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Eins Und Eins Macht Zwei

Ryuichi x Shuichi
von

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Pitch Black

Serie: Gravitation

Arbeitstitel: Eins und Eins macht Zwei

Kapiteltitel: Track 23: Pitch Black

Teil: 23/mehr als 30
 

Pairing: Ryuichi x Shuichi
 

Warnungen: Anfangs leicht silly, später angst, darkfic, death
 

Disclaimer: nicht meins. T.T
 

Kommentar:

@for-me: o.o Wo bist du? *such*

@Michael-San: ^^° Jetzt musstest du wieder zum betan einspringen. *drop* Danke sehr! *knuddel* *Plätzchen geb* Danke für den Titel. ^^ Pitch Black bedeutet pechschwarz und bietet somit eine Weiterführung des letzten Titels: Touch your Darkness. *_* Du hast immer so gute Ideen! *umknuddel* ありがとうございます!
 

@all: Danke fürs Lesen und die vielen Kommis! *alle knuddel* ^^

Ähm…o.o ich muss vorwarnen: Das Kapitel ist wohl das traurigste und düsterste der ganzen Geschichte. Ich hoffe, ihr lest es dennoch…x_X Es tut mir jetzt schon Leid.

Also, dann…geht’s mal los:
 

Er schlief tief und fest, doch als sich eine schleichende Kälte über ihn hermachte und der peitschende Wind ihm seine schlackernden Klamotten um die Arme und Beine schlug und ihn frösteln ließ, wachte er auf. Shuichi öffnete seine schweren Augenlider, blickte sich hektisch um und krallte sich schließlich kreischend an Ryuichi fest.

„WAAAAAAAAAAAAAAHHHH!“

Was sollte das denn? Da schlief er seelenruhig und friedlich wie ein Baby, träumte von schwedischen Möbeln, der Zahnfee und anderen merkwürdigen Geschöpfen wie Alraunen und Trollen, einem riesigen Butler, der ein Genie im Nahkampf war, dachte nichts weiter dabei und wachte schließlich fahrender Weise auf einem Motorrad auf…

War das auch einer seiner wirren Träume? Wenn ja, dann war dieser aber verdammt realistisch.

Ryuichi blickte zurück, doch der große Helm und das Visier bedeckten sein ganzes Gesicht.

„Oh, bist du endlich wach?“, schrie er nach hinten, suchte dann nach einer Möglichkeit, um an die Seite zu fahren, damit er Shuichi eine bitter nötige Erklärung abliefern konnte…
 

„Was? Wir fahren mal eben nach Kyôto um deine Oma zu besuchen?“, tobte Shuichi, der an der Raststätte, die Ryuichi nach ein paar Minuten des Suchens gefunden hatte, erst einmal in aller Ruhe etwas frühstückte, da sein Magen schon gewaltig rebellierte. Er stopfte sich ein wenig Fisch in den Mund und schluckte das eingelegte Gemüse ohne es zu kauen hinunter. Es schmeckte nicht, aber der Grünhaarige bestand darauf, dass er es aß, da es gesund war und nichts mit Erdbeeren zu tun hatte…

Dabei waren Erdbeeren doch gesund, dachte sich Shuichi. Und Erdbeerpokkys somit also auch.

„Ja, weil ich schon 6 Jahre nicht mehr da war.“, kam es von Ryuichi, der den Jungen mit den pinken Haaren somit aus den Gedanken riss.

„Oh...“

Shuichi kaute noch etwas auf seinem Reis herum und murmelte etwas von: „Vielleicht sollte ich meine Familie auch mal wieder besuchen, ehe es bei mir auch noch so weit kommt...“

Ryuichi seufzte.

„Ich weiß, wir wollten den Urlaub allein verbringen, tut mir ja auch Leid...“

„Ach, schon gut. Ich mag deine Oma. Sie ist total süß! Da weiß ich ja, von wem du es hast.“, meinte er und lächelte Ryuichi an.

„Dir macht es also nichts aus?“

Shuichi schüttelte den Kopf.

„Nicht im Geringsten. Es hat mir eher etwas ausgemacht, auf einem Motorrad zu schlafen, ohne es zu wissen.“

„Ich hab dich doch an mir festgeschnallt...“, meinte Ryuichi und schaute ihn mit riesigen Augen an.

„Na ganz toll! Mit Hosenträgern, du Scherzkeks!“

„Die sind aber superelastisch!“

„Weck mich das nächste Mal einfach, okay?“

„Einfach?“

„Ja, tu noch so als wärst du selbst einfach zu wecken. Ich erinnere mich da noch an einen gewissen Morgen… Du kannst also rein gar nichts sagen!“

„Na gut, ich gebe es zu, aber heute war ich früh wach! Und ich bin viel weniger verschlafen als du, wenn ich aufwache.“

„Du bist ja auch älter!“

„Was hat das damit zu tun?“

„Du hattest mehr Zeit, zu trainieren, wie man nicht ganz so verschlafen aussieht.“, meinte der Kleinere und streckte ihm frech die Zunge raus.
 

Den Rest der Fahrt konnte Shuichi sich nun richtig festhalten, ohne Angst haben zu müssen, hinunter zu fallen und eine schmerzhafte Bekanntschaft mit der Landstraße zu machen.

Dabei fragte er sich, wo Ryuichi das Motorrad eigentlich die ganze Zeit versteckt hatte... Zwar meinte er einmal etwas von „mit dem Motorrad fahren“, als sein altes Fahrrad, der Feuerblitz, sein Lebensende gefunden hatte, aber Shuichi hätte nie gedacht, dass er wirklich einen Roller besaß. Er zuckte mit den Schultern. Tja, da merkte man es mal wieder: Ryuichi war steinreich. War ja auch eigentlich nicht besonders verwunderlich...

Wenn er es richtig bedachte, hatte er keine Ahnung, wie viel der Ältere eigentlich verdiente. Sie redeten nie über Geld. Die Wohnung hatte Ryuichi ohnehin gekauft, somit fiel keine Miete an, die sie sich hätten teilen können. Und die laufenden Kosten übernahm der Ältere ebenso. Wenn der Junge näher darüber nachdachte, bekam er ein richtig schlechtes Gewissen. Vielleicht sollte er mit Ryuichi darüber reden. Schließlich konnte er sich ja nicht so einfach bei ihm einnisten und ihm auf der Tasche liegen.

Sicher, manchmal kaufte Shuichi ein, aber oft hatte ihm Ryuichi das Geld später wieder zugesteckt. Und manchmal bekam er auch einfach so irgendetwas geschenkt.

Klar, Shuichi machte Ryuichi auch Geschenke, aber das war irgendwie etwas anderes…

Er schmiegte sich dichter an seinen großzügigen Freund und überlegte, wie er das alles jemals wieder gut machen sollte, doch wurde jäh in seinem Denken unterbrochen, da der andere mit quietschenden Reifen vor einem großen, traditionellen japanischen Haus stehen blieb.

„So, wir sind da, na no da.“, meinte er lächelnd, stieg dann ab und zog Shuichi, der noch immer an ihm klebte, mit sich.

„Nun lass mich los, was sollen denn die Leute denken?“, lachte er, als der Kleine anfing zu schnurren. Der war ja wirklich anhänglich in letzter Zeit.

Er zog ihn ordentlich auf die Beine, richtete ihm die Klamotten, nahm ihm den Helm ab, suchte einen Kamm und begann Shuichis wildes Haar zu bändigen. Da das jedoch nicht klappte, ließ er es sein und befeuchtete lieber seinen Daumen mit Spucke und wollte gerade Shuichis Mundwinkeln an den Kragen, als dieser endlich bemerkte, dass in Ryuichi wohl gerade eine Sicherung durchgebrannt war.

„He, lass das!“, keifte der Jüngere und schaffte es, die Hand in letzter Sekunde packen und von sich drücken.

„Was soll denn auf einmal dieses muttihafte Verhalten?“

„Ach, ich weiß nicht... Hier in Kyôto überkommt mich immer so ein Gefühl der Strenge. Da muss alles ordentlich sein, weißt du?“

„Aber deine Oma kennt mich doch schon und so streng erscheint sie mir auch nicht.“

„Ich weiß, es liegt auch nicht an Oma. Eher an meinem Großvater.“

„Aber ich dachte…“

„Ja, er lebt nicht mehr, aber irgendwie versprüht die ganze Stadt seine Aura, verstehst du?“

„Und er war streng, oder wie?“

„Jein. Schon, aber auch nicht so wirklich. Ich kann das nicht so richtig erklären, Shuichi. Es war einfach so, dass ich…“

„Du hattest also Respekt.“

Ryuichi nickte und Shuichi staunte. Ryuichi respektierte jemanden?

Sonst konnte man nicht wirklich sagen, dass er jemanden Respekt entgegen brachte, denn wenn man es so sah, redete er jeden so an, so wie es ihm gerade passte.

Für Ryuichi war er niemals Shindou-kun oder Shuichi-kun, nein, wenn dann wurde er Shuichi oder gar Shu-chan angesprochen. Er lief rot an. Da er nicht davon ausging, dass das rein unhöflich von Ryuichi gemeint war, konnte er wohl annehmen, dass er ihn schon immer niedlich fand.

Vielleicht lag es aber auch nur an den amerikanischen Einflüssen, denn dort schien es ja Gang und Gebe zu sein, auch Leute, die man nicht so gut kennt, mit dem Vornamen anzusprechen. Wenn Shuichi es recht bedachte, war das eigentlich viel besser als die vertikale Gesellschaftsstruktur in Japan. Da musste man nicht wie der letzte Abschaum reden, wenn man neu in eine Firma kam und sich solange unterordnen, bis es einen neuen Abschaum gibt…

Shuichi zuckte mit der Augenbraue. Da Sakano-san die Firma jetzt gehörte, stand diese fertige Type auf der obersten Ebene, über allen anderen. Über Ryuichi! Er sollte lieber aufhören, darüber nachzudenken. Und über Ryuichi sowieso, schließlich waren sie zusammen und konnten sich Kosenamen geben, so viel sie wollten.

Shuichi merkte, dass Ryuichi das alte Haus jedoch mit einem sehr seltsamen Gesichtsausdruck anblickte. Was war los? Freute er sich nicht, wieder hier zu sein?

Ryuichi strich sich einige Haarsträhnen hinter sein Ohr, befasste die kalten Metallstückchen, die seine Ohrläppchen verzierten und blickte Shuichi mit strahlenden Augen an.

„Wenn Großvater meine grünen Haare sehen würde und die Ohrringe, würde er wohl ausrasten.“, meinte er kichernd. Shuichi hob die Augenbrauen.

„Aber wer weiß, vielleicht hätte er die Ohrringe ja auch gut gefunden... Ich finde, die stehen dir…“, sagte er lächelnd und ließ seine Finger zart über das Ohr seines Freundes wandern.

„Nee, glaub ich kaum. Er hat mich ja so schon als androgynen Typen abgestempelt, da wäre ich mit Ohrringen für ihn gleich als Mädchen durchgegangen und er hätte sich wohl einen Strick genommen, wenn er den Leuten hätte sagen müssen, dass ich sein Enkelsohn bin. Na ja, du musst wissen, er war ein sehr angesehener Mann, der in den höheren Schichten verkehrte und sogar Bezüge zur Kaiserfamilie hatte. Er kannte den Shôwa Tennô.“

Shuichi fielen beinahe die Augen raus.

„Wahnsinn, das wusste ich nicht...“, sagte Shuichi ehrfürchtig.

„Wie auch, du kleines Dummerchen. Na ja, aber das war einmal. Vom Rest der Familie hat nie jemand den Kaiserpalast vom Nahen gesehen. Aber schon deshalb war er streng, denn im Kaiserpalast musste er äußerst höflich sprechen und Schriftzeichen benutzen, die kein normaler Mensch kennt.“, erklärte er.

Shuichi sah ihn weiterhin erstaunt an.

„Und da hat er es zugelassen, dass du nur Hiragana und Katakana schreiben kannst?“

„He… die Kanjis sind eben nicht meine Stärke. Ist ja nicht so, dass ich sie nicht lesen kann, ich hab nur vergessen, wie man sie schreibt.“, meinte Ryuichi.

Er überlegte einen Moment, biss sich auf die Unterlippe.

„Na los, lass uns rein gehen.“, wisperte er und drückte Shuichi sanft am Rücken in Richtung Tür.

Doch soweit kamen sie erst gar nicht, denn schon wütete die Alte hinaus und fiel Ryuichi um den Hals, schlang ihre dürren, mit Thrombosestrümpfen bestückten Beine um Ryuichis Hüfte und knuddelte ihn im wahrsten Sinne des Wortes zu Boden.

Dieser versuchte sich nun mit riesigen Augen von der alten Frau zu befreien.

„Oma, lass mich los! Was sollen die Nachbarn denken? OMA!“, schrie er und strampelte wild mit Armen und Beinen, ehe die Frau von ihm abließ und über Shuichi herfiel, den sie emporhob und dessen Rückrat ein lautes Knacken entlockte. Der Kleine stieß ein erbärmliches Fiepen aus und war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

„Ach, ich hab euch beide ja so vermisst!“, meinte das Großmütterchen und gab Shuichi einen großen schlabberigen Kuss auf die Wange, als dieser sie nun sanfter, als sie es getan hatte, umarmte. Er wurde leicht rot. Nicht mal seine eigenen Großeltern hatten ihn je geküsst oder gedrückt. Nein, sie verhielten sie eher distanziert. Zwar höflich, aber distanziert, als wollten sie vermeiden, eine allzu innige Beziehung aufzubauen.

Oder es lag einfach nur daran, dass sie seinen Beruf als Sänger nicht anerkannten und er zudem auch noch homosexuell war…

Er seufzte, blickte jedoch die lieb lächelnde alte Dame an und musste sich stark zusammen reißen, ihr nicht über das grau behaarte Köpflein zu streicheln.

„Vielen Dank für die Einladung!“, sagte er höflich und verneigte sich sehr tief, wurde dann aber von Ryuichi am Kragen gepackt und wieder hochgezogen.

„Du gehörst doch zur Familie!“, meinte er und lächelte ihn an.

Bei diesen Worten hätte Shuichi vor Glück heulen können.

Hatte der Sakuma Ryuichi, sein fester Freund und Gott, gerade wirklich gesagt, dass er mit zu seiner Familie gehöre? Er schwebte wie auf Wolke sieben, als er in das Haus gedrängt wurde. Er entledigte sich seiner Schuhe im Eingansbereich und stellte sie ordentlich hin, schlüpfte in die bereitgestellten Latschen und zog die Laschen über seine Hacken, klopfte mit der Fußspitze auf den Boden, damit sie richtig saßen und wartete auf Ryuichi und die Alte, von der er, wie er eingestehen musste, nicht einmal den Namen wusste.

„Du musst wissen, Shuichi-kun…“, begann das Großmütterchen: „…Früher konnte Ryuichi vier Stunden still sitzen während wir eine Teezeremonie abgehalten haben. Wenn du das heute versuchst, bemalt er dir nur die teuren Tatamimatten mit seinen Wachsmalstiften...“, meinte sie und warf ihrem Enkelchen einen schiefen Blick zu.

Shuichi kicherte, woraufhin Ryuichi ihm seinen Ellenbogen in die Seite rammte.

„Hey, aua!“

„Ich hab nichts getan!“, pfiff der Ältere und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Shuichi-kun, du kannst in diesem Zimmer schlafen.“

Sie schob die Tür aus Reispapier beiseite und ließ dem Jungen einen Blick ins Zimmer werfen. Es war traditionell eingerichtet. Der Boden maß ungefähr drei Tatamimatten, ein kleiner Tisch mit Kalligrafiematerial stand vor der Schiebetür, die in den Garten führte.

„Du kannst deine Sachen dort abstellen.“

Sie deutete auf eine Ecke des Raumes. Der Junge tat wie geheißen und folgte der Alten und seinem Freund in dessen Zimmer. Er wunderte sich darüber, dass sie nicht in einem Raum übernachten durften, aber sicher hatte das seine Gründe. Vielleicht würde Ryuichi ihm das später auch erklären.

Nach einer kleinen Führung durch den Rest des Hauses, gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich im Kniesitz um den Tisch, tranken grünen Tee und aßen Sukiyaki, bis sie beinahe aus allen Nähten platzten.

Der Eintopf blubberte auf einer Kerze vor sich hin und egal, wie viel sie auch aßen, es schien einfach nicht weniger zu werden.

„Ich werde noch einige Nudeln da hinein geben.“, meinte das Großmütterchen, wohl darauf bedacht ihre beiden Besucher zu mästen.

„Ihr solltet mehr essen oder verlangt euer Manager, dass ihr auf die schlanke Linie achtet?“, fragte sie und musterte Shuichi, dem beim Essen warm geworden war, sodass er nur noch ein Hemdchen trug, bei dem der viel zu schmale Bauch rausguckte.

Sie bemerkte, dass ihr Enkel seine Blicke nicht von Shuichis Körper lassen konnte, badete ihn regelrecht darin, auch wenn er versuchte, es zu verheimlichen und andauernd an seinem Tee schlürfte, wenn er heimlich zu ihm linste.

„Ahhh, bin ich satt! Das war wirklich hervorragend!“, lobte der Jüngste der Runde die alte Dame, die ihn daraufhin freudig anblickte.

„Freut mich, wenn es dir geschmeckt hat, mein Junge. Iss doch noch ein Schälchen...“, meinte sie und gab Shuichi noch eine riesige Portion Nudeln. Dieser blickte sie mit merkwürdig glasigen Augen an.

„Danke, aber...“, begann er, traute sich allerdings nicht zu widersprechen, auch wenn sein Magen schon bis zum Bersten gefüllt war. Tapfer schlürfte er die Nudeln so schnell es ging in seinen Schlund.

„Und du, Ryuichi, du willst doch sicher auch noch eine Portion!“, äußerte die Alte, gab ihm ebenso eine Schüssel wie Shuichi und lächelte ihn an.

„Nein, danke Oma...“, meinte der jedoch nur und wollte die Schale gerade wegdrücken, doch schon trafen ihn zwei weise, alte und ziemlich sauer dreinblickende Augen. Shuichi lief ein Schweißtropfen von der Schläfe. Das konnte ja heiter werden.

Gespannt beobachtete der kleine Sänger das folgende Szenarium: Anscheinend betrieben die beiden nonverbale Kommunikation, warfen sie nur seltsame Blicke zu, bis Ryuichi auf einmal lauthals anfing zu flennen und schrie: „Nein, diesmal nicht! Ich lass mich nicht schon wieder von dir überreden!“

Doch keine zwei Sekunden später hatte er die Schüssel mit Nudeln in der einen Hand und die Stäbchen in der anderen; begann dann grummelnd zu essen, bis sein Magen laut rumorte.

Shuichi staunte. Das war ja mal etwas…

Daher hatte Ryuichi also seine Überredungskunst, nur dass diese Frau...

Sie brauchte ihn nur anzusehen und schon konnte er gar nicht mehr anders, als das zu tun, was sie wollte.

Wahnsinn!

Shuichi schlürfte die letzte Nudel hinunter und vergaß glatt, sie zu kauen; spürte, wie sie sich wie ein langer dünner Wurm seine Speiseröhre hinunterkämpfte.

Er verzog sein Gesicht.

Als sich ihr Mageninhalt ein wenig besser verteilt hatte und Shuichis Blase nach einer Leerung schrie, entschied er sich, lieber die Toilette aufzusuchen.

„Na großartig…“

Das war kein Hightechklo wie zu Hause, mit beheizbarem Sitz und Selbstreinigungsmaßnahmen; das war ein in den Boden eingelassenes Becken mit Spülung. Zum Glück hatte ihm sein Vater mal gezeigt, wie man so eine Toilette benutzte. Bestimmt hätte Ryuichi sich über ihn lustig gemacht, wenn er ihn hätte fragen müssen…

Nachdem Shuichi sich fast auf seine Hose gepinkelt hatte und dann beruhigt, als es vorbei war, das Bad verließ, traf er auf den Älteren, der ihn grinsend anblickte.

„Na, bist du nicht ins Klo gefallen?“

„Warum sollte ich? Du traust mir wohl nicht zu, dass ich weiß, wie man eine Toilette benutzt?“, fragte er und verzog sein Gesicht. Worüber unterhielten sie sich hier eigentlich? Die beiden hatten auch schon bessere Konversationen geführt als diese…

„Na ja, mal was anderes, ich wollte dich fragen…“

„Ach ich weiß schon: Die getrennten Zimmer.“, seufzte der Grünhaarige und legte einen Arm um Shuichis Schultern.

„Mach dir da nichts draus. Das ist typisch meine Oma. Dabei weiß sie, dass wir zusammen sind.“

„Ach so, ist schon okay. Macht mir nichts aus. Echt nicht.“

Schließlich schliefen sie ab und zu getrennt, besonders wenn beide viel Stress hatten.

„Gut. Wenn du Angst kriegst, weißt du ja, wo ich bin.“, sagte Ryuichi, durchwuschelte Shuichi die Haare und zwinkerte ihm zu.

„Warum sollte ich denn Angst kriegen? Ich bin doch kein kleiner Junge mehr!“, schrie der Jüngere und rannte Ryuichi hinterher, als dieser abwinkend vor ihm den Gang entlang schlenderte.

„Für mich schon...“, meinte er, als er stehen blieb und ihn anlächelte.

„Na, wollen wir ne kleine Spritztour durch Kyôto machen? Ein paar alte Tempel angucken?“

„Solange Tatsuha nicht in einem von denen ist, gerne!“, entgegnete Shuichi, schmollte ein wenig wegen der ersten Aussage Ryuichis, freute sich andererseits aber darauf, sich Kyôto mal etwas näher anzuschauen.

So fuhren sie mit dem Motorrad durch einige Teile der Stadt um wenigstens die wichtigsten der über 2000 Tempel, Schreine und Paläste einmal gesehen zu haben. So führte sie ihr Weg vom Nordosten der Stadt mit einem Besuch des Gingaku-jis, dem silbernen Pavillon bis zum ‚Otowasan Kiyomizudera’, einem buddhistischen Tempel im Osten der Stadt.

„Wow, das ist ja toll!“, rief Shuichi begeistert, der auf der Terrasse des Tempels stand, die einen genialen Ausblick auf die ehemalige Hauptstadt bot.

„Ja, spitze, nicht?“, fragte Ryuichi und umarmte seinen Freund von hinten.

„Diese Terrasse wird von 100 Pfeilern gestützt, die aus dem Berghang hinausspringen.“, flüsterte er Shuichi ins Ohr.

„Kennst du das Sprichwort: ‚Die Terrasse des Kiyomizu hinunter springen.’? Das bedeutet, sich zu einem Entschluss durchzuringen. In der Edo-Zeit sprangen die Menschen die Terrasse nach unten und wenn sie es überlebten, dann bekamen sie alle Wünsche erfüllt, die sie hatten.“, erklärte er.

„Oh, also bekomme ich all meine Wünsche erfüllt, wenn ich da runterspringe?“, fragte Shuichi.

„Das muss ich ausprobieren!“, meinte er und riss sich los, sprintete zum Rand der Holzkonstruktion und wollte gerade zum Sprung ansetzen, wurde jedoch von Ryuichi am Hosenbund festgehalten und wieder auf festen Boden weit weg von der Aussichtsplattform gezogen.

„Das lässt du schön bleiben, ja? Das ist verboten.“, keifte er und schliff Shuichi unter die Haupthalle. Sie bewunderten dort den Wasserfall des Otowa no taki: Drei einzelne Wasserkanäle flossen in ein großes Becken. Einige Leute tranken dieses Wasser aus Metallschalen. Ryuichi schöpfte Shuichi ebenso eine Schale voll des erfrischenden Nasses.

„Hier trink. Es wird gesagt, dass dieses Wasser heilende Kräfte besitzt und dir Gesundheit, Erfolg und ein langes Leben bringt…“, meinte er sanft, trank ebenso einige Schlucke und nahm Shuichis Hand, um mit ihm den Rest des Tempelkomplexes zu besichtigen.

„Ah, das ist der Jishi-jinja, ne?“, meinte Shuichi.

„Da und da…da sind die Liebessteine. Wenn man als Single mit geschlossenen Augen von einem Stein zum anderen geht, heißt es, dass man sich bald verlieben wird. Hast du das mal ausprobiert, Ryu-chan?“

Der Grünhaarige schüttelte den Kopf.

„Nein, aber das hab ich ja auch nicht mehr nötig.“, sagte er sanft und legte seinen Arm um Shuichis Hüfte, besichtigte die restlichen Schreine und versuchten Fotos zu machen, doch der große Touristenandrang machte es ihnen schwer. Sie mussten eh schon mit Sonnebrillen und Mützen herumlaufen, damit man sie nicht erkannte. Mit allergrößter Mühe konnte Ryuichi Shuichi noch davon abhalten, Talismane oder Lose zu kaufen. Er mochte Lose nicht, denn wie oft geschah, wenn er ein Unglückslos bekam, wirklich etwas Schlimmes…

Darauf hatte er einfach keine Lust.

Sie besichtigten noch die Altstadt und fuhren etwas umher. Shuichi blickte sich mit großen Augen um.

Kyôto war schon eine tolle Stadt…

Und endlich hatte er mal Zeit, sich diese Schönheit auch anzusehen. Damals, als er die Hochzeit von Ayaka-chan und Yuki verhindern wollte, war er ja schon einmal hier gewesen, aber bis auf das Haus und den Shintô-Schrein der Uesugis hatte er nichts gesehen.

Er stutzte.

Warum kamen eigentlich immer alle Leute, in die er sich verleibte, aus Kyôto...? Es musste wohl irgendwie seine Stadt sein.

Vielleicht würde er irgendwann einmal mit Ryuichi hier wohnen, wenn sie ihre Laufbahn als Sänger an den Nagel hängen müssten…

Bei Ryuichi konnte es sein, dass er gar nicht mehr so lange Zeit hatte. Schließlich wird eine Stimme mit der Zeit nicht besser; sie verschleißt sozusagen, besonders, wenn man sie so oft benutzt wie Ryuichi es tat. So könnte er noch höchstens 10 Jahre wirklich gut sein, dann würde Shuichi ihn wohl oder übel überflügeln, wenn er das nicht schon vorher tat...

Er redete sich ein bisschen Selbstvertrauen ein und kuschelte sich enger an den älteren Sänger, den er in Gedanken eben ganz offensichtlich versucht hatte, auszustechen.

In gewisser Weise waren sie immer Konkurrenten gewesen, obwohl sich dieses Gefühl in Shuichi gelegt hatte, seitdem die Bands zusammengewürfelt worden.

Er bewunderte ihn jetzt irgendwie auf eine andere Weise, auch wenn er nicht genau sagen konnte, auf welche...

Vermutlich weil er einfach so viel mehr Lebenserfahrung hatte, als er selbst…

Oder weil sie Ähnliches durchgemacht hatten? Und natürlich auch weil er einfach immer für ihn da war, egal was auch passierte. Er strich ihm zärtlich über den Bauch und lenkte ihn somit beinahe vom Fahren ab.

Ja, Ryuichi war immer für ihn da gewesen. Und das, obwohl er selbst ein ziemliches Problem hatte. Aber Shuichi hatte sich geschworen, ihm zur Seite zu stehen, bis er das gänzlich überwunden hat.

Er hoffte zumindest, dass Ryuichi es schaffen würde, es endlich so gut es geht zu vergessen.

Schließlich machten sie sich auf den Weg zum Anwesen der Sakumas zurück, wo sie schon sehnsüchtig mit dem Abendessen erwartet wurden.

Das große Mästen ging in die zweite Runde. Als Ryuichi und Shuichi wie die fetten Weihnachtsgänse halb unter dem Tisch lagen und stöhnten, weil ihre Bäuche gut das Doppelte ihren eigentlichen Fassungsvermögens aufgenommen hatten, begab sich die alte Dame auf den Weg nach draußen, um Holzscheite zum Beheizen des Badewassers zu holen. Sie entzündete das Feuer, heizte das Wasser in der alten Wanne ordentlich auf und sagte Shuichi, dass er das Bad zuerst benutzten sollte. Er wusch sich gründlich und stieg in das brühend heiße Wasser, genoss die Entspannung, die bald über ihn kam.

Ryuichi ging nach seinem Freund und zu guter Letzt säuberte sich die Alte, half danach Shuichi den Futon aus dem Schrank zu holen und ihn auszurollen und wünschte ihm und Ryuichi eine gute Nacht, bevor sie sich in ihr eigenes Zimmer zurückzog.
 

Shuichi wälzte sich in seinem Futon umher. Irgendwie war hier alles so fremd…

Und es war einsam, wenn der andere nicht da war…

Er überlegte einen Moment, ob er nicht vielleicht doch zu Ryuichi gehen sollte, doch der würde ihn sicherlich nur auslachen. Also versuchte er sich selbst müde zu denken, hob abwechselnd die Arme, bis sie schwer wurden und sank langsam aber sicher ins Reich der Träume. Erste Träume spannen ihre dürren Finger um ihn, hielten ihn in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachen gefangen, was sich jedoch änderte, als er hörte, wie jemand die Schiebetür zu seinem Zimmer öffnete.

Er vernahm leise schleichende Schritte, dann spürte er, wie jemand begann, an ihm herumzufummeln und öffnete die Augen.

Hände schoben sich unter seine Schlafsachen, strichen fahrig über seine Brust, den Oberkörper und verirrten sich auch in seine Hose, berührten seine intimsten Stellen und das, wenn er es genau betrachtete, nicht gerade sanft.

„Au…Ryuichi…“, wisperte er.

„Was ist denn mit dir los?“

Hatte der andere es etwa so nötig, dass er ihn nicht einmal aufwecken konnte oder vielleicht auch fragen, ob er nicht Lust hätte, sich begrabschen zu lassen?

Allerdings sagte der Ältere nichts, warf ihm nur einen scharfen Blick zu, einen wohlgemerkt ziemlich seltsamen Blick. Shuichi bekam es leicht mit der Angst zu tun, besonders, als er den nächsten Satz hörte.

„Wehr dich nicht!“

Regelrecht monoton kam dieser Befehl über Ryuichis Lippen, dann nagelte er Shuichi fest und presste ihm die Lippen auf, küsste ihn hart und drückte den schmalen Körper mit seinem gesamten gewicht zu Boden, damit der Jüngere auch keine Möglichkeit zur Flucht ergattern konnte.

Der Junge schrie auf, als Ryuichi sein Bein ohne jede Vorwarnung unsanft zwischen Shuichis trieb. Doch mit einem scharfen Wort verbot Ryuichi ihm den Mund und biss ihm in die Lippe. Shuichis Augen weiteten sich. Warum tat der andere das?

Wieder spürte er Ryuichis Lippen auf den seinen, doch jetzt waren sie nicht wie sonst weich und süß, nein, jetzt waren sie brutal und fordernd. Ganz anders als sonst. Der Bruck in seinem Schritt verstärkte sich, als der Grünhaarige sein Bein fester gegen Shuichis empfindliche Mitte drückte. Er nutzte das schmerzliche Aufkeuchen des Jungen, um seine Zunge in dessen Rachen zu schieben, den Mund grob zu durchforsten und ihn so lange mit bestimmter Gewalt aufzufordern, bis dieser in den Kuss einstimmte und ihm bei der nächsten Gelegenheit in die Zunge zu beißen. Shuichi kniff die Augen zusammen und stieß den anderen mit voller Kraft von sich, hielt sich dann die Hand vor den Mund.

Metallisch-süßlicher Geschmack von Blut machte sich in seinem Mund breit. Und mit dem Blut kamen ihm auch die Tränen.

„Du tust mir weh, Ryuichi…“, weinte er.

„Warum tust du das?“

Ryuichi lachte bitter auf.

„Warum ich das tue? Das fragst du mich noch! Du hast es doch die ganze Zeit genauso mit mir gemacht!“

Shuichi verstand nicht.

„Was redest du da?“

„Du weißt es doch selbst am besten! Du warst es doch, der mich so gut wie jede Nacht heimgesucht hat...“

Shuichis riss die Augen auf.

Jetzt verstand er…

Ryuichi war nicht bei Sinnen.

Er versuchte sich zu erinnern…

Hatte das Haus nicht immer seinen Großeltern gehört, oder hatten Ryuichi, seine Mutter und sein Stiefvater damals hier gelebt?

Sein Stiefvater… Ihm fiel es wie Schuppen von den Augen.

„ICH BIN NICHT DEIN VATER!“, schrie er in voller Inbrunst.

„Verdammt, Ryuichi, komm wieder zu dir!“

Er versuchte seine Hände zu befreien, presste sie gegen die Schultern des anderen und zappelte unter seinen Berührungen, doch war ihm völlig unterlegen.

„NEIN!“

„Halt doch die Klappe und lüg mich gefälligst nicht an! Du hast mich mein ganzes Leben lang angelogen! Du hast meine Mutter angelogen! Du hast uns allen nichts weiter als Leid zugefügt!“

Shuichi fing an herzerweichend zu weinen.

„Ryuichi...“

Was sollte er nur tun?

„Heul hier nicht rum!“, grölte der Ältere wutentbrannt, setzte sich auf und zog Shuichi an dessen Oberteil hoch, um ihn kurz darauf hart mit dem Kopf auf den Boden zu schlagen.

Shuichi quiekte auf und wollte sich seine schmerzende Beule halten, doch Ryuichi packte seine Handgelenke fest und drückte ihn erneut gen Boden.

„Heul hier nicht rum. Du hast schließlich auch nie aufgehört, wenn ich geweint habe!“, flüsterte er bedrohlich.

„Du hast dich immer nur an Schwächeren vergriffen, doch jetzt, wo du der Schwächere bist, sieht die Welt ganz anders aus, nicht wahr?“, wisperte er, hing ein merkwürdiges Lachen an den Satz.

„Nicht wahr, ...Vater?“, murmelte er, gab dem letzten Wort dabei eine sehr seltsame Betonung.

Shuichi schüttelte den Kopf.

„Ich bin nicht dein Vater…“ keuchte er, wusste aber, dass es wohl keinen Sinn haben würde, mit Ryuichi zu reden.

„Tut mir leid…“, flüsterte er und schlug seinen Kopf mit voller Wucht gegen den seines verrückt gewordenen Freundes. Shuichi sah für einige Momente selbst Sternchen, fing sich jedoch schnell wieder und sah, wie Ryuichi sich die Hände gegen die Stirn presste und fluchte. Er nutzte die Situation und kroch unter dem anderen Körper hervor, befreite sich aus dem Klammergriff und krabbelte auf allen Vieren los. Doch der andere hatte ihn schnell wieder eingeholt und packte das schlanke Fußgelenk; er zog das Bein stark zu sich, sodass Shuichi auf dem Bauch landete und ein Stück zum Grünhaarigen geschliffen wurde.

„Komm gefälligst her und verkriech dich nicht, du Feigling!“, brüllte er, überhörte Shuichis Schreie einfach.

„Steh das Ganze durch wie ein Mann! Genauso wie du es immer von mir verlangt hast!“

„Ngh…“

Shuichi zappelte sein Bein frei und rollte sich auf den Rücken, stemmte seine Beine gegen den anderen und schaffte sich durch eine Rückwärtsrolle Distanz, bei der er den anderen ebenso auf den Po beförderte.

Der Jüngere schauderte, als er Ryuichi anblickte. Dieser Blick, das war genau wie damals, in der Silvesternacht. Er schlafwandelte, das war eindeutig…

Aber wieso? Das hatte er seitdem doch nicht mehr gemacht! Lag es wirklich an diesem Haus? Oder hatte Ryuichi vergessen, seine Medizin einzunehmen…?

Shuichi schluckte, bekam den riesigen Kloß in seinem Hals allerdings so nicht weg.

Was sollte er nur tun? Wie sollte er ihn wecken?

Schreien half nichts; ja, nicht einmal Gewalt wie die Kopfnuss konnte ihm etwas entgegen setzen!

Wie hatte er ihn damals aufgeweckt bekommen? Das war nur Zufall, oder?

„Wach auf…“, winselte er und kroch im Krebsgang auf die Schiebetür zu…

„Lass mich in Ruhe…“

Er versuchte sich etwas Zeit zu verschaffen, überlegte was er tun konnte und zog für einen kurzen Moment in Betracht, es einfach über sich ergehen zu lassen, um Ryuichi seinen Seelenfrieden zu schenken…

Aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er das nicht überleben würde…

„Ich bin Shuichi! Was du hier tust, machst du mit Shuichi!“, versuchte er ihn zu beruhigen, hoffte, dass sein Name vielleicht etwas erreichen konnte.

„Ich bin nicht dein Vater, Ryuichi. Ich dein Shuichi. Der Shuichi, der dich über alles liebt...“, wisperte er. Ryuichi schien einen Moment zu stutzen und verharrte in seiner Bewegung. Er schnaufte. Shuichi blickte ihn verwirrt an, bemerkte dann aber, dass Ryuichi anscheinend etwas zu suchen schien, womit er ihm den Schädel einschlagen konnte. Der Ältere erhob sich und schwankte, dann schnellte er auf Shuichi zu.

„Waah…“

„DU BIST EIN VERDAMMTER LÜGNER!“, schrie der Grünhaarige und holte aus, ließ seine Faust in Richtung Shuichi schnellen, der sie jedoch abfangen konnte, seine Kräfte mobilisierte und Ryuichi zurückstieß. Erstaunt über seine eigenen Reflexe stand er auf und rannte so schnell aus dem Zimmer, wie seine Beine ihn trugen.

Ryuichi schüttelte den Kopf, versuchte zur Besinnung zu kommen und folgte ihm mit großen schnellen Schritten.

„Bleib sofort stehen!“, rief er und machte einen Satz, um den anderen niederzureißen; doch der war zu schnell und hatte wie ein Karnickel Haken geschlagen…

Shuichi hatte keine Ahnung, wohin er lief, kannte das Haus ja nur von der kleinen Führung vom Tag davor und hoffte nur, dass er sich nicht selbst in eine Sackgasse trieb.

Schließlich erreichte er eine Treppe, schloss die Tür hinter sich, damit der Ältere nicht so schnell hinterherkam und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass er auf dem Dachboden angekommen war. Nach oben zu rennen hatte sich ja schon oftmals als fataler Fehler bewiesen, wenn er an vergangene Ereignisse dachte…

Aber um sich darüber Gedanken zu machen, war jetzt keine Zeit.

Er rannte mit seinen Bahrfußbeinen über den alten Holzboden, quiekte ab und an hell und klar auf, wenn er sich Splitter in die Sohlen trieb und suchte verzweifelt nach einem Versteck, doch er hatte noch nie in seinem leben einen solch leeren Dachboden gesehen…

Knarren verriet ihm, dass Ryuichi den Boden ebenso erreicht hatte und drehte sich um, sah dann, dass er ihm erschreckend nah war. In völliger Verzweiflung drehte er sich um, sah das Dachfenster, öffnete es, kletterte hinaus und sprang.

„Ahhh! Ugnh!!...“

Er schrie auf, als er in einem Busch landete und versuchte mit den Armen sein Gesicht zu schütten, doch dennoch zerkratzten die Äste seine Haut. Ächzend rollte er sich ins gras und blieb für einige Sekunden still liegen, um sein viel zu schnell pochendes Herz ein wenig zu beruhigen. Allerdings blieb ihm dazu nicht viel zeit, denn schon tauchte Ryuichis Kopf ebenso aus dem Fenster auf.

Shuichi zog scharf Luft ein und kämpfte sich auf, ignorierte dieses dumpfe Mattheitsgefühl in seinem Körper. Er konnte nicht mehr…

„Ryuichi…hngh…“

Er schüttelte den Kopf. Hoffentlich kam der andere jetzt nicht auf die Idee, ihm auf diese Weise zu folgen…

„SPING NICHT!“, schrie er geistesgegenwärtig.

„Du darfst nicht springen!!!“, kreischte er, unterdrückte das Ziepen und die Schmerzen in seinem Körper.

Niemals… Ryuichi würde sich das Genick brechen. Es war ja schon scher genug, eine gute Landung hinzulegen, wenn man bei vollem Bewusstsein war…

Er musste ihn unbedingt aufhalten, also nahm er ein Stück Holz und warf es zu ihm hinauf.

„Geh zurück! Geh ins Bett!“, flennte er, bückte sich nach einem Steinchen und schleuderte es neben das Fenster; warf so einige Stöckchen und Steine hinterher, doch mit seiner Zielkraft ließ es langsam nach…

Er konnte die aufächzenden Geräusche des Älteren hören.

„Los, geh schon zurück, Idiot!“, schrie Shuichi, wischte sich mit seinen dreckigen Ärmeln über das Gesicht, als er das nächste Steinchen aufhob, um es nach dem anderen zu schmeißen.

„Es tut mir Leid…“, wisperte er, musste stark mit sich kämpfen, um nicht von einem Heulkrampf geschüttelt zu werden…

Doch eine andere Idee, ihn vom Springen abzuhalten, kam ihm nicht in den Sinn.

„Das überlebst du nicht!“, schrie er wieder.

„Du weißt doch: Nur Shuichi kann von einem Hochhaus fallen, ohne dabei draufzugehen. Nur dein Shu-chan! Versteh das doch endlich!“

Verzweifelt bückte er sich erneut.

„Nun hau schon ab, du Blödmann! Verzieh dich, sonst tu ich dir noch weh!“, weinte er nun und schmiss immer weiter mit Steinen nach ihm, bis Ryuichi sichtlich ins Auge getroffen wurde; es sich hielt und vom Fenster verschwand.

„Es tut mir Leid!“, schrie Shuichi.

„Es war doch nur zu deinem Besten...“, weinte er bitter, wischte sich erneut mit den schmutzigen Ärmel über die immer wieder aufkommenden Tränen.

Dann schniefte er und wollte gerade versuchen, ins Haus zu rennen, als ihn auf einmal Ryuichis Großmutter in ein Gebüsch zerrte.

Er wollte aufschreien, doch die alte, faltige Hand hielt seinen Mund zu.

Shuichi atmete hektisch, blickte die alte Dame mit erstaunten Augen an.

„Ryuichi, er... Ich hab ihn verletzt, ich muss zu ihm...“, haspelte Shuichi panisch.

„Er wird dich umbringen...“

„Das würde er niemals tun! Niemals!“, entgegnete Shuichi laut, schlug sich jedoch dann die Hand vor den Mund.

Die Alte legte ihm beide Hände auf die Schultern.

„Hör mir zu, mein Kind. Ich war dabei, als er damals auf seinen Stiefvater losgegangen ist. Ich habe seine Augen gesehen, die Genugtuung darin, als er ihn schreien hörte…

So habe ich ihn noch nie gesehen.“, wisperte sie.

„Er hasst ihn aus tiefstem Herzen. Er wollte sich an ihm rächen. Es ging ihm weniger um sein körperliches Leid…“, sagte die alte Stimme traurig.

„Er wollte sich für die Lügen rächen. Für die vorgeheuchelte Liebe…“

Sie sank in sich zusammen, begann zu schluchzen.

„Es war so dumm von mir, ihn zu bitten, hier her zu kommen.“, weinte sie.

Shuichi sah sie mit flackernden Augen an.

„Das Haus gehörte Ryuichis richtigem Vater… Nach dem Tod seiner Mutter kam er zu uns, wir wohnten im Süden der Stadt. Das alte Anwesen stand die ganzen Jahre über leer. Niemand wollte in so einem Haus wohnen. Ich fand es schade, es so verkommen zu lassen und bin nach dem Tod meines Mannes hier eingezogen. Das war vor sieben Jahren.“

Sie schniefte. Shuichi legte seine Hände nun auch auf ihre Schultern, wusste nicht so recht, was er sagen sollte.

„Ryuichi war früher oft bei mir, aber hier kam er mich nicht mehr besuchen. Er mied dieses Haus. Ich dachte, es lag daran, dass sich seine Mutter hier das Leben genommen hatte und versuchte ihn zu überreden. Schließlich wohnt hier ihr Geist inne. ich dachte, das würde ihm vielleicht gut tun und endlich gab er meinem Drängen nach. Vor sechs Jahren kam er mit das letzte Mal hier besuchen und… und hat…“

Nun weinte sie bitterlich, hielt die Hände vor das vom Alter gezeichnetem Gesicht und ließ ihren Gefühlen einfach freien Lauf.

„Er hat dir erzählt, dass er missbraucht wurde…“, wisperte Shuichi nach einer Weile.

Sie schniefte, nickte schließlich zögerlich.

„Ich hatte die ganze Zeit keine Ahnung… Ich hab ihn leiden sehen und wusste nicht wieso, er hat ja nie darüber geredet. Wenn man ihn auf seine blauen Flecken ansprach, meint er, dass das nun mal so sei, wenn man so viel Sport macht, wie er das tat… Aber ich hab doch das Leid in seinen Augen gesehen, ich hab es die ganze Zeit gesehen und konnte ihm nicht helfen…“, schluchzte sie. Shuichi lehnte sich an die alte Frau, strich ihr beruhigend über den Rücken.

„Er hat so gelitten und als Ryuichis Mutter starb, gab er sich für alles die Schuld. Oh, ich verabscheue diesen Mann, ich verabscheue ihn…“, krächzte sie.

„Er hat Ryuichis wahres Lächeln geklaut und seine kindliche Seele, die…“

Sie blickte Shuichi in die Augen.

„…die er versuchte, später wiederzuerlangen, doch er wurde nur krank…“

Shuichi blickte gen Boden.

„Du…du darfst ihm nicht böse sein, wenn er wieder aufwacht. Er wusste nicht, dass du es warst, den er verletzen wollte. Es kam tief aus seinem Unterbewusstsein...“

„Ich weiß, ich weiß alles...ich bin ihm auch nicht böse. Es ist nur...“

Nun begann Shuichi selbst zu weinen, sah zu Ryuichis Großmutter auf und schluchzte bitterlich.

„Ich… ich möchte ihm so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie. Ich kann es nicht, ich weiß nicht, wie ich es ihn vergessen machen kann! Ich kann es nicht…“, schniefte er und wischte sich verzweifelt über die Augen, doch es half nicht.

Die alte Dame wischte ihm über das Gesicht, strich ihm über die Wange.

„Shuichi. Du weißt gar nicht, wie wertvoll du für Ryuichi bist…“, sagte sie sanft.

„Du bist sein größter Schatz. Bitte lass ihn niemals allein. Ich glaube, das würde ihm das Herz brechen.“, wisperte die Alte, holte tief rasselnd Luft.

„Das werde ich nicht. Das habe ich ihm schon lange versprochen!“, sagte Shuichi rasch.

„Ich muss jetzt wirklich zu ihm, ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn er eine ernsthafte Verletzung wegen mir hätte...“, winselte Shuichi verzweifelt, wollte schon los kriechen, wurde jedoch zurück gehalten.

„Warte, hier, nimm das...“, flüsterte das Großmütterchen, zog dann ein kleines Kästchen hinter sich hervor und übergab es dem Jungen.

„Was ist das?“

Sie blickte die Kiste liebevoll an.

„Das gehörte Ryuichis Mutter... In dem Kästchen ist eine sehr wertvolle Spieluhr. Als Ryuichi noch klein war, hat sie ihn in ihre Arme genommen, die Spieluhr aufgezogen und ihn in den Schlaf gesummt.“

Shuichi blickte auf die Schatulle, dann zu der alten Dame. Er nickte. Vielleicht war das nützlich.

„Danke, Großmütterchen…“, wisperte er, dann drückte sie ihn aus dem Gebüsch hervor.

Shuichi nahm die Beine in die Hand und begann zu laufen, rannte in das Haus, blickte sich suchend um; hoffend, dass er nicht von Ryuichi überfallen werden würde.

Dann erspähte er ihn, wie er zusammengesunken in einer dunklen Ecke saß, rannte sofort auf ihn zu.

„Ryuichi!“, schrie er panisch.

Der andere blickte auf, hielt sich das Auge. Blut lief zwischen seinen Fingern hervor.

„Oh mein Gott...“, wisperte Shuichi, stoppte sofort sein Rennen, um ihn zu betrachten.

Dann ließ sich etwas unbeholfen vor ihm auf die Knie sinken, um die Hand wegzuziehen, die er sich über das verwundete Auge presste.

„Das tut mir ja so Leid...“, wisperte der Kleinere, und wollte nach der Verletzung sehen, doch der Ältere fauchte ihn an, schlug Shuichis Hand weg und keine zwei Sekunden später fand sich Shuichi auf dem Rücken wider, hatte den schwereren Ryuichi auf sich liegen und blickte ihn mit riesigen Augen an.

„Du wirst… du wirst genauso leiden, wie...“, doch weiter kam er nicht, denn Tränen und Blut tropften aus seinen Augen, bedeckten Shuichis Gesicht.

Mit flackernden Augen sah er seinen Freund an, schlang die Arme um den etwas größeren Körper und zog hinter dem Rücken des Älteren die Spieluhr auf, öffnete die Klappe und ließ somit einer tieftraurigen Melodie freien Lauf.

Ryuichi erstarrte. Regungslos verharrte er über Shuichi, bis sein Körper von einem Zittern heimgesucht wurde und er schließlich über Shuichi zusammenbrach.

Hastig schlangen sich Ryuichis Arme um den Körper des Jüngeren, pressten ihn an sich.

„Shuichi...“, wisperte er, schniefte und drückte ihn noch dichter an sich.

„Shuichi, verzeih mir...“, weinte er.

Shuichi seufzte erleichtert. Gott sei Dank, es war vorbei.

Beruhigt strich er Ryuichi über den Rücken, kuschelte sein Gesicht in die Halsbeuge des Älteren und versuchte, ihn irgendwie zu beruhigen.

„Schhhhh. Ist ja gut…“, hauchte er in Ryuichis Ohr, strich ihm durchs Haar und versuchte sich aufzusetzen. Ryuichi löste sich von ihm, half ihm, sich aufzusetzen und blickte auf die Spieluhr, die Shuichi in seinen Händen hielt.

„Eine traurige Melodie. Fast so traurig wie deine Geschichte, mein Ryuichi...“, wisperte der Kleinere, strich dem anderen über die Wange und trocknete so seine Tränen, dann nahm er die Hand des anderen von dessen Auge weg, um die Wunde betrachten zu können.

Er hielt ihm das andere Auge zu.

„Siehst du mich?“, fragte er.

Der andere nickte leicht.

Erleichterung breitete sich in Shuichi aus. Da war nur eine Schramme. Er hatte nicht das Auge verletzt, nicht auszudenken, wenn der andere auf der einen Seite erblindet wäre...

„Ryuichi, ich wollte dir wirklich nicht wehtun, aber du wärst sonst aus dem Fenster gesprungen. Es tut mir wirklich Leid, es tut mir so Leid...“, wisperte er und zog den anderen in eine feste Umarmung, gab ihm all seine Zuneigung und Wärme, die er in diesem Moment aufbringen konnte. Die Spieluhr hatte ihre Melodie beendet, so stellte Ryuichi sie beiseite und führte zögernd seine Hände hinter Shuichis Rücken, strich ganz sachte über ihn.

„Mir tut es auch Leid.“, schniefte er.

„Ich habe Großmutter gebeten, dir ein anderes Zimmer zu geben, weil ich gemerkt habe, dass ich meine Medikamente vergessen habe. Doch selbst das Einschließen hat nichts geholfen… Ich…ich bin einfach durch die Papierwand durch...“, weinte er, drückte Shuichi ein wenig fester an sich.

„Irgendwie konnte ich schon ahnen, dass so etwas kommen würde, aber ich konnte doch nicht wissen dass ich...“, schluchzte er, drückte Shuichi von sich weg, um ihn anzusehen.

„Was hab ich gemacht, Shuichi. Was hab ich mit dir gemacht? Hab ich dir wehgetan?“

Er nahm ihm ein Blatt aus den Haaren, legte es beiseite und strich ihm den Staub aus dem Gesicht. Sah die ganzen Kratzer, die er hatte, bemerkte Shuichis Beule, als er ihm über den Kopf strich.

„Hab ich versucht, dich...“

„Das ist doch jetzt egal...“, meinte Shuichi, schniefte ebenfalls.

„Was tut das jetzt zur Sache, wenn ich dir erzähle, was du alles getan hast? Dann würdest du dir nur wieder selbst Vorwürfe machen! Mach dir keine Sorgen. Alles wird wieder gut, mir ist nichts passiert. Jetzt musst DU erst einmal wieder richtig gesund werden. Du musst dein Problem endlich loswerden, sonst wird es dich bis an dein Lebensende verfolgen und nie mehr in Ruhe lassen! Verstehst du mich?“

Doch Ryuichi schüttelte nur mit dem Kopf.

„Nein...“, murmelte er.

„Ich will wissen, was ich dir angetan habe, Shuichi. Verschweig es mir nicht, bitte!“, wisperte er.

„Du hast es gar nicht geschafft, mir etwas anzutun...“, meinte der andere nur.

„Aber ich sehe doch, dass du verletzt bist!“

„Das war meine eigene Schuld...“, flüsterte er, bekam so langsam Unsicherheit in seiner Stimme. Sollte er ihm sagen, das Ryuichi fast über ihn hergefallen wäre? Das er versucht hatte, ihn umzubringen? Das er deswegen aus dem Dachbodenfenster in ein Gebüsch gesprungen war und Shuichi ihn mit Steinen beworfen hatte damit Ryuichi es ihm nicht gleichtat?

„Ich will es wissen, Shuichi, bitte...“, flehte der andere ihn an. Shuichi seufzte.

„Also gut, wenn es gar nicht anders geht. Aber reg dich nicht auf, okay?“

Ryuichi nickte und Shuichi begann zu erzählen.
 

Der Ältere fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Was hab ich nur getan...?“, wisperte er.

„Ich hätte dich fast gegen deinen Willen genommen. Noch perverser geht’s ja wohl nicht...“, wisperte er, stand dann auf.

Shuichi blickte ihm verdutzt hinterher.

„Ryuichi...“

„Ich geh mir mal das Gesicht waschen...“, entgegnete der Ältere und schwankte in Richtung Badezimmer.

Ein kalter Wasserstrahl rauschte aus der Leitung und verschwand im Ausguss. Ryuichi starrte in den Spiegel, blickte in sein bleiches Gesicht mit den tiefen Augenringen.

Er schnaubte verächtlich, nahm dann beide Hände zur Hilfe, um das kühlende Nass ins Gesicht zu befördern, wiederholte diesen Vorgang noch ein paar Mal, bis er nach einem Handtuch suchte und sich abtrocknete. Wieder schaute er in den Spiegel. Das bleiche Gesicht und die Augenringe waren noch immer da, nur das Blut war verschwunden.

„RYUICHI!“, hörte er Shuichi schreien, doch diese Stimme versetzte es ihm beinahe einen Stich im Herzen.

Wie konnte er es nur wagen, ihm wehzutun, ihn gegen seine Willen anzurühren oder grob zu behandeln...?

So ging das nicht...

Er hatte sich ja nicht mehr unter Kontrolle... Er musste, wie im Sprichwort die Terrasse des Kiyomizu hinunter springen; er hatte sich zu einem Entschluss durchzuringen! Um Shuichis Willen…
 

Nach einer scheinbar endlosen Weile, die Shuichi nun an die verschlossene Badezimmertür klopfte, öffnete sich diese und ein niedergeschlagener Ryuichi trat heraus. Er blickte Shuichi an und seufzte.

„Wir müssen reden...“, meinte er nur kurz, zog ihn dann mit in dessen Zimmer und drückte ihn auf seinem Futon nieder, setzte sich ihm gegenüber.

„Hör zu, Shuichi...“, fing er an. Seine Stimme zitterte, er wusste nicht so recht, wie er es sagen sollte.

Der Kleine blickte ihn aufmerksam an.

„Es ist… Ich denke, es ist wohl besser, wenn...“, stammelte der Ältere.

„Was denn, Ryuichi?“

Der Angesprochene seufzte, dann blickte er Shuichi in die tiefblauen Augen, die er so sehr begehrte.

„Ich liebe dich, Shuichi.“, wisperte Ryuichi.

„Und aus diesem Grund will ich, dass wir beide wieder getrennte Wege gehen!“

Shuichi brauchte eine Weile, um diesen Satz zu verdauen.

„Was?“

Er musste lachen.

So etwas Absurdes hatte er wirklich noch nie gehört.

„Hast du mich nicht verstanden? Ich möchte, dass wir uns trennen...“, wiederholte Ryuichi seine Worte.

Shuichi schüttelte den Kopf. Seine Gesichtszüge veränderten sich schlagartig, wurden traurig und zutiefst verletzt…

Warum sagte Ryuichi nur so etwas?

„Aber wieso denn? Ich dachte, du liebst mich! Hast du das nicht gerade noch gesagt?“

Ryuichi seufzte und strich sich einige lange Strähnen aus dem Gesicht.

„Ich liebe dich ja auch, ich liebe dich wahnsinnig, Shuichi. Es zerbricht mir beinahe das Herz, wenn ich daran denke, dass ich dich nicht mehr um mich haben kann, aber es geht so nicht weiter!“, sagte er zu seinem eigenen Erstaunen sogar relativ gefasst.

„Verstehst du es nicht, du kleines Dummchen? Ich hätte dir fast sehr, sehr wehgetan. Und dass ich dazu fähig bin, dir Schmerzen zuzufügen, weißt du ja wohl am besten.“, wisperte er gebrochen, dann flossen die Tränen. Glasklar wie Bergkristalle rollten sie über die bleichen Wangen, tropften von der Nasenspitze oder dem Kinn auf den Tatamiboden.

Er griff sich an die eigenen Schultern, blickte zu Boden und weinte. Er konnte Shuichi jetzt nicht ansehen. Es tat einfach viel zu sehr weh, sein Gesicht in dieser Situation betrachten zu müssen…

„Ach, Shuichi. Ich will dich doch nicht verlieren, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg. Ich hätte dir beinahe etwas ganz Schlimmes angetan…“

Er schniefte.

„Dabei hab ich mir doch geschworen, dich immer zu beschützen, mein Kleiner…“, weinte er, sah schließlich zu ihm auf und atmete tief durch.

„Aber die eigentliche Gefahr für dich bin ich!“

Shuichi sah ihn verständnislos an.

„Ryu…“

Ryuichi hob die Hand, unterbrach den Jungen somit.

„Lass es mich dir erklären, Shuichi. Es ist doch alles sonnenklar: Nur weil ich nicht gut genug auf dich aufgepasst habe, konnte dich Toma entführen. Ich habe dich schon mal angefallen. Das war in der Silvesternacht, erinnerst du dich? Und hätte ich Tatsuha gesagt, dass ich nichts von ihm will, hätte er dir niemals so wehgetan…“

Ryuichi schniefte.

„Es war alles meine Schuld…“

Shuichis Hände krallten sich in seine eigenen Hosenbeine, starr blickte er in das Gesicht des Älteren. Das war alles ein schlechter Scherz!

„Ich bin eine Gefahr für dich, Shuichi, also muss ich dich vor mir selbst beschützen.“, weinte der Grünhaarige.

„Ich möchte doch nicht, dass dir etwas passiert…“

Shuichi zog die Augenbrauen zusammen, legte die Stirn kraus und kroch schließlich auf allen Vieren zu Ryuichi, setzte sich zwischen seine Beine und umschloss dessen Nacken mit seinen dürren Armen.

„Shu…“, begann der Grünhaarige, doch Shuichi hatte genug gehört und verhinderte jedes weitere Wort, indem er den Älteren sanft küsste. Der Jüngere sah in die erschrockenen Augen seines Freundes, der dem Blick des Jungen nicht lange standhalten konnte und die Augenlider schloss; allerdings auch die Arme fest um den zierlichen Körper legte und ihn nah an sich heran zog. Shuichi weitete den Kuss aus, schmeckte das salzige Tränenwasser seines Freundes und leckte ihm schließlich einige Tropfen der Flüssigkeit vom Kinn, drückte Ryuichi an den Schultern einige Zentimeter von sich weg und sah ihn sehnsüchtig an.

„Ich will dich aber nicht verlieren...“, wisperte der Kleine und Ryuichi konnte zusehen, wie Shuichis Augen ebenso wässrig wurden, bis auch er bitterlich weinte. Die kleinen Hände krallten sich in das Oberteil des Älteren, wollten ihn nicht einfach gehen lassen.

„Du darfst mich nicht verlassen. Das, was du gesagt hast, ist gar nicht wahr! Wer war denn immer für mich da? Das warst du! Und jetzt brauchst du mich, da lass ich dich nicht allein, du bist wohl nicht ganz dicht!“, schrie er ihn an. Auch sein Heulen wurde lauter.

„Du wirst mich nicht los, Ryuichi Sakuma! Ohne dich kann ich einfach nicht mehr leben! Du kannst dich doch nicht wegen so eines lächerlichen Grundes von mir trennen…“, schluchzte er, krallte sich verzweifelt an ihm fest und schmiegte das tränenasse, erhitzte Gesichtchen in die Halsbeuge des anderen. Ryuichi saß nur wie erstarrt da, die Hände lagen ruhig auf Shuichis Rücken. Er bewegte sie erst, als der Kleine Mitleid erregend gegen seine Schulter weinte, bis der ganze Stoff durchnässt war. Sachte strichen die größeren Hände über den zarten Rücken, bis zum Nacken und dem Hinterkopf, befühlten dort jedoch die dicke Beule. Sofort machte sich erneut dieses drückende, schlechte Gewissen in Ryuichi breit.

Er hatte Shuichi wehgetan.

„Sag mir, dass du mich liebst!“, wimmerte der Jüngere nach einer Weile gegen die Brust Ryuichis.

„Ich liebe dich... Das weißt du, Shuichi.“, antwortete Ryuichi heiser, krallte sich in Shuichis Haar fest. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Dann küsste er ihm sanft auf die Haare, schloss dabei die Augen.

Er liebte ihn so sehr…

Shuichi drückte sich etwas von seinem Freund, blickte ihm verheult ins Gesicht.

„Sag mir, dass du mich nicht verlassen wirst.“, flehte er mit gebrochener Stimme.

Ryuichi strich ihm wieder durch die Haare.

„Ich kann nicht...“

„Ryuichi…“

Shuichi blickte zu ihm auf, erneut rollten Tränen über seine Wangen und tropften vom Kinn des Jungen.

„Sag mir, dass du mich nicht verlassen wirst, Ryuichi!“

„Shuichi, ich… Ich kann nicht…“, wiederholte Ryuichi nochmals. Seine Stimme bebte, die Hände krallten sich fester an das zarte, geliebte Geschöpf in seinen Armen.

Shuichi…

Die Liebe seines Lebens.

Durch ihn hatte er verstanden, was es hieß zu lieben und geliebt zu werden. Ryuichi hatte verstanden, was es hieß, von jemandem gebraucht zu werden und selbst jemanden zu brauchen, wie die Luft zum Atmen.

Er brauchte Shuichi. Er brauchte ihn mit Haut und Haaren, brauchte seine Seele, seine Stimme, die blauen Augen, die ihn so liebevoll ansahen, das süße Lächeln; er brauchte diesen süßen Duft, der von Shuichi ausging.

Shuichi war sein Lebenselixier, doch zu welchem Preis?

„Ryuichi, sag mir, dass du mich nicht verlässt, bitte!“, flehte der Junge weinend.

Ryuichi schwieg.

„Ryuichi…“

Er tat Shuichi weh…

„Ryuichi, ich liebe dich!“

Er tat ihm so schrecklich weh…

„Ryuichi!“

„…“

„Tu mir das nicht an…“

„Ich kann nicht…“

Shuichi schwieg einen Moment, dann lehnte er die Stirn gegen die Schulter des Älteren.

„Ich sterbe ohne dich.“

Ryuichis Augen weiteten sich.

„Meine Sehnsucht nach dir, würde mich zerfressen…“, wisperte der Jüngere.

„Und ich würde an Einsamkeit zu Grunde gehen…“

Ryuichi blickte auf den rosafarbenen Schopf.

Konnte ein Mensch an Einsamkeit sterben? Konnte er von Sehnsucht zerfressen werden?

Was für eine dumme Frage! Ryuichi wusste doch selbst ganz genau, dass es ihm genauso ergehen würde.

Ohne Shuichi würde er sterben.

Ohne Shuichi, sein Lebenselixier.

In diesem Moment hätte Ryuichi fast laut aufgelacht, aber die Situation erlaubte es einfach nicht. Es war schon fast absurd, wie abhängig sie voneinander waren. Shuichi war für ihn wie eine Droge, von der er niemals wieder loskommen würde. Und andersherum war es genauso.

Ryuichi sog Shuichis betörenden, süchtig machenden Duft ein und schloss ihn fester in seine Arme, spürte, wie die Glücksgefühle durch seinen Körper jagten.

Sie waren voneinander abhängig. Sie brauchten einander zum Leben.

„Ich werde dich nicht verlassen...“, wisperte Ryuichi schließlich.

„Ich werde meinen Shuichi nicht sterben lassen…“, flüsterte er sanft in das Ohr des Jüngeren.

Shuichi löste sich von ihm, blickte ihm tief in die Augen.

„Das weiß ich...“, flüsterte er, strich dem anderen über die Wange.

„Denn du brauchst mich jetzt mehr als alles andere auf der Welt.“

„Ja, ich brauche dich...“, antwortete Ryuichi.

„Ich liebe dich!“

„Ich liebe dich auch, Shuichi.“

„Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein, verstanden?“

Ryuichi nickte.

Sie hielten sich noch eine Ewigkeit in den Armen. Ryuichi wog den bebenden kleinen Körper hin und her, spürte nach einer Weile, wie Shuichi ins Land der Träume glitt. Der Junge schlief ruhig, atmete tief und gleichmäßig. Sanft packte er ihn in seinen Futon, legte sich neben ihn und zog die Decke über beide, strich dem Kleinen unablässig durch sein Haar. Ryuichi konnte nicht schlafen; er traute sich nicht. Nicht, wenn er seine Medikamente nicht eingenommen hatte.

Ohne die ging es schon gar nicht mehr…

Seine Augen glitzerten in der Dunkelheit, als er Shuichis heißen Atem an seinem Hals spürte. Er küsste ihn sanft auf die Stirn.

„Ich verlasse dich nicht...“, wisperte er noch einmal.

„Ich brauche dich...“
 

Nur schwer konnte Shuichi seine Augen öffnen. Er spürte, wie Ryuichis Arm um ihn lag, merkte, wie er sich an ihm festklammerte; wie er zitterte. Als er endlich wieder scharf sehen konnte, wandte er seinen Blick zum seinem Freund.

Er erschrak.

Ryuichi sah furchtbar aus...

Sein Gesicht war richtig bleich, hatte kaum noch Farbe und man konnte eindeutige Spuren von Tränen sehen.

„Ryuichi, was ist los?“

„Sie wird nicht mehr aufwachen...“, wisperte er.

Shuichi blickte ihn erschrocken an. Dann sah er, wie sich die Augen seines Gegenübers langsam mit Tränen füllten und überliefen.

„Was...?“, hauchte der Kleinere, versuchte Ryuichi die Tränen wegzuwischen, blieb jedoch ohne Erfolg.

„Wer?“, fragte Shuichi mit zitternder Stimme. Irgendwie konnte er es sich schon denken.

Ryuichi blickte ihn an, zog Shuichi dann zu sich, um dessen Oberteil mit seinen unendlichen Tränen zu durchtränken, schluchzte herzzerreißend und krallte sich regelrecht an den kleinen Körper neben sich.

Shuichi umarmte ihn, hielt ihn einfach, bis er sich so einigermaßen beruhigt hatte, dann veranlasste er ihn dazu, sich richtig hinzulegen, zog die Decke über ihn und befühlte seine Stirn.

„Du hast Fieber. Ich hole einen Arzt. Bleib schön da liegen, okay? Ich bin sofort wieder bei dir.“, flüsterte er ihm zu, strich ihm noch einmal über die Wangen, versuchte das noch immer still vor sich hin fließende Wasser von Ryuichi zu wischen.

Dann verließ er das Zimmer, fand schließlich den Raum, indem sich Ryuichis Großmutter aufhielt und betrat ihn leise. Er zog die Schiebetür hinter sich zu, kniete sich neben ihren Futon und betrachtete sie.

Sie sah aus, als würde sie schlafen, hatte friedliche, entspannte Gesichtszüge.

Ihre Haut war alabasterfarben, ihr graues Haar glänzte in der Morgensonne. Shuichis Augen flackerten, als er sie sanft anstieß.

„Großmütterchen...“, wisperte er.

„Wach auf, komm schon...“, versuchte er es etwas lauter.

Zwecklos. Tränen flossen, auch als Shuichi nach einigen Minuten per Telefon im Krankenhaus anrief. Als die Ärzte das Haus betraten und sich um den kranken Ryuichi und den Leichnam kümmerten, zog sich der Junge zurück, saß auf der Stufe, die zum japanischen Garten führte und betrachtete den kleinen, künstlich angelegten Teich und den gepflegten Garten, mit den kunstvoll geharkten Steinen.

Er wusste nicht, wie lange er gewartet hatte und in Gedanken versunken war, doch eine Hand auf seiner Schulter holte ihn in die Realität zurück.

„Wir haben ihn ruhig gestellt. Er schläft jetzt. Hier, das sind Medikamente für ihn, geben sie sie ihm bitte, wie es auf der Anleitung steht. Er braucht viel Ruhe und vor allem jemanden, der jetzt für ihn da ist.“

Shuichi nickte und bedankte sich kurz.

„Es tut mir wirklich sehr Leid.“, meinte die Ärztin.

„Sie hatte vermutlich im Schlaf einen Herzinfarkt. Aber es war ein schneller Tod, sie hat nichts gespürt.“

Shuichi seufzte und er griff sich an sein eigenes Herz. Er hatte in der Nacht genau ihren Kummer gespürt…

Zu viel für so ein altes Herz.

Er begleitete die Mediziner noch bis zur Tür und schließlich war er allein mit seinem Freund.

Der Junge ging zu ihm und wechselte den nassen Lappen auf der Stirn des Älteren, setzte sich neben den Grünhaarigen und fing einfach an zu erzählen.

Ryuichi verzog das Gesicht im Schlaf. Er schien schlecht zu träumen. Was sie ihm wohl für Medikamente gegeben hatten, um ihn ruhig zu stellen? Sanft strich er ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, befühlte noch einmal die Stirn des Älteren. Noch immer glühte sie, so tunkte er den Lappen noch einmal in die Wasserschale, wrang ihn aus und platzierte ihn wieder auf Ryuichis Stirn, nachdem er ihm damit ein bisschen das Gesicht abgetupft hatte. Shuichi musste schniefen. Er konnte nicht wirklich etwas für den Älteren tun. Er fühlte sich einfach so unendlich hilflos und dumm.

Er schaffte es nicht, Ryuichi von seinen Seelenschmerzen zu befreien.

Wie auch…

Solch tiefe Wunden verheilten nun einmal nicht so schnell. Das einzige, was er tun konnte, war wohl für ihn da zu sein, so nahm er die Hand des anderen und strich sanft darüber, küsste sie zärtlich und rieb sie leicht gegen seine Wange.

Selbst im Schlaf weinte der Ältere.

Shuichi legte sich neben ihn ins Bett, schmiegte sich an ihn und wisperte ihm beruhigende Worte ins Ohr.

Er hoffte, dass sie in Ryuichis Verstand ankommen würden…
 

~to be continued~



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  miaga
2007-03-06T15:32:36+00:00 06.03.2007 16:32
ich habe einige kommentare gelesen was am besten beschrieben wurde war das von klein_ryuichi hat am besten beschrieben (so finde ich)was ich auh sagen würde .

bitte schreib weiter die sehnsucht nach dem nächsten kap. halte ich nicht länger aus.
xxx miaga
Von:  kleineAlexiel
2007-02-20T15:45:48+00:00 20.02.2007 16:45
*flenn*
*sturzbach Tränen fließen*
...ich...hab's irgendwie gewusst.....
..als du geschrieben hattest, wie sie rasselnd Luft holt, als die beiden in der Hecke hocken, da....war des wie son Impuls, der sich in mein Bewusstsein gebohrt hat.
Wie beschlossen....aber ich hab gehofft, dass ich mich vertan hab.....
...leider nich....
*schluck*
...armer Ryu...wird immermehr gebeutelt....wie kommt er da nur wieder raus? ...TT-TT
....
sorry dass ich so spät komm...aber hab neuerdings ne 10 uhr Grenze, wanns I-net aus sein muss, und dann staut sich natürlich der Lesekram!^^O
Von: abgemeldet
2007-02-10T22:59:50+00:00 10.02.2007 23:59
Baoh eh O.O
jetzt bin ich sprachlos >.<
das Kapitel T_____________T
das war hart >.< und das die alte Großmutter gestorebn ist war schon traurig >.<
aber bitte mach schnell weiter >.<
Von:  Kari-chan
2007-02-08T23:04:02+00:00 09.02.2007 00:04
Das Ende war so traurig *heul* Hätt nicht gedacht das nach der super Aussprache dann die Großmutter stirbt *schnief*
Hab wieder richtig mitgelebt deine Kapitel fesselt einen von Anfang bis zum Ende und das bei immer vielen Seiten. Das ist echt supi.
Bin schon gespannt wies weiter gehen wird mit den beiden *ggg*
Lg Kari-chan
Von:  JemoKohiri
2007-02-08T21:20:17+00:00 08.02.2007 22:20
Irgendwie ist mir gerade regelrecht schlecht und zittrig ums Gebälk, ich hab’s doch schon geahnt, als ich dieses Kapitel überflogen habe, dass geht nie und nimmer spurlos an mir vorbei… *sogar Taschentücher holen musste* Au weh, so durcheinander wie ich grad bin, wird’s schwer nen vernünftigen Kommentar zu verfassen, aber ich werde es trotzdem versuchen. *sich in ihre Tigerdecke kuschelt, um endlich das Zittern unter Kontrolle zu kriegen*

Hm, merkwürdiger Anfang, ich dachte zuerst, dass ich im falschen Film sei, bis ich verstand das die beiden mit dem Mottorad unterwegs waren. Nun gut, nicht verwunderlich, denn in Kapitel 23 deutete sich davon ja schließlich noch nichts an… aber dennoch genial, denn damit hatte ich nun absolut gar nicht gerechnet.

Nu ja schließlich sind die beiden ja dann bei Oma Sakuma an und werden sofort gemästet bzw. genauso geherzt wie damals bei ihrem Versuch, das alte Omchen ist quasi immer noch de selbe. Den Rundgang im Tempel empfand ich allerdings eher als Tourigang, weniger als romantische Zweisamkeit der Beiden. Versteh mich nicht falsch, er glich nicht eins zu eins einer Führung, aber für mich hatte es einen leicht angehauchten Charakter dessen, zumal ja doch einiges erklärt wird. Wobei das ja nötig ist, denn schließlich kennt nicht jeder nen Tempel, also zumindest keinen japanischen Schrein.

Und dann dieser heftige Mittelteil… ich musste mich wirklich äußerst stark zusammen reißen, denn sonst hätte ich vor lauter Tränen gar nichts mehr gesehen, die mir eh schon aufs Oberteil tropften… Ich muss gestehen, mir ging es wie Shuichi, ich hatte die Medikamente selber bereits längst vergessen und nicht mehr im Mindesten dran gedacht. Tja, was für ein fataler Fehler, der für heftige Angstgefühle sorgte. Denn in mir selber stieg Panik auf, weckte ihn mir das Verlangen wegzulaufen, aber erreichte letztendlich doch nicht ihr Ziel, stattdessen blieb ich mit Angst geweiteten Augen dabei und wusste nicht, ob ich Ryuichi ebenfalls erwürgen soll oder nicht. Dieser Ausraster, er war so heftig wie nie und zeigt mal wieder überdeutlich wie sehr Ryu immer noch in der Vergangenheit leidet und wie wichtig es ist sich dem zu stellen… Shuichi wird ihm da nie helfen können, so sehr er sich auch bemüht. Hoffentlich sucht Ryu bald nen Psychiater auf.

Hinzu kommt das doch recht merkwürdige Gespräch zwischen Oma-Sakuma und Shuichi, bei dem sich bereits abzeichnete, dass in dieser Nacht noch andere Probleme auf die drei zukommen würden. Allerdings freut es mich irgendwo, denn die beiden haben vorher noch nie so geredet und werden es in Zukunft nie wieder tun. Jedoch zeugt die Übergabe der Spieluhr für mich von großem Vertrauen, denn ich glaube kaum, dass Oma-Sakuma die Shuichi mal eben so gegeben hätte. Und jetzt nachdem ich das Kapitel zu ende gelesen habe, ist das für mich ihr letztes Geschenk an die beiden Menschen die ihr am Wichtigsten sind. Ich weiß nicht wie sehr sie Shuichi mag, aber ich denke sie wusste, dass sie diese Nacht nicht überleben wird und wollte den beiden noch etwas hinterlassen, etwas das beiden helfen würde und hoffentlich auch wird.

Der nächste Hammer flog mit dem Erwachen Ryuichis und ihrem Gespräch auf uns zu. Die Gefühlsgewalt ist besonders in diesen beiden Parts unheimlich stark und erschlägt fast… Ryuichis Entschluss ist grausam, wenn gleich auch irgendwo logisch, denn wenn etwas in einem ständig Probleme auslöst, dann sollte man sich davon besser trennen, aber wir wissen alle, dass genau das nicht funktioniert… man brauche nur an Shuichis Entführung denken oder aber die Vergewaltigung durch Tatsuha… da wollte Ryu sich zwar nicht von Shu trennen, aber bereits dort war er ja fertig, hatte damit zu kämpfen gegen seine Angst zu gewinnen und nicht vor lauter Verlustangst verrückt zu werden. Doch würde es jetzt wirklich was bringen? Nein, denn Ryu hat den Anfall ja gerade erst hinter sich, wurde von Shuichi zur Leason gebracht und ist nun klar genug im Kopf, um eine solche Entscheidung fällen zu können? Ok, zugegebenermaßen er war danach wieder bei klarem Verstand, was durch seine Aussagen ja bewiesen wird, aber eine Trennung hätte wirklich alles zerstört… wieder einmal mehr wird deutlich was Ryu und Shu einander bedeuten, wie wichtig sie sind und was eine Trennung auslösen würde. Die beiden sind inzwischen zu einer untrennbaren Einheit geworden und wer etwas anderes behauptet, der kann nicht zwischen den Zeilen lesen. Denn die beiden sind und bleiben Lebenselixiere für den jeweils anderen, wären ohne einander reif für die Klapse und wachsen gerade durch ihre Probleme, wenn gleich es wünschenswert wäre, wenn diese nicht zu heftig wären.

Doch eines lass dir gesagt sein Shuichi, du bist keinesfalls dumm, denn wenn du es wärst, so könntest du Ryuichi nicht so unterstützen wie du es bisher tust. Glaube mir, du bist einer der wertvollsten Menschen auf dieser Welt, wenn gleich du eigentlich nicht existiert. Aber die bloße Vorstellung, dass Menschen wie du existieren könnten ermöglicht die Hoffnung auf eine bessere Welt, zumindest eines Tages.

Hierbei möchte ich kurz noch mal was zu den Fragen anmerken. Sorry, wenn es etwas Off-topic wird.
„Konnte ein Mensch an Einsamkeit sterben? Konnte er von Sehnsucht zerfressen werden?“
Und wie ein Mensch an Einsamkeit sterben kann… denn wenn du durch verschiedenste Umstände, welche auch immer, stets allein durchs Leben geht, gewöhnt sich der Mensch irgendwann so sehr daran, dass es für ihn zum Normalzustand wird und er noch nicht Freunde als wirkliche Erleichterung wahr nimmt. Einsamkeit ist etwas unter dem niemand leiden sollte, denn sie kann dich total abstumpfen lassen und dir sämtliche Gefühle rauben. Umgedreht kannst du aber auch einsam werden, wenn dich nicht jeder so akzeptiert wie du bist und du dadurch gezwungen wirst zu schauspielern…
Von Sehnsucht kann der Mensch ebenfalls zerfressen werden, denn wenn du eine Person schon ewig nicht mehr gesehen hast, aber trotzdem noch starke Gefühle für sie hegst, dann kann dir die Sehnsucht den letzten Nerv rauben. Noch schlimmer ist es, wenn die Person bereits tot ist und du ihn/sie immer noch liebst, einfach nicht vergessen kannst. Sehnsucht ist für mich eine der übelsten Krankheiten die dich erwischen kann…
Wie dem auch sei, Einsamkeit sowie Sehnsucht – beides äußerst starke Sehnsüchte die jeden töten können und deswegen freue ich mich über jeden Menschen, der davon nicht betroffen ist, denn das Leben wird damit verdammt schwer.
(siehe neuester Weblog^^)

Insgesamt gesehen ein äußerst beeindruckendes Kapitel, dass seinen Kapitel mehr als verdient. Nun hoffe ich jedoch sehr, dass Ryuichi diesen Schock verarbeiten kann und der Tod von Oma-Sakuma ihm nicht auch noch zum Verhängnis wird, denn ich weiß wie schwer einen der Verlust trifft besonders, wenn man gerade im Teeniealter ist, nen Ausflug unternimmt und wenige Monate später alles außer Fugen gerät.
Von:  Lumis
2007-02-07T21:50:39+00:00 07.02.2007 22:50
Nein!!!!! *inTränenauström* *Heul* ich fand die Großmutter doch so toll und jetz... is se tot. ich hatte mich schon gefreut als Ryuichi dann gemeint hat er kann Shuichi nicht velassen... und dann *schnief* stirbt die tollte Großmutter ^^* *heul*
Von:  Tainja
2007-02-07T17:29:15+00:00 07.02.2007 18:29
Also ich gehe wieder möglichst der reihenfolge nach... das wie ryu shu schlafend aufs motorad gepackt hat XD da war hart XD also *rofl* die sorgen um geld, die sich shuchan machte sind echt^^° nichtig im gegensatz zu den ganzen anderen prosb die sie haben...aber verstehen tu ich das gut! das ryu wenn so richtig respektiert finde ich nicht so erstaunlich XD die famile schien ja auch sehr traditionel zumindest die oma! Die oma war echt klasse super sahen messig! das mit den nonverbalen Kommunikation z.B. dei angelegenheit mit dem klo ist auch sehr witzig. Shus konkurrenz gedanken irgendwie auch^^
Das mit dem schlafwandeln T_T armer shu und armer ryu wie shclimm die zwei leiden, weil sie den anderen je nichtw eh tun wolen, beide aber ihre probleme haben und beide das gefühl haben sie können den anderen nicht helfen >.< whaaa~ im ganzen sehr ähnlich, die zwei! es ist aber irgendwie auch süß, die "dikussion" ums zusammen sein oder nicht. die traurige melodie...da frag ich mich ob dir eine vorschwebt dazu. untermalt das ganze aufjedenfall! udn nun zum traurigsten..
wie die oma gelitten hatte und auch wegen death warnung...ich befürchtete schon, dass es die oma wird T_T alte menschen sterben, dass ist der lauf der dinge. es ist aber so sünde...so sünde das sie nicht noch eine genesung doer so von ihrem enkeln mit erleben kann.. T_T *heul* und ob sich ryu davon erholt? ihre art wie sie gestorben ist könnte man als schön bezeichnen, weil im shclaf und so...aber die ursache ist ja doch ein schmerz gewesen...der bestimtm auch im schlaf wirken kann. oder hat sie gar ihren frieden, weil sie die gewißheit hat, das shu sich um ryu kümmern wird. ich muss mich michael-san noch anschließen, dass man bei dem ankommen vom haus schon nen echt mulmieges gefühl bekomemn hat... und sowas bwundere ich, wenn man so eien stimmung rüber gebracht bekommt!!! und das mit der medizin...ja...das hatte ich auch nicht mehr im kopf und das es solche ausmaße haben kann! voll krass!!!
also ich bin echt aus nächste chapter gespannt...wo bei ich sehr viel angst um ryu habe.
liebe grüße
das verrückte täubchen tai
Von: abgemeldet
2007-02-07T14:35:53+00:00 07.02.2007 15:35
ok.. jetzt muß ich auch erstmal durchatmen.. was für ein Kapitel..oO du Hattest mich ja vorgewarnt, aber das hab ich nicht erwartet..
Da bekomm ich soagr angst vor Ryu.. der arme.. und dann der erste schock.. ryu will sich trennen..O.O
da kamen mir ja beinahe die tränen..;.;
Und dann die omi..TT.TT Du weißt doch wie ich die omi´s mag..
*schnief*
Obwohl es sehr traurig ist, war es unheimlich fesselnd und sehr schön geschrieben.. wie immer^^
Ich freu mich schon auf das neue kapitel.. ^^
Von:  MaryMalfoy
2007-02-06T23:24:18+00:00 07.02.2007 00:24
wow ich habe immernoch totales herzklopfen...schlimm.
deine geschichte fesselt mich immer wieder und vorallem deine charas, die du so unglaublich fein ausarbeitest ♥
Die beiden tun mir echt unendlich leid, haben erst eine katastrophe hinter sich, da kommt auch schon die nächste.
Mir sind wirklich fast die tränen gekommen, als ryuichi klar wurde, dass er shu braucht und dass er nicht mehr ohne ihn auskommt. Es war wirklich sehr heftig, ich konnte die gefühle der beiden praktisch selber fühlen...
shuichi würde sterben...als er das sagte ..wuah, ich kanns gar nicht in worte fassen. Du merkst wie "durcheinander" ich bin.
Du hast mit dieser story echt was wundervolles geschaffen, dass wollt ich dir nur mal sagen. Es gibt selten geschichten, bei denen ich so mitfiebern kann und bei denen man die Emotionen live miterleben kann...unglaublich. Mehr fällt mir dazu eigentlich gar nicht ein.
Ich liebe diese Geschichte, deinen Schreibstil, deinen Humor und vorallem dieses unendlich traurige Kapitel, dass mich zutiefst gerührt hat <3
wah, ich dreh durch :'D
naja..hoffentlich bis zum baldigen nächsten kapitel... musste meine begeisterung jetzt einfach mal zum ausdruck bringen.
vielen dank für deine mühe ^^
Miaka-chan
Von:  mangacrack
2007-02-05T08:10:24+00:00 05.02.2007 09:10
Okay, ich glaube nicht, dass ich mit Michael-Sans Kommi mithalten kann,a ber ich will es zumindest versuchen.

Als du am Anfang angekündigt hast, dass dieses KApitel sehr traurig und düster wird, da habe ich mir schon gedacht, dass die Großmutter sterben wird. Das war in dem Punkt einfach vorauszusehen.
Womit ich nicht gerechnet habe, war Ryuichis Anfall. Aber ich fand ihn genial beschrieben. Auch das Ryuichi das mit aller Kraft verhindern wollte, aber nicht dagegen angekommen ist. Es muss wirklich tiefe innere Verzweiflung sein, die ih treibt. Das mit dem Sprung aus dem Fenster ... nun gut, dass ist Shuichi.

Allerdings fand ich den Tod der Großmutter irgendwie nicht perfekt demonstriert. Das wird hart für Ryuichi in der nächsten Zeit. Shuichi muss unbedingt für ihn da sein.

mangacrack


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