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Narben der Liebe

Tintenherz
von

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Berührt

Es dauerte lange, bis Staubfinger Roxane fand.

Einerseits, weil sich in ihm noch immer etwas dagegen sträubte, ihr nachzulaufen wie ein Hund.

Andererseits, weil er nicht wusste, was genau er ihr überhaupt sagen wollte.

„He, weißt du, ich hab‘ dich ja gestern singen gehört, du hast echt ‘ne tolle Stimme und hübsch bist du auch, heiraten wir?“

So ein Unsinn!

Ohrfeigen würde sie ihn.

Oder auslachen, und das war noch schlimmer.

Abgesehen davon konnte er sich überhaupt nicht vorstellen, sie zu heiraten, ebensowenig, wie er sich vorstellen konnte, sein ganzes Leben an ein und demselben Ort zu verbringen.

Er würde überhaupt nicht heiraten.

Aber eine Person, mit der er sein ganzes Leben zubringen wollte, die gab es…

Roxane hatte sich zum Fluss zurückgezogen, als er sie fand.

Hierher kam sie oft zum Nachdenken, das wusste er, und er war kurz davor, sich auf dem Fuße wieder umzudrehen, als ihm einfiel, dass sie vermutlich im Augenblick nicht den geringsten Wert auf Gesellschaft legte.

Andererseits – er hatte nicht den Tag damit zugebracht, nach ihr zu suchen, um jetzt unverrichteter Dinge wieder zu verschwinden.

Eine Weile stand er stumm da und beobachtete sie.

Es war bereits dunkel, durch die Bäume hindurch konnte er die Fackeln des Lagers sehen.

Der Mond spiegelte sich auf dem Wasser; das einzige, was zu hören war, waren die Geräusche der Bäume und das Rauschen des Wassers.

„Du kannst dich ruhig setzen, ich beiß‘ dich nicht.“

Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er gemeint war.

Himmel, hatte sie etwa die ganze Zeit gewusst, dass er hier war?!

Er nahm so hastig neben ihr Platz, dass er beinahe ausrutschte und kopfüber in den Fluss fiel.

„Ich… ich wollte dich nicht stören.“

Nicht?

Nicht?

Warum war er denn dann hier, verdammt?!

„Tust du nicht.“, murmelte sie.

Stille breitete sich aus.

Nervös fuhr Staubfinger sich durchs Haar.

„Roxane… gestern Abend, da…“

„Ein Versehen.“, sagte sie, etwas zu hastig für seinen Geschmack.

Noch immer sah sie ihn nicht an, starrte weiter zur Seite.

Wieder herrschte Stille.

„Ich hab‘ an meine Eltern gedacht.“, sagte sie plötzlich leise.

Nun sah sie ihn an und erschrocken stellte er fest, dass ihre Wangen feucht schimmerten.

Hastig sah sie wieder beiseite und er widerstand mit Mühe dem Impuls, sie in den Arm zu nehmen.

„Erinnerst du dich an deine Eltern, Staubfinger?“, fragte sie schließlich leise.

Er schüttelte schwach den Kopf.

„Kaum. Ich meine, bei Spielleuten kümmert sich ohnehin immer die ganze Gruppe um die Kinder… ich weiß nicht, ob meine Eltern noch leben oder nicht.“

Roxane lächelte schwach.

„Ich schätze, das ist besser, als die eigenen Eltern definitiv tot zu wissen, oder?“

„Ich weiß nicht.“, murmelte Staubfinger, „Da hat man wenigstens Gewissheit, oder?“

Noch immer starrte Roxane auf das Wasser zu ihren Füßen hinunter.

Ihre Schultern zuckten leicht.

„Ja, das… das stimmt wohl.“

Staubfinger nahm den Rest seines Mutes zusammen und umarmte sie.

Sie versteifte sich kurz, legte dann jedoch den Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.

„Staubfinger…?“, fragte sie leise, die Wange an seine Schulter gelehnt.

„Hmh?“

„Warum bist du hierher gekommen?“

„Ich hab‘ dich gesucht.“

Es war erstaunlich, wie leicht ihm diese Worte auf einmal über die Lippen kamen.

„Ich hab‘ mir Sorgen um dich gemacht, weil du den ganzen Tag nicht im Lager warst… ich dachte mir, nicht, dass dich die Gepanzerten erwischt haben oder was weiß ich.“

Sie lächelte schwach.

„Sorgen um mich…? Das ist nett von dir. Sind die Gepanzerten denn schon so nahe?“

„In letzter Zeit wurden immer wieder kleinere Trupps von ihnen hier gesichtet. Und wie wir wissen, verhaftet der Natternkopf Spielleute gerne einfach von der Straße weg, nur, weil er Lust hat, mal wieder jemanden aufzuhängen.“

„Verstehe.“, murmelte Roxane, „Da kann ich mich ja glücklich schätzen, dass du hier bist.“

Er wusste nicht ganz, wieviel Ernst nun in ihren Worten steckte oder nicht.

„Hast du schon immer bei den Spielleuten gelebt?“

„Schon immer.“, antwortete Staubfinger mit einem leichten Grinsen, „Mein ganzes Leben lang.“

Roxane sah zu ihm auf.

„Hattest du denn nie das Bedürfnis, sowas wie ein festes Zuhause zu haben? Einen Ort, meine ich, zu dem du jederzeit zurückkehren kannst?“

Staubfinger schüttelte leicht den Kopf.

„Nie. Ich meine, das ist doch auf Dauer langweilig, oder?“

Roxane öffnete den Mund, um zu antworten, doch im selben Augenblick war vom Lager her ein gellender Schrei zu hören.

„Die Gepanzerten! Lauft um euer Leben!“
 

„Wie lange ist er schon in diesem Zustand?“

Die Stimme des Schleierkauzes drang durch den Nebel in Staubfingers Kopf.

„Seit gut einer Woche. Capricorns Männer haben ihn übel zugerichtet.“

Roxane klang ruhig und gefasst, wer sie nicht gut kannte, hätte denken können, dass sie tatsächlich so unbeteiligt wie möglich sprach. Nur, wer genau hinhörte, nahm das leichte Zittern ihrer Stimme wahr.

„Er hat hohes Fieber, aber es gibt keinen Bader, der ihn behandeln würde, außer Euch.“

„Ich weiß.“

Jemand strich ihm das Haar aus dem Gesicht.

„Staubfinger, hörst du mich?“

„Ja.“, murmelte er.

Bei jedem Wort durchzuckte erneut ein scharfer Schmerz die Verletzungen in seinem Gesicht und Staubfinger stöhnte leise.

„Hier, trink das.“

Der Schleierkauz setzte ihm einen Becher an die Lippen.

„Das ist eine Mischung aus Wein und Bilsenkraut; danach wirst du schlafen, und zwar eine ganze Weile lang.“

Das fruchtige Aroma des Weins stieg Staubfinger in die Nase; mit einiger Mühe nahm er ein paar Schlucke.

„Gut so.“

Roxane nahm wieder neben ihm Platz, nahm seine Hand in ihre Hände und drückte sie leicht.

„Bleib bei ihm.“, konnte er die Stimme des Schleierkauzes hören, „Ich bin bald zurück.“

Schritte entfernten sich, doch als die Tür des Raumes zufiel, war Staubfinger bereits in einen tiefen, traumlosen Schlaf hinübergeglitten.



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