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Eikyû - gesegnetes Land

Die Legende der schlafenden Götter
von

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Die ewigen Priester

Fuhuhu~ Im Moment habe ich in der Schule richtig viel Zeit zum Schreiben. Daher kommt hier schon das nächste Kapitel ^.~ Ich hoffe natürlich wieder auf Kommentare zu dem Kapitel und mache auch hier noch mal drauf aufmerksam, dass chinahaeschen und noch ein paar andere, Bilder zu Eikyû gezeichnet haben und sich sicher über Kommentare freuen würden. Grade chinahaeschen hat bisher kaum welche bekommen. Also tut ihnen den Gefallen ^___^

So, genug des Gelabers: Viel Spaß bei Kapitel 15!
 

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Kapitel 15: Die ewigen Priester
 

Das Rauschen und Donnern schwoll an und das Kribbeln auf Tsukis Haut begann fast unerträglich zu werden – so viel Magie lag in der Luft. Sie war fast greifbar und dabei so unglaublich mächtig.

Es war mehr oder weniger ein Instinkt; Tsukis Glöckchen fingen an zu läuten, dann war sie bei Fukuro und stellte sich schützend vor ihn, ehe alles ganz schnell ging. Eine Druckwelle – Magie – kam, die Wand wurde durchstoßen und die Soldaten zurück geworfen. Nur die Magie von Tsukis Glöckchen schützte sie, Fukuro und die beiden anderen Gefangenen.

Im nächsten Augenblick war alles vorbei. Da war kein Donnern mehr, kein Rauschen und nur noch eine Ahnung von der Magie, die einen Moment zuvor hier gewirkt hatte. Dafür war die gesamte Rückwand des Hinterbaus zertrümmert und auch Teile des Daches und der anderen Wände fehlten.

Tsukis Blick wanderte auf den Platz hinter der Wache, während von der Straße aus bereits aufgeregte Rufe erklangen. Da stand jemand auf dem Platz hinter dem Haus – ein Mann.

„Wer“, setzte sie an. „Wer seid ihr?“

Der Mann kam auf sie zu. Tsuki konnte sein Alter nicht schätzen. Sein Haupt war kahlrasiert und sein Gesicht frei von Falten. Sein Gewand war vollkommen weiß, bestickt mit silbernen

Fäden.

Nun hatte er sie fast erreicht.

„Wer seid Ihr?“, wiederholte die Fuchsfrau. Sie wusste nicht, was dieser Mann war. Nur um eines war sie sich sicher: Ein Mensch war er auf keinen Fall.

„Niemand“, antwortete er mit ausdrucksloser Stimme.

„Auf welcher Seite steht Ihr?“ Tsuki wich vor ihm zurück.

„Auf keiner“, erwiderte er und hatte sie erreicht.

Im selben Moment wurde die Tür vorne am Gebäude aufgerissen und Leute strömten in das Gebäude, riefen irgendwas.

Tsuki sah den Mann an und seine Augen trafen ihre.

Es war, als würde ihr jemand einen Schlag gegen den Kopf versetzen. Sie wurde zurück gerissen, hatte das Gefühl zu fallen, konnte nicht erkennen, was um sie herum geschah. Dann folgte ein Aufprall, der sie aufkeuchen ließ.

Ihre Sicht war verschwommen, als sie sich wieder umsah. Sie blinzelte ein paar Mal, bis sie wieder halbwegs klar sehen konnte. Sie war nicht mehr in der Wache, aber wo sie war wusste sie nicht. Jedoch ahnte sie, dass Magie sie hierher gebracht hatte. Nun saß sie auf dem Boden eines in rohen Felsen gehauenen Raumes, an dessen Wänden auf aus dem Stein geformten Vorsprüngen hunderte Kerzen standen, die den Raum mit flackerndem Licht erhellten und die Säulen die unregelmäßig im Raum verteilt waren, hüpfende Schatten auf den Boden malen ließen.

Da kam ihr plötzlich ein Gedanke. „Fukuro!“ Doch dieser lag bewusstlos, wie auch die anderen beiden Gefangenen aus der Stadt, auf dem Boden. Vor ihnen stand der Mann, der sie, so vermutete Tsuki, hierher gebracht hatte.

Er sah sie an.

„Wer seih Ihr?“, fragte sie nun ein weiteres Mal. „Was seid Ihr?“

„Ihr seid hier erst einmal in Sicherheit“, erwiderte er weiterhin mit ausdrucksloser Stimme und wandte sich ab.

„Wartet“, rief Tsuki, kam auf die Beine und stellte sich vor ihn. „Wartet! Antwortet mir bitte. Wieso…“ Sie unterbrach sich und dachte noch einmal nach. „Warum habt Ihr uns da raus geholt? Wolltet ihr uns retten? Wieso? Wer seid Ihr?“

„Du willst viel wissen, weiße Füchsin.“ Er blickte sie an. Seine Augen waren fast komplett weiß.

Sie zuckte zusammen, starte ihn aber weiterhin an. „Sagt es mir.“

„Mein Name ist Chao Xin.“ Er erwiderte ihren Blick. „Aber was ich bin würdest auch du nicht verstehen.“

„Wieso habt ihr uns daraus geholt?“

„Weil es nicht euer Schicksal wäre hier zu enden.“

Tsuki schwieg und musterte ihn misstrauisch. Was wusste er? Er hatte sie weiße Füchsin genannt. Wusste er, was sie war? Woher? Was wusste er über ihr Schicksal? Was war er? Was?

„Könnt Ihr Fukuro helfen?“, fragte sie schließlich.
 

Tsuki wusste nicht wirklich, was für eine Tageszeit sie hatten. Sie saß, den Rücken an die Felswand gelehnt und die Beine an die Brust gezogen, neben dem immer noch ohnmächtigen Fukuro, der auf einem dünnen Futon lag.

Mehrmals war sie schon eingenickt, wenngleich sie versuchte wach zu bleiben. Doch die vergangenen Tage hatten sie erschöpft. Ihre Muskeln schmerzten und sie fühlte sich wie ausgelaugt. Außerdem hätte sie sich wohler gefühlt, hätte sie endlich einmal wieder einen Wald betreten können.

Der Raum, in dem sie waren, war klein und hatte keine Tür – wie alle Räume hier.

Diese in den Fels gehauenen Höhlen schienen schon sehr alt zu sein, genau wie die Männer, die hier lebten. Sie alle waren wie Chao Xin, trugen dieselben Gewänder und schienen alle vollkommen zeitlos zu sein. Doch niemand sagte ihr, was sie waren und warum sie hier lebten. Waren sie Götter?

Wohin die anderen beiden Gefangenen aus der Stadt gebracht worden waren, wusste sie nicht. Nur Fukuro hatte sie, seit sie hier waren, nicht mehr aus den Augen gelassen. Sie hatte ihn endlich gefunden und wie es aussah war er im Moment ihr einziger Gefährte.

Seufzend dachte sie erneut an ihre – ehemaligen? – Gefährten. Sie fragte sich, was mit Shen und was mit Fukuro geschehen war.

Er sah furchtbar aus, war blass und abgemagert. Auf der trockenen Haut malten sich die die Knochen ab. Sein Haar war dreckig und verfilzt. Nicht einmal vernünftige Kleidung trug er am Leib.

Tsuki war sich nicht sicher, ob er überhaupt fähig war die Reise weiterzuführen oder ob er das überhaupt wollte – auch wenn sie wusste, dass er alles geben würde, um Yuki zu suchen und zu finden.

Und dann? Was wollten sie dann machen?

Wenn sie Yuki fanden, würden sie dann Raiu Akki weiter suchen? Würden sie dann weiter gegen die Oni kämpfen? Diese hatten schon zwei der Heiligtümer, die anderen beiden waren noch immer verschwunden, wenn die Oni sie nicht in der Zwischenzeit gefunden hatten… Wenn es die vier Reiche überhaupt noch gab. Sie wussten ja nicht einmal, was diese Dämonen überhaupt vorhatten, wenn sie alle Heiligtümer besaßen. Sie – Tsuki und ihre Gefährten – wollten etwas, von dem sie nicht wussten, was es war, verhindern. Das einzige, was sie wussten, war, dass es sich gegen die Menschen richtete.

Verdient?

Sie schüttelte müde den Kopf.

So sollte sie nicht denken. Ihre Göttin, die gütige Inari, hatte sie auf diese Reise geschickt. Sie sllte die Entscheidung ihrer Göttin nicht in Frage stellen. Aber irgendwo in ihr regten sich Zweifel, da sie wusste, wie die Menschen waren. Sie hatten ihre Werte doch schon lange verloren. Heute gab es keine Ehre mehr, keine Ehrlichkeit, nur Grausamkeit und Lügen. Jeder versuchte das Beste für sich selbst zu gewinnen – jedenfalls die meisten taten das. Wann hatte das angefangen? Hatte es damit zu tun, dass die Menschen heute die Götter verleugneten? Wieso?

Viele Tempel waren heute zerfallen und viele ihrer Götter schliefen, da niemand mehr zu ihnen betete. So auch die Urmutter – Amateratsu. Sie alle schliefen…

Tsuki zog die Beine noch näher an den Körper, ehe sie sich auf die Seite fallen ließ und die Augen schloss. Sie war so erschöpft.

Es war zum Verzweifeln, dachte sie. Sie war schon so lange auf der Reise.

Ihre Gedanken fingen an zu wandern. Sie dachte an die Wälder in Honou, an den alten Schrein und einmal wieder an Hayashimura. Wie ging es den beiden Alten und Tohon und den anderen Zashiki-Warashi? So gerne hätte sie wieder mit ihnen gesprochen, wie sie auch wusste, dass Tohon sie vermisste. Sie wäre so gerne wieder da gewesen. Das Dorf war ihr ans Herz gewachsen – fast wie ein zuhause.

Tränen bildeten sich in ihren Augen.

Und was war mit Ryuujin, dem Mann, den sie vor mehr als einem Monat in der Stadt Unaru getroffen hatte? Hatte er gefunden, wonach er suchte? Deshalb hatte er sie und Shen doch damals verlassen, oder?

Sie machte sich zu viele Gedanken um ihn, doch irgendwie ging er ihr nicht aus dem Kopf.

Und was machte Shen jetzt? War er in sein Dorf zurückgekehrt?

Und Yuki? Was war mit ihr?
 

„Tsuki?“, fragte eine trockene, heisere und ungläubig klingende Stimme und riss sie damit aus dem Schlaf.

Es brauchte etwas, bis sie wusste, wo sie war und wem die Stimme gehörte. „Fukuro.“ Sie sah ihm ins Gesicht, welches immer noch genauso gespenstisch aussah, wie es war, als er schlief, doch nun sah er sie mit seinen grauen Augen und müdem Blick an.

„Du bist wach“, stellte sie dann erleichtert fest und lächelte.

„Was ist geschehen?“, erwiderte er nur. „Wo sind wir?“

Das würde ich selbst gerne wissen, dachte Tsuki, sagte es aber nicht. „In Sicherheit“, meinte sie stattdessen. „Glaube ich zumindest.“ Sie seufzte. „Aber ich bin froh, dich gefunden zu haben… Ich habe fast nicht mehr daran geglaubt.“

Er blinzelte, hatte scheinbar Probleme die Augen offen zu halten. „Ich habe Durst“, meinte er, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. „Und Hunger.“

„Ich kann versuchen, etwas von den Männern hier zu bekommen“, erwiderte sie, wobei sie feststellte, dass es ihr, vor allem was den Hunger anging, nicht besser ging. Sie stand auf und wollte den Raum verlassen, wobei sie aber fast über ein Holzbrett mit Fladenbroten – etwas, was sie zuletzt vor langer Zeit gegessen hatte – du einer tönernen Karaffe mit Wasser. Es war jemand hier gewesen, während sie geschlafen hatte. Sie war unvorsichtig gewesen.

Den Kopf schüttelnd kehrte sie mit dem kargen Mahl zu Fukuro zurück und kniete neben ihn auf dem Boden. „Das haben sie vor den Raum gestellt“, meinte sie.

„Wer sind ‚sie’?“, fragte Fukuro, doch die Fuchsfrau schüttelte nur den Kopf. „Iss“, sagte sie und beobachtete.

Der Ninja versuchte sich aufzurichten, hatte aber augenscheinlich nicht mehr die Kraft dazu, was er aber nicht zugeben wollte. So versuchte er es weiter, bis Tsuki es nicht mehr mit ansehen konnte und ihm unter die Schultern griff, um ihm aufzuhelfen.

Schweigend blieb er an die Wand gelehnt sitzen und starrte in den Raum.

„Willst du etwas trinken?“, fragte Tsuki, die sich vorstellen konnte, wie er sich fühlte, und hielt ihm die Karaffe hin.

Er nickte nur, machte aber keine Anstalten die Karaffe zu nehmen, so dass sie ihm diese schließlich an die Lippen hielt, bis er einige Schlicke trank. Dann verzog er das Gesicht und sie nahm das Gefäß weg, ehe er anfing zu husten.

Sie sah ihn mitleidig an. „Was ist nur mit dir geschehen?“, murmelte sie und begann eines der Fladenbrote zu zerpflücken, was er nur teilnahmslos beobachtete, bis sie ihm ein Stück hinhielt.

Fukuro kaute langsam und nachdenklich. „Wo ist Yuki?“, fragte er schließlich, als hätte er die ganze Zeit darauf gewartet, dass Tsuki etwas darüber sagte, aber sie konnte nichts anderes tun, als wiederum den Kopf zu schütteln.

„Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Ich hab sie nicht wieder gesehen, seit man uns trennte.“

„Was“, setzte er an, schwieg dann aber zitternd.

„Es tut mir leid“, murmelte sie, doch er erwiderte nichts.

„Was ist mit dir passiert?“, fragte sie dann wieder und wartete, dass er antwortete. Erst schien es, als wollte er nichts sagen, doch dann setzte er an: „Steinbruch“, begann er knapp. „Sie haben mich in einen Steinbruch gebracht.“ Wieder schwieg er eine Weile. „Dann kamen die Oni und die Yurei.“ Er sah sie an. „Die anderen beiden… Wir drei waren die einzigen Überlebenden. Sie dachten, wir hätten sie gerufen.“ Nun sah er auf den Boden und schwieg, als hätte er alles gesagt, was es zu sagen gab.

Zumindest verstand Tsuki jetzt etwas. Deshalb waren sie Gefangene gewesen, deshalb auch die Wut der Menschen. Sie hatten die Schul bei denen, die sie fanden, gesucht. Bei den Sklaven in diesem Fall.

„Und du?“, fragte Fukuro, immer noch teilnahmslos, so als würde er nur aus Höflichkeit fragen.

Sie sah ihn an, schwieg eine Weile und begann schließlich zu erzählen, was ihr passiert war.
 

Die folgenden Tagen – oder waren es Wochen? – vergingen unter einer dichten Decke bedrückenden Schweigens. Sie schliefen viel, sprachen wenig und geschehen tat nichts.

Fukuro fieberte im Schlaf oft und kam nur langsam zu Kräften, während er vor Sorge um Yuki – Tsuki konnte es spüren – fast verging. Er schwieg oft stundenlang und starrte ewig in die Luft, als könnte er dort eine Antwort auf die Frage finden, wo seine Schwester war.

Die Männer hier redeten ebenfalls nicht viel und so kam es, dass auch Tsuki Tag für Tag immer mehr in ihren Gedanken versank und über die Geschehnisse der letzten Monate, an die Vergangenheit, die Menschen, die Yokai, Yurei und die Götter versank. Sie wollte zurück nach Eikyû.

Immer öfter wanderte sie durch die Felsgänge ohne etwas Bestimmtes zu suchen, nur um vor Fukuros Wand aus Schweigen zu fliehen.

So traf sie schließlich auch wieder auf Chao Xin, den sie seit ihrer Ankunft hier nicht wieder gesehen hatte.

Sie sahen sich an und es herrschte eine Weile Schweigen, ehe er begann: „Wie geht es deinem Freund, weiße Füchsin?“, fragte er mit derselben desinteressierten Stimme, mit der er schon das letzte Mal, wo sie sich sahen, die ganze Zeit gesprochen hatte.

Eine Weile überlegte Tsuki, ob sie überhaupt antworten sollte, doch dann beschloss sie, dass gegenseitiges Schweigen sie auch nicht weiterbringen würde. „Besser, aber er redet kaum mit mir.“

Chao Xin nickte nur und machte Anstalten an ihr vorbei zu gehen, doch sie trat in seinen Weg. „Wartet bitte!“

„Was willst du wissen, Füchsin?“, fragte er.

„Sagt mir endlich, was Ihr seid und wo wir sind“, antwortete sie, wobei ihre Stimme flehend klang. „Was wisst ihr über uns – über das Schicksal? Woher…?“

„Du wirst des Fragens nicht müde“, stellte er fest. „Du bist noch sehr jung.“

„Hört auf auszuweichen“, erwiderte sie. „Ihr habt uns hierher gebracht und uns nicht einmal gesagt warum. Ihr habt uns nicht gesagt, wo wir sind und sprecht die ganze Zeit in Rätseln. Wir sind hier, aber niemand redet mit uns. Ich will endlich wissen, was hier passiert.“

„Füchse sind immer neugierig, nicht?“ Das erste Mal ließ sich so etwas wie ein Lächeln auf seinem Gesicht erahnen. „Folge mir.“
 

Shen lag am Rand eines Sees mitten im Wald, dessen Blätterdach ein Muster aus Licht und Schatten auf ihn und den Boden malte. Sein Blick war apartisch, während er starr in das glitzernde Lichtspiel auf den Wellen blickte.

Er verstand nicht, was hier vor sich ging und hatte es mittlerweile auch aufgegeben darüber nachzudenken. Es war auch nicht wichtig, nicht wirklich. Schon mehr als einmal hatte er sich gefragt, ob das nicht alles irgendein verrückter Traum war, der ihn gefangen hielt. Hatte er den Verstand verloren?

Langsam streckte er die Hand aus, um die Oberfläche des Sees zu Berühren und mit den Fingerspitzen durchs Wasser zu streichen.

Es war angenehm kühl.

Er seufzte und drehte sich auf den Rücken und sah zu den Baumgipfeln, durch deren Blätter vereinzelte Sonnenstrahlen zu ihm drangen. Es wirkte wirklich alles wie ein Traum.

Ein Kecken erklang, das er in den letzten Tagen einige Male gehört hatte. Dann rasten zwei Äffchen aus dem Gebüsch auf ihn zu und lachten und schrieen dabei herum. Eines der beiden kletterte auf seinen Bauch, sah ihn fragend an, legte zwei Pfirsiche auf seine Brust und grinste ihn an.

Dann begann es wieder zu kecken und hüpfte auf ihm herum, doch er legte nur den Kopf auf die Seite. „Geht weg“, murmelte er.

Das zweite Äffchen stellte sich nun vor sein Gesicht und sah ihn ebenfalls grinsend an, ehe es sein Händchen hob und seine Stirn tätschelte.

„Geht weg“, wiederholte er und drehte den Kopf auf die andere Seite.

Er verstand das nicht. Er verstand die Tiere nicht. Sie schienen, ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund gab, handzahm und freundlich zu ihm zu sein. Das hatte mit dem weißen Tiger am Waldrand angefangen, doch mit den anderen Tieren war es nicht anders.

Die Äffchen waren hartnäckig. Das auf seinem Bauch kroch auf seine Brust hoch und keckte ihm aufmunternd ins Ohr, bis er sich schließlich aufrichtete,

„Geht weg!“, schrie er sie an, so dass sie aufkreischten und ein paar Schritt vor ihm zurück wichen.

Shen blieb sitzen und sah auf den Boden, wo die zwei Pfirsiche hingerollt waren, ehe er sich wieder auf den Rücken fallen ließ.

Da ließ ihn eine Stimme aufschrecken. „Findest du nicht, dass du ungerecht bist?“, meinte diese. Es war eine tiefe Männerstimme.

Erneut richtete er sich auf und sah sich um. „Wer meint das?“, fragte er gleichzeitig, ehe er den Mann erblickte, der Gesprochen hatte.

Dieser saß auf einem größeren Stein, etwas von ihm entfernt, inmitten des flachen Sees und ließ seine Füße ins Wasser Baumeln. Er war groß und sehr kräftig gebaut und hatte langes, dunkles Haar, das er zu einem Zopf geflochten trug. Seine Brust war nackt und das einzige, was er trug, war eine helle Hose im Hakamastil.

„Bist du anderer Meinung?“, fragte der Mann nur und sah ihn an.

„Was geht dich das an?“, erwiderte Shen.

Der Mann lachte. „Es ist schon armselig“, meinte er. „Den ganzen Tag liegst du hier rum und vergehst fast vor lauter Selbstmitleid. Was für ein Held. Was für ein Krieger.“ Seine Stimme klang spöttisch.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, wiederholte Shen. Wo kam dieser Mann her? Einen Moment zuvor hatte er noch nicht dort gesessen, da war er sich sicher.

„Du bist egoistisch“, meinte der Mann.

Langsam wurde Shen ihn leid. „Selbst wenn es so wäre: Das ist meine Sache!“

„Du weist die ab, die dir helfen wollen“, sprach der Mann unbeirrt, woraufhin eines der Äffchen einen Lauf von sich gab. So als hätte es ihn verstanden. Dann fuhr der Mann fort: „Und deine Gefährten hast du einfach im Stich gelassen.“

„Sei still!“, fuhr Shen, der nun auf die Beine gekommen war, ihn an. „Wer auch immer du bist: Es geht dich nichts an!“

„Das glaubst du.“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. „Aber du verstehst noch so wenig“, murmelte er dann. „Wie sagtest du: Es gibt keine Götter? Kein Schicksal? Wieso hast du diese Reise dann überhaupt begonnen?“

Nun begann Shen zu zittern. Woher wusste der Mann das alles? Wie war das möglich? War er… Aber nein, dass konnte nicht sein. „Du hast…“, begann er, als der Mann ihn unterbrach.

„Ich habe keine Ahnung, wie es ist, jemanden zu verlieren?“, fragte er und vervollständigte so Shens Satz. „Woher willst du das wissen, Mensch?“

„Aber wie…“, setzte Shen an. „Was bist du?“

Der Mann ignorierte seine Frage. „Komm endlich zur Vernunft, Shen Hou!“, rief er. „Beende was du begonnen hast, an statt dich wie ein Lurch hier zu verkriechen.“

„Aber“, setzte er erneut an, ohne zu bemerken, dass Tränen über seine Wangen liefen.

Der Mann ließ sich ins Wasser gleiten und watete ein Stick auf ihn zu. „Bedenke: Da sind noch immer welche, die an dich glauben, und solche, die dich brauchen.“

„Aber“, startete er einen letzten Versuch etwas zu sagen und machte unwillkürlich ein paar Schritte auf ihn zu – in den See hinein. Jedoch stießen seine Füße nicht auf Grund. Stattdessen versank er viel zu langsam im Wasser. „Was“, brachte er hervor und sah Hilfe suchend um sich, erblickte den Mann, aber dieser lächelte ihm nur zu. Dann war er vollständig Unterwasser und sank immer tiefer.

Nur ein einzelner Gedanke schoss ihm noch durch den Kopf, während er immer schneller zu sinken schien: „Mei…“
 

„Wir werden ‚die ewigen Priester’ genannt“, sagte Chao Xin, als er mit der Kitsune einen großen Saal betrat. „Aber auch die Hüter, die Seher, die alten Wächter.“

Tsuki sah sich nur um.

Dieser Saal war riesig im Vergleich zu den anderen in diesen Höhlen und auch – im Gegensatz zu diesen – mit einem großen, steinernen Tor versiegelt, das nicht so aussah, als könnte es ein Mensch öffnen, doch Chao Xin schien dies keine Mühe bereitet zu haben.

Doch die Größe und das Tor waren nicht das einzige, was diesen Saal von den anderen unterschied. Hier gab es weder Kerzen, noch irgendeine andere Art von Feuer und trotzdem war es nicht dunkel. Ohne dass man irgendeine Quelle hätte ausmachen können, war der ganze Raum von einem dämmerigen, grün-bläulichem Licht erhellt. Außerdem lag eine magische Kraft in diesem Raum, welche sich kaum mit Worten beschreiben ließ.

Ungefähr dreißig Männer, Priester hatte Chao Xin sie genannt, knieten dort mit geschlossenen Augen.

Kam die Magie von ihnen?

„Was bedeutet das?“, fragte Tsuki schließlich. „Seid Ihr Götter?“

„Vielleicht“, erwiderte er nur. „Aber wir können nur sehen. Wir beobachten die Geschehnisse in dieser Welt schon sie Jahrhunderten, doch es ist uns verboten einzugreifen.“

„Habt ihr dann nicht“, begann sie. „Als Ihr uns hierher holtet dagegen verstoßen?“

„Ja“, antwortete er. „Wahrscheinlich.“

„Wieso zeigt Ihr mir das alles?“ Sie sah sich erneut um.

„Weil du sonst zuviel fragst“; erwiderte er und schenkte ihr erneut ein leichtes Lächeln.

Es herrschte eine Weile Schweigen, während Tsuki über seine Worte nachdachte.

„Aber“, setzte sie dann an. „Wenn Ihr seht, wenn ihr beobachtet, sehr Ihr alles?“

„Fast“, gab er zur Antwort.

„Heißt das, Ihr wisst auch, wo Fukuros Schwester, wo Yuki ist?“, fragte Tsuki aufgeregt.

Der Priester nickte.

Daraufhin schwieg Tsuki wieder, ehe sie ruhiger fragte: „Könnt Ihr uns zu ihr bringen? Fukuro…“ Sie brach ab, hoffte aber, dass der Priester verstand was sie sagen wollte.

„Ich weiß“, erwiderte er. „Aber du solltest warten.“ Damit drehte er sich um und verließ den Raum, da er das Tor etwas aufgelassen hatte. Sein Blick forderte sie auf ihm zu folgen, was sie nun tat.

Hinter ihnen schloss sich der Torflügel wie von Geisterhand, auch wenn Tsuki wusste, dass es die Magie des Raumes war, der sie verriegelte.

„Ich kann euch nach Eikyû bringen“, meinte nun Chao Xin, während er einen Felsgang entlang ging, so dass ihr nichts anderes übrig blieb, als es ihm nach zu tun. „Aber warte noch einen Tag, dann wir auch noch der letzte, deiner Gefährten hier sein.“

„Shen?“, fragte Tsuki.

„Der Wolkenkrieger, ja“, erwiderte er. „Im Moment ist jemand bei ihm, der ihn vielleicht zur Vernunft bringen kann.“

„Einer von Euch?“, vermutete sie, bekam aber ein Kopfschütteln zur Antwort.

„Nein.“ Chao Xin machte keine Anstalten ihr mehr zu erklären. „Und.“ Er hob die Hand, um weitere Fragen von ihr zu vermeiden. „Das war alles, was ich dir sagen kann – sagen darf“, meinte er. „Du wirst gut daran tun, zu deinem Freund dem Ninja zu gehen und ihm zu sagen, dass ihr nach Eikyû zurückkehren werden. Doch sei vorsichtig, erzähl ihm nicht alles.“

Sie nickte nur. „In Ordnung.“ Damit wandte sie sich zum Gehen. Sie würde nach Eikyû zurückkehren – in ihre Heimat. Und Shen und Yuki würden bald wieder bei ihnen sein. Sollte sich vielleicht doch noch alles zum Guten wenden? Sie würde es hoffen.

„Aber“, setzte da der ewige Priester noch einmal an, so dass sie sich zu ihm umdrehte. Aber er schüttelte nur den Kopf. „Nichts.“

Dieses Mal unterließ sie die Fragen. Er hatte schon viel für sie getan. Sie würde ihm erst einmal vertrauen.

Sie würde nach Eikyû zurückkehren.

Ein richtiges Lächeln breitete sich das erste Mal seit Wochen über ihr Gesicht aus. Sie hatte wieder Hoffnung.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Jitsch
2012-09-23T21:08:47+00:00 23.09.2012 23:08
Irgendwie ist es faszinierend, wie sich die Gruppe immer wieder auflöst und am Ende Tsuki nur noch mit einem Begleiter dasteht. Kaum findet sie Shen haut Ryuujin ab und jetzt wo sie Fukuro wiedergefunden hat ist Shen weg. Wäre sonst ja auch zu einfach XP

Ansonsten hat mir das Kapitel gut gefallen. Die geheimnisvolle Art der Priester gefällt mir sehr, auch dieser Typ, der jetzt Shen zur Besinnung bringen soll. Es wirkt einfach mystisch, und ich finde, dass die sich auch sehr gut ausdrücken können :)
Von: Futuhiro
2009-12-27T20:12:18+00:00 27.12.2009 21:12
Seltsam, zu diesem Kapitel hab ich gar keine richtige Meinung. Klang ein bischen nach einer Überleitung von einem Abschnitt zum nächsten. Und langsam wird die Fülle der Charaktere unübersichtlich. Klar, daß die auf einer Reise auf viele verschiedene Leute treffen, aber ... Aber es gefällt mir, daß die alle so vielfältig und fantasievoll sind. Da ist keiner dem anderen ähnlich. Wahrer Ideenreichtum, nicht übel.
Von:  Heruvim
2009-05-16T09:58:56+00:00 16.05.2009 11:58
Wie die Zeit in Eikyu vergeht ... ich finde den Teil wo du die Zeit beschreibst "es vergingen Tage oder waren es Wochen..." oder etwas in der Art, ziemlich komisch o.o
Zumindest fuer Tsukis Charakter ... dass Fukuro sich schwer erholt etc ist schon ganz okay, aber wenn dann Tsuki sich wirklich mit solchen Typen auf "Wochen" einlaesst, ist es doch etwas uebertrieben, zumindest, wenn wir die Tiefe des Kapitels ignorieren =)

Das waere meine einzige negative Kritik an dem Kapitel, dafuer gibt es natuerlich einen super plus Punkt fuer das Kapitel, weil es eine neue Basis fuer die folgenden Kapitel bietet. Du hast das mit den letzten Kapiteln, wo die Charaktere eher im Vordergrund stehen ganz toll gemacht! So bekommen die Leser nicht nur von der Handlung etwas ab, sondern auch von den Charakteren.
Allerdings frage ich mich, warum Raiu Akki so lange braucht um Eikyu endlich zu uebernehmen ? o.o
Ich meine "Monate" sind doch etwas viel, ausserdem vermise ich Ryuujin mit dem Schwert :P

LG, Heruvim
Von:  BoogiePen
2008-08-09T18:50:57+00:00 09.08.2008 20:50
Mit einem Kommentar zu Kapitel 19 kann ich zwar (noch) nicht dienen, aber warum nicht einer zu Kapitel 15? =) Wir jedenfalls mal wieder Zeit!

Auch ich muss sagen, dass mir das Kapitel viel besser gefallen hat als das letzte, was leider etwas ungehobelt war. Nun findest du aber wieder zu alter Stärke zurück. Ob das wirklich an den nicht worhandenen Kämpfen liegt? ich wage es zu bezweifeln. Ich glaube einfach, dass es von der Handlung her angenehmer und vor allem auch interessanter zu schreiben war als die Schleichaktion.

Gleich zu Beginn des Kapitels fragte ich mich aber, wieso du den ersten Absatz nicht noch mit in das letzte Kapitel gepackt hast. Das wäre meines Erachtens ein spannenderer Schluss gewesen als die Szene mit dem Tiger, vor allem vorausblickend betrachtet, da du die Sache mit dem Tiger ja nicht noch einmal aufgreifst und ihn nur zu Darstellung des außergewöhnlichen Verhaltens der Tiere benutzt.

Was die merkwürdigen Priester angeht; joa, die sind ganz nett. Allerdings zweifle ich manchmal, ob die Dialoge wie sie zwischen dem merkwürdigen Mann und Tsuki stattfinden, "realistisch" sind, im Sinne von "würde Tsuki das jetzt fragen? würde der Mann sie wirklich sinnlos im Dunkeln lassen? etc."

Gegen Ende hin gewinnt das Kapitel aber nochmal an Spannung, vor allem deshalb, weil die Existenz der Männer etwas über das übliche Gute-Retter-Klischee hinausgeht. Bin mal gespannt wie der Mann im See mit ihnen in Verbindung steht.

Ansonsten wäre noch die abschließende Frage, ob die armen Männer, die sich ihr Leben (haben sie eins??) lang an ihre Regeln gehalten haben, und ausgerechnet einer Tsuki helfen, weil sie die Schleichaktion verbockt hat? Klar, das läuft alles auf die "Du wurdest dazu auserwählt die Welt zu retten"-Thematik hinaus, dennoch wirkt es beim ersten Lesen - zumindest meines Erachtens - leicht komisch.

Naja, aber das ist nun nicht so wichtig^^

Bitte mehr Kapitel in diesem Stil! =)


Von:  DINO2011
2008-03-18T14:44:46+00:00 18.03.2008 15:44
Tja, dieses Kapitel gefällt mir viel besser als das letzte. Ich weiß nicht wieso, aber für mich scheint es fast so, als wärst du bei diesem Kapitel mehr bei der Sache gewesen. Ich weiß ja, das du dir mit Kämpfen immer sehr schwer tust, trotzdem dachte ich nicht, das es zu so einem Unterschied zwischen zwei Kapitel kommen könnte.

Nun, ich hoffe, das sie schnell wieder nach Eikyu kommen und es dort so richtig Rund geht. Immerhin müssen sie ja auch wieder auf den Krieger treffen *den Namen nicht schreiben kann*

>Sie stand auf und wollte den Raum verlassen, wobei sie aber fast über ein Holzbrett mit Fladenbroten – etwas, was sie zuletzt vor langer Zeit gegessen hatte – du einer tönernen Karaffe mit Wasser.<

Hier ist mir wieder ein Satz aufgefallen, der so keinen wirklichen Sinn ergibt. Sieh ihn dir bitte noch einmal an.
Von: abgemeldet
2008-03-08T22:09:19+00:00 08.03.2008 23:09
Ich hab dir ja meine Meinung zum ersten Teil des Kapitels schon gesagt. Mir gefällt der eher ruhigere Ton, den du angeschlagen hast, sehr gut. Nach all den neuen Fragen und der Action brauchten wir mal ein rückblickendes Kapitel. Es sind schließlich schon 15 Kapitel!! O__o
Yay! Shen kam drin vor! Ich freue mich, dass es auch bei ihm wieder vorranzugehen scheint. :D DIe Affen sind toll. :) Mir gefällt, wie du sehr subtil geschildert hast, dass er immer noch trauert, aber ihn trotzdem in die richtige Richtung geschoben hast. Es wirkt nicht so: "Ja, meine Freundin ist tot, lass mal die Welt retten!"-mäßig. Sehr gefühlvoll gemacht. *thumbs up*
Und endlich erfahren wir mehr über die geheimnisvollen Männer. Es ist irgendwie tröstend zu wissen, dass es Leute gibt, die über die kleine Gruppe ein bisschen wachen und ihnen sogar einmal helfen konnten. Weil bis jetzt war ihre Reise ja eher... ein Disaster. xD
Und vielleicht haben wir ja schon bald alle wieder zusammen?? :D Ich vermisse Yuki.. T__T Aber so, wie es bis jetzt gelaufen ist, glaube ich nicht dran, dass es ein schnelles glückliches Wiedersehen gibt.. :D

Also: Super Kapitel! :) Mir gefällt's total.


Von:  Maron-Kusakabe
2008-03-07T14:34:09+00:00 07.03.2008 15:34
das Kapi is dir gut gelungen
freu mich schon auf ds nächste Kapi ^^


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