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The House Jack Built

Supernatural / The Shining – Crossover
von

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Lagerkoller

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Der Junge wirkte klein und verloren zwischen all den herumhastenden Erwachsenen.
 

Die Empfangshalle glich einem Bienenschwarm.

Sie standen bereits ganz an der Wand und trotzdem hatte Sam alle fünf Sekunden das Gefühl, irgendjemandem im Weg zu sein. Dean lehnte neben ihm, blätterte seelenruhig in einer der Broschüren, die er vorhin aus dem Büro des Managers hatte mitgehen lassen und würdigte das hektische Treiben keines Blickes.
 

Es war Abreisetag.

Heute schloss das Overlook-Hotel für weiter fünf Monate seine Pforten, um im sie Frühling des kommenden Jahres wieder zu öffnen.
 

Die Schlange vor der Rezeption war lange und unruhig. Leute sprachen miteinander, lachten oder sahen unruhig auf die Uhr.

Hotelpagen hetzten vorüber, mit konzentriert verzogenen Gesichtern und voll bepackt mit Gepäcksstücken.

Zwei Männer in Anzügen schlenderten heftig diskutierend an ihnen vorbei. Eine elegante Frau im Chanel-Kostüm war mitten in der Halle stehengeblieben und wühlte sichtbar verzweifelt in ihrer Tasche.
 

Ein Hausmädchen kam eilig die Treppe heruntergeflogen und verschwand mit hochrotem Gesicht hinter einer Tür mit der Aufschrift „Staff members only“
 

Draußen vor den eleganten Flügeltüren kamen und fuhren Autos im Sekundentakt. Alleine in den letzten zehn Minuten hatte Sam durch das Glas dreimal eine der hoteleigenen Limousinen gesehen, die Gäste direkt zum Flughafen in Denver fuhr.
 

Sein Blick wanderte zurück zu dem kleinen Jungen. Er mochte um die fünf Jahre alt sein, stand neben einer der dunkelroten Sitzgelegenheiten am anderen Ende der Lobby und ließ den Kopf hängen. Wahrscheinlich war er müde.
 

Weit und breit war niemand zu sehen, der für ihn verantwortlich zu sein schien.
 

Sam überlegte, ob er hinübergehen und ihn fragen sollte, wo denn seine Eltern abgeblieben waren. Sie hatten hier gerade ohnehin nichts zu tun.

Gerade als er sich in Bewegung setzen wollte, hob der Junge den Kopf.
 

Ihre Blicke trafen sich.
 

Es war, als würde das restliche Treiben der Halle gar nicht existieren, denn der Junge sah Sam an, einzig und alleine Sam. Selbst über die Entfernung hinweg war die Intensität seines Blickes spürbar und den Bruchteil einer Sekunde lang war Sam aus irgendeinem Grund vollkommen überzeugt davon, dass gleich irgendetwas passieren würde, etwas wichtiges, etwas von elementarer Bedeutung, das er unter keinen Umständen versäumen durfte.
 

Dann gab Dean ein lautes Schnauben von sich und der Moment war vorbei.
 

„Mann“, sagte er und hielt Sam die Broschüre hin, „Sieh dir das an. Wenn die noch besessener von ihrer grandiosen Aussicht wären, wäre das Ding hier schon nicht mehr jugendfrei.“
 

Sam machte ein zustimmendes Geräusch und warf pflichtbewusst einen Blick auf den Hochglanzprospekt, der seitenlange Lobeshymnen auf die einmalige Aussicht sang, die man von hier oben auf die umliegenden Berge hatte.
 

Als er wieder aufsah, war von dem Jungen keine Spur mehr zu sehen.
 

Eine größere, lärmende Gruppe verließ gerade die Halle, vielleicht hatte er dort dazugehört.
 

Seine Gedanken schweiften ab zu dem Gespräch, dass sie vor gut drei Wochen in demselben Büro gehabt hatten, neben dessen Eingangstür sie jetzt darauf warteten, dass man Zeit für sie hatte.

Damals war er noch davon überzeugt gewesen, dass sich der „Overlook-Job“, wie Dean es bezeichnete, als keine besonders gute Idee herausstellen würde.
 

Der Meinung war er übrigens immer noch.
 


 

Das Schlimmste, hatte der Manager gesagt, sei die Einsamkeit. Die Abgeschiedenheit Man dürfe das nicht einfach so abtun und unterschätzen dürfe man es schon gar nicht. Er persönlich nehme das sehr ernst.
 

Dean hatte grimmig gelächelt und gesagt, er persönlich tue das auch.

Sam hatte bloß zustimmend genickt.
 

Das bezweifle er auch gar nicht, war die Erwiderung gewesen, aber er als Manager frage sich, ob ihnen der Begriff „Lagerkoller“ geläufig sei?
 

Ja, hatte Sam geantwortet und sich dabei ein Grinsen verbeißen müssen, da Dean und er mehr oder weniger die gesamte Autofahrt damit verbracht hatten, eben dieses Thema zu diskutieren, das sei, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, einen längeren Zeitraum mit gewissen Personen auf begrenztem Raum verbringen müsse und über kurz oder lang das dringende Bedürfnis verspüre, besagten Personen wegen Kleinigkeiten den Schädel einzuschlagen.
 

Er hatte richtig gelegen.

Das sei genau das, worauf er hinauswolle, hatte der Manager gesagt, exakt darin läge die Gefahr. Sie müssten ihn verstehen, er bestehe nur so sehr auf diesen Punkt, weil es in der Geschichte des Hotels schon mehrmals furchtbare Ereignisse gegeben habe, wahre Tragödien, die alle nur auf diesen Lagerkoller zurückzuführen seien.
 

An dieser Stelle hatte Sam einen raschen Blick mit Dean getauscht.
 

Wahre Tragödien, das stimmte, aber die Ursache war möglicherweise eine ganz, ganz andere.
 

Er könne die Einwände nachvollziehen, hatte Dean gesagt, und ihm sei auch klar, dass das Hotel einen Ruf zu verlieren habe, aber was die soeben genannten Befürchtungen betraf... nun, er und Sam seien zusammen aufgewachsen, sie ertrugen sich praktisch schon ihr ganzes Leben lang und das Wohnen auf engstem Raum sei ihnen auch nicht unbedingt neu.
 

Und Sam hatte nichts gegen den aufkeimenden Gedanken unternehmen können, dass ein Luxushotel niemals so schlimm werden konnte wie manche der Absteigen, die er gesehen hatte – übernatürliche Geschehnisse hin oder her.
 


 

Dean hatte seine Nase immer noch in der Broschüre vergraben.

„Das ist doch pervers...“, murmelte er, „Was können die armen Berge dafür?“
 

Sam schnaubte. „Weißt du, wenn ihr zwei kurz eure Privatsphäre haben wollt... ehrlich, du brauchst nur ein Wort zu sagen.“
 

Sein Bruder sah auf und grinste. „Was denn, Sammy, eifersüchtig?“
 

„Hättest du wohl gerne.“
 

Dean klopfte ihm auf die Schulter. „Aww, mach dir nichts draus“, sagte er, „Die nächsten paar Monate gehöre ich ganz dir. Versprochen.“
 

Sam konnte nicht anders, er musste lachen.

In nächsten Moment öffnete sich die Bürotür und die Sekretärin streckte ihren Kopf heraus. „Verzeihen Sie bitte die lange Wartezeit. Er ist gleich für sie da.“
 

Dean winkte ab. „Keine Panik“, sagte er, „Wir laufen Ihnen nicht weg.“

Sobald sie wieder hinter der Tür verschwunden war, ließ er die Broschüre sinken und zog Sam ein Stück zur Seite.
 

Es tat gut, die Köpfe zusammenzustecken und Pläne zu schmieden, auch wenn sie von niemandem in der ganzen Empfangshalle beachtet wurden. Sam hatte sich Zeit seines Lebens als Außenseiter gefühlt, aber das war eines der wenigen Dinge gewesen, die er immer gemocht hatte.

Es war ein Gefühl der Zugehörigkeit und der Sicherheit. Ein Gefühl, dass es Menschen – besser gesagt, einen Menschen – gab, der ihm immerhin genug vertraute, um mit ihm in einer Ecke zu stehen und den Rest der Welt auszuschließen.
 

„Okay“, sagte Dean in einem Tonfall, der den Verdacht aufkommen ließ, dass er die vergangen paar Minuten nicht bloß ausschließlich damit verbracht hatte, seinen Prospekt zu lesen, „Es läuft folgendermaßen: Die führen uns rum, wir sagen zu allem Ja und Amen und sobald wirklich alle weg sind, stellen wir den blöden Kasten auf den Kopf. EMF, Kamera, was auch immer. Wenn für den Schlamassel hier tatsächlich die ganze Zeit Geister verantwortlich waren, will ich das von vornherein wissen. Alles klar?“
 

„Ja“, sagte Sam, „Und Amen.“
 

Dean verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf.
 

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Er sah auf und musste schmunzeln.
 

Es war eine ganze Weile her, seit er Dean so entspannt gesehen hatte.
 

Sein großer Bruder lag, abgesehen von Schuhen vollkommen bekleidet, auf einem der beiden Betten und schlieft den Schlaf des Gerechten.

Normalerweise war es schwierig zu sagen, ob Dean sich gerade wohlfühlte oder nicht, denn er hielt seine ewig grinsende Maske eisern aufrecht und ließ sie selbst gegenüber Sam nur fallen, wenn es unbedingt notwendig war.
 

Nach Stanford hatte es einige Zeit gedauert, bis Sam begriffen hatte, dass es einen eindeutigen Hinweis gab – fühlte Dean sich sicher, schlief er auf dem Rücken, hatte er jedoch das Gefühl, dass es notwendig war, auf der Hut zu sein, weil er in einer Lage war, der man nicht trauen durfte, schlief er auf dem Bauch und zog die Knie an oder rollte sich zu einer Kugel zusammen.
 

Im Moment lag er flach auf dem Rücken. Eine Hand hatte er unters Kopfkissen geschoben, die andere quer über seinen Bauch und seine Brust hob und senkte sich mit langen, regelmäßigen Atemzügen.
 

Sam fühlte sich selber hundemüde, dabei zeigte die Uhr noch nicht einmal halb elf.

Allerdings hatten sie auch den ganzen Tag damit verbracht, das Hotel von oben bis unten abzusuchen und selbst die hintersten Winkel mithilfe von EMF und Handkamera zu überprüfen. Die Ergebnisse waren recht entmutigend gewesen.
 

Der Ort war so sauber, wie man das von einem Hotel in dieser Größenordnung, das zugegebenermaßen die eine oder andere Leiche im Keller hatte, nur erwarten konnte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, den Ordner hervorzukramen, den er vorsorglich im Laufe der letzten paar Wochen über das Overlook-Hotel zusammengestellt hatte.
 

Er enthielt Zeitungsartikel, Polizei- und Autopsieberichte, Zeugenaussagen, aber auch Ausschnitte aus angesehenen Hotelguides und diverse Interviews.
 

Dann entschied er sich dagegen. Er war müde und sie hatten es nicht eilig. Um genau zu sein hatten sie volle sechs Monate Zeit, um herauszufinden, was mit diesem Kasten nicht stimmte. Bei dem Gedanken musste er grinsen. Ja, klar.

So lange würden sie ganz sicher nicht hierbleiben.
 

Wenn sie Glück hatten, würden sie schon über alle Berge sein, bevor der erste dauerhafte Schnee fiel. Besonders scharf darauf, hier eingeschneit zu werden, war er ohnehin nicht.
 

Aber für heute war es genug.
 

Gähnend legte er das Kreuzworträtsel zur Seite und stand auf. Das Apartment war gut geheizt und noch dazu überraschend gemütlich – zwar stand es in keiner Relation zu den ganzen Luxussuiten, die sie im Laufe des Tages zu Gesicht bekommen hatten, aber es war nicht übel.

Sie hatten trotzdem alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, Salzlinien vor der Eingangstür und auf sämtlichen Fensterbrettern inklusive. Sicher war sicher.
 

Ihre Taschen standen immer noch im Wohnzimmer neben der Couch, dort wo sie sie heute Vormittag abgestellt hatten. Es kam ihm seltsam vor, dass sie immerhin lange genug hierbleiben würden, um das Auspacken sinnvoll zu machen. Das war er nicht mehr gewohnt. Er öffnete den Reißverschluss und kramte nach ein paar Sachen, in denen er schlafen konnte.
 

Als er sich auf den Weg ins Badezimmer machen wollte, überfiel ihn überplötzlich der starke Drang, die Apartmenttür zu versperren. Lächerlich, sagte er sich, wozu war das gut? Dean und er waren die einzigen im ganzen Gebäude.

Sonst war niemand mehr hier.
 

Ach ja? sagte eine Stimme in seinem Hinterkopf, Sicher? Wenn Menschen hier nachts wirklich alleine wären, dann wärt ihr doch gar nicht erst hergekommen.
 

Da war etwas Wahres dran.

Im Vorbeigehen drehte er das Schloss um.
 

Dean schlief immer noch, als er wieder aus dem Badezimmer kam und Sam überlegte, ob er ihn wecken sollte, ließ es dann aber bleiben. Er löschte die Lichter und wollte hinüber zu seinem eigenen Bett gehen, als ihm mit einem Mal der Stuhl, in dem er bis vor kurzem noch gesessen hatte, in die Quere kam.
 

Er rannte mit einem dumpfen Geräusch dagegen und der Schmerz schoss sein Schienbein hoch. Ohne nachzudenken fluchte er lauthals.
 

Dean fuhr in die Höhe. „’mmy?“

Es klang verschlafen und desorientiert, anstellte von hellwach und einsatzbereit, genau so, wie ein normaler Mensch kurz nach dem Aufwachen eigentlich klingen sollte und das kam bei Dean ohnehin viel zu selten vor.
 

Sam biss sich auf die Zunge. Verdammt.

Das hatte er nicht gewollt.
 

„Ja“, sagte er ruhig, „Mir geht’s gut, bin bloß wo gegen gerannt. Schlaf weiter.“
 

Aber Dean war wach und stur.

„S’m? Wiespät isses?“
 

„Keine Ahnung“, log Sam, „Ich geh jetzt jedenfalls ins Bett. Bin vollkommen fertig.“
 

„Mh-hmmm“, machte Dean, setzte sich auf und gähnte herzhaft, „Keine blöde Idee.“

Mit diesen Worten schlurfte er ins Bad.
 

Sam verschwand unter der Decke, lauschte dem fließenden Wasser und dann musste er wohl eingeschlafen sein. Dass Dean aus dem Bad kam und das Schloss der Apartmenttür selber überprüfte, bevor er sich wieder ins Bett fallen ließ, bemerkte er jedenfalls nicht mehr.
 

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Der nächste Morgen hielt eine unschöne Überraschung bereit. Als sie hinaus auf die Flure traten, um die Küche zu durchstöbern, schlug ihnen unangenehm kühle Luft entgegen.
 

„Heilige...!“, zischte Dean und schlang unwillkürlich die Arme um seinen Oberkörper, „Was soll denn der Scheiß?“
 

Sie trugen alle beide bloß T-Shirts, weil es im Apartment nicht wirklich Grund dazu gegeben hatte, sich wärmer anzuziehen.
 

„Tja“, sagte Sam, der schon auf dem Weg zurück nach drinnen war, um sich einen Sweater zu holen, „Schätze mal, das war gemeint, als sie davon geredet haben, sie würden den Winter über sparsam heizen.“
 

„Sparsam?“, machte Dean entgeistert, „Warum denn bitte sparsam? Mann, ich dachte, genau deswegen haben sie jetzt wieder jemanden den Winter über eingestellt, obwohl das praktisch immer in ’nem Blutbad geendet hat – damit das Hotel über die Monate weg nicht komplett auskühlt, weil das Anheizen jedes Mal so scheißteuer kommt.“
 

„Es ist geheizt, Dean“, sagte Sam, während er die Apartmenttür ins Schloss fallen ließ und reichte Dean seine Jacke, „Wenn es das nicht wäre, wärst du hier schon am Boden festgefroren.“
 

Dean stapfte missmutig los. „Das soll doch wohl ein Witz sein“, knurrte er, „Eines sage ich dir, Sam, solange wir hier sind, drehen wir die Heizung rauf.“
 

„Nichts dagegen“, sagte Sam fröhlich.
 

Die Küche war gigantisch.

Schon, als sie sie das erste Mal betreten hatten, war ihnen fast die Kinnlade heruntergeklappt. Die polierten Edelstahlflächen, die überdimensional großen, gasbetriebenen Herde, der blitzblanke, klinisch saubere Fußboden...
 

Aber so groß die Küche auch war, sie war nichts im Vergleich zur Vorratskammer und den Kühlräumen. Lebensmittel stapelten sich über Lebensmittel und Sam konnte sich noch gut an Deans beinahe ehrfürchtigen Gesichtsausdruck erinnern.
 


 

„Wer soll das denn alles essen?“

„Wir, schätze ich mal.“

„Pfff... Mann. Die erwarten doch wohl hoffentlich nicht von uns, dass wir kochen, oder?“

„Als ob du kochen könntest, Dean.“

„Entschuldige mal, ich KANN kochen.“

„Klar...“

„Klar.“

„Zum Beispiel?“

„Uhm... Hühnersuppe.“

„Beeindruckend. Was noch?“

„Omeletts.“

„Sicher, dass du dich da nicht mit dem Typ aus dem Fernsehen verwechselst? Du weißt schon, mit dem, der die Kochshow hat?“

„Okay, Sam, weißt du was? Wetten wir doch. Zwanzig Dollar, dass ich Omeletts hinkriege.“

„Schön, bitte. Gilt. Wenn du unbedingt dein Geld loswerden willst...“
 


 

Was auch immer hier oben in den nächsten paar Wochen vor sich gehen würde, eines war jedenfalls sicher – verhungern würden sie nicht.

Erfrieren schon eher.
 

Dean murmelte immer noch schlecht gelaunt vor sich hin.

„Na schön“, brummte er schließlich, als sie mitten in der Vorratskammer standen, „Wo sind die Fertiggerichte?“
 

„Uhm, Dean...“, sagte Sam, „Ich bezweifle ganz ernsthaft... also, das hier ist ein Luxushotel.“
 

„Ja, und?“
 

„Ich denke nicht, dass die hier Fertigpizza in der Tiefkühltruhe gelagert haben.“
 

Ganz abgesehen davon, dass es halb neun Uhr morgens war, aber Sam wusste aus Erfahrung, dass dieses Argument bei Dean nicht ziehen würde.

Etwas zu essen war etwas zu essen, ganz egal um welche Uhrzeit.
 

Und Pizza war essbar, richtig?
 

„Wie wär’s mit Toast?“, schlug er diplomatisch vor.
 

Dean schenkte ihm einen mitleidigen Blick. „Hast du da draußen irgendwo ’nen Toaster gesehen, Sam?“
 

Eine gute Viertelstunde und etliche Diskussionen später waren sie auf einen einigermaßen grünen Zweig gekommen, zumindest was das Frühstück betraf. Sie aßen im Stehen, an einen der Edelstahlblöcke gelehnt und benutzten der Einfachheit halber die alte, unscheinbare Kaffeemaschine für Hotelangestellte.
 

Die Pläne für den restlichen Tag waren recht unkompliziert. Sie hatten beschlossen, das Hotel noch einmal von oben bis unten umzukrempeln – dass sich rein gar nichts finden ließ, trotz der unzähligen Toten, die es gegeben hatte und trotz der Tatsache, dass zwei Männer vor mehr als fünfundzwanzig Jahren hier unabhängig voneinander ihre gesamten Familien ermordet hatten, war merkwürdig.
 

Mehr als merkwürdig, um genau zu sein. Es war verdächtig.
 

Außerdem bestand Dean darauf, sich die Umgebung anzusehen. Nur für alle Fälle, hatte er gesagt, aber Sam war ohnehin klar, worauf er hinauswollte.
 

Sollten sie tatsächlich zum Hierbleiben gezwungen sein, bis der erste Schneesturm kam, konnte man den nächstgelegenen Ort nur mehr mit dem Schneemobil erreichen, dass dem Hotel gehörte und das auch nur, wenn das Wetter einigermaßen gnädig war.
 

Das Handynetz hier oben war die reinste Katastrophe und die Telefonverbindung funktionierte zwar, aber man hatte ihnen unzählige Male versichert, dass während der kalten Jahreszeit immer mal wieder einer der Telefonmasten zusammenbrach und dann war oft für drei, vier Wochen nichts zu machen.

Internet war zwar vorhanden, aber das Funknetz des Wireless war bei Schneefall angeblich genau so unzuverlässig wie die Telefonleitung und den einzigen unterirdisch verlegten Festnetzanschluss hatte der Rezeptionscomputer.
 

Alles in allem war es also nicht besonders erstrebenswert, hier eingeschneit zu werden und zweifellos war es von Vorteil, zu wissen, in welche Richtung man im Notfall fahren musste.
 

Beziehungsweise laufen musste, dachte Sam und konnte nichts gegen die Bilder einer einsamen, hinkenden Gestalt mitten im Schneegestöber unternehmen, die mit einem Mal vor seinem inneren Auge aufstiegen.

Er kam erst wieder zu sich, als Dean vor seinem Gesicht mit den Fingern schnippte.

„Erde an Sam! Diese Geschirrspülmaschinen sind faszinierend, keine Frage, aber denkst du, du könntest mir trotzdem ganz kurz mal deine Aufmerksamkeit schenken?“
 

„Huh...? Sorry“, er riss sich von den Hirngespinsten los, „Anwesend. Was hast du grade gesagt?“
 

Dean warf ihm einen amüsierten Blick zu.

„Dass ich gerne jetzt rausgehen würde, solange das Wetter noch einigermaßen erträglich ist. Hier wird’s früh dunkel und wer weiß, wann wir fertig sind, wenn wir jetzt den zweiten Durchgang mit den Zimmern starten.“
 

„Klar, ganz wie du willst“, Sam machte eine enthusiastische Bewegung mit beiden Händen, „Auf nach draußen in die Kälte.“
 

Sein Bruder verzog das Gesicht.

„Nur einmal“, sagte er, „Weißt du, ich verlange ja bei Gott nicht viel, aber nur ein einziges verdammtes Mal hätte ich gerne ’nen Job in Florida oder Hawaii oder Cuba oder sonst wo. Nur einmal...“

Er schloss sehnsüchtig die Augen.
 

Sam grinste. „Weiterhoffen“, sagte er, „Vielleicht wird irgendwann mal was draus.“
 

Dean sah ihn an, als wollte er sagen, „Im nächsten Leben vielleicht.“

Dann schlug er Sam auf die Schulter. „Los, komm. Die Botanik ruft.“
 

„Warte, was ist mit...“, Sam deutete auf ihre Tassen, die geduldig zwischen einem Haufen Krümel wartete, „...na ja, damit?“
 

Dean runzelte die Stirn. „Was soll damit sein?“
 

„Wir könne das doch nicht einfach so stehenlassen.“
 

„Können wir nicht?“
 

„Du... vergiss es. Gehen wir.“
 

Als sie die Küche verließen, warf Sam einen Blick zurück auf die einsamen Stücke Geschirr, die noch dastanden und in der großen, auf Hochglanz polierten Küche seltsam fremd und verloren wirkten. Aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund sah er das plötzlich als Metapher für ihre momentane Situation.
 

Genau das waren sie: Schmutziges Geschirr.

Störende, unpassende Fremdkörper in einer reibungslos funktionierenden, blitzsauberen Welt.
 

Und er konnte nicht umhin zu denken, dass diese Welt sich mit aller Kraft gegen jede Art von Eindringlingen zu Wehr setzen würde.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  blumenpups
2009-05-20T15:18:03+00:00 20.05.2009 17:18
Ich muss gestehen, dass ich the Shining bisher noch nicht gesehen hab XD
Trotzdem find ichs bisher klasse - ich sage zu allem ja. Und Amen. XDDDD
Bin gespannt, wie's weitergehen wird, aber damit muss ich mich noch bis heute Abend gedulden >_> Jetzt ruft die Arbeit nach mir und will, dass ich mich auf den Weg mache...
Aber nun gut, dann hab ich was, worauf ich mich freuen kann ^^
In dem Sinne, immer weiter so!
LG, pups
Von:  Dama
2009-05-11T13:39:14+00:00 11.05.2009 15:39
ICh stimme genek in allen Punkten zu. Das was ich bis jetzt von der fanfic gelesen habe, macht mich neugieerig auf mehr. Ich hoffe es gibt schnell eine fortsetzung, denn ich liebe stephen king und supernatural. Hast du eigentlich auch noch ideen für ein anderes stephen kking crossover? ich würde einmal sehr gern etwas vom dunklen turm lesen, was in deinem toolen schreibstil gelesen ist. Du schaffst es wunderbar eine dichte atmosphäre aufzubauen :D
Und der kleine Junge. Was hat es mit ihm auf sich?
LG Dama
Von:  genek
2009-05-09T11:15:37+00:00 09.05.2009 13:15
Da hast du dir ja was vorgenommen mit einem Shining-Crossover. Aber der Prolog ist ja schon sehr vielversprechend, immerhin sind ja diesmal zwei potentielle Mörder vorhanden. Und du triffst den Humor zwischendrin auch sehr gut, und gleichzeitig diese unheimliche Atmosphäre. Bin gespannt, was daraus noch wird. :D


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