmelte Cedric und verschwand rumpelnd im Flur. Wenigstens waren die Viecher dann außer Hör- und Sichtweite. Widererwarten erschien Cedric kurz danach erneut im Wohnzimmer. Wollte der ihn kontrollieren? Nein… er schlich die Bücherreihen entlang, zog Bände heraus und setzte sich mit dem Stapel auf dem Schoss auf den Sessel ganz weit weg von Kunibert. Dort blieb er sitzen und starrte auf seine Beute. Eine weitere seiner Routinen?
 

Kunibert machte es sich im Schneidersitz auf dem Teppichboden bequem. Ein offener, von Fliesen gesäumter Kamin nahm die halbe Wand hinter ihm ein, wie es wie in Häusern wie diesen üblich war, aber er sah nicht so aus, als sei er in Betrieb. Dennoch war es recht warm hier, Cedric musste die Heizung laufen haben, aber nachts wurde es inzwischen ja auch durchaus kühl. Cedric mochte zwar alles technisch auf den neusten Stand gebracht haben, dennoch roch es leicht nach altem Gemäuer. Das also war Burg Kalteis – und der Drachen pennte gerade völlig erledigt weg und wahrscheinlich ganz und gar nicht freiwillig. Aber auch dem größten Ungetüm ging mal die Puste aus.
 

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Cedric fuhr hoch, sein Herz wummerte, sein Kopf schmerzte, und es hing ihm etwas in der Speiseröhre, das eine Etage weiter unten deutlich besser aufgehoben wäre. Er quetschte sich über die Sofalehne und ließ ihm seinen Willen. Jetzt kotzte er schon auf den eigenen Teppich wie so ein verkackter Stubentiger - wie diese ewig unschuldig-fies glotzenden Türkisch Angora-Biester seiner Mutter. Oh Gott, da war jemand, da war echt jemand, und es roch… nach Essen. Ihm wurde noch schlechter. Schnelle Tritte, die ein gehöriges Körpergewicht verhießen, näherten sich ihm. Lerchenfels… Kunibert… das war nur dieser Idiot… mit dem noch idiotischeren Namen… den hatte er sich aufgehalst… dass hatte man davon, wenn man sich zu einem Dachschaden noch einen weiteren davon holte, indem man gegen einen Stein klatschte… Der tobte jetzt hier herum… und er hatte ihn rein gelassen… war er von allen guten Geistern verlassen? Leider ja.
 

„Cedric?“ fragte der andere besorgt.
 

„Alles klar hier!“ krächzte er. „Mir war nur gerade nach ein wenig kotzen – und der Teppich konnte auch echt mal ein neues Muster vertragen…“
 

„Ich hol mal nen Eimer und nen Lappen“, erwiderte Kunibert pragmatisch und dampfte wieder ab. Okay… der wischte sein Erbrochenes weg… statt… Ja, ist ja gut! Er wusste ja selber, wie irrational seine Reaktionen waren und dass Kunibert ihm anscheinend wirklich nicht an die Gurgel – oder sonst wohin - wollte. Und dass es auf den anderen ungerecht wirken mochte, dessen bezichtigt zu werden, zu entschuldigen nur durch seine Macke. Und solange er selbst bei Sinnen war, mochte es gehen. Musste es gehen, denn bei so einer Nummer wie eben… wenn ein Vogel an die Scheibe donnerte… oder einfach nur so… Aber es war trotzdem zum Kotzen, auch im übertragenen Sinne.
 

„Äh… kannst du aufstehen… ich komm sonst nicht ran, ohne zu nah zu kommen?“ wurde er vom wieder erschienen und mit Putzkram aus seiner Küche beladenen Kunibert gefragt.
 

Ächzend schob er sich nach oben. Er war hier echt eingepennt, obwohl dieser Typ hier rumsprang, er musste wirklich total im Arsch sein. Die Welt wackelte ein wenig, aber sie kippte nicht erneut um. „Ich geh nach oben“, presste er hinaus.
 

„Babyfon steht angeschaltet auf dem Treppenabsatz“, wurde er informiert, während er sich wackelig hochstemmte.
 

„Okay. Das Zimmer am Ende des Gangs ist deins“, hechelte er irgendwie, bevor er sich an den Gewaltmarsch – oder eher Gewaltkriech – Richtung Bett machte.
 

Wonach roch das hier…? Irgendwie war er gleichzeitig hungrig wie geschüttelt vor Ekel vor etwas Essbaren. Irgendwie fettig…? Bratkartoffeln? Das wäre dem zuzutrauen…
 

Als er wieder zu sich kam, ging es ihm etwas besser. Draußen war es stockfinster, dieselbe nervige Eule wie immer schrie nahe des Hauses, so dass man sie sogar noch dumpf hier drinnen hören konnte. Das Zimmer war hell erleuchtet, das hatte er gerade noch geschafft, bevor er wieder umgefallen war. Auf dem Nachtisch blinkte das blöde Babyfon, aber auf genau dem Niveau bewegte er sich wahrscheinlich gerade physisch. Unten war es still. Kunibert schnarchte wahrscheinlich wie ein Holzfäller und träumte von Burgen und Drachen. Er rappelte sich auf und ging mit knurrendem Magen und irrem Durst hinab gen Küche. Auf dem Treppenabsatz stand ein Tablett. Eine Flasche Wasser und eine Schüssel mit etwas, das stark wie ein Babybrei aussah. Na, ganz großes Kino. Wollte der ihn verarschen? Ne… er war doch auf Schonkost… Und es war bestimmt bedeutend angenehmer, diesen Kram wieder auszukotzen als ein paar Spare Rips – wegzuwischen wahrscheinlich auch. Mühsam hob er es hoch. Es sah aus wie weißer Schleim, aber es roch nach Banane. Scherzkeks.
 

Als er seinen Durst gestillt und seine demütigende Mahlzeit in sich hinein gemümmelt hatte, legte er sich wieder aufs Bett. Er war dröhnig vom ständigen Liegen, nicht wirklich müde, eher döselig. Die Ratten schnarchten tief und fest. Toll, jetzt hatte er Haustiere. War ihm nie nach gewesen, aber diese hier hatten ja eine Funktion wie Drogensuchhunde oder Arbeitselefanten. Von der Bourgeoise geknechtet, wie sollte er sie nennen… Marx und Engels? Gewohnheitsmäßig griff er nebens Bett und hätte am liebsten laut gestöhnt, wenn das nicht so sinnlos und anstrengend gewesen wäre. Seine neuste Bücherlieferung von Ebay, die er mit sich nach oben geschleift hatte, eine wild zusammen gewürfelte Sammlung aus irgendeiner Haushaltauflösung. Und was lag oben? „Conan, der Barbar“! Nein Danke, davon hatte er schon live mehr als genug. Obwohl Kunibert kein Schwert schwang, sondern nur ein Vermessungsgerät, aber ein Schwert wäre bei ihm auch als passend durchgegangen. Und bei ihm? Eine Schleuder? Nein, wohl nicht, er war keine biblische Figur, jedenfalls keine besonders positiv besetzte. Er befand sich wahrscheinlich direkt neben Lots Frau in der Ecke für die Sünder, die das bekommen hatten, was sie verdienten. Dabei gab er auf den ganzen Kram herzlich wenig, dennoch fühlte es sich so an. Jetzt. Früher, solange er damit durchgekommen, weniger. Da war es lediglich ein Beweis dafür gewesen, dass man treiben konnte, was man wollte – und man schön blöd war, wenn man es aus irgendwelchen kleinkarierten Gründen ließ. Die kleinkarierten Gründe konnten ihn nach wie vor, aber irgendein atavistischer Impuls in ihm pochte unverdrossen darauf: Das ist deine Strafe! Schon die alten Griechen kannten die Hybris. Genug kamen damit durch. Er aber nicht. Er war einer von denen, von denen man nie dachte, dass man zu ihnen gehören würde: der, den es erwischt hatte. Der das, was in aller Augen genau das war, was er verdiente, bekommen hatte, wonach er geschrien hatte in seiner Arroganz und Überheblichkeit, Amoralität und auf alles scheißenden Kälte. Das hatten die, die ihm das verpasst hatten, auch gedacht. Wenn schon keine überirdische Macht eingriff, dann wenigstens sie, nach dem, was er mit ihnen veranstaltet hatte, ohne einen Deut darauf zu geben. Und dann hatte sich die Sache verselbständigt, weil er, gefesselt und verschleppt, immer noch nicht hatte das Maul halten können, ohne kapiert zu haben, dass es ihm sehr wohl trotzdem passieren konnte. Er war nur eine halbe Portion von nicht Mal einem Meter siebzig, bewegungsunfähig – und immer noch genau das, was sie hassten, gewesen. Hätte er wenigstens ein Mal die Klappe halten können, dann wäre er eventuell noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Aber nein, er doch nicht, warum auch, ihm konnte doch keiner was, er war doch Cedric Kalteis, bildhübsch, reich, gebildet und aus guter Familie – was konnten die ihm schon… Die Antwort kannte er jetzt. Einer der Punkte, die die Sache so unerträglich machten, war der, dass er das auch der eigenen Blödheit zu zuschreiben hatten. Klar konnte ihm ein Rudel muskelbepackter Kerle was nach den Gesetzen der Natur. Und die, so hatte er in seiner pseudo-Kultiviertheit vergessen, galten für jeden. War es jetzt genauso blöd, Schiss vor Kunibert zu haben, nur weil er auch so aussah – aber sich ihm gegenüber gar nicht so verhielt? Eher wie eins der Au pair-Mädchen, aber da endete die Ähnlichkeit recht rasch. Er war keiner seiner Ex-Stecher, und er warf ihm auch keine feuchten Blicke zu, das wäre auch das sofortige Ende aller Erträglichkeit. Der tat das einfach aus ziemlich ominösen Gründen.
 

Ob Kunibert laut kreischen würde, wenn er behauptete, die Ratten seien ausgebrochen, weil sie Hunger auf Zehen hätten…?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Fye-chan
2011-08-22T18:13:01+00:00 22.08.2011 20:13
Ui, ich habs grad durchgelesen und es hat mir den Familiengeburtstag versüßt! :) Ich hab leider grad gar keine Zeit n langes Kommi zu schreiben, aber zum nächsten Kapitel werde ich mich näher äußern, versprochen! ;)

Lass dir nur kurz gesagt sein, dass ich sehr begeistert bin von der Story und auch dem Schreibstil und äußerst gespannt wie es weitergeht! Und wies aussieht bist du ja immer fleißig am Hochladen :)

GlG, Fye
Von:  AzurSmoke
2011-08-16T17:51:10+00:00 16.08.2011 19:51
"Ob Kunibert laut kreischen würde, wenn er behauptete, die Ratten seien ausgebrochen, weil sie Hunger auf Zehen hätten…? "

also das ist jetzt ein ausgesprochen böser Gedanke :-) . Aber es stellt sich ja eh immer mehr heraus das Cedric früher kein sehr netter Mensch gewesen ist.


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