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Narben der Liebe

Tintenherz
von

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Verlassen

„Himmel!“

Mit einem Satz war Staubfinger auf den Beinen, Roxane neben sich.

„Beeil dich!“

Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich, auf das Lager zu, dessen Lichter im Dunklen wild flackerten, doch noch bevor sie die Grenze der Lichtung erreicht hatten, ragte eine Gestalt im silbrig blitzenden Kettenhemd vor ihnen auf.

„Was haben wir denn da – zwei Spielmannstäubchen allein im Wald?“

Der Blick des Gepanzerten glitt über Staubfinger, der sich tapfer vor Roxane stellte, und blieb an letzterer hängen.

„Und so ein hübsches Täubchen ist dabei!“

Er hob seine Fackel etwas höher und die Flammen spiegelten sich bedrohlich auf seinem Schwert.

„Geh beiseite, Junge, ich will mir deine Freundin etwas näher anschauen.“

„Und wenn ich es nicht tue?“

Staubfingers Stimme klang wesentlich mutiger als er sich fühlte.

Roxane klammerte sich schmerzhaft fest an seine Hand; vom Lager aus waren Lärm und die Schreie der Spielleute zu hören.

Großer Gott, die Soldaten töten sie alle…

„Dann muss ich dir leider ziemlich wehtun, denke ich.“, grinste der Soldat und hob sein Schwert.

Hilfe., dachte Staubfinger, Hilf mir, irgendwer, bitte…

Und das Wunder geschah.

Die Fackel in der Hand des Soldaten loderte hoch auf, schlagartig griffen die Flammen auf seine Hände über, sein triumphierendes Grinsen wandelte sich zu einer Maske fassungslosen Entsetzens –

„Schnell!“

Staubfinger zog an Roxanes Arm, und endlich löste sich auch ihre Erstarrung; sie eilten weiter, ohne auf die Schreie des brennenden Soldaten zu achten, doch gleich am Rand des Lagers wartete der nächste Schock.

Horden von gepanzerten Soldaten – zu Pferd und zu Fuß – trieben die Spielleute zusammen, ein Großteil der Gaukler lag bereits erschlagen oder zumindest schwer verwundet am Boden, die meisten Zelte standen lichterloh in Flammen.

„He, ihr da!“

Die Stimme eines der Soldaten riss Staubfinger aus dem lähmenden Entsetzen, das ihn angesichts dieses Anblicks befallen hatte.

„Stehen bleiben!“

„Lauf, Roxane! In den Wald!“

Blinde Panik schwang in seiner Stimme mit, doch weit kamen sie beide nicht.

Schon nach wenigen Schritten hatten die Gepanzerten sie eingeholt.

Das letzte, was Staubfinger sah, war eine kettenbehandschuhte Faust, die auf seine Schläfe zuraste.
 

Als Staubfinger aufwachte, war Roxane da.

Sie lehnte im Türrahmen, gekleidet in einen der schlichten Baumwollkittel, die für gewöhnlich die Helfer des Schleierkauzes trugen, das Haar offen, und beobachtete ihn.

Als sie sah, dass er die Augen öffnete, lächelte sie leicht und nahm neben ihm auf dem Bett Platz.

„Hey.“

Sanft strich sie ihm das Haar aus dem Gesicht.

„Wie geht’s dir?“

„Ging mir schon schlechter.“, murmelte Staubfinger.

Roxane lächelte schwach.

„Das freut mich.“, sagte sie leise.

Staubfinger sah zu Roxane auf.

„Wir… dürfen nicht allzu lange hierbleiben.“, murmelte er, „Ab und an kommen die Soldaten des Natternkopfes hierher, und die haben was gegen Spielleute…“

„Ich weiß.“

Roxane grinste schwach, doch es wirkte nicht im Geringsten glücklich.

„Wie könnte ich das je vergessen?“
 

Es war stockfinster, und irgendwo tropfte Wasser.

Das war das erste, was Staubfinger registrierte, gleich nach einem bohrenden Schmerz in seinem Kopf.

Als er versuchte, sich aufzurichten, tanzten bunte Lichtpunkte vor seinen Augen, und er sank mit einem leisen Stöhnen zurück.

„Bleib besser noch etwas liegen, Staubfinger.“, erklang die Stimme des Schwarzen Prinzen zu seiner rechten, „Du hast ziemlich was eingesteckt.“

„Das weiß ich selbst.“, murmelte Staubfinger, „Was ist mit Roxane? Und den anderen?“

„Es geht mir gut.“

Roxanes Stimme zitterte, und das wohl nicht nur, weil es im Kerker des Natternkopfes eiskalt war.

„Wolkentänzer, Lina und ein paar andere sind hier. Was mit dem Rest ist, weiß ich nicht.“

„Hervorragend.“

Staubfinger blinzelte und richtete sich auf.

„Und wo genau sind wir?“

„Im Kerker des Natternkopfes, wo sonst?“, knurrte der Schwarze Prinz, „So, wie ich das verstanden habe, ist dem Natternkopf dank eines untreuen Schreibers die Hälfte seiner Staatskasse davongekommen, und nun versucht man, das uns in die Schuhe zu schieben, weil man den wahren Schuldigen nicht zu fassen bekommt.“

„Was?!“

Staubfinger riss die Augen auf.

„Der Natternkopf kann nicht auf seine Angestellten aufpassen und wir kriegen den Ärger dafür?!“

„Schrei noch lauter!“, zischte der Prinz, „Damit sie dich gleich aufhängen! Nein, ich denke nicht, dass es nur damit zu tun hat… übrigens, stimmt es, dass du einen seiner Soldaten in Flammen hast aufgehen lassen?“

Beim Gedanken an die schrecklichen Sekunden im Wald lief Staubfinger ein Schauder über den Rücken.

„Ja, ich… glaube schon. Ja.“

„Das heißt, du hast es geschafft, was? Du beherrscht das Feuer?“

„Sieht so aus.“

Auch, wenn ich das lieber unter anderen Umstände herausgefunden hätte., fügte Staubfinger gedanklich hinzu.

„Der Junge hat einen der Soldaten des Natternkopfes auf dem Gewissen!“

Die Stimme eines älteren Spielmannes, den Staubfinger nur flüchtig kannte, erklang aus dem Halbdunkeln.

„Da nützt ihm sein Feuer auch nichts mehr, dafür knüpfen sie ihn auf!“

„Red keinen Unsinn!“, fauchte Roxane, ehe Staubfinger etwas antworten konnte, „Er hat versucht, euch zu helfen, und er hat mehr Soldaten des Natternkopfes getötet als du, du solltest stolz auf ihn sein!“

Roxane drehte sich zu ihm um.

„Mach dir keine Sorgen, Staubfinger.“, sagte sie leise, „Ich lass‘ nicht zu, dass sie dich aufhängen.“

Staubfinger grinste schwach.

„Oh, danke.“

„He!“

Die Stimme eines der Gepanzerten schallte durch den Kerker.

„Wer von euch ist Staubfinger? Der Natternkopf will ihn sehen!“
 

„Es heilt nicht wirklich.“

Roxane schüttelte stumm den Kopf und nahm neben dem Schleierkauz Platz.

Der Bader warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Staubfinger braucht einen besseren Arzt als ich es bin.“

„Aber es gibt keinen! Keinen, den wir in Ombra oder auf der Natternburg aufsuchen könnten!“

„Es gibt die Feen.“

„Feen?“

Roxane verzog das Gesicht.

„Sicher, Staubfinger befreit immer wieder welche auf dem Marktplatz von Ombra…“

„Launische kleine Biester, aber sie mögen Staubfinger, so weit ich weiß. Außerdem schulden sie ihm etwas, und das vergessen Feen nicht so schnell. Sie werden seine Verletzungen schneller und zuverlässiger heilen, als ich es vermag.“

Irgendetwas im Tonfall des Baders machte Roxane stutzig.

Die Sorge um Staubfinger war zweifellos echt, aber es wirkte vielmehr, als wolle er sie beide so schnell wie möglich von hier fortschaffen…

Ihre Ahnung bestätigte sich, als der Schleierkauz sich vorbeugte und leise weitersprach.

„Roxane, ihr habt zwar nicht gesagt, woher Staubfingers Verletzungen stammen, und ich habe nicht gefragt, aber ich erkenne die Spuren eines sicher geführten Messers, wenn ich sie sehe. Und es geht das Gerücht um, Capricorn habe einen Trupp seiner Männer unter Bastas Führung ausgeschickt, um einen Spielmann und seine Geliebte zu töten, die ihn aufs höchste beleidigt haben.“

Roxane spürte, wie es ihr kalt über den Rücken lief.

„Wie lange werden sie brauchen, um uns zu finden?“

„Ich weiß es nicht, aber sicherlich nicht lange. Staubfinger ist keine unauffällige Erscheinung, und du auch nicht, wenn ich das sagen darf. Ihr müsst fliehen, und das schnell.“

Roxanes Kehle schien wie ausgedörrt.

„Und wohin?“

„Ich weiß es nicht, aber hier seid ihr auf keinen Fall sicher.“



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