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Schuld & Sühne

von

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Kapitel 34

„Du bleibst hier und hältst die Stellung!“ Luzifer verliess wallenden Mantels den Raum und liess einen verwirrten Kato sowie eine total entrüstete Belial zurück.
 

„Ich kann nicht glauben, dass ich hierbleiben und Babysitter für dich spielen soll!“

Der verrückte Hutmacher warf einen angeekelten Seitenblick zu Kato als sei er irgendein übergrosses Insekt.

Dieser hingegen verstand so ziemlich gar nichts. Nachdem Belial ihn vom Graf der Schrecken weggeholt hatte, waren sie erst zum Festsaal zurückgekehrt, nur um dort ein heilloses Chaos voller aufgebrachter Dämonen vorzufinden. Kato hatte sogar ein paar Gesichter, die ihm noch vom Fest bekannt vorkamen, ausmachen können und hatte daraus geschlossen, dass es sich wohl hauptsächlich um hochrangige Dämonen handeln musste. Allerdings hatten sie nicht lange im Festsaal verweilt, sondern Belial hatte sie hier in diesen Raum, der Kato am allerersten Tag in der Hölle zugewiesen worden war und den er mal als „sein Zimmer“ tituliert hatte, teleportiert. Luzifer hatte schon gewartet, sich aber noch wortkarger als der verrückte Hutmacher gegeben und war nach ein paar kurzen Anweisung und der totalen Nichtbeachtung von Katos Person auch gleich wieder verschwunden. Was ihn an die Stelle brachte, wo er jetzt war: In „seinem Zimmer“ ohne den Hauch einer Ahnung.
 

„Was ist eigentlich los?!“ Der Sklave hatte sich zum Hutmacher umgewandt und versuchte möglichst genervt zu klingen. Dieser hingegen verdrehte nur die Augen. „Nach was sieht es denn aus?“

Kato war von der Gegenfrage irgendwie kalt erwischt worden und gab stotternd zurück: „Naja, nach Chaos…Aufstand…Krieg…“

„Das trifft es eigentlich schon recht gut.“ Seufzend liess sich Belial in den nächsten Sessel fallen.

„Was?!“ Plötzlich war Kato ganz Ohr. Einerseits weil die Situation natürlich etwas Beunruhigendes hatte und andererseits – eigentlich der wichtigere Grund – weil er mal auf Anhieb richtig gelegen hatte. „Wie Krieg?“

Belial schlug wichtigtuerisch die Beine übereinander und faltete die Hände. „Nun Aufstand wäre treffender, aber Chaos und Krieg sind natürlich auch nicht so weit davon entfernt.“

„I-Ich verstehe nicht so ganz… Es gibt also einen Aufstand?“

„Ja, du imbeziler Einfaltspinsel …“ Sie musterte Kato mit genervtem Blick. „…und anstatt an der Seite meines Meisters zu sein und ihm dabei zu helfen den Aufstand niederzuschlagen, bin ich hier und darf auf dich aufpassen.“
 

Kato überhörte den Vorwurf geflissentlich. „Aber warum gibt es einen Aufstand? Und vor allem wer hat ihn angezettelt?“

Belial nahm ihren Hut ab und strich sich seufzend ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Zuerst schien sie mit sich zu hadern Kato tatsächlich die Information zukommen zu lassen, entschied sich dann aber in Anbetracht der Tatsache, dass er ihr wahrscheinlich sowieso solange in den Ohren liegen würde bis sie es ihm erzählte, doch dafür… ausserdem erzählte sie eigentlich ganz gerne Geschichten.
 

„Die Nephilim attackieren Mammons Reich.“
 

„Die Nephilim?“ Kato hatte ehrlich gesagt keine Ahnung wer oder was diese Nephilim waren.

Ok, er hatte jetzt schon ein paar Mal von ihnen gehört und Luzifer hatte gedroht ihn ihnen zum Frass vorzuwerfen, aber sonst…
 

„Keine Angst, ich gehe nicht davon aus, dass du weißt, wer sie sind…“ Sie lächelte ihn spöttisch an. „…hätte mich auch sehr überrascht.“

Kato erwiderte die Geste mit einem gehässigen Lachen und wartete darauf, dass der Hutmacher endlich mit seiner Erklärung fortfuhr. Dieser hingegen schienen seinen Triumph noch etwas auskosten zu wollen und untersuchte gespielt abwesend seine Fingernägel.

Schliesslich wurde es dem Sklaven zu bunt und er baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor dem Sessel des Hutmachers auf. „Und? Rück' endlich raus mit der Sprache! Wer sind nun diese Nephilim?!“

„Na na, spiel dich hier bloss nicht so auf…“ Belial wedelte mahnend mit dem Zeigefinger vor Katos Gesicht rum. „… Ausserdem fällt mir gerade ein, dass der Herr ja noch gesagt hat, ich solle dafür sorgen, dass DU keine Dummheiten machst.“

„Wann bitte hat er das ges…“ wollte er aufbrausend argumentieren, doch als er das sadistische Lächeln auf dem Gesicht des Hutmachers bemerkte, blieben ihm die Worte ihm Halse stecken. Als sich dann auch noch plötzlich eine schwere Eisenkette auf dessen Schoss materialisiert, sah Kato die Frage nach dessen plötzlichem Amüsement beantwortet.
 

Erschrocken wich er einen Schritt zurück. „Du hast doch nicht ernsthaft vor, mir das anzulegen?“

Belials Grinsen wurde noch etwas breiter. „Das ist nur zu deinem eigenen Schutz.“

Wie in Zeitlupe erhob sie sich aus dem Sessel und liess das eine Ende der Kette zu Boden fallen.
 

Kato musste schlucken. „A-aber ich verstehe nicht, wie mich das schützen soll…“

Belial lachte leise und fixierte den Sklaven mit ihren saphirblauen Augen. Was in diesem das Gefühl hervorrief, dass er dringlichst die Flucht ergreifen sollte, denn dieser Blick verhiess nichts Gutes.
 

Ohne zu sehen wo er hinlief, stolperte Kato noch ein paar Schritte rückwärts, bis ihm schliesslich ein wadenhoher Schemel zum Verhängnis wurde und er geradewegs auf seinem Allerwertesten landete.

Der Hutmacher setzte nun seinerseits zur Verfolgung an und bewegte sich mit katzenhafter Grazie auf sein am Boden liegendes Opfer zu.
 

Bevor Kato wusste wie ihm geschah, hatte Belial ihn schon am Halsband gepackt und das eine Ende der Kette vorne bei der Schnalle eingehackt.

Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und wischte sich den imaginären Staub von den Händen.

“War doch gar nicht so schlimm.“

„Für dich vielleicht nicht…“ Kato sass schmollend und mit angewinkelten Beinen am Boden.

Auf das spielerische Ziehen an der Kette, mit welchem Belial ihn zum Aufstehen bewegen wollte, reagierte er lediglich mit einem bösen Knurren.
 

„Ach komm schon, du machst dich lächerlich“
 

Als Kato dann noch immer keinen Versuch sich endlich zu erheben startete, griff der Hutmacher kurzerhand zu drastischeren Massnahmen und riss den Sklaven mit einer unerwartet heftigen Bewegung auf die Füsse. Den Würgeeffekt, welcher das Halsband dabei auf das widerwillige Haustier ausübte und sich in einem heftigen Husten seitens Kato äusserte, überging Belial mit einem zufriedenen Grinsen.

„Warum nicht gleich so? Schliesslich solltest mittlerweile lange genug hier sein, um erkannt zu haben, dass du nur ein wehrloses Insekt im Netz der Spinne bist und absolut keine Chance hast dich zu wehren, geschweige denn zu Entkommen….“ Der Hutmacher hatte diese Worte im allerliebsten Tonfall gesäuselt und den sich immer noch den Hals reibenden Sklaven zurück zum Sessel geführt.

„Ja ja, hab’s verstanden, bin nur ein schwacher Wurm, der sich zu Füssen von euch Dämonen windet… aber könntest du mir jetzt bitte mal erklären, wie mich diese scheiss Kette schützen soll?!“ Kato hatte sich trotzig vor Belial aufgebaut, die sich währenddessen schon wieder auf ihrem Sessel niedergelassen hatte. Themawechsel war immer eine gute Devise, wenn man überspielen wollte, dass man schon wieder bei Machtspielchen mit dem Hutmacher den Kürzeren gezogen hatte.
 

„Nun ‚schützen’ war vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Diese Kette kann lediglich verhindern, dass dich jemand von hier, wo du jetzt bist, mitnimmt. Aber wenn jemand dir HIER etwas antun will, bist du genauso schwach und wehrlos wie eh und je.“ Sie lächelte den Sklaven mit einem breiten Grinsen an. Dieser hingegen murmelte angepisst etwas, dass sich sehr nach „Hättest du wohl gern“ anhörte und musste erkennen, dass der Hutmacher seinerseits wohl noch nicht genug von den Machtspielchen zu haben schien und noch Salz in seine zahlreichen Wunden streuen wollte.
 

„Wie war das?!“ Ein erneuter unerwarteter Ruck liess den Sklaven nach vorne kippen, so dass er direkt vor dem Hutmacher am Boden kniete.

Mit einem mehr als sauren Gesichtsausdruck schaute er auf und erwiderte: “Nichts, euer Boshaftigkeit…“

Belial lachte leise. „Du bist wirklich witzig… allerdings bezweifle ich, dass du diese Meinung teilst. Aber nun wird es doch langsam Zeit für deine Sicherheit zu sorgen…“

„Wie?! Ist dieses Scheissding denn noch nicht genug?!“

„Doch, aber was für einen Sinn macht eine Kette, wenn sie nirgends festgemacht ist…“

Langsam liess sie das Ende, welches sie bisher die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte, zu Boden sinken. Und dann geschah etwas, dass Kato für einen Moment zur Überzeugung kommen liess, dass er verglichen mit Belial vielleicht tatsächlich nur ein Insekt war…

Der Untergrund verflüssigte sich an der Stelle, an der die Kette ihn berührt hatte und schmolz sie gewissermassen mit sich ein. Nur Augenblicke später war der Boden jedoch wieder genauso steinhart wie zuvor, nur mit dem kleinen Unterschied, dass seine Eisenkette jetzt aus ihm rauszuwachsen schien…

Toll! Von dort würde er sich in hundert Jahren nicht losreissen können… zumindest nicht allein. Blieb nur zu hoffen übrig, dass Luzifer schnell wieder auftauchte und er nicht zu lange mit diesem verrückten Weib allein war…
 

„Du schätzt meine Gesellschaft nicht besonders…“

„Was? W-Wie kommst du denn darauf?“ Der Sklave rang sich ein gezwungenes Lächeln ab und kam sich ertappt vor. Wie zum Teufel konnte sie das wissen?! Bisher war er schliesslich immer davon ausgegangen, dass nur Luzifer Gedanken lesen konnte.

„Man muss keine Gedanken lesen können, um dir das anzusehen…“ Sie wischte sich gelassen über den Ärmel ihres Jacketts. „…Du bist recht einfach zu durchschauen.“

„Na und?!“ Kato wusste nicht was er sonst hätte erwidern sollen, also drehte er dem Hutmacher demonstrativ den Rücken zu.

„Nichts ‚na und?’ Es ist gefährlich, wenn dir jeder deine Gefühle so offensichtlich ansehen kann. Hier unten in der Hölle sind Mächte am Werk, die du nicht verstehen magst, welche aber alles dafür tun würden einen kleine schwaches Ding wie dich in die Finger zu kriegen… und wenn du dann nicht mal fähig bist wenigstens deine Maske unter Kontrolle zu halten, wirst du nicht nur dich selbst, sondern auch unserem Meister in Gefahr bringen!“

„Pah! Was bitte interessiert mich das… Schliesslich bin ich hier angekettet. Deine Mächte können mich also nicht von hier wegholen… Und ausserdem wurdest du, wenn ich mich recht erinnere, damit beauftragt auf mich aufzupassen…“ Nun wandte sich der Sklave um und blickte den Hutmacher frech entgegen „…also muss ich mir doch keine Sorgen machen.“
 

Für einen Moment herrscht Stille, dann faltete Belial demonstrativ die Hände. „Bilde dir ja nicht ein, dass ich auch nur den kleinen Finger für dich krumm machen würde, wenn ich eine Wahl hätte.“

Ein erneuter Moment des Schweigens folgte, dann aber blickte Kato auf und ein erstaunlich schadenfrohes Grinsen zierte sein Gesicht. „Aber du hast keine. Du musst genauso Luzifers Befehlen gehorchen wie ich… also bist du eigentlich auch nur ein Sklave und kein bisschen besser als ich.“
 

Trotz der skeptisch hochgezogenen Augenbraue umspielte ein leichtes Lächeln die roten Lippen des Hutmachers. „Du bist ganz schön vorlaut, SKLAVE…“
 

Dann packte sie Kato genau dort an der Kette, wo diese mit dem Halsband verbunden war und zog den sich leicht sträubenden Blonden näher zu sich heran, nur um ihm dann leise und im zuckersüssesten Tonfall zuzusäuseln: „Du magst damit recht haben, dass auch ich Luzifers Befehlen Folge zu leisten habe, doch es gibt immer noch einen entscheidenden Unterschied zwischen uns beiden, Sklave…“ Kato schaute ihr trotzig entgegen und versuchte damit zu überspielen, dass ihn diese plötzliche Attacke doch etwas erschreckt hatte. „Und der wäre?“ entgegnete er deswegen möglichst gleichgültig.
 

„Ich kann das hier tun!“ Mit einer Kraft, die man Belials zierlicher Form niemals zugetraut hätte, hob sie den nun doch recht alarmiert dreinblickenden Sklaven hoch und warf ihn soweit durch den Raum wie es Länge der Kette es zuliess. Kato schlug schwer auf und glaubte für einen Moment sein Rücken sei schon wieder gebrochen. Zu seiner Erleichterung war es aber wohl nur eine Rippe, die gerade für seine schreckliche Atemnot verantwortlich war und ihn dazu brachte sich die Lunge aus dem Leib zu husten.

Zu allem Übel musste er auch noch aus den Augenwinkeln wahrnehmen, wie sich die Herrin der Hochmut mit einem furchteinflössenden Stechschritt näherte. Kato versuchte irgendwie auszuweichen, doch natürlich war sie schneller bei ihm, als dass ihn dieser pathetische Fluchtversuch aus ihrer Reichweite hätte bringen können. Erneut packte sie ihn am Halsband und zog ihn auf ihre Augenhöhe hoch.

„Das ist der Unterschied zwischen dir und mir, du Made! Ich mag vielleicht in der Hierarchie unter Luzifer stehen, aber dafür immer noch über dir… und über sehr vielen anderen.“

Kato gab ein ersticktes Husten von sich, nickte aber trotzdem zum Zeichen dass er verstanden hatte. Sie war stark und er war schwach… Alles klar!
 

„Gut, dass wir das geklärt haben.“

Als wäre nichts gewesen, liess sie Kato zu Boden plumpsen und bewegte sich zurück zu ihrem Sessel. Der Sklave rieb sich währenddessen seine vielen malträtierten Körperteile und röchelte leicht vor sich hin. Ausserdem hatte er sich den geistigen Vermerk gemacht, dass man sich mit dem Hutmacher, wenn dieser angepisst war, was zwar meistens nicht wirklich offensichtlich erkennbar war, besser nicht anlegte…
 

„So…“ Belial sass wieder gemütlich in ihren Sessel, hatte die Beine überkreuzt und die Hände gefaltet. „… wolltest du vorher nicht etwas über die Nephilim wissen?“ Sie lächelte dem Sklaven auffordernd entgegen.

Dieser hingegen war sich gerade nicht mehr sicher, ob er noch im richtigen Film war.

Erst verprügelte sie ihn und dann verwandelte sie sich plötzlich in die nette Märchentante?!

Irgendwas lief hier schief…

Kato atmete einmal tief ein, ignorierte dabei einerseits seinen eigenen röchelnden Atem und versuchte andererseits zu verdrängen, dass das alles absolut keinen Sinn ergab und dass die Dämonen der Hölle sowieso alle ein Rad ab hatten.

„Ja… doch…“ Es war eine mehr als zögerliche Antwort.
 

„Also, es war so…“ Der Hutmacher lehnte sich im Sessel noch etwas mehr zurück, schien aber mit den Gedanken schon irgendwo ganz weit weg zu sein.

„…vor sehr langer Zeit, als Gott die Menschen gerade erst aus dem Paradies verbannt hatte, stiegen Engel vom Himmel herab um den verlorenen Kindern Rechtschaffenheit zu lehren und sie so auf den Pfad der Tugend zurückzuführen.

Diese Mission verlief auch einige Jahrhunderte lang gut, bis die Engel von Verlangen für die begehrenswerten Menschenfrauen ergriffen wurden…“ Belial legte eine kurze Pause ein und zwinkerte Kato auf sehr anrüchige Weise zu. „…Mit anderen Worten: Sie fielen über sie her, in den meisten Fällen alles andere als im gegenseitigen Einvernehmen…“

Kato verdrehte die Augen, konnte aber insgeheim nicht leugnen, dass ihm Belial, trotz der Perversitäten, so wesentlich besser gefiel als vorher und rutschte wieder etwas näher zu ihr hin.
 

Mit einem zweideutigen Lächeln auf den Lippen fuhr sie fort: “Viele dieser Frauen wurden auch tatsächlich schwanger und schenkten neun Monate später schrecklichen Missgeburten das Leben. Diese Mischlingskinder waren grauenhaft verunstaltete, monströse Wesen, die weder mit Mensch noch mit Engel Ähnlichkeit besassen. Zudem schienen sie von erschreckend böser Natur zu sein, denn hatte nicht schon ihre Geburt das Leben ihrer Mutter gefordert, so trieben sie die schwachen Menschenfrauen mit ihrem blossen Anblick in den Wahnsinn.“

Kato wollte den Mund aufmachen und nachfragen, was genau das denn nun mit den Nephilim zu tun hatte, doch der Hutmacher bedeutete ihm mit einem Blick still zu sein.
 

„Bald schon hatte auch die Kraft dieser Halbblüter immense Ausmasse erreicht. Ihr Hunger war so unersättlich, dass sie nicht nur sämtliche Nahrungsmittelressourcen verschlangen, sondern auch anfingen Menschen zu verzehren. Sie wurden zu despotischen Herrschern und brachten nur Zerstörung, Leid und Tod über die Welt. Schliesslich beschloss Gott, dem allem ein Ende zu setzen und schickte eine verheerende Sintflut, die diesen Missgeburten vernichten sollte….“[2]
 

Kato starrte Belial erwartend an. „Und weiter? Das kann’s doch nicht gewesen sein?!“

Diese grinste ihrerseits nur zufrieden. „Nein natürlich nicht. Die Sintflut konnte zwar alles sterbliche Leben auf der Erde auslöschen, doch um diesen Kreaturen beizukommen war sie nicht genug. Es schien, als hätten die Halbblüter die Unsterblichkeit ihrer Väter geerbt und konnten deshalb mit normalen Mitteln nicht ausgelöscht werden. Gott beschloss also, jene Methode anzuwenden, derer er sich schon immer bedient hat, wenn er etwas Ärgerliches nicht auf konventionelle Weise loswerden konnte: Sie wurden in die Hölle verbannt!“
 

Mit geweiteten Augen starrte Kato den Hutmacher an. Langsam war ihm ein Licht aufgegangen. „Du willst damit doch nicht etwa andeuten, dass diese Nicht-Mensch-nicht-Engel-Dinger die Nephilim sind?“

Belial zwackte ihm spielerisch in die Wange. „Du bist ja doch gar nicht so zurückgeblieben, wie ich immer dachte. Aber ja… diese Missgeburten erhielten den Namen ‚Nephilim’, die Gewaltigen.“

Kato verzog leicht angewidert das Gesicht. Ob das allerdings von Belials Kneifer oder von der Bedeutung des Namens der Nephilim herrührte, blieb unklar.

„Aber die Geschichte geht noch weiter, nicht?“

„Ja. Die Nephilim wollten natürlich den Siegeszug, den sie auf der Erde begonnen hatten, hier in der Hölle fortsetzen. Allerdings stellte die Tatsache nun richtigen Engeln – wenn auch gefallenen – gegenüber zu stehen, doch eine ziemliche Herausforderung für sie dar. Sie mochten mächtig sein und über enorme Astralkräfte verfügen, dennoch konnten sie es nicht mit den dämonischen Heerscharen aufnehmen.

Allerdings machte es ihre Unsterblichkeit auch uns unmöglich, sie gänzlich auszulöschen. Also griff unser erhabener Herrscher Luzifer zu einer – zugegeben – recht unorthodoxe Methode. Er sprach ebenfalls einen Bannfluch über die Nephilim, der sie zwar nicht aus der Hölle vertrieb, aber sie immerhin an einem Ort gefangen hielt, den sie nie wieder würden verlassen können…“

Stille folgte. Kato wartete eigentlich darauf, dass der Hutmacher fortfahren und ihm diese ‚unorthodoxe’ Methode erläutern würde, doch nichts geschah.

Schliesslich drehte er sich um und entdeckte, wie der Blick der Erzdämonin schon wieder irgendwo in die Ferne geschweift war.

„Und weiter?!“ Katos reichlich undezente Artikulierung schien sie sofort wieder aus ihren Gedanken zu reissen. „Wo war ich stehen geblieben?“

„Bei Luzifer unorthodoxen Methoden“ entgegnete der Sklave relativ genervt. Warum konnte dieses Weib nicht mal bei ihrer eigenen Geschichte aufmerksam dabeibleiben? Was war los?
 

Belial räusperte sich und setzte ihr berüchtigtes, leicht verächtliches Lächeln auf.

„Luzifer hat die Nephilim in das zwischendimensionale Kontinuum verbannt… Was zwar soweit praktisch ist, dass dort nichts und niemand raus kann, doch sie sterben dort auch nicht und leben einfach in ihrer eigenen kleinen, abgeschotteten Welt.“
 

Irgendwas an dieser Aussage gefiel dem Sklaven ganz und gar nicht… und zwar war es die Tatsache, dass es den kompliziertesten Begriff von all denen, die genannt worden waren, schon mal gehört hatte…

„D-Das hat doch nichts mit den Gängen zu tun?“
 

Das Lächeln auf Belials Gesicht erstarb augenblicklich, stattdessen wurde es von einem fachmännisch abwägendem Blick und einer kritisch hochgezogenen Augenbraue ersetzt.

„Ich muss zugeben, dass du meine Erwartungen heute schon zum zweiten Mal übertriffst. Ich hätte dir wahrlich nicht zugetraut, dass du durchschaust, dass sich die Gänge, als mentale Projektionen des Betrachters, aus dem zwischendimensionalen Kontinuum aufbauen…“
 

Hatte er auch nicht. Er hatte sich bloss daran erinnert, dass das Bunny dieses böse Wort mit den vielen Silben im Zusammenhang mit den Gängen erwähnt hatte… ob er es überhaupt aussprechen konnte, war jedoch die andere Frage.
 

Kato verzog das Gesicht zu einem gepeinigten Grinsen, erwiderte aber ansonsten nichts.

Belial ihrerseits seufzte nur und fuhr mit ihren Erläuterungen fort:

„Du begibst also jedes Mal, wenn du die Domäne eines Erzdämons verlässt und einen Gang betrittst, in das Reich der Nephilim. Auf Grund von Luzifers Bannspruch befinden sie sich zwar auf einer anderen astralen Ebene und können dir deswegen nichts anhaben, wahrnehmen tun sich dich aber trotzdem. Das heisst, sie wissen, wann und wo du gerade einen Gang passierst.“
 

Katos Augen wurden bei dieser Aussage tellergross. Diese gefährlichen Nephilim Dinger waren immer in den Gängen?! Und dort hatte er sich schon verirrt?!
 

„Bis jetzt war das kein Problem, weil sie sich nicht auf einer physischen Ebene materialisieren konnten, aber es scheint als hätten sie jetzt irgendein Schlupfloch gefunden…“ Belial seufzte tief.
 

Wieder herrschte einen Moment Stille, dann konnte man den Sklaven sehr leise erwidern hören: „Und das ist bei Mammon, oder wie?“

Ohne Kato dabei anzusehen nickte die Dämonin. „Ja, bei Mammons Reich waren die astralen Grenzwälle schon immer etwas instabil. Deswegen ist das auch der Ort, wo man am leichtesten ausbrechen kann, wenn man es bewerkstelligt könnte denn Bannfluch zu überwinden… Was mir wiederum absolut schleierhaft ist, wie dies gelingen konnte, denn eigentlich kann der Fluch nur gebrochen werden, wenn er von ausserhalb gesprochen wird.“
 

„Dann hat ihnen also jemand geholfen…?“
 

Belial musterte den mit angewinkelten Beinen am Boden sitzenden Sklaven wortlos und nickte schliesslich erneut. „Ja, das wäre die einzig plausible Erklärung…aber es bedeutet auch, dass es einen Verräter aus dem inneren Kreis gibt.“
 

Kato schaute sie fragend an. Ein leichter Anflug von Unsicherheit war in seinen Augen zu lesen.
 

„Nur jemand der selbst dabei gewesen ist oder Luzifer nahe genug steht, um an seine Aufzeichnung zu kommen, wäre in der Lage den Bannfluch zu rezitieren…“
 

~~~~
 

Schweigend sass der Sklave da und dachte einfach für einen Moment über das, was Belial ihm erzählt hatte, nach. Eine Revolution war im Gange und es gab einen Verräter… irgendwie war hier unten in der Hölle wesentlich mehr los, als er bisher wahrgenommen hatte. Irgendwie hatte er immer gedacht, dass jetzt, wo Gott nicht mehr war, die Dämonen ‚eine ruhige Kugel schieben’ konnten, weil sie ja eigentlich niemanden mehr zum bekämpfen hatten… schien als hätte er sich getäuscht.

Seine Gedanken drifteten ab zu der Frage, wer wohl der Verräter sein konnte… Luzifer würde diesem jemand gewiss den Arsch aufreissen. Etwas schadenfroh grinste der Sklave vor sich hin.

Also es war jemand, der entweder selbst dabei gewesen war oder Zugang zu den Aufzeichnungen hatte…
 

Aufzeichnungen?
 

Akten?.........
 

Akte!
 

Wie von der Tarantel gestochen sprang Kato auf! Sein Herz klopfte wie wild.

Aber es konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein!

Immerhin wusste Luzifer, dass er die Akte verloren hatte und wenn etwas wirklich Wichtiges dringestanden hätte, hätte ihn der Höllenfürst erstens mal gar nicht damit beauftragen sollen und zweitens hätte er ihn sicher härter dafür bestraft, dass er sie verloren hatte.
 

Belial beobachtete Kato seltsames Verhalten und dessen panischen Gesichtsausdruck mit leichtem Amüsement. „Was ist denn los, kleiner Schafskopf? Hast du gerade festgestellt, dass morgen Weihnachten ist und du kein Geschenk für deine Mama gekauft hast?“
 

Der Blonde seinerseits war gerade zu hysterisch, um auf die Provokation einzugehen.

Nervös blickte er in Belials Richtung und beschloss erstmal einen kleinen Vorstoss, mit der Hoffnung auf Entwarnung, zu wagen. „Äh- hä… was würde passieren, wenn, sagen wir, du etwas auf den Gängen ‚verlieren’ würdest?“

Belial Augenbraue wanderte wieder nach oben und sie musterte den Sklaven mit leicht misstrauischem Blick. „Wie verloren?“

„Na ja, liegen gelassen, vergessen, nicht mitgenommen…“ Kato gestikulierte wild und ziemlich planlos rum. Das Amüsement des Hutmachers war auch wieder verflogen und eine gewisse Vorahnung hatte sie beschlichen. „Wenn es etwas ohne einen eigenen Willen ist und es demnach kein Ziel vor Augen hat, wo die Gänge es hinbringen sollen, wird es in den ewigen Weiten des Kontinuums verloren gehen…“

„Ja Ja, das weiss ich auch schon… aber können die Nephilim dann auch auf es zugreifen?“

Der Sklave tapste von einem Fuss auf den anderen.

„Nun, es…“ Weiter kam der Hutmacher nicht, denn die Tür wurde mit einem lauten Knall aufgestossen und das Bunny kam hereingestürzt.

„H…Herr…“ Sie atmete äusserst schwer und musste erst nach vorne gebeugt, die Hände auf den Oberschenkeln abstützen.

„Die…La..ge… steht momentan…“ Ihre Hasenohren hingen schlaff runter und ihr Gesicht war gerötet, als sie zwischen ein paar wirren, dunklen Strähnen, die ihr ins Gesicht hingen, zum Hutmacher aufschaute. „…nicht … gut.“

Sofort war dieser neben dem Bunny und packte es relativ unsanft am Oberarm. „Was ist passiert?! Los! Rede schon!“ Belials Miene wirkte plötzlich mehr als angespannt. Die schlechten Nachrichten von der Front hatten der sowieso schon etwas angeschlagenen Maske des Hutmachers wohl den Rest gegeben.
 

Das Bunny atmete einmal tief durch und versuchte sich dann wieder etwas gerader aufzurichten. „Sie waren viele. Wir wurden überrascht… momentan sind wir in der … Defensive“ Beinahe schon etwas beschämt, wandte sie dem Blick ab.

Belials Gesichtsausdruck, welcher irgendwo zwischen absolutem Unglauben, Hysterie und eiskalt aufrecht erhaltener Kontrolle angesiedelt war, trug sein Übriges dazu bei, dem Sklaven den Ernst der Lage klarzumachen. Als sie dann auch noch ihre Hand nach dem Sessel ausstreckte und plötzlich der Hut, welcher immer noch auf dem kleinen Tischchen davor gelegen hatte, angeflogen kam, war es auch mit Katos Ruhe aus. Leicht panisch beobachtete er, wie Belial die Melone mit einer sehr energischen Geste aufsetzte, sich dann noch einmal an das Bunny wandte und ihr irgendeinen Befehl entgegenbrüllte, den Kato aber in seiner Konfusion nicht wirklich verstand, und sich dann im wahrsten Sinne des Wortes in Nichts auflöste… Und dann waren sie allein.
 

Der Sklave starrte immer noch verwirrt und auch leicht hysterisch zwischen der Stelle, wo der Hutmacher gestanden hatte und dem noch immer ziemlich geschlaucht wirkenden Bunny hin und her.

„W-Was ist eigentlich passiert?“

Das Bunny zuckte mit den Schultern und schlurfte dann erschöpft auf den Sessel zu, in dem vorher Belial gesessen hatte.

„Der Nephilim-Angriff war wesentlich stärker als erwartet. Sie brauchen Hilfe…“

„Ja, das hab ich auch schon aus deinen gekeuchten Aussagen geschlossen, aber was ist mit dem Hutmacher?!“ Kato war das leichte Gefühl von Panik immer noch nicht losgeworden, in Gegenteil, es hatte sich noch wesentlich verstärkt.

„Na ja, ich denke, er wird sich jetzt aufgemacht haben die anderen an der Front zu unterstützen.“

„Aber Luzifer hat befohlen, sie müsse hierbleiben und auf mich…“ Kato räusperte sich. „… hier die Stellung halten.“

Das Bunny grinste leicht ob Katos Versprecher, zuckte dann aber erneut ratlos mit den Schultern.

„Ich bin ja jetzt hier… und wir sind relativ weit weg von den Kämpfen, es würde lange dauern bis die Nephilim bis hier vorgedrungen wären.“

Wie viel der Sklave von den Kampfkünsten des Bunnys und ihren Beschwichtigungen hielt, wurde mit dem verächtlichen Blick, den er ihr zuwarf, mehr als deutlich. Trotzdem erwiderte er nichts weiter.
 

Stille kehrte zwischen den beiden ein und jeder schien etwas seinen eigenen Gedanken nachzuhängen, bis Kato urplötzlich wieder aufsprang. „Bunny! Du verstehst doch auch was von den Höllenwegen!“

Der Märzhase seinerseits war recht erschrocken über den jähen und für sie vollkommen zusammenhangslosen Ausbruch des Sklaven.

„Ja, du hast mir doch erklärt wie sie funktionieren, du weißt doch sicher was mit der Akte passiert, wenn ich sie im Gang liegengelassen habe.“

Leicht verdattert erwiderte sie: „Das habe ich dir doch schon gesagt, es ist ver…“

Kato winkte ab. „JAAAA, zum Teufel! Das weiss ich, aber können die Nephilim dann auf diesen verlorenen Gegenstand zugreifen? … Da fällt mir ein, warum hast du nie gesagt, dass die Nephilim auf den Gängen leben?!“

„Sie leben nicht AUF den Gängen!“ Irgendwie schien das Bunny leicht brüskiert.

„Und wenn ich dir das mit den Nephilim erzählt hätte, hättest du’s sowieso nicht verstanden! Du hast ja noch nicht mal gewusst, was es mit den Gängen auf sich hat, da hätte es doch keinen Sinn gemacht noch das mit den Nephilim zu erwähnen und dich ev. damit endgültig zu vergraulen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wandte den Blick ab.

Kato hatte schon den Mund aufgemacht und die Hand gehoben, um etwas zu erwidern, stoppte dann aber mittendrin. „Mich vergraulen?“

„Jaaaaaa…“ es klang leicht trotzig. „…wenn ich dir gesagt hätte, dass schreckliche Monster in der Dimension, auf der die Gänge sich materialisieren, hausen, wärst du nie mit mir ins Wunderland gekommen.“

Auch der zweite Anlauf etwas zu erwidern, scheiterte an der plötzlichen Erkenntnis, dass ihn die Bemerkung des Bunnys irgendwie rührte… und nervte!

Schliesslich entgegnete er zaghaft: „Wäre vielleicht auch besser gewesen... Deine Wunderlandexkursion hat mir ja nicht wirklich was gebracht…“

Blitzschnell wirbelte der Märzhase wieder herum und funkelte den Sklaven mit leicht feucht glänzenden Augen an. „Ach dann bin ich dir wohl völlig egal?! Und hast du nicht dank mir den Zugang zum Reich des Herrn der Fliegen gefunden?! Du ..Du undankbares Rindviech, du!“

Kato fuchtelte abwehrend mit den Händen und wollte das aufgebrachte Bunny wieder beruhigen, beglückwünschte sie aber innerlich zu ihrer Wahl an Beleidigungen, weil die mal wirklich etwas Neues war.

„Nein, so habe ich das doch gar nicht gemeint! Du hast mir immer versucht zu helfen… irgendwie… auf teils recht missglückte Art und Weise.“

Sie musterte ihn kritisch und mit leicht abschätzigem Blick.
 

Nein, ich bin wirklich froh dich getroffen zu haben…… ehrlich“

Und irgendwie meinte Kato es tatsächlich so wie er es sagte. Der Märzhase schaffte es zwar immer wieder ihn in unmögliche Situationen zu bringen und hatte einen abstrakten Sinn für Humor, aber trotzdem mochte er sie irgendwie…
 

Er lächelte verzeihungssuchend … und kriegte dann nur noch mit, wie sie ihm um den Hals fiel. „Also gut, ich verzeihe dir, mein kleiner Doofman…“ Sie strubelte ihm durch die Haare.

Kato seufzte und schalt sich innerlich einen Narren. Er hätte damit rechnen müssen…
 

Ohne etwas zu erwidern, löste er sich aus der Umarmung des Bunnys und brachte etwas Abstand zwischen sie beide.

„Was ist nun mit der Akte und den Nephilim?“ Kato versuchte so sachlich wie möglich zu klingen und das Haargestrubel so gut es ging zu ignorieren.

Der Märzhase seinerseits grinste nur freudig, stieg dann aber gespielt auf die Seriosität ein und legte ganz nachdenklich manieriert den Finger ans Kinn.

„Also, du wolltest wissen, ob die Nephilim Zugriff auf die Sachen haben, die auf den Gängen verloren gehen?“

Kato nickte ungeduldig und wartete auf eine Antwort. Das Bunny legte daraufhin abwägend den Kopf mal auf die eine dann wieder auf die andere Seite schief. Schliesslich hielt sie inne und erwiderte knapp: „Wahrscheinlich.“
 

„Wie 'wahrscheinlich'?! Hast du nicht ne ausgefeiltere Antwort als das zu bieten? Du weißt doch sonst immer alles!“ Die Panik, welche Kato während seiner Konversation mit dem Bunny weitgehend wieder vergessen bzw. verdrängt gehabt hatte, war in voller Grösse zurückgekehrt.

Sie musterte ihn abwägend. „Nein, habe ich nicht. Es ist noch nie etwas, was auf den Gängen verloren ging wieder aufgetaucht und genauso wenig hat je jemand das Reich der Nephilim besucht, um davon berichten zu können… Aber ich denke, dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass sie auf so etwas wie eine verlorene Akte zugreifen könnten“
 

Kato atmete tief ein… und wieder aus … und wieder ein.

Er war einer Panik nahe. Was wenn in der Akte wirklich was Wichtiges gestanden hatte?! Aber Luzifer hätte dann doch anders reagiert, oder nicht? Aber vielleicht wollte er sich auch nur nicht die Blösse geben vor dem Feind und geheim halten was für wichtige Unterlagen dort abhanden gekommen waren… Tausende verschiedene Möglichkeiten kamen dem Sklaven in den Sinn und brachten ihn dazu, sich verzweifelt die Haare zu raufen.

Aber wenn die Akte wirklich wichtig gewesen war, dann hätte Luzifer sie ihm doch gar nicht erst anvertrauen sollen, schliesslich musste der leibhaftige Teufel doch in der Lage sein zu erkennen, wie unfähig der Junkie eigentlich war!
 

Unbewusst fing Kato an an seinen Fingernägeln rumzukauen. Das Bunny beobachtete das Ganze leicht beunruhigt und packte den Sklaven schliesslich an seiner Kauhand.

„Was ist denn los? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du für den Ausbruch der Nephilim verantwortlich bist? Oder…“ Sie grinste ihn mit ihrem Zahncremlächeln an und brachte ihn schliesslich dazu sich hinzusetzen. „… machst du dir etwa Sorgen um Luzifer?“

Kato schaute sie erst etwas verwirrt an, als ihm dann aber die Bedeutung der Worte klar wurde, errötete er leicht. „Püh, wieso sollte ich mir Sorgen um den machen? Der ist doch voll die Kampfmaschine…“

„Na na…“ Sie wedelte tadelnd mit dem Finger. „… an deiner Stelle wäre ich da nicht so arglos. Die Situation ist wirklich ernst und die Nephilim sind nicht zu unterschätzen.“

Für einen Moment betrachtete der Sklave sie abwägend, dann aber schlich sich ein erstaunlich ernsthafter Ausdruck auf sein Gesicht.

„Ist es wirklich so schlimm? Ich meine, könnte Luzifer verlieren?“

Das Bunny zuckte mit den Schultern und wandte dann ihren Blick beinahe schon etwas gedankenverloren zur Fensterfront. „Es ist auf jeden Fall ernst, aber jetzt wo der Hutmacher noch da ist, stehen die Chancen nicht schlecht. Ausserdem haben sie sozusagen Heimvorteil…“ Ein etwas wehmütiges Lächeln zeichnete sich auf den Lippen des Bunnys ab.

„Aber sind denn diese Nephilim wirklich soooo stark? Alle reden immer nur davon, dass sie schreckliche Monster wären, aber wie sehen sie denn nun wirklich aus? Und was können sie?“

Der Märzhase wandte sich dem Sklaven wieder zu und betrachtete ihn mit einem Stirnrunzeln. „Du bist heute aber neugierig? Oder machst du dir etwa wirklich Sorgen um deinen Meister… Wie süss!“ Kato grummelte etwas, enthielt sich ansonsten aber jeglichen Kommentars.
 

„Also mit den Nephilim ist es eben so, dass sie keine einheitliche Form haben und man sie deswegen so schlecht einschätzen kann. Auch sind ihre Kräfte sehr unterschiedlich, was ihnen natürlich einen enormen Vorteil gegenüber ihren Feinden verschafft, wenn diese nicht wissen, was sie eigentlich erwartet.“

Nun war es an Kato die Stirn zu runzeln. Warum konnte dieses Bunny, die Dinge nicht einfach so erklären, dass man sie gleich auf Anhieb verstand. Sie musste doch mittlerweile gepeilt habe, dass er nicht gerade der grosse Denker war. Oder machte sie das wieder nur um ihn zu ärgern?!
 

Die ausbleibende Antwort war wohl für den Märzhasen genug, um ihre Ausführung noch etwas zu erläutern. „Also, das heisst im Klartext, dass man die Nephilim erscheinungstechnisch nicht einfach in eine Kategorie einordnen kann, wie z.B Engel, die ja alle Flügel haben.

Sie sehen alle total unterschiedlich aus und haben auch alle sehr verschiedene Fähigkeiten.

Es soll angeblich solche geben, die so gross wie Häuser sind und Drachen gar nicht so unähnlich sehen. Ein paar Tentakelmonster sollen es auch darunter haben. Echsenähnliche Wesen, Wolfsungeheuer, Riesenschlangen… Alles was dich normalerweise nur in deinen finstersten Alpträumen heimsucht.“

Das Bunny grinste ob ihrer eigenen Ausführungen, doch der Sklave erwiderte noch immer nichts und starrte stattdessen nur nachdenklich vor sich hin.
 

„Aber ich kann dich beruhigen…“ fuhr sie fort. „…es sollen angeblich auch ein paar sehr menschenähnliche existieren, die dann einfach über enorme Astralkräfte verfügen…“ Kato war mittlerweile recht weiss im Gesicht. „…Die können dann Feuer- oder Energiebälle schleudern…“

Irgendwie fand der Sklave den Gedanken, dass Luzifer momentan da draussen gerade gegen solche Gegner kämpfte immer beunruhigender.

„Ach ja, und mir hat mal jemand erzählt, dass es noch solche geben soll, die ihre Erscheinungsform zusätzlich auch noch beeinflussen können. Stell dir das mal vor, da passen die sowieso schon mal in kein Raster und dann können sie sich auch noch verändern… “

Kato wollte sich das lieber nicht vorstellen. Wenn die ihr Escheinungsbild tatsächlich verändern konnten, wäre es doch gut möglich, dass… „Aber könnte sich dann nicht jemand hier einschleichen?!“

„Wie?“ Das Bunny, gerade in ihrem Monolog unterbrochen, blickte Kato leicht überrumpelt an.

„Äh nein… es gibt nur eine Gemeinsamkeit, die alle Nephilim haben und die können sie dann auch nicht verändern. Daran erkennst du sie immer…“

Kato schaute das Bunny abwartend an. „Und die wäre?“

„Sie haben keine Augen.“
 

Leicht angeekelt verzog der Sklave das Gesicht. „Wie keine Augen? Sind sie blind?“

„Neeeeein, du Trottel!“ Sie seufzte. „Normale Augen, also bei Menschen und Engeln, zeichnen sich ja eigentlich dadurch aus, dass sie Augenweiss, farbige Iris und eine schwarze Pupille haben.

Aber bei den Nephilim gibt es diese Abstufung nicht. Ihr ganzes Auge ist eine einzige riesige Pupille, sprich ganz schwarz, nichts Weisses!“

Katos Mund verzog sich noch etwas mehr. „Klingt ja unheimlich.“

Sie zuckte wieder mit den Schultern und wandte ihren Blick erneut zur Fensterfront.

„Man gewöhnt sich dran…“

„Wie 'man gewöhnt sich dran'?“

Diesmal drehte sie sich nicht wieder zu ihm um, sondern erwiderte bloss leicht abwesend. „Ach, nichts…“
 

~~~
 

Kato beschloss nicht weiter auf das seltsame Verhalten des Märzhasen einzugehen, der war ja sowieso nicht ganz dicht, sondern legte sich stattdessen auf den Rücken.

„Weißt du, irgendwie war mir gar nicht bewusst, dass hier unten so die Krise herrscht. Ich dachte immer, die Hölle sei der Ort der ewigen Qualen…“

„Ach, leidest du zu wenig?“ Obwohl sich das Bunny ausserhalb seines Sichtfeldes befand, hört er wie sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte.

„Nein, natürlich nicht. Aber irgendwie hab ich mit ‚ewig’ eher so was wie ‚monoton’ in Verbindung gebracht.“ Kato war gerade in einer seltsam nachdenklichen Laune

„Alle Achtung, du kennst die Bedeutung des Wortes ‚monoton’…“ Das Lachen des Märzhasen hallte durch den Raum. „… aber ich nehme mal an, dass das so was wie ein verkapptes Kompliment war, dass hier immer die Post abgeht.“

„Nein, ein Kompliment war’s sicher nicht. Ich verzichte gern auf all die Schläge und die Psychospielchen für etwas weniger Action.“ Kato wollte sich aufrichten. „Aber ich muss zugeben, dass mit dir tatsächlich immer die Post abgeht und ich dich, verglichen mit all den anderen, irgendwie ganz angenehm finde. Bei dir weiss man wenigstens immer woran man i…“

Die Worte blieben ihm im Halse stecken, als er den Märzhasen sah, der ihn nun direkt anblickte.
 

Schwarze Augen, kein Weiss…
 

„Dann danke ich für das Kompliment, aber ich nehme an, dass du deine Meinung soeben geändert hast.“

Kato nickte wortlos. „Hast du nicht gesagt, die schwarzen Augen könnten die Nephilim nicht verstecken?“

Sie lächelte leicht. „Manchmal lüge ich….“
 

TBC
 

Tja, Das Bunny als Bösewicht. Aber wir wussten ja schon ne Weile, dass mit ihr etwas nicht stimmt… Kam die Erkenntnis jetzt trotzdem überraschend oder habt ihr damit gerechnet?

Eure Meinung sonst zum Chap?
 


 

[1] Im Manga in Band 3 gibt es eine Anspielung auf diese ganze Nephilim-Geschichte.

Katan erzählt Kirie seine Lebensgeschichte und dass er mal ein Grigori war. Laut Kaori Yuki sind Grigori jene Engel, die eben mit den Menschen die Nephilim gezeugt haben und dafür zur ewigen Körperlosigkeit verdammt wurden.

[2] Bis hierher ist alles ziemlich genau es der echten christlichen Mythologie übernommen… danach hab ich allerdings selbst etwas dazuerfunden^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  dark-butterfly
2009-09-02T17:33:17+00:00 02.09.2009 19:33
Ich habs endlich gelesen! HURRA!

Mhhhh...
Naja, ich hab mir schon gedacht das das Bunny schon
komisch ist aber jetzt darauf bin ich nich wirkich
gekommen.Es war klar als sie sich dann verquatscht hat,
"Man gewöhnt sich daran" aber vorher nich... wirklich

Ich bin mal gespannt wie es weiter geht,
wird ja jetz spannend und so viele Fragen ^^

Wie sieht es denn wirklich an der Front aus?
Was machen sie mit Kato, der Arme hat auch sooo
ein Pech *böse grins*
Der kann ja da nich weg, außer das Bunny is
echt Stark!

Oje, oje...

ich freu mich schon auf das nächste Kapitel!

LG d-b


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