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Ragnarök

Captivated Light
von

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Der Dämon des Mondlichts

Während Luca immer weiter alleine in die Höhle hinein läuft, schaut sie besorgt zurück.

Offensichtlich hat Kirai den anderen Weg eingeschlagen, was bedeutet, dass sie jetzt auf sich alleine gestellt ist.

Plötzlich läuft sie gegen eine Person und schreckt zurück.

Das angerempelte Mädchen verzieht keine Miene.

Wer ist das, fragt Luca sich.

Die Fremde hat zu einem langen, braunen Zopf zusammengeflochtene braune Haare und trägt einen übergroßen, roten, chinesischen Turban, an dem ein gelbes Amulett befestigt ist.

In ihrer durch und durch in rot gehaltenen, antiken Kleidung wirkt sie wie aus dem letzten Jahrhundert.

„Entschuldigung“, sagt Luca verwirrt, aber als Antwort bekommt sie nur eine unerwartete Ohrfeige.

„Ah, was?!“, keucht sie, doch das Mädchen schubst sie auf den harten Boden und bückt sich ohne Vorwarnung über sie.

Die Acolyte versucht, sich zu befreien, aber dieses Mädchen ist zu stark.

„Was willst du von mir?!“, schreit Luca mit Tränen in den Augen.

Anstatt zu antworten, greift sie mit den Händen an den Hals der Unterlegenen.

Dabei bemerkt Luca, dass ihre Gegnerin irgendetwas in der rechten Hand halten muss, kann aber nicht genauer sagen, worum es sich handelt.

„Bitte...“, stöhnt sie leise, aber ohne Gnade fängt das Mädchen an, ihr den Hals zuzudrücken.

Luca zappelt und versucht, sich mit allen Mitteln zu wehren, aber ihre Körperkraft reicht nicht aus.

Aber so stark sieht dieses komische Mädchen doch gar nicht aus!

Irgendwas muss faul bei ihr sein!

Erst, als sie ihrer Gegnerin direkt ins Gesicht sieht, fallen ihr deren roten, blutunterlaufenen Augen auf.

So ist das also! Wenn Luca nicht ganz falsch liegt, dann ist sie auch ein Zombie!

Selbst wenn sie keine modrige Leiche oder klapperndes Skelett ist.

Mit letzter Kraft konzentriert die Acolyte sich, ignoriert die Schmerzen, hebt ihre Hände und keucht:

HEAL!“

Für den Bruchteil einer Sekunde erscheint weißes Licht um die Gegnerin herum und sie fällt quietschend zurück; dabei fällt ihr etwas aus der Hand.

Zitternd steht Luca auf und betrachtet das kleine Stück Stoff am Boden. Es scheint ein Amulett zu sein, und es ähnelt dem, welches das Zombiemädchen an ihrer Kopfbedeckung trägt, aber dieses hier ist nur eine abgerissene Hälfte.

Im nächsten Moment hört Luca ein „Nein, nicht das!“ und die mysteriöse Unbekannte greift hastig nach dem kleinen Objekt, das sie wie einen Schatz in den Händen hält.

„Das wirst du bezahlen...“, knurrt sie und funkelt Luca böse an, während sie eine Art Kampfhaltung einnimmt: „Du wirst es bereuen, dass ich wegen dir fast Bonguns Andenken verloren hätte.“

Momentan hat die Acolyte keine Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wer oder was Bongun sein könnte. Es macht ihr mehr Sorgen, dass dieses Mädchen auch nach ihrem Zauberspruch noch stehen kann.

HEAL!“, schreit sie, ohne noch mehr Zeit zu verlieren.

Wieder blitzt kurz ein weißes Licht auf, dass ihre Gegnerin dazu bringt, schmerzerfüllt aufzustöhnen. Doch sie fängt sich schnell wieder und kommt langsam auf Luca zu.

„Wie kann das sein?“, stottert diese verzweifelt; „Du bist doch ein Zombie...?“

„Ich heiße Munak!“, verkündet das Mädchen großspurig.

Sie hat eine unerwartet hohe Stimme.

„Und ich wurde geschickt, um dich zu töten!“, fährt sie fort.

Luca stockt der Atem: Was soll sie nur machen?

Weil ihr keine andere Idee kommt, fängt sie einfach an, so schnell sie kann vor Munak wegzulaufen.

„Du kannst mir nicht entkommen!“, piepst sie und nimmt die Verfolgung auf.
 

Misstrauisch betrachtet Kirai den fremden Jungen von oben bis unten.

Ihm fällt auf, dass ein zur Hälfte abgerissenes, gelbes Amulett an seinem Hut herunterhängt.

Ob das eine bestimme Bedeutung hat?

„Ich muss dich töten“, sagt der Junge, als sei es das normalste der Welt und neigt seinen Kopf leicht nach unten. Traurig betrachtet er ein rosafarbenes, mädchenhaftes Buch mit goldenem Schloss, das er verkrampft festhält.

Warum denn das? Kirai versucht, sich zusammen zu reißen, denn so stark sieht der Typ nicht aus.

„Ist das... ein Tagebuch?“, fragt er und hofft darauf, den Fremden von seiner Idee abzubringen.

Daraufhin drückt dieser es noch näher an sich.

„Das geht dich nichts an... Ich muss dich töten...“, wiederholt er.

„Nein, musst du nicht... Ähm, lass mich bitte gehen...“, erfragt Kirai hoffnungslos.

Nun wird der Junge laut: „Ich muss! Ich muss alles tun, was sie mir aufträgt. Ganz egal, ob ich Leute töten muss oder etwas stehlen...“

„Etwas stehlen?!“, entfährt es Kirai. Ihm kommt da ein bestimmter Gedanke.

Vor ihm steht ein Junge in komischen Klamotten, der für jemanden etwas stehlen muss oder musste.

Er kann nicht anders, er muss seinen Verdacht einfach äußern:

„Hast du... den Moonlight Dagger aus dem Palast des Stadtherren genommen?“

An dem erstaunten Blick des Jungen kann Kirai schon sehen, dass er richtig liegt: „Wo ist er?“

„Ich habe ihn nur abgeliefert. Ich habe kein Interesse an dem Ding“, erklärt er und nimmt eine dem Thief unbekannte Kampfposition ein.

Ich habe keine Wahl, ich muss gegen ihn kämpfen, macht dieser sich klar und hält seine Waffe drohend vor sich.

Eine Sekunde lang starren er und sein Gegner sich direkt in die Augen.

Dann führt der Fremde einen blitzschnelle Angriff mit der flachen Hand aus, der aus dem Nichts zu kommen scheint und eine solche Kraft besitzt, dass Kirai mit dem Rücken an die Wand kracht.

Er schreit vor Schmerz auf und versucht, so schnell wieder aufzustehen, wie er kann.

Mit einer solchen Wucht hätte er nie gerechnet.

Schwer atmend versucht er einen frontalen Angriff mit seinem Messer, doch der altmodisch gekleidete Junge streckt nur die Hände vor sich aus um der Attacke jegliche Schwungkraft zu nehmen.

„Wie machst du...?“, setzt Kirai an, doch bevor er zu Ende sprechen kann, hat er schon den Fuß seines Gegenübers in Bauch.

Ächzend fällt der Thief zu Boden.

Der ist zu stark, denkt er, als er an seinem höllisch schmerzenden Bauch fühlt, und seinem Rücken geht es auch nicht besser.

Mit angewidertem Blick tritt der Gegner immer näher an Kirai heran.

Er weiß, er muss es schaffen, aufzustehen, sonst ist er gleich mit ziemlicher Sicherheit tot.

„Geh weg“, hustet er und krabbelt zuerst auf allen Vieren, um sich von ihm zu entfernen, bevor es schafft, seinen Körper ganz hoch zu bekommen und so schnell er kann wegzulaufen.

Ein weiteres Mal wirft der Stehengelassene einen traurigen Blick auf das Tagebuch.

„Ich werde dich nicht im Stich lassen, Munak“, flüstert er, und läuft mit sprungartigen Schritten hinter dem Thief her.
 

Atemlos rennt Luca immer weiter durch die verworrene Höhle.

Langsam kann sie nicht mehr: Sie dreht sich um, Munak ist noch hinter ihr.

Wieso ist sie nur so abartig schnell? Sie hüpft mehr, als dass sie rennt!

Hoffend, dass der Abstand groß genug sei, hebt die Acolyte die Arme und richtet sie Munak entgegen.

HEAL!“, ruft sie keuchend.

Ein weißes Licht erscheint und verschwindet wieder.

„Autsch!“, klagt Munak, hört aber nicht auf, Luca zu folgen.

Diese lässt es auf noch einen Versuch ankommen: „HEAL!“

Wieder zeigt es nicht viel Wirkung.

Allerdings hat Luca nun das Problem, dass ihre Gegnerin Zeit hatte, aufzuholen und nur noch zwei Meter von ihr weg ist.

Schreiend rennt die Acolyte weiter, um ihr zu entkommen.

„Warum kippst du nicht um?!“, beschwert sie sich fassungslos; „Du kannst doch nicht noch toter sein als die bisherigen Zombies?!“

Munak gibt keine Antwort, sondern legt an Geschwindigkeit zu.

Als Luca das merkt, kreischt sie: „Neiiin, ich will noch nicht sterben! Lass mich in RUHE!!!“

Dass ihre Verfolgerin das nicht interessiert, hätte sie sich auch denken können.

Plötzlich vernimmt sie schnelle Schritte von vorne: Jemand kommt auf sie zu!

Und zwar nicht gerade langsam, es scheint sogar so, als würde die Person rennen.

Was soll Luca jetzt nur machen? Zurück kann sie ja nicht, weil Munak hinter ihr ist.

Sie wird keine andere Wahl haben, als an dem Gegner vorne vorbei zu rennen.

Beim Zombiemädchen hinter ihr könnte sie das nämlich vergessen.

Zuerst bekommt sie fast einen Schock, als die andere Person näher kommt und sie sieht, um wen es sich handelt: „Kirai?!“

„L-Luca!“ Der Thief rennt ihr entgegen und sie halten zeitgleich an.

Als das Mädchen sieht, dass er auch von jemandem verfolgt wird, dreht es sich schnell zu Munak um und stellt sich mit dem Rücken näher an dem von Kirai: „Wir sind umzingelt...!“

Kirai sieht das fremde Mädchen und ihm fällt ihre Ähnlichkeit mit dem Jungen auf.

„Gehört sie zu dir?“, fragt er den Unbekannten.

„Ich werde euch töten“, quietscht Munak und nimmt ihre Kampfpose ein.

So würde es ein Kampf zwei gegen zwei werden, aber Kirai ist schon so erschöpft!

Luca scheint es auch nicht besser zu gehen.

Die beiden Gegner kreisen sie ein.

„Hast du eingesehen, dass du nicht weglaufen kannst?“, fragt der fremde Junge überlegen.

Gleichzeitig ruft Munak: „Macht euch bereit, zu sterben!“

„Wie sollen wir denn wegrennen, wenn ihr uns einkreist?“, gibt Kirai als Gegenfrage zurück, um Zeit zu gewinnen.

„Ihr?“ Der Junge wird starr: „Ihr seid... eingekreist...?“

„Ja, natürlich!“, schreit Luca mit Tränen in den Augen.

„Mit wem sprecht ihr da die ganze Zeit?“, will Munak wissen und hüpft auf Luca zu, die ängstlich: „HEAL!“, ruft.

Das kurze weiße Leuchten erscheint, Munak keucht vor Schmerzen auf und fällt hin.

„Mit... mit dem Kerl da“, antwortet Kirai und zieht Luca etwas an sich.

„Was?“, fragt dieser und läuft an den beiden vorbei: „Hier ist niemand!“

„Da liegt sie doch“, jammert die Acolyte und geht etwas zurück, um Abstand zu den beiden Gegnern zu gewinnen.

„Sie? Dann ist hier... Munak? Munak, bist du hier? Hörst du mich! Munak!!“

Kirai versteht die Welt nicht mehr: „Sie sitzt doch direkt vor dir!“

In diesem Moment erhebt sich Munak und geht schnurstracks auf den Thief und die Acolyte zu: „Egal welche Tricks ihr noch versucht, ich werde euch töten!“

Sie hat vollkommen ignoriert, dass sie gerufen wurde.

Plötzlich wendet sich Luca an den Jungen: „Bist du, bist du Bongun?“

Verwirrt sieht er sie an, dann kommt auch er näher: „Das ist richtig. Woher weißt du das?“

Munak bleibt sofort stehen, als sie den Namen „Bongun“ hört.

„Bongun? Wo ist er?! Sag es mir, sofort!“, kreischt sie Luca an.

„Er steht doch neben dir!“, ruft die Acolyte angsterfüllt.

Kirai versteht langsam das Problem. Leise sagt er: „Es bringt nichts. Sie können sich gegenseitig nicht sehen oder hören...“

Luca ist geschockt: „Was machen wir jetzt?“

„Wir könnten versuchen, zwischen ihnen zu vermitteln...“, schlägt er vor.

„Bongun, bist du hier?“, Munak sieht sich überall um, und sie schaut genau an ihm vorbei, ohne es zu merken: „Bongun... Geht es dir gut? Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht!“

Er hört sie nicht.

Plötzlich erschüttert die Erde und beiden Abenteurer halten sich reflexartig aneinander fest.

Bongun und Munak, die beide zu Boden stürzen, müssten theoretisch aufeinander landen, doch stattdessen fallen sie einfach durch den anderen hindurch und bleiben getrennt am Boden liegen.

Neben Kirai tut sich ein gigantischer Riss in der Felswand auf, der immer größer wird, bis so schließlich ein Durchgang entsteht.

„Das ist unsere Chance!“, ruft er und läuft hinein, Luca hinterher.

Sie irren eine Zeit lang durch die Finsternis, glücklich darüber, den jeweils anderen an seiner Seite zu haben.

„Wir haben sie abgehängt“, sagt Kirai nach einiger Zeit.

Luca schweigt. Sie können nichts sehen, denn hier sind keine Fackeln, die die dunklen Gänge beleuchten.

Kirai geht mit stetigem Herzklopfen voran und erschreckt sich fast zu Tode, als er beinahe stolpert, weil er auf eine Stufe nach unten tritt, die er nicht sehen kann.

„Hier geht es runter“, warnt er die Acolyte. Diese erwidert nichts sondern kommt einfach mit.

Plötzlich erscheint vor ihnen eine kleine blaue, schwebende Flamme.

„Was ist das?“, fragt Luca neugierig.

„Keine Ahnung“, gibt Kirai ehrlich zu.

Die kleine Flamme schwebt vor ihnen die feuchte Steintreppe hinunter, sodass sie dem Licht folgen können. Nach scheinbar endlos vielen Stufen erreichen sie schließlich einen geradezu gigantischen Höhlenraum, der auch wieder durch sehr viele Fackeln beleuchtet wird.

„Schau dir das mal an, hier gibt es Bäume!“, wundert Luca sich und zeigt auf einen ganz und gar finsteren Baum, von denen hier überall ein paar herumstehen.

Das ist nicht das einzig komische.

Es fließt eine Art unterirdischer Fluss hier entlang, und hier und da stehen antike Schreine, Mauern, oder sogar mehr oder weniger zerstörte Häuser.

„Ist das hier ein Dorf?“, fragt Kirai.

Luca zuckt mit den Schultern.

Es sieht auf jeden Fall nicht so aus, als würde hier jemand leben.

Aber wie ein Dorf an so einen verlassenen Ort kommt...

„Einst war es eines...“

Zeitgleich mit der gespenstischen Stimme bläst für einen Moment ein kühler Wind, der Kirai einen kalten Schauder über den Rücken jagt.

Die kleine blaue Flamme springt in eine schattenhafte Gestalt vor ihnen, die immer klarer wird, bis schließlich eine Frau in einem orientalischen Kimono vor ihnen schwebt.

„Sie schwebt... Das ist...“, flüstert Kirai mit offenem Mund.

„Genau! Das ist die Frau, die ich in Payon gesehen habe!“, ruft Luca überzeugt.

Es besteht kein Zweifel daran.

Die schwebende Dame dreht sich um und haucht: „Folgt mir bitte...“

Kirai und Luca kommen der Bitte nach, denn offensichtlich ist die Fremde nicht feindlich gesinnt.

„Diese Ruinen hier waren einst ein Dorf, das viele hundert Jahre vor dem heutigen Payon existiert hat...“, erzählt die Unbekannte und öffnet die Tür von einem alten, kleinen Haus, das teilweise schon in Trümmern liegt.

Sie schwebt hinein und die beiden Jugendlichen kommen hinterher.

Die Frau erzählt weiter: „Doch irgendwann gab es einen Krieg, bei dem hier sehr viele Menschen ums Leben kamen. Ein großer Magier erschuf einen Berg um dieses Dorf, der all den Gestorbenen als Grab dienen sollte. Deshalb sind diese Ruinen vom heutigen Payon Cave eingeschlossen.“

Was diese seltsame Person da erzählt, es könnte nicht mehr als ein ausgedachtes Märchen sein.

Aber irgendwie fühlt Kirai, dass sie weiß, wovon sie redet.

Liegt es an ihrer Stimme? Man hat den Eindruck, sie ist selbst dabei gewesen.

Luca scheint den selben Gedankengang zu haben: „Entschuldigung... Wer seid Ihr?“

Das Innere des Hauses, das aus nicht mehr als einem Raum besteht, ist kurz mit Stille erfüllt.

Die schwebende Frau mit den langen, schwarzen Haaren und den orientalischen Haarschmuck befindet direkt vor der Wand und dreht sich jetzt langsam zu der Acolyte um.

„Ich heiße Sohee“, stellt sie sich vor; „Ich war Hohepriesterin in jenem antiken Dorf...“

„Was?“, staunt Luca. Auch Kirai kann es nicht glauben.

„Ihr fragt euch sicher, warum ich noch am Leben bin...“, sagt sie leise.

Richtig, genau diese Frage stellt man sich, wenn man etwas derartiges hört.

„Die Antwort ist einfach. Es ist der selbe Grund, warum Zombies hier in diesen Katakomben umher wandern. Moonlight Flower.“

Der Name sagt den Beiden nichts.

„Bitte setzt euch, ich möchte euch etwas erzählen“, fordert sie sie auf, und Kirai bemerkt, dass sich links von ihnen an einen kaputten Tisch zwei alte Sitzkissen befinden, auf die sie sich schließlich niederlassen.

Sohee gleitet langsam auf den Boden und geht vor ihnen in die Hocke.

„Moonlight Flower ist ein sehr altes, und sehr bösartiges Wesen. Sie gehört zu jenen, die ihre Seele dem Teufel verschrieben haben. Nachdem dieser Ort vor vielen Jahrhunderten durch den Magier in Finsternis gehüllt worden war, entschied Moonlight Flower sich, diesen Platz zu ihrem Hauptsitz zu deklarieren. Doch alleine hier wurde ihr schnell langweilig, und so machte sie die teilweise verwesten Körper der Menschen hier zu Zombies.“

„Aber warum“, unterbricht Luca sie; „Warum seid Ihr... Und Bongun und Munak... So anders?“

Eine berechtigte Frage. Während die ganzen hirnlosen, hässlichen Zombies und Skelette nur kämpfen und töten wollen, haben Sohee, Bongun und Munak abgesehen von ihrem Körper auch noch menschliche Gefühle und können sprechen.

„Das liegt daran...“ Sie seufzt; „All diese Zombies... Es sind nur ihre Körper, die Moonlight Flower für sich arbeiten lässt. Bei mir, Munak und Bongun ist es anders. Bei uns ist es die Seele, die keine Ruhe findet, und auch das ist die Schuld von Moonlight Flower.“

„Das ist ja schrecklich“, flüstert Luca.

Kirai fragt: „Warum finden eure Seelen denn keine Ruhe?“

„Bei mir liegt es daran, dass ich nicht ins Jenseits einkehren kann, solange ich mein silbernes Messer nicht zurück habe. Moonlight Flower hat es sich unter den Nagel gerissen.“

„Ein Messer aus Silber?“ Kirai runzelt die Stirn: „Klingt nicht gerade effektiv...“

Sohee hebt die Augenbrauen: „Es ist keine Waffe, sondern ein Symbol, das für Keuschheit und Sittsamkeit steht. Daran war ich mein ganzes irdisches Leben gebunden, und ich kann nicht sterben, bevor ich es nicht wieder in den Händen halte.“

Die Einstellung betrachtet Kirai zwar mit gemischten Gefühlen, aber anscheinend hat Sohee auch keine Wahl.

In dem Fall wäre die einzige Möglichkeit, ihr zu helfen, das Messer wieder zu bekommen.

Jetzt sind es schon zwei Messer, die in dieser finsteren Höhle gesucht werden...

Kirai schmunzelt.

„Und was ist mit Bongun und Munak? Ist ihnen auch etwas gestohlen worden?“, fragt Luca.

Sohee schweigt eine Weile: „Wie man es nimmt. Bongun und Munak waren damals Diener zu meinem Hofe, und sie waren beide ineinander verliebt. Doch sie wurden getötet, ehe sie es dem anderen jemals gestehen konnten.“

Sie senkt den Kopf: „Bis heute haben sie es schon so viele tausend Male durch die gesamte Höhle geschrien, aber sie können sich gegenseitig nicht wahrnehmen. Das liegt daran, dass Moonlight Flower, die ein Gefühl wie Liebe verabscheut, die beiden verflucht hat. Heute verspricht sie ihnen, dass sie einander wiedersehen werden, wenn sie das tun, was Moonlight Flower befiehlt.“

Kirai erinnert sich an das, was Bongun sagte: „Ich muss dich töten. Ich muss alles tun, was sie mir aufträgt.“

Jetzt ergibt auch dies einen Sinn, denn er hat zu der Zeit von Moonlight Flower gesprochen.

Sohee erzählt weiter: „Sie hat auch mich lange Zeit kontrolliert, indem sie versprach, mir mein Messer zu geben, wenn ich ihr stets gehorche. Aber ich habe es aufgegeben. Sie wird es mir nie zurückgeben. Sie hätte nichts davon, sie würde nur die Kontrolle verlieren.“

„Okay, wie wir dir helfen, ist klar“, überlegt Kirai laut; „Wir müssen bloß das Silbermesser zurück bekommen und dir geben. Das trifft sich gut, sie hat nämlich noch ein Messer, das ich gerne hätte. Aber was machen wir wegen Bongun und Munak?“

„Ihr wollt uns wirklich helfen? Ich wusste, ich habe mir die richtigen Leute ausgesucht.“

„Wann hast du uns ausgesucht?“, will Luca verwirrt wissen.

„Ich habe euch heute im Wald von Payon auf die Probe gestellt. Sowohl euer Herz, als auch euer Können habe ich getestet.“

„Dabei hätten wir sterben können“, wirft Kirai sauer ein, aber Sohees Gesichtsausdruck verändert sich nicht. Offenbar hat sie diese Möglichkeit ohne weiteres akzeptiert.

Er und Luca tauschen Blicke.

Trotzdem würden sie ihnen helfen. Es ist einfach das Richtige.

Sohee spricht weiter: „Wegen Bongun und Munak... Ist euch das Buch aufgefallen, dass Bongun stets dabei hat?“

Luca schüttelt den Kopf, aber Kirai sagt: „Ja, es war rosa, glaube ich, und sah aus wie ein Tagebuch.“

„So ist es. Er denkt, es sei Munaks Tagebuch, aber es ist in Wirklichkeit eine Fälschung. Das wahre Tagebuch von Munak hat Moonlight Flower versteckt und verzaubert. Wenn ihr es zerstört, können Bongun und Munak sich wieder wahrnehmen, und danach können sie einkehren.“

„Wenn sie es versteckt hat, wird es schwierig, es in so einer riesigen dunklen Höhle zu finden“, wirft Kirai ein, aber Sohee ist offensichtlich besser informiert: „Ich weiß, wo es ist. Doch ich komme nicht daran. Es ist noch tiefer unten, versteckt unter dem Schrein von Moonlight Flower.“

„Würdet Ihr uns dort hin führen?“, fragt Luca, und Sohee nickt.

„Aber ohne Troy wird es schwierig, dort unten zu überleben“, sagt Kirai nervös; „Vielleicht sollten wir hier auf ihn warten? Wir sind schon so tief vorgedrungen...“

Luca will schon zustimmen, da fällt Sohee ihr ins Wort: „Ihr sprecht von dem Ritter, oder?“

Beide nicken.

„Es ist unklar, ob er uns hier findet, wenn er noch am Leben ist“, haucht sie.

Kirai sagt nichts, aber er wird ganz sicher nicht davon ausgehen, dass Troy von den Skeletten getötet wurde. Er ist doch so stark! Allerdings ist er die ganze Zeit alleine...

„Er... lebt ganz sicher noch“, sagt er mit leiser, zitternder Stimme.

Luca legt ihre Hand auf seine Schulter: „Bestimmt. Er ist ein talentierter Kämpfer!“

„Ich verstehe“, sagt Sohee emotionslos und steht auf, um dann langsam über den Boden zu gleiten: „Wenn das so ist, werde ich ihn suchen und herbringen. Geht ihr schon mal hinunter.“

„Wer führt uns denn, wenn Ihr nicht bei uns seid?“, fragt Luca ängstlich.

Sohee faltet ihre Hände und murmelt: „Oh, Horong, deine Kraft erleuchte uns den Weg...“

Es erscheint die kleine, lilablaue, schwebende Flamme, die Kirai und Luca vorhin schon gesehen haben. Oder ist es eine andere?

„Folgt Horong. Er wird euch bis zum Schrein bringen.“

„Horong“ ist also der Name dieser kleinen Flamme. Ist sie etwa ein Lebewesen?

Still schwebt Sohee zur Tür. „Ich wünsche euch viel Glück“, sagt sie noch, ohne sich umzudrehen.

Dann verschwindet sie.

Auch Horong nähert sich der Tür, doch es verlässt das kleine Haus nicht sondern wartet geduldig auf die Abenteurer.

„Sollen wir auch gehen?“, fragt Kirai ängstlich.

„Ich weiß nicht, es wartet doch da unten ein böser Dämon auf uns“, erwidert Luca, der es nicht anders geht: „Lass uns... vorher noch etwas essen.“

Nun scheint ihr Hunger doch über ihre Angst triumphiert zu haben.

Der Thief stimmt zu und sie holen sich das in Payon gekaufte Proviant aus ihren Taschen.

Luca knabbert an aus Reiskuchen gefertigten Stangen und Kirai isst ein einfaches Brot.

Um ihren Durst zu stillen, teilen sie sich einen einfachen roten Trank, den es in vielen Geschäften zu kaufen gibt und der bekannt dafür ist, die Energie des Körpers wiederherzustellen.

Kirai muss immer an Troy denken. Hoffentlich geht es ihm gut...

Sie haben es ihm zu verdanken, dass sie jetzt noch am Leben sind. Er ist wirklich mutig...

Nachdem sie aufgegessen haben und sich von den bisherigen Strapazen erholt fühlen, verlassen sie schließlich das kleine Ruinenhaus.

Wohin sollen sie jetzt gehen? Sie können geradeaus, links, rechts, oder...

Die lilablaue Flamme macht durch wildes Umherkreisen auf sich aufmerksam.

Stimmt, denkt Kirai, sie müssen ihr nur folgen.

Horong führt sie mit seinem Licht durch das unheimliche Dorf, in dem sogar Bäume und Wasser nachtschwarz sind und wo jeden Moment ein Untoter aus dem Gebüsch springen könnte.

Die Acolyte hält sich dicht hinter den Thief, der selbst ziemlich nervös ist.

„Wie dieses Moonlight Flower-Ding wohl ist? Ein großes und böses Ungeheuer?“, spekuliert Luca. „Vermutlich...“, antwortet Kirai und verflucht sie innerlich dafür, dass sie ihm jetzt Angst macht; „Aber vielleicht auch nicht, immerhin müssen wir ja auch eine Chance gegen sie haben.“

Sohee wird sie schon nicht gegen einen gigantischen Drachen antreten lassen.

Trotzdem würde Kirai gerne wissen, was für ein Dämon es ist.

Sie heißt „Moonlight Flower“, also möglicherweise ein Pflanzenwesen?

Plötzlich ertönt ein Rascheln aus einem Strauch links von ihnen.

Kirai und Luca erstarren kurz, aber es passiert nichts weiter.

„Vielleicht sind wir besser still“, schlägt er vorsichtshalber vor und sie nickt.

Wenn sie Glück haben und sich ruhig verhalten, werden sie ja vielleicht nicht bemerkt.

Sie folgen Horong an Zäunen aus Stroh entlang und kommen sogar an einer Art Stadtmauer vorbei. Auf dem Weg fallen ihnen noch viele zerstörte Häuser auf, die nicht vom Zahn der Zeit verschont blieben.

„Was ist das?“, flüstert Luca plötzlich. Furcht liegt in ihrer Stimme.

Vor ihnen gleitet die kleine Flamme durch ein Tor, das noch tiefer nach unten führt.

Aber es ist kein normales Tor, es ist dem Maul eines Monsters nachempfunden.

Kirai findet das wirklich nicht lustig.

Dennoch, es ist nur ein altes Tor aus Stein, also gehen sie zögerlich hinein und wandern so leise sie können die Treppe hinunter.

Der Gang enthält keine Fackeln, weswegen sie jetzt einzig und allein auf das Licht von Horong angewiesen sind. Glücklicherweise bleibt das Flämmchen immer nur ein Stück weit vor ihnen.

Es wird immer kälter, je tiefer sie eindringen.

Schließlich kommen sie durch ein traditionelles, hölzernes Tor, und befinden sich ein weiteres Mal in einem schier gigantischen Höhlenraum.

Direkt neben ihnen ist ein Baum, doch ansonsten scheinen hier weniger Häuser zu stehen als oben.

Luca betrachtet nachdenklich den gruseligen Baum: „Wie kann es hier, wo nie die Sonne scheint, eigentlich Pflanzen geben...?“

Kirai zuckt mit den Schultern. Er versteht es auch nicht, aber eigentlich ist es ihm momentan auch ziemlich gleichgültig.

Plötzlich schwebt Horong nicht mehr weiter.

Zuerst sind die beiden Abenteurer überfragt, warum es sie nicht weiter führt, aber dann entdecken sie ungefähr zehn Meter vor sich zwei Skelettsoldaten, die den Pfad zu einem Hügel bewachen, der sonst ganz von einer Mauer aus Stein umgeben zu sein scheint.

Wie es aussieht, liegt dieser Hügel im Zentrum des Höhlenraums.

„Wir müssen wohl an denen vorbei, wenn wir zum Schrein wollen“, stellt Kirai fest.

„Wie stellen wir das an?“, fragt Luca ängstlich.

Er überlegt kurz: „Ich habe eine Idee. Falls es nicht funktioniert, mach dich bereit, deine Zauber einzusetzen.“

„Ähm, was hast du denn vor?“

Anstatt mit Worten zu antworten, schleicht er etwas nach vorne und hebt einen Stein vom Boden auf. Er atmet einmal tief durch, dann holt er weit aus und schleudert den Schrein nach vorne, wo er viele Meter weiter laut aufschlägt.

Die Skelette verlassen sofort ihren Posten um nachzuschauen, was das Geräusch verursacht haben könnte. In der Dunkelheit konnten sie den Stein, der über ihnen an ihnen vorbei geflogen ist, wohl nicht sehen.

Nun ist klar, was zu tun ist.

Ohne etwas zu sagen schleichen Kirai und Luca nach vorne und eilen durch das offene Tor, bevor dessen Wachen zurück gekehrt sind.

Jetzt bemühen sie sich erst recht, leise zu sein.

Es gibt kein Zurück mehr.

Das Innere der Mauer ist durch eine weitere Mauer geschützt, dessen Tor dieses Mal glücklicherweise nicht bewacht wird.

Kirai und Luca nutzen die Gunst der Stunde und huschen hindurch.

Nun schleichen sie direkt am Hügel entlang, bis sie an eine Treppe kommen.

„Da müssen wir hoch. Bist du bereit?“, fragt Kirai Luca prüfend.

„Nein“, antwortet diese ängstlich.

„Okay“, erwidert er und geht los. Beide rennen so schnell sie können die Treppe hoch, Kirai zieht kampfbereit seinen Damascus, Luca ihren Streitkolben.

Nur leider ist hier oben niemand.

Nervös schaut der Thief sich um. Er fühlt, wie ihm der Schweiß die Stirn runter läuft.

Hier, auf dem Hügel, haben wir ein paar Häuser am Rand und im Zentrum eine große Steinstatue.

Sie stellt einen Mann dar, der in einer etwas merkwürdigen Position auf einem Sockel hockt.

Desweiteren stehen noch ein paar Bäume und Büsche herum, aber alles in allem nichts Auffälliges.

Erleichtert steckt Kirai seine Waffe weg und Luca tut dasselbe.

Verwirrt untersucht sie die Statue: „Sind wir hier falsch? Oder soll das hier der Schrein sein?“

Wenn ja, müsste sich das Tagebuch hier befinden.

Sie schauen sich überall um, können es jedoch nicht finden.

Plötzlich ertönt ein langer, schallender Klang.

„Was war das?!“ Kirai erschreckt sich beinahe zu Tode.

„Klingt wie eine Glocke...“, vermutet Luca und wird sichtlich nervös.

„Versuchen wir, sie zu ignorieren. Wir sollten weiter suchen“, schlägt der Thief vor.

Immerhin suchen sie das Tagebuch, das Silbermesser, und den Moonlight Dagger.

Doch nichts davon scheint hier zu sein.

„Wir sind hier falsch“, seufzt er kopfschüttelnd und will schon wieder gehen, doch dann sieht er drei Skelettsoldaten, die auf sie zukommen.

„Scheiße! Wo kommen die denn her?“, flucht er und zieht sein Messer.

Luca sieht sich hilfesuchend um: „Kirai, warte! Lass uns auf die Statue klettern!“

Sie haben keine Zeit zum diskutieren, also erklimmen sie gemeinsam die Schultern der Statue.

Die Skelettsoldaten scheinen nicht in der Lage zum Klettern zu sein, also tummeln sie sich nun um die Statue herum und halten ihre Klingen in die Höhe.

Luca streckt ihre Hände aus: „HEAL!“

Das erste Skelett fällt auseinander.

Die Acolyte wiederholt ihren Zauberspruch für die anderen Feinde, bis keiner von ihnen mehr übrig ist. Dann hüpft sie zufrieden hinunter und wischt sich den Schweiß von der Stirn.

Es muss anstrengend sein, so viele Zauber hintereinander zu wirken.

Auch Kirai klettert herunter: „Das hast du toll gemacht! Gegen diese schmutzigen Untoten sind wir gerüstet!“

Geschmeichelt schaut sie mit den Händen hinter dem Rücken zu Boden: „Ach... das... das kann doch jeder, hm...?“

Er lacht. Seine Angst ist nach dem, was er eben gesehen hat, auf die Hälfte gesunken.

Jetzt wird Luca aber wieder ernst: „Meine Zaubersprüche helfen aber nur gegen Zombies, und so wie ich das verstanden habe, ist Moonlight Flower kein Zombie.“

„Da liegst du vollkommen richtig“, höhnt eine unbekannte Mädchenstimme aus der Dunkelheit.

Erschrocken drehen die beiden sich um. Einige Meter hinter ihnen steht eine Person.

„Moonlight Flower?“, fragt Kirai in die Dunkelheit herein und zieht seine Waffe.

Die Person kommt näher. Sie ist nichts besonders groß, etwas kleiner als Kirai oder Luca.

Nun tritt sie in das Licht der Fackel, sodass man sie richtig sehen kann.

„Richtig, die bin ich!“

Kirai und Luca klappt beinahe der Kinnladen runter.

Moonlight Flower ist ein kleines blondes Mädchen mit recht kurzen Haaren, das das Kopffell eines Fuchses als Kopfbedeckung trägt. Ansonsten ist sie fast nackt, sie hat zwei helle Bänder aus Fell um ihren Körper gewickelt, um ihren kindlichen Busen zu verdecken und trägt knuffige Handschuhe, die der Farbe nach zu urteilen ebenfalls aus dem Fell eines Fuchses stammen.

So hatten sie sich Moonlight Flower definitiv nicht vorgestellt.

Besonders Luca scheint sie nicht weiter ernst zu nehmen und stürmt mit offenen Armen auf sie zu: „Oh wie süüüüß!!!“

Kirai bemerkt zwei Dinge, die ihn beunruhigen, zum einen die blutroten Augen von Moonlight Flower, zum anderen die goldene Glocke, die sie an einer Stange befestigt auf der Schulter trägt.

„Ähm, Luca, warte!!“, ruft er, doch es ist zu spät.

Moonlight Flower schwingt Luca blitzschnell die Glocke entgegen: Wenn sie getroffen wird, dann...

Doch es kommt nicht dazu.

Horong springt hinter einem Baum hervor und wirft sich gegen die Glocke, was sie abbremst.

Die kleine lilablaue Flamme löst sich daraufhin in ein paar Schwaden Rauch auf.

Schreiend rennt Luca zurück zu Kirai, der seinen Damascus krampfhaft festhält.

„Es hat sich für mich geopfert“, sagt sie traurig, doch er erwidert nichts.

Ehrlich, sie hat Glück, dass sie noch am Leben ist.

Wenn Moonlight Flower eine Glocke, die größer und schwerer als sie selbst ist, so problemlos durch die Luft schwingen kann, muss sie enorme Körperkräfte haben.

Nein, er würde sie nicht unterschätzen, nur weil sie so lächerlich gekleidet ist.

„Ich muss zugeben, ihr seid ganz schön taff! Ihr habt es echt bis hier rein geschafft! Glückwunsch!“ Sie grinst die beiden glücklich an.

„Eure Belohnung für das Erreichen meines Zuhauses soll sein... der Tod!“

Eins muss man ihr lassen – sie weiß, wie sie Kirai Angst macht.

Aber er wird sie besiegen müssen, da führt kein Weg dran vorbei.

Er nickt Luca zu, die verstehend ihre Hände auf ihn richtet, die Augen schließt und „BLESSING!“ ruft. Zwei transparente Engelchen erscheinen über Kirais Kopf und tänzeln dort ein paar Sekunden.

„Geh in Deckung“, sagt er zu Luca, die sich daraufhin hinter der Statue versteckt.

Moonlight Flower macht einen überraschend großen Sprung und landet direkt vor Kirai.

„Was...?“

Es bleibt ihm keine Zeit, offensiv zu werden, er hüpft geschickt rückwärts, um nicht von der Glocke getroffen zu werden, die ihm um die Ohren gehauen wird.

„Du willst dich mit mir anlegen? Geh lieber mit Puppen spielen!“, spottet sie.

„Jungs spielen nicht mit Puppen!“, antwortet er zornig.

Sie will ihn doch schon umbringen, muss sie sich da auch noch über ihn lustig machen?

„Ha ha ha ha!“

Warum lacht sie nun so komisch?

Die Dämonin rammt die Stange, an der ihre goldene Glocke befestigt ist, kurzerhand in die Erde.

Dann verpasst sie der Glocke einen kunstvollen Hieb und sie läutet mit einem ohrenbetäubenden Klang.

Luca hält sich die Ohren zu, aber Kirai lässt seine Hände nicht von seiner Waffe.

„Jetzt reicht es aber!“

Hinter Moonlight Flower erscheint ein junger Mann, der sie mit einem schnellen Schwerthieb attackiert. Nicht schnell genug, denn sie springt einfach zur Seite, um auszuweichen.

„Troy!“, rufen Kirai und Luca gleichzeitig.

Er lebt also wirklich noch! Nun sind sie gerettet!

Das ernste Gesicht des Ritters lockert sich ein wenig, als er seine Gefährten erblickt: „Euch geht es gut. So ein Glück.“

„Aber nicht mehr lange“, kichert Moonlight Flower, die jetzt auf dem Dach eines der Häuser sitzt und ihre Beine sorglos herunter baumeln lässt.

Wie ist sie nur so schnell da hoch gekommen?

Plötzlich ist aus allen Ecken ein Knurren zu hören.

Aus den Schatten nähern sich wilde Tiere auf vier Pfoten...

Luca steht schon bereit, um wieder auf die Statue zu klettern: „Wölfe...?“

Ein weiteres Mal bricht Moonlight Flower in Gelächter aus: „Nein, keine Wölfe! Viel, viel schlimmer! Füchse!“

Füchse? Seit wann sind Füchse gefährlicher als Wölfe?

Es werden definitiv keine gewöhnlichen Füchse sein.

„Vorsicht! Nine Tails!“, warnt Troy und läuft auf Kirai zu, der ihn nur verwirrt ansieht.

Nine Tails...?“

Doch dann bemerkt es es selbst.

Die schlanken, goldbraunen Füchse, die sich den Abenteurern auf leisen Pfoten nähern, haben allesamt neun Schwänze. Aber was hat das zu bedeuten?

Eines der mystischen Tiere springt auf Luca zu, die sofort um Hilfe ruft.

BASH!“, brüllt Troy und verpasst dem Nine Tail einen heftigen Schwerthieb, der so stark ist, dass es jaulend zu Boden geschleudert wird.

Anscheinend fühlen sich die anderen Füchse nun sehr provoziert, jeder von ihnen springt auf die Abenteurer zu.

INCREASE AGILITY!“, keucht Luca, um Troys Schnelligkeit zu erhöhen, dank welcher er zwei Angriffe gleichzeitig mit seinem Schwert parieren kann.

Leider bemerkt sie so das Nine Tail, von dem sie selbst bedrängt wird, zu spät.

„Aaaaah!!“, kreischt sie.

Es hat sie zu Boden gerissen und offenbart nun eine Pranke mit spitzen, gefährlichen Krallen.

Moonlight Flower, die sich das Getümmel wie von einem Logenplatz aus ansieht, kommt aus dem Gelächter nicht mehr heraus.

„Luca!!“ Kirai will zu ihr hinlaufen, doch auch ihm stellt sich ein Nine Tail in den Weg.

„Verdammt!“ Er dreht sich um und läuft los, um ihm zu entkommen.

„Nein“, jammert Luca mit Tränen in den Augen.

Doch dann sieht sie etwas vom Himmel fallen, ein weiter, offener Kimono, der auf dem Nine Tail landet und es darin einhüllt.

Über ihr schwebt Sohee, und nimmt ihre Hand, um sie ihn Sicherheit zu bringen.

Moonlight Flower steht auf, als sie das schöne Wesen mit dem orientalischen Haarschmuck und dem traditionellen Kimono erblickt.

„Sohee... Du hast mich also betrogen...“

Die Schwebende setzt Luca auf dem Dach des Hauses ab, das gegenüber dem steht, auf dem Moonlight Flower sich gerade befindet, und wendet sich dieser zu.

„Nein, du bist es, die mich betrogen hat.“

„Tja, wenn du immer das tust, was ich dir sage, würde ich dir dein geliebtes Silbermesser zurückgeben, aber...“

„Halt den Mund!“, ruft Sohee plötzlich.

Sie ist nicht länger emotionslos; Wut liegt in ihrem Gesicht und Verzweiflung in ihrer Stimme: „Du hättest es mir niemals zurück gegeben! Du hättest mich eher auf alle Ewigkeit leiden lassen!“

Die Dämonin grinst tückisch.

Kirai ist währenddessen bis zu einem der kaputten Häuser gelaufen.

Kann er da rein fliehen? Er versucht die Tür zu öffnen, aber sie klemmt: „Nein!!“

Das Nine Tail springt auf ihn zu und wirft ihn zu Boden.

Dann zeigt es sein unnatürlich großes Gebiss und will ihn zu Tode beißen, aber plötzlich regt es sich nicht mehr. Kirais Herz schlägt so schnell, dass ihm schwindlig wird.

Es bewegt sich nicht mehr... Warum?

Egal, er nutzt die Chance und wirft den Fuchs runter von sich, da bemerkt er, dass diesem ein langes Wurfmesser mit hellgrünem Griff im Rücken steckt.

So muss das Nine Tail noch gerade rechtzeitig getötet worden sein. Aber wer war das?

Kirai verschwendet keinen Gedanken mehr daran und rennt zurück zu den Anderen.

Er ist erleichtert, als er sieht, dass Luca wohlauf ist.

Sohee schwebt bei ihr auf einem Dach, und Moonlight Flower steht auf dem Dach gegenüber.

Sie greift nach ihrer Glocke: „Du weißt, dass du keine Chance hast...“

Troy erledigt das letzte noch lebende Nine Tail mit seinem Schwert.

Erschöpft sieht er nach oben.

„Seid vorsichtig wegen der Glocke, damit kann sie Verstärkung rufen“, erklärt Sohee den Gefährten, doch Moonlight Flower nutzt diesen unaufmerksamen Moment von ihr und springt blitzschnell rüber auf ihr Dach.

Die Stange nimmt sie in beide Hände und schlägt Sohee mit der Glocke daran, wodurch sie stöhnend vom Dach fällt und auf den Boden kracht.

„Nein, Sohee!“, ruft Luca besorgt und ängstlich.

Jetzt steht sie alleine mit der lachenden Dämonin auf dem Dach.

Für Kirai und Troy ist es unmöglich, sie zu erreichen.

„Schnell! Spring runter von dem Haus!“, rät der Knight.

Es sind zwar nicht mehr als zwei Meter, doch sie traut sich trotzdem nicht, runter zu springen.

Moonlight Flower holt schon mit ihrer Glocke aus, da hüpft jemand, als sei es das Einfachste der Welt, von unten auf das Dach des kleinen Hauses.

Ein Junge in antiker, blauer Kleidung mit einem kurzen Zopf.

„Bongun!“

Er blockt die Attacke mit seinen Händen ab, sodass die Glocke zurückprallt.

„Was?!“, faucht Moonlight Flower erstaunt; „Du auch? Willst du Munak nicht wiedersehen?“

„Doch“, sagt Bongun und stellt sich schützend vor Luca: „Mehr als alles andere in meinem Leben will ich das. Aber du... du... du...“

Sie grinst: „Ach komm. Lehn dich doch nicht auf, du süßer Idiot. Du weißt doch ganz genau, dass du auf mich angewiesen bist, wenn du sie je in deinen Armen halten willst...“

Bongun senkt den Kopf.

Plötzlich hüpft auf der anderen Seite wieder jemand elegant hoch: Es ist Munak.

„Töten!“, quietscht sie und stellt sich Moonlight Flower entgegen: „Dich werde ich töten! Für Bongun, den ich so sehr liebe!“

Dieser lässt weiterhin den Kopf hängen und murmelt: „Munak... Was soll ich tun? Ich will dich doch nur wiedersehen...“

Das darf nicht wahr sein! Sie stehen direkt nebeneinander!

„Bongun!“, schreit Luca mit aller Kraft; „Sie steht neben dir! Munak ist hier! Sie wird gegen Moonlight Flower kämpfen!“

Munak dreht sich erschrocken um: „Bongun? Bongun ist hier?!“

„Was? Munak wird gegen sie kämpfen? Ich muss ihr helfen!“, sagt Bongun entschlossen und im selben Moment wenden sie sich wieder zu Moonlight Flower.

„Ich kann ihn nicht sehen.“ „Ich kann sie nicht sehen...“

Sie nehmen beide ihre Kampfposen ein: „Aber gemeinsam werden wir dich besiegen!“

Luca rutscht so weit nach hinten, wie sie kann.

Die beiden Untoten greifen die Dämonin mit ihrem antiken Kampfstil an, der sie sogar zum Ausweichen zwingt. Mit zwei gleichzeitig wird sie wohl doch nicht so leicht fertig.

Sohee versucht, aufzustehen, ist jedoch zu schwach dafür: „Das Buch... Das Buch ist in der Schublade am Schrein!“

Kirai geht an die Statue heran und schaut sie sich nochmal an.

Was für eine Schublade?

Er bemerkt die Symbole auf dem Sockel, die Schneeflocken ähneln. Bei näherer Betrachtung fällt ihm auf, dass es Einkerbungen sind, an denen man in der Tat eine Schublade herausziehen kann.

In dieser liegt ein Tagebuch, das fast genau so aussieht, wie das, das Bongun bei sich trägt, doch dieses hier ist blau und nicht rosa.

Mehr liegt leider nicht in der Schublade, doch er greift sich das Buch schnell heraus und ruft: „Habe es! Wie zerstöre ich es am besten?!“

Moonlight Flower dreht sich um und unterbricht ihren Kampf.

Sauer springt sie vom Dach und rennt zu Kirai, doch Sohee stellt sich ihr in den Weg.

„Verschwinde!“, ruft das kleine Monster, doch die geisterhafte Frau schüttelt den Kopf.

Troy reißt währenddessen Kirai das Buch aus der Hand, wirft es zu Boden und rammt seine Klinge hinein.

Dann schreit er: „MAGNUM BREAK!“

Flammen umgeben sowohl die Klinge als auch den Ritter und verbrennen das Tagebuch in Sekundenschnelle zu einem Häufchen Asche.

„Nein!! Was hast du getan?!“, kreischt Moonlight Flower.

Alle schauen gespannt auf das Dach: Bongun und Munak stehen sich erstarrt gegenüber und schauen sich direkt in die Augen.

„Bongun...“, sagt Munak leise; „Du bist es wirklich...“

„Munak“, seine Augen sind von Tränen erfüllt: „Endlich sehen wir uns wieder...“

Schweigend fallen sie sich in die Arme.

„Vielen Dank, Abenteurer! Vielen Dank, Sohee...!“, ruft Bongun und im nächsten Moment lösen sie sich langsam auf und verschwinden.

Sie haben es geschafft.

„Das bereut ihr!“, droht Moonlight Flower; „Ihr werdet mir nicht lebend entkommen!“

„Ich werde dich nicht zu ihnen durch lassen“, erwidert Sohee, die schützend vor den Gefährten steht.

Moonlight Flower lacht: „Ich wette mit dir, du wirst!“

Und im nächsten Moment zieht sie ein kleines, längliches Objekt hervor und wirft es den Hügel hinunter.

Sohee erschrickt und verlässt sofort ihre Position, sie schwebt dem Gegenstand wortlos hinterher.

„Ich kann keine untreuen Diener gebrauchen“, knurrt die kleine Dämonin und schreitet auf Troy zu, der Kirai hinter sich in Schutz nimmt.

„Wir können kein Monster wie dich gebrauchen!“, ruft er und holt mit seinen Schwert aus: „BOWLING BASH!

Der Angriff verfehlt Moonlight Flower, weil sie einfach zur Seite hüpft.

„Nimm das!“ Troy attackiert sie seitlich, doch sie lehnt sich einfach nach hinten und weicht aus.

„Verdammt! Warum kann sie so gut ausweichen?!“

Kirai überlegt und überlegt, doch ihm fällt die Antwort nicht ein.

Luca versucht währenddessen, vom Dach zu klettern, doch dabei stürzt sie herunter.

Zum Glück landet sie in einem Gebüsch, sodass sie sich nichts tut.

Sie steht schnell auf und das erste was sie sieht, ist Sohee, die unten am Rand des Hügels ein kleines, silbernes Messer aus einer braunen Scheide zieht.

Lächelnd hält sie es an ihre Brust. Sie sieht Luca und formt mit ihren Lippen das Wort „Danke“.

Auch Luca lächelt, und im nächsten Moment zerfällt Sohee zu Staub, nur ihr Kimono bleibt am Boden zurück.

„Luca! Du musst Troy helfen!“, ruft Kirai und erlangt so ihre Aufmerksamkeit.

Sie kommt aus dem Gebüsch hervor und sieht, das der Ritter sich schon schwer atmend auf seinem Schwert abstützen muss.

„Ich habe dich nur einmal erwischt, und trotzdem bist du sooo kaputt...“, grinst Moonlight Flower; „Woran liegt das? Vielleicht daran, dass alle deine Angriffe ins Leere gehen?“

Die Acolyte zögert nicht länger und spricht: „HEAL!“

Troy geht zurück in seine Kampfposition, bereit für die nächste Attacke.

Aber es stimmt, was die Dämonin sagt, er trifft sie einfach nicht. Sie ist zu geschickt!

Nur wie kann das sein? Wie kann sie so gut ausweichen, wo sie doch diese tonnenschwere Glocke mit sich herum trägt?

Was im nächsten Moment passiert, lässt Kirai einen eiskalten Schauder über den Rücken laufen.

Es ist, als hätte jemand seine Gedanken gelesen.

Aus der Dunkelheit ertönt eine Stimme: „Die Glocke. Du musst auf die Glocke zielen.“

Moonlight Flower erschrickt, als sie diese Worte hört.

„Was? Warum? Wer spricht da?“, fragt Troy, aber es bleibt keine Zeit.

Kirai ruft: „Sie nutzt die Glocke für ihre Balance! Damit kann sie ihr Gewicht immer so verlagern, wie es gerade nötig ist! Deshalb weicht sie jeder Attacke aus!“

Das muss der Ritter sich nicht zweimal sagen lassen.

Voller Elan stürmt er auf Moonlight Flower, die schon wieder zur Seite springt, um dem Angriff zu entgehen, doch Troy lässt die Glocke keinen Moment aus den Augen und holt weit mit seinem Schwert aus: „BOWLING BASH!“

All die Kraft, die auf die alte Glocke einwirkt, reißt sie Moonlight Flower aus der Hand und das Instrument fliegt durch die Wand des nächsten Hauses, welches daraufhin unter lautem Krachen einstürzt.

Ihrer Waffe entrissen springt sie hoch und hängt sich an den Ast eines Baums.

„Wenn du uns den Moonlight Dagger gibst, lassen wir dich gehen“, sagt Kirai selbstsicher.

„Den Moonlight Dagger willst du?“ Sie blickt ihn spöttisch an: „Das kannst du knicken. Dieser Dolch passt zu mir, denn er ist geschmiedet aus dem Mondlicht, genau wie ich. Und ihr wollt mich nicht gehen lassen? Lächerlich! Ich werde euch nicht gehen lassen!“

Wie kann sie noch immer so voller Selbstvertrauen sein?

Ihre Waffe ist weg, ihre Helfer sind alle weg...

„Auch ohne meine Glocke bin ich noch viel stärker als ihr alle zusammen!“

Rapide schwingt sie sich runter vom Baum und befördert noch im Sprung Kirai mit ihren Füßen auf den Boden.

Sie hat ihn an der Brust getroffen: Schmerzerfüllt stöhnt er auf.

„Kirai!“, ruft Luca besorgt und will zu ihm, doch Troy hält sie zurück: „Nicht! Luca, es ist zu gefährlich. Ich werde gehen.“

Der Thief kann nicht aufstehen, es tut einfach viel zu weh.

Als er es dennoch versucht, bekommt er einen Brechreiz und bleibt daraufhin schwer atmend am Boden liegen.

Troy rennt mit seinem Schwert auf Moonlight Flower zu, doch sie fängt nur an zu lachen und pariert seinen Angriff mit ihren tatzenartigen Handschuhen.

Dass sie es so einfach abfedern konnte!

HEAL!“, spricht Luca auf Kirai, der kurz von grünem Licht erfasst wird.

Der Schmerz lässt nach, und trotzdem hat er noch Schwierigkeiten mit dem Aufstehen.

Moonlight Flower hält Troys Schwert fest und verpasst ihn eine Ohrfeige mit ihrer Pranke, woraufhin er umfällt.

„Verdammt...“, flucht er; „Luca...“

Die Acolyte richtet ihre Hände auf den Knight: „Heal!“

Doch es passiert nichts.

„Oh nein! Ich habe wohl all meine Spiritualenergie verbraucht...!“, ruft sie heiser.

Spiritualenergie ist eine Form von Zauberkraft, die Menschen brauchen, um Magie verwenden zu können. Sie regeneriert sich nur sehr langsam, und weil Luca heute schon oft gezaubert hat, hat sie wohl keine Energie mehr.

„Schon gut... Lauft weg...“, haucht Troy und wird ohnmächtig.

Kirai steht endlich auf und läuft zu Luca hinüber.

Sie wollen den Ritter nicht zurücklassen, aber was sollen sie machen? Sie haben keine Chance!

„Ja genau, lauft weg“, kichert Moonlight Flower und tapst auf die beiden zu.

Luca und Kirai tauschen Blicke, die nur eine Aussage haben: „Weg von hier!“

Hastig rennen sie die Treppe des Hügels hinunter, laufen durch das Tor an der Mauer entlang und sind schon beinahe am nächsten Tor angekommen, da springt Moonlight Flower geschickt im großen Bogen über die ganzen Mauern und landet direkt einen Meter vor ihnen.

„Ich lasse euch nicht gehen“, sagt sie nochmal; „Ich werde euch niemals gehen lassen. Eure Seelen sollen für alle Zeit hier verweilen!“

Plötzlich schießen dünne Stacheln aus Erde aus den Boden, die sich den Weg bis zu Moonlight Flower bahnen, die erschrocken aufspringt: „Hey, wer war das?!“

Eine Frau mit schwarzen Haaren erscheint vor den Jugendlichen aus dem Nichts.

Ihre hautenge, violette Kleidung ist mit zahlreichen Bandagen umwickelt, sie trägt ein langes, an den Enden zerrissenes Halstuch, das ihren Mund und ihre Nase verdeckt.

Man kann schon von hinten ihre außergewöhnlich gute Figur erkennen, und als Waffen trägt sie an beiden Händen Klingen, die einen horizontalen Griff aufweisen: Katare.

„Eine Assassine...?“, fragt Luca überrascht.

„Bis jetzt hattest du ja deinen Spaß gehabt“, wispert die Frau, und es ist erst nicht ganz klar, wen sie anspricht, doch es wird schon bald deutlich, dass sie sich an die Dämonin vor ihr richtet: „Doch nun wirst du sterben.“

„Sehen wir ja!“, grinst Moonlight Flower und stürmt auf vier Pfoten auf die Unbekannte zu, die als Reaktion einfach verschwindet.

Überrascht fragt das Monster sich, wo sie hin ist, doch sie spürt es eine Sekunde später am eigenen Leibe: Ihr ragen zwei blutige Klingen vorne aus der Brust, perfekt parallel nebeneinander.

Die Assassine muss es innerhalb einer Sekunde geschafft haben, hinter sie zu kommen.

Es ist unklar, wie genau sie das angestellt hat.

„Wie brutal...“, flüstert Luca und dreht sich weg.

Kirai hingegen schaut unentwegt auf die Assassine, die er jetzt, da Moonlight Flowers lebloser Körper zu Boden rutscht, von vorne sehen kann.

Von ihrem Gesicht kann er nicht viel erkennen, da das Halstuch Nase und Mund verdeckt und ihre schwarzen Haare vorne über dem rechten Auge liegen.

Dennoch, die schneeweiße Haut und das blutrote Auge... Er erinnert sich an sie.

Nein, wie könnte er sie je vergessen!

„Du, du bist...“

Sie sagt nichts sondern wendet sich Moonlight Flower zu, die am Boden liegt.

Sie untersucht ihren Körper und zieht schließlich einen Dolch mit blau-strahlender, gebogener Klinge aus dem Fuchsfell-Handschuh.

Der Moonlight Dagger.

Kirai beachtet das Messer nicht weiter und läuft auf sie zu: „Du warst es doch, oder? Eben hast du mich mit einem deiner Wurfmesser gerettet, oder?“

Sein Herz schlägt schnell.

Dann antwortet sie leise: „Es ist kein Zufall, dass ich hier bin. Ich soll den Moonlight Dagger für unsere Gilde besorgen.“

„Warte mal, den kannst du nicht haben!“, ruft Luca plötzlich.

Offenbar hat sie die Augen inzwischen wieder aufgemacht.

„Wir sind extra den ganzen Weg...“ Doch sie wird von Kirai unterbrochen: „Nein! Nimm ihn ruhig. Du kannst ihn haben, wenn du ihn möchtest.“

Mit offenem Mund starrt die Acolyte den Thief an.

Was ist nur los? Er war doch die ganze Zeit so scharf auf diesen blöden Dolch!

Doch dieser ist Kirai gerade ganz egal. Dass er sie wieder treffen würde... So bald schon...

Nun tritt auch die Frau etwas an ihn heran und mustert ihn skeptisch.

Sie ist ein bisschen größer als er.

„Jetzt sag mir bitte nicht“, spricht sie gelassen; „Dass du wegen mir Thief geworden bist...“

„Was? Kennst du sie etwa?“, fragt Luca, wird aber ignoriert.

Kirai nickt: „Doch... Bitte, sag mir, wie heißt du?“

Die junge Frau schweigt. Ihre langen, dunklen Haare sehen im Licht der Fackeln wunderschön aus.

Plötzlich fängt die Erde nach einem lauten Grollen an, zu erbeben.

Luca und Kirai verlieren beinahe das Gleichgewicht.

An der Felsdecke lösen sich große Steine und stürzen herunter, einer landet direkt neben Luca, die schreit: „Schnell! Wir müssen hier raus!“

Die Assassine geht seelenruhig zu Moonlight Flower und sagt: „Wahrscheinlich stürzt die Höhle ein, weil die hier tot ist...“

„Schnell, wir müssen weg hier“, ruft Kirai der Frau zu, doch sie bewegt sich kein Stück.

Stattdessen kramt sie kurz in ihrer versteckten Tasche und wirft Luca einen blauen Edelstein von der Größe einer Faust vor die Füße.

„Ein Blue Gemstone!“, staunt die Acolyte, und die Unbekannte sagt zu ihr: „Du weißt, was zu tun ist.“

„Okay, komm jetzt, Kirai!“, ruft Luca, doch er will nicht.

„Geh schon mal vor!“, entgegnet er. Das Beben wird heftiger, und auch von den Wänden purzeln nun riesige Felsbrocken.

„Sag mir bitte, wie du heißt! Bitte!“ Flehend sieht der Dieb sie an.

Für einen Moment schließt sie ihre Augen, dann kommt sie näher an ihn heran, so nah, dass Kirai ihr dezentes Parfüm riechen kann.

„Shade...“, flüstert sie; „Mein Name... ist Shade...“

„Shade?“

Sie geht ein paar Schritte zurück: „Geh nun zu deinen Freunden, wenn du nicht sterben willst.“

Und sie verschwindet im Schatten.

„Warte! Bitte, Shade, warte!“, ruft Kirai panisch, aber sie taucht nicht mehr auf.

Als sich dann neben ihm ein Riss in der Erde auftut, sieht er ein, dass er keine andere Möglichkeit mehr hat, außer zu fliehen.

Er rennt an den Mauern vorbei, wieder zurück hoch zum Hügel, zu der Statue.

Troy steht inzwischen wieder, auch, wenn er nicht gut aussieht.

„Was ist mit Moonlight Flower?“, fragt der Ritter Kirai. „Tot“, antwortet dieser; „Wie auch immer, wir müssen hier raus!“

Luca seufzt, die Häuser um sie herum zerfallen alle in ihre Einzelteile: „Ich hoffe, meine Spiritualenergie reicht noch aus hier für...“

Sie legt den Edelstein, den sie von Shade bekommen hat, vor sich auf den Boden.

„Was ist das überhaupt?“, fragt Kirai voller Angst.

„Eine Art Katalysator, der Magie enthält. Ich kann damit Zaubersprüche benutzen, die ohne so einen Stein nicht funktionieren würden.“

Sie streckt ihre Hände über den Boden, genau über die Stelle, auf der der Blue Gemstone liegt.

Die Statue fällt mit lautem Krachen um.

„Schnell, Luca!“, ruft Troy panisch.

Sie schließt ihre Augen und spricht hochkonzentriert: „WARP PORTAL!“

Der Edelstein fängt zuerst an, zu leuchten, dann löst er sich in Nichts auf.

An seine Stelle tritt ein transparenter Wirbel, dessen Inneres blau aufglüht.

Luca fällt auf die Knie, nun sind endgültig alle ihre Kräfte verbraucht.

„Schnell... Rein da“, keucht sie.

Troy und Kirai gehen jedoch nicht hinein sondern schauen sie nur fragend an.

Wird sie nicht vorgehen?

„REIN DA!!!“, schreit sie aus Leibeskräften und Kirai läuft in den Strudel hinein.

Alles um ihn herum wird weiß, und sein gesamter Körper vibriert.

Er spürt, dass er kurz vom Boden abhebt, doch nach zwei Sekunden steht er schon wieder.

Es ist dunkel und überall sind Bäume, hinter ihm steht ein großes Haus, in dem Lichter brennen.

Jetzt erkennt er erst, dass er wieder im Bergdorf Payon ist, vor dem Gasthof.

Nach einer Sekunde steht Troy hinter ihm, der auch erst einen Moment benötigt, um zu verstehen, wo er plötzlich gelandet ist.

Zu guter Letzt erscheint Luca. Sie hockt schwer atmend am Boden.

Troy rappelt sich auf und trägt sie rein.

„Danke, du hast uns gerettet“, seufzt Kirai und folgt ihnen in das Gasthaus.

Vorher jedoch schaut er noch einmal in die Richtung des Dorfes, in der das Payon Cave steht.

Ein Ort, an dem von jetzt an Ruhe und Frieden herrschen wird.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2012-12-04T19:31:03+00:00 04.12.2012 20:31
Viertes Türchen:
Uff, das Kapitel war sooo lang.
Okay, fangen wir hinten an: ich bin happy, dass die Frau aus dem Prolog endlich noch mal aufgekreuzt ist, auch wenn ich jetzt wieder einmal mehr Fragen als Antworten habe und hoffe, dass das ein oder andere zumindest noch mal erklärt wird.
Ansonsten bleibt meine Meinung, dass Luca extrem lyrisch ist und dass sie dringend mit Kirai zusammenkommen sollte - wenn der nicht zu sehr an Shade interessiert ist - was ich für seine eigene Sicherheit nicht hoffe :D
Die Kämpfe waren alle sehr gut geschildert und ich warte nun darauf, das ich morgen weiterlesen kann :)
~Ava
Von:  DreamingAngel
2011-09-09T23:56:23+00:00 10.09.2011 01:56
Gut, spannend, etc nur weil ich ja immer was zu meckern habe... erklär das blöde heal nicht immer. Auch leute die nicht ro spielen haben jetzt verstanden, dass sie ihre hände ausstreckt und heal ruft und dann da ein grünes licht zu sehen ist... langsam kannst du nur noch heal schreiben und den rest denkt sich dann jeder...
lg
DreamingANgel


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