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Cold Case

Anthologie
von

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Cold Case - Herbst. Schauspielern können ist alles

Absperrband, gelb mit schwarzer Aufschrift. Polizeisirenen, blinkende Lichter, Streifenwagen. Überall. Nicht gut.

Streifenpolizisten überall.

Wirklich nicht gut. Sehr schlecht sogar.

Sehr schlechte Bedingungen für den Fahrer eines Drogenschmugglerkartells, wenn dieser an den Ort kommt, an dem er einen wichtigen Mann absetzen soll, damit dieser wichtige Informationen von einem wichtigen Informanten erhalten kann. Denkbar schlechte Voraussetzungen. Wenn nicht sogar die Allerschlechtesten überhaupt.
 

„Oh-oh“, sagte der Mann, den er nur unter dem Namen Diego kannte, vom Rücksitz aus.

„Das sieht nicht gut aus. Umdrehen, Alvaro.“

Der Angesprochene reagierte, ohne die Miene zu verziehen. Er war solche harschen Kommandos gewohnt. Als Mitglied eines Schmugglerkartells fing man ganz unten an – das war sogar noch eine Stufe unter der Stufe, auf der er sich gerade befand. Aber da man nicht höher stieg, wenn man die Klappe hielt, wagte er das Risiko.

„Sollten wir nicht lieber herausfinden, was los ist?“

„Aus dem Auto heraus? DU spinnst wohl, amigo. Wir werden die Karre irgendwo parken und dann näher rangehen.“

„Buena idea.“

Gute Idee. Und ihre einzige, wie es aussah. Diego war nicht der Typ, der sich lang und breit über seine Situation Gedanken machte. Alvaro hatte ihm den Anstoß gegeben – er würde sie in die Tat umsetzen. Und darin war er nicht schlecht.
 

„Komm schon, Alvaro!“, seufzte Diego und liess ihm einen mitleidigen Blick angedeihen.

„So schwer ist es doch nicht!“

„Das sagst du“, gab der zähneknirschend zurück und musste um sein Gleichgewicht kämpfen, als Diego ihm knallhart auf die Schulter schlug.

„Du bist jetzt ein Amerikaner, amigo. Geh wie einer. Sprich wie einer. Sei einer.“

Wenn Diego nur wüsste, wie Recht er hatte, dachte der schwarzhaarige Mann düster und versuchte, sich aufrecht hinzustellen und sich so zu halten. Mit dem Anderen war eine Verwandlung vor sich gegangen: er hatte die Lederjacke mit einem leichten Mantel vertauscht, hatte sein Hemd ordentlich zugeknöpft und trug eine Sonnenbrille auf dem Kopf. Auch die goldenen Ketten um seinen Hals waren verschwunden. Vor Alvaro stand ein männlicher amerikanischer Staatsbürger in den besten Jahren – es fehlte nur noch die Aktentasche. Diego musterte ihn kritisch.

„Du hast nicht viel Talent zum Schauspielern, Alvaro.“

Er verkniff sich die Antwort. Wenn ich es hätte, wäre ich zum Theater gegangen... Stattdessen nahm er es als Kompliment an. Aber im Vergleich zu Diego würde er immer nur Alvaro, der Mexikaner, bleiben.

„Keine Zeit für Lektionen“, sagte das Chamäleon und sah auf seine Uhr.

„Wir finden heraus, was da passiert ist. Und denk daran – auf keinen Fall auffallen!“
 

Zuerst mischten sie sich in einen stetigen, aber kleinen Strom Passanten, der sich an der eher schäbigen Absteige vorbeischob, auf dem Weg nach Hause von der Arbeit, und dabei immer wieder neugierig den Kopf reckte, um zu sehen, was hinter dem gelben Absperrband geschah. Für einen Außenstehenden sah die Szene vor ihnen sehr chaotisch aus: Polizisten riefen sich über die Streifenfahrzeuge hinweg Botschaften zu, Sanitäter liefen kreuz und quer über den offenen Platz vor Haustür und Krankenwagen und Statik und unverständliche Laute drangen aus den Funkgeräten. Aber weder Diego noch Alvaro waren Außenseiter, was diese Art von Schauplätzen anging.

Und das Rätsel löste sich auf, als drei Sanitäter mit einer Bahre aus dem Haus kamen, auf der eine verdeckte Person still und unbeweglich dalag. Offensichtlich war sie tot. Einige Meter vor ihnen steuerte ein junger Polizist auf seinen Vorgesetzten zu.

„Das Opfer.... 24... spanisch oder mexikanisch... glatter Kopfschuss“, hörten sie nur. Aber es reichte aus, um zu erfahren, was sie wissen wollten.

Diego ging weiter und Alvaro schloss sich ihm an.

„Hijo de Puta!“, fluchte der Drogenboss höchst unchristlich und wenig amerikanisch. Der Informant war also tot. Und mit ihm waren die Namen der nächsten zehn Mulis, derjenigen, welche die Drogen aus Mexico in ihrem Magen einschmuggelten, für sie gestorben. Langsam, um um keinen Preis aufzufallen, blieben sie stehen und taten so, als seien sie in ein reges Gespräch vertieft.

„Damit ist dein Job hier zu Ende, Alvaro. Hau ab – ich werde dich kontaktieren. Und lass den Wagen da."

Klasse. Jetzt konnte er nach Hause laufen.

Alvaro nickte, drehte sich um, hob die Hand zum Gruß und ging. Wie konnte Diego angesichts des brutalen Mordes an einem seiner Informanten nur so ruhig bleiben? Am liebsten hätte er sich den Mann geschnappt und ihn gegen die nächste Wand geschleudert. Das Einzige, das Diego interessierte, war der Profit, der Profit und noch einmal der Profit... Wer dabei starb, war ihm gleich. Mit geballten Fäusten schob Alvaro sich durch die Menge, schaute weder nach Links noch nach Rechts. Zu spät bemerkte er die Bewegung an seiner rechten Seite – und die Frau, die ihm in den Weg trat. Zu schnell gelaufen. Verdammt. Eine junge Frau mit blonden, hochgesteckten Haaren, grauen Augen und der dunkelblauen Weste mit den gelben Buchstaben Philadelphia Police.

Ein Cop.

Verdammte Scheiße.

„Einen Moment“, sagte sie scharf und musterte ihn prüfend und misstrauisch. Der kalte Blick ging ihm durch und durch.

„Dürfte ich Ihre Papiere sehen, bitte?“

Alvaros Herz raste. Was sollte er tun? Ihr seine Papiere zeigen – natürlich nicht die Echten – damit man ihn identifizieren konnte? Oder einfach abhauen? Panisch suchte er nach einem Ausweg...
 

... Da trat ein stämmiger Mann an die Frau heran und legte ihr eine schwere Hand auf die Schulter.

„Rush – Sie werden gebraucht. Kommen Sie.“

Jetzt war ihr Misstrauen erst recht angefacht.

„Was soll das, Mahone?“

„Ich sagte, lassen Sie den Mann in Frieden und folgen Sie mir!“

Sie versuchte es ein letztes Mal und dafür zollte er ihr Respekt – auch wenn er mit Anspannung versuchte herauszufinden, wie die Konfrontation enden würde.

„Sir, dieser Mann ist verdächtig. Ich will nur seine Papiere überprüfen und...“

„Sie werden gar nichts tun, Rush“, schnitt ihr Vorgesetzter ihr scharf das Wort ab und seine Stimme klang sehr bestimmt.

„Sie kommen einfach nur mit mir mit und hören auf, Passanten in die Ermittlung hineinzuziehen, die damit nichts zu tun haben. Ich selbst habe diesen Mann gerade erst kommen sehen.“

Alvaro gab ihr noch einmal Punkte dafür, dass sie ihn lange und genau musterte, um ihn notfalls beschreiben zu können – und unter ihrem kalten Blick fühlte er sich zunehmend unsicherer. Wenngleich er auch die amüsante Seite durchaus begriff... Plötzlich war er froh über den Bart, der das Zucken seiner Mundwinkel verdeckte.

„Auf Wiedersehen.“
 

„Rush“, sagte Special Agent in Charge Mahone und legte ein beachtliches Tempo vor.

„Ihre Instinkte sind gut. Sie müssen nur lernen, instinktiv zu wissen, wann Sie ihnen nicht folgen sollen.“

„Was bedeutet das, Sir?“

Ohne darauf einzugehen, warf er ihr einen braunen Aktenordner zu.

„Wenn Sie den gelesen haben, melden Sie sich morgen wieder bei mir. Einen schönen Nachmittag noch, Rush.“

Dann verschwand er im Haus.
 

Alvaro sah zu – diesmal aus der sicheren Entfernung – wie die Frau den Ordner misstrauisch betrachtete und dann noch einmal in seine Richtung sah. Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, ihre grauen, kalten Augen bohrten sich in die Seinen – aber dann wandte sie sich ab und ging schnellen Schrittes die Straße hinunter. Alvaro seufzte leise. Er beneidete SAC Mahone nicht darum, mit dieser willensstarken Frau zusammenarbeiten zu müssen.
 

Mit zusammengepreßten Lippen lief Agent Rush die Straße hinunter zu ihrem Wagen, den sie an einem Straßenrand geparkt hatte. Die Begegnung mit diesem Fremden hatte ein... unangenehmes... Gefühl in ihr hinterlassen. Andererseits war es unwahrscheinlich, dass sie ihn jemals wiedersehen würde... Diese Mexikaner kannten alle Tricks, wenn es um das Verstecken oder Verstellen ging. In ihrer Tasche schien der Aktenordner von Agent Scotty Valens, alias Alvaro, immer schwerer und schwerer zu werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MichiruKaiou
2009-03-29T08:06:32+00:00 29.03.2009 10:06
Wow, dieser OS war mal sehr spannend gemacht^^
Außerdem finde ich es gut, dass es zunächst aus der Sicht der beiden Männern ging, damit beweist du dich in deinen Schreibtechniken!
Und Lil hast du wie immer echt toll dargestellt^.^


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