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Salut, Monsieur Dantes!

von

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Eine Metropole auf Jagd

Hallihallo!

Ja, es gibt mich noch, und nein, ich würde meine FF niemals unabgeschlossen in der Welt stehen lassen!!! Es ist bei mir nur immer... naja, sagen wir eine Frage der Zeit. Ich kann mir denken, dass Viele recht sauer sind, weil ich mir so unerhört viel Zeit gelassen habe und es stimmt auch: Ich habe die FF zwischendurch vergessen, ja. Streckenweise war einfach mein eigenes Leben viel zu interessant, als dass ich den Elan gehabt hätte mich in die Welt des Monsieur Dantes einzufühlen. Ich hoffe ihr nehmt es mir nicht zu übel. Nicht zuletzt muss ich noch allen danken, die diese unglaublich tollen und superlieben Kommentare geschreiben haben. Das habe ich nicht verdient, aber ihr seid trotzdem der wahnsinn! Als ich nach langer Zeit nämlich mal wieder bei meiner Fanfic auf Mexx gelandet bin und das gelesen hab, da konnte ich gar nicht mehr anders: Ich MUSSTE weiterschreiben, weil ich ein ganz mieses Gefühl bekam, bei dem Gedanken, erst alle mit spannendem Material anzufüttern und dann 'über den dingen zu stehen'... Ich kann keine Versprechungen machen, wann das nächste Kapitel fertig sein wird, aber eines sei euch hier versprochen: Die FF wird zu Ende geführt werden, 100%. Bloss wann, ist halt die Frage^^°

Ganz liebes Dankeschön an alle und viel Spaß mit Kap11!

euer Kirschlein
 


 

Chapitre onze: Eine Metropole auf Jagd
 

Today I hurt myself to see if I still feel.

I focused on the pain, the only thing that's real.

The needel tears a hole, the old familiar sting.

Try to kill it right away, but I remember everything.
 

What have I become, my sweetest friend?

Everyone I know, goes away in the end.

And you could have it all, my empire of dirt.

I will let you down. I will make you hurt.

Johnny Cash
 

Drückende Stille. Kanae vermied es sorgfältig, Yashiro in die Augen zu sehen, während der Typ, der vor ihnen in der S-Bahn saß, scheinbar Spaß daran hatte, der ganzen Welt die Lieder seines iPods auf vollster Lautstärke zu präsentieren.

Das alles wäre ihr sogar relativ egal gewesen, wäre die Spannung, die ihre Nerven seit Tagen sowieso schon überstrapazierte, nicht von Stunde zu Stunde noch weiter gestiegen.

Keine Ahnung, wie man sich solche Musik anhören kann, aber wenn schon, dann soll er es wenigstens leise tun, dachte Kanae. Sie konnte sich einfach nicht helfen, aber dieses Lied beschwor das Bild einer verzweifelten Kyoko-chan vor ihren Augen. Und das machte sie im wahrsten Sinne des Wortes verrückt. Sie wagte einen Blick nach rechts, um Yashiros Reaktion zu beobachten. Dieser schien das Lied jedoch gar nicht zu beachten und spielte gedankenverloren mit den Blättern des großen Blumenstraußes auf seinem Schoss herum. Sie seufzte und versuchte, die blechernen Töne vor sich zu ignorieren.

„Du magst wohl keine Liebeslieder?“

Ihr Kopf wirbelte herum.

Yashiro bedachte sie mit einem studierenden Blick.

„Wie kommen Sie darauf?“

„So finster, wie du die ganze Zeit auf deinen Vordersitz starrst, seit dieses Lied angespielt hat... ich bitte dich, der arme Sitz kann nichts dafür, dass sein Insasse eine romantische Ader hat!“

„Ach kommen Sie schon... Es liegt doch auf der Hand, warum ich nervös bin! Laut ihrer eigenen Theorie könnte es gefährlich sein, mit Momose-san Kontakt aufzunehmen!“

„Denk einfach nicht zu viel drüber nach. Es wird schon schief gehen. Im Notfall haben wir ja immer noch Tatsumi!“

„Ja... auf ihn ist Verlass.“

Yashiro verkniff sich eine Nachfrage und blickte auf den Plan.

„Nächste müssen wir raus.“

„Ich weiß.“

Keiner sagte mehr etwas.

Schweigend saßen sie nebeneinander und lauschten dem leicht ratternden Geräusch der Bahn gepaart mit den sanften Tönen des Liedes, das, von Kanaes Ärger unbeirrt, weiterhin durch den Wagon schallte.

Als die Bahn langsamer wurde und zum Stehen kam, reihten sie sich in den Strom der Aussteigenden ein und sahen dem abfahrenden Zug einen Moment hinterher.

Kanae straffte die Schultern und ging mit entschlossenem Blick auf die Treppen zu, die hinaus auf die Nishishinjuku, eine der belebtesten Straßen des Viertels, führte.

„Das Krankenhaus liegt an der Ecke 2-8-1“, hörte sie Yashiro neben sich sagen.

„Also, worauf warten wir?“

Sie mischten sich unter die Menschenmassen und schritten zügig nebeneinander her.

„Es ist schon wieder so drückend warm. Das passt ja mal wieder alles perfekt zusammen. Ich wette mit dir, dass wir heute Abend noch Regen erwarten können!“

„Was für eine Rolle spielt das, Yashiro-san... Uns könnte so viel schlimmeres passieren, als Regen!“

Daraufhin blieb Yashiro stehen.

„Was ist?“

„Kotonami-san, schau mich an.“

„Was soll das?“

„Tu es einfach.“

Sie seufzte und schritt näher heran. Er hob seine Hand und schob es unter ihr Kinn, unterzog sie einem langen forschenden Blick.

„Du hast Angst. Hör zu, ich verstehe, wenn dich das alles überfordert, doch wisse eines: Wenn du aussteigen willst, dann ist der richtige Moment jetzt. Alles andere wäre zu spät. Nur noch jetzt.“

Sie standen sich auf der Mitte der Fußgängerzone gegenüber und blickten sich an. Links und rechts schoben sich Menschen an ihnen vorbei. Manche rempelten sie an, manche fluchten. Yashiro ließ sich davon nicht beirren. Sein Blick blieb an ihrem Haar hängen, durch das der Nachtwind sanfte, wehende Wellen schickte.

„Tut mir Leid. So einfach werden Sie mich nicht los.“

Sie lächelte ihn an. Und es erschien ihm so derart neu, dass er sich fragte, ob er sie jemals zuvor hatte lächeln sehen.

„Es war keine Angst, die Sie in meinen Augen gesehen haben. Sie brauchen mich nicht zu beschützen. Ich bin stärker, als ich aussehe! Danke, für das Angebot.“

Langsam ließ er seine Hand von ihrem Kinn sinken und lächelte ebenfalls.
 

Einen weiteren Augenblick schauen wir auf Yashiro und Kanae. Sie stehen inmitten einer einzigen fließenden Masse aus Menschenkörpern, die alle in unterschiedliche Richtungen drängen. Ein Moment eingefrorenem Handelns, eingefrorener Zeit. Zwei Menschen, allein in ihrer Welt für eine Sekunde auf diesem großen, runden Planeten.

Ihr Weg ist nicht weit. Gleich um die Ecke liegt das mächtige Shobita-Krankenhaus, das seine Portale für Besucher um diese Uhrzeit schon geschlossen hat. Deshalb sind die Lichter in der Eingangshalle gedämpft und der Personenverkehr ist schon lange verebbt. Wieder einmal nehmen wir den alten Weg. Geradeaus, in den Aufzug, 4. Stock, drei Korridore links und stopp. Wir stehen vor einer Tür, die gerade leise von innen geöffnet wird. Heraus tritt eine Gestalt. Sie hat eine schwarze Kapuze tief ins Gesicht gezogen und benötigt eine Krücke, um zu laufen.
 

„Du hast mich um 2 Tage gebeten. Ich tat es für dich, aber jetzt kann ich nicht mehr länger warten“, murmelte er vor sich hin und schritt langsam den Flur entlang. Er hasste es, sich verkleiden zu müssen, um sich in der Öffentlichkeit ungestört bewegen zu können. Ständig war er in Sorge, dass die Kapuze oder die Sonnenbrille verrutschten. Und dann erst noch diese Paranoia wenn ihn Leute länger als normal anstarrten! Er erreichte den Aufzug und betätigte den Knopf. Während er wartete, kehrten seine Gedanken zu ihr zurück. Was sie wohl gerade durchlebte? Er schüttelte sich, als ihn wieder dieses Gefühl von Trägheit durchflutete.

'Du kannst nichts tun...'

„Das wollen wir doch erst mal sehen, Shoko.“

Er bestieg den Aufzug und fuhr hinab ins Erdgeschoss. Er wusste, dass er den Haupteingang nicht mehr benutzen konnte, deshalb wandte er sich ohne zu zögern einer Tür zu, die das Schild „Unbefugte Zutritt verboten“ trug. Er wusste, wer hinter dieser Tür wartete, denn er hatte in den zwei Tagen nicht nur untätig im Bett gelegen. Er hatte seine Flucht vorbereitet.

Nach einem flüchtigen Blick über die Schulter nahm er die Sonnenbrille ab und streifte die Kapuze vom Kopf.

Als er eintrat, drehte sich eine Krankenschwester hastig um.

„Oh Fuwa-chi, ich hatte so gehofft, du würdest kommen!“ Sie strahlte ihn mit freudig geröteten Wangen und großen Augen an. Sofort wechselte er in den Verführer-Modus über.

„Kein Vergleich zu meinem Wunsch, dich zu sehen, Kleines.“

Sie griff sich ans Herz und seufzte.

„Weißt du, Fuwa-chi, ich war schon immer dein größter Fan!! Kann ich bitte ein Autogramm haben?“

„Natürlich, Süße.“ Alles verlief genau nach Plan.

Er trat nahe an sie heran.

„Wie ist dein Name?“

„Li Dae.“

„Wo kommst du her?“

„Südkorea. Ich lebe seit meiner Kindheit in Japan.“

Er zückte einen Stift und beschrieb ein Stück Papier, das er vorher wissend eingesteckt hatte.

„Komm her zu mir, Dae-chan. Schau, was ich geschrieben habe.“

Er hielt ihr den Zettel nicht hin und zwang sie somit, ganz nahe an ihn heranzukommen, um die Inschrift lesen zu können.

'Für Li Dae, der schönsten koreanischen Blume in Japan, von Fuwa Sho.'

Sie seufzte ergriffen, als sie es las.

Er packte die Gelegenheit beim Schopf und strich ihr mit seiner Hand an der Wange entlang.

„Weißt du, Dae-chan, ich habe ein Problem und du bist möglicherweise die Einzige, die mir helfen kann. Würdest du mir einen Gefallen tun?“

Sie blickte ihn an und er wusste sofort, dass er gewonnen hatte.

„Ich bin es nicht gewohnt, so lange an einem Ort eingesperrt zu sein. Mir geht es ziemlich miserabel. Du siehst, es ist mir sehr wichtig. Ich begebe mich sogar in die Schuld einer so schönen Frau, um für ein paar Stunden an die frische Luft zu kommen.“

„Natürlich Fuwa-chi! Du Armer! Weshalb sperren sie dich hier denn ein? Das ist ja furchtbar!!“

„Ich weiß. Deshalb hatte ich gehofft, du könntest mir helfen.“

„Vertrau mir, Fuwa-chi, ich helfe dir, folge mir!“

Sie führte ihn durch eine weitere Personaltür und durch den hinteren Teil des Erdgeschosses. Vor einem blechernen Doppelportal machte sie Halt und schloss auf.

„Dies ist der Zufahrtsweg für alle pharmazeutischen Mittel des Hauses. Du musst mir versprechen, Fuwa-chi, dass du im Morgengrauen wieder hier bist! Sonst bekomme ich enorm viel Ärger!“

„Wie könnte ich das verantworten? Natürlich komme ich! Allein schon, um dich wiederzusehen!“

Mit diesem Satz wischte er all ihre Zweifel weg, das wusste er.

„Ich lasse dir die Tür offen, Fuwa-chi!“

„Danke, Dae-chan!“

Er trat hinaus. Der altbekannte Geruch von Tokio am Abend wehte ihm entgegen. Er war wieder in seinem Revier. Hastig legte er seine Verkleidung an und schritt auf die Hauptstraße des Viertels zu, die Nishishinjuku. Von dort aus würde er die Bahn nehmen, um in sein Appartement zu gelangen und seine Suche nach Kyoko vorzubereiten.

Er bog um die Ecke und überquerte die große Kreuzung neben dem Krankenhaus.

Er fühlte die Schwüle der Luft und vermutete, dass es heute Abend noch Regen geben würde. Es war ein ungewöhnlich belebter Abend und die Straßen waren voll von Menschen. Er wurde gegen ein Pärchen gedrängt, das mitten auf dem Bürgersteig stand und den Weg blockierte.

Grummelnd schob er sich an ihnen vorbei, als ein Wortfetzen an sein Ohr gelang.

„... trotzdem wegen Kyoko-chan...“

Unwillkürlich drehte er sich um.

Auch bei dieser Stimme regte sich in seinem Gedächtnis etwas.

Das Pärchen wandte sich gerade zum Gehen um, doch er hatte das Gesicht des Mannes gesehen. Blond, Brille.

Einen Augenblick überlegte er angestrengt, da kam ihm die Erleuchtung.

„HEY BRILLENSCHLANGE!“

Der Mann drehte sich nicht um. Doch einige vorbei eilende Passanten warfen ihm empörte Blicke zu.

Verdammt! Er durfte nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen! Im Bruchteil einer Sekunde entschied er sich anders und folgte ihnen. Er wusste nicht, was er sich davon erhoffte, doch es war eine Verbindung, die sich möglicherweise als hilfreich erweisen konnte.

Er folgte ihnen bis vor den Haupteingang des Shobita-Krankenhauses, wo sie stehen blieben. Er trat in den Schatten einer großen Säule und belauschte ihr Gespräch:

„So, und was nun? Alles ist abgeschlossen, wie zu erwarten.“

„Natürlich. Ich schlage vor, wir umkreisen das Gebäude. Wir finden bestimmt einen anderen Eingang! Du hast noch die genauere Beschreibung zu Momose-sans Zimmer?“

„Ja, Florence hat es mir gegeben.“

„Flo-“

„Ähm, Tatsumi, meine ich.“

Stille setzte ein.

Nervös scharrte das Mädchen mit dem Fuß, während sie zunehmends in ihrer Handtasche wühlte.

„Was tust du da, Kotonami-san?“, fragte der Mann matt und mit einem Seufzer.

„Verdammt, ich kann den Zettel mit der Beschreibung nicht finden!!“

„WAS?“

Sie kippte den Inhalt ihrer Tasche auf den Bürgersteig und durchforstete es abermals.

„Shit.“

„Das kann doch nicht dein Ernst sein, Kotonami-san!!!“

„Tut mir, Leid, ja? Ich kann auch nicht an alles denken!“

„Aber diese Beschreibung ist wichtig!! Ohne sie macht das alles keinen Sinn!!“

„DENKEN SIE DAS WEIß ICH NICHT???“

„WARUM HAST DU DANN NICHT-“

„Das Mädchen liegt in Raum 613, im 6. Stock.“

Beider Köpfe wirbelten zu ihm herüber. Er sah die Verwirrung in ihren Gesichtern und trat hinter der Säule hervor.

„Das wird euch allerdings nicht viel bringen, denn sie spricht mit niemandem. Ich habe es auch versucht.“

Sie starrten ihn an.

„Hey Moment mal, deine Stimme kommt mir bekannt vor. Wer bist du?“, fragte der blonde Mann.

Sho zögerte einen Moment, dann entledigte er sich seiner Verkleidung.

Das Mädchen schnappte nach Luft.

„Fuwa-san“, sagte der Mann mit einem Kopfnicken, „Wusste ich's doch.“

„Was tust du denn hier?“, fragte das Mädchen und jede ihrer Silben triefte voller Abneigung.

Er konnte sich das nicht erklären, da er sich nicht erinnern konnte, sie jemals vorher getroffen zu haben. Er ging nicht weiter auf sie ein.

„Diese Frage sollte ich wohl besser euch stellen. Warum kommt ihr abends in ein Krankenhaus, wenn es doch offensichtlich für Besucher schon geschlossen ist? Das sieht mir verdächtig aus.“

„Was geht es dich an? Kümmer dich um deinen eigenen Kram! Abgesehen davon, bist DU es doch wohl, der uns belauscht hat und dadurch verdächtig wird!“, fauchte das Mädchen.

„Nun, das ist auch gut so.“

„Ich verstehe nicht“, sagte der blonde Mann.

„Ich werde es euch gerne erklären. Ich schlage euch einen Deal vor. Ihr sagt mir, warum ihr zu dieser Stunde hier seid und alles, was ihr über Kyoko wisst. Dafür bringe ich euch zu dem Mädchen Momose.“

„Was willst du von Kyoko-chan?“

„Sie retten. Was sonst?“

Die beiden blickten sich an.
 

Yashiro war nicht sicher, was er davon halten sollte. Er griff nach Kotonamis Hand und zerrte sie ein Stück von Fuwa weg.

„Was meinst du? Ich denke, wir sollten es versuchen. Er wird uns auf sicherem Wege zu Momose bringen!“

„Der spinnt doch! Was sollen wir mit ihm? Er ist doch nur ein Klotz am Bein! Wir haben außerdem mit Tatsumi abgemacht, dass nichts von unserem Verdacht nach außen getragen wird! Was ist, wenn wir falsch liegen und später dafür noch die Rechnung kriegen? Wir könnten richtig in Schwierigkeiten geraten!!“

„Ich weiß... Aber wenn wir es nicht tun, kommen wir nicht weiter.“

„Woher kennt der sich überhaupt so gut im Krankenhaus aus?“

„Ich nehme mal an, er ist hier auch nach der Premiere stationiert worden.“

„Gut gemacht. Genau so ist es.“

Sie blickten auf und sahen Sho Fuwa direkt neben ihnen stehen, so als hätten sie zu dritt eine heimliche Absprache zu treffen.

„Belauscht du uns etwa schon wieder?“

„Nun ja, ich konnte euch von da drüben sowieso hören, also dachte ich: Warum nehme ich nicht gleich an der lustigen Diskussionsrunde teil?“

„Du hast wirklich absolut keine Manieren. Genau wie Kyoko-chan gesagt hat.“

Er zuckte mit den Schultern und fuhr fort: „Erstens, ich werde nicht zur Polizei oder zu irgendjemandem gehen, um euch Schwierigkeiten zu machen. Zweitens: Mein Einziges Interesse ist es, dass Kyoko gerettet wird; und drittens: Ich bin der Einzige, der euch zu Momose-san bringen kann! Eindeutiger Fall, oder?“

Sie betrachteten ihn. Er schien nicht viel geschlafen zu haben in letzter Zeit. Seine Haut wirkte aschfahl und seine Haare sahen aus als wären sie seit Tagen nicht mehr gekämmt worden. Yashiro hatte das Gefühl, dass Sho Fuwa die Wahrheit sprach. Er erinnerte sich, was der Sänger auf der Premiere getan hatte und vermutete daher, dass Fuwa auch jetzt aufrecht sprach.

Nach einiger Überzeugungsarbeit Yashiros stimmte auch Kanae zu und sie setzten sich schließlich in Bewegung, um Fuwa zu folgen, der sie zu einem größeren Eingang an der Rückseite des Gebäudes führte. Seine Krücke gab bei jedem Schritt ein metallisches Klicken ab, dass unheimlich in der verlassenen Gasse widerhallte. Die Außenfassaden der hohen Gebäude neben ihnen waren schmutzig und dunkel. Kanae blickte sich misstrauisch um.

Sie erblickten ein riesiges blechernes Doppelportal. Nachdem Fuwa sie hindurch geführt hatte fiel es zu und hüllte sie in absolute Finsternis. Sie waren nun im Shobita-Krankenhaus.
 

Das Zukrachen eines Portals... laut und bedrohlich hört es sich an. Doch weit entfernt, fast auf der anderen Seite Tokios, erschallt beinahe zeitgleich ein Geräusch, dass noch weitaus bedrohlicher, ja lebensgefährlich ist. Das Klicken beim Entsichern einer Pistole ertönt in einem nobel ausgestatteten Raum, unmissverständlich, kalt. Die Pistole befindet sich in der Hand eines großes, dunkelhaarigen Mannes. Er drückt sie an den Kopf von Shuichi Michaels, stadtbekannter Firmeninhaber und Multimillionär; in einigen zweifelhaften Kreisen als Monsieur Dantes bekannt. „Shuichi, hast du die erste Grundregel schon vergessen? Achte immer auf die Hände deines Gegenübers! Sie sind das Kapital der Bewegung!“, flüstert der Große, Gutaussehende.

Vor den beiden Männern steht ein junges Mädchen in einem eleganten Abendkleid. Schockiert beobachtet sie das Geschehen. In diesem Moment bricht auf den Gängen vor der Tür ein ohrenbetäubendes Getöse los und mehrere bewaffnete Männer stürmen herein.

Alarmiert blickt der Dunkelhaarige das Mädchen an und ruft: „Mogami-san!! Was stehst du da noch rum? LAUF!!“

Doch sie rührt sich nicht.

Zweifelnd und halb flehend versucht sie, etwas zu entgegnen, doch der Mann drangsaliert sie weiter:„LAUF!!!“

„Aber-“

„HAU ENDLICH AB, HÄSSLICHES MAUERBLÜMCHEN!!“

Eine Sekunde scheint wie ein ganzes Zeitalter zu verstreichen, als sie ihn anstarrt, ohne ein Wort zu sprechen. Dann straffen sich ihre Gesichtszüge und sie dreht sich panisch um, stürzt zur nächstgelegenen Tür und reißt sie auf. Dahinter befindet sich ein Schacht, in dem eine Feuertreppe angelegt ist. Ohne viel Federlesen rennt sie hinein.
 

Ein Tränenschleier über meinen Augen, der mir die Sicht verhindert... Panisch zitternde Hände, die manisch ihren Weg am Geländer neben der Feuertreppe suchen... meine Füße, die mir nicht mehr gehorchen.... ein Rauschen in den Ohren, das alles andere ausblendet.

Ich knallte mit dem Gesicht brutal gegen die Tür, die unerwartet am Treppenende aus der Dunkelheit aufgetaucht war. Ich fühlte, wie ein Schwall warmer Flüssigkeit an meiner Schläfe hinabrann. Als die Tür sich wundersamerweise öffnete und die kühle Nachtluft mir entgegenschlug, wurde ich fast ohnmächtig. Doch meine Finger krallten sich am Türrahmen fest, ließen es nicht zu, dass ich umfiel und Zeit verlor. Einen Augenblick stand ich schwankend da, dann rannte ich los. Es war eine stockfinstere Gasse, in der ich mich befand. Ich warf im Vorbeihasten einige Mülltonnen um, die laut scheppernd zu Boden krachten.

Wie von Sinnen preschte ich davon, den Krach hinter mir dröhnend in den Ohren.

Als ich an der Einmündung zur Straße angelangte, musste ich innehalten, da ich das Schluchzen, das meinen Körper mit Gewalt erzittern ließ, nicht mehr unterdrücken konnte. Ich rang nach Atem. In diesem Teil von Tokio war ich noch niemals gewesen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich war. Edel gekleidete Herrschaften stiegen aus langen, chromblitzenden Nobelkarossen und vor einigen bunt erstrahlenden Gebäude-Eingängen tummelten sich dutzende von Menschen. Gehetzt warf ich einen Blick über die Schulter zurück und erschauerte. Von irgendwo dort erklang ein Geräusch von Schritten. Ich sah nur noch die Fußspitze aus dem Türrahmen kommen, da folgte mein Körper schon seinem Instinkt. Ich rannte um mein Leben, hinein in eine äußerst belebte Straße.

Links und rechts rempelte ich Menschen an, Einige drehten sich nach mir um; das zählte alles nicht mehr. Die Absatzschuhe, die ich an irgend einem Zeitpunkt des Abends mal getragen hatte, lagen bereits vergessen am Straßenrand und meine zerschundenen Füße schrien vor Schmerz.

Als ich versuchte, mich nach dem Verfolger umzusehen, krachte ich gegen einen Mann. Es warf ihn brutal rücklings von den Füßen. Ich rannte kopflos weiter, ohne auch nur einen Moment zu zögern und bekam vage mit, wie sich dadurch einiger Tumult bildete. Hinter der nächsten Ecke drückte ich mich an die Wand und rang nach Luft. Mir folgte niemand.

Ich schlüpfte in die nächstbeste Gasse und sackte zwischen zwei Mülltonnen zusammen.

Die Welt war aus den Fugen geraten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Alles drehte sich. Eine gewaltige Angst schlug sich Bahn in meinem Kopf und es war keine Angst um mein Leben.

Wie konnte er mir das antun? Nach allem was zwischen uns gewesen war, nachdem ich zwischenzeitlich sogar geglaubt hatte, dass er mich hasste! Und dann dieser Kuss.

Ich wurde mir plötzlich gewahr, dass ich weinte, dass es in meiner Vorstellung ein Loch gab ohne ihn und dass ich noch niemals so geweint hatte. Die Welt war ein dunkler, kalter Ort. Ich war allein. Ich wollte aufwachen, wollte zu ihm. Ich sehnte mich danach, dass er mich in den Arm nahm,wo ich vor aller Bosheit und allen Kugeln dieser Welt geschützt sein würde. Ich krallte die Finger in die Arme bis sie weiß wurden. Was, wenn er verletzt wurde? Was, wenn sie ihn umbrachten?

Ein kalter Wind fuhr durch die Straßen und brachte die ersten Nieseltropfen mit sich. Neben mir raschelte etwas. Angespannt blickte ich zur Seite und erkannte, dass der Wind die Seiten einer Zeitung durcheinander wehte. Etwas daran erregte meine Aufmerksamkeit und ich griff danach. Es war ein Artikel über Dark Moon darin. Tsuruga-sans Gesicht blickte mich ernst vom Titelblatt an. Es versetzte mir einen Stich. Eine Träne tropfte auf die Buchstaben des Artikels und ließ das graue Papier aufquellen, während mir immer nur ein Wort durch den Kopf geisterte: Warum?

Und dann erstarrte ich: Was tat ich hier? Tsuruga-san hatte sein Leben eingesetzt, um mich zu retten! Warum saß ich dann hier und heulte? Noch war alle Hoffnung nicht verloren! Noch konnte ich etwas tun! Ich konnte Hilfe holen!

Mit einem jähen Ruck erhob ich mich und spähte zwischen den Abfallbehältern hervor. Ich fühlte mich klarer, zielgerichteter. Ich musste die Polizei benachrichtigen! Vorsichtig mischte ich mich in eine Menge schwatzender älterer Frauen, die viel zu beschwipst schienen, um sich über mich zu wundern. Wenn ich die nächste Telefonzelle unbeschadet erreichte, konnte ich es schaffen!

Unbekannte Straßenschilder, anonyme Passanten, ein Ort, an dem ich noch niemals war.

Ein Karussell aus Geräuschen, Bewegungen und Farben... aber kein Telefon. Vielleicht sollte ich es woanders versuchen. Ich löste mich aus der Gruppe und nahm eine Abzweigung, die auf eine große Verkehrsader zulief. Ich wagte nicht, zu rennen, da ich sonst womöglich zu auffällig gewesen wäre.

Auf einmal bemerkte ich etwas aus dem Augenwinkel. Ein Mann in schwarzem Anzug ging einige Meter hinter mir. Er passte sich meinem Tempo verdächtig an. Mein Herz setzte aus. Ich beschloss, einen Test zu machen und bog bei der nächsten Möglichkeit ab, begann schneller zu laufen. Als ich mich umdrehte, erkannte ich, dass er ebenfalls abbog. Das war kein Zufall! Der folgte mir! Wie vom Blitz getroffen, rannte ich los, so schnell ich konnte.

Um die nächste Ecke, in die belebte Straße, zwischen Autos hindurch. Ich wagte einen Blick zurück. Ich konnte ihn nirgendwo ausmachen. Mein Herz raste. Das war die einzige Chance! Wenn ich jetzt kein Telefon fand, dann war es zu spät!

„Entschuldigen Sie, wo kann man hier telefonieren?“, fragte ich gehetzt den nächstbesten Passanten. Der blickte mich kurz an, deutete mit dem Daumen in eine Richtung und brummte „Drei Minuten in die Richtung.“ Ohne ein weiteres Wort stob ich in die genannte Richtung davon. Nach einigen Minuten erkannte ich eine schäbige Telefonzelle und mein Herz tat vor Freude einen Satz. Ich polterte hinein und gab fahrig die Ziffern ein, die mich mit dem Notrufzentrum verbanden. Es klingelte kaum einmal, als sich schon jemand meldete.

„Hallo! Mogami mein Name! Es handelt sich um einen Notfall, ich und mein... Partner Tsuruga schweben in höchster Gefahr, bitte helfen Sie...“ Jemand tippte mir auf die Schulter. Ich gefror zu Eis. Noch bevor ich mich umgedreht und das Gesicht der Person gesehen hatte, traf mich etwas Hartes am Kopf und der Anblick der Welt versank im Schwarzen.
 

Ich hörte vage Stimmen und Geräusche. Langsam öffnete ich die Augen. Mein Kopf dröhnte vor Schmerz. Alles wackelte merkwürdig und ich bewegte mich fort, ohne selbst eine Gliedmaße zu rühren. Nach einigen Sekunden erkannte ich, dass ich über der Schulter eines Mannes lag und getragen wurde. Jemand sprach.

„Hey, sie ist wieder wach.“

Daraufhin wurde ich auf die eigenen Füße gestellt und schwankte einen Moment. Die Erinnerungen kehrten allmählich zurück und mit ihnen ein lähmendes Gefühl der Enttäuschung. Ich hatte versagt. Jetzt war alles aus.

Ich fühlte einen unsanften Stoß im Rücken: „Beweg dich.“

Zitternd stolperte ich mit. Wo brachte er mich hin? Was würde jetzt mit mir geschehen?

Meine Gedanken waren vor Angst wie gelähmt.

Schließlich stoppten wir vor einer Tür. Einer eleganten, schwarzen Tür, dir mir schrecklich bekannt vorkam. Das letzte mal, als ich hier stand, hatte man mir eine Augenbinde abgenommen und das gleißende Tageslicht, das durchs Fenster geströmt war, hatte mich geblendet. Der Mann schloss die Tür auf und stieß mich hinein. Ein übles Déjà-Vue.

Noch lange nachdem das Geräusch des Schlüssels verklungen war, stand ich still.

Ich hielt die Augen geschlossen. Ich wollte dieses Zimmer nicht sehen.

Dann hörte ich ein Geräusch. Als ich die Augen öffnete, sah ich ihn. Mein Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken, dies könnte nur eine Sinnestäuschung sein.

Tsuruga-san saß mit tief gebeugtem Rücken auf dem Bett. Er hatte die Finger ineinander verschränkt und stützte sein Kinn darauf. Seine Gesicht wies mehrere blaue Flecken und eine ziemlich üble Beule an der Stirn auf. Er starrte abwesend auf den Boden. Nach einer Weile hob er geflissentlich den Kopf und sah mich an. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte, wen er vor sich hatte. Er machte den Mund auf -als ob er etwas sagen wollte- und klappte ihn sogleich wieder zu.
 

Mogami-san. Da stand sie. Sie starrte mich an.

Über meinem Kopf brach eine Welle aus Emotionen. Doch es waren so viele unterschiedliche, dass ich unfähig war, in Worten zu beschreiben, wie es sich anfühlte.

Ärger, dass mein Plan nicht gelungen war.

Erschütterung, weil sie so mitgenommen aussah.

Freude, dass ich sie wiedersah.

Ich hätte so viele Dinge tun können. Aufstehen, sie in die Arme nehmen, durchdrehen.

Doch ich blieb einfach sitzen und sagte nichts.

Genauso wie Mogami-san.

Wir blickten einander einfach an.

Ich konnte den Ausdruck ihrer Augen nicht entziffern. Trotzdem spiegelte ihre Miene so viele ungesagte Worte wieder.

Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen.

„Tsuruga-san...“

So überraschend, dass ich nicht bemerkte, wie mir geschah, spurtete sie los und warf sich mir in die Arme. Ich fiel rücklings auf das Bett.

„Tsuruga-san...!!! Ich hatte solche Angst um Sie!! Sie sagten- und ich rannte und plötzlich ging alles so schnell- und ich konnte nichts tun, ich hab versucht, die Polizei anzurufen, aber dann kam dieser Mann und-“

Ihre Stimme brach und sie drückte das Gesicht gegen mein Hemd.

Ich hatte mich endlich wieder gefasst.

„Kyoko-chan? Magst du mich nicht ansehen?“

Sie sah mich an, kniff die Augen zusammen und boxte mir mit aller Kraft gegen die Brust.

„Ich hasse Sie!! Wie konnten Sie bloß auf solch eine Idee kommen? Wie hätte ich weiterleben sollen, wenn Ihnen etwas geschehen wäre??“

Eine Träne bahnte sich den Weg an ihrer Wange hinab und tropfte auf meine Hand.

„Tun Sie das niemals wieder! Niemals!“

Ich schloss meine Arme um sie und drückte sie an mich, vergrub das Gesicht an ihrem Hals.

„Es tut mir Leid“, flüsterte ich ihr ins Haar, „Es tut mir Leid..“

Eine Weile verharrten wir so. Keiner sprach ein Wort.

Dann löste sie sich abrupt aus der Umarmung und sah mich an.

Ein seltsamer Blick; vorwerfend... mit Schmollmund?

„Eh? Wa-“

„Sie!“

...

„Ich?“

„Ja Sie, Tsuruga-san! Sie haben mich geküsst!“

Eine Sekunde brauchte ich, um zu begreifen. Dann fühlte ich plötzlich meinen Magen in die Kniekehlen hinabsinken. Ah. Stimmte ja, ich hatte sie geküsst. Was für eine merkwürdige Reaktion von einem Mädchen. Ich verstand irgendwo nicht. Sie selbst sagte doch solche Dinge zu mir wie 'Ich hätte nicht ohne sie weiterleben können.' Was regte sie sich denn so auf? Ein kleiner Kuss konnte doch nicht schaden...

„Ja und?“

„Was heißt hier 'Ja und?' Versuchen Sie nicht, mich reinzulegen!“

„Weshalb sollte ich dich in so einer Situation reinlegen? Was war an dem Kuss so schlimm? Hat es dir denn nicht gefallen?“

Sie schloss den Mund und lief so knallrot an, dass ich vor Freude innerlich bebte.

„I-Ich- S-Sie können trotzdem nicht einfach...“, mümmelte sie vor sich hin.

„Möchtest du, dass ich dich noch einmal küsse?“

Das war offensichtlich zu viel. Sie sprang so ruckartig auf, dass sie mir dabei ihren Kopf herb gegen das Kinn rammte und spurtete auf die andere Seite des Bettes.

„Tsuruga-san! Sie sind wohl nicht bei Sinnen!!“

Die Arme weit ausgestreckt, als wollte sie sagen 'Komm mir bloß nicht zu nahe!', beobachtete sie mich mit glühenden Wangen und weit aufgerissenen Augen von der gegenüberliegenden Seite des Bettes.

Ich seufzte.

„Ich nehme an, ich muss mich sowieso noch bei dir entschuldigen. Das, was ich in diesem Moment zu dir gesagt habe-“

„Tsuruga-san!“

„Ja?“

„Ich weiß, warum Sie es gesagt haben. Sie müssen sich dafür nicht entschuldigen. Ich habe schon verstanden.“

Sie ließ die Arme sinken und blickte mir ernst und traurig in die Augen.

Das hörte sich wahrlich ganz und gar nicht danach an, als verstünde sie, worum es mir gegangen war. Ich besann mich kurz, wählte neue Worte.

„Ich glaube, du hast mich nicht ganz verstanden. Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich dich angelogen habe.“

„Angelogen? Ich verstehe nicht!?“

„Naja, würdest du es nicht als schändliche Lüge bezeichnen, eine so schöne Frau 'hässliches Mauerblümchen' zu nennen?

Schweigen. Sie starrte mich mit offenem Mund an.

„Jetzt sieh mich doch nicht so an! Ich weiß, dass es gemein von mir war, aber ich habe mich gerade dafür entschuldigt, oder?“

Sie sagte immer noch nichts. Immerhin schloss sie nun langsam den Mund.

Ich lachte.

„Also schön, vielleicht möchtest du ja als Wiedergutmachung ein Kompliment hören? -...“

Ich stockte. Welche der tausend Dinge sollte ich ihr sagen? Was ging zu weit?

Sie zeigte immernoch keine Reaktion, sondern starrte mich mit großen Augen an, ängstlich, ungläubig, erwartungsvoll. Schließlich begann ich zu sprechen und meine Stimme barg einen merkwürdig rauen Unterton:

„... Manchmal könnte ich dich vierteilen. Du kannst unglaublich stur sein... Aber deine Augen... sie zeigen mir, was du niemandem sagst. Nicht nur, dass sie strahlen wie das Sonnenlicht selbst, sie gleichen einem Fenster, durch das all deine Schönheit und Klugheit mit aller Macht nach außen dringt. Du weißt es nicht, doch durch deine Augen schaut mich eine Weisheit und eine Stärke an... dass ich manchmal vor Faszination in dem stocke, was ich gerade tue und mich dabei ertappe, wie ich in eine Welt davontreibe, in der diese Augen nur in Meine blicken und mir sagen, was hinter ihnen vorgeht.“

Ich senkte für einen Moment die Lider und wünschte mir, ich wäre tatsächlich in einem dieser Filme, die ich bereits hunderte male in meinem Leben gedreht hatte. Ich wünschte mir, dass dies eine dieser Szenen wäre, in der, nachdem der Mann ein leidenschaftliches Liebesgeständnis offenbart hatte, der Frau Tränen in die Augen stiegen und sie ihm voller Erleichterung in die Arme fiel. Ich wünschte, dass dies der Moment wäre, in dem alle Spannungen und Unsicherheiten in die Atmosphäre verdampften und ich gegenüber Mogami-san endlich offen sein konnte, sie endlich küssen und berühren konnte, soviel ich wollte...

„ ...Das meinen Sie ernst?“

„Warum sollte ich es sonst sagen?“

„Aber... aber... wie?“

„Wie was?“

„Wie kann das sein? Ich meine- ich m-!!“

„Was?“

„Ich bin doch ganz normal, keine dieser umwerfenden Schönheiten! Ein Mädchen, das gewöhnlicher nicht sein könnte! Shotaro hat gesagt-“

„Shotaro? Sho Fuwa?“

Ein kurzer Moment des Schweigens.

„... ... ...ja.“

„Er muss dir ja sehr viel bedeuten, wenn du seine Worte als Maßstab für alle Dinge nimmst, die neu für dich sind.“

'... für alle Dinge,die ich zu dir sage.', wäre wohl treffender gewesen, was den Dämon anging, der bei der Erwähnung seines Namens in meinem Kopf tobte.

Ich gab zu, es hatte mich getroffen. Endlich... endlich hatte ich es geschafft, das zu sagen, was ich wirklich über sie dachte und das erste, was sie tat, war, es mit den Aussagen dieses Fuwa abzugleichen. Ich fühlte, wie ich mich regelrecht verkrampfte. Was war ich für sie? Ein Kasper, der interessante Dinge von sich gab, und auch sonst ganz amüsant war? Ein merkwürdiger Sempai?

„Tsuruga-san?“

„Hm.“

„Sie... Ich glaube, Sie haben Recht. Das war dumm von mir. Ich sollte mich endlich von dem Bann dieses Idioten befreien. Mir ist bewusst geworden, dass ich niemals zu dem werden kann, was ich mir wünsche, wenn ich weiterhin unter dem Schatten von vergangenem Schmerz denke.“

„...“

Sie sah mich lange an, dann lächelte sie zaghaft.

„Wie machen Sie das bloß?“

„Was denn?“

„Es ist als wären Sie der gute Gedanke, der mir dabei hilft, mich von allen bösen Geistern zu befreien...“

„Wovon sprichst du?“

„Erinnern Sie sich an meine Aufnahmeprüfungen der Oberschule, als ich ihre SB war?“

„Natürlich. Du hast gelernt, wie eine Besessene!“

„Ja und auch damals waren Sie derjenige, der mir zu verstehen gab, dass sich meine Welt um ein falsches Zentrum drehte! Ich... was täte ich nur ohne Sie? Ich kann Ihnen nicht genug danken. Auch wenn mein Herz es nicht ganz glauben kann, was Sie mir gerade über mich selbst gesagt haben, so fühle ich mich plötzlich so... und...“

„Und was?“

Sie antwortete nicht, doch ihre Körpersprache erregte mein Interesse, als sie einen kleinen Schritt in meine Richtung tat. Dies schien den Raum auf mysteriöse Weise mit geheimen Strömungen zu füllen, die mich in ihre Richtung trugen und bevor ich mich versah, lagen meine Arme auf ihren Schultern und drückten sie an mich.
 

Ich zögerte. Wie kam es, dass es plötzlich so normal erschien, von ihm umarmt zu werden? Was war plötzlich los, dass ich wünschte, er würde sich noch einmal zu meinem Gesicht herunterbeugen, dass ich wünschte, unser Atem würde sich noch einmal miteinander vermischen und seine Hand führe mir noch einmal durch das Haar?

Wollte ich ihn tatsächlich noch einmal küssen?

Vor Verlegenheit konnte ich mich kaum rühren. War es albern von mir, über diese Dinge nachzudenken? Oder hatte ich die ganze Zeit die Augen vor etwas verschlossen, das mir durch Tsuruga-san direkt ins Gesicht blickte?

Jäh drängte sich mir ein unglaublicher Gedanke auf. Einer, der mir das Blut durch die Venen rasen ließ und jegliche Vorstellungskraft durch seine fantastische Unberechenbarkeit ausschaltete.

Nannte man das... 'Verliebt sein'?

Konnte es tatsächlich möglich sein, dass ich mich verliebt hatte? In... Tsuruga-san?

Wie hatte das geschehen können? Was hatte ich mir da eingebrockt?

Ausgerechnet in ihn! In diesen sonderbaren, verschlossenen, unglaublich anziehenden Mann!

Was hatte ich mir da eingebrockt??

Ich fühlte, wie ein Zittern meinen Körper durchfuhr. Sämtliche Geister der Abneigung, die ich gegen ihn gebildet hatte lösten sich aus meinem Blut.

Und dann geschah es.

Plötzlich war ich nicht mehr geimpft gegen seine Berührung.

Plötzlich spürte ich das sanfte Aufliegen jeden einzelnen Fingers an meinem Nacken. Seine Arme umschlossen mich! Sein und mein Körper berührten einander!

Ein heftiges Zittern stieg in mir auf. Ich hob den Kopf und sah ihn an.

Er blickte sanft auf mich herab und betrachtete mein Gesicht. Dann fuhr er langsam mit einem Finger die Kontur meiner Lippen entlang.

Ich konnte mich diesem Blick nicht entziehen...

Er ließ bewusst langsam seinen Atem meine Wange hinabstreichen und gab mir einen kurzen Kuss. Aufmerksam beobachtete er meine Reaktion. Das Blut schoss mir in die Wangen. Als er das sah, zuckten seine Mundwinkel leicht nach oben.

Dann legte er die Hand in meinen Nacken, zog mich zu sich und küsste mich leidenschaftlich. Jeder Teil meines Körpers flirrte, als ob durch meine Adern plötzlich Strom statt Blut fließen würde.

Langsam hob ich die zitternden Hände und legte sie an seinen Hals. Seine Haut war warm und mir fiel erst jetzt auf, dass meine Finger eiskalt gewesen waren.

Er lächelte leicht im Kuss und blickte mich an.

„Kyoko-chan...“

Ich konnte nicht antworten. Mir war schwindelig. Mein Herz hämmerte mit aller Macht gegen meinen Brustkorb und meine Wangen mussten wohl mittlerweile burgunderrot aussehen.

„Kyoko-chan...“, flüsterte er und küsste mich auf die Stirn.

Das Gefühl, von Tsuruga-san so in den Armen gehalten und geküsst zu werden, hatte in mir wahrscheinlich eine Sicherung durchgebrannt, denn ich war partout zu keiner Regung mehr fähig.

„Tsuruga-s...“

„Vertraust du mir?“

„Ja.“

„Würdest du zu mir halten?“

„Natürlich!“

„Kann ich dir vertrauen?“

Ich stockte. Warum fragte er mich das? Stellte er mich auf die Probe?

„Natürlich!!“

„Aber du kannst mir nicht vertrauen.“

Er trat einen kleinen Schritt von mir zurück.

„Wie meinen Sie das?“

„Ich bin nicht der, für den du mich gehalten hast. Mein Name ist nicht Tsuruga Ren.“

„Ja, das habe ich mir schon gedacht“, antwortete ich mit sanfter Stimme.

Bei diesen Worten blickte er mich verwirrt an: „Du wusstest...?“

„Kein direktes Wissen, nein. Aber ich habe es gefühlt, viele male. Außerdem nannte Dantes Sie 'Kuon', nicht wahr? Die Dinge, von denen er erzählte... damit hätte ein Tsuruga Ren niemals etwas zu tun haben können. In dieser Sache sind Sie Dantes ähnlich.“

„Warum??!“

„Weil auch er Augen besitzt, durch die Einen gelegentlich ein anderer Mensch anblickt.“

Daraufhin schwieg er. Dann legte er den Kopf an meinen Hals und atmete lange aus, seine Stimme war kaum mehr als ein zittriges Flüstern.

„Wenn du wüsstest, was ich getan habe... ich bin... ich habe...“

„Das muss ich nicht. Ich muss nicht wissen, was Sie getan haben. Denn ich vertraue Ihnen, nicht Kuon oder Ren. Namen sind Schall und Rauch. Die Konstante..., die Person, die Sie sind, und auch schon immer waren, diese Person ist es, der ich vertraue. Und deshalb weiß ich auch, dass Sie all diese Dinge nicht getan haben, von denen Dantes geredet hat.“
 

Ein kleines Mädchen sang irgendwo in der Ferne. Bienen und Hummeln summten irgendwo in den Blumen, die am Wegesrand wuchsen. Es war Sommer...

Für eine Sekunde überkam mich eine ferne Erinnerung, als hätte jemand einen Eimer warmen Wassers über meinem Kopf ausgeleert. Ich hörte laut den Sekundenzeiger irgendeiner Uhr im Zimmer ticken, als ich zu begreifen versuchte, was Sie gerade gesagt hatte. Dann sah ich auf und erblickte mein Spiegelbild in ihren Augen... Es sah erleichtert aus und... glücklich?

„Tsuruga-s...?“

Ich küsste sie ungestüm. Sie ließ es geschehen.

Wie hatte ich jemals ohne dieses Geschöpf hier in meinen Armen leben können? Wie hatte ich jemals abstreiten können, dass ich sie liebte? Es war unausweichlich!

Draußen auf dem Flur vor der Tür erklangen Schritte und ich stieß sie erschrocken von mir weg.

Dantes betrat den Raum. Seine Augen scannten jedes Detail der Szenerie, die sich ihm bot und ein unheilschwangeres Lächeln legte sich auf seine Züge.

„Störe ich? Ich habe Neuigkeiten: Es ist soweit, Kuon. Endlich ist der Augenblick der Rache gekommen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2009-08-03T09:24:19+00:00 03.08.2009 11:24
also dafür, dass du die Story zu 100% fertig stellen willst, hängst du aber wieder zimlich hinterher *schmoll*
Von:  Kyoko_16
2008-11-29T23:17:36+00:00 30.11.2008 00:17
...!!!!!!
waiiiiiii xDDDD
einfach unbeschreiblich
ich habe auch nichts andees von dier erwartet, genau wie die vorangehenden kapitel einfach eine perfekte kombination aus dramatik, aktion, romantik und kriminalistik xD

ich konnte es kaum glauben, als ich das neue kap sah! xD
und du hast mich mal wieder nich enttäuscht was den verlauf und die formulierung angeht^^
ich kann dir versichern, dass ich es dir nich übel nehme, dass es über ein jahr gedauert hat, eh die fortsetzung auftauchte^^
es is sicher nich leicht einen schönen und überzeugenen storyverlauf nieder zu schreiben, wenn man keine ideen oder lust dazu hat, aber dein schlechtes gewissen hat dir flügel verliehen und mit deinem hversprechen, diese ff auf jeden fall zu ende zu bringen wirst du mich auf jeden fall bis zum ende dieer ff nicht los^^
Von:  Lunasera
2008-11-28T22:28:13+00:00 28.11.2008 23:28
Oh
mein
Gott,
das war soooooooo klasse!!!!!!!!!!!!
Ich bin hellauf begeistert. Endlich ein neues Kappi!^^ Ich hoffe, dass es jetzt schnell weiter geht und freue mich über jedes Kappi, das du schreibst. Ich hatte schon echt panik gekriegt, dass es nicht mehr weiter geht und war jetzt natürlich total erleichtert. Ich bin dir echt dankbar für das neue Kappi, die Story ist sooooooooo coooooooooooool!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Liebe Grüße
Lunasera
Von: abgemeldet
2008-11-24T22:35:50+00:00 24.11.2008 23:35
*skeptisch auf den Monitor seh*
*vorsichtig das Kapitel antipp, um zu gucken ob es vielleicht nur eine Halluzination ist*
Es... Es ist echt! *jubelnd hin- und her renn*
*über den anatomischen Atlas fall*
*sich wieder aufrappel*
*das Blut auf dr Stirn ignorier und wieder zum Schreibtishc torkel*
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich schon Angst hatte, dass diese eine der vielen abgebrochenen Fanfics wird die als Karteileichen im Netz umherschwirren...
Aber glücklicherweise ist sie das ja nicht. ^^
Das wäre ja sonst auch sadistisch. schließlich muss man aj wissen wie es mit Dante, Ren und Kyoko weitergeht.
Aber kommen wir zum Kapitel: Tadellos.
Mehr lässt sich dazu kaum sagen. Der Spannungsbogen ist ungebrochen.
Man fiebert mit und denkt jedesmal: Werden sie entkommen können? Sterben? Oder sich sogar irgendwie mit Dante versöhnen?
Eindeutig mit die spannenste Fanfic im Skip-Beat!-Bereich, Gratulation.

Trotz der Genialität des Kapitels - oder wohl gerde deswegen ;) - hoffe, ich dass wir auf das nächste Kapitel nicht wieder ein Jahr warten müssen.
Das wäre bei so einer Endsituation nämlcih sadistisch. ^^
Mls,
Hybie

Von: abgemeldet
2008-11-24T19:50:11+00:00 24.11.2008 20:50
*jubel*...*kreisch*...endlich das neue Kap is da....*lach*
Geil,geil und nochmals geil.Ich freue mich das du dich dazu durchgerungen hast,endlich weiter zu schreiben....lang hats ja gedauert.*schmoll*
Aber das was du jetzt geschrieben hast ist Entschädigung genug.Auch habe ich mich gefreut zu lesen das du die FF zu Ende bringst..*jubel*
Aber bitte laß uns diesmal nich zu lange warten,okay?!Sonst bombardier ich dich wieder mit E-Mails und Gästebucheinträgen..*devil-smile*
Nein im Ernst,ich freu mich schon auf das nächste Kap...*strahl*
Bis die Tage..*ungeduldighinundherrenn*
Gruß Angel ^-^
Von: abgemeldet
2008-11-24T19:43:23+00:00 24.11.2008 20:43
Ich hab mir gerade wieder die ganze FF in einem Zug durchgelesen, weil ich einfach nich davon los gekomme bin.^^
Einfach nur aufregend. Na wenigstens sind beide wieder zusammen, dass macht das ganze bestimmt erträglicher. >//<
Mir gefällt dein Schreibstil sehr.
Bin ma gespnna wie die beiden jetzt wieder rauskommen!? Hoffe nur, dass keiner stirbt außer dieser Dantes vielleicht. <_<
Hoffentlich bekommen Yashiro und Kanae etwas aus Itsumi raus auch wenn ich das bezweifel. Also für Sho ist es jetzt endgültig vorbei. Kyoko liebt Ren. Hach ist das schön. T//T
Bin echt froh, dass du doch noch weiter geschieben hast und es auch fertig schreiben willst. Wäre echt schade um diese gute FF.^^
Hoffe du schreibst so schnell wie möglich weiter. Bin schon richtig aufs nächste Kapi gespannt.^^

MfG Umi-chan
Von:  Metal_Angel
2008-11-24T17:07:00+00:00 24.11.2008 18:07
das kapitel war einfach klasse!
so richtig schön romantisch und einfach...hach...
ist doch nicht schlimm, dass du solang gebraucht hast. kannich verstehen...und dieses kapitel ist mehr als eine endschädigung!
bitte weiter schreiben!
LG
angel
Von:  Kyoko-Hizuri
2008-11-24T14:08:13+00:00 24.11.2008 15:08
KREISCH...*das ganze haus zusammenschrei*...^^...genial, einfach nur mega affen geil...*strahl*
diese Kap ist perfekt, mega cool und...aaaah, ich kann nicht beschreiben wie ich mich fühle^O^
ein so geiles Kap sollte es öfters geben,...am anfang so aufregend und spannend und im nach hinein so herzergreifend und romantisch...^^, einfach nur spitze...*strahl*
nach so einem Kap kann ich mir richtig gut vorstellen das das so lange gedauert hat^^, da vergebe ich dir erst recht die lange wartezeit^^
schreib bitte schnell weiter, ich kann es kaum erwarten und möchte wissen wie es weiter geht...*unruhig auf meinem Stuhl sitzen*
bis zum nächsten Kap
Kyo-Hizu




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