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A Trip to Hell

Die Leiden des Seto Kaiba ∼ KaibaxWheeler ∼
von

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Tag 4: Livin' La Vida Loca

Tag 4: Livin’ La Vida Loca
 

„Wettschwimmen? Klar!“
 

Die Stimme Mutos riss mich aus meiner vorläufigen Erstarrung und ich fing mich wieder. Langsam ließ ich mich auf meinem Handtuch zurücksinken. Lautlos seufzend legte ich mir einen Arm über die Augen.

Töricht, anders konnte ich meine Reaktion nicht bezeichnen. Es war Zufall, nichts weiter. Bloßer Zufall.
 

Die Zeit kroch nur so dahin, doch der Strand um uns herum, leerte sich allmählich. Die Frühnachmittagsmasse wich dem erträglichen Nachmittagsgeschehen und ich hatte nicht mehr das störende Gefühl, von allen Seiten belagert zu werden. (Obwohl ich mich abseits von den anderen platziert hatte, war das Resultat dasselbe gewesen: Bedrängung.)

Die Sonne wanderte langsam gen Westen und wenn mich meine Erinnerung nicht täuschte, müsste es mindestens vier Uhr sein. Wie lange wollten wir denn noch unsere Zeit an diesem sinnlosen Ort verbringen?
 

Während Muto und der Rest seiner Gefolgsleute sich beim Wettschwimmen vergnügt hatten, war es zumindest angenehm ruhig um mich herum, doch kaum dass sie zurückkehrte, war es mit der Ruhe vorbei. Prompt begannen Taylor und Devlin die Badebekleidung der Mädchen unserer Klasse zu kommentieren, gaben ihnen sogar Noten und verglichen sie mit fremden Mädchen, die ebenfalls am Strand waren und an ihnen vorbeiliefen.

Nach einigen Minuten riss mir beinahe der Geduldsfaden und ich beschloss, mich wenigstens für einige Zeit, abzusondern und diesem Tiefpunkt an Intelligenz zu entrinnen. Mit einem Schnauben setzte ich mich auf, strafte die zwei mit einem Blick der gefährlichsten Sorte, bevor ich mich schließlich vollends erhob.

„IQ gleich null. Wie hoch war es noch gleich bei Affen?“, bemerkte ich wie nebenbei und legte so viel Gleichgültigkeit wie möglich in meine Stimme.

Unter meinen Schuhen knirschte der Sand, als ich bestimmten an ihnen vorbei schritt, dabei absichtlich so viel Sand wie möglich aufwirbelte. Als ich ihr ersticktes Husten und die Flüche hinter mir hörte, schlich sich ein selbstzufriedenes Grinsen auf meine Züge. Rache war eindeutig süß.
 

„Hey Leute“ – wieder war es Wheeler – „was haltet ihr von Beachvolleyball?“
 

Der Köter brauchte offenbar Aufmerksamkeit, zusammen mit Bewegung. Und einen Ball.
 

„Volleyball?“, rief Devlin in derselben Lautstärke zurück. „Klingt viel versprechend.“

Der Tonfall, der bei seinen Worten mitschwang, brachte mich dazu, kaum merklich den Kopf zu wenden und zurückzublicken. Es schwang mir einfach zu viel Vorfreude mit. Das Grinsen, welches er anschließend mit Taylor wechselte, ließ meine Augenbraue argwöhnisch in die Höhe schnellen. Was hatten die zwei jetzt schon wieder?

Ich verdrehte abfällig die Augen, während ich mich abwandte. Sicher freuten sie sich nur wieder darauf, den Mädchen hinterher starren zu können.

Meine Augen wanderten die Brandung der Wellen entlang, während ich den Strand ein Stück entlang schritt, mich dem Meer gerade so weit näherte, dass es meine Schuhe beinahe berührte. Meine Stiefel (es waren dieselben, die ich immer zusammen mit meinem Mantel zu tragen pflegte – nur, weil ich eine andere Hose trug, bedeutete dies nicht, dass ich die Stiefel nicht tragen würde. Außerdem machten die Turnschuhe, die Mokuba in meinen Koffer geschmuggelt hatte, einen nicht wirklich verlockenden Eindruck auf mich ...) hinterließen tiefe Abdrücke im feuchten Sand. Mein Blick wanderte weiter auf das Meer hinaus, über die Wellen hinweg, zum Horizont, während meine Gedanken ungewollt davon drifteten. Irgendwann entschloss ich, wieder umzudrehen, da die Sonne eine zunehmend ermattende Wirkung auf mich hatte und mir zudem unangenehm warm unter meiner Kleidung wurde.

Ich folgte meinen Fußspuren zurück, achtete jedoch nur nebenbei auf meinen Weg, da mein Blick wieder Richtung Meer gewandert war. So oft ich schon in Ôsaka gewesen war, ich hatte nie Zeit gehabt, es mir genau anzusehen. Ohnehin betrachtete ich das Meer nur selten. Dabei war es keineswegs unschön. Eher im Gegenteil. Es wirkte seltsam beruhigend.

Je näher ich meiner Klasse kam, desto lauter wurde es. Aus den Augenwinkeln sah ich einige meiner Mitschüler an dem Volleyballnetz, andere bauten doch tatsächlich Sandburgen (wie alt waren sie eigentlich? Unmöglich achtzehn!), doch ich kümmerte mich nicht darum. Unablässig ruhten meine Augen auf der ebenmäßigen Meeresoberfläche.

Nur nebenbei hörte ich die wirren Stimmen um mich herum.
 

„Spiel den Ball!“

„Mach ja.“

„Weiter!“

„He, nicht so weit!“

„Achtung, Ball!“
 

Etwas flog dicht an meinem Kopf vorbei und ich blieb augenblicklich stehen. Der weiße Volleyball landete wenige Meter von mir entfernt im flachen Wasser, wurde sofort von der Brandung erfasst und leicht vor und zurück geschoben.
 

„Tristan, musstest du so weit schlagen?“

„Sorry, war so nicht geplant.“

„Ich hol ihn.“
 

Devlins letzte Worte holten mich in die Realität zurück. Ich spürte, wie er sich mir näherte und wollte schon achtlos meinen Weg fortsetzten, da wurde ich heftig gegen die Schulter gestoßen.

Vollkommen überrumpelt, hatte ich doch nicht mit etwas derartigem gerechnet, stolperte ich einige Schritte zur Seite, wühlte dabei das Wasser auf und verlor mein Gleichgewicht. Mit geweiteten Augen fiel ich nach hinten.

Das nächste, was ich wahrnahm, war Nässe. Kalte Nässe. Eisige Nässe, die mir Blitze durch mein Nervensystem sandte. Wasser spritzte hoch, als ich vollends im kalten Nass landete.

Ich riss die Augen auf und starrte fassungslos zu Devlin hoch, der nach dem Ball griff, sich zu mir umdrehte und mich unschuldig angrinste. „Ups, sorry Kaiba. Hab dich nicht gesehen.“

Ich saß im knöcheltiefen Wasser, noch immer ohne meine gewohnte Fassung und glaubte ihm kein verdammtes Wort!

Die Nässe breitete sich unangenehm auf meiner Hose aus, drang bis auf meine Haut. Wasser suchte sich seinen Weg in meine Schuhe, durchweichte sie und die Ärmel meines Oberteils sogen sich mit der salzigen Flüssigkeit voll.

Einige Strähnen meins braunen Haares waren von dem aufspritzenden Wasser nass geworden und hingen mir ins Gesicht. Einzelne Tropfen perlten von ihnen ab, rannen mein Gesicht hinab, um anschließend von meinem Kinn ins Wasser zu tropfen.

Das Grinsen Devlins brannte sich in meine Wahrnehmung. Ups, hatte er gesagt. Ups.

Er hatte mich sehr wohl gesehen! Er musste mich gesehen haben! Dieser elende -!

Meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und meine Brauen zogen sich unheilvoll zusammen. Brodelnde Wut begann in mir aufzusteigen. Was bildete dieses dilettantische Individuum sich eigentlich ein?! Ich war Seto Kaiba! Mich stieß man nicht einfach um, sagte anschließend grinsend ‚ups’ und dann war alles wieder gut! Dafür würde er büßen!

„Was denn Kaiba, soll ich dir aufhelfen?“ Er klemmte sich den Volleyball unter einen Arm und streckte mir weiterhin triumphierend grinsend eine Hand entgegen. „Bitte, nimm.“

Ich ballte die Fäuste. Den Teufel würde ich tun!

Ich registrierte, wie meine anderen Mitschüler allmählich auf uns aufmerksam wurden. Muto und der Rest, die Devlin beim Holen des Balles beobachtet hatten, kamen bereits auf uns zu. Auch auf Taylors Gesicht entdeckte ich ein genügsames Grinsen, während auf den Gesichtern der anderen der Unglaube stand, welcher – zu meinem Unglück – jedoch allmählich der Belustigung wich.

Ich wollte lieber nicht wissen, welches Bild der Lächerlichkeit ich derzeit bot.

Ruckartig erhob ich mich, beachtete die dargebotene Hand mit keinem Blick und wirbelte bei der schnellen Bewegung einiges an Wasser auf, in der stillen Hoffnung, Devlin damit wenigstens einen Teil heimzahlen zu können. Doch zu meinem Pech war er schneller – hatte vielleicht bereits mit einer solchen Reaktion gerechnet – und wich rechtzeitig einige Schritte zurück. Langsam ließ er die Hand sinken, bedachte mich mit einem spöttischen Blick – meinem spöttischen Blick. Den Blick, den ich immer benutzte, um diejenigen, die ich geschlagen hatte, zur Weißglut zur bringen – folglich hauptsächlich Wheeler.

„Aber, aber Kaiba, wer wird denn gleich?“

Ich warf einen missbilligenden Blick an mir hinab und registrierte mit Unmut, dass meine Hose beinahe komplett durchnässt war – einzig einige Stellen an den Knien waren unversehrt geblieben. Wenigstens war mein Oberteil nur an den Armen nass.

Devlin tauschte eine viel sagenden Blick mit Taylor, der nun direkt neben ihm stand und die Arme vor seiner Brust verschränkt hatte, dann wandte er sich wieder mir zu. Spätestens jetzt wuchs das Misstrauen in mir. Was genau ging hier vor sich?

Sie musterten mich von oben bis unten und ihr Grinsen gewann noch mehr an Umfang.

Unruhe ergriff von meinem Körper Besitz, gepaart mit einer unguten Vorahnung.

„Na so was, Kaiba“, bemerkte Taylor mit unheilvoller Stimme.

„Du bis ja gar nicht richtig nass geworden“, beendete Devlin den Satz, während er mich noch immer eingehend betrachtete. Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Zu schnell für mich, als dass ich noch eine Möglichkeit gehabt hätte, zu reagieren.

Der Volleyball fiel auf den feuchten Sandboden – achtlos von Devlin fallen gelassen - sprang kurz in die Höhe, bevor er mit einem dumpfen Geräusch wieder landete und ein Stück weiterrollte.

Devlin und Taylor packten je einen meiner Arme und zerrten mich erbarmungslos weiter aufs Wasser hinaus.

„Dann wollen wir daran doch mal etwas ändern“, lachte Devlin beinahe schon gehässig.

Meine Augen weiteten sich erneut und entsetzt warf ich den Kopf von einer auf die andere Seite. Das ungute Gefühl wurde mehr als nur bestätigt.

Ich konnte erkennen, wie Muto, Wheeler und Bakura uns mit aufgerissenen Mündern hinterher sahen, einige andere Mitschüler nun auch näher kamen, doch augenblicklich lenkte sich meine Aufmerksamkeit zurück auf die beiden, die meine Arme schraubstockfest umklammerten. Mittlerweile hatten sie mich bereits ins Knietiefe Wasser gezogen.

Ich versuchte mich loszureißen, Stemmte meine Stiefel in den sandigen Meeresboden, zerrte und zog, doch nichts lockerte ihren Griff oder verlangsamte ihre Bewegungen.

„Lasst mich sofort los“, befahl ich harsch. „Habt ihr etwas an den Ohren? Ich sagte, ihr sollt mich loslassen! Ich warne euch“ – das Wasser reichte mir mittlerweile bis zu den Lenden – „das wird ein Nachspiel haben! Ich werde euch anzeigen – ach was – verklagen werde ich euch! Ihr werdet meine Anwälte kennen lernen, das schwöre ich!“

Doch selbst diese Drohungen brachten nichts. Unbeirrt zogen sie mich weiter. Immer wieder versuchte ich, ihren Griffen zu entkommen, doch erfolglos. Lediglich ein belustigtes Lachen war Antwort auf meine Worte und Handlung.

Das Wasser ging uns mittlerweile bis zum Bauch und ich spürte, wie meine Kleidung sich gierige mit der Flüssigkeit voll sog, während sie mich weiter hinter sich herzogen, beinahe schon schwammen.

Meine Stimme schwoll an, in einem letzten verzweifelten Versuch, ihrem geplanten Schicksal für mich zu entkommen: „Devlin, ich werde dafür sorgen, dass deine Spielindustrie Konkurs anmeldet und dir Taylor werde ich sämtliche Lebensgrundlagen nehmen, bis du –“

„Alles leere Drohungen, Kaiba“, grinste letzterer mich über die Schulter an und ließ meine Gesichtszüge nun vollends entgleisen.

„Genau. Wir wollen nur ein wenig Rache für eben, das ist alles“, fügte Devlin lachend hinzu. „Also lass es zur Abwechslung einfach mal zu.“

Mit diesen Worten ließen sie mich los, legten mir jeweils eine Hand auf die Schulter und drückten mich nach unten. Perplex ließ ich es geschehen, hatte keine Möglichkeit, mich dem zu entziehen und registrierte im nächsten Moment, wie die kalte Nässe mich nun zur Gänze einnahm, mich vollends umgab.

Mit aufgerissenen Augen starrte ich in die Schwärze des Ozeans vor mir.
 

‚Lass es zur Abwechslung einfach mal zu.’
 

Ich öffnete automatisch den Mund, wollte nach Luft schnappen, doch stattdessen spürte ich nur Wasser, das mir in der Kehle brannte, meine Lungen zu füllen schien. Die Hände lösten sich von meinen Schultern, doch ich blieb, wo ich war. Meine nasse Kleidung schien Unmengen zu wiegen und zog mich schließlich unaufhaltsam nach unten.

Waren wir nicht eben nur bis zur Brust im Wasser gewesen? Wo war mit einem Mal der Boden? Wo war der Grund? Ich sank weiter, während mein Bewusstsein an den Rand meiner Wahrnehmung driftete. Die Zeit schien sich erbarmungslos in die Länge zu ziehen, während meine Lungen nach Sauerstoff verlangten und vor meinen Augen helle Punkte tanzten.

Ich bekam nur am Rande mit, wie etwas nach meinen Armen griff und ich ruckartig nach oben gezogen wurde. Sonne schien mir ins Gesicht, doch sie erschien mir von Sekunde zu Sekunde dunkler und weiter entfernt. Schwarze Flecken suchte sich nun ihren Weg vor meine Sicht, breiteten sich aus, wie Tintenflecke auf einem weißen Stück Papier.
 

„Scheiße, Kaiba ...“
 

Ferne Stimmen drangen an meine Ohren, ich spürte, wie ich mitgezogen wurde, doch ich konnte nicht nachvollziehen, warum. Schwärze legte sich vor meine Augen und Taubheit ergriff von meinem Körper Besitz.

Dumpfe Stimmen, deren Sinn ich nicht verstand, rückten in meine Wahrnehmung, als mein Bewusstsein schließlich seinen Weg zurück an die Oberfläche fand. Meine Augenlider fühlten sich an, als wären sie aus Stein, als ließen sie sich nicht heben und jeder Teil meines Körpers schmerzte, bevor ich wieder das Bewusstsein verlor, jedoch noch einige Satzfetzen mitnahm.
 

„- machen wir denn jetzt -“

„- wenn er stirbt -“

„- verdammt, Kaiba kann doch nicht -“

„- du siehst doch, dass er -“

„- was tun -“
 

Schwärze. Müdigkeit. Schmerzen.
 

Irgendwo in weiter Ferne meinte ich, ein Lied spielen zu hören.
 

~*~*~
 

Upside, inside, out

Livin' La Vida Loca

She pushes and pulls you down

Livin' La Vida Loca
 

~*~*~
 

„- Joey, tu was -“

„- glaubst du, soll ich denn tun -“

„- erste Hilfe Kurs gemacht ... jüngste Erfahrung ... vor kurzem -“

„- ja aber .... nicht so was ... ist doch was völlig anders -“

„- Kaiba ... kein Aufseher zu sehen ... stirbt -“

„- kann doch nicht ... ernsthaft -“

„- sonst stirbt er -“
 

Das nächste, was ich einigermaßen bewusst wahrnahm, waren Satzstücke, die mir in den Ohren nachklangen und die ich nicht begriff. Ich wollte atmen, doch ich konnte nicht. Etwas schien mich daran zu hindern. Ich versuchte verzweifelt Luft zu holen, doch ohne Erfolg. Schwarze Schlieren traten vor meine Augen und mein Bewusstsein driftete wieder davon.
 

Ich hatte die Augen halb geöffnet und mir war, als würde ich durch das falsche Ende eines Fernrohres sehen. Nur ein kleiner Fleck vor mir war hell, der Rest - der gesamte Rand - war in Schwärze gehüllt. Langsam entfernte sie sich, das Bild schien sich mir allmählich zu nähern.

Etwas streifte meine feuchte Wange. Helle Strähnen fielen in mein Gesicht, braungebrannte warme Haut schwebte dicht über mir und etwas Heißes auf meinen Lippen nahm den Rest meiner kümmerlichen Wahrnehmung vollends ein. Meine Augen öffneten sich ein Stück weiter, noch immer war ich nicht in der Lage zu atmen, doch angesichts dessen, was ich nun sah, wäre es mir sicherlich ohnedies unmöglich gewesen.

Sein Gesicht war unmittelbar über meinem, seine Augen geschlossen. Seine Lippen pressten sich auf meine, schien sie beinahe zu verbrennen.

Wieder hörte ich das Lied, wie von einem anderen Ort. Wahrscheinlich kam es von dem kleinen Kiosk, der sich ein Stück von hier entfernt befand ...
 

~*~*~
 

Her lips are devil read

And her skin's the colour of mokka

She will wear you out

Livin' La Vida Loca
 

~*~*~
 

Ich spürte mein Bewusstsein von neuem schwinden, während der Druck in meiner Brust von Sekunde zu Sekunde zunahm. Ich wollte atmen, konnte nicht und verdrehte gequält die Augen. Die fremden Lippen teilten sich, pressten Luft in meinen Mund. Ich verstand, nicht, was dies sollte, mein Denken ging nur schleppend voran.

Die Hitze von meinen Lippen verschwand, das Brennen blieb jedoch, stattdessen wurde der Druck auf meiner Brust mit einem Mal stärker. Meine Augen schlossen sich, während der Druck regelmäßig zu und abnahm.

Unvermittelt spürte ich einen Schwall Wasser in meiner Kehle. Ich riss die Augen auf, drehte den Kopf zur Seite und spuckte die Flüssigkeit aus.

Es war, als wäre ich dadurch unvermittelt aus meinem Halbtrancezustand in die Realität geschleudert worden. Hustend und röchelnd lag ich auf dem Rücken, starrte unfokussiert in den blauen Himmel über mir, während mir die Sonne gleißend hell ins Gesicht schien und mich blendete. Weiße Flecken tanzten erneut vor meinen Augen auf und ab und die Umgebung begann, sich zu drehen. Übelkeit stieg in mir auf und ich versuchte, den Brechreiz niederzukämpfen. Jedes Körperteil fühlte sich bleischwer an und noch immer drangen die Geräusche dumpf zu mir vor.
 

„Da ... hat die Augen aufgemacht!“

„Er lebt!“

„Gott sei Dank!“

„- habt ihr aber noch mal Glück gehabt, Jungs.“
 

Erst jetzt vielen mir die schemenhaften Gestalten auf, die sich am Rand meins Blickfelds befanden, über mich gebeugt standen. Stöhnend wandte ich den Kopf und erblickte die verzerrte Gestalt Wheelers, der neben mir im Sand kniete.

Allmählich beschleunigte sich mein Denken und die Erinnerung kehrte zu mir zurück.

„Kaiba, geht es dir gut?“

Was für eine Frage? Was dachte der Köter denn, wie ich mich fühlte?

Ich öffnete den Mund und setzte zu einer Antwort an, doch stattdessen überkam mich nur ein heftiger Husten. Ich krümmte mich vor Schmerzen zusammen, während ich eine Hand auf meinen Mund presste.

Ein Arm schlag sich um meinen Rück und half mir, mich aufzusetzen. Noch immer wollte der Husten nicht nachlassen und ich spürte meine letzten Kräfte schwinden.

„Was ist los, was ist passiert?“ Aoyagi-sensei bahnte sich einen Weg durch die umstehenden Schüler, bis sie schließlich vor uns stand, zusammen mit Kaidou-sensei. „Mein Gott, Seto-kun, was ist passiert?!“

Ich war nicht in der Lage zu antworten, da der Husten noch immer nicht abgeflaut war. Ich presste die Augen zusammen und hoffte, dass es bald enden mochte.

„Es gab einen kleinen Unfall“, meinte Taylor vorsichtig.

„Kleiner Unfall?!“, echote ein Mädchen – ich glaubte, es als Gardner zu erkennen. „Kaiba wäre beinahe ertrunken!“

„Ertrunken?“, wiederholte Aoyagi-seinsei mit schwacher Stimme. „Bei allen ... Seto-kun, wie geht es dir?“

„Joey hat erste Hilfe geleistet“, wandte Muto ein.

„Ich - das ... sehr gut, Joey-kun“, sagte die Frau und schien reichlich aufgelöst. „Dass ... Seto-kun ...“ – noch immer hustete ich, wenn auch nicht mehr so stark, wie am Anfang – „du musst dich ausruhen. Ich glaube, es gibt hier eine Krankenstation. Joey, würdest du ihn ... ich meine, könntest du Seto-kun bitte ...“

Ich erwartete schon heftigen Protest und Widerworte seitens des Köters, doch zu meinem Erstaunen blieb beides aus. Stattdessen nickte er leicht und erhob sich. Ich spürte, wie sich ein Arm um meine Taille schlang und ich hochgezogen wurde. Ich wollte ihn zurechtweisen, ihm deutlich zu verstehen geben, dass ich gut alleine aufstehen konnte, da spürte ich, wie meine Beine einknickten, als sie den Boden berührten. Aufkeuchend sackte ich ein Stück nach unten, doch eine Hand schlang sich um meinen freien Arm und verhinderte einen Sturz. Ich blinzelte, wandte den Kopf und erblickte Devlin, der reumütig auf mich hinabgrinste.

Ich starrte ihn finster an, was jedoch angesichts meiner Schwäche und Müdigkeit größtenteils an Wirkung verlor. Ich war sogar zu Erschöpft, um gegen Wheelers Arm zu protestieren, der noch immer um meine Taille geschlungen war und mich stützte.

Sie schleiften mich beinahe hinter sich her, da ich nicht wirklich in der Lage war, zu laufen – so ungern ich dies auch zugab. Meine Beine wollten mir nicht gehorchen, genauso wie der Rest meines Körpers.

Ich ignorierte die Blicke meiner Mitschüler und schloss die Augen. Ich hatte keine Lust, mir jetzt über das paradoxe Bild, welches ich unzweifelhaft bot, Gedanken zu machen. Schwärze umgab mich und mein Bewusstsein glitt allmählich wieder davon ...
 

Ich spürte, wie man mich hinlegte und öffnete müde die Augen. Wir befanden uns in einem kleinen weißen Zimmer An den Wänden hingen einige wenige Bilder von Personen, die ich nicht kannte, die im Meer schwammen oder auf einem Boot waren. Ich zog verwundert die Augenbrauen zusammen. Wo waren wir hier? War dies die Krankenstation?

„Dann wollen wir doch mal sehen, was unserem Patienten fehlt.“

Die fremde Stimme ließ mich den Kopf drehen und ich erblickte einen Mann, sicherlich im mittleren Alter, der auf mich hinablächelte. Er richtete sich an Wheeler, der zusammen mit Devlin neben meiner Liege stand. „Ihr sagtet, er wäre beinahe ertrunken?“ - Nicken seitens der beiden - „Wo war bitte der zuständige Aufseher für diesen Abschnitt des Strandes?“

„Das wissen wir nicht“, gestand Wheeler und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

Ich schloss die Augen und begnügte mich damit, dem Gespräch stumm zu folgen.

„Was genau ist geschehen?“

„Na ja“, druckste Devlin herum und ich unterdrückte ein verächtliches Schnauben (es wäre in meiner Verfassung sicher nicht förderlich für den Husten). Natürlich – jetzt den Unschuldigen spielen! „Wir wollten ihm ... und dann ist er unter Wasser ... kam nicht mehr hoch, also haben wir ihn hochgezogen und an Land gebracht, aber er hat nicht mehr geatmet und ... Joey hier hat erste Hilfe geleistet, bis er wieder geatmet hat ...“

Einige Sekunden herrschte Stille, dann sprach der Mann und er klang resignierend. „Die Jugend von heute mit ihren Scherzen. Lasst mich raten, ihr wolltet ihm eins auswischen und das ganze ist ein wenige außer Kontrolle geraten?“

„Äh ... ja?“

Ein Seufzen. „Wann merkt ihr Jugendlichen, dass mit so etwas nicht zu spaßen ist? Wahrscheinlich erst, wenn etwas wirklich Schlimmes geschieht.“

Ich spürte etwas auf meiner Brust und öffnete die Augen. Der Mann hatte ein Stethoskop in den Ohren und überprüfte meine Atmung. Anschließend legte er es beiseite, griff nach einem Holzstiel und blickte mich lächelnd an. „Mach bitte den Mund auf.“ Ich wollte bereits einwenden, dass es mir gut ging und er mich keinesfalls untersuchen brauchte, als mich ein erneuter Hustenanfall überkam. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, während ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

„Ich sehe schon“, meinte der Mann nachdenklich. Er ging zu einem der Regale und griff nach einem Fläschchen mit Tabletten. Er nahm ein sauberes Glas von einer Anrichte und füllte es mit Wasser. Anschließend kehrte er zu meiner Liege zurück. „Bitte helft ihm, sich aufzusetzen.“

Erneut spürte ich einen Arm, der sich um meine Schultern legte und mich hochzog, bis ich aufrecht saß. Der Mann hielt mir eine Tablette und das Glas hin. „Bitte nimm das, es wird den Husten lindern.“

Ich hob die freie Hand und nahm die Tablette. Als mir der Husten eine Atempause gab, schluckte ich sie. Ich griff nach dem Wasserglas und führte es zitternd an meine Lippen, bevor ich einen kleinen Schluck nahm, um die Tablette runter zu spülen. Meine Kehle brannte wie Feuer und bei dem Gedanken an Wasser wurde mir übel.

„Du hast Glück gehabt“, sagte der Arzt und sah mich ernst an. „Wenn dein Freund hier nicht erste Hilfe geleistet hätte, wäre es wesentlich schlimmer gekommen. Du solltest dich heute schonen. Außerdem solltest du viel Tee trinken, das Meerwasser hat deinen Rachen stark gereizt.“

Ich nickte schwach, ließ die Belehrungen und Ratschläge, die ich für gewöhnlich nicht duldete, stumm über mich ergehen. „Und du solltest vor allem aus diesen nassen Sachen raus, sonst holst du dir womöglich noch eine Erkältung, wenn nicht sogar noch etwas Schlimmeres. Sollte dein Zustand sich in den nächsten Stunden verschlechtern, müsst ihr umgehend ein Krankenhaus aufsuchen.“

„Ich“, begann ich und meine Stimme war zu meinem Missfallen nur ein leises Krächzen. Ich räusperte mich, ignorierte das dabei entstehende Brennen in meinem Hals, und wagte einen erneuten Versuch. „Ich habe keine Sachen zum Wechseln.“ Noch immer war meine Stimme leise, doch klang sie nun etwas fester und mehr nach mir.

„Nicht? Nun, wie ist es mit euch?“, er richtete sich zu meinem Schrecken an Wheeler und Devlin. „Ihr habt doch sicher etwas für euren Freund?“

Schon wieder dieses Wort! Ich war nicht ihr Freund! Einer von diesen so genannten ‚Freunde’ hätten mich eben beinahe – mit Beihilfe eines anderen - ertränkt!

„Ich hätte eine Hose, die könnte ihm passen“, überlegte Devlin kleinlaut, „und wenn nicht, hätte Tristan sicher noch eine ...“

„Ich habe ein zweites T-Shirt dabei“, warf Wheeler ein und der Mann nickte zufrieden.

„Dann seid bitte so freundlich und bring sie hier hin. Es ist nicht gut, wenn euer Freund sich mit diesen nassen Sachen bewegt.“

Ich schloss geschlagen die Augen. Fortuna musste heute wahrlich etwas gegen mich haben. Ich war Seto Kaiba, Leiter der Kaiba Corporation und wäre heute beinahe von zwei meiner Mitschüler ertränkt worden.

Ich hörte, wie Schritte sich entfernten und die Tür zur Krankenstation zufiel, während ich mich an die Wand hinter mir lehnte.

Meine Lippen kribbelten unangenehm und ich riss die Augen auf. Bilder erschienen vor meinem inneren Auge. Bilder von Wheeler. Wheeler dicht über mir. Wheelers Haare in meinem Gesicht. Wheelers Lippen auf meinen!

‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’

Das Gefühl von seinen Lippen, welche die meinen zu verbrennen schienen.

‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’

Seine dunkle Haut an meiner.

‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’

Luft, die sich in meine Lungen zu pressen suchte – ohne Erfolg.

‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’

Sein Atem auf meinem Gesicht.

‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’
 

Ich war ganz eindeutig traumatisiert. Ich würde sie von meinen Anwälten hören lassen – zweifellos!
 

oOo
 

Schnelle Lichter flogen vor meinen Augen vorbei. Ratternd wackelte unser Abteil hin und her. Ich legte den Kopf in den Nacken, atmete flach ein und aus.

„Kaiba, alles okay?“

Ich öffnete meine Augen einen Spalt und schickte Taylor einen gefährlichen Blick aus den Augenwinkeln. Wenigstens war ich mittlerweile wieder so weit im Besitz meiner geistigen Kräfte, dass der Blick seine Wirkung wiedererlang hatte und somit die gewünschte Wirkung erzielte. Taylor wich ein Stück zurück. „War ja nur ’ne Frage ...“

„Wie ‚okay’ sehe ich deiner beschränkten Meinung nach aus, Taylor?“, zischte ich leise. Meine Stimme war leider noch nicht vollständig zu mir zurückgekehrt, somit musste ich mich mit Flüstern, Krächzen oder - wie in diesem Fall - Zischen zufrieden geben.

Ich spürte seinen Blick an mir hinabwandern und musste nicht hinsehen, als sich ein Grinsen auf seinen Zügen ausbreitete. Sofort bereute ich meine Frage. „Ach, in meinen Augen siehst du eigentlich ganz schön okay aus, Kaiba.“

„Erspar mir das.“

„Er hat Recht, Kaiba“, wandte Devlin ein und ich konnte sein Grinsen beinahe schon hören. „Oberokay, würde ich sagen!“

Oberokay? Wo hatte er denn dieses Wort aufgeschnappt?

„Tut mir einen Gefallen und lasst mich in Ruhe.“

Welch eine Schmach. Es war mehr als nur erniedrigend, dass ich – ich! – mich ihnen so zeigen musste.

„Kopf hoch, Kaiba“, warf Wheeler nun ein und ich spürte, wie meine Augenbraue zu zucken begann. „Es wird dich sicher niemand erkennen. Und außerdem“, auch sein Grinsen gewann an Umfang, „sind nur wir es, die davon wissen. Wenn du dich anständig benimmst, werden wir niemandem etwas davon erzählen.“

Wollte mir der Köter da etwa drohen? Mir?

Alleine die Tatsache, dass diese Dumpfpackenpatrouille mich so sah, war schlimm genug – nicht auszumalen, was geschah, sollte mich jemand erkennen! Mein Ruf wäre dahin, mein Image ruiniert und mein Stolz ... nun gut, ich sprach lieber gar nicht erst von ihm. Er hatte in den letzten Tagen ohnehin genug gelitten.

Der Zug hielt und die Türen öffneten sich zischend.

„Das ist unsere Station“, bemerkte Muto lächelnd.

Ich wollte mich erheben, wurde jedoch sofort von Devlin und Taylor flankiert, die sich – wie bereits vor knapp einer Stunde – einen meiner Arme griffen und mich hochzogen. Ich starrte sie finster an. „Ich kann sehr gut alleine laufen“, knurrte ich leise.

„Ach ja? Willst du es uns noch einmal so wunderbar demonstrieren, wie eben noch am Strand? Du wärst beinahe im Mülleimer gelandet, Alter.“

Ich knirschte mit den Zähnen, während ich versuchte, meinen letzten Rest Würde so gut es ging aufrecht zu erhalten, indem ich nicht an diesen gescheiterten Gehversuch zurückdachte. Stattdessen ließ ich mich kommentarlos von den beiden aus dem Zug bugsieren, die Treppen der Station hoch und schließlich in die drückende Spätnachmittagshitze Ôsakas hinaus. Muto und Bakura gingen voraus, während Gardner und Wheeler dicht hinter uns blieben.
 

Aoyagi-sensei hatte darauf bestanden, dass ich umgehend zur Herberge zurückkehren sollte – in meiner Verfassung wäre es verantwortungslos, noch länger am Strand zu bleiben – und zu meiner Sicherheit hatte sich Muto und Co. gebeten, mich zu begleiten. Ich hätte bestens darauf verzichten können, doch aus irgendeinem Grund schien niemand davon überzeugt gewesen zu sein, dass ich es alleine zur Herberge schaffen könnte.

Von wegen! Ich war Seto Kaiba – ich hätte es mühelos geschafft! Ich wäre beinahe ertrunken, aber mir war in meinem Leben schon weitaus schlimmeres widerfahren! (Man erinnere sich an einen kranken Spielerfinder, der die Seele meines Bruders und von mir in Karten gesperrt hatte, ein Verrückter, der mein Turnier sabotiert hatte, ein rachsüchtiger Stiefbruder, der meinen Körper übernehmen wollte und ein Leviatan, der meine Seele aufgesaugt hatte. Alles dummer Aberglaube aber durchaus nicht ungefährlich.)

Doch kaum ertrank ich beinahe – Devlin und Taylor würden dafür noch büßen – standen die anderen auf einmal Kopf, als wäre die Welt am wanken. Natürlich wäre es ein nicht zu beschreibender Verlust, hätte ich bei diesem Unfall tatsächlich das Zeitliche gesegnet – ich wagte gar nicht, daran zu denken – und ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was in diesem Fall aus Mokuba geworden wäre. Doch momentan war ich einfach nur müde.

Das Atmen schmerzte und der Husten wollte einfach nicht nachlassen. Alle paar Minuten erlitt ich einen neuen Anfall. Die Tablette des Arztes hatte nicht das geringsten bewirkt.

Doch das schlimmste an der gesamten Situation – die Tatsache, die mich bereuen ließ, überhaupt erst einen einzigen Schritt auf diesen offensichtlich verfluchten Strand gesetzt zu haben, war mein derzeitiges Erscheinungsbild, welches mir noch einmal deutlich vor Augen geführt wurde, als wir an den Schaufenstern der Läden vorbeikamen.

Ich trug Wheelers Kappe nicht mehr, hatte ich sie doch bei dem Angriff der beiden Verrückten, wie ich sie mittlerweile genannt hatte, verloren – wer wusste schon, wo die Strömung die Kappe mittlerweile hingetragen hatte – doch dies war nicht einmal mehr vonnöten. Es bestand keine große Gefahr, dass mich jemand erkannte.

Ich trug Bakuras Sonnenbrille – ich hatte darauf bestanden, eine zu bekommen – Devlins zweites Paar Schuhe, Taylors Ersatzjeans – Devlin war tatsächlich ein ganzes Stück kleiner als ich - und - wofür ich bis jetzt noch sämtliche Götter verfluchte – Wheelers zweites T-Shirt. Noch immer drehte sich mir der Magen um, wenn ich an dieses ... Stück Hölle dachte, welches ich trug. Typisch Wheeler, war es natürlich kein gewöhnliches T-Shirt. Das rote Objekt – wobei mir diese Farbe nun überhaupt nicht stand - trug eine dicke schwarze Aufschrift, die nun in großen schwarzen Lettern von meiner Brust stach:
 

Ich bin der Traum deiner schlaflosen Nächte. Komm und hol mich.
 

Ich hatte mich geweigert, es anzuziehen, doch niemand war bereit, mir ein anderes T-Shirt zu geben und ich war bereits drauf und dran gewesen, mein eigenes nasses Oberteil wieder anzuziehen, da hatten Devlin und Taylor kurzen Prozess gemacht und es mir einfach übergezogen. Die zwei waren wirklich Todesmutig heute – vielleicht hatten sie auch schlicht und ergreifend einfach nur Todessehnsucht. Dem würde ich noch früh genug Abhilfe schaffen, soviel war sicher.

Ich spürte die Blicke der Passanten, an denen wir vorbei kamen, auf mir – war es doch sicher kein alltägliches Bild, wie ein Junge von zwei anderen durch die Straßen bugsiert wurde – und musste mich zusammenreißen, damit meine Wangen nicht vor Scham und Frustration brannten.

Das schlimmste an dieser Situation war jedoch ohne Zweifel, dass die Szenerie die wir boten auf den ersten Blick betrachtet – und wenn man die Aufschrift auf dem Oberteil gelesen hatte – so erschien, als würden Devlin und Taylor der schwarz geschriebenen Aufforderung nachkommen und mich wortwörtlich ‚holen’. Wie demütigend.

Warum musste so etwas ausgerechnet mir passieren?
 

Wenige Minuten Fußmarsch und etliche belustigte oder verständnislose Blicke unzähliger Passanten später, nachdem wir den Rand Ôsakas hinter uns gelassen hatten, erreichten wir die Herberge.

Ich wollte mich bloß nur noch hinlegen, mir die Decke über den Kopf ziehen und mich in meinem Kissen ersticken. Nach einem Tag wie diesem waren sämtliche Kraftreserven aufgebraucht und kaum, dass ich die Schwelle der Herberge überschritten hatte, nahm die bleierne Müdigkeit noch an Stärke zu.

Zu müde, um noch ernsthaft nach mir selbst zu klingen, bat ich Devlin und Taylor, mich zu meinem Zimmer zu bringen. Sie sagten nichts zu meiner ungewohnten Manier, verstanden, warum ich mich so gab und taten kommentarlos, wie ihnen geheißen.

Als ich schließlich auf meinem Bett saß, war es mir zum ersten Mal, seit ich hier war, egal, dass es sich dabei um ein dreckiges, altes Etagenbett handelte. Mein Hals brannte noch immer höllisch - ich schwor mir, in meinem ganzen Leben Salzwasser nicht einmal mehr anzusehen - und legte mich hin.

Ich ignorierte Muto und den Rest, die noch ein letztes Mal vorsorglich einen Blick in das Zimmer warfen und vergaß sogar, mich umzuziehen - geschweige denn, mich des lächerlichen Hemdes von Wheeler zu entledigen.

Ich schloss die Augen. Alles was ich wollte war Ruhe.

Und dieses Mal bekam ich sie.
 

oOo
 

Unbestimmte Zeit später wachte ich auf.

Mein Hals schmerzte nicht mehr ganz so stark, doch mein Körper fühlte sich unnatürlich schwer an. Hinter meinen Schläfen pochte es unangenehm, als ich mich aufsetzte.

Durch die Vorhänge des Zimmers drang gedämpft rötliches Licht.

Ich hatte Durst, doch bei dem Gedanken an Wasser wurde mir übel.

Langsam erhob ich mich und machte einige unsichere Schritte auf die Tür zu, nur um festzustellen, dass meine Beine wieder bereit waren, mich zu tragen.

Ich drückte die Klinke hinunter und trat auf den Flur hinaus. Er war menschenleer, doch ich kümmerte mich nicht um die Tatsache, ob ich jemandem begegnete. Ich wollte nur etwas zu trinken. Etwas, das möglichst nicht klar war und nach nichts – oder noch schlimmer: nach Salz – schmeckte.
 

„Kaiba?“
 

Zum ersten Mal seit langem zuckte ich wirklich zusammen und fuhr herum. Wheeler stand hinter mir und musterte mich verwirrt. „He Alter, was machst du hier um diese Uhrzeit?“ Er hatte den Kopf leicht schief gelegt und sah mich fragend an. „Solltest du nicht im Bett liegen?“

Ich wollte ihn schon anfahren, ihm klarmachen, dass es ihn nicht zu kümmern hatte, wann ich wo wie liegen sollte, doch er kam mir zuvor, indem er die Schultern zuckte und die Hände in den Hosentaschen vergrub. „Na ja, ich schätze mal, dass es mir ja egal sein kann.“

Allerdings konnte es das. Es hatte ihn nichts anzugehen.

Noch immer sah er mich an und nun erschien ein Grinsen auf seinem Gesicht. „Trotzdem würde es mich interessieren, was du hier machst, du Traum meiner schlaflosen Nächte.“

Ich erbleichte und blickte an mir hinab. Verdammt, ich hatte vergessen dieses ... Ding auszuziehen! Noch eine Erinnerung mehr, die ich aus meinem Gedächtnis streichen musste!

„Das Shirt steht dir, Kaiba“, bemerkte der Köter leise lachend.

„Veralbern kann ich mich selber, Wheeler“, knurrte ich leise und verengte die Augen.

Er hob abwehrend die Hände. „Nein, Alter, ich meines es ernst.“

„Solltest du auch nur in irgendeiner Weise an deinem Leben hängen Wheeler, würde ich spätestens jetzt still sein“, raunte ich ihm drohend zu.

„Ach was, du drohst mir schon wieder? Weißt du nicht mehr, was gestern passiert ist, nachdem du das gemacht hast, Kaiba?“

Natürlich wusste ich es noch. Wie sollte ich es auch vergessen?

„Und erinnerst du dich zufällig noch an unsere kleine Auseinandersetzung heute Nacht?“, stellte ich die Gegenfrage und das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. An die Beule hatte er sicherlich noch recht frische Erinnerungen.

„Okay Kaiba, hast gewonnen“, räumte er schließlich achselzuckend ein.

Na bitte, wenigstens ein Erfolgserlebnis für heute zu vermerken. Ich hatte Wheeler geschlagen. Moment ... was war daran bitte besonders?
 

‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’
 

Einem Echo gleich hörte ich mit einem Mal wieder Mutos Stimme von heute Nachmittag in meinen Ohren nachklingen. Sämtliches noch vorhandenes Blut wich mir aus dem Gesicht und ich starte Wheeler für einige Momente fassungslos an. Diesem blieb das nicht verborgen.

„Kaiba, alles in Ordnung? Du bist auf einmal so blass.“

„Alles bestens“, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich versuchte, die Bilder jener ‚ersten Hilfe’ aus meinem Kopf zu verbannen.
 

‚Erste Hilfe. Er hat lediglich erste Hilfe geleistet! Mund zu Mundbeatmung, mehr war das nicht, das weißt du doch! Du wärst sonst vielleicht gestorben’, versuchte mich eine leise Stimme zu beruhigen.

‚Aber es war nicht die Beatmung, die mich zurückgeholt hat. Es war die Herzmassage’, wandte ein anderer Teil von mir bestimmt ein.

‚Na und? Die Mund zu Mundbeatmung diente ebenfalls nur dem Zweck dich zurückzuholen! Es ändert also nichts!’

‚Trotzdem ...’

‚Was kümmert es dich eigentlich? Es muss ihn ziemlich viel Überwindung gekostet haben, das bei dir zu tun! Ihr hasst euch, schon vergessen?’

‚Natürlich nicht! Wir hassen uns, ja.’

‚Gib es zu: Im Nachhinein findest du es widerlich.’

‚Ja, ich denke schon ...’

‚Du denkst?!’, höhnte die Stimme.

‚Nein, ich weiß es. Anders kann man dieses Gefühl nicht erklären. Es war widerlich!’

‚Da hast du es.’
 

„Kaiba? Hörst du mir zu?“

„Was?“ Ich schreckte auf und war augenblicklich wieder im Hier und Jetzt. Meine Gedanken mussten abgedriftet sein. Ich starrte Wheeler einige Momente an, dann fasste ich mich wieder.
 

‚Lass es zur Abwechslung einfach mal zu.’
 

Nein Devlin, ich ließ gar nichts zu. Ich hatte heute genug Unachtsamkeit und Schwäche gezeigt. Das sollte reichen.

Ohne ein weiteres Wort machte ich auf dem Absatz kehr, ließ Wheeler einfach stehen und schritt den Gang in die andere Richtung davon.

Die Tür des Zimmers fiel hinter mir ins Schloss. Vergessen war der Durst, der mich ursprünglich zum Aufstehen gezwungen hatte. Ich ließ mich auf das Bett fallen, welches gefährlich quietschte, doch ich ließ mich davon nicht stören. Ich schloss die Augen und presste mein Gesicht ins Kissen.
 

Wheeler, ich hasse dich! Ich habe dich immer gehasst, glaub nicht, dass es sich ändert, bloß, weil du mir das Leben gerettet hast! Wir sind Feinde, so wird es immer bleiben!
 

Ich atmete langsam ein und aus, dachte an nichts und wartete auf den Schlaf – auf die Ruhe. Doch sollte ich sie nicht in der Art und Weise bekommen, wie ich sie mir erhoff hatte, verfolgte mich doch noch lange das brennende Gefühl von Wheelers Lippen auf meinen.
 

~*~*~
 

Upside, inside, out

Livin' La Vida Loca

She pushes and pulls you down

Livin' La Vida Loca

Her lips are devil read

And her skin's the colour of mokka

She will wear you out

Livin' La Vida Loca
 

~*~*~
 

(Livin' La Vida Loca sung by Antonio Banderas & Eddie Murphy - Shrek Version ^ ^)



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Kommentare zu diesem Kapitel (28)
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Von:  Yamis-Lady
2008-05-25T20:33:11+00:00 25.05.2008 22:33
*argh*
ich hasse tristan und duke >o<
(ich mag die beidne wirklich nicht so sehr; wobei ich duke doch noch einigermaßen ertragen kann....)

yay... das hätte ganz schön böse ins auge gehen können....
(ich weiß noch, als ich in der grundschule war, sind wir auch immer schwimmen gegangen un dzwei meiner klassenkameraden haben mich untergetaucht.... seitdem HASSE ich wasser über alle maßen... XD`
(okay.... sowas sinnloses einfach vergessen XD))

ich bin gespannt, wie es jetzt zwischen joey und seto weiter geht....
einerseits kann ich es mir sehr gut dneken....aber....
man soll die hoffnung ja nie aufgeben ^.~

ich les dann mal ganz schnell weiter ^^
Von:  elma
2008-03-26T13:07:53+00:00 26.03.2008 14:07
>Ich bin der Traum deiner schlaflosen Nächte. Komm und hol mich.<...*hin geh und seto mitnehm* ... ...wahahahahhahahahahhahahahahahhahahahahahah *sich totlach*...wahahahah*nicht mehr einkriegt*....Das hätte ich zugern gesehen *Fotoapparat zück*...*lach*...mehr is net zusagen...vielleicht , das ich mir glaub ich nie wieder YGO ansehen/ durchlesen kann ohne dadran zudenken *lol*...nyahahahahah...
*knutscha*
elma
Von: abgemeldet
2007-10-17T21:27:59+00:00 17.10.2007 23:27
ROFL.
Ich habe mir schon gedacht, das mit Kaiba noch was geschehen wird, dass du ihn noch irgendwie missbrauchst- aber das war echt heftig XDD
Yeah, die erste richtige shonen-ai szene^^
OH MANN, ich musste echt lachen, als XDDDDDDD... ähm, also die Stelle als er Joey 'cooles' T-shirt anhatte und die zwei ihn noch 'abholten' XDDD Ein herrliches Bild XDDD Mann, joey, wie sieht den dein Kleiderschrank aus XDDD Aber er tut mir echt Leid nun, sorge bitte dafür, das er nun mehr die oberhand wieder hat^^"
Oh ja, die Stelle ist Klasse, wo seine 'Gedanken' ihn verhöhnt haben XDDD
Von: abgemeldet
2007-10-10T14:57:18+00:00 10.10.2007 16:57
So nun bin ich beim vorläufigen Ende dieser wundervollen FF angelangt.
Wundervoll deswegen, weil sie mir als Leser alles gibt, was ich brauche^^

Vor allem liebe ich diese kleinen Hints von Kaibas Seite aus, die diese ganze Sache durchaus spannend machen O////O.

Ich hoffe das du dich schon bald auffraffst, um ein neues Kapi zu schreiben. Viel mehr gibt es eigentlich nicht mehr zu sagen, ausser einer Sache, die ich immer wieder gerne wiederhole:
Die FF ist einfach klasse.
Lg^^b
Von: abgemeldet
2007-10-09T23:29:29+00:00 10.10.2007 01:29
also ich würde ja sagen Seto ist dabei sich in Joey zu verlieben.
Wünschen würde ich es mir zumindest XDDDD
schreib schnell weiter du kriegst die ganzen charas ganz ohne ooc hin*.*
Von:  Lucaria
2007-09-12T17:44:26+00:00 12.09.2007 19:44
boha... 0_0 kannst du schreiben!!!!!

ich hab mir jetzt alle 6 teile reingezogen und es wird immer besser... hammer... +staun+

das letzte kapi hat mir total zugesagt, ich liebe das element wasser!!!!

also dann, mach ja weiter, ich bleib deiner ff jetzt auf jedenfall treu, hab sie mir zwar schon seit längerem als favo auf meine liste getan... hatte aber erst jetzt zeit sie zu lesen!!!

0_=
Von:  Im_Whats_Left
2007-08-26T17:54:12+00:00 26.08.2007 19:54
Coole Story ^^
Is echt toll geschrieben, auch wenn ich die ich-sichtweise nicht so gern mag, aber egal
Würd mich über eine ENS bei Fortsetzung freuen ^^
Bis dann! *wink*
Von: abgemeldet
2007-08-25T06:34:33+00:00 25.08.2007 08:34
ich muss sagen das kap ist echt genial!

Hätte nicht gedacht das Kaiba in so große Schwierigkeiten gerät1 *staun* Das hast du aber super geschrieben! *smile*

Da bin ich ja mal gespannt wie es weiter geht! *höhöhöhö*

Hätte jedoch eine kleine Bitte an dich, könntest du mir schreiben, wen du wieder ein neues kapi hiervon rauflädst? *smile*

Wäre supi!

Schreib schnell weiter, ich will unbedingt wissen wie es weiter geht!

By by

Mimi
Von: abgemeldet
2007-08-24T13:41:54+00:00 24.08.2007 15:41
wow, spannend.^^
Ich liebe es wenn Kaiba gequält wird.xD *sadist desu* Muahahaha.xD
Hoffentlich gehts bald weiter, kanns kaum erwarten.;)
Der arme Seto.x3

Raven
Von:  YutakaUke
2007-08-22T15:56:09+00:00 22.08.2007 17:56
+vor mich hinkicher+
+eine Lachträne aus dem Augenwinkel wisch+
"Ich bin der Traum deiner schlaflosen Nächte. Komm und hol mich."
Schon allein die Vorstellung, dass Kaiba so ein Shirt anhat...einfach nur verdammt geil +schmunzel+
Überhaupt ist dieses Kapitel, wie der Rest der bisherigen FF richtig klasse.
Kaiba ist der Kotzbrocken und Joey kann es nicht lassen, ihn auch noch zu provozieren. Einfach herrlich. Scheint ewig her zu sein, seit ich was gelesen hab, wo Kaiba nicht OOC wird.
Hach Mensch...ich bin einfach zu blöd, um nen Kommentar zu verfassen =.= Deswegen...werd ich es an dieser Stelle mal sein lassen...aber am Grinsen bin ich dennoch noch ;)


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