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Hexenfieber

Final Fantasy mal anders
von

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Flucht

Prolog: Flucht....
 

....
 

Mit weit offenem Mund rannte Reno am Fjord entlang über die Wiesen. Er atmete keuchend und glaubte, die Hitze des Scheiterhaufens zu spüren und in den Lungen den beißenden Rauch zu schmecken. Noch immer gellten ihm die Schreie in den Ohren.

Sie dröhnten ihm im Kopf und drohten, ihn zu zersprengen. Blindlings rannte er weiter, fort, nur fort von der Rauchsäule, die sich im Nordwesten deutlich gegen den hellen Himmel abhob.

Er floh vor der gröhlenden, lärmenden Menschenmenge, die wie im Rausch um den Scheiterhaufen tanzte, er floh vor dem Hass und der Feindschaft, die ihm in den letzten Wochen immer wieder entgegengebrandet waren, sobald er sich aus dem Haus gewagt hatte.
 

Er lief schon seit Stunden, hatte Seitenstechen und hinter seinen Augen pochte ein dumpfer Schmerz. Seine Arme und Beine bewegten sich wie von selber, als würden sie von einer Kraft getrieben, die größer und stärker war, als seine Eigene.

Das Wilde und Verkrampfte seiner anfänglichen Flucht hatte sich verloren. Mit der Sicherheit eines Schlafwandlers rannte er dahin.

Der Wiesengrund federte unter seinen Füßen. Er sprang über einen Bach, ohne es überhaupt zu merken.

Allmählich veränderte sich die Landschaft um ihn herum, aber er achtete nicht einmal darauf. Das offene Weideland lag hinter ihm, das Tal wurde schmaler und lief schließlich zwischen dem Höhenzug und dem Fjord spitz zu.

Hier und da wurde der Hügelzug von einem Wasserlauf oder einem Karrenweg durchschnitten, der bergauf und ins Land hineinführte - zu Dörfern und Menschen. Jedes Mal, wenn er solch eine schmale Schlucht überquerte, wich er unbewusst aus und näherte sich dem Strand, oder er duckte sich im Lauf.

Das Gestrüpp auf dem Hügel wurde dichter, zwischen den Büschen ragten vereinzelt Bäume empor.
 

Renos Kräfte waren längst aufgebraucht und er hielt sich nur mit der Verbissenheit aufrecht, die Furcht, Hass und Zorn einem Menschen verleihen können. Aber auch diese Kraft lässt nach, oft sogar ganz plötzlich.

Als er über einen Graben sprang, gaben seine Beine nach. Der Rothaarige lief noch ein Stück weiter, ohne zu stürzen. Dann aber ließen seine Beine ihn endgültig im Stich und er fiel vornüber, schlug auf, rutschte auf Gesicht und Schulter ein Stück weiter, ohne sich dabei irgendwie abzustützen.

Dann lag er still; das Gras war weich und feucht und kühlte sein erhitztes Gesicht.
 

Von einem umgestürzten Baumstamm am Fuß des Hügels erhob sich ein junger Mann. Er wirkte groß und kräftig, obwohl sein Körper nur aus Knochen und Sehnen zu bestehen schien.

Sein Haar war Blond, mit leichtem Rotstich, und er trug einen langen, weißen Mantel.

Schon eine ganze Weile hatte der Mann von seinem Platz aus den Läufer beobachtet, der auf ihn zukam. Er hatte auch die Rauchsäule gesehen, die drohend und Unheil verkündend drüben im Westen stand, dort wo der Fjord sich zu seinem schmalen, von Steilhängen umschlossenen, Sund verengte.
 

Der rothaarige Läufer war kaum zweihundert Meter von dem Baumstamm entfernt zusammengebrochen. Der blonde Mann ging zu ihm hin, trotz seines knochigen Körperbaus bewegte er sich geschmeidig wie eine Katze. Minuten später beugte er sich über den Fremden, der halb verborgen im hohen Wiesengras lag.

Er fasste ihn an der Schulter und drehte ihn behutsam auf den Rücken. Es war ein rothaariger Junge, vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahre alt. Seine weit geöffneten, geröteten Augen starrten zum Himmel hinauf, sein Brustkorb hob und senkte sich keuchend.

Der Mann blieb stehen und schaute dem Jungen in das blasse Gesicht, dann schob er vorsichtig seinen Arm unter den Kopf des Jungen und wischte ihm mit der Hand das Blut vom Mundwinkel.

Der Junge bemerkte es nicht, sondern starrte weiterhin mit leeren Augen in den Himmel. Nur sein pfeifender Atem verriet, dass er überhaupt noch lebte.

"Musstest du fliehen, Kleiner?"

Die Stimme des Mannes war tief und eiskalt, aber sie klang freundlich. Langsam kehrte in die Augen des Rotschopfes Leben zurück.

Er drehte den Kopf und sah den Mann an, dann flüsterte er heißer: "Sie... sie haben meine Mutter verbannt!"

Renos Körper erschlaffte, seine Augen schlossen sich und sein Kopf sank auf die Seite, er hatte das Bewusstsein verloren.
 

Langsam erhob sich der Mann, seine Kiefermuskeln spannten sich an und seine Stirnadern schwollen an. Er reckte die Faust dem Rauch am Horizont entgegen.

Dann schrie er und seine Worte rollten über den Fjord:

"Ihr Bestien! Ihr verfluchten Bestien!"

Er beugte sich wieder über den Jungen und hob ihn vorsichtig auf. Rasch stieg er mit seiner Last den Hang hinauf und auf die Bäume zu. Oben wandte er sich noch einmal um. Eine leichte Abendbrise ließ die stickige Sommerluft erzittern; langsam löste sich der Rauch auf, wie ein schwarzes Zeichen, das von einer gnädigen Hand weggewischt wird.

Dann verschwand der Mann, mit dem ohnmächtigen Körper auf den Armen, hinter den Bäumen...

Großer Fang

Kapitel Eins: Großer Fang....
 

....
 

Langsam kehrte Reno in das Bewusstsein zurück. Anderthalb Tage waren vergangen, seitdem er auf der Wiese zusammengebrochen war.

Meistens hatte er still dagelegen, hin und wieder leise im Schlaf gewimmert, oder ein paar Mal sogar ganz leise geschrieen.

Während der ganzen Zeit hatte der junge Mann neben ihm gesessen, oder war in seiner Nähe geblieben. Als der Junge endlich zu sich kam, saß der Blonde an seinem Lager und hielt seine Hand, doch Reno schien es nicht einmal zu bemerken.

Seine Augen waren so leer wie damals, als er auf der Wiese gelegen hatte. Lange saß der ältere Mann da und schaute ihn an, dann fragte er: "Nun, Kleiner, geht es dir besser?"

Es schien, als wecke die Stimme den Jungen erst auf. Mit einem leichten Schrei fuhr er zusammen und zog seine Hand zurück. "Wer bist du? Wo bin ich?"

Reno wollte aufspringen, aber der Ältere drückte ihn sanft auf das Lager zurück.

"Sei ganz ruhig! Hier tut dir niemand etwas Böses... Ich heiße Rufus und habe dich unten im Tal gefunden.", sprach er mit kühler und ruhiger Stimme auf den Jüngeren ein.

"Sie haben meine Mutter verbrannt!", war das einzige, was Reno sagen konnte, bevor seine Stimme brach.

Er rollte sich auf dem Lager zusammen und vergrub sein Gesicht in den Armen, sein Körper fing an zu zittern.

"Das weiß ich! Sag mir, wie du heißt. Dann kannst du weinen, das hilft... Vielleicht."

Rufus legte seine Hand auf den Kopf des Jüngeren und strich ihm über das rote Haar. Lange schwieg der Junge.

Es war, als wage er nicht zu glauben, dass er einem Menschen begegnet war, der nichts Böses mit ihm im Sinn hatte.

Noch immer strich ihm der Ältere über das Haar, über den Nacken und über den Rücken.

Langsam begannen sich die Muskeln des Jungen zu entspannen. Er streckte die Beine aus und drehte sich um, nun lag er auf dem Rücken.

"Ich heiße.. Reno", murmelte er leise, sodass Rufus Mühe hatte, es zu verstehen. "...Reno Kiribani."
 

Dann, endlich, konnte er weinen, denn tief unten in den Eingeweiden löste sich ein Krampf. Es war ein Weinen, das nicht durch körperliche Schmerzen ausgelöst wird und das doch in der Seele des gepeinigten Menschen vieles lösen kann.

Für solch ein Weinen gibt es keinen Trost, es hört erst auf, wenn man sich leer geweint hat. Der junge Mann kannte dieses Weinen nur zu gut.

Rufus ging zum Herd und stocherte in der Asche herum. Bald darauf züngelten die ersten Flämmchen hoch und es dauerte nicht lange, bis würziger Essensduft die Hütte erfüllte.

Reno hatte sich dann auch endlich ausgeweint. Erschöpft und still lag er da. Der Essensduft stieg ihm dann in die Nase und in seinem Mund sammelte sich Wasser.

Sein Magen hatte sich schon beinahe daran gewöhnt, ohne Essen auszukommen. Doch nun merkte der Rote, wie sich ein saugendes, fast schmerzhaftes, Gefühl in ihm ausbreitete.

Mit geschlossenen Augen lag er da, bohrte sich die Faust in die Magengrube und zwang sich, den Speichel immer wieder hinunterzuschlucken, der ihm im Mund zusammenlief.

Da kam Rufus mit einem derben Tonkrug. "Trink! Das wird dir gut tun. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?" Auf diese Frage aber wusste der Kleine keine Antwort.

Reno trank die warme, würzige Kräutersuppe, sie war bitter und dennoch süß und sie schmeckte nach Sommer und sonnendurchglühter Erde.

Rufus füllte den Krug noch einmal und nun schwammen Kräuter und kleine Fischstücke in der Suppe. Reno aß und trank, allmählich breitete sich prickelnde Wärme in seinem Körper aus. Er schob die Schaffeldecke zur Seite und setzte sich auf.

Zum ersten Mal schaute er sich den jungen Mann richtig an, der ihn bei sich aufgenommen und gepflegt hatte. Sein Blick glitt über den langen weißen Mantel, über die blonden Haare und das schlanke, helle Gesicht.

In den Augen des Fremden kam sein Blick zur Ruhe und mit einem Mal fühlte sich Reno geborgen.

Es waren die außergewöhnlichsten Augen, denen er je begegnet war. Sie waren nicht sanft und mild, sondern kühl und durchdringlich und von einer unbestimmten Farbe, die alle Farbtöne in sich barg.
 

Diese Augen schauten ihn ruhig und ernst an, bis Reno verlegen seinen Blick über die Wände weiterwandern ließ, die aus unbehauenen Baumstämmen errichtet und mit Moos abgedichtet war.

Von der Decke hingen Kräuterbüschel und in der hintersten Ecke befand sich im Halbdunkel die Feuerstelle mit dem Tongeschirr.

Nur wenige einfache Möbelstücke standen in der Hütte: Eine Liege, ein paar Schemel und ein Tisch, alles aus rohen Brettern angefertigt.

In einer Ecke bemerkte Reno eine kleine Truhe mit Eisenbeschlägen. Im stillen fragte sich der Rotschopf, was da wohl drin sein könnte.

In der anderen Ecke lagen allerlei Angelgeräte und Netze.

Die helle Vormittagssonne fiel in einem schrägen Balken durch die Tür und die Flügel der Insekten schossen winzige Blitze, wenn sie durch den Eingang hereinschwirrten.

Ganz oben unter dem Dach befanden sich zwei Öffnungen, die mit einer Schweinsblase abgedeckt waren. Es roch nach getrockneten Kräutern, nach Harz, Meer und Tang.

Lange saß Reno so da und schaute sich alles an. Rufus schwieg währenddessen und schließlich blickte der Rothaarige ihn fragend an. "Wohnt sonst niemand hier?"

"Nein, bis vorgestern habe ich hier allein gewohnt. Du kannst hier bleiben, wenn du möchtest. Aber das musst du selbst entscheiden.", erklärte er ihm ruhig, verschwieg aber, warum er hier allein war.

"Bin ich denn schon seit vorgestern hier?", hakte der Kleine neugierig nach.

"Ja... Und du solltest noch ein paar Tage hier bleiben. Wenn du dich erholt hast, werden wir weitersehen.", antwortete ihm Rufus wieder ruhig.

Der Junge schwieg und schaute zur Tür hinaus. Am Fuß des Hanges standen Kiefern und junge Birken. Ein wenig weiter draußen lag der Fjord, alles wirkte friedlich und ruhig.

Als Reno sich zum Älteren umdrehte, klang seine Stimmer ruhiger: "Ich glaube schon, dass ich hier gerne bliebe, wenn du mich behalten magst."
 

"Aber ja, das sagte ich doch bereits. Komm mit, ich will dir zeigen, wie wir hier wohnen.", lächelte Rufus ganz sachte und erhob sich.

Sie gingen einen schmalen Pfad zu den Wiesen hinunter, unten blieben sie stehen.

Von hier aus konnte man die Hütte schon nicht mehr sehen, selbst wenn man wusste, wo sie stand.

Sie war halb in den Hang hineingebaut und den Rest verbargen die Bäume. "Auch, wenn du die Hütte nicht siehst, kannst du sie leicht finden", sagte der Mann.

"Der Hügel ist an dieser Stelle am höchsten und auch die Bäume und Büsche stehen hier besonders dicht."

Rufus ging weiter voran, er wandte sich nach Osten und folgte einem schmalen Pfad, der am Fuße des Hügels entlangführte.

Nach ein paar hundert Metern senkte sich der Höhenzug und sie erreichten ein breites flaches Tal, das sanft zum Hinterland anstieg. Der Boden war hier nicht bestellt.

An vielen Stellen ragten dunkle Wacholderbüsche aus dem Blaubeer- und Himbeergestrüpp. Rufus setzte sich ins Heidekraut und wies auf das Tal.

"Jenseits dieser Hügel liegt Kalm. Es ist ein Dorf, wie du es überall findest. Hinter Kalm ist Weideland und Heide. Wenn du am Fjord entlang nach Osten wanderst, kommst du zu einem anderen Dorf, das draußen am Wasser liegt. Der Fjord ist wichtig für uns, denn er gibt uns Nahrung. Du musst lernen, ihn zu respektieren, dann wird er auch dich achten. Komm, wir wollen zum Boot hinuntergehen!" Während der Erklärung war die Stimme des Blonden weiterhin kühl.

Gemeinsam gingen sie hinunter zum Strand. Da lag, auf zwei Pfählen aufgebockt, ein breiter, stabiler Kahn und er roch nach Teer und Pech.

"Ich habe das Boot gerade in Ordnung gebracht, deswegen liegt es noch an Land. Hilf mir, es ins Wasser zu lassen. Wir werden noch etwas hinausrudern um zu sehen, dass wir einen Fisch fürs Abendessen fangen."

Es war nicht schwierig, das Boot ins Wasser zu lassen. Bald glitten sie auf den Fjord hinaus.

Für Reno war dies alles ganz neu. Wohl kannte er den Fjord, aber nur von der Landseite. Auf dem Wasser war er noch nie gewesen und auch vom Fischen verstand er nichts.

Er wunderte sich, wie unbeirrt der junge Mann auf die Fischreusen zuruderte, denn nur ein Holzpflöckchen, das auf dem Wasser schwamm, verriet, wo sie lagen.

Eine Leine verband das Holzstückchen mit der Reuse, die auf dem Grund des Fjordes lag.
 

Die ersten beiden Reusen waren leer, doch die nächsten waren schon voller Aale. Bald darauf lagen sechs schöne große Fische auf dem Boden des Bootes.

Aber Rufus schien damit noch nicht wirklich zufrieden zu sein. Enttäuscht brummte er etwas vor sich hin und spähte über das Wasser.

"Was ist denn los?", fragte Reno den Blonden verwundert.

Er konnte einfach nicht begreifen, dass jemand mit einem solch reichen Fang unzufrieden sein konnte.

"Eine Reuse fehlt. Der Holzpflock muss sich von der Leine gelöst haben und abgetrieben sein. Wir müssten viel Glück haben, wenn wir die Reuse wieder fänden.", murmelte Rufus die Erklärung und spähte weiterhin über das Wasser.

Nachdem sie eine Weile herumgesucht hatten, richtete der Mann sich auf. Er warf noch einen Blick auf den Fjord hinaus und stutzte plötzlich.

"Da stimmt etwas nicht! Sie liegt dort hinten, ich kann das Holzstückchen sehen, aber dort habe ich sie nie ausgelegt und abgetrieben kann sie deswegen nicht sein, weil sie dann gegen die Strömung geschwommen wäre. Mal sehen, was da los ist!"

Rufus ruderte und Reno saß im Bug und beobachtete das Holzklötzchen, das ruhig auf dem spiegelglatten Wasser schwamm. Der Grund hatte sich verändert, sie befanden sich nicht mehr über der Muschelbank, sondern über Sandboden.

Da sah Reno die Reuse unten am Grund. "Rufus! Da... da schau, ein Riesenfisch!"

Ja, es war ein riesiger Fisch, auch der Blonde war überrascht. Flink warf er den Ankerstein aus und lehnte sich über die Bootswand.

"Ich muss hinunter. Es ist ein Lachs, der größte, den ich je im Fjord gesehen habe. Er sitzt mit den Kiemen in der Reuse fest."

Rufus hatte seinen weißen Mantel ausgezogen, diesen auf den Boden des Bootes gelegt und stand jetzt halbnackt in der Sonne. Mit einem Fuß trat er auf die Bootskante, dann sprang er ins Wasser.
 

Der Lachs schlug mit dem Schwanz, um sich zu entkommen, aber seine Kiemen saßen unrettbar in der trichterförmigen Öffnung der Reuse fest.

Rufus packte die Reuse mit der einen Hand und versuchte, den Schwanz des Fisches zu erwischen.

Endlich gelang es ihm, er klemmte den Schwanz des Lachses unter seinem Arm fest und damit war der Kampf beendet. Danach warf er den Fisch und die Reuse ins Boot.

"Los, Reno, halt ihn fest!"

Angesprochener warf sich über den Lachs und hielt ihn, während der Ältere ins Boot zurückkletterte. Einen Augenblick später lag der Fisch still auf dem Boden und rührte sich nicht mehr.

"Ich glaube, du hast mir Glück gebracht, Freundchen! Lass uns heim rudern, wir haben es heute gut gemacht.", lächelte Rufus leicht, dann glitten sie zum Ufer hinüber.

Reno saß auf dem Boden des Bootes und schaute sich den Fisch an. Behutsam ließ er seinen Zeigefinger über die blanken Schuppen gleiten.

"Er ist schön...", murmelte er leise.

"Ja, und tapfer war er auch. Er hat gut gekämpft.", entgegnete Rufus nickend.

Plötzlich musste Reno wieder an den Scheiterhaufen und die Schreie denken. Nichts von dem, was er am Vormittag erlebt hatte, konnte ihn mehr ablenken. Er spürte ein würgendes Gefühl im Hals und in seinen Augen brannte es. Dann brach er in Tränen aus.

Rufus ließ ihn weinen, bis sie mit den Fischen oben bei der Hütte ankamen. Da legte er dann seine Hand auf die Schulter des Jungen. "Komm mit hinaus in die Sonne, erzähl mir alles von Anfang an!", murmelte er leicht lächelnd.

Erzählung

Kapitel Zwei: Erzählung....
 

....
 

Sie saßen draußen vor der Hütte: Reno gegen die Hauswand gelehnt, Rufus mit den Fischen etwas weiter weg und Beide zogen es vor, zu schweigen.

Der junge Mann putzte die Aale, legte sie nacheinander auf einen Baumstumpf und schlitze ihnen rund um den Kopf die Haut auf.

Bevor das Messer aber die Nackenhaut durchtrennte, hörte er auf. Er legte das Messer beiseite und bohrte den Daumen zwischen Rückgrat und Fischhaut. Mit der anderen Hand zog er die Haut bis zum Schwanz ab und sie glitt wie ein Strumpf vom Körper.

Hin und wieder warf er einen Blick zu Reno hinüber.

"Nun?", fragte Rufus kühl und streckte seine Hand nach dem Messer aus. Er war zwar nicht ungeduldig, aber er wollte endlich die Erzählung des Rothaarigen hören.

Reno lehnte seinen Kopf gegen die Hauswand, er schloss die Augen und blieb ein Weilchen so sitzen.

Dann räusperte er sich. "Es hat damit angefangen, dass die Leute sagten, meine Mutter wäre eine Hexe. Und eines Tages..."

"Nein, Reno, fang von vorne an. Erzähle mir von dir und deinen Eltern", verlangte der Blonde ruhig.
 

"Da gibt es nicht viel zu erzählen...", erwiderte der Rothaarige stumpf.

"Einen Vater habe ich nicht, wenigstens habe ich ihn nie gesehen. Und Mutter... sie hat nie von ihm gesprochen. Wir waren arm, aber zu essen hatten wir trotzdem genug. Wir hatten eine Kuh und außerdem konnte Mutter Kranke heilen. Wenn sich jemand ein Bein brach, musste sie es schienen. Leuten mit Zahnschmerzen half sie auch.

Na, und solche Sachen... Oft kamen Leute, die Hilfe brauchten und manchmal schickten sie auch einen Knecht und ließen Mutter holen. Diejenigen, die wieder gesund geworden waren, gaben ihr Geld, Eier oder einen Sack Mehl.

Aber eines Tages kam da eine Frau... Sie hatte ein kleines Mädchen dabei, es war sechs oder sieben Jahre alt und sehr krank. Mutter sagte, es hätte die Schwindsucht und dagegen gäbe es keine Hilfe. Doch die Frau wollte nicht gehen. Sie bestand darauf, dass Mutter ihrer Tochter einen Heiltrunk gab. Mutter weigerte sich. Sie konnte wirklich nichts tun.

Da fing die Frau an zu schreien und zu schimpfen und Mutter sagte ihr, sie solle gehen."

Reno machte eine Pause, er hatte ein Stöckchen aufgelesen und zerbrach es in kleine Stücke und als nichts mehr davon übrig war, bewegten sich dennoch seine Finger unablässig weiter.

"Vier Wochen später.. starb das Mädchen. Da fingen die Leute an zu reden und sagten, Mutter sei schuld daran. Aber eigentlich glaubten sie es selber nicht so recht und schließlich hörte das Gerede wieder auf.

Doch die Kranken kamen nicht mehr zu uns und niemand gab uns Geld oder etwas zu essen. Wir hatten zwar immer noch unsere Kuh und ein Stück Land, aber Mutter war kränklich und konnte nicht viel auf dem Feld arbeiten.

Also musste ich daheim bleiben und ihr helfen. Ich versorgte die Kuh gut und ich wusste auch, an welchen Wegränden es das saftigste Gras gab. Glaub mir, es war eine gute Kuh.. mit glattem Fell und sie gab mehr Milch als die anderen Kühe im Dorf.

Trotzdem hatten wir im Winter nicht genug zu essen. Von den Bauern wollte mir keiner Arbeit geben und da musste meine Mutter betteln gehen. Eines Tages kam sie zu dem Hof, wo die Frau lebte, deren Tochter gestorben war. Sie jagten Mutter vom Hof und warfen ihr Steine nach.

Einen Monat später krepierte ihnen eine Kuh. Da ging die Frau zum Pfarrer und sagte, Mutter sei eine Hexe. Drei Tage später kamen sie und holten Mutter ab. Es war früh am Morgen und wir lagen noch im Bett. Sie erlaubten ihr nicht einmal, sich anzuziehen. Als sie wegfuhren, saß sie auf dem Wagen und hielt ihr Kleid in der Hand."
 

Reno konnte nicht weitersprechen. Er warf sich ins Gras und krümmte sich zusammen, sein Körper zuckte.

Ein gelber Schmetterling ließ sich für einen Augenblick auf Renos Schulter nieder, dann flatterte er weiter.

Nun wischte sich der Rote die Hände im Gras ab und legte zwischen drei Steinen ein kleines Feuer an. Zuunterst kamen Stücke von Birkenrinde, darauf Heidekraut, Zweige und trockenes Knüppelholz, das so dick wie Renos Handgelenk war.

Er holte Glut von der Feuerstelle in der Hütte und schob sie unter die Birkenrinde. Er brauchte nur ein paar Mal kräftig hineinzublasen und schon flackerte das Feuer auf.

Bald mischte sich der Geruch nach brennendem Holz mit dem honigschweren Sommerduft und dem Geruch nach Meer.
 

Als das Feuer heruntergebrannt war, setzte Rufus einen halb mit Wasser gefüllten Tontopf auf. Er schnitt Wurzeln hinein, gab Salz und Kräuter aus dem Küchengarten hinzu. Zum Schluss kamen die Aalstücke in den Topf.

Der Essensgeruch stieg dem Rotschopf in die Nase und da merkte der Junge, dass er Hunger hatte. Eine Zeit lang kämpfte der Hunger mit dem Kummer, doch dann siegte der Hunger.

Langsam richtete sich Reno auf und dabei durchfuhr ihn wieder dieses Gefühl, dass ihm die Anwesenheit dieses Mannes auf eine ganz besondere Weise wohl tat, so gut, wie noch nie zuvor die Gegenwart eines anderen Menschen.

Rufus fragte ihn nicht aus, er verhörte ihn nicht, aber er verstand sich auf das Schweigen und auf das Zuhören.
 

Leise fuhr Reno mit seiner Geschichte fort.

"Als sie davonfuhren, lief ich hinter dem Wagen her. Ich hatte Angst, aber ich wollte wissen, was sie mit Mutter vorhatten. Ich kannte die Männer, die sie abgeholt hatten. Es waren Bauern aus unserem Dorf. Und, dass der Vierte der Fronvogt sein musste, konnte ich mir denken.

Ohne ihn hätten sie meine Mutter nämlich nicht fortschleppen dürfen. Ich achtete darauf, dass sie mich nicht sahen.

Beim Pfarrhof bog der Wagen ein. Sie führten meine Mutter in das Haus und ich versteckte mich hinter einer Hecke. Dort blieb ich den ganzen Tag liegen und traute mich nicht hinaus, denn niemand sollte mich sehen.

Ich merkte, dass im Dorf ungewöhnlich viel Leute unterwegs waren. Sie gingen von Haus zu Haus und besuchten einander. Einige kamen auch zum Pfarrhof, aber man ließ sie nicht hinein.

Als es dämmerte, lief ich heim. Ich war allein im Haus und ich fürchtete mich so sehr, dass ich nicht einschlafen konnte. Da ging ich in den Stall und setzte mich neben unsere Kuh.

Noch ehe es hell wurde, lief ich wieder zum Dorf hinunter und verbarg mich hinter der Hecke."

Der Rotschopf hatte sich im Gras ausgestreckt. Er lag auf dem Rücken und hielt die Hände unter dem Nacken verschränkt.

Er sah Rufus nicht an, während er sprach und es war, als erzählte er nur sich selbst, was geschehen war.

Vielleicht wurde ihm so leichter.

"Ich wartete den ganzen Vormittag, aber nichts geschah. Am Nachmittag strömte fast das ganze Dorf auf der Wiese hinter dem Pfarrgarten zusammen.

Als alle dort waren, schlich ich mich auch hinüber. Der Pfarrer, der Fronvogt und vier andere Männer aus unserem Dorf saßen dort, Mutter stand vor ihnen.

Ringsum drängten sich die Leute aus dem Dorf und ich zwängte mich zwischen sie - es achtete sowieso niemand auf mich.

Sie hatten nur Augen dafür, was mit meiner Mutter geschah. Zu Anfang redeten alle durcheinander, aber dann wurde es still und der Pfarrer sagte, ehrbare Mitglieder der Gemeinde behaupteten, Mutter sei eine Hexe. Es hieße, sie sei mit dem Teufel im Bunde und verzaubere Mensch und Vieh.

Er sagte noch andere Dinge, die ich aber nicht verstand. Schließlich fragte er meine Mutter, ob sie beweisen könne, dass diese Anschuldigungen falsch seien.

Sie antwortete darauf, dass sie von alldem nichts wüsste und dass es Leute gäbe, die ihr Böses antun wollten, weil sie arm sei.

Da rief der Pfarrer die Frau mit der toten Tochter vor und die erzählte von dem Mädchen und von der Kuh, die gestorben waren. Auch von unserer Kuh redete sie, der niemals etwas fehle und die mehr Milch gebe als andere Kühe.

Als sie geendet hatte, schrieen die Leute wieder durcheinander. Dann trat ein Mann vor und erzählte, dass Mutter ihm einmal den gebrochenen Arm geschient hätte.

Aber er hätte ihr damals nichts dafür gegeben und plötzlich seien seine Hände voller Warzen gewesen. Meine Mutter blieb dabei, dass sie an alldem, was man ihr vorwarf, keine Schuld hätte.

Aber der Pfarrer und die anderen plagten sie weiter, und sie hörten erst auf, als es Abend wurde. Meine Mutter wurde in das Pfarrhaus zurückgebracht, die anderen gingen nach Hause. Auch ich lief heim, denn ich musste ja unsere Kuh melken."
 

Nachdem er dies erzählt hatte, schwieg Reno. Er lag immer noch auf dem Rücken und starrte in die Luft. Er schien ganz vergessen zu haben, dass er nicht alleine war.

Nach einer Weile sagte Rufus: "Komm! Das Essen ist fertig, du musst etwas essen."

Er reichte dem Kleinen eine Schüssel mit heißer Aalsuppe und einen Holzlöffel...

Große Erkenntnis

Kapitel Drei: Große Erkenntnis....
 

....
 

Das Haus lag jetzt im Schatten, aber die Hügel auf der anderen Seite des Fjords waren noch in Sonnenlicht getaucht. Draußen im Fjord hatten die Möwen einen Fischschwarm entdeckt und ihr gellendes Kreischen bildete einen eigenartigen Gegensatz zu dem weichen Glanz ihres Gefieders.

Der junge Mann und der Junge hatten ihre Mahlzeit beendet. Schweigend saßen sie da und sahen den Möwen zu.

Der eine schwieg, weil er in Gedanken versunken war, der andere, weil er zum ersten Mal seit langer, langer Zeit richtig satt geworden war.

Eine Bewegung im Gras schreckte sie auf und Beide wandten die Köpfe. Es war ein Tier, das vorsichtig näher schlich. Reno wagte sich nicht zu rühren, aber der blonde Mann streckte ruhig seine Hand nach hinten aus, griff nach den Fischköpfen und den Innereien und reichte sie dem Tier.

Es schnappte hastig danach, wieder raschelte es im Gras und dann war das Tier verschwunden.

"War das nicht ein Fuchs?"

Reno hatte die ganze Zeit die Luft angehalten und auch jetzt wusste er nicht sicher, ob ihm die Einbildung nicht doch einen Streich gespielt hatte.

"Ja, es war ein Fuchs.", antwortete Rufus ruhig.

"Und der kommt zu dir und frisst dir aus der Hand?" Der Rothaarige machte ein erstauntes Gesicht.

Darauf kam von dem Blonden nur ein Nicken und ein leises "Ja."

"Aber wie ist das möglich, hast du eine besondere Macht über Tiere? Bist du auch ein Hex... ich meine, ob du auch...", brach der Kleine seinen Satz irgendwie noch ab.

"Wenn du es als Teufelswerk betrachtest, dass ich mich um einen verletzten jungen Fuchs gekümmert habe, dann bin ich vielleicht, was du meinst....

Ich fand ihn im Frühsommer, er war krank. Ich brachte ihn hierher und pflegte ihn, bis er wieder gesund war. Eine Weile blieb er noch in der Nähe der Hütte, dann war er plötzlich verschwunden. Aber seither kommt er fast jeden Tag und holt sich sein Futter.", erklärte der Blonde wiedermal ruhig.

"Kannst du auch Menschen heilen?" Wieder ein Nicken.

"Das verstehe ich nicht... Die Leute sagen doch, wer Krankheiten heilen kann, der kann anderen auch Krankheiten anhexen. Und es heißt, man müsse dem Teufel seine Seele verschreiben, um das zu können. Auch die Pfarrer sagen das."
 

"Ja, sie waren sogar die Ersten, die das behauptet haben!", Rufus' Stimme wurde lauter, als dieser es beabsichtigt hatte.

"Dann muss es doch stimmen, oder?", fragte Reno unsicher und legte den Kopf schief.

"Glaubst du wirklich, dass der Böse einem Menschen die Fähigkeit verleiht, Gutes zu tun? Die Pfarrer lehren uns, dass der Teufel nur das Böse will. Warum sollte dann ausgerechnet Er manchen Menschen die Fähigkeit verleihen, Schmerzen zu lindern und andere zu heilen?" Rufus verschränkte die Arme vor der Brust und sah den Jüngeren ernst an.

"Na ja... Ich weiß auch nicht, warum die Leute so etwas sagen. Warum verfolgt man Menschen, die anderen helfen?" Reno wurde immer leiser und unsicher zumute.

"Die Leute sagen vieles. Vielleicht haben sie nur Angst. Nein, nicht vielleicht. Die Menschen haben Angst. Und wenn man Angst hat, braucht man Schutz. Und wenn man nicht einmal weiß, wovor man sich fürchtet, muss man eben etwas finden, gegen das man sich schützen kann. Aber es muss etwas sein, über das man Macht hat.

Es ist natürlich einfach, dem Teufel die Schuld zuzuschieben, wenn etwas schief geht. Aber den Teufel kann man nicht verbrennen oder bekämpfen. Da verbrennt oder bekämpft man lieber andere, die schwächer sind und über die man Macht hat." Bei diesen Worten klang Rufus wie gewohnt kühl, aber ehrlich.

"Wie meinst du das? Du redest so schwierig mit mir... Kannst du es nicht so sagen, dass ich es verstehe?"

"Also gut. Obwohl du noch ein Junge bist, hast du es schon selber erleben müssen... Als sie deine Mutter abholten und als du bei dem Feuer zu sahst, hättest du ihr doch gern geholfen, nicht wahr?"
 

Reno war von dem Gespräch so gebannt, dass er nur nicken konnte. Die Sonne war untergegangen und die weiße Sommernacht kam zwischen Baumstämmen herauf.

Vom Fjord erklang ein Vogelruf, leise und klagend, und in der Feuerstelle erlosch die letzte Glut.

"Warum hast du ihr nicht geholfen?", kam nach einer Weile des Schweigens Rufus' Frage.

"Weil... na ja, es waren eben zu viele, und sie waren alle stärker als ich. Ich hatte Angst."

"Aber wenn du größer und stärker gewesen wärst, hättest du sie gewiss niedergestoßen und umgebracht. Als ich dich fand und hörte, warum du fortgelaufen warst, verspürte ich selber die größte Lust dazu. Ich glaube, in jedem von uns steckt wohl ein Hexenjäger...

Aber wir sollten hineingehen. Nachts soll man schlafen, Morgen wirst du mir den Rest erzählen."

Sie gingen in die dunkle Hütte. Die warme, nach Kräutern duftende, Luft hüllte sie beide ein wie eine weiche Decke. Sie legten sich unter die Schaffelle, der Mann und der Junge. Die Sommernacht drang durch die offene Hüttentür und alles war friedlich und still.
 

Am nächsten Morgen standen sie früh auf. Draußen lag der Tau auf dem Gras und zwischen den Zweigen der Bäume spannten sich Spinnweben, in denen noch Tautropfen schimmerten.

Alles war still und friedlich. Reno fühlte sich sicher, hier würde ihn niemand finden.

Doch noch ehe die Sonne den Tau getrocknet hatte, merkte der Rotschopf, dass andere Rufus und seine Hütte sehr wohl kannten.

Der Blonde erklärte ihm gerade, wie er den großen Lachs räuchern wollte, da hörten sie Schritte auf dem Pfad. Ein Mann räusperte sich und es klang, als täte er es nur, damit sie ihn kommen hörten.

Sie traten vor die Hütte und da sahen sie den Fremden den Pfad heraufkommen. Er war noch jung. In seiner rechten Hand trug er ein zu einem Bündel geknotetes Tuch.

Sein linker Arm hing schlaff herab und sah merkwürdig verdreht aus.

Vorsichtig wich der Mann den Zweigen aus. Vor der Hütte blieb er stehen und begrüßte Rufus.

"Ja, Rufus, da bin ich wieder. Wie du siehst, ist es mit dem Arm wieder schlimmer geworden, wirst du mir helfen?"
 

"Komm nur herein, Henrik, und setz dich! Es ist kein Vergnügen, mit einem ausgekugelten Arm herumzugehen. Aber es ist dir ja schon so oft passiert, dass du dich vielleicht daran gewöhnt hast?"

Rufus lächelte kühl, aber der Fremde antwortete nicht, sondern trat in die Hütte. Man merkte, dass er schon früher hier gewesen war und sich auskannte. Vorsichtig legte er sein Bündel auf den Tisch und setzte sich auf einen Schemel.

"Ich habe dir ein paar Eier mitgebracht", sagte er. "Da, im Beutel, ich habe sie dem Bauern gestohlen. Schließlich habe ich seinem Pferd den verrenkten Arm zu verdanken. Da ist es wohl nicht so schlimm, dass ich die Eier mitgenommen habe."

Er sah neugierig zu Reno hinüber. "Hast du dir einen Gehilfen genommen?", fragte er und drehte sich nach Rufus um.

"Vergiss lieber, dass du ihn gesehen hast!", erwiderte dieser ruhig. "Es geht niemanden etwas an, dass er hier ist. Und nun zieh dein Hemd aus, damit wir den Arm wieder einrenken können!"

Der Mann fingerte mit einer Hand an den Knöpfen herum, Rufus musste ihm helfen, denn mit dem schlimmen Arm konnte der Fremde ja nichts tun.

Er stöhnte vor Schmerzen auf, sobald Rufus seinen Arm berührte, aber schließlich stand er doch mit bloßem Oberkörper bereit. Rufus ließ seine Finger über die Schulter und den Rücken des Fremden gleiten.

Reno ging zur Tür, er wollte die Qualen des Mannes nicht mitansehen, aber davonlaufen mochte er auch nicht. Gebannt beobachtete er Rufus' Finger. Sie fühlten, drückten, untersuchten die Kranke Schulter und es schien, als gehörten sie gar nicht mehr zum Blonden, als wären sie selbstständige, lebendige Wesen, die über Arm und Schulter glitten.
 

Dann legte sich Rufus' rechte Hand auf den Oberarm des Mannes und hielt ihn fest. Die andere legte sich auf die schlimme Schulter.

Danach ging alles so rasch, dass Reno es kaum erfassen konnte. Plötzlich verdrehte Rufus den Arm leicht und gab ihm gleichzeitig einen kurzen, harten Ruck.

Der Mann brüllte vor Schmerzen auf und fiel vornüber auf den Tisch. Und schon saß der Arm wieder richtig in der Schulter.

Der Fremde war auf den Schemel zurückgesunken. Er sah ein wenig mitgenommen aus und schnappte nach Luft. Dann trocknete er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, hob den Kopf und lächelte schwach.

"Ich glaube, jetzt hast du mir schon zum fünften Mal den Arm wieder eingerenkt. Aber ganz habe ich mich noch nicht richtig daran gewöhnen können. Trotzdem danke ich dir."

"Vielen Dank für die Eier.", entgegnete Rufus. "Ich packe sie gleich aus, damit du dein Tuch wieder mitnehmen kannst."

Kurz darauf standen Rufus und Reno vor der Hütte und schauten dem Mann nach, der den Pfad hinunter ging. Sie hörten, wie er zu pfeifen begann.

"Ich habe ihn gern.", meinte Rufus dann leise. "Er ist ein tapferer Bursche. Es tut schrecklich weh, wenn einem die Schulter eingerenkt wird. Er hat mir übrigends geholfen, mein Boot zu bauen."

Rufus wandte sich um und ging in die Hütte, Reno blieb draußen stehen. Immer wieder hörte er die Worte, die der Ältere gesagt hatte: "Ich habe ihn gern."

Und langsam wurde ihm bewusst, dass es etwas Großes war, wenn Rufus einen gern hatte.

Er stand noch auf demselben Fleck, als der Blonde aus der Hütte kam und ihn fragte, ob er mitkommen wolle zum Fischen...

Erzählung, die Zweite

Kapitel Vier: Erzählung, die Zweite....
 

....
 

Die Wellen plätscherten gegen die Bootswand. Auf dem Boden des Kahns lagen zwei Forellen, die Reusen hatten sie eingeholt. Rufus hatte seinen weißen Mantel ausgezogen und sonnte sich.

Zuerst war Reno verlegen gewesen, denn er war es nicht gewohnt, einen Menschen nackt vor sich zu sehen und irgendwie kam es ihm sündhaft vor.

Rufus hatte ihn aufgefordert, sich doch auch auszuziehen, aber Reno hatte abgewehrt und gesagt, er wisse nicht so recht und daran sei er nicht so gewöhnt.

Der Mann hatte gelächelt und etwas gemurmelt wie, das sei der Stoff, aus dem man Hexenjäger mache. Darüber hatte der Rothaarige nachgedacht und nun erzählte er dem Blonden, was die Hexenjäger seiner Mutter nach jenem Verhör auf der Dorfwiese angetan hatten.

"Sie verhörten sie drei Tage lang, aber meine Mutter gestand nichts. Sie schwor, dass sie nicht mit dem Teufel im Bunde sei.

Ich wartete immer, bis das Verhör begann, ehe ich auftauchte, denn dann kümmerte sich niemand mehr um mich. Die Leute, die sich da im Kreis drängten, waren noch schlimmer als die, welche Mutter verhörten. Sie schrieen, Mutter hätte auf die Bibel gespuckt, oder sie hätte mit dem Teufel gehurt. Und eine behauptete, sie hätte mit eigenen Augen gesehen, wie Muter auf dem Besen durch die Luft geflogen sei.

Doch Mutter weinte nur und sagte, das sei alles nicht wahr. Aber da nahm sie der Pfarrer in die Zange. Er verlangte, sie solle ihre Sünden bekennen, damit ihre Seele vom Feuer gereinigt und dem Teufel entrissen werden könne. Er sagte: >Dann wird deine Seele zu Gott zurückkehren und auch du wirst in den Lebensstrom kommen.<

Mutter aber sagte, sie könne doch nichts bekennen, was sie nicht getan habe. Sie habe nur Kranken geholfen, die zu uns gekommen seien. Sie konnte nicht verstehen, dass es Sünde sein sollte, einem Mann zu helfen, den ein paar durchdrehende Pferde fast zu Tode geschleift hatten, oder einem Kind, das Schmerzen hatte."
 

Reno ließ seine Hand ins Wasser hängen, seine Stimme war leise und ruhig. Es war, als spräche er einfach in die Luft hinaus, ohne nachzudenken. Der blonde Mann hatte seine Augen geschlossen. Vielleicht fiel es dem Rotschopf leichter, wenn er das Gefühl hatte, dass niemand ihn anschaute.

"Der Pfarrer aber quälte sie weiter und schließlich fragte er sie: >Du leugnest also, dass du mit dem Teufel im Bunde bist?<

Mutter sagte: >Ja!< Und dann fragte er sie kühl: >Leugnest du auch, dass du am Weihnachtsabend und in der Johannisnacht durch die Luft zum Ford Condor geflogen bist und dich dort mit anderen Hexen getroffen hast?<

Mutter leugnete dies ebenfalls und sie sagte auch, es sei nicht wahr, dass sie mit anderen Hexen zusammen gewesen wäre.

Da wurde der Pfarrer wütend und schrie: >Du bist nicht nur eine Hexe und ein Zauberweib, sondern außerdem eine hartnäckige Lügnerin! Aber dagegen gibt es Mittel. Wir werden einen Boten schicken...<

Ich habe nie erfahren, wohin er ihn senden wollte, denn da rief ein Mann: >Wer weiß, vielleicht ist sogar der Teufel der Vater deines Sohnes? Du hast ja keinen Mann und ein ehrlicher Kerl lässt sich nicht mit einer Hexe ein.<

Da fingen die Leute, die im Kreis herumstanden, wieder an zu zetern und zu kreischen. Einer bemerkte mich und schrie: >Da ist er ja! Fangt ihn, schnell, fangt ihn!< Aber ich hatte mich schon aus dem Staub gemacht.

Ich lief über die Wiese zum Wald und die ganze Schar stürzte hinter mir her. Aber ich was schneller und so entkam ich.

Doch von jenem Tag an wagte ich mich nicht mehr im Dorf zu zeigen. Ich traute mich nur noch Nachts hin.

Früher hatte ich Angst vor der Dunkelheit gehabt. Aber in dieser Zeit lernte ich, dass man sich vor der Finsternis nicht zu fürchten braucht. Wenn man sich verstecken muss, kann die Dunkelheit auch zum Freund werden."
 

Reno richtete sich auf, denn eine der Bootsspanten scheuerte ihn am Rücken und das tat allmählich weh. Er setzte sich in den Bug und stützte sein Kinn auf die Hand.

Leise fuhr er dann mit seiner Erzählung fort.

"Jeden Tag versteckte ich mich im Gebüsch am Weg. Einmal sah ich einen Wagen von Richtung Ford Condor heranrollen. Irgendwie spürte ich, dass er etwas mit meiner Mutter zu tun hatte.

Als es dunkel wurde, schlich ich mich hinunter zum Pfarrhof. Ich kroch auf dem Bauch durch den Pfarrgarten und kam zu einem Durchgang zwischen dem Wohnhaus und der Scheune. Nirgends war ein Licht zu sehen. Gerade wollte ich wieder fort, als ich die Stimme meiner Mutter hörte: >Nein... das nicht<, flüsterte sie. Es klang, als ob sie weinte. Aber sie schrie nicht, noch nicht jedenfalls...

Da entdeckte ich, woher das Geräusch kam. Ganz unten, nahe am Boden, befand sich in der Mauer eine kleine Lücke. Sie musste in den Kellerraum führen, wo sie meine Mutter gefangen hielten.

Also kroch ich hin, um nachzuschauen, ob ich richtig vermutete. Sie hatten zwar das Loch zugenagelt, aber nicht ganz. Ein Stück des Kellers konnte ich sehen; die Menschen, die sich dort unten aufhielten, allerdings nicht.

Aber ein Feuer war dort angezündet, das sah ich an dem Schein auf der Wand. Wie ich da so lag, hörte ich plötzlich die Stimme des Pfarrers: >Elsbeth Kiribani, gestehst du, dass du eine Hexe bist?<

>Nein!<, sagte meine Mutter, aber sie sprach ganz leise. Da sah ich plötzllich einen Mann, den ich nicht kannte. Er ging durch den Raum und trug eine glühende Eisenstange in den Händen.

Deutlich konnte ich ihn nicht sehen, denn er ging in die Ecke, in die ich nicht hineinschauen konnte. Wieder hörte ich den Pfarrer. >Elsbeth Kiribani, gestehst du, dass du eine Hexe bist?<

Da wimmerte sie auf, immer heftiger, immer lauter. Dann kam der Schrei. Meine Mutter schrie und schrie, dann wimmerte sie nur noch leise und schließlich sagte sie: >Ja!<

Ich fing an zu weinen. Ich wollte davonlaufen, aber da fragte der Pfarrer, ob es wahr sei, dass meine Mutter auf den Ford Condor geflogen wäre. Erst sagte sie 'Nein', doch dann fing sie wieder an zu schreien und es endete damit, dass sie auch dazu 'Ja' sagte.

Als der Pfarrer wieder mit seinen Fragen anfing, konnte ich es nicht mehr ertragen und lief davon. Ich zwängte mich durch die Hecke und auf dem Weg zum Wald hörte ich meine Mutter wieder schreien."
 

Danach schwieg der Rothaarige und die Tränen liefen ihm über das Gesicht.

Eine Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben und im Süden kroch eine blauviolette Wolkenbank über den Horizont.

Rufus zog seinen weißen Mantel wieder über. Das Licht über dem Fjord hatte sich verändert. Es war bleiern geworden, wie vor einem Gewitter.

Der junge Mann griff nach den Rudern und warf einen Blick zum Ufer. Dann holte er kräftiger aus.

"Nimm dich zusammen, Reno! Wir bekommen Besuch", sagte er ruhig und ruderte weiter...

Behandlung oder Vorahnung?

Kapitel Fünf: Behandlung oder Vorahnung?....
 

....
 

Der Fremde erwartete sie am Ufer. Er war gekleidet wie alle Bauern, in Loden und Holzschuhe. Das Einzige, was ihn von Anderen unterschied, war ein Tuch, das er etwas ungeschickt um eine Hand gewickelt hatte. Er war rot im Gesicht und schwitzte, man sah ihm an, dass es ihm nicht gut ging.

"Willkommen!", sagte Rufus kühl und betrachtete den Fremden, der nur einen undeutlichen Gruß murmelte.

"Bist du nur hergekommen, um mich zu besuchen, oder hast du ein Anliegen?", kam nach kurzer Zeit die ruhige Frage des Blonden.

"Das kommt ganz darauf an... Bist du der kluge Rufus?", sah ihn der Fremde fragend und unsicher an.

"Und wenn das so wäre?" Der Blonde legte den Kopf schief und zog eine seiner Augenbrauen in die Höhe.

"Ich habe einen kranken Finger...", meinte der Fremde nur und hob demonstrativ die eingewickelte Hand an.

"Dann geh zum Pfarrer!", war die schroffe Antwort des Blonden.

Der Verletzte sah ihn vollkommen verdutzt an. "Zum Pfarrer? Wieso denn das?" Die Frage strotzte geradezu vor purer Verwirrtheit.

"Dort drüben", sagte Rufus und wies zum Sund hinüber, "dort drüben haben sie erst vor ein paar Tagen eine Frau verbrannt. Sie hatte weiter nichts getan, als Leuten geholfen, die sie darum baten... Aber der Pfarrer ließ den Henker aus Ford Condor kommen und die Menschen, denen sie geholfen hatte, waren die Ersten, die sie anklagten. Ich habe keine Lust, der Nächste zu sein, den sie verbrennen."

"Aber ich würde doch nie...", schüttelte der Fremde nur den Kopf.

"Und ob du würdest, wenn das Hexenfieber erst einmal ausgebrochen ist... Lass mich den Finger sehen!", verlangte Rufus dann ernst und sah ihn dementsprechend an.
 

Der Mann nickte ergeben und wickelte vorsichtig den Lappen von der Hand. Sein Zeigefinger war prall wie eine Wurst und bläulich rot. Die ganze Hand und der Unterarm waren so angeschwollen, dass er die Finger nicht mehr krümmen konnte.

Rufus schob behutsam seine Hand unter die Hand des Verletzten und hob sie leicht an.

"Wie lange läufst du schon damit herum?", fragte er an den Anderen gewandt und besah sich die Hand.

"Ich weiß nicht. Vielleicht acht oder zehn Tage. Ich habe mir den Finger an einem Wagenbeschlag aufgerissen...", erklärte dieser ruhig.

"Komm mit!"
 

Reno hatte Rufus noch nie mit so strenger Stimme sprechen gehört. Der Blonde ging voran. Er lief so rasch, dass der Fremde und Reno ihm kaum folgen konnten.

Rufus schob, in der Hütte angekommen, den Tisch und einen Schemel zur Tür, damit er besser sehen konnte.

"Setz dich und leg den Arm auf den Tisch.", verlangte er kühl.

Er ging zu der Truhe mit den Eisenbeschlägen und kam mit ein paar Salbentöpfchen, einigen getrockneten Blättern und einem zusammengerollten Leinenstreifen zurück.

"Der Finger muss geschnitten werden. Kannst du Blut sehen, mein Kleiner?", wandte er sich fragend an Reno.

"Ich weiß nicht... Daheim habe ich ja öfters welches sehen müssen.", nuschelte Gefragter nur leise in seinen nicht vorhandenen Bart hinein.

"Gut! Wenn nicht, lernst du es jetzt, und das ist nur nützlich. Aber vielleicht sollte ich dich auch davon fernhalten. Wer weiß..."

Er ging wieder zur Truhe, diesmal brachte er eine Eisenschale mit, die er dem Rothaarigen reichte.

"Halte sie unter den Finger. Aber es wird schlimm aussehen!"

Danach wandte er sich zum Tisch und wickelte den Leinenstreifen auf. Ein Messer kam darin zum Vorschein.

Es war nicht groß, aber blank und auf beiden Seiten scharf geschliffen. Er griff nach dem Arm des Mannes und legte ihn so auf den Tisch, dass die Handfläche nach oben gerichtet war, aber Hand und Finger über die Tischkante ragten.

Mit einer Hand presste Rufus den Arm des Kranken fest auf die Tischplatte, mit der anderen hielt er das Messer.

"Schau weg und halte still!", befahl er.

Der Blonde setzte das Messer unten am Finger an, dann drückte er zu. Mit einer langen, gleitenden Bewegung schnitt er das Fleisch bis zum Knochen auf.

Blut und Eiter quollen hervor und spritzten in die Schale. Rufus presste mit beiden Händen den Arm des Mannes und drückte mit kreisenden Bewegungen Blut aus Arm und Hand. Schon lange hatte Reno sich abgewandt.

"So, das ist genug! Stell die Schale nach draußen."
 

Reno taumelte aus der Hütte und setzte die Schale ins Gras. Sein Magen krampfte sich zusammen. Der Rotschopf drehte sich mühsam um und übergab sich.

Als er in die Hütte zurück kam, war Rufus gerade dabei, die Salbe auf die Wunde zu streichen. Er legte ein paar getrocknete Blätter darauf und darüber einige frische, die er auf dem Weg zur Hütte von einem Busch abgebrochen hatte.

Zum Schluss riss er das Tuch des Mannes in Streifen und wickelte diese zu einem Verband um den Finger.

Dann richtete er sich auf und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. "Mehr kann ich nicht tun", sagte er. "Vielleicht wirst du gesund, vielleicht auch nicht. Komm in vier Tagen wieder. Mir fehlt Salz, bring mir etwas mit."

Der Fremde hatte kein Wort gesagt, seitdem er die Hütte betreten hatte. Er hatte nur gestöhnt, als Rufus mit der Beschnittung des Fingers begann und jetzt blickte er den jüngeren Mann an.

Sein Gesicht war vorher rot und fiebrig gewesen, jetzt war es leichenblass und die Schweißtropfen rannen ihm über die Wangen.

"Ich habe dir Käse mitgebracht. Ich wusste nicht..." Er zog mit der gesunden Hand ein Stück fetten, gelben Käse aus seiner Jackentasche.

"Gut, bleib sitzen und ruh dich ein bisschen aus. Ich werde dir ein Getränk zubereiten, damit du für den Heimweg wieder zu Kräften kommst."

Rufus ging zur Feuerstelle und entfachte die Glut. Dann kramte er in der Truhe herum und brach ein paar Kräuterstängel aus dem Büschel, das von der Decke herabhing.
 

Währendessen ging Reno wieder hinaus an die frische Luft. In seinem Magen rumorte es leider immer noch. Er sehnte sich nach einer Brise, um sein Gesicht zu kühlen.

Die Hitze lastete schwül und drückend über dem Hang und der rothaarige Wuschelkopf hatte Kopfschmerzen.

Bald darauf kamen auch die beiden Männer hinaus. Der Fremde hatte wieder Farbe bekommen und seine Augen blickten ruhig.

"Mach du ein Feuer zwischen den Steinen, Reno. Ich begleite den Mann noch ein Stück."

Rufus' Stimme klang jetzt ganz anders, nicht mehr so schroff und barsch wie zu Anfang, als der Fremde bei ihnen aufgetaucht war, und Reno war froh darüber.

Als der Blonde zurückkam, brannte ein Feuer zwischen den Steinen, genau wie er es von dem Jüngeren verlangt hatte.

Der Himmel war inzwischen fast schwarzviolett und über dem Hügel lastete eine drückende Stille. Das Unwetter konnte jeden Augenblick losbrechen.

Rufus nahm die Schüssel mit Blut und Eiter und leerte sie ins Feuer. Es zischte und spritzte und das Feuer schien zu erlöschen. Doch dann schlugen die Flammen wieder in die Höhe und der Ältere legte die Schale umgedreht auf die drei Steine ins Feuer.

Auch das Messer hielt er kurz in die Flammen.

"Warum tust du das?", fragte ihn der Rote verwirrt und neugierig zugleich.

"Ich weiß nicht, aber ich mache es immer so. Vielleicht, weil ich mir denke, dass das Feuer das Übel verbrennt. Schaden kann es ja nicht... Wenn die Priester glauben, dass das Feuer die Seele reinigt, dann wird es wohl auch mein Messer reinigen."

Da zuckte der erste Blitz über den Himmel und der Donner grollte zwischen den Höhenzügen am Fjord...

Kleine Entscheidung

Kapitel Sechs: Kleine Entscheidung...
 

.....
 

Der Mann und der Junge saßen in der Hütte und draußen tobte das Unwetter. Vor der geöffneten Tür fiel der Regen herab wie ein Vorhang. Es war düster, mehrmals war der Blitz in den Fjord eingeschlagen und hatte Wasserfontänen emporgeschleudert.

Es schien, als sei das Unwetter in den Hügeln um den Fjord gefangen. Das Gewitter zog zwischen den Höhenzügen hin und her, und der Donner grollte über dem Wasser.
 

In der Hütte war es ebenso finster, wie draußen, wenn nicht sogar noch dunkler.

Keiner von Beiden sprach, aber Reno hatte das Gefühl, dass er etwas sagen sollte.

Er schaute Rufus jedes Mal in das blasse Gesicht, sobald es von einem Blitz erhellt wurde. Der Blonde wirkte gelassen, ja fast heiter.

Aber Reno fürchtete sich und plötzlich konnte er die Frage, die ihn beschäftigte, nicht länger zurückhalten.

"Glaubst du an Vorzeichen, Rufus?"

Angesprochener drehte den Kopf zu dem rothaarigen Jungen. "Warum fragst du?" Es war, als wäre Rufus weit weg gewesen und müsste erst richtig zu sich kommen, ehe er antwortete.

"Könnte das Unwetter nicht ein Vorzeichen sein? Ich meine: Ist es nicht merkwürdig, dass es in dem Augenblick losgebrochen ist, als du die Schale ins Feuer geleert hast?", murmelte und vermutete Reno leise.
 

"Nein, merkwürdig ist das nicht. Der Herrgott macht kaum so viel Aufhebens, nur um mir mitzuteilen, dass er unzufrieden ist mit mir. Ein Unwetter kommt, wenn es kommen muss, und es ist gleich, ob ich nun gerade einen Kranken behandelt habe oder nicht.", meinte der Blonde nur gelassen.

"Aber es ist doch sonderbar, dass beides genau zusammentrifft..."

Rufus schüttelte darauf nur ganz leise lachend seinen Kopf. "Nein, das ist es nicht. Wenn der Mann nicht gekommen wäre, wäre dir die Idee mit dem Vorzeichen nie eingefallen... Aber er ist gekommen, ich habe ihm geholfen, und nun denkst du an Vorzeichen. Ab und zu helfe ich eben einem Menschen, und ab und an kommt ein Gewitter. Und manchmal geschehen diese beiden Dinge auch gleichzeitig."

"Aber hast du denn nie Angst davor, dass sie dich beschuldigen könnten, ein Zauberer zu sein, dass sie dich verbrennen, wie all die Anderen?" Reno sah den Älteren fragend an.

"Doch, davor habe ich Angst. Ich habe dir schon früher gesagt, dass alle Menschen Angst haben. Aber ich weiß, wovor ich Angst habe. Das ist meine Stärke. Jedes Mal, wenn ich einem Kranken helfe, lege ich einen Holzscheit auf meinen eigenen Scheiterhaufen... Jeder, der zu mir kommt und mich um Hilfe bittet, kann der sein, der diesen Scheiterhaufen in Brand steckt. Aber soll ich deswegen einen Menschen leiden oder gar sterben lassen?" Rufus legte den Kopf schief und sah den Jüngeren ernst an, nachdem er diese Schlussfrage an ihn gestellt hatte.
 

Dieser senkte den Kopf etwas und ballte die Hände zu Fäusten. "Keiner hat danach gefragt, ob meine Mutter leiden würde... Sie haben sie einfach umgebracht!" Die Zähne presste er zusammen und fing ganz leise das Knurren an.

Der Blonde nickte einmal kurz verständnisvoll. "Ja, mein Kleiner. Und sie haben es getan, weil sie feige waren und schwach. Sie hatten die Macht, und wer die Macht hat, ist immer schwach. Aber wo hättest du deine Mutter lieber gesehen, wenn du die Wahl gehabt hättest? In der Mitte des Kreises, bei den Peinigern?"

Reno antwortete auf diese Frage nicht. "Aber das ist doch ungerecht..."

"Die Welt ist nicht gerecht, mein Kleiner. Wäre es denn gerecht, wenn ich die vielen, die meine Hilfe brauchen, im Stich ließe, nur weil einige von ihnen vielleicht Lust bekommen könnten, mich irgendwann zu verbrennen?"

Der Rothaarige ballte seine Fäuste noch etwas mehr. "Glaub nur nicht, dass es nur ein Paar sein werden! An dem Tag, an dem sie über dich herfallen, werden alle dabei sein wollen..."

Der Ältere winkte leicht schmunzelnd ab. "Das weiß ich... Aber sie tun es nur, weil sie Angst haben. Wer wagt es schon, den Schwachen beizustehen. Entweder halten sich die Leute ganz aus der Sache heraus, oder sie schließen sich der Gruppe an, die am stärksten ist. Dann haben sie die Macht, und an der Macht halten sie sich mit aller Gewalt fest. Aber sollte ich die Kinder leiden lassen, nur weil ihre Eltern ängstlich und schwach sind? Sollte ich die Eltern leiden lassen, weil sie Angst haben und in ihrer Angst darauf verfallen könnten, mich zu verbrennen? Es ist wichtig, dass man sich entscheidet... Man muss sich immer wieder aufs Neue entscheiden. Die meisten aber entscheiden sich nur dafür, den Dingen ihren Lauf zu lassen."
 

"Du bist ein merkwürdiger Mensch... Du kämpst mit Fischen und fütterst Füchse. Du schneidest Finger auf und sagst sonderbare Dinge. Und du redest mit mir, als wäre ich erwachsen. Du wirkst so stark und sicher...", murmelte der Rote leise und sah den Anderen an.

"Das bin ich nicht, Kleiner... Ich glaube, in dem Augenblick, da man sich stark und sicher fühlt, ist es aus. Wenn man glaubt, die Erlösung gefunden zu haben, ist man verloren..."

Der Rotschopf sah verwundert auf und blinzelte verwirrt. "Wie meinst du das?"

"Ich meine, dass man still steht, wenn man glaubt, die Wahrheit gefunden zu haben und nicht mehr zweifelt. Hüte dich vor Wahrheiten! Nicht nach dem wahren Glauben solltest du suchen, sondern nach einem gesunden Zweifel."

Reno nickte. "Ich will darüber nachdenken. Aber sprich jetzt nicht weiter. Ich bin es nicht gewohnt, dass man mit mir über solche Dinge redet."
 

Danach waren sie beide still. Innerhalb von wenigen Tagen hatten sie etwas erreicht, wozu viele Menschen Jahre brauchten: Sie konnten zusammen schweigen.

Sie blickten über den regengepeitschten Fjord, über die Hügel und Wälder. Und die Scheiterhaufen wuchsen und wuchsen, bis sie keine Scheiterhaufen mehr waren, sondern leuchtende Sterne, und die Hütte weitete sich zu einem hellen, großen Raum, in dem man sich dennoch geborgen fühlen konnte.

Und sie träumten weiter, jeder auf eigenen Wegen, die doch an das selbe Ziel führten. Das Gewitter tobte sich langsam über ihren Köpfen aus, und zuletzt strömte nur noch der Regen sanft hinab.

Der junge Mann stand auf und zog sich seinen langen, weißen Mantel aus.

"Was willst du? Wo willst du hin?", fragte Reno sichtlich verwirrt.

Der Blonde drehte sich zum Rothaarigen um und lächelte sacht. "Hinaus, ich muss den Rauch der Scheiterhaufen und die Angst vor einem Mann mit einem kranken Finger von mir abwaschen... Geht es dir vielleicht auch so?"

Reno sprang auf und riss sich die Sachen vom Leib. Er rannte aus der Hütte hinaus in den Regen.

Lange gingen sie nebeneinander durch den Regen: der Mann und der Junge...

Erzählung, die Dritte

Kapitel Sieben: Erzählung, die Dritte....
 

....
 

(Anmerkung zu *: Da der Tollkirschentrank wirklich richtig tödlich wirken kann, bitte nicht ausprobieren...)
 

....
 

Am nächsten Tag war die Luft frisch und rein und alles leuchtete in klaren Farben.

Auch Reno hatte sich verändert. Es war, als hätte der Regen den Hass und die Angst von ihm abgewaschen, so dass er über alles, was geschehen war, auf eine andere Weise dachte.

Der junge Mann hatte ihn früh am Morgen geweckt und sie waren am Fjord entlanggegangen, bis sie zu einem Weidengebüsch kamen. Sie waren ja nun zu zweit und brauchten mehr Nahrung, und da wollte der erfahrene Mann eine zusätzliche Reuse auslegen.

Den Vormittag verbrachten sie damit, Weidenruten zu schneiden. Sie kamen erst am Nachmittag heim, beide mit großen Bündeln beladen.

Sie machten eine Stunde Rast und aßen. Dann zeigte der Mann dem Jungen, wie man Reusen flicht. Reno war sogar recht geschickt. Schon bald konnte er an der Reuse weiterarbeiten, mit der Rufus begonnen hatte.

Der Blonde machte inzwischen Köderhaken, der die Fische in die Reuse locken und ihnen hinterher den Fluchtweg versperren sollte.

Eine Zeit lang beobachtete Rufus den Rotschopf beim Flechten, dann sagte er: "Erzähl weiter, Reno... Es wird dir schwer fallen, aber erst wenn du es zu Ende erzählt und die Last mit einem Anderen geteilt hast, kannst du ganz frei werden. Solange du versuchst, das Vergangene einfach zu vergessen, und tust, als könntest du es, wird es immer weiter in dir wachsen und einen anderen Menschen aus dir machen. Dann wirst du zum Schluss genau wie die Leute, die du jetzt verachtest und die mit ihrer Angst allein sind..."
 

Renos Finger bogen die geschmeidigen und doch zähen Weidenruten. Unbewusst versuchte er, etwas von dieser Zähigkeit aufzunehmen: Die Fähigkeit, einer überlegenen Kraft zu trotzden, ohne dabei zu zerbrechen. Biegsam werden, ohne zu zerbrechen - dieses Gefühl breitete sich in seinem Körper aus, wurde ein Teil von ihm. Während der Arbeit lernte er von den Weiden.

Dann hatte er auch die Kraft und Willensstärke, weiterzusprechen.

"Ein paar Tage vergingen, aber nichts geschah... Der Folterknecht fuhr zum Ford Condor zurück, aber ich wusste, dass Mutter verloren war. Abends schlich ich um die Häuser und lauschte unter den Fenstern. Und so erfuhr ich, dass sie meine Mutter zum Scheiterhaufen verurteilt hatten und das sie immer noch im Pfarrkeller eingesperrt war.

Eines Nachts schlich ich mich wieder an die Kellerluke heran. Diesmal war kein Licht im Keller, aber ich hörte, wie dort unten jemand atmete. Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und rief ganz leise: >Mutter.< Sie kam ans Fenster, aber sie wirkte sehr verwirrt.

Ich glaube, dass sie vor Schmerzen und Angst fast den Verstand verloren hatte. Sie sagte mir, ich solle davonlaufen und mich verstecken, ihr könne ich nicht mehr helfen. Ich streckte meine Hand durch das Fenster und berührte ihre Wangen. Dabei streifte ich ihren Kopf und spürte, dass man sie kahl geschoren hatte. Meine Mutter hatte so wunderschönes Haar gehabt... Aber sie wollten wohl nicht, dass irgendetwas Schönes an ihr blieb.

Es war so schrecklich, dass ich es nicht mehr ertragen konnte. Zum Abschied drückte ich meine Handknöchel an ihre Lippen. Sie waren aufgesprungen und geschwollen, als hätte sie sie zerbissen.

Dann stand ich auf und lief fort, es war das letzte Mal, dass ich meine Mutter berührte..."
 

Reno hatte ruhig und gedämpft gesprochen und dabei weiter an der Reuse geflochten, nun war sie fast fertig. Langsam ließ er seine Hand über die Reuse gleiten und seine Traurigkeit ließ ein wenig nach.

Es war schön, etwas zu berühren, das man selber angefertigt hatte und das so biegsam und zugleich so fest war.

Rufus nahm die Reuse und zeigte dem Rothaarigen, wie er den Bügel befestigen müsse, an dem die Kiemen der Fische hängen bleiben sollten. Auch wie die Spitzen der Weidenzweige zusammengefasst und mit einem Rindenstreifen festgezurrt werden, brachte er Reno bei.

"Wollen wir sie gleich aussetzen?", fragte der Kleine keinen Augenblick später.

Am liebsten hätte er die Reuse sofort ausprobiert, aber Rufus schüttelte den Kopf. "Das hat keinen Zweck. Lass uns noch ein Paar andere anfertigen und dann legen wir sie in Ufernähe aus. In den ersten Tagen geht kein Fisch in eine neue Reuse. Sie muss erst nach Wasser, Schlamm und Fjord riechen, ehe die Fische hineinschwimmen."
 

So arbeiteten sie schweigend weiter. Die Sonne wanderte über den Himmel, die Schatten wurden lang und bläulich, und als die Sonne wie ein glühender Feuerball um Westen versank, gingen sie hinunter zum Strand und warfen drei neue Reusen ins Wasser.

Als sie wieder in der Hütte waren, erzählte der rote Wuschelkopf weiter.
 

"Eines Tages kamen sie mit zwei Wagen und holten alles ab, was sie im Haus fanden. Ein Wagen hätte genügt, denn wir besaßen nicht gerade viel. Sie nahmen sogar den Alkoven auseinander und warfen die Bretter auf den Wagen.

Sie zerrten die Kleider aus der Truhe und als sie ein altes von Mutter fanden, gröhlten sie und tanzten damit um den Hof herum. Von dem Gebüsch aus, hinter dem ich mich versteckt hatte, konnte ich alles beobachten.

Sie nahmen auch die Kuh mit. Sie banden sie hinten an einen Wagen, und als sie wegfuhren, blieb im ganzen Haus nicht ein Stück Holz zurück. Fast war ich froh darüber, dass sie auch die Kuh mitgenommen hatten, denn bis dahin musste ich mich jeden Tag zweimal nach Hause schleichen, um sie zu füttern und zu melken.

Jedes Mal hatte ich Angst gehabt, sie würden im Stall auf mich warten und mich mitnehmen. Aber nachdem die Kuh fort war, hatte ich auch nichts mehr zu essen. Von jenem Tag an musste ich hungern."
 

Die Beiden saßen im Schatten eines Wachholderbusches am Hang. Sie waren im Morgengrauen zum Kräutersammeln aufgebrochen, und als die Sonne aufging, waren sie schon wieder weit von der Hütte entfernt.

"Man muss die Kräuter pflücken, solange noch der Tau auf ihnen liegt", hatte der junge Mann erklärt. "Dann ist ihre Heilkraft am größten."

Sie hatten den großen Fingerhut gefunden, der gut ist für ein schwaches Herz, und in einem kleinen Beutel hatte Rufus Tollkirschen gesammelt, die den Menschen leichter schlafen lassen und beruhigen. Doch der Tollkirschentrank kann auch tödlich wirken, wenn man zu viel davon nimmt. *

Nun rasteten sie und aßen Brot und geräuchterten Lachs. Es war derselbe Lachs, den der Mann im Fjord gefangen und mit Wachholderzweigen und Kräuterwuzeln in dem Räucherhaus hinter der Hütte geräuchert hatte.

Vor ihnen lag die weite Landschaft: dunkle Hügelketten und dazwischen die in der Sonne glitzernde, weiße Fläche des Fjordes landeinwärts zwischen den Hügeln.

Auf der höchsten Anhöhe stand in vollem Sonnenlicht eine Kirche. Einst hatte man sie dort oben errichtet, damit sie den Fischern weit draußen auf dem Fjord Trost und Zuversicht spende. Doch nun erinnerte sie nur noch an Verfolgung, Folter und Tod.

Reno legte sich zurück in das Heidekraut und streckte sich aus. Er drehte sich um und sah zu, wie der Blonde einen Heidekrautstängel abzupfte, den Stiel mit dem Daumennagel spaltete und sich damit in den Zähnen stocherte.
 

"Für die Kuh bekamen sie am meisten. Alles andere war nicht viel wert."

Der Rotschopf drehte sich wieder auf den Rücken, schob die Hände unter den Nacken und blickte zum Himmel hinauf. Der Mann sah ihn von der Seite her an.

"Alles, was sie aus unserem Haus geholt hatten, wurde auf einer Auktion versteigert. Mit dem Geld sollte der Henker bezahlt werden und das Holz für den Scheiterhaufen ebenfalls.

Man braucht eine Menge Holz, um einen Menschen zu verbrennen. Alle aus unserem Dorf kamen zur Versteigerung, sogar Leute aus den Nachbardörfern waren dabei. Die Frau, die Mutter angezeigt hatte, kaufte die Kuh. Es war eine gute Kuh, die sie da bekam. Aber wenn sie ihr nicht genügend zu fressen gibt, wird sie bald genauso wenig Milch geben wie ihre anderen Kühe.

Das Geld sollte auch noch für die 'Letzte Kanne Wein' reichen, aber so viel wird wohl nicht zusammengekommen sein. So ein Henker ist teuer, aber vielleicht haben sie ihr den Wein trotzdem gegeben.

Sogar die Stricke, mit denen sie an die Leiter gebunden wurde, musste sie selber bezahlen... Der Verurteilte muss für alles selber aufkommen.

Die Bretter aus dem Alkoven und ein paar alte Kleider wollte niemand haben. Die wurden auf einen Haufen zur Seite gelegt. Die Männer hatten während der Versteigerung Branntwein getrunken, und als alles vorbei war, waren sie ziemlich betrunken.

Sie lachten und fluchten, und zum Schluss fingen sie an, das Holz für den Scheiterhaufen zusammenzufahren. Sie schichteten es unten auf der Wiese hinter dem Pfarrhauf auf. Als Letztes warfen sie die Lumpen und die Bretter aus dem Alkoven hinauf.

Der Mann, der das letzte Stück hinaufschleuderte, rief: >Morgen wird sie bestimmt nicht frieren in ihrem Bett! Da wird ihr noch wärmer werden, als wenn sie mit dem Teufel schliefe!<

Dann gingen sie nach Hause. Ich hatte mich oben in meinem Baum versteckt und von dort aus alles beobachtet.

Als es dunkel wurde, kletterte ich hinunter. Ich schlich zum Scheiterhaufen, nahm so viel Holz aus unserem Alkoven, wie ich tragen konnte, warf es in den Fluss und sah zu, wie es mit der Strömung davontrieb.

In jender Nacht schlief ich im Wald unter einer Tanne."
 

Reno schwieg. Seine Stimme hatte dünn und angespannt geklungen, aber er weinte nicht. Der Blonde saß neben ihm. Er drehte den Probviantbeutel zwischen den Händen. Seine Knöchel traten weiß hervor und seine Augen blickten hart.

Ohnmächtiger Zorn ging von ihm aus und zugleich eine Hoffnungslosigkeit, die Reno noch nie an ihm bemerkt hatte.

"Lass uns heimgehen, es ist ein weiter Weg, und wenn alles gut geht, bekommen wir morgen Besuch. So schwer das zu ertragen ist, so müssen wir uns doch vorläufig damit begnügen, Leuten mit kranken Fingern zu helfen.", sagte Rufus schließlich leise...

Entschlossenheit

Kapitel Acht: Entschlossenheit...
 

....
 

(Erstmal ein großes SRY, wegen der langen Wartezeit. Aber mein PC war tot und musste komplett formatiert werden, deswegen war auch meine Word-Datei weg, mit der ich das geschrieben habe und ich armes Ding musste das alles noch mal neu schreiben X.x

Aber jetzt gehts wie gewohnt mit 'Hexenfieber' weiter ^^ Und es geht schon bald auf den Endspurt zu~.. Also habt ihr es bald überstanden XD)
 

....
 

Der Morgennebel lag noch über dem Fjord, als sie hinausruderten. Über den Hügeln im Osten stieg die Sonne wie ein blutrotes Oval auf und verhieß einen warmen Tag.

Schnatternd flog eine Rohrdommel aus dem Schilf auf. Eine Zeit lang flatterte sie knapp über dem Wasser dahin, dann stieg sie mit kräftigem Flügelschlag in die Höhe und verschwand gen Westen.

Eigentlich hatten sie Fische genug und brauchten nicht hinauszurudern, aber sie hatten sich auf den Weg gemacht, ohne viel Worte darüber zu verlieren.

Auf dem Boot waren sie sich besonders nahe, und es war, als spürten sie, dass sie diese Nähe jetzt brauchten. Reno ruderte, ein bisschen ungeschickt vielleicht, aber seine Kräfte waren inzwischen zurückgekehrt, und er war begierig, alles Neue zu erlernen.

Noch legte er zu viel Kraft in das rechte Ruder, so dass er mit dem Linken gegensteuern musste, um die Richtung zu halten. Aber mit jedem Mal ging es besser.

Beide schwiegen dabei. Sie hatten die Muschelbank mit den Reusen längst hinter sich gelassen, aber der Rothaarige ruderte noch immer weiter.

Dann endlich zog er die Ruder ein und warf den Ankerstein aus. Der Morgennebel hatte sich langsam aufgelöst und die Luft war heiß und schwül.
 

Sie lagen im Boot und ließen sich von der Sonne durchglühen. Rings um das Boot lag der blanke, träge, Fjord und dahinter standen die Hügel.

Es war, als stünde die Zeit still in diesem Kessel, der alle Menschen fern hielt. Beide wussten, was jetzt kommen musste: der Bericht über den Tag, an dem sie Renos Mutter verbrannt hatten.

Und keiner hatte Lust, davon anzufangen.
 

Die Zeit verstrich...

Dann stand der Mann auf und glitt fast lautlos in das Wasser. Reno sah ihm nach, wie er mit ruhigen Zügen vom Boot wegschwamm.

Es sah so einfach aus...

Der Rotschopf griff nach einem Ruder und tauchte es in das Wasser. Aber obwohl er sich über den Bootsrand beugte und den Arm mit dem Ruder bis zur Schulter ins Wasser steckte, stieß er nirgends auf Grund.

Und wenn er sich am Bootsrand festhielt...?

Vorsichtig glitt er über den Bootsrand in das Wasser. Es war ein neues und fremdartiges Gefühl. Das Wasser umfing seine Beine und seinen Körper.

Die Bootskante schnitt ihm in den Bauch, und Reno wäre am liebsten in das Boot zurückgeklettert.

Doch er rutschte weiter, bis er ganz im Wasser lag, den Kopf hochgereckt und die Finger um den Bootsrand gekrallt. Seine Beine bewegten sich wie von selbst und er spürte, wie sein Körper auf das Boot zugetrieben wurde.

Langsam entspannte er sich und ließ sich vom Wasser umschmeicheln. Schließlich hielt er sich nur noch mit einer Hand am Boot fest.

Seine andere Hand schaufelte Wasser und seine Beine bewegten sich weiterhin wie von allein.

Langsam glitt er am Boot entlang nach vorne. Der Bug war höher und es war nicht ganz einfach, sich daran festzuhalten. Gleich vor ihm spannte sich as Ankertau.

Und wenn er jetzt das Boot losließe und versuchte, das Tau zu erreichen...?

Wie hatte Rufus gesagt: "Du musst lernen, den Fjord zu respektieren, dann wird er auch dich respektieren."

So ließ Reno also einfach mal los...

Er strampelte wie wild mit den Armen und Beinen, sein Mund füllte sich mit Wasser und er schluckte, schlug mit Armen und Beinen um sich und dann sank er.

In seinem Kopf dröhnte es. Er versuchte, die Augen aufzureißen, aber das Salzwasser brannte und er kniff sie sofort wieder zu.

War es so, wenn man starb...?
 

Er schlug weiter mit den Armen um sich und versuchte zu schreien, aber so schluckte er nur noch mehr Wasser.

Reno sank und sank und verstand nicht, warum er noch immer keinen Grund unter den Füßen spürte.

Verzweifelt schlug er weiter um sich, und plötzlich bekam er etwas zu fassen: das Ankerseil.

Der Rote zog sich daran hinauf, an die Luft und an das Licht. Er schnappte nach der nötigen Luft und dann übergab er sich. Der Bug war direkt über ihm.

Er wurde ruhiger und schließlich gelang es ihm sogar, sich an der Bootskante festzuhalten.
 

Als Rufus zurückschwamm, schwamm Reno um das Boot herum und gemeinsam kletterten sie in dieses zurück.

Dann ließen sie sich von der Sonne aufwärmen und später sagte der Blonde: "Vielleicht solltest du lieber im seichten Wasser üben, das ist um Einiges sicherer..."

Nach einer Weile erhob sich der Jüngere und er ließ den Blick über das Ufer gleiten, bis dorthin, wo damals die Rauchsäule gestanden hatte.

Langsam schüttelte er den Kopf und um seinen Mund legte sich ein Zug von Entschlossenheit. Mit dieser neuen Entschlossenheit erzählte er dann schließlich weiter.
 

"Der Henker kam schon am Vorabend. Am nächsten Morgen war das ganze Dorf auf den Beinen. Der Henkersknecht ging von Hof zu Hof, um eine Leiter zu kaufen. Jeder bot ihm die eigene an, aber er nahm die billigste.

Gegen Elf strömte dann das ganze Dorf auf der Wiese hinter dem Pfarrhaus zusammen.

Aus den Nachbardörfern waren sie mit Pferd und Wagen gekommen. Lange ehe die Ersten auftauchten, saß ich schon oben auf meinem Baum.

Um die Mittagszeit brachten sie meine Mutter. Sie hatten ihr die Hände auf den Rücken gebunden und neben ihr ging der Pfarrer, der sie verurteilt hatte.

Vor dem Scheiterhaufen reichte er ihr Brot und Wein, sie schien ganz ruhig. Der Pfarrer betete das Vaterunser und als er fertig war, legte Mutter sich auf die Leiter. Der Henker und sein Knecht banden sie fest.

Dann zündeten sie den Scheiterhaufen an..."
 

Reno machte eine Pause. Er blickte zur Meeresenge hinüber, wo sich alles abgespielt hatte...

Vorbote

Kapitel Neun: Vorbote...
 

....
 

(Und hier kommt schon das letzte Kapitel, danach kommt der kurze Epilog und dann ist das 'Hexenfieber' zuende. Bei Intresse, wird es vielleicht danach noch weitergehen; sprich ich würd mir dann noch ein paar Kappis einfallen lassen ^.- Aber jetzt erst einmal Spaß mit dem (vorerst) letzten Kapitel, euer Renolein~)
 

....
 

Eine Forelle sprang aus dem Wasser und auf der glatten Oberfläche breiteten sich Ringe aus. Ein leichter Windstoß wehte von den Hügeln, dann war alles wieder still und der Fjord lag wie ein Spiegel in der Sonne.

Reno erzählte also wieder weiter, um die Stille zu durchbrechen.

"Sie waren wie besessen. Sie johlten und tanzten um den Scheiterhaufen herum.

Viele hatten Branntwein mitgebracht und die Tonkrüge gingen von Mund zu Mund. Auch die Frauen tranken und Mutter lag still auf der Leiter. Hin und wieder, wenn zwischen den Tanzenden eine Lücke entstand, konnte sich sie sehen. Der Henker und sein Knecht standen mit dem Pfarrer neben ihr.

Ich weinte und biss auf ein Stück Holz, sonst hätte ich laut geschrieen. Ich weiß nicht, was sie mit mir gemacht hätten, wenn sie mich entdeckt hätten. Ich weiß nur, dass sie betrunken waren und böse. Der Scheiterhaufen hatte Feuer gefangen und die Flammen schlugen höher und höher.

Da richteten der Henker und sein Knecht die Leiter auf. Sie stand kaum, da brach ein Bein ab. Der Pfarrer musste zupacken und die Leiter abstützen. Der Bauer, der die Leiter verkauft hatte, hatte ein gutes Geschäft gemacht. Aber ich sah noch, wie meine Mutter mit dem Rücken gegen die Flammen fiel und ihr Schrei übertönte das Gegröle der Leute. Dann hörte ich sie nicht mehr... Vielleicht hatte Mutter schon vorher ausgelitten. Die Anderen wurden wie die Tiere, als Mutter schrie. Sie drängten gegen den Scheiterhaufen, doch es war nichts zu sehen als Flammen, die gegen den Himmel schlugen.

Da hielt ich es nicht mehr aus. Ich kletterte vom Baum, glitt den Stamm hinab und stürzte. Danach rappelte ich mich wieder auf und rannte davon. Einige hatten mich zwar gesehen, aber niemand verfolgte mich. Ich lief und lief. Den Rest kennst du ja."
 

Seine Stimme war erstaunlich ruhig geblieben und nur die weißen Knöchel seiner geballten Fäuste und das Pochen der Adern an den Schläfen verrieten, was in ihm vorging. Er war blass unter seiner Sonnenbräune.

Sie schwiegen, der Mann und der Junge. Hoch über ihren Köpfen zogen zwei Regenpfeifer dahin. Ihr klagender Ruf ließ die Stille ringsum noch tiefer erscheinen.

Schließlich richtete Rufus sich auf und griff nach den Rudern. "Komm, wir müssen weiter! Heute bekommen wir Salz und ehe man es sich versieht, ist Winter, dann ist das Fischen nicht mehr so einfach wie jetzt."

Langsam ruderten sie zu den Reusen hinüber. Sie hatten Glück, die Reusen waren voller Fische und sie brachten sie in das Boot.

Drei Reusen hatten sie noch nicht überprüft, als Rufus zum Ufer hinüberschaute. "Lass gut sein, Reno", sagte er. "Heute bekommen wir kein Salz."

Reno's Augen folgten seinem Blick. Auf dem Pfad zur Hütte gingen zwei Männer. Zwischen sich trugen sie etwas, das nur ein Mensch sein konnte. Die Fremden waren schon oben bei der Hütte, ehe Rufus und Reno angelegt hatten.
 

Der Mann, den die beiden Fremden trugen, war bewusstlos. Fieberschweiß bedeckte sein Gesicht und seine Kleider waren durchgeschwitzt. Ein Hemdsärmel war abgeschnitten und das Hemd an der Seite aufgerissen. Die Blutvergiftung hatte sich ausgebreitet. Schwarzblaue Streifen liefen über den Arm bis zur Achselhöhle und sie breiteten sich über der Brust aus. Der Mann würde sterben.

Die beiden Fremden starrten Rufus an. Dieser legte nur fragend den Kopf schief. "Warum bringt ihr ihn erst jetzt?"

"Du hast doch gesagt, er solle heute kommen...", meinte einer von ihnen kleinlaut.

"Ihr Narren! Jetzt kann ich nichts mehr für ihn tun. Er kam schon beim ersten Mal zu spät, und heute kommt ihr zu spät. Einem Toten kann niemand mehr helfen..."

"Noch lebt er. Und mit Hilfe des Teufels kann man manches anrichten, wenn man will.", mischte sich nun auch der andere Fremde ein.

"Was meinst du damit? Wenn ihr die Hilfe des Teufels braucht, dann wendet euch an ihn!"

Der Blonde starrte den fremden Mann durchdringend an und dieser senkte den Blick. Doch da fing der Kranke an zu wimmern. Er war noch immer bewusstlos, doch sein Körper zuckte in Krämpfen.
 

Rufus holte ein Fläschen mit einer gelblichen Flüssigkeit aus der eisenbeschlagenen Truhe. Er zwang die Zähne des Kranken mit einem Stöckchen auseinander und flößte ihm vorsichtig ein paar Tropfen ein.

"Das rettet ihn nicht mehr, aber es löst den Krampf", sagte er wie immer ruhig. "Er wird noch vor Mittag sterben."

Der Blonde setzte sich neben den Kranken und nahm behutsam dessen Hand. Nach und nach hörte der Krampf auf. Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte, machten sich die beiden Fremden mit der Bahre auf den Heimweg, der Mann war tot.
 

"Glaubst du wirklich, dass sie kommen und dich holen?", ertönte nach einer Weile leise Reno's Stimme. Der Anblick des Toten hatte ihm förmlich frösteln gemacht. Seine Augen blickten finster und er brachte keinen Bissen der Fische hinunter. Rufus saß neben ihm und sie hatten lange miteinander geredet.

"Ja, ich bin ganz sicher. Wenn nicht dieses Mal, dann das nächste. Sie kommen immer." Reno spürte, wie sich sein Magen vor Angst zusammenzog und wie ihm schwindlig wurde. Bei dem Blonden fühlte er sich sicher und geborgen. Er wollte diese Geborgenheit nicht verlieren.

Reno sprang auf, und als er sprach, klang seine Stimme wieder wie an jenem Tag, als Rufus ihn auf der Wiese gefunden hatte.

"Lass uns fliehen, Rufus! Wir können das Boot nehmen, irgendwo werden wir einen Platz finden, wo sie uns in Frieden lassen..."

Rufus schüttelte den Kopf. "Nein. Vor der Angst der Menschen kann man nicht fliehen, sie ist überall."

Der Blonde wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, dann lehnte er sich gegen einen sonnenwarmen Baumstumpf und schloss die Augen. Seine Ruhe brachte den Rothaarigen fast zur Verzweiflung. Es war ihm, als zerblöckle der einzige feste Halt, den er auf der Welt noch hatte.

"Hast du denn keine Angst?", kam die fast schon geflüsterte Frage des Jüngeren und er senkte den Blick leicht.

"Doch. Alle Menschen haben Angst. Das habe ich dir doch schon erklärt. Aber man kann nicht sein ganzes Leben lang fliehen. Immer bin ich auf der Flucht gewesen. Als ich hierher kam, haber ich mir geschworen: Dies war das letzte Mal!"
 

Der Rotschopf legte verwirrt den Kopf schief. "Wovor bist du denn geflohen?"

"Vor allem... Vor mir selber und vor anderen."

"Das ist keine Antwort!"

Der Ältere lachte leise. "Aber es ist wahr, Reno. Ich bin von daheim geflohen, aus meinem Amt als Vize-Präsident, vor den Behörden und vor meinem eigenen schlechten Gewissen, das mich quälte, weil ich floh. Später habe ich gemerkt, dass ich nicht vor mir davonlaufen konnte.

Und da habe ich beschlossen, hier zu bleiben. Sie können mich holen, sie können mich foltern.. Aber sie können mich nicht dazu bringen, noch einmal zu fliehen. Es gibt keinen Platz, wo man wirklich sicher ist. Wenn man das erst einmal eingesehen hat, bleibt man und nimmt den Kampf auf.

Auch du wirst es eines Tages tun. Aber jetzt bist du noch zu jung. Man muss erst die Menschen und ihre Beweggründe kennen, ehe man den Kampf aufnehmen kann.."

Reno wollte gerade widersprechen, als Rufus schon weiter sprach, denn er wusste, was der Rote einwenden wollte.

"Die große Menge? Die denkt doch überhaupt nicht nach. Die übernimmt einen ganzen Berg von Vorurteilen und hält sie für wahr.

Und weil sie nicht gelernt hat, nachzudenken und die Schuld auch mal bei sich zu suchen, braucht sie ihre Sündenböcke und die findet sie immer. Was dann geschieht, weißt du ja...

Siehst du, das ist meine Geschichte. Eigentlich erinnert sie an deine, aber sie ist länger und älter, und deswegen lässt sie sich auch in wenigen Worten erzählen.

Wenn sie kommen und mich holen musst du weglaufen, Reno. Halte dich noch eine Zeit lang in der Nähe auf, aber sieh zu, dass dich nichmand sieht. Vielleicht schaffe ich es. Wenn sie mich holen, werden sie glauben, sie seien erst wieder sicher, wenn sie mich umgebracht haben.

Doch vielleicht kann ich ihnen noch größere Angst einjagen, so dass sie es nich wagen, mich umzubringen. Wenn du jedoch eines Tages die Rauchsäule über den Hügeln siehst, weißt du, was geschehen ist.. Dann haben sie mich nicht genügend gefürchtet, und es ist besser, du fliehst.

Vielleicht wird es eines Tages auf der Welt auch für die Menschen Platz geben, die anders sind. Vielleicht..."
 

Rufus lehnte sich wieder an seinen Baumstumpf und schloss die Augen. Sein Gesicht lag jetzt im Schatten und sah friedlich und sanft aus. Halb blind vor Tränen kroch Reno zu ihm hinüber und griff nach seiner Hand...

Vielleicht ein Happy End?

Epilog: Vielleicht ein Happy End?....
 

....
 

(So, weil der Epilog so kurz ist, hab ich das letzte Kapitel gelöscht und werde es hier mit einbringen, damit sich das irgendwie wieder ausgleicht. Die Inhalte werden sich natürlich nicht ändern.

An dieser Stelle will ich mich bei den Favo-Einträgen und den Kommentar-Schreibern bedanken:

- abgemeldet

- crazyspirit

- KamiyaHiroshi

- --Nyx--

- abgemeldet

- Pentragon

und

- abgemeldet, ihr seid Spitze ~♥

Wie auch schon im letzten Kapitel erwähnt, könnte ich mir noch ein paar Kapitel einfallen lassen, wenn es denn erwünscht ist und die Zeit/Ideen vorhanden sind ^.-
 

Viel Spaß beim Ende von 'Hexenfieber', eurer Renolein~)
 

....
 

Die Tage vergingen.

Sonne wechselte mit Regen und Licht mit Dunkelheit. Die Wolken, die so plötzlich vor Reno aufgetaucht waren, hatten sich verzogen und lebten nur noch wie eine schwache Erinnerung, wie ein dunkler Fleck in seinem Inneren.

Inzwischen war ihm der Fjord bei Windstille und bei Sturm vertraut. Er wusste um die Heilkräuter und ihre Kraft und er konnte die Kamille von anderen Blüten unterscheiden, die ihr ähnlich sahen.

Er lernte, wie man eine stärkende Suppe kocht und wie man aus den Wolken das Wetter des kommenden Tages erkennt.

Sein Verstand war geweckt, seine Sinne geschärft und langsam eignete er sich die Kenntnisse und die Handlungsweise seines blonden Freundes an.
 

Es war kälter geworden, der Himmel war jetzt oft bedeckt und es regnete häufiger. Das Laub hatte sein frisches Grün verloren. Auf dem Fjord versammelten sich schon die Wildenten, und gelegentlich suchten die Schwärme in der Flussmündung vor dem Winter Schutz.

Eine Zeit lang sammelten Rufus und Reno noch Vorräte für den Winter. Sie ruderten über den Fjord, um Salz zu holen und füllten ein paar Fässchen mit gesalzenem Fisch.

Vor den Hüttenwänden hingen die getrockneten Kräuter und in einer Sandgrube neben der Feuerstelle hatten sie Knollen und Wurzeln eingelagert.
 

Oft wanderten sie am Strand entlang, oder sie unternahmen kürzere Ausflüge in das Land hinein. Doch mieden sie die Dörfer und wichen den Menschen aus. Reno lernte das ganze Gebiet und den Fjord so gründlich kennen, wie keine andere Gegend zuvor.

Er sah, wie die Keile der Graugänse sich gegen den bewölkten Himmel abzeichneten, und er lernte die wilde Freude kennen, vom peitschenden Herbstregen durchnässt zu werden.

Der Rothaarige war glücklich. Er hatte die schrecklichen Tage vor seiner Flucht beinahe vergessen, und er fühlte sich ruhig und geborgen.
 

Eines Tages landeten wilde Schwäne im Fjord. Es war das erste Vorzeichen des nahenden Winters und im Winter haben die Bauern viel Zeit.

Zwei Tage später kamen sie...

Rufus und Reno hackten gerade Holz. Sie bemerkten die Männer erst, als der Fronvogt und seine vier Helfer plötzlich vor der Hütte standen.

Der Fronvogt kam auf sie zu, er vertrat die Obrigkeit und war auch ihr Wortführer. "Du kannst dir wohl denken, worum es geht, Rufus", sagte er kühl. "Ihr müsst mitkommen."

Der Blonde stand regungslos da. Er starrte den Vogt einfach nur an. "Was meinst du mit >ihr<?", fragte er und in seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton mit.

"Der Junge kommt auch mit. Niemand kann so lange des Teufels Genosse sein, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen."

Rufus verengte seine eisblauen Augen zu schmalen Schlitzen. "Der Junge bleibt hier, und deine Teufelsgenossen suchst du dir am besten woanders. Ich werde mitkommen, denn ich weiß mich zu verteidigen und ich kenne euch. Aber den Jungen lasst ihr laufen!"

Der Vogt zuckte unter Rufus' scharfem Blick zusammen. Seine Stimme zitterte ein wenig, als er wiederholte: "Der Junge kommt mit!"
 

Der Blonde reckte sich, jeder Muskel seines Körpers war angespannt.

Dann sprang er...

Der Vogt war überrumpelt und so kam es erst gar nicht zum Kampf. Im nächsten Augenblick hatten Rufus' Arme den Nacken und Hals des Vogtes umklammert und pressten ihm mit ungeheurer Kraft das Gesicht auf die Brust, denn er war viel kräftiger, als man es ihm ansah.

"Bleibt stehen, ihr da drüben!", schrie er. "Wenn ihr den Rotschopf anrührt, breche ich dem Vogt das Genick und dann seid ihr an der Reihe! Lauf, Reno, lauf, pass gut auf dich auf und hüte dich vor den anderen! Vielleicht gibt es eines Tages auch für Menschen wie uns Platz auf dieser Welt. Vielleicht, wer weiß..."

Reno hielt immer noch die Axt umklammert. Am liebsten hätte er die Kerle zerschmettert, aber etwas in Rufus' Worten hinderte ihn daran.

Bruchstücke von Gesprächen mit diesem Mann, der so selbstverständlich dastand und einem bösen und dummen Vertreter der Obrigkeit das Haupt beugte, wirbelten ihm durch den Kopf.
 

"Vielleicht steckt in jedem von uns ein Hexenjäger"..."Ich weiß, wovor ich Angst habe, und das ist vielleicht meine Stärke"..."Wir müssen uns damit begnügen, Menschen mit kranken Fingern zu helfen."

In diesem kurzen Augenblick glitt noch einmal die ganze Zeit an ihm vorüber, die sie zusammen verbracht hatten. Er sah kämpfende Lachse, das Boot in der Sonne, Aalblut und eine blanke Klinge, die auf beiden Seiten scharf geschliffen war. Die Bilder verschwanden und zurück blieb das Wort, das der Blonde so oft gebraucht hatte: Vielleicht!

Langsam ließ er die Axt los. Einen endlosen Moment sah er Rufus und den Vogt an. Reno wusste, dass er diesen Augenblick nie vergessen würde. Dann schaute er zum letzten Mal in die gütigsten Augen, die er jemals gesehen hatte.

"Geh jetzt, Reno!"

Langsam setzte sich der Rothaarige in Bewegung, zunächst ging er fort, dann fing er an zu laufen. Erst als Reno nur noch als ein Punkt in weiter Ferne erkennbar war, ließ Rufus den Vogt aus seiner Umklammerung los. Er warf einen letzten Blick auf den Fjord und auf seine Hütte.
 

Dann ging er, den Männern ruhig voran, den Hügel hinauf...
 


 

Ein rothaariger Junge lief am Strand entlang über die Wiesen. Draußen im Fjord sprang eine Forelle aus dem Wasser und auf der glänzenden Oberfläche breiteten sich Ringe aus.

Der Junge hatte viel durchgemacht und war schon wieder auf der Flucht. Er hatte in den letzten Tagen, Wochen und Monaten viel gelernt und seine nicht allzu gute Vergangenheit endlich vergessen können, und er fand im blonden Rufus einen wahren Freund, den er jetzt scheinbar nie mehr wiedersehen würde.

Reno rannte über die Wiesen, Rufus' Worte noch immer in den Ohren habend.

Er würde auf jeden Fall auf das vielleicht zurückgreifen, dass der Ältere immer wieder erwähnt hatte.
 

Aber jetzt erstmal war er auf der Suche nach einem Platz, der für ihn geeignet und sicher war.

Und natürlich würde er alles andwenden, was er gelernt hatte und damit den Kranken helfen, so wie es seine Mutter und Rufus getan hatten.

So gesehen setzte er ihr Werk also fort, so in Etwa wie ein Bauerssohn die Arbeit seines Vaters, oder ein Kind eines Geschäftsmannes die Denkweise.

Es war so zwar alles vorbei, aber es fing auch gerade erst an...



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Kommentare zu dieser Fanfic (11)
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Von:  GA-Sephiroth
2010-11-21T17:27:46+00:00 21.11.2010 18:27
Alles...
Alles Liebe...
*_*
*nich so klare Worte find*
XDDD
Sehr präzise, ich weiß...
Aber ein comment, oder?
XDDD

*sucht*
Von:  Pentragon
2010-06-21T14:59:36+00:00 21.06.2010 16:59
Das ist ein tolles Kapitel. Ich mag diese philosophische Ader, die sich durch die ganze FF zieht.
All diese kleinen Dinge, an die man so nicht denkt ... Das man niemals denken soll, man hätte die Warheit gefunden. Und was ist gerecht und ungerecht?

Oh, ich liebe solche Überlegungen *_* und darum mag ich deine FF auch so!
Von:  Pentragon
2010-06-21T14:55:13+00:00 21.06.2010 16:55
Urgh, ist schon reichlich eklig. Aber andererseits war es wohl das Beste, was man mit so einem Finger tun konnte. Die scheinen ja irgendwo im Mittelalter zu leben, jedenfalls zu einer zeit, wo es noch keine ausgefeilten Heilmethoden gab. Und da ist es wirklich besser, den Finger zu amputieren als dass sich die Entzündung über den ganzen Körper ausbreitet.
Von:  Pentragon
2010-06-21T14:38:40+00:00 21.06.2010 16:38
Die Geschichte ist wirklich spannend! Und echt schlimm mit der Hexenjagd ... was sich die Leute da so zusammenreimen, nur damit die arme Mutter wie eine Hexe wirkt.
Und es ist umso schlimmer, wenn man bedenkt, dass das ja wirklich geschehen ist. Das die Dorfleute ihre eigenen Nachbarn verraten haben und sowas ...
Rufus´Charakter ist sehr interessant beschrieben. Er sagt kaum etwas, aber es reicht, um auf Reno beruhigend zu wirken.
Obwohl man im Grunde meinen könnte, du hast nur das Aussehen der beiden für die FF genommen und ansonsten hat es nichts mit Final Fantasy zu tun, so merkt man zumindest Rufus an, das sein Final Fantasy- Charakter auch hier heraussticht
Von:  Pentragon
2010-06-21T14:21:39+00:00 21.06.2010 16:21
Oh, das klingt wirklich spannend! vor allem weil die 2 so ganz aus dem Zusammenhang gerissen sind - also kein Midgar, keine ShinraCorp, sondern eine ganz neue, eigene Geschichte! Find ich super!
Und das mit dem Fjorden ... hachja, ich finde Norwegen so super und darum mag ich die FF gleich noch mehr XD
der arme Reno tut einem echt leid Q_Q hoffentlich verliert er nicht seinen Lebenswillen nach diesem herben Schicksalsschlag.
Dein Schreibstil ist sehr angenehm, es lässt sich alles ganz flüssig lesen und man wird richtig in die GEschichte hineingezogen.
Kann mir alles sehr gut bildlich vorstellen, tolle Arbeit hast du da geleistet!

Von:  KamiyaHiroshi
2010-06-02T07:32:22+00:00 02.06.2010 09:32
Ich fand die Geschichte supi^^
Du hast voll detailiert geschrieben und ich konnte mir alles gut bildlich vorstellen
Würd nur zu gerne wissen wie's mit Reno weitergeht
Von:  crazyspirit
2010-05-30T19:14:34+00:00 30.05.2010 21:14
ich find die Gesichte ist dir super gelungen und man hat immer spaß dran sie weiter zu lesen warum nicht . ich hätte gern mehr davon . mir hats prima gefallen *verbeug*
Von: abgemeldet
2010-05-30T17:33:28+00:00 30.05.2010 19:33
Nochmal n großes Dankeknuddel für die tolle FF! ^^
Natürlich will ich, dass du schön weitermachst.
ich kann mir hier noch gut n paar Kapitel vorstellen.
Vielleicht noch etwas mehr Drama, hm?
Vielleicht...
Von:  crazyspirit
2010-05-22T16:44:46+00:00 22.05.2010 18:44
Eine echt tolle geschichte man wird richtig davon gefesselt und kann sich alles wunderbar bildlich vorstellen es machst spaß sie zu lesen
Von: abgemeldet
2010-05-19T13:53:22+00:00 19.05.2010 15:53
Gosh, ich liebe Ruf!!! *.*
Du schreibst so toll, mein Sohn! ^^


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