Zum Inhalt der Seite

Katatonia Sleep

Darkfiction
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Rückblick

Mittlerweile war auch Ilone am Krankenhaus angekommen.

Zusammen mit ein paar Einsatzwagen verschiedener Magazine und Fernsehsender, war sie gerade noch rechtzeitig, um einen wundervollen, orangeroten Sonnenuntergang über dem schneeweißen Betonbau zu sehen, der den größten Teil des Hospitals ausmachte.

Ilone glaubte kaum, dass man bei Gegenlichtverhältnissen eine gute Reportage machen würde und sie fragte sich, wann sie angefangen hatte, sich über solche Dinge Gedanken zu machen. – Trotz Allem war es unglaublich, wie schnell die Presse Wind von dem Unfall bekommen hatte, denn die großen Bullies, die vor dem Haupteingang des Krankenhauses versammelt waren, gaben erste exklusive Live-Berichte über Megs Zustand.

Ilone schürzte die Lippen und hoffte, dass niemand Kenntnis von dem kleinen gelben Taxi nehmen würde, der sich langsam über den Parkplatz auf das Krankenhaus zuschob.

Sofern die Medien auch nur halb so informiert waren, wie die Freundin des "Amorphic Sinner"-Sängers, dann berichteten sie vermutlich in sehr ausschmückender Form darüber, dass es eigentlich nichts zu berichten gab.

Wenn dieser Unfall nicht geschehen wäre, dann wäre es nur wahrscheinlich, dass genau diese Wagen der Klatschpresse nun vor ihrem Haus standen und versuchen würden sie über die Gründe der Trennung auszuquetschen. Meg hatte es an sich, dass er immer wieder aus den seltsamsten Gründen in der Presse stand.

Allein die Trennung wäre für einige Zeitschriften Grund genug, eine fünfseitige Reportage über die Beziehungsunfähigkeit des Sängers zu heraus zu bringen, gewesen.

Ilone erinnerte sich, dass sie noch vor einem Jahr zufällig in einer Illustrierten einen langen Bericht über das Ende von Megs letzter Beziehung gelesen hatte. – Ilone hatte darüber gelacht und sich gefreut, dass die ehemalige Konkurrentin, sowie auch die meisten von Megs ehemaligen Freundinnen, blond war. Sie bildete sich ein, dass es einen Unterschied machen würde, dass sie selbst dunkle Haare hatte. Schon ein halbes Jahr vor ihrer jetzigen Trennung, musste sie sich eingestehen, dass das sehr oberflächlich gedacht war.

War die Trennung zwischen ihr und Meg wirklich real? Momentan fühlte es sich nicht mehr so an. Es war einfach zu falsch. Es gab zu viele unausgesprochene Worte zwischen ihr und Meg, um ihn zu vergessen. Natürlich hatte sie ihn verlassen, aber wie konnte sie sich auch so fühlen, nun da sich Meg in einer solchen Situation befand? Sie wollte ihm noch immer zur Seite stehen. Wieso musste dieser Streit in so einer Situation zwischen den Beiden stehen? Vermutlich wusste noch nicht einmal Daniel bescheit. Hatte sie überhaupt ein Recht hier zu sein und sich wie seine Freundin auf zu führen?

Ilone musste glauben, dass er es eigentlich wollte, zumindest zeitweise. Später, wenn es Meg wieder gut ging, konnte er sie noch immer zum Teufel jagen und behaupten, dass sie als seine Ex rein gar nichts im Krankenhaus verloren hätte.

Natürlich. Wenn er sich nur das Bein gebrochen hätte und noch bei vollem Bewusstsein wäre, würde ihr seine kühle Natur entgegen schlagen, sobald sie sein Zimmer betrat. Natürlich würde Meg so tun, als ob ihn das alles nicht berührte und nichts anging. Hatte er das nicht immer schon getan? Das wäre seine ganz private Rache dafür, dass sie es gewesen war, die ihn verlassen hatte.

Meg wäre viel zu eitel für Tränen, viel zu stolz für Romantik – und trotz seiner Erfolge war er viel zu verschlossen, um mit jemandem wirklich auf einer Ebene zu kommunizieren. Er würde ihr niemals sagen, ob er sie liebte, oder ob sie seit Anfang der Beziehung nur ein Spielzeug gewesen war.

Er hätte niemals seine Schwäche eingestanden und als Ilone ihre Stirn gegen die kühle Fensterscheibe des Taxis legte wurde ihr bewusst, wieso das so war.

- Meg vertraute einfach niemandem, denn die Wahrheit war, dass JEDER ihn verletzen konnte und Kleinigkeiten bei ihm besonders tief gingen.

Ilone hatte diese Art an ihm, mit versteckten Karten zu spielen lieben gelernt. Meg umgaben Geheimnisse, die man ihm nur mühselig entlocken konnte. Jeder kleine Erfolg in dieser Hinsicht gab ihr selbst das Gefühl eine gute Freundin zu sein. Es war zu Anfang der Beziehung ein schönes Spiel gewesen trotz seiner Versuche die Distanz zu wahren, näher an ihn heran zu kommen und Ilone hatte sich eingeredet, dass sie irgendwann einmal vollends hinter diese Fassade gelangen konnte.

– Mittlerweile war es trotz Allem anstrengend und deprimierend zu erkennen, dass das für einen normalen Menschen einfach nicht möglich war. Wie hatte Daniel es nur geschafft?

Ilone hob den Blick wieder und tippte dem Fahrer auf die Schulter.

"Fahren Sie um das Gebäude herum zum Hintereingang", wies Ilone ihn an und wedelte mit einem Schein, um auf das großzügige Extratrinkgeld aufmerksam zu machen, dass er bekommen würde, wenn er ihr half die Reporter zu umgehen.

Der Fahrer nickte. „Das wollte ich ohnehin vorschlagen.“, antwortete er mit einem unverkennbaren, aber sehr schönen Akzent, den Ilone nicht wirklich einordnen konnte. „Es muss schrecklich sein, wenn man auf Schritt und Tritt beobachtet wird.“

Ilone riss die Augen weit auf.

„Was?“, fragte sie und hätte sich selbst für den ängstlichen Klang in ihrer Stimme ohrfeigen können..

„Na! Ihr Freund… Dieser Sänger… Ich wünsche Ihnen alles Gute!“ Der Fahrer blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Ilone wich dem Blick aus und stieg vielleicht etwas zu hektisch aus dem Wagen, bevor sie ihm das Geld beinahe entgegen warf.

Bisher hatte sie nicht geglaubt, dass irgendjemand sie unbedingt erkennen würde, denn Meg hatte akribisch darauf geachtet sie aus dem Rampenlicht heraus zu halten.

Ilone war immer dankbar dafür gewesen. – Sie hatte ihr eigenes Leben und es war schon schlimm genug, dass dann und wann ein Reporter an der Bushaltestelle auf sie wartete. – Irgendwo war es auch peinlich.

Ilone war nicht das „Bandhäschen“ für das sie viele Leute sahen. Dieses Klischee hatte sie niemals ausfüllen wollen, doch leider war es die Reaktion der meisten Frauen, wenn sie von ihrer Beziehung erfuhren.

Als sei es verboten einen Musiker lediglich auf Grund seines Charakters zu lieben.

Diese Art von Aufmerksamkeit hatte sie nie gewollt.

Sie hatte ihn geliebt und so oft verflucht. Dass er starb war nicht nicht richtig.
 

* * * * * *

Meg war nicht tot. Er hatte dies für sich beschlossen.

Für einen kurzen Augenblick hatte er in Erwägung gezogen seinem Leben einfach irgendwie ein Ende zu setzen. – Wenn man im Traum starb, dann starb man der Sage nach ja auch in Wirklichkeit. Vielleicht war dies sein einziger Weg hier raus.

Der Schatten selbst hatte nach sehr langem, singenden Schweigen scheinbar enttäuscht nur einen Mundwinkel hochgezogen und meinte schließlich fast tonlos: "Wenn du es wirklich WILLST, werde ich dich von deinen Schmerzen befreien."

Es war ein ehrliches Angebot und Meg war ehrlich interessiert. Er wusste nicht, wie lange er schon im Krankenhaus lag, aber war es nicht besser tot, als wehrlos zu sein?

Lange Zeit hatte er noch am Boden verharrt und nichts mehr gesagt. Er musste darüber nachdenken, aber sein Kopf war wie leergefegt. Dieses Schweigen war für ein paar Minuten sogar sehr angenehm, denn auch die Echos waren verstummt, als erwarteten sie mit angehaltenem Atem die Antwort auf den Vorschlag des Schattens.

„Wenn ich nun sterbe, dann bedeutet das, dass ich aufgegeben habe.“, begann Meg nun wieder einen neuen Gedankengang aufgreifend.

Der Schatten nickte. In seiner Stimme lag kaum noch Geringschätzung. Meg ging durch den Kopf, dass er vielleicht auch Angst hatte, denn wenn er starb, dann würde auch diese Erscheinung ein Ende finden. Konnte es sein, dass diese Halluzination, die er selbst geschaffen hatte, sich vor dem Tod fürchten konnte?

Meg wusste nicht, ob ein Traum Angst davor haben konnte, dass sein Träumer erwacht, aber in gewisser Hinsicht wäre Megs Ende auch das Ende des Schattens und dieser Welt im Nichts.

„Ja.“, sagte der Schatten und unterbrach damit Megs Gedanken. „Wenn man es so betrachtet wie du, hättest du den Kampf verloren. Allerdings ist es keine Schande zu erkennen, wann es an der Zeit ist auf zu geben.“

Meg stand auf. Er bemerkte, wie wacklig er sich nun auf den Beinen fühlte. So lange war er schon seit Ewigkeiten nicht mehr ohne einen Rausch gewesen und das war gut so. Er brauchte nun einen möglichst klaren Verstand. Er musste wieder aufstehen und durfte einfach nicht aufgeben.

Ilone hatte sich immer darüber aufgeregt, dass Meg einfach alles als eine Art Wettkampf betrachten konnte, dennoch war das die simpelste Möglichkeit sich selbst immer wieder an zu spornen und immer weiter zu machen.

- Und Meg wollte nicht verlieren.

„Was muss ich tun, um von diesem Ort zu entkommen?“, fragte er den Schatten und wusste sofort, dass er mit dieser Antwort seine Entscheidung zum Leben getroffen hatte.

Das Nichts veränderte sich so plötzlich, dass es Meg beinahe nicht mehr auffiel. In einer Sekunde sah er noch die aufgerissenen Augen des Schattens. Dann verschwanden sie und lösten sich gleichsam in der neuen Realität auf, die Meg nun umgab.

Er wusste, wo er war. – Es war der alte Proberaum, in dem Meg und Daniel ihre ersten kleineren CDs aufgenommen hatten. Viele Erinnerungen hingen an diesem Ort und vielleicht war genau das der Grund, wieso er davon träumte.

Auch hier war alles von Staub bedeckt. Nichts schien wirklich, als seien auch die Farben der lackierten Gegenstände vor ihm verblasst.

Vor Meg lagen die alten Instrumente. – Das staubige rote Drumset, das schon total kaputt war, als ihr erster Drummer Michi es vom Flohmarkt gekauft hatte und auch der 10-Euro Bass aus dem Supermarkt, den Daniel noch lange aus reiner Sentimentalität heraus benutzt hatte, auch, als sie eigentlich schon deutlich teurere Instrumente bekommen hatten.

Vorsichtig strich Meg über die Saiten und der Bass gab einen dunklen, summenden Ton von sich. Wieso hatte Daniel dieses alte Erinnerungsstück eigentlich letztendlich weggeschmissen? Vermutlich doch nur deswegen, weil Meg sich andauernd über seine Gefühlsduselei lustig gemacht hatte. Jetzt wurde er traurig bei dem Gedanken daran, dass es nur noch in seinen Erinnerungen existierte.

Er sah sich, um. Das einzige Instument, dass er hier nicht mehr finden konnte, war die alte, schwarze Gitarre, die er in seiner Jugend mit so vielen Aufklebern versehen hatte, dass man den Corpus darunter kaum noch hatte erkennen können.

Zwischen all diesen Instrumenten und Percussion-Werkzeugen hätte es eigentlich da sein müssen.

Er schritt den schmucklosen Raum mit der kleinen Bühne ab. Aus irgendeinem Grund kam es ihm unheimlich wichtig vor diese alte Erinnerung wieder zu finden, auch, wenn er selbst es gewesen war, der die Gitarre letztendlich für einen guten Zweck an irgendeinen treu ergebenen Fan versteigert hatte.

Weiter hinten, beinahe schon hinter der Bühne, sah Meg plötzlich etwas Auffälliges liegen. Er Schritt langsam auf etwas zu, dass in der Ecke lag wie ein totes Tier und das Erste, was ihm auffiel war rotes Blut, dass in einem kleinen Rinnsal den leicht abschüssigen Boden in seine Richtung lief.

Mit dem Fuß kickte Meg etwas zur Seite, das nach einem großen Holzstück aussah und zwischen zerrissenen Saiten und schwarzen Lacksplittern erkannte er schließlich die kläglichen Überreste eines hellen Griffbrettes. – Dies hier war die Gitarre.

Im zertrümmerten Corpus stand noch immer tief eingeritzt „Fuck“. Meg erinnerte sich, dass er die Schnitzerei mit einem Skalpel gemacht hatte, das er normalerweise benutzt hatte, um sich selbst zu ritzen. Er betrachtete seinen Oberarm, auf dem sich auch heute noch ein paar größere Narben abzeichneten.

All dieses Blut… Er war es doch gewohnt. – Er hatte den Anblick seines eigenen Blutes sogar schon immer irgendwie genossen. Wieso rief es in ihm urplötzlich so unangenehme Empfindungen hervor?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  DemonhounD
2010-10-27T19:32:22+00:00 27.10.2010 21:32
Hehehe^^ ich finde das mit der Wettkampfgier ist ne ganz ganz äzende Eigenschaft. - Die hab ich leider viel zu lange vertreten und wurde im Endeffekt nur nieder geschmettert.
^^
Mittlerweile glaube ich, dass das eigene Versagen auch zum Leben gehört und leider macht ein dauerhafter Kampf ums Gewinnen diese Einsicht sehr schwer.^^
Alles in Allem habe ich meinem Charakter sehr viele Eigenschaften gegeben, die ich nicht unbedingt vertreten würde, weil ich es lustig fand eine Person zu entwickeln, die eben mal NICHT so ist, wie ich.
^^
Von:  freddy
2010-05-30T18:20:22+00:00 30.05.2010 20:20
Jetzt fängt es doch an interessant zu werden. Bin gespannt was jetzt passiert, nachdem sich Meg dafür entschieden hat zu leben. Ich finde es ist eine tolle Eigenschaft wenn man alles als eine Art Wettkampf betrachten kann. Natürlich, wenn man zwanghaft alles als Kampf ansieht ist es nicht mehr schön, aber wenn man sich so zu Bestleistung anstacheln kann, in gesundem Maße, dann ist es eine tolle Sache.


Zurück