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Ariane - oder von der Schwierigkeit, perfekt zu sein Eigene Serie, Balance Defenders, Besonderheit, Charakter, Normalität, Perfektionismus

Autor:  Regina_Regenbogen
 
Die "Normale" unter den Außenseitern 
 
 
Wie es im letzten Blogartikel schon anklang, wirkt Ariane in einer Gruppe aus Figuren, die an typische Nebencharaktere erinnern, auf den ersten Blick wie die typische Protagonistin. 
 
Während die anderen nicht gerade den Eindruck machen, Teil der beliebtesten Clique zu sein. erscheint Ariane allein schon aufgrund ihrer Schönheit wie jemand, der "dazugehört".
Sie ist selbstbewusst, freundlich, rücksichtsvoll und sehr selbstreflektiert. Zwar hadert sie damit, dass andere ihrem Aussehen zu viel Aufmerksamkeit widmen, aber sie äußert nie irgendeinen sonstigen Groll auf die Welt oder zeigt besonders schrullige, auffallende Eigenschaften.
Kurz gesagt wirkt sie wie ein sehr umgänglicher Mensch, der keine Probleme hat, sich in eine neue Gruppe zu integrieren, oder diesbezüglich Hemmungen oder Angst hätte. 
Weder stößt sie irgendwen vor den Kopf, wie Serena es tut, noch ist sie laut wie Vitali oder übertrieben aufdringlich wie Vivien. Und während wir Justin als sehr unsicher insbesondere in Bezug auf Vivien erleben, scheint Ariane mit einem gesunden Selbstvertrauen gesegnet zu sein. 
Das wirft die Frage auf: Was ist eigentlich ihre Schwäche???
 
 
 
Zugehörig?
 
 
Im Gegensatz zu den anderen fühlt sich Ariane normal und zugehörig. Wir erfahren aber auch, dass sie Erfahrungen gemacht hat, die dem widersprechen. Dennoch lässt sie sich nicht einreden, eine Außenseiterin zu sein. 
Ariane widerstrebt es, andere als eine einförmige Gruppe zu sehen, weshalb sie sich nicht als anders wahrnimmt. Als Feministin hält sie es für falsch, sich als "anders als die anderen Mädchen" zu betrachten, weil alle Frauen, ja, alle Menschen auf ihre Art besonders sind und es nicht darum geht, in Konkurrenz mit anderen zu treten. Daher ist es ihr Anliegen, sich immer als Teil der Gemeinschaft zu verstehen, statt sich von dieser abzugrenzen. 
Sie denkt, dass es niemandem hilft, sich aus der Gruppe der Normalen herauszunehmen, weil sich auf diese Weise ja nichts ändert und man anfängt, Negatives auf die Mehrheit der Menschen zu projizieren. Stattdessen ist es ihr ein Anliegen, Toleranz und Respekt in alle Richtungen zu geben und Gruppen als einzelne Individuen wahrzunehmen. 
 
Das Problem ist, dass sie dadurch oft Menschen, die sich von der Masse abgrenzen, ungewollt vor den Kopf stößt. Ihre Versuche, zu Toleranz aufzurufen, wirken auf Personen, die selbst unter der Intoleranz der "Normalen" gelitten haben, als würde sie Täter verteidigen.
Ariane stellt moralisches Handeln und Denken über Loyalität, etwas, mit dem beispielsweise Serena überhaupt nichts anfangen kann. Ironischerweise hat dadurch Serena den größeren Gemeinschaftssinn als Ariane. Serena ist bereit, die Gruppe, die sie als die ihrige ansieht, gegen alle im Außen zu verteidigen. Ariane dagegen betrachtet immer zuerst neutral die Situation und versucht zu verstehen, was schiefgelaufen ist und geht stets davon aus, dass von beiden Seiten etwas passiert sein muss. 
Die Konsequenz ist, dass Ariane immer außen steht...
 
 
 
Das Los des Außenstehenden
 
 
Arianes Bemühungen, neutral zu sein und vom Besten im Menschen auszugehen, kosten sie einen hohen Preis.
Niemanden als schlecht einzustufen, bedeutet auch, Menschen, die einen schlecht behandeln, nicht abwerten zu dürfen und somit von sich selbst ein Maß an Kontrolliertheit zu erwarten, das gerade in Situationen, in denen man besonders verletzlich ist, zu viel verlangt ist. 
 
Auch versagt sie sich dadurch, sich in eine Gemeinschaft fallen zu lassen und nicht andauernd alles immer wieder kritisch zu hinterfragen. 
Zwar hält sie sich selbst nicht für einen Außenseiter, aber ihr Anspruch, unparteiisch zu sein, verwehrt ihr, sich wirklich aufgehoben und verbunden zu fühlen.  
 
 
 
Scheinheilig? 
 
 
Obgleich Ariane nie jemand anderem direkt Vorwürfe macht, wenn er sich nicht ihren Werten entsprechend verhält, sondern der Person lediglich ihre Sichtweise mitteilt - was bei Erik durchaus ins Vorwurfsvolle geht - kommt es beim anderen und auch beim Leser oft so an, als würde sie diese Perfektion von anderen verlangen. Entsprechend kann es so wirken, als würde sie etwas vom anderen fordern, das sie selbst nicht fähig ist zu leisten. 
 
Ihre ständige Betonung von Neutralität und Toleranz lässt ihr eigenes Versagen in diesem Bereich oft deutlicher hervortreten als das derjenigen, die gar nicht erst einen solchen Anspruch erheben. 
Würde sie nicht immer wieder dafür plädieren, keine Vorurteile zu haben, und würde sie ihre eigenen Fehltritte nicht direkt selbst in Gedanken kommentieren, würden diese nicht so sehr auffallen. Doch so wirkt es, als wäre gerade sie diejenige, die am wenigsten ihre eigenen Kriterien erfüllt. 
Die Krux des Perfektionismus. 
 
 
 
Oberflächlich?
 
 
Ariane leidet sehr darunter, als oberflächlich eingestuft zu werden, und versucht gerade deshalb alles, um in ihrer Rolle als nette und moralische Person wahrgenommen zu werden.
Tragischerweise lässt genau das sie auf andere oberflächlich wirken. 
Anstatt in die Tiefe und Dunkelheit der menschlichen Psyche abzutauchen, ist sie stets bemüht, über den Dingen zu stehen und geradezu nach kantschen Maßstäben zu handeln. Ein solches Vorhaben ist nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern führt dazu, dass sie ihre eigenen Gefühle verleugnet.
 
 
Unnahbar?
 
 
Ariane denkt viel nach, was aber nicht ausgleichen kann, dass sie auch nur ein Mensch mit Gefühlen ist und sich nicht immer so verhalten kann, wie sie es gerne möchte. 
Ihre Idealvorstellung klingt nach einem Menschen, der zwar höflich und gerecht ist, der sich aber auch nie auf etwas einlässt, weil dadurch die Gefahr besteht, in etwas emotional involviert zu werden. 
Sie ist bereit, alles zu geben, wenn sie an eine Sache glaubt, aber wenn es nicht um eine Sache, sondern um eine Person geht, hat sie deutlich größere Hemmungen. 
 
Obwohl ihr Eriks Art der Unnahbarkeit widerstrebt, ist sie in ihrer Unverbindlichkeit ebenso distanziert und hält andere auf Abstand. Sie ist zu allen höflich, freundlich und hilfsbereit, aber ihre Schattenseiten zeigt sie niemandem. Etwas, das Erik umso mehr reizt, sie aus der Reserve zu locken, schließlich heißt er nicht umsonst Geheim. 
 
Das erste Mal, dass sie wirklich die Fassung verliert, ist gegenüber Eriks Vater. Bei ihm versucht sie auch nicht, eine Entschuldigung für sein Verhalten zu finden.
In diesem Moment gibt sie ihre Distanz auf und lässt ihren Gefühlen freien Lauf. 
Bei ihrem ersten Auftritt hatte Ariane auf das Catcalling einer Jungengruppe ähnlich reagiert. Doch da war es um ihre Werte gegangen, Frauen mit Respekt zu behandeln. 
Auch Herrn Donners Verhalten verletzt ihre Werte, doch an der Heftigkeit von Arianes Verhalten ist abzulesen, dass sie in diesem Moment nicht nur für ihre Prinzipien einsteht, sondern für jemanden, der ihr wichtig ist und den sie verteidigt. 
 
 
 
Selbstkontrolle
 
 
Es kommt nicht von ungefähr, dass Erik und Vivien, die beiden Charaktere mit der brutalsten Selbstbeherrschung, immer wieder Ariane reizen und geradezu ärgern wollen. Während Justin, der ebenso strikte Maßstäbe bezüglich moralischen Handelns ansetzt, Ariane immer unterstützt. 
Erik und Vivien halten sich nicht an die Regeln, die Ariane für unverbrüchlich hält, um ein guter Mensch zu sein.
Schlimmer noch: sie brechen sie mit voller Absicht.
Weder sind sie dauernd rücksichtsvoll, noch zeichnen sie sich durch übertriebene Bescheidenheit aus. Beides Dinge, die für Ariane zum guten Ton gehören. 
Doch während Ariane Vivien aufgrund ihres quirligen Wesens und der Tatsache, dass sie ein Jahr jünger ist, noch irgendwie entschuldigt, kann sie bei Erik, der so offensichtlich äußerst reflektiert ist, nicht verstehen, warum er sich so verhält. Schließlich hat er den scharfen Verstand und das Reflexionsvermögen, um zu sehen, dass sein Verhalten unnötig provoziert. 
 
Erik und Ariane sind sich in ihrer Unnahbarkeit sehr ähnlich, drücken diese aber unterschiedlich aus. 
In vielerlei Hinsicht sind sie wie Spiegel füreinander oder zwei Seiten derselben Medaille. 
Während Ariane übertrieben bescheiden ist und sich dauernd kritisch betrachtet und hinterfragt, tritt Erik mit einer schamlosen Selbstüberzeugung auf. Etwas, das sich Ariane nie gestatten würde, wo sie doch schon ohne äußeren Anlass dauernd arrogant genannt wird. 
Erik wiederum kann Arianes duckmäuserische Bescheidenheit und ihren Drang, eine Vorzeigeperson zu sein - moralisch integer, immer nett und freundlich - nicht ertragen. Solch ein Verhalten würde wiederum er sich nicht erlauben.  
 
Schlussendlich sind beide darauf bedacht, einem Idealbild zu entsprechen, das sie für sich entworfen haben.
Erst später wird ersichtlich, dass auch Vivien mit diesem Problem zu kämpfen hat. 
 
 
 
Das Dilemma des Perfektionismus  
 
 
 
Je mehr Ariane darauf bedacht ist, ihrem Idealbild zu entsprechen, umso mehr Aufmerksamkeit schenkt sie der Tatsache, dass sie ihrem Anspruch eben nicht gerecht wird.
Und je mehr sie sich darauf konzentriert, desto weniger ist sie fähig, wirklich auf das einzugehen, was um sie herum passiert. 
Sie ist so sehr bemüht, eine gute Person zu sein, die man aufgrund ihres Charakters schätzt, dass sie vergisst, diesen Charakter zu zeigen. Was sie zeigt, ist nichts als eine Rolle, die sie zurechtgelegt hat, um keine Angriffsfläche zu bieten. 
Dadurch tut sie schlussendlich das Gegenteil von Serena. 
 
Serena ist zu allen garstig, um gar nicht erst jemandem einen Grund zu geben, sie nett zu finden und ihr dann Vorwürfe zu machen, dass sie es doch nicht ist. Ariane dagegen versucht mit aller Kraft, so nett und freundlcih zu sein, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlen kann. Das Problem ist, dass sie gerade dadurch aneckt. 
Sie ist so bemüht, dass sie gar nicht dazu kommt zu zeigen, wie sie wirklich ist, aus Sorge dafür wieder kritisiert zu werden. 
Nur in wenigen Momenten zeigt sie ihre verspielte Freude, ihren Ehrgeiz, ihren Dickkopf, ihre Schlagfertigkeit und ihren Humor. 
 
 
 
Echtheit
 
 
Ariane bemüht sich, das Gute und Richtige zu tun. Häufig ist das allerdings mit Anstrengung verbunden. Nur in Momenten, in denen sie spontan handelt, sehen wir ihren Mut und dass sie auch ohne heftige Selbstkontrolle das tut, was sie für richtig hält.
Statt daran zu glauben, dass sie ohnehin dieser liebe, nette Mensch ist, der sie sich zu sein wünscht, quält sie sich damit, es werden zu müssen. 
 
Ein gutes Bild dafür stammt aus dem Film 'Das letzte Einhorn'.
Dort wird das Einhorn gefangen und in einem Zirkus ausgestellt. Da normale Menschen das Kennzeichen des Einhorns nicht sehen können, zaubert ihm die Hexe ein weiteres Horn, um sein wahres Wesen zur Schau stellen zu können. 
 
 
Arianes Bemühungen, als Mensch mit gutem Charakter gesehen zu werden, sind genau das.
Statt darauf zu vertrauen, dass die richtigen Menschen ihren wahren Wert erkennen, legt sie all ihre Energie in den Versuch, von Leuten wertgeschätzt zu werden, die nur ein aufgesetztes Horn wahrnehmen. 
 
 
 
Die Unmöglichkeit, normal zu sein
 
 
Obwohl sie sich nicht von anderen abheben oder anders sein will, tut Ariane das automatisch, schlicht weil niemand wie die anderen ist. Selbst die anderen nicht.
 
Arianes Herausforderung ist es, sich zu gestatten, herauszustechen und damit Missfallen zu erregen. 
Das bedeutet nicht, andere auszuschließen, in den Schatten zu stellen oder andere zu diskriminieren.
Doch weder ist es praktikabel, noch sinnvoll, alle exakt gleich zu behandeln. Weil eben nicht alle gleich sind, sondern jeder besonders. 
Respektvolles Verhalten ist zwar immer angebracht, aber auch von der Situation abhängig. Und an dem Versuch, immer das Richtige zu tun, kann man nur scheitern. Deshalb ist es notwendig, nachsichtig mit sich selbst zu sein. 
 
 
Fazit
 
Auch wenn es bei Ariane auf den ersten Blick nicht so scheint, darf auch sie noch lernen, sich selbst anzunehmen und sie selbst zu sein.
 
Und das haben alle Beschützer gemeinsam. 
 
 
 
 
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Datum: 28.08.2021 12:56
Ooooooh, was für ein wunderschöner Artikel!!!!! 😍😍😍😍😍😍😍😍😍😍😍😍😍
Es ist so toll, wie du Arianes Charakter herausgestellt hast und wie ihr Perfektionismus sie daran hindert sie selbst zu sein und sich damit gegen sie richtet. Hach, ich bin total gerührt davon! (´▽`ʃ♡ƪ)

Es stimmt absolut, Ariane eckt bei denen die sich eben nicht als "normal" betrachten können oder wollen häufiger mal an. (Wie ihre Reaktion auf Serenas Abneigung zur Party, die sie ganz offensichtlich nicht nachvollziehen konnte.) Und auch so cool, wie du die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Erik herausgestellt hast, insbesondere was die Unnahbarkeit betrifft! 🤩

Aaaah, das ist dir wirklich gut gelungen! Eben da Ariane diese Unnahbarkeit auch gegenüber sich selbst hat - weil sie ja perfekt sein möchte und deshalb diese Rolle einnehmen muss - kann auch der Leser sie nicht wirklich kennen- und einschätzen lernen. Deshalb bin ich so froh, dass du das alles hier mal aufgegliedert und analysiert hast! Das hilft so sehr, sie wirklich als Ariane wahrzunehmen und ihre Charakterzüge und Aktionen nachvollziehen zu können und ihr auch eine Chance zu geben, einem ins Herz wachsen zu können! Vielen Dank dafür 🥰


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